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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspieltheorien => Thema gestartet von: Jestocost am 16.02.2005 | 14:58

Titel: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Jestocost am 16.02.2005 | 14:58
Nach der sehr interessanten Primetime Adventures Runde auf Hessenstein und dem Konsum von einigen Folgen "Dead like me" und anderen coolen Serien, stelle ich mir die Fragen, wie man das ganze narrativistische Zeugs in der Praxis einsetzen kann.

Eine übergreifende Prämisse für eine Kampagne oder einen Spielabend halte ich für wenig praktikabel. Dass sich aber der aktuelle Plot (und den brauchen wir, um Action, Spannung und Druck zu erzeugen) eine Art Prämisse haben sollte (ein Dilemma oder eine für Menschen relevante Fragestellung) ist jedem klar, der sich einen einfallen lassen muss...

Aber: Die Handlung einer Geschichte offenbart sich in den Konflikten, die sie besitzt, bzw. die die Protagonisten durchlaufen bzw. bestehen müssen.  Diese Konflikte können durch den Plot bereitgestellt (oder verschlimmert) werden oder aber durch die Spieler selbst, die ihren Charakteren Probleme stellen, an denen sie wachsen sollen.

Im (normalen) Rollenspiel kommen die Konflikte entweder vom SL oder über den SL aus der Hintergrundgeschichte. Eine charakterliche Entwicklung im Rahmen des Spielabends sowie über den Lauf der Kampagne hinweg, ist aber meist nicht vorgesehen.

Aber warum denn nicht? Als guter Spielleiter mache ich mir Gedanken, was am Spielabend passieren soll. Warum soll ich mir nicht auch die Frage stellen, wie der Charakter sich wohl entwickeln könnte. Ich brauche dazu nicht mal Entscheidungen, sondern "Schlachtfelder", Situationen in denen der Charakter sich entscheiden muss, und in denen diese Entscheidung auch Konsequenzen hat (Zu jemandem nett zu sein ist einfach. Aber zu seinem größten Feind nett zu sein, obwohl dadurch das Leben von Freunden gefährdet sein könnte, ist bedeutender und sagt etwas über einen Charakter aus).

Interessanterweise findet ja nebenbei schon jetzt charakterliche Entwicklung im Rollenspiel statt (und nicht nur über XP) - einfach, weil man als Spieler Entscheidungen unter Druck fallen muss. Wird mein Charakter zum Tugendbold, Verräter, Prahlhans oder Feigling - oft weiß man das als Spieler bei der Erschaffung seines Charakter noch nicht. Aber zwei, drei Spielabende später, hat es sich dann entschieden... Vielleicht sogar durch Zufall.

Aber sollte diese charakterliche Entwicklung nicht mehr ins Spielzentrum gestellt werden, anstatt dem Zufall überlassen zu werden? Wie die Lösung genau aussieht, weiß ich auch noch nicht...

Aber sich zu überlegen, wo der Charakter anfängt, wo er hinkommen will, wer er ist und zu wem er werden könnte, wäre schon ein Anfang... Und wenn der Spielleiter dies in sein Abenteuer mit hinein nimmt, wäre schon ein Anfang gemacht.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Ein am 16.02.2005 | 15:13
Zitat
Aber sich zu überlegen, wo der Charakter anfängt, wo er hinkommen will, wer er ist und zu wem er werden könnte, wäre schon ein Anfang... Und wenn der Spielleiter dies in sein Abenteuer mit hinein nimmt, wäre schon ein Anfang gemacht.

Ich bevorzuge es genau umgekehrt. Wenn wir einen Spielleiter im Spiel haben, dann soll der auch seinen Spaß haben. Da heißt, dann für mich, dass der Spielleiter, die Spieler vor Entscheidungen stellen darf, die diese nicht erwartet haben. Das kann auf dem Hintergrund oder der momentanen Situation des Charakters fußen, muss aber nicht. Im wirklichen Leben sind die interessantesten und schwierigsten Wendungen doch auch meistens die vollkommen unerwarteten.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Lord Verminaard am 16.02.2005 | 15:22
Ich sehe es eher wie Jesto. Wobei es auch Charakterentwicklung ohne Konflikt und auch Konflikt ohne Charakterentwicklung geben kann, und beides hat ebenfalls seinen Reiz. Nur ist's dann wohl kein Narrativismus mehr. Oder?

Am besten kann man dieses "Narrenzeugs" natürlich nutzen, wenn man ein komplett darauf zugeschnittenes Regelwerk wie eben Primetime Adventures oder Dogs in the Vineyard verwendet. The Pool würde ich hier nicht unbedingt aufzählen, da es sehr frei ist und nicht von sich aus auf Konflikte und Charakterentwicklung hinwirkt. Aber es hat, genau wie die vorgenannten Spiele, die Eigenschaft, dass es auf andere Dinge wie Simulation der "Naturgesetze" oder Wargame-Elemente komplett verzichtet.

Ich denke allerdings, dass man auf diese Dinge gar nicht verzichten muss, um interessante Charakterentwicklung und Konflikte für das Spiel zu nutzen. Man kann auch beides haben. Dann muss man den Persönlichkeits-Kram allerdings ohne große Hilfestellung vom System erledigen, jedenfalls in den meisten "klassischen" Systemen. Aber hey, das hat uns noch nie aufgehalten. Inzwischen gibt es ja auch Hybriden wie The Riddle of Steel, die beides vereinen.

Wichtig ist in jedem Fall das Input der Spieler. Schon bei der Charaktererschaffung müssen interessante Konflikte und Entwicklungspotentiale in seiner Situation und Persönlichkeit angelegt sein. An dieser Stelle auch noch mal der Hinweis: Entwicklung muss nicht immer gleich heißen, dass sich das Weltbild oder das Selbstbild des Charakters grundlegend ändert. Die Entwicklung kann auch darin liegen, dass er von seinen Mitmenschen anders wahrgenommen wird, dass er ein für ihn persönlich wichtiges Ziel erreicht und sich nun neu orientieren muss, usw.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 16.02.2005 | 16:22
Wow. Tim, du ... Wow!  :o Der coolste Post zu Narrativismus evarr! :D Das fasst alle Überlegungen besser zusammen als ich das schreiben könnte... Ich geb mal für 2 Cent Senf dazu.

Wir hatten das ja schon mal mit der Charakterentwicklung. Im "klassischen" Rollenspiel ist sie tatsächlich oft mit der Hintergrundgeschichte beendet, oder wie du anmerkst nach den erszen 2-3 Sitzungen hat der Spieler seine "Rolle" gefunden und gut is. Was ich (ebenfalls?) nicht besonders wünschenswert finde.
Für mich gehört tatsächlich zu einer guten Geschichte Charakterentwicklung durch Konflikt. Oder wie du sagtest:
Ich brauche dazu nicht mal Entscheidungen, sondern "Schlachtfelder", Situationen in denen der Charakter sich entscheiden muss, und in denen diese Entscheidung auch Konsequenzen hat (Zu jemandem nett zu sein ist einfach. Aber zu seinem größten Feind nett zu sein, obwohl dadurch das Leben von Freunden gefährdet sein könnte, ist bedeutender und sagt etwas über einen Charakter aus).
Ich persönlich brauche Sitautionen, in denen ich als Spieler entwas über meinen Charakter aussagen kann. Und am Besten sollte diese Aussage an eine Entwicklung des Charakters geknüpft sein. Ist nur meine Meinung.

Wie kriege ich jetzt aber sowas in meine Sitzung rein (und btw: ich finde schon, dass man eine durchgehende Prämisse für eine Kampagne machen kann, auch wenn du Recht hast und man sie natürlich nicht machen muss)?
Geschichte kommt im Rollenspiel aus einer der drei Quellen:
- SL
- Spieler
- System
Irgendwer von den dreien muss dazu was beitragen. Höchstwahrscheinlich alle drei in unterschiedlichen Mengen.
Im klassischen Rollenspiel liegt die Last fast ausschließlich auf den Schultern des SL. Er macht sich die Gedanken, die Spieler wenig und das System trägt quasi Nichts dazu bei. Für sinnvoll halte ich deswegen den Ansatz, diese Last auf mehrere Schultern zu verteilen, wenn man oft, viel und gute Story haben will.
Du hast es (und Vermi auch) ja schon betont: wichtig ist hierbei der Input der Spieler. wenn die sich zu Anfang schon mal Gedanken machen, um was es so ungefähr gehen soll, nehmen sie dem SL viel Arbeit ab. Beispiel PtA: durch die Issue und die Beziehungen geben die Spieler an, worum sich die Geschichte ihres protagonisten drehen soll. Der SL muss es nur noch umsetzen. Und das ist etwas, dass man (völlig unabhängig vom System) auch in anderen Spielen machen kann.
Als zweites (und da hat Vermi Recht) kann das System helfen. Es kann den Ablauf der Geschichte strukturieren usw. Bei PtA ist das z.B. Screen Presence oder die Art, in der die Szenen erarbeitet werden.

Jetzt hab ich irgendwie nur Sachen wiederholt, die andere schon gesagt haben... Was war jetzt nochmal das Ziel des Threads?
Zitat
Aber sollte diese charakterliche Entwicklung nicht mehr ins Spielzentrum gestellt werden, anstatt dem Zufall überlassen zu werden? Wie die Lösung genau aussieht, weiß ich auch noch nicht...
Ah ja. Ab mit der Charakterentwicklung ins Spielzentrum. Bin ich sehr, sehr dafür! :) Wie? Tja. Ich persönlich halte inzwischen PtA für ein ziemliches "Allheilmittel". ;) Man nehme sich ein paar (nicht zu viele) Leute, die gerne Fernsehserien schauen. Man spielt mit ihnen einmal PtA. Dann haben sie (hoffentlich) irgendwie verstanden, worum es geht. Denn ich vermute mal, dass eine Runde PtA mehr Informationsgehalt hat, als alle GNS-Threads hier im Forum zusammen. ;) Und dann sind die Leute vielleicht in der Lage, solche Konzepte wie "Issue" oder Charakterentwicklung auch in anderen Rollenspielen umzusetzen. Hm, naja, ist ein frommer Wunsch... :)
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Teclador am 16.02.2005 | 17:36
@Fredi: Potztausend, das hört sich ja nach einem Wunderwekr von einem System an. Man spielt einmal und dann versteht man wirklich GNS?
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Lord Verminaard am 16.02.2005 | 17:38
Nee, aber man versteht narrativistisches Spiel. (Solange man es nicht zu genau wissen will. ;))
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 16.02.2005 | 17:47
Nee, aber man versteht narrativistisches Spiel.
Jenau.
Ich denke man unter Umständen mehr verstanden als nach den GNS-Threads zu Narrativismus und was das ist. Viele der Widerstände gegen GNS kommen eben daher, dass die nicht leicht zu verstehen ist und so unglaublich theoretisch. Und wenn man es dann mal wirklich spielt, fallen so manchem die Schuppen von den Augen.
Frag Tinka. Sie mag zwar Narrativismus nicht für das Beste Ding Evarr halten (so wie ich ;) ) und es mag nicht 100% ihr Stil sein, aber ich denke, sie hat durch die Runde PtA einen groben Eindruck davon gewonnen, was Nar bedeutet. Auf jeden Fall mehr Eindruck als durch die Threads. :)

Ein Spiel sagt da tatsächlich mehr also 1000 Worte... :)
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Teclador am 16.02.2005 | 17:52
Aha....und ich werde nicht verhauen, wenn ich zugebe bei meinen eigenen Gruppen Würfelergebnisse zu verdrehen, oder dem "Drift" zu unterliegen? ;)
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 16.02.2005 | 17:55
und ich werde nicht verhauen, wenn ich zugebe bei meinen eigenen Gruppen Würfelergebnisse zu verdrehen, oder dem "Drift" zu unterliegen?
Doch, klar! Du glaubst doch wohl nicht, dass du mit sowas durchkommst! Vermi haben wir wegen des Drifts auch schon böse zugerichtet. Schau dir nur seinen Avatar an...  ~;D
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Preacher am 16.02.2005 | 18:00
Auch auf die Gefahr hin, dazustehen wie der letzte Depp:

Was ist Drift denn eigentlich? Ich nehme mal nicht an, daß es was mit Segeln zu tun hat, oder?
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Lord Verminaard am 16.02.2005 | 18:26
Zitat von: Ron Edwards
Changing from one Creative Agenda to another, or from the lack of shared Creative Agenda to a specific one, during play, typically through changing the System. In observational terms, often marked by openly deciding to ignore or alter the use of a given rule.

An weiteren Erklärungen versuche ich mich lieber nicht, ich verstehe ja immer alles falsch... ;)
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Preacher am 16.02.2005 | 18:31
Aha. Danke.

Da kann ich nun aber gar nichts schlimmes dran finden. Ich meine, wenn ich beim Spiel feststelle, daß eine Regel Fuppes ist, dann tret ich sie in die Tonne. So einfach ist das ;)

Damit wollt ich nun aber keine Diskussion auslösen. Danke für die Erklärung, weiter im Thema ;)
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Ein am 18.02.2005 | 11:45
So, ich habe mich damit noch einmal in Ruhe auseinandergesetzt. Artikel gewälzt, vorallem solche von der Konkurrenz (dem Film). Was wir brauchen um narrative Elemente ins Spiel zu bringen, ist eine Story und Charaktere. Allerdings sollte an beide gewisse Ansprüche gestellt werden.

Story:
Die Story muss keinen Spannungsbogen haben, dennoch arbeitet sie auf ein Ziel hin: die Charakterentwicklung.

Desweiteren spreche ich mich hier bewusst gegen DAGs aus. Denn kollektive Geschichten sind schlicht inkonsistenter als Geschichten, die von einem einzelnen geplant und dann nur angepasst werden. Und gerade solche Inkonsistenten sind es, die die Charakterentwicklung behindern oder sogar in Frage stellen und auch eine gute Story verhindern (es geht hier immerhin um narrative Elemente).

Charaktere:
Die Charaktere sollten Motivationen haben, die sie alle an einen "Ort" fesseln.

Denkbar wäre der typische Apartmentblock, wie wir ihn aus Friends kennen, aber ich bin mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass die perfekte Wahl dafür die Strasse ist. Wenn wir als Setting einen Road Movie zugrunde legen, haben wir einen gerade zu optimale Mischung des klassischen Party-Prinzips und eines narrativ sehr starken "Genres".

Das sollte einen Appeal haben, der auch den typischen Rollenspieler reizt.

Um das kurz zu erläutern im Road Movie geht es um Menschen, die sich nach utopischer Freiheit sehnen. Dieses Freiheitsbedürfnis treibt sie dazu ihre Vergangenheit zurück zu lassen und "nach Westen" zu gehen, immer in Richtung einer Utopie. Allerdings hat diese ganze Geschichte natürlich einige Haken: Die Strasse ist rau und gefährlich. Man hat keine Wurzeln und stattdessen nur die Last seiner Vergangenheit auf den Schultern. Je weiter man reist, desto gefährlicher wird und anhand dieser Gefährlichkeit entwickeln sie die Charaktere, denn nur die Starken überleben auf der Strasse.

Am Ende der Geschichte errreichen die Charaktere (evtl.) ihr Utopia. Doch leider stellt sich heraus, dass es aus der Ferne alles viel besser aussah, als es aus der Nähe betrachtet ist. Was bleibt ist die Entwicklung, die die Charaktere gemacht haben, die Erfahrungen, die sie auf der Strasse gesammelt haben, und die Erkenntnis, dass man noch nicht weit genug gereist ist oder dass das Zuhause immer noch das beste ist (à la Wizard of Oz).

Wie setzt man das um?

Alles dreht sich um einen Plot. Der SL konfrontiert die Charaktere mit immer größeren Gefahren und wirft sie in Konfliktsituationen, in denen sie sich entscheiden müssen. Ich denke man braucht dafür alltägliche Charaktere, denn der typische Abenteurer ist bereits das Resultat der Entwicklung, und man braucht natürliche Spieler, die an Charakterentwicklung interessiert sind.

Meiner Meinung kann man aber technisch nichts machen, das für eine gute Charakterentwicklung sorgt. Sowas kann man halt nicht erzwingen, sondern nur lenken, und die Lenkung kommt durch die Geschichte, nicht durch irgendeinen Mechanismus (ebenso wenig wie halt hochstilisierte Filme automatisch gute Filme sind).
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 19.02.2005 | 14:00
Ich möchte deinem letzten Punkt widersprechen, Ein, weil ich glaube, dass man durchaus Mechanismen braucht, die Konflikte provozieren und auch bewusst machen.

Um mal bei dem Beispiel mit dem Roadmovie zu bleiben: Das ist ja eigentlich das Urbild des Fantasy-Rollenspiels. Die Helden brechen aus den gewohnten Verhältnissen einer peseudomittelalterlichen Welt aus, ziehen auf Abenteuer aus und leben ihre Individualität in einer Welt, in die Individualität nicht kennt. Bei jedem zweiten Fantasy-Charakter steht ja im Hintergrund, dass ihm das heimatliche Dorf zu eng wurde und er deshalb das Abenteuer suchte. Nur: Genau dieser Konflikt - nämlich das Individuum gegen die Enge der Welt- taucht im Spiel meist nicht ausdrücklich auf. Das Spiel besteht zwar aus Konflikten (Monsterschlachten, Prinzessinnenretten), die sich so nicht ergeben hätten, wenn dieser Über-Konflikt nicht im Hintergrund liegen würde, aber wenn man die Spielenden fragen würde, was das Thema des Spiels ist, würden sie sagen: Monsterschlachten und Prinzessinnenretten, nicht "Ich gegen die Welt".

Das heisst also: Die Spielenden als Autoren müssen gar nicht automatisch alle Konflikte ausagieren, die zu den Genrekonventionen gehören. Ein Roadmovie spielen heisst noch nicht, auch die Prämisse dieses Genres auszuspielen. Um mal neben dem Filmvergleich auch den Vergleich mit der Literatur zu ziehen: Genau so, wie Autoren ihre Texte nie vollständig kontrollieren können, und immer mit Generes arbeiten, die mehr Bedeutung mitschleppen, als sie wissen, arbeiten auch Rollenspieler mit vorgegebenen Genres, deren Bedingungen gar nicht immer alle im Spiel auftauchen.

Narrative Konflikte fürs Spiel fruchtbar zu machen, heisst doch, das man Regelnmechanismen entwickelt, die den Spielenden ermöglichen, zwischen Immersion in die Charakterperspektive und der Autorperspektive zu wechseln, die nicht das Spiel betrachtet, sondern das Genre, den Rahmen, in dem das Spiel stattfindet.


Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Ein am 19.02.2005 | 15:22
Zitat
Narrative Konflikte fürs Spiel fruchtbar zu machen, heisst doch, das man Regelnmechanismen entwickelt, die den Spielenden ermöglichen, zwischen Immersion in die Charakterperspektive und der Autorperspektive zu wechseln, die nicht das Spiel betrachtet, sondern das Genre, den Rahmen, in dem das Spiel stattfindet.

Nun, ich bin mir weder sicher, dass solche Regelmechanismen wirklich funktionieren können, noch wie sie denn in der Praxis aussehen sollten. Weiterhin bezweifel ich desweiteren, dass über der Wechsel in die Autorenperspektive an sich überhaupt irgendeinen positiven Nutzen für das Spiel bringt. Meinen bisherigen Erfahrungen nach eher nicht, was für mich außerdem auch immer noch für die Relevanz des SLs spricht, die auch nach 15 Jahren Player Empowerment (wie immer man es jetzt auch grade nennen möchte) immer noch nicht aus der Welt geräumt ist.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Bitpicker am 21.02.2005 | 15:59
Ich bin immer wieder aufs Neue verwirrt, wenn der Begriff Narrativismus irgendwo auftaucht. Gerade wenn ich mich daran gewöhnt habe, dass ich wohl doch kein Narrativist bin, weil ich das Spielen einer Rolle und nicht das kollektive Erschaffen einer Geschichte als Zweck des Spiels definiere, kommt einer und nennt etwas Narrativismus, was Fredi gefällt und ich schon so mache.

Diese Art von Charakterentwicklung, wie Tim sie hier beschreibt, kann ich haben, ohne dazu ein System zu verwenden, das so etwas in Regeln kleidet - da würde ich Ein zustimmen. Ich kann es sogar machen, wenn ich völlig regelfrei spiele. Ich kann mir zwar vorstellen, dass es Regelsysteme geben mag, die es mehr erzwingen oder in der Simulation der Realität des Charakters durch Werte festhalten (der Unterschied zwischen einem bloßen 'du entwickelst Xenophobie' und 'du entwickelst Xenophobie wegen all der failed notches'), aber nötig ist das nicht.

Bloß hatte ich mich an den Umstand gewöhnt, dass Narrativismus einen Fokus auf das Konstruieren einer Geschichte legt, dass narrativistisches Spiel also Mechanismen bereitstellt, die nichts mit der Darstellung einer Rolle und alles mit der Erschaffung und Veränderung von Plot-Elementen zu tun haben. Das, was ich in meiner Sig als Erzählspiel schmähe.

Was Tim gleich zu Anfang als Prämisse ablehnt, ist doch das vorherige Absprechen solcher Dinge wie 'lasst uns austesten, wie wir uns unter dem Druck, Unschuldige umzubringen, verhalten', oder vertue ich mich da?

Irgendwie sehe ich nicht, was Charakter-Veränderung mit Narrativismus zu tun hat - für mich ist das genau so auch Simulation der Realität, wenn ich erwarte, dass ein Spieler abschätzt, wie sein Charakter real mit einer Situation umgehen würde. Am ehesten passt das vielleicht noch zum Begriff des Storytelling, wie ihn WW vewendet, und damit zu einem literarischen Herangehen an den Stoff - weil die Veränderung eines Charakters eines der Grundmotive der Literatur ist, kann es auch ein Motiv im Rollenspiel sein. Es ist sogar ganz zentral eben Rollen-Spiel, denn die Veränderung des Charakters ist doch Rollen-Spiel par excellence.

Robin
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Jestocost am 21.02.2005 | 16:42
Ich denke, wir sollten uns nicht zu sehr an den Labels aufhängen: Von der Theorie her kommen die 3 Aspekte in unterschiedlicher Gewichtung bei jedem Rollenspiel irgendwie vor: Und ich habe auch bei Primetime Adventures gamistische Momente, wenn es darum geht, aufzutrumpfen, damit man ein paar Fanmail-Würfel mehr bekommt...

Aber mittels der Prämisse, dem Kicker und den Bangs stellt narrativistisches Spiel die Charakterentwicklung bewusst in den Mittelpunkt. Da in den meisten Spielen dieser Art ja am Anfang nur die Charaktere exisitieren und die Welt erst nach und nach gebaut wird, bleibt einem nichts anderes übrig, als das Spiel an den Charakteren festzumachen.

Wie ich kein System fürs Rollenspiel brauche (bzw. wie auch das System bei vielen Rollenspielern nach und nach in den Hintergrund tritt), so braucht 'man' kein System für das Integrieren von narrativen Elementen ins Spiel, da viele Spieler so etwas ganz natürlich entwickeln (Zuerst: Ich räche mich an dem, koste es, was es wolle... Später: Jetzt ist mir auch klar, dass der nicht anders konnte, als gegen mich vorzugehen)

Wogegen du dich beim Narrativismus sträubst (und ich mich manchmal auch), ist dieses vom Spielerlebnis abgetrennte Entwickeln eines Plots, das bewusste Aufbrechen der Spielillusion und das Annehmen eines anderen Erzähler-Stances.

Ich glaube aber, dass wir während des immersiven, meiner Meinung auch simulationistischen Spiels uns (mehr oder minder) unbewusst an Erzählkonventionen orientieren, die wir aus der persönlichen Erfahrung, dem Genre oder von Aristoteles übernehmen. Und ich möchte wetten, dass die richtig guten Rollenspielerlebnisse die waren, bei dem das Spiel, die Immersion und die Konfliktsituation zu einer beeindruckenden Einheit verschmolzen sind: Jene Momente, an denen man sagt, dass sich der Charakter wirklich gebildet oder verändert hat.

Aber ich finde, dass die Aufgabe diesen Threads sich nicht in irgendwelchen Grundsatzdiskussionen erschöpfen soll, sondern dass wir selbst schauen, wie wir die Bedeutung von Konflikten und deren Auswirkung auf die Charaktere im Spiel am effektivsten einsetzen können.

Ob das ein Regelwerk ist, eine Abkommen oder ein gemeinsames Mantra oder Ritual vor dem Spiel, ist unerheblich.

Wie hat es Henry James ausgedrückt:

"What is character but the determination of incident? What is incident but the illustration of character?"

Ereignisse/Konflikte erzeugen Charaktere. Ereignisse/Konflikte sind aber nur dafür da, um den Charakter herauszustellen.

Ich erschaffe eine Szene, die auf den Charakter einwirken soll, aber der Charakter wirkt selbst darauf ein, wie die Szene ablaufen, wirken soll... Und das ist ja das Seltsame und Abgefahrene an der ganzen Geschichte...

Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 21.02.2005 | 17:03
Ein schöner Beitrag...vor allem der letzte Absatz gefällt mir. Allerdings verstehe ich jetzt nicht genau, was du erreichen möchtest. Du suchst nach konkreten Möglichkeiten Charakterentwicklung in den Mittelpunkt des Rollenspiels zu rücken. Dabei möchtest du aber vermeiden, dass diese Entwicklung explizit vor oder während des Spiels besprochen wird, und du möchtest auch eher keine Regelmechanismen dafür?

Das kann ich nachvollziehen, aber was möchtest du dann entwickeln? Oder versteh ich dich jetzt ganz falsch?
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Jestocost am 21.02.2005 | 17:11
Ich glaube, dass wir gar nicht so sehr Regeln brauchen, sondern eher Verhaltensweisen bzw. Richtlinien, wie man sowas ins Spiel implementieren kann: Vielleicht ist es eine bestimmte offene Einstellung oder halt irgendwas: Im Endeffekt suche ich nach Praktiken, wie man das im Spiel effektiv einsetzt, und wenn wir die definiert haben, können wir schauen, wie man sowas gut implementiert.

Klarer?
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 21.02.2005 | 17:25
Ja und nein. Ist das, was du dir wünschst, nicht schon getan, wenn die Spielenden sagen: Wir möchten, dass Charakterentwicklung in unserem Spiel im Vordergrund steht? Halt, nein: Ich formulier es mal positiv, auf die Gefahr hin, etwas Triviales zu sagen.

1. Die Spielenden müssen wollen, dass Charakterentwicklung im Mittelpunkt des Spiels steht.

2. Das muss dann wohl Konsequenzen für alle anderen Spielelemente haben. Von der Charaktererschaffung (wo man "verwertbares Material" für spätere Konflikte festlegt) übers Setting (im Verhältnis zu den Charakteren: Welche Umgebung ist für diese Charaktere am Interessantesten?) bis hin zu outgame-Aspekten wie: Wofür soll die Spielleitung verantwortlich sein.

Aber 2. sind doch Regeln, oder?
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Jestocost am 21.02.2005 | 18:37
Ja schon, Jasper, irgendwie. Aber wir verraten das keinem...
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 21.02.2005 | 19:24
Ach so.

Ich glaube, ich bin noch zu klein, um Rollenspielautor zu werden.  :-[
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Ein am 21.02.2005 | 19:30
Naja, es gibt Regeln und es gibt Designkonsistenz. Das oben ist eigentlich eher letzteres.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 21.02.2005 | 19:44
@Ein: Stimmt, und genau das war ja mein Problem. Ich hatte das Gefühl, das Tim über Designkonsistenz reden möchte, ohne über Regeln zu reden. Ich will mich da jetzt gar nicht lange über die Feinunterscheidung zwischen den beiden verbreiten - schliesslich soll es ja um praktische Umsetzung gehen. Mir war aber echt nicht klar, was ich dem Tim jetzt antworten soll. Aber wenn es - pssst! - doch um Regeln geht, irgendwie...

Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Ein am 21.02.2005 | 19:47
Naja, N ist gleich Prämisse. Wie fördert man eine Prämisse und damit Charakterentwicklung regeltechnisch? Mit fällt da nur XP-Vergabe für Charakterentwicklung ein - aber wenn das richtig betrachtet, ist das keine Regel im technischen Sinn, weil sich Charakterentwicklung qualitativ nur sehr schwer messen lässt.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Lord Verminaard am 21.02.2005 | 20:42
Wollen wir uns wirklich über das große N unterhalten? Ich denke, wir unterhalten uns lieber über Charakterentwicklung. Vielleicht über die Synergien, die man erzielen kann, wenn man Leute wie Robin, die Charakterentwicklung aus dem Actor Stance, der Charakter-Perspektive, anstreben, mit Leuten wie Fredi, die Author Stance und Spieler-motivierte Entscheidungen bevorzugen, an einen Tisch bringt.

Zitat
Und ich möchte wetten, dass die richtig guten Rollenspielerlebnisse die waren, bei dem das Spiel, die Immersion und die Konfliktsituation zu einer beeindruckenden Einheit verschmolzen sind:

Dito. Und das ist doch des Pudels Kern. Das führt uns zurück zum Spielleiter, der die Ereignisse so lenkt, dass es zu Konfliktsituationen und Charakterentwicklung kommt. Der die aus der Charakter-Perspektive getroffenen Entscheidungen aufnimmt und so verwertet, dass die Entwicklung weitergeht, der Konflikt nicht springt oder stagniert, sondern aufgelöst wird oder sich verdichtet. Das führt uns zurück zum Illusionismus. Und darüber hinaus.

Was, wenn Spieler sich die Illusion selbst schaffen? Wenn sie zwischen Author Stance und Actor Stance intuitiv springen? Ihren Charakter selbst in die Scheiße reiten, um dann mit allen Sinnen zu erfahren, wie es ist, drinzustecken? Was, wenn der SL offen zeigt, wie er manipuliert, und die Spieler entscheiden, es auszublenden? Weil sie sich selbst aus der Scheiße ziehen und daran wachsen wollen? Was haben wir gemacht, bevor ein Mann auf der anderen Seite des Atlantiks sagte, dass man nur das eine oder das andere haben kann?

Wie die Regeln dort am besten hinein passen, ist eine gewaltige Frage. Es ist vielleicht sogar die Frage nach dem Stein der Weisen oder dem Perpetuum Mobile. Oder es ist die Rückkehr zu "System doesn't matter". Ich habe keine Ahnung. Aber ich mag diesen Thread. :)
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Boba Fett am 22.02.2005 | 13:01
Ich weiss noch nicht genau, wo mein Beitrag hingeht, ich mach einfach mal brainstorming.
Bitte nicht sauer sein, wenn es unstrukturiert ist.

Ich denke, speziell über Narrativismus einzugehen ist überflüssig. Die wenigsten Rollenspieler haben sich mit den Theorien beschäftigt.
Das ist so wie "Schiffbau" zu studieren. Vor ein paar Tausend Jahren sind die menschen auch ohne Hochschulstudium übers Meer gepaddelt (natürlich nicht so effektiv..). ;D
Will sagen - wenige Rollenspieler kennen überhaupt Narrativismus als Begriff - noch weniger verstehen den Begriff. Trotzdem wird Rollenspiel gemacht - und das mit viel Spaß und vergnügen.

Also Charakterentwicklung...

Ich denke, es gibt gewisse Stadien in der Evolution der Rollenspieler und man muss ein gewisses Stadium haben, um sich einer Charakterentwicklung zuzuwenden. Gemeint Charakterentwicklung auf persönlicher Ebene, nicht auf den Spielwerten. Die meisten Rollenspieler haben bei der Idee einen Charakter zu erschaffen ein Bild im Kopf.
Und auf das Bild steuern sie zu. So soll der Held sein. Viele Systeme erlauben aber gar keinen solchen Helden, weil man erstmal in der ersten Stufe anfängt und sich langsam hocharbeitet. Letztendlich arbeitet man dann während des Spiels an der Vervollkommnung eines Wunschbildes. Das ist aber keine Charakterentwicklung. Denn das Wunschbild ist eine Momentaufnahme.
Systeme, die es ermöglichen sofort den gewünschten Zustand des Wunschbildes zu erreichen, sind da schon besser geeignet. Denn dann kann man das spielen, was man möchte.
Letztendlich fehlt dann noch die Initiierung - die Frage  "und was willst Du mit dem Charakter anstellen"?
Die Antwort lautet meistens "Er soll dies und das erleben, mächtiger werden, bla und blubb"
Die Anpassung - die Entwicklung der Seele (des Charakters des Charakters [deswegen Seele, denn das klingt echt doof!) geschieht immer noch meist unbewusst und intuitiv.
Sehr oft (leider) versucht man sich auch ausschließlich an einer Vervollkomnung des Charakters - die Schwächen sollen eliminiert werden - die Entwicklung findet eben im Rahmen von Verbesserung statt - auch da wieder die Ursache - Verbesserung durch XP / Stufen prägen halt.
Eigentlich ist es blöd, einen perfekten Charakter zu spielen, denn der erlebt ja nichts mehr. Perfekte Menschen landen nicht in der Sch..., und wenn, dann haben sie kein Problem sich daraus zu befreien. Und je perfekter der Charakter, desto schwieriger hat es der Spielleiter, interessante Situationen zu schaffen. Je problemlösungsorientierter die Spieler spielen, desto anspruchsvoller muss das Problem sein. Je besser der Charakter in Werten und Ausrüstung, desto härter muss die Opposition sein. Rüstungsspirale - Alternative: Langeweile, da mangelnde Herausforderung.

Immer noch keine Entwicklung.
Warum? Weil keiner sich Gedanken um die Seelische Entwicklung des Charakters macht.
Wer sagt schon, dass er gern einen hochnäsigen Charakter spielen möchte, der irgendwann an sich zu zweifeln beginnt?
Oder einen Charakter der etwas gut kann, aber das gar nicht möchte aber in Situationen gerät, wo er es eigentlich müsste (seelischer Zweispalt)...

Nur wenige machen sich die Gedanken, und noch weniger sprechen drüber. Es gibt auch keine Werte im Spiel. Also auch keine Aufmerksamkeit, dass es sowas überhaupt geben könnte. (BESM hat imho eine Charakterkomponente, die sich Dilemma, Zwiespalt oder so nennt, das ist aber auch das einzige, das ich kenne)
Austausch zwischen Spieler und Spielleiter findet auch nicht diesbezüglich statt. Der wäre aber nötig, denn der Spielleiter muss ja die Situationen schaffen, damit der Charakter seine Erfahrungen macht, die zur Charakterlichen Entwicklung oder zum Zwiespalt führen. Wenn es keinen Austausch gibt, kann der SpL es nicht wissen und auch nichts passendes schaffen.
Das höchste der Gefühle, das ich da erlebt habe, war der Wunsch zweier Spieler, deren Charaktere sich stetig stritten, dass der Spielleiter sie mal in ein richtiges Problem führe, damit sie da gemeinsam bestehen und dadurch "Freunde" werden.
Meistens schafft der Spielleiter die Situationen, die er sich ausdenkt, und die seelische Charakterentwicklung nimmt daraus ungeplante Züge an, oder findet gar nicht statt. Planung unmöglich.

Mein Fazit: Die meisten Rollenspiele haben keine seelische Charakterentwicklung. Das Spielsystem müsste es ermöglichen die Charaktere, die man spielen möchte von begin an zu spielen und nicht erst den Weg dahin erfordern (Stufenaufstiege). Ausserdem wird in allen mir bekannten Systemen gar nicht darauf hingewiesen, dass eine seelische Charakterentwicklung überhaupt gibt und was notwendig wäre, um sowas umzusetzen und das dies genauso viel Anspruch (wenn nicht mehr) und Unterhaltung bieten kann, als die Vervollkommnung der Charakterwerte.
Allgemein wird das Rollenspiel meist zu problemorientiert und zu simulationistisch gespielt. Simulation setzt zufällige Ergebnisse und ungeplante Resultate voraus, Probelmorientierung führt zum Wunsch des Vervollkomnen des Charakters.

Wie kann man den Spielern dann überhaupt die Beschäftigung mit der "introvertierten" Entwicklung überhaupt schmackhaft machen? Den meisten wahrscheinlich gar nicht, denn sie sind glücklich mit dem, was sie spielen.
Ansonsten bräuchte man Platz auf den Dokumenten der sich um die Seelischen Belange des Charakters kümmert und auch um die Entwicklung dieser. Und auch, Raum für Dilemma und Zwiespalt und dergleichen. Widersprüche...
Denn nur das, was auf dem Charakterdokument steht, wird auch von den Spielern wahrgenommen.

Allgemein wäre es hilfreich, wenn ein Umdenken stattfindet, vom "möglichst perfekt sein wollen" auf die Erkenntnis dass Perfektion Langeweile bedeutet. Dass nur Fehler interessante Situationen ermöglichen. Denn dann würden die, die das erkennen vom Wunsch des Perfekten abkommen und sich anderen Dingen zuwenden - ggf. den Zwiespälten und der seelischen Entwicklung des Charakters.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 22.02.2005 | 13:20
Hach, ich bin schon wieder mit Boba einer Meinung. Wo soll das noch hinführen... ;D

Das ist so wie "Schiffbau" zu studieren. Vor ein paar Tausend Jahren sind die menschen auch ohne Hochschulstudium übers Meer gepaddelt (natürlich nicht so effektiv..). ;D
Will sagen - wenige Rollenspieler kennen überhaupt Narrativismus als Begriff - noch weniger verstehen den Begriff. Trotzdem wird Rollenspiel gemacht - und das mit viel Spaß und vergnügen.
Schön gesagt. Du hast nur vergessen, dein Beispiel zu Ende zu führen:
Sicher haben Leute vor 30 Jahren auch schon Rollengespielt. Und es gab sicher auch ein paar ... naja, eben Narrativisten darunter. Und all das ohne Theorie. Nur eben nicht so effektiv!  8) Klar geht's ohne Theorie. Nur mit Theore geht's noch besser.
Soviel vom Sender Fröhliche Theorie. Zurück zum Topic.

Schöner Post. Besonders hier kann ich nur zustimmen:
Zitat
Ansonsten bräuchte man Platz auf den Dokumenten der sich um die Seelischen Belange des Charakters kümmert und auch um die Entwicklung dieser. Und auch, Raum für Dilemma und Zwiespalt und dergleichen. Widersprüche...
Denn nur das, was auf dem Charakterdokument steht, wird auch von den Spielern wahrgenommen.
Da bin ich absolut dafür. Ich finde, es muss irgendeine regeltechnische Repräsentation der Entwicklung oder des Konflikts oder was auch immer geben. Sonst ist es ja "nichts wert". Und dann geht es viel leichter unter als wenn es schwarz auf weiß da steht. Außerdem sehen dann alle Spieler und der SL, worum es bei dem Charakter geht. Das hilft, die Gedanken und das Spiel "auf Kurs" zu halten und sich nicht zu sehr in Dingen zu verlieren, die nichts mit der Charakterentwicklung zu tun haben.
Das ist auch der Grund, warum ich so ein Verfechter der "kohärenten" Systeme. Wenn ich Charakterentwicklung will, sollte ich auch ein System nehmen, das Charakterentwicklung fördert. Mit richtigen Regeln, bei denen es um Charakterentwicklung geht. Aber wie genau das aussehen könnte... Humhom. *grübel*

Zitat
Allgemein wird das Rollenspiel meist zu problemorientiert und zu simulationistisch gespielt.
Mach kein Scheiß jetzt! Du bewegst dich auf ganz dünnem Eis. Noch ein Schrittchen und man könnte denken, du wärst Narrativist... ;D
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Boba Fett am 22.02.2005 | 13:42
Hach, ich bin schon wieder mit Boba einer Meinung. Wo soll das noch hinführen... ;D
Du wirst mit mir fremdgehen, Wusel verlassen, es kommt zu Scheidung, Du bekommst das Haus, Wusel das Auto und die Kinder. Vermi als Wusels Anwalt wird reich und in 10 Jahren wirst Du wissen, dass dies alles ein großer Fehler war.
Nur wohne ich dann in dem Haus... 8)
Zitat
Schöner Post. Besonders hier kann ich nur zustimmen:
Zitat
Ansonsten bräuchte man Platz auf den Dokumenten der sich um die Seelischen Belange des Charakters kümmert und auch um die Entwicklung dieser. Und auch, Raum für Dilemma und Zwiespalt und dergleichen. Widersprüche...
Denn nur das, was auf dem Charakterdokument steht, wird auch von den Spielern wahrgenommen.
Da bin ich absolut dafür. Ich finde, es muss irgendeine regeltechnische Repräsentation der Entwicklung oder des Konflikts oder was auch immer geben. Sonst ist es ja "nichts wert". Und dann geht es viel leichter unter als wenn es schwarz auf weiß da steht.
Außerdem sehen dann alle Spieler und der SL, worum es bei dem Charakter geht. Das hilft, die Gedanken und das Spiel "auf Kurs" zu halten und sich nicht zu sehr in Dingen zu verlieren, die nichts mit der Charakterentwicklung zu tun haben.
Das ist auch der Grund, warum ich so ein Verfechter der "kohärenten" Systeme. Wenn ich Charakterentwicklung will, sollte ich auch ein System nehmen, das Charakterentwicklung fördert. Mit richtigen Regeln, bei denen es um Charakterentwicklung geht. Aber wie genau das aussehen könnte... Humhom. *grübel*
Zunächst sollte man mal in Regelwerken beim Kapitel Charaktererschaffung darauf hinweisen, dass es das gibt und sich auch über die Vorteile auslassen. Im Kapitel Spielleiter sollte man Tips geben, wie man die seelische Entwicklung und die Zwiespälte berücksichtigen könnte und Anleitungen für das erschaffen spezieller Szenen geben.
Dann sind Spieler darauf aufmerksam gemacht worden und Spielleiter erfahren Unterstützung in der Umsetzung.
Danach könnte man das im Rollenspiel fördern. "Karmapunkte", nein, besser "Dilemmapunkte" für das "sich in einem seelischen Zwiespalt befinden und mit gutem Rollenspiel da wieder rauskommen.
"dramapunkte" für einschneidende Erlebnisse, die die Psyche des Charakters beeinflussen. (gemeint sind nicht die Dramadice von siebte See!!!) Oder so was.
Und diese Punkte kann man dann wieder für etwas ausgeben.
Oder Karten, die man aufdecken muss, in denen dann etwas, die Seele betreffendes steht (verlorene Liebe taucht auf und piesackt den Char...), dass dann der Spielleiter in eine Szene umsetzen muss. Genau, und die Dilemmapunkte zeigen an, wieviele Karten der Spieler aufnehmen kann, und wo er eine davon dem Spielleiter aushändigen muss.
Zitat
Zitat
Allgemein wird das Rollenspiel meist zu problemorientiert und zu simulationistisch gespielt.
Mach kein Scheiß jetzt! Du bewegst dich auf ganz dünnem Eis. Noch ein Schrittchen und man könnte denken, du wärst Narrativist... ;D
Ich habe nie gesagt ich wäre kein Narr... ;D
Ich finde die seelische Entwickling, Zwiespälte und Dilemmas als das interessanteste im Rollenspiel.
Simulation und Problemorientierung habe ich längst hinter mir gelassen.
Story, Soul und  cinematische Action sind für mich das, was mir im Spiel Spaß macht. Ätsch! :P

Aber wenn das (Fokus auf seelische Entwickling, Zwiespälte und Dilemma) Narrativismus bedeutet, dann muss ich mal ein paar virtuelle Kopfnüsse verteilen, denn dann ist es albern, dass es so verklausuliert wird, dass es fast niemand mehr versteht. Und das man jahrelang drüber diskutiert, was Narr eigentlich ist.
Und nein, bitte hier keine Auslegung, dass noch mehr dazu gehört, wenn dann im extra Thema.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 22.02.2005 | 14:10
Zunächst sollte man mal in Regelwerken beim Kapitel Charaktererschaffung darauf hinweisen, dass es das gibt und sich auch über die Vorteile auslassen. Im Kapitel Spielleiter sollte man Tips geben, wie man die seelische Entwicklung und die Zwiespälte berücksichtigen könnte und Anleitungen für das erschaffen spezieller Szenen geben.
Gut, wie immer würde ich da noch einen Schritt weiter gehen.
1. Man sollte die mechanische Umsetzung auf dem Charakterblatt erzwingen. Nicht einfach darauf hinweisen, sondern es zum wichtigsten Teil der gesamten Charaktererschaffung machen.
2. Man sollte auch dem SL nicht blos Tipps an die Hand geben. Man sollte ihm sagen: "so läufts und nicht anders. vergiss alles, was du bisher zu wissen geglaubt hast." Dann eine konkrete Anleitung zur Vorbereitung der Abenteuer und zur Umsetzung. Und das sollten die Spieler am Besten auch lesen...
3. Bei den Regeln und der Charaktererschaffung alles weglassen, was das Streben nach "Perfektion" des Charakters durch den Spieler fördern könnte. Keine "Erfahrungspunke" oder sonstwas, was den Charakter mit der Zeit besser macht. Keine langen Kämpfe, die man "gewinnen" muss.
4. Keine Task-Resolution. Konflikte und Conflict-Resolution lange und sehr genau erklären. Damit alle Beteiligten das Konzept des Konflikts verstehen.
5. Bei der Förderung bin ich wieder ganz bei Boba. Es sollte sich irgendwie auszahlen, wenn der Charakter in die Scheiße geritten wird und der Spieler auf interessante Weise damit umgeht.

Und einen hab' ich noch:
Zitat
Ich finde die seelische Entwickling, Zwiespälte und Dilemmas als das interessanteste im Rollenspiel.
Hm, das ist ziemlich Nar. Wobei du mit
Zitat
dann ist es albern, dass es so verklausuliert wird, dass es fast niemand mehr versteht.
auch wieder Recht hast.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Boba Fett am 22.02.2005 | 14:18
Zunächst sollte man mal in Regelwerken beim Kapitel Charaktererschaffung darauf hinweisen, dass es das gibt und sich auch über die Vorteile auslassen. Im Kapitel Spielleiter sollte man Tips geben, wie man die seelische Entwicklung und die Zwiespälte berücksichtigen könnte und Anleitungen für das erschaffen spezieller Szenen geben.
Gut, wie immer würde ich da noch einen Schritt weiter gehen.
1. Man sollte die mechanische Umsetzung auf dem Charakterblatt erzwingen. Nicht einfach darauf hinweisen, sondern es zum wichtigsten Teil der gesamten Charaktererschaffung machen.
2. Man sollte auch dem SL nicht blos Tipps an die Hand geben. Man sollte ihm sagen: "so läufts und nicht anders. vergiss alles, was du bisher zu wissen geglaubt hast." Dann eine konkrete Anleitung zur Vorbereitung der Abenteuer und zur Umsetzung. Und das sollten die Spieler am Besten auch lesen...
3. Bei den Regeln und der Charaktererschaffung alles weglassen, was das Streben nach "Perfektion" des Charakters durch den Spieler fördern könnte. Keine "Erfahrungspunke" oder sonstwas, was den Charakter mit der Zeit besser macht. Keine langen Kämpfe, die man "gewinnen" muss.
4. Keine Task-Resolution. Konflikte und Conflict-Resolution lange und sehr genau erklären. Damit alle Beteiligten das Konzept des Konflikts verstehen.
5. Bei der Förderung bin ich wieder ganz bei Boba. Es sollte sich irgendwie auszahlen, wenn der Charakter in die Scheiße geritten wird und der Spieler auf interessante Weise damit umgeht.
@Elch: Wie würdest Du das 1. und 2. umsetzen? Irgendwelche Ideen? die anderen???
Bei 3. würde ich die Regeln von Caste Falkenstein nehmen, die sind schon sehr in die Richtung. (und lassen sich auch universell einsetzen) Bei Interesse und Unwissen dazu mehr info.
4. könntest Du bitte mehr ausführen, zumal ich die Begriffe TR, CR auch gerne erläutert wüsste (auf der Arbeit habe ich das Großhirn mit dem Teil des Rollenspiel-Wikipedia immer abgeklemmt im Kühlschrank liegen).
Zitat
Und einen hab' ich noch:
Sehr wohl, Herr Waalkes!
Zitat
Zitat
Ich finde die seelische Entwickling, Zwiespälte und Dilemmas als das interessanteste im Rollenspiel.
Hm, das ist ziemlich Nar. Wobei du mit
Zitat
dann ist es albern, dass es so verklausuliert wird, dass es fast niemand mehr versteht.
auch wieder Recht hast.
Soll dass heissen, das ist ziemlich Nar. aber Nar ist noch (wesentlich) mehr,
oder heisst das, das ist (im Grunde) Nar und ja, die haben alle den Haschmich, weil die (grundsätzliche) Erläuterung auch so einfach geht. - bitte keine Details (höchstens als PM) sondern a oder b oder pm... ;D
pm = im ;D

Bobbele ;D
Wer hat das geschrieben???
Boba aka Frank
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Ein am 22.02.2005 | 14:38
Nur eine dumme Idee:
Der Charakter beginnt als ein seelischer Archetyp. Wenn er sich weiterentwickelt bekommt er dafür eine spezielle Art von XP. Mit diesen kann man sich dann irgendwelche Spezialeffekte für's Spiel kaufen.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 22.02.2005 | 14:40
Wie würdest Du das 1. und 2. umsetzen? Irgendwelche Ideen?
Bin ich Jesus? Trag ich Latschen? Wenn ich das so genau wüsste, hätte ich es längst schon geschrieben. :) Aber wir können ja mal alle zusammen drüber nachdenken.

Zitat
Bei 3. würde ich die Regeln von Caste Falkenstein nehmen, die sind schon sehr in die Richtung. (und lassen sich auch universell einsetzen) Bei Interesse und Unwissen dazu mehr info.
Nun, ich würde da eher The Pool oder PtA oder DitV oder... naja, weißt schon als Vorbild nehmen. Aber Falkenstein kenne ich nicht, deswegen würden ein paar Infos dazu nicht schaden.

Zitat
4. könntest Du bitte mehr ausführen, zumal ich die Begriffe TR, CR auch gerne erläutert wüsste (auf der Arbeit habe ich das Großhirn mit dem Teil des Rollenspiel-Wikipedia immer abgeklemmt im Kühlschrank liegen).
Haha. Öh. Muh.
Grob (und nicht ganz exakt): bei CR wird gleich der ganze Konflikt abgehandelt. Es geht nicht um einzelne Aktionen und darum ob die klappen oder nicht, sondern um zwei Konfliktparteien, die beide versuchen, ihr Ziel durchzusetzen und eine schafft es dann. Und ich würde eben was grobkörnige für sehr sinnvoll halten: ein Kampf = ein Wurf. Fertig.

Uh,uh. eeeeeeiiin' hab' ich noch, eeeeiiin' hab' ich noch.
Zitat
Soll dass heissen, das ist ziemlich Nar. aber Nar ist noch (wesentlich) mehr,
oder heisst das, das ist (im Grunde) Nar und ja, die haben alle den Haschmich
Ja. ;D Also es ist (im Grunde) Nar aber Nar ist noch (etwas) mehr (und anders definiert, aber in der Praxis so ziemlich genau das).
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Boba Fett am 22.02.2005 | 14:53
zu 1. und 2.
Lasst und das tun. Das war oben eigentlich der Aufruf dazu.

Zu 3.
Falkenstein hat den wesentlichen auf die allgemeine Charakterbeschreibung. Man sagt nur (bei qualitativen aussagen), wo der Charakter gut und wo er schlecht ist, und auch da nur 4x gut und mindestens 1x schlecht.
Gespielt wird mit Karten, zwar TR, kann man aber auch auf CR umsetzen. Das schöne: Jeder hat 4 KJarten in der hand und kann entscheiden, wann er die guten Karten und wann er die schlechten einsetzen will. bzw. auch mal alle auf einmal weglegen und damit das resultat puschen und danach neue ziehen.
Minimale Beschreibung auf Qualitativen Werten (gut im Autofahren, gut im Flirten, gut im Raufen, gut in Wissenschaften, schlecht im Schiessen), keine (!!!) Zahlenwerte. Keine Würfel und die Option, dass der Spieler entscheidet, in welchen Situationen (Tasks) er seine schlechten karten und wann er seine guten karten ausspielen kann.

zu 4. danke

Zu Nar: Na dann bin ich praktisch ein Narr, und theoretisch hats mir noch keiner verklickern können. ;D
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 22.02.2005 | 15:24
Aha. Falkenstein hört sich als Idee ganz gut an. Wobei man sich IMO nicht zu früh auf ein System festlegen sollte. Aber es ist gut, das im Hinterkopf zu haben.

Allgemein:
Man muss sich als Basis erst einmal überlegen, was Charakterebtwicklung überhaupt bedeutet. Und da es da sicher keine allgemeinverbindliche Definition gibt, muss man sich eben auf was festlegen. Also, was soll Charakterentwicklung im Rahmen dieses Spiel sein? Ich skizziere da mal was, was ich so denke.

Für die Charakterentwicklung braucht es einen Konflikt. Und zwar einen Konflikt zwischen 2 Zielen innerhalb des Charakters, die ihm beide (mehr oder minder) wichtig sind. Die Entwicklung besteht dann darin, dass sich die Ziele (oder deren Wahrnehmung oder Gewichtung) ändern.
Bsp.: Ein Mann will Karriere machen. Er ist ehrgeizig, Erfolg ist ihm wichtig (Ziel 1). Außerdem hat er eine Familie, Frau, 2 kleine Kinder. Er möchte auch Zeit mit ihnen verbringen, für sie da sein, eine Beziehung knüpfen bzw. erhalten (Ziel 2). Der Spielverlauf muss nun Situationen beschreiben, die den Konflikt der Zielen in konkrete Handlungen umsetzen. Also wie der Typ seine Familie vernachlässigt für die Arbeit. Oder umgekehrt. Und wie sich deswegen seine Ziele ändern. Vielleicht "wacht" er erst "auf" als seine Frau mit Scheidung droht. Und lässt die Karriere dann sausen. Oder er endet einsam und allein aber mächtig.
Das ist IMO interessante Charakterentwicklung durch Konflikt: 2 Ziele eines Charakters, die er nicht beide erreichen kann und die Entwicklung daraus.

Was braucht man dafür? Also die 2 Ziele sollten den Kern des Charakters ausmachen. Sie sind die wichtigsten Werte auf dem Charakterblatt. Das Spiel sollte dann folgendes beleuchten:
1. Den Ist-Zusatand des Charakters. Was ist ihm wichtig? Wie sieht seine Situation aus?
2. Den Konflikt. Situationen, in denen die Ziele nicht zu vereinbaren sind.
3. Die Veränderung. Wie hat sich der Charakter durch den Konflikt im vergleich zu 1. verändert? Also quasi der "neue" Ist-Zustand.
Und das widerholt man dann.

Hm. Mensch, ich bekomme richtig Lust, sowas mal zu schreiben... :D

Zu Nar: Na dann bin ich praktisch ein Narr, und theoretisch hats mir noch keiner verklickern können. ;D
So kann's gehen... ;D
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Bitpicker am 22.02.2005 | 15:31
Eine Kleinigkeit würde ich gerne einwerfen: wenn man Regeln hat, die die Veränderung des Charakters externalisieren (also aus der Hand der Spieler nehmen), verliert das Ganze dann nicht an Wert? Ich befürchte so etwas wie bei Rolemaster, dort natürlich in Bezug auf 'Realismus' im Kampf. Das komplexe Kampfsystem übernimmt das Spiel, und der Spieler verkommt zur Würfelmaschine, während das Regelsystem genauestens alle Ereignisse vorgibt. Letztendlich könnte man einen Computer mit Zufallszahlen füttern und den Kampf, wie er sich abspielt, ausrechnen lassen und anschließend nachlesen. Wäre das nicht auch zu befürchten, wenn man die Entwicklung des Charakters und zentrale Konflikte in Regeln kleidet? Anders gesagt: ist es nicht erstrebenswerter und tiefgehender, wenn Erkenntnisse über die Entwicklung des Charakters aus dem eigenen Erleben desselben stammen und nicht aus dem Diktat eines Regelsystems? Natürlich bedingt das, dass die Spieler dazu fähig sind; aber sind sie das nicht, nutzen auch keine Regeln was.

Um auf das Beispiel in Fredis aktueller Nachricht einzugehen: so etwas fließt bei mir in die Planung der Handlung ein, es ist eine Spannung, die sich durchaus im Spiel bilden kann - aber warum braucht man dafür explizite Regeln? Muss ich auf einem Charakterblatt vermerken '80% Kapitalist, 0% Altruist' und baue dann einen Plot, in dem sich diese Werte verschieben, nur damit ich den Zahlen beim Verändern zuschauen kann?

Ich befürchte, dass in einem solchen System das Verändern des Charakters zu einer reinen Mechanik verkommt, also das Erleben der Veränderung ganz in den Hintergrund tritt. So wie Schach nun wirklich kein Cosim mehr ist.

Übrigens habe ich mal ein freies System im Netz überflogen, das 'Shadow Bindings' hieß. Es ist möglich, dass das in die gewünschte Richtung geht (habe mich nicht tiefgehend damit beschäftigt). Auf jeden Fall legte es sehr viel Fokus auf psychische Charakterzüge.

Robin
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 22.02.2005 | 15:53
Eine Kleinigkeit würde ich gerne einwerfen: wenn man Regeln hat, die die Veränderung des Charakters externalisieren (also aus der Hand der Spieler nehmen), verliert das Ganze dann nicht an Wert?
Also erstmal nehmen die richtigen Regeln nichts aus der hand des Spielers. Ich halte die Rolemasterregeln auch aus dem Grund für schlechte Kampfregeln, weil sie dem Spieler so viel aus der Hand nehmen (aber das ist nur mein Geschmack). Ich verstehe die Bedenken, aber ich glaube nicht, dass es so problematisch ist. Es kommt immer auf die art der Regeln an, die man verwendet. Die Regeln zur Charakterentwicklung sollten eben gerade nicht dem Spieler die Entwicklung vorschreiben. Sie sollten sie nur in den Mittelpunkt des Spiels rücken. Also eben nicht: "Du hast Altruismus 60%, würfel mal, ob du der alten frau über die Straße helfen kannst. Nicht geschafft? Du verlierst 3% und gehst weiter." Das ist Quatsch. die Regeln müssten anders aussehen.

Zitat
Anders gesagt: ist es nicht erstrebenswerter und tiefgehender, wenn Erkenntnisse über die Entwicklung des Charakters aus dem eigenen Erleben desselben stammen und nicht aus dem Diktat eines Regelsystems? Natürlich bedingt das, dass die Spieler dazu fähig sind; aber sind sie das nicht, nutzen auch keine Regeln was.
Nun, mit dem Argument kann man alle Regeln abschaffen. Kampfregeln? Hey, wenn die Spieler fähig sind gehts auch ohne, wenn nicht, helfen sie auch nicht... Das ist IMO Quatsch.
Beschränkungen helfen der Kreativität und behindern sie nicht.. Sie helfen zu kanalisieren und mehrere Leute auf eine Linie zu bringen, damit sie zusammen spielen (und kreativ sein) können. Sag jemandem: "Tu was. Irgendwas kreatives!" und er wird dich blöd anschauen und nichts geregelt kriegen. Gib ihm ein paar Werkzeuge und Richtlinien und es wird schon eher was werden.

P.S.: Shadow Bindings konnte ich irgendwie nicht finden. Gibts da einen Link zu?
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Boba Fett am 22.02.2005 | 16:04
@Fredi:
Wir sollten den "konflikt" eines Charakters "inneren Konflikt" nennen, um ihn von den normalen Konflikten (Kampf) anzugrenzen. Sonst haben wir wieder undeutlichkeiten.

Neben den "Inneren" Konflikten sollten Schwächen eine Rolle spielen. Auch das gehört zur Entwicklung, ggf. Schwächen überwinden, dafür andere bekommen. Oder neue Empfindlichkeiten bekommen, dafür andere ablegen.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 22.02.2005 | 16:25
Wir sollten den "konflikt" eines Charakters "inneren Konflikt" nennen, um ihn von den normalen Konflikten (Kampf) anzugrenzen.
Stimmt.

Zitat
Neben den "Inneren" Konflikten sollten Schwächen eine Rolle spielen.
Ja und nein. Bzw. man sollte vielleicht "Ziel" allgemeiner fassen und es "Motivation" oder "Motiv" nennen. Da kann dann nämlich auch die Schwäche rein. Also Motiv 1: er liebt seine Familie. Motiv 2: aber er liebt auch "andere" Frauen (Fremdgehen). IMO ein sehr schöner innerer Konflikt, der durch ein eher positiv und ein eher negativ bewertetes "Ziel" bzw. "Motiv" ausgelöst wird. Und schon haben wir Schwächen da mit drin.

Obwohl du insofern Recht hast als man für die Darstellung des Ist-Zustands Schwächen aber auch Eigenarten und Vorlieben (also im Allgemeinen: Charakter-Color) gut verwenden kann. Also um darzustellen, dass er seine Familie liebt, kann man z.B. zeigen, dass er eine Spinne für sein Kind einfängt, obwohl er Angst vor Spinnen hat oder auf den Bowlingabend verzichtet, obwohl er den gerne mag. Das alles kann den Ist-Zustand gut verdeutlichen. Aber zu kompliziert würde ich die Auswahl der "Hauptmotive" nicht machen. 2 oder 3 Stück, das muss reichen. Sonst wird es unübersichtlich.

Hm, je länger ich das lese, desto mehr kommt mir das wie Literaturwissenschaft vor. Und davon habe ich doch keine Ahnung... ;)
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Bitpicker am 22.02.2005 | 16:33
Shadow Bindings scheint es nicht mehr zu geben, jedenfalls führen die meisten Links nur noch ins Leere. Aber www.archive.org ist für uns Web-Nekromanten gerade richtig. Der Link unten führt auf den letzten funktionalen Snapshot der Titelseite, der Rest lässt sich wahrscheinlich auch noch rekonstruieren.

http://web.archive.org/web/20030608091755/http://www.fantasylibrary.com/lounge/bindings/bind.htm

Das Grundregel-PDF ist auch ladbar. Es weicht aber sehr stark von dem ab, woran ich mich erinnere... Ist vielleicht doch kein gutes Beispiel.

Robin
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Lord Verminaard am 22.02.2005 | 22:44
Sehr schön! Wir machen uns. :)

Ich fasse mal zusammen: Um Charakterentwicklung auf der persönlichen Ebene zu fördern, sollte man

Bsp.: Dein Chef ist ein Arsch. Für ihn zu arbeiten macht dich fertig. Aber du willst Karriere machen, und wenn du jetzt aufgibst, kannst du es vergessen.

Conflict Resolution halte ich in diesem Zusammenhang nicht für ein Muss, obwohl sie sicherlich ihre Vorteile hat.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fanti am 24.02.2005 | 14:59
Hmm, obwohl ich ein konservativer Conflict-Soluter und Simulator bin  ;) könnte ich mir das gut vorstellen.....für ein Soloabenteuer (1 SL, 1 SP)!

Ich sehe die Gefahr, daß jeder Charakter zu 99% mit sich selbst und seinen Konflikten beschäftigt ist - wo bleibt die Gruppendynamik?
Wieso gibt ich jeder Charakter überhaupt mit den anderen in der Gruppe ab? Wenn es ein gemeinsames Ziel ist, wie schaffe ich es als
SL ein solches zu finden, daß für alle ungefähr gleich bedeutsam ist (und nicht die inneren Konflikten eines oder mehrerer ignoriert)?

Gebt mir doch mal bei einem Fantasysetting 3-4 Charakterideen inkl. inneren Konflikten und einen groben Plot, so daß
a) alle Charaktere gefordert sind,
b) innere Konflikte bei jedem im Verlauf des Spiels auftreten und
c) das Zusammenarbeiten der Gruppe noch logisch erklärbar bleibt, besonders da ja jeder Spieler bzgl. der inneren Konflikte sicherlich Vorlieben bei der Erstellung seines Charakters hat und diese umsetzen möchte....

Ich bezweifel, daß der SL es schafft, die oben von Euch geforderte Charakterentwicklung bei jedem Charakter gleichermaßen zu
fördern. Ich befürchte, daß der eine oder andere Charakter leicht zum Statisten verkommen könnte und der jeweilige Spieler aufgrund
fehlender anderer Motivationen (Fähigkeitenverbesserung) sich leicht in eine passive Rolle im Plot gedrängt fühlt.
Ich bin gespannt, ob Ihr meine Zweifel glaubhaft zerstreuen könnt  ;)

Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 25.02.2005 | 12:07
Ich finde es wichtig, dass den Spielenden diese Konflikte auch bewusst sind. Deshalb glaube ich auch mein Rumhacken auf der Umsetzung in Regeln. Es gibt viele Rollenspiele, die vor Appellen strotzen, doch die Charakterentwicklung aufzuwerten, aber das technisch überhaupt nicht zu einem Aspekt des Spiels machen. Lässt man es bei diesen Appellen, ergeben sich schnell Situationen, in denen ein unbeteiligter Betrachter einen Charakterkonflikt feststellen würde, oder allenfalls noch die Spielleitung, nicht aber die Spielenden. Wenn wir uns Frodos Ringen im Herrn der Ringe als Rollenspielszene vorstellen, denken wir als Betrachter "Herrlich, dieser Konflikt zwischen der Verlockung der Macht und allem, woran er glaubt". Die Spielleitung denkt "Ja, Gefühl muss auch sein, bevor wir zur nächsten Kampfszene kommen". Frodos Spieler denkt "Scheisse, wenn ich die Selbstbeherrschungsprobe vergeige, bin für 3 Runden betäubt".
Viele Spiele setzen da aber nicht an: Sie denken bei Charakterentwicklung an die Charaktere, aber nicht an die Spielenden. Wir brauchen halt Regeln, die auf die Spielenden abzielen, und nicht (nur) auf die Charaktere.

Ich stimme aber Tim und Robin zu, als dass ein Denken nur auf der Autoren-Ebene viel Intensität verschenkt. Deshalb Neuformulierung: Wir brauchen Regeln, die Spielende und Chraktere zusammenbringen. Getreu dem alten F.Scott Fitzgerald-Bonmot, dass man zwei Ideen im Kopf haben können müsse, ohne irre zu werden. Die Spielenden müssen in jedem Augenblick um das Spiel wissen, aber sie müssen es in ausgewählten Momenten vergessen. Wie Maler, die die Position vor der Leinwand beim Malen  verändern - die eigene Perspektive.

Ok, das haben alles auch schon andere hier im Thread geschrieben, aber ich glaube sehr an die Verfertigung des Gedankens im Akt des Sprechens  :). Also Danke fürs Zuhören...weitermachen !


Ach, Nachtrag zu Fantis Frage zur Gruppendynamik: Wenn man es hinkriegt, dass alle Beteilgten gleichzeitig um das Spiel wissen und das Spiel spielen, kann man das auch auf dieser Ebene lösen. Dann macht man den Schritt zurück und fragt sich: "Wie binden wir die Konflikte jetzt zusammen?". Die Leute, die Sam und Gollum spielen, überlegen sich dann, wie sie das, was Frodos Spieletr macht, für ihr Spiel verwerten können.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Lord Verminaard am 28.02.2005 | 10:08
@ Fanti: Du analysierst das schon ganz richtig. Es ist unmöglich, dass alle Charaktere immer in spannende innere Konflikte verwickelt sind und gleichzeitig die Gruppe beisammen ist. Konsequenz:

1) Man sollte bereits die Charaktererschaffung gemeinsam durchführen und das Gruppenkonzept auch thematisch aufeinander abstimmen. Das ist die logische Konsequenz aus der Umorientierung hin zur Charakterentwicklung. Früher hat man halt gesagt: „Sonst spiel doch nen Dieb, wir haben noch gar nichts ‚heimliches‘.“ Und jetzt sagt man: „Hättest du nicht Lust, meinen großen Bruder zu spielen, der immer der ernsthaftere von uns beiden war und versucht auf mich aufzupassen?“ Außerdem sollte man erwägen, sich vom Konzept der „reisenden Abenteurergruppe“ zu verabschieden und die Charaktere lieber in ein soziales Umfeld einbetten, das für die entsprechenden Konflikte sorgt. Obwohl: Dogs in the Vineyard beweist, dass es auch mit einer reisenden Gruppe funktioniert!

2) Man muss sich vom klassischen Party-Play verabschieden. Wenn der Fokus auf der persönlichen Entwicklung des Charakters liegt, braucht der Charakter seine „Einzelszenen“. Ein gutes Gruppenkonzept kann helfen, möglichst oft mehrere SCs in eine Szene einzubinden, aber dennoch wird es viele Szenen geben, in denen einzelne SCs nicht anwesend sind. Das ist nicht per se problematisch. Ich persönlich finde es durchaus interessant, einer intensiven Szene beizuwohnen, ohne selbst dazu beizutragen. Außerdem kann man Möglichkeiten suchen, wie die „arbeitslosen“ Spieler zu der Szene beitragen können: Sie können Kommentare und Vorschläge abgeben (wenn sie dadurch nicht gerade einen super Dialog unterbrechen). Oder der SL kann ihnen einen NSC übertragen, den sie in der Szene verkörpern.

3) Spotlight-Management ist wichtig. Manche Spiele haben dafür sogar Regeln, wie z.B. Primetime Adventures mit der Screen Presence, oder auch Fredis 24-Stunden-System. Man kann es auch ohne Regeln hinkriegen, aber es sollte auf jeden Fall ein bewusster Prozess sein. Machen ja auch viele SL so. Das jeweilige Abenteuer ist dann halt besonders für ein oder zwei der SCs geschrieben und gibt deren Spielern besonders gute Möglichkeiten, ihre Charaktere zu erleben und zu entwickeln, während die restlichen SCs eher „Supporting Cast“ sind.

In unserer PtA-Runde war aufgrund der Screen Presence klar, dass mein Charakter das Spotlight hatte. Aufgrund des Issue und unseres Dialogs als Spieler war auch klar, worum es gehen würde: Ich bekomme das Job-Angebot, versaue es mir mit meiner Freundin, weil ich einfach annehme ohne sie zu fragen und sie mitschleppen will. Dann beginne ich zu erkennen, dass es mir auf der Station eigentlich doch gar nicht so schlecht geht und ich hier auch gebraucht werde. Dementsprechend haben die anderen ihre Charaktere eingesetzt, um mir ins Gewissen zu reden („Sheriff, wenn Sie jetzt einfach abhauen, wird niemand diese Kerle aufhalten!“) Trotzdem gab es auch einzelne Szenen für die anderen Charaktere. In der nächsten Folge hätte dann jemand anders das Spotlight gehabt.

4) Mit Gruppen von 6 oder mehr Spielern kann man ein derartiges Spiel wohl nicht betreiben. Vier Spieler dürften die Schmerzgrenze sein.
______________

@ Wjassula:

Zitat
Die Spielenden müssen in jedem Augenblick um das Spiel wissen, aber sie müssen es in ausgewählten Momenten vergessen.

Genau das ist es.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 28.02.2005 | 11:55
Schöne Zusammenfassung! Ich kann da nur 100% zustimmen.

Einen hab ich aber noch... ;)
Ich stimme aber Tim und Robin zu, als dass ein Denken nur auf der Autoren-Ebene viel Intensität verschenkt. Deshalb Neuformulierung: Wir brauchen Regeln, die Spielende und Chraktere zusammenbringen. Getreu dem alten F.Scott Fitzgerald-Bonmot, dass man zwei Ideen im Kopf haben können müsse, ohne irre zu werden. Die Spielenden müssen in jedem Augenblick um das Spiel wissen, aber sie müssen es in ausgewählten Momenten vergessen.
Absolut richtig. Nur auf der Autoren-Ebene zu denken verschenkt viel an Intensität - genauso wie nur auf der Charakter-Ebene zu denken. Ich glaube, dass zu einem wirklich intensiven Spiel beiden Ebenen gehören, zum Teil sogar gleichzeitig (auch wenn man da gerne mal irre wird). Und IMO wird die Autoren-Ebene deutlich stärker vernachlässigt als die Charakter-Ebene. Und das führt dann zu solchen Szenen, die im Film wirklich intensiv wären aber völlig an den Spielern vorbeigehen...

Ich bin deswegen sehr stark für bewusstes Spiel. Sich bewusst machen, was man da macht, warum man spielt usw. Und eben öfters mal einen Schritt zurück machen, das Gesamtkunstwerk (schönes Wort) betrachten und denken: "Ach wie geil!". Und bei nächster Gelegenheit wieder rein in den intensiven Dialog. Das ist für mich (noch mal für alle: für mich!) ideales Rollenspiel. Ich sollte mal einen Thread dazu anfangen, sozusagen den Gegenthread zum Atmosphärischen Rollenspiel... ;)
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Haukrinn am 28.02.2005 | 12:09
1) Man sollte bereits die Charaktererschaffung gemeinsam durchführen und das Gruppenkonzept auch thematisch aufeinander abstimmen. Das ist die logische Konsequenz aus der Umorientierung hin zur Charakterentwicklung. Außerdem sollte man erwägen, sich vom Konzept der „reisenden Abenteurergruppe“ zu verabschieden und die Charaktere lieber in ein soziales Umfeld einbetten, das für die entsprechenden Konflikte sorgt.

Wenn aber sofort auch Konflikte innerhalb der Gruppe in die Charaktererschaffung mit einfließen, gibt es auch mit reisenden Gruppen keine Probleme.

2) Man muss sich vom klassischen Party-Play verabschieden. Wenn der Fokus auf der persönlichen Entwicklung des Charakters liegt, braucht der Charakter seine „Einzelszenen“. Ein gutes Gruppenkonzept kann helfen, möglichst oft mehrere SCs in eine Szene einzubinden, aber dennoch wird es viele Szenen geben, in denen einzelne SCs nicht anwesend sind.

Wie unterscheidet sich das jetzt vom nicht narrativen Spiel? Einzelszenen kommen auch dort oft genug zu Stande.

Ich persönlich finde es durchaus interessant, einer intensiven Szene beizuwohnen, ohne selbst dazu beizutragen. Außerdem kann man Möglichkeiten suchen, wie die „arbeitslosen“ Spieler zu der Szene beitragen können: Sie können Kommentare und Vorschläge abgeben (wenn sie dadurch nicht gerade einen super Dialog unterbrechen). Oder der SL kann ihnen einen NSC übertragen, den sie in der Szene verkörpern.

Letzteres erfordert aber Spieler, die auch bereit sind, so etwas zu tun. Ich kenne so manchen, auf den das auch zutrifft. Ich kenne aber auch genug Spieler, die das nicht wollen und stattdessen dann die Szenerie stören. Wichtig wäre noch die Erwähnung der Raucherpause: Man schicke die unbeteiligten Spieler zum Rauchen nach draußen und spiele die Soloszene in aller Ruhe durch. Nichtraucher (so wie mich selbst) kann man prima zum Kaffe kochen oder Snacks rankarren abstellen  ;D

3) Spotlight-Management ist wichtig. Manche Spiele haben dafür sogar Regeln, wie z.B. Primetime Adventures mit der Screen Presence, oder auch Fredis 24-Stunden-System. Man kann es auch ohne Regeln hinkriegen, aber es sollte auf jeden Fall ein bewusster Prozess sein. Machen ja auch viele SL so. Das jeweilige Abenteuer ist dann halt besonders für ein oder zwei der SCs geschrieben und gibt deren Spielern besonders gute Möglichkeiten, ihre Charaktere zu erleben und zu entwickeln, während die restlichen SCs eher „Supporting Cast“ sind.

Das halte ich für weniger gut. Ich persönlich halte es für wichtiger, kleinere Spotlights zu verteilen und jeden der Charaktere mal kurz die Hauptrolle übernehmen zu lassen.

4) Mit Gruppen von 6 oder mehr Spielern kann man ein derartiges Spiel wohl nicht betreiben. Vier Spieler dürften die Schmerzgrenze sein.

Exakt. Aber ist das nicht meistens so, wenn man in die Ecke des "Intense Roleplayings" geht?
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 9.03.2005 | 01:30
Endlich! Endlich fällt mir was konkretes ein  :D...a propos
Zitat
bewusstes Spiel
und
Zitat
Ich brauche dazu nicht mal Entscheidungen, sondern "Schlachtfelder"

Man muss es sich halt bewusst machen, und die Schlachtfelder auch definieren. Sprich: Ziele und Konflikte formalisieren, indem man sie auf dem Charakterblatt festhält. Supersimpel und echt nix neues (siehe
Zitat
Man sollte bereits die Charaktererschaffung gemeinsam durchführen und das Gruppenkonzept auch thematisch aufeinander abstimmen
), aber sehr wirksam. Teil der Charaktererschaffung muss also sein, dass die Spielenden Gelegenheit haben,vorzuplanen, in welchen Situationen sich ihr Charakter wiederfinden wird. Damit ziehen sie bereits einen Bereich des "klassischen" Spielleitens an sich, und stehen für den Moment auch schon auf Abstand zum eigentlichen Charakter, weil sie nicht nur verfügern, wer er ist, sondern auch, was ihm passiert - oder zumindest, was ihm passieren könnte.

Und dann braucht man Mechanismen, die dafür sorgen, dass die Ziele und Konflikte nicht nur auf dem Blatt stehen, sondern auch ins Spiel kommen. Ein einfaches Beispiel, dass mir sofort einfällt, ist die Kopplung an verbesserte Würfelchancen. Die schwächere Ausprägung davon ist Unknown Armies, wo das Temperament auf einen "normalen" (Cthulhu-)Char aufgepropft ist, die stärkere The Pool oder PtA, wo das eigentlich die "Attribute" sind.

(Frage hier: Und weiter? Wie kriegt man die Konflikte noch ins Spiel?)
 
Auch wenn das wieder mal einer dieser wiederkäuenden Postings ist, zu denen ich in diesem Thread irgendwie neige, ich wollte das mit Absicht noch mal ansprechen, weil es ein so einfacher und zugleich wichtiger Mechanismus ist, der sich vor allem auch relativ leicht in Systeme einbauen liesse, die von Haus aus gar nicht so furchtbar Narrisch sind.

Charaktererschaffung ist also wohl wichtig, wenn man narrative Elemente fruchtbar machen will, weil hier das Rohmaterial des Spiels festgelegt wird, und zugleich bestimmt wird, wofür die Spielenden zuständig sind. Wenn jeder Charakter ein Knoten in einem Beziehungsnetz ist, beschreibt klassisches Rollenspiel die Knoten und lässt die Spielleitung das Netz knüpfen. Im narrativen Spiel kümmert sich jeder Beteiligte um ein paar Stränge im Netz, und da, wo diese Stränge zusammenlaufen, entsteht der Charakter. Klassisch geht es darum, wer du bist - narrativ darum, was du tust.

Hey Fredi, kann man eigentlich sagen, dass fertigkeitenbezogene Charaktererschaffung immer nur schlecht realisierte konfliktbezogene Charaktererschaffung ist, weil später im Spiel die Fertigkeiten die Konflikte formen sollen, wo man doch gleich über die Konflikte reden könnte?

 
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: 1of3 am 9.03.2005 | 10:04
Würd ich nicht sagen. Fertigkeitsbezogene Charaktererschaffung ist normalerweise implizite Spotlight-Verteilung: Beim Einbrechen brilliert der Dieb.


Aber zur Charaktererntwicklung:

Beziehungen innerhalb der SCs sind IMO ganz wichtig und sie müssen bei Spielbeginn noch nicht mal bestehen. Der Anfang "Ihr wacht in einem Raum auf. Um euch rum erheben sich drei andere Gestalten." ist ja sehr beliebt. Und auch hier kann man schon vorher was machen.

Man kann sich nämlich über den ersten Eindruck unterhalten, den die Charaktere voneinander haben sollen.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 9.03.2005 | 11:05
Zitat
Würd ich nicht sagen. Fertigkeitsbezogene Charaktererschaffung ist normalerweise implizite Spotlight-Verteilung:

Und beziehungsorientierte nicht? Wenn ich meine Schlachtfelder definiere, kann ich doch auch annehmen, dass ich die in besonderem Masse beackern werde. Aber das ist ja auch gar nicht so die Frage hier im Thread...
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 9.03.2005 | 11:09
Hey Wjassula, cool! Find ich gut.

Charaktererschaffung ist also wohl wichtig, wenn man narrative Elemente fruchtbar machen will, weil hier das Rohmaterial des Spiels festgelegt wird, und zugleich bestimmt wird, wofür die Spielenden zuständig sind. Wenn jeder Charakter ein Knoten in einem Beziehungsnetz ist, beschreibt klassisches Rollenspiel die Knoten und lässt die Spielleitung das Netz knüpfen. Im narrativen Spiel kümmert sich jeder Beteiligte um ein paar Stränge im Netz, und da, wo diese Stränge zusammenlaufen, entsteht der Charakter. Klassisch geht es darum, wer du bist - narrativ darum, was du tust.
Finde ich schön formuliert.
Story ist immer Konflikt bzw. eigentlich Entwicklung durch Konflikt. Deswegen ist die Definition von Konflikten bei der Charaktererschaffung IMO sehr wichtig bei dieser Art zu spielen. Im klassischen Rollenspiel findet sowas kaum statt bzw. wir dem SL überlassen. Wenn man das aber in dem Mittelpunkt der Betrachtung rücken will, muss man die Spieler einbeziehen. Denn schließlich soll der Konflikt die Spieler auch mitreißen und wer kann das schon besser einschätzen als die Spieler selber. Also sollten sie wenigstens an der Bestimmung der Konflikte beteiligt sein.

Zitat
Hey Fredi, kann man eigentlich sagen, dass fertigkeitenbezogene Charaktererschaffung immer nur schlecht realisierte konfliktbezogene Charaktererschaffung ist, weil später im Spiel die Fertigkeiten die Konflikte formen sollen, wo man doch gleich über die Konflikte reden könnte?
Höhö. Würde ich nieeeee sagen, sowas... ;D Naja, für diese Art zu spielen ist auf jeden Fall die Fertigkeit bzw. die Eigenschaft des Charakters nur dann wichtig, wenn sie auf einen Konflikt bezogen wird, ansonsten ist sie nutzlos. Deswegen ist eigentlich die Definition Rückwärts eine coole Sache: Ich definiere den Konflikt zuerst und dann die Eigenschaften, die eigentlich dahinter stehen (beim klassischen Spiel umgekehrt).

Ohne jetzt Werbung machen zu wollen (na gut, ich will wohl): Ich habe letztens wieder über mein kohärentes Design nachgedacht und wollte da sowas reinbringen... Naja, mal schauen.


Der Anfang "Ihr wacht in einem Raum auf. Um euch rum erheben sich drei andere Gestalten." ist ja sehr beliebt.
Ich welcher Dimension ist das denn beliebt??  :o Muss völlig an mir vorbeigegangen sein. So würde ich niemals eine Geschichte anfangen lassen, die auf Entwicklung durch Konflikt ausgelegt ist (naja, nicht mit Anfängern). Es geht sicher (the Cube), ist aber schwieriger als vorher Beziehungen usw. festzulegen.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Jestocost am 9.03.2005 | 11:29
Beim obigen Beispiel (und dem Verglich mit "Cube" wird aber auch klar, dass es nur dann gut wird, wenn die gesamte Vorgeschichte schon steht (Wer sind die vier, warum sind sie her, wie ist ihr Hintergrund, wo ist der Raum, welchen Zweck verfolgt er...): Alles wichtige steht schon (bzw. ist latent angelegt), dann legt man los und schaut, was aus dieser Voraussetzungen entsteht...

Erst dann entsteht Konflikte durch verschiedene Motivation und Perspektiven, weil dann unterschiedliche Leute mit unterschiedlichem Grund an einem Ziel arbeiten müssen (was ja auch der Grundplot von "The Cube" ist..

Übertragen wir unsere bisherige Ideen aufs typische Rollenspiel, kommt folgendes heraus (oder so): Der SL denkt sich eine Kampagne oder zumindest Gruppenrolle aus (Technothriller, Rockband, Romantische Soap im Weltall) und stimmt sie mit den Spielern ab (genau, zuerst Sop und dann Kriegsfilm - schon haben wir Starship Troopers)...

Dann legt man eine Issue, ein Ziel oder einen Konflikt darüber: Die Fehler der Vergangenheit korrigieren - geht das?, Groß rauskommen, Totaler Krieg gegen Aliens

Dann haben wir das Format.. Jetzt wird die erste Season aufgezogen: Um was soll es im Moment gehen? Was wollen die Mitspieler erreichen und welche Rollen wollen sie besetzen? Wer ist das moralische Gewissen(Pille)? Wer der impulsive Draufgänger (Kirk), wer der logische Analytiker (Spock)? Um was geht es denn einzelnen Spielern/Charakteren dabei (Note to Myself: Wir werden echte SpielerCharaktere hier machen, keine reinen Wertezusammenstellungen)?

Jetzt müssen irgendwie die Spieler das Formatthema und das Season-Teame mehr oder minder auf ihre Charaktere runterbrechen, und vielleicht erste "Zielvereinbarungen" festlegen: "In der Season 1 löse ich mich von meiner Lethargie und übernehme echte Verantwortung"...

Anmerkung: Kompetives Spiel: Können oder sollen wirklich alle Leute in der ersten Season ihre Ziele erreichen? Eigentlich nicht, einer oder zwei ganz, die meisten nur teilweise, mit dem Versprechen, dass sie in der nächsten Season dran sind...

Im Rollenspiel ist es ja auch so, dass am Anfang jeder seinen Hintergrund/Plot Hook verwirklichen will, aber manche werden wichtiger und andere fallen weg oder werden vergessen.. Es bildet sich eine Art Konsens oder Agenda, idealerweise indem der Input der Spieler berücksichtigt wird...

Können wir das Agenda-Setting nicht bei uns ins System irgendwie aufnehmen: Die Charaktererschaffung legt die einzelnen Tagesordnungspunkte (mit Entwicklungsmöglichkeiten) ungefähr fest, das Spiel/System arbeitet das dann in einem spannenden Prozess durch?

Versteht mich jemand?
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 9.03.2005 | 11:32
Ja. Du möchtest die Planung der Kampagnenstruktur auf alle Beteiligten aufteilen und sie mit den Issues verknüpfen, oder?
 
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Jestocost am 9.03.2005 | 11:39
Yep. Im klassischen narrativen Spiel wird das Setting/die Kampagne während des Spielens erschaffen, im klassischen Rollenspiel hat der SL diese intus und im Schrank liegen und entscheidet mehr oder minder autark (basierend auf den Charakteren der Spieler oder deren Handlungen, wenn sie irgendwie entscheidungsberechtigt sind, also der Illusionismusanteil unter 100% ist), wie das alles weitergeht..

Und die Issues und Konflikte entstehen nur nebenbei durch Zufall, oder? Ich habe mich immer gewundert, warum mir manche Storys in meiner Kampagne so gut gefallen haben - einfach weil da Konflikte, Dilemmata und Issues drin waren oder entstanden sind...

Vielleicht braucht man auch ein freies System, wo manche Spiele am Anfang viel festlegen können, aber andere sich am Anfang rausnehmen, aber später was reißen können, wenn sie 'ne bessere Ahnung haben...
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 9.03.2005 | 11:47
Primetime Adventures hat ja sowas, mit Story Arc und Screen Presence und so. Weitere gute Mechanismen gibt's da bei Ars Magica oder auch HeroQuest, mit Beziehungen und Gefolgsleuten. Da könnte man sich abgucken, wie die Spielenden auf NSC zugreifen können und den Spannungsbogen mitplanen.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 9.03.2005 | 12:31
Ein paar Anmerkungen:
Was wollen die Mitspieler erreichen und welche Rollen wollen sie besetzen? Wer ist das moralische Gewissen(Pille)? Wer der impulsive Draufgänger (Kirk), wer der logische Analytiker (Spock)?
Genau das würde ich aber vermeiden. Denn schließlich soll es ja gerade darum gehen, diese Rollen aufzulösen bzw. zu verändern. Wäre es da nicht besser, gleich den Konflikt festzulegen anstatt (wieder) erst die Rolle zu bestimmen?

Zitat
Jetzt müssen irgendwie die Spieler das Formatthema und das Season-Teame mehr oder minder auf ihre Charaktere runterbrechen, und vielleicht erste "Zielvereinbarungen" festlegen: "In der Season 1 löse ich mich von meiner Lethargie und übernehme echte Verantwortung"...
Ich denke solche Zielvereinbarungen kann man sicher machen, muss man aber nicht. Ich persönlich würde das ungern machen, da es eben doch einiges an Möglichkeiten aus dem anschließenden Spiel nimmt. besser fände ich, wenn eben der Konflikt klar gemacht wird ("In Season 1 kriege ich riesen Probleme durch meine Lethargie und dadurch, dass ich nie Verantwortung übernehme"). Dann bleibt nämlich der Ausgang offen. Bzw. man könnte mehrere Ausgangsmöglichkeiten vorher festmchen und dann durch das Spiel eine auswählen. Denn wenn man die Entwicklung in der Planug zu 100% vorwegnimmt, kann man auch eine Geschichte schreiben.

Primetime Adventures hat ja sowas, mit Story Arc und Screen Presence und so.
Ich wollts ja nicht sagen... ;D Aber viele der Probleme mit Issue, Konflikt, Screen Presence, Story Arc, mehreren Staffeln usw. sind da gelöst. Es ist sicher nur eine Möglichkeit der Lösung, aber man sollte sich näher damit befassen.


Ich habe mich immer gewundert, warum mir manche Storys in meiner Kampagne so gut gefallen haben - einfach weil da Konflikte, Dilemmata und Issues drin waren oder entstanden sind...
Du verdammter Narrativist, du! ;D Dann spricht wohleiniges dafür, Konflikte, Dilemmata und Issues schon von vorneherein anzulegen, damit sie eben nicht nur per Zufall auftauchen.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 9.03.2005 | 12:43
Kurzer Einwurf: Ich glaube, hier ergibt sich auch eine astreine Verknüpfung mit den Überlegungen zu kommerziellem Rollenspieldesign. Jestos Diktum, dass halt bei jedem tollen Spiel ein toller Spielleiter mitgeliefert werden müsste, relativiert sich finde ich ganz erheblich, wenn man die Spielleitung ein bisschen aus ihren traditionellen Aufgaben löst. Dann verschwindet nämlich diese merkwürdige Trennung (und das Missverhältnis beim Arbeitsaufwand) unter den Mitspielenden in "Nur-Spielende" und den einen "Meister" *brrr*.
Und das war doch immer ein ziemlicher Stolperstein für die Popularität von Rollenspielen, verdad?

Punkt zwei: Die Kampagnenplanung-bei Charakterdesign, die wir hier diskutieren, macht auch die Anlehung an populäre Formate viel einfacher. "Hey, ihr liebt diese süss käsigen Retro-Hörspielekassetten? Super, das könnt ihr jetzt auch zuhause am Spieltisch nachbauen! Macht euch eure eigene Impro-Hörspiel-Serie. Designed Helden, Schurken, Schauplätze und lasst sie aufeinander los. Und seht zu, wie sich die Magie entfaltet...". Klingt doch viel besser als "Würfelt eure Helden aus und würfelt weiter, um zu sehen, wie sie mit den Herausforderungen fertig werden, die der Meister sich ausgedacht hat".
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 9.03.2005 | 12:52
Jestos Diktum, dass halt bei jedem tollen Spiel ein toller Spielleiter mitgeliefert werden müsste, relativiert sich finde ich ganz erheblich, wenn man die Spielleitung ein bisschen aus ihren traditionellen Aufgaben löst. Dann verschwindet nämlich diese merkwürdige Trennung (und das Missverhältnis beim Arbeitsaufwand) unter den Mitspielenden in "Nur-Spielende" und den einen "Meister" *brrr*.
Ja. Ja! JAAAA!! Ähm. Genau. Ich könnte dir nicht stärker zustimmen. Die Idee eines SL ist IMO schädlich für das Rollenspiel an sich. (jaja, jetzt spinnt er wieder...) Denn sie bewirkt genau diese Zweiteilung. Und solche Probleme wie die von Vermi mit seinen Mädels. An sich ist ein SL ja gar nicht schlecht, nur geht damit traditioneller Weise ein Gefälle an Macht, Aufwand und Engagement einher und das ist sehr, sehr schlecht. Und ich denke, dass man mit anderen Spielen (mit modernen Ansätzen) da sicher was dran ändern könnte.

Zitat
Punkt zwei: Die Kampagnenplanung-bei Charakterdesign, die wir hier diskutieren, macht auch die Anlehung an populäre Formate viel einfacher.
Absolut. Das populäre Format "Computerspiel" ist bisher schon ziemlich gut umgesetzt (auch wenn ich persönlich dann doch lieber Computer spiele, aber egal). Aber Theater, Roman, Film, Fernsehen (Fernsehserie) sind wenig vertreten. Und da besteht IMO Bedarf (naja, ein wenig).
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 9.03.2005 | 12:58
Zitat
Und solche Probleme wie die von Vermi mit seinen Mädels

Das liegt zur Zeit irgendwie in der Luft. Neben diesem Thread haben wir noch "Die Spieler machen die Kampagne?", "Geht UA mit vorbereiteten Plots?" und bei "Gründe fürs Schummeln" gibg es am Ende auch um Spielleitung-Spielende (aber da waren viele, die immer alle Charblätter einsammeln und kontrollieren  :D). Ist das der Frühling oder was?
Nee, aber ich fidne, wir haben hier was interessantes am Wickel, das viele Leute interessiert.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Kardinal Richelingo am 9.03.2005 | 13:08
Denn sie bewirkt genau diese Zweiteilung. Und solche Probleme wie die von Vermi mit seinen Mädels. An sich ist ein SL ja gar nicht schlecht, nur geht damit traditioneller Weise ein Gefälle an Macht, Aufwand und Engagement einher und das ist sehr, sehr schlecht. Und ich denke, dass man mit anderen Spielen (mit modernen Ansätzen) da sicher was dran ändern könnte.

ich finde auch, das das narrative Element bei gewissen Spielen auf jeden fall seinen Reiz und seine verdiente Bedeutung hat. Gerade wenn man einen SL Burnout hat, gibt einem das einen schönen kickstart (vermute ich).

Leider weiss ich, dass meine Spieler das so gar nicht wollen, sie wollen "bedient" werden und sich gänzlich der Simulation hingeben, sich der Welt hingeben. Dieses Mitbestimmungsrecht ist ein "mixed bag", was in kleineren Kampagnen funktionieren kann, aber in grösseren ? ich weiss es nicht.

Jedenfalls ist die Diskussion doch auch etwas schwarz / weiss, ich kenne Spiele da muss der SL die klassische Kontrolle haben (Midnight, Horror) während andere Spiele sehr davon profitieren würden (Humoristisch, Action, Soap etc.)

Ich persönlich hätte dauerhaft nur Lust auf eine klassische Kampagne, one-shots jedoch finde ich narrativ interessanter. ich werde da mal experimentieren.

Auch stellt sich für mich die Frage, ob es nun gut ist, dass nunmehr nicht der SL die Messlatte bildet sondern der Durchschnitt der Spieler. Ist die Gruppe bei einem narrativen Spiel dann so gut wie der Durchschnitt oder so gut wie sein bester Spieler ? Oder gar so gut wie der schlechteste Spieler ?

Bleibt vielleicht statt Hartwurst doch nur Bauerneintopf übrig ?
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Jestocost am 9.03.2005 | 14:01
Naja, im Endeffekt bilden immer die Spieler die Messlatte... Ein Spielleiter wird dadurch besser, dass er sich die (für ihn und das Spiel) guten Spieler ins Boot holt und auf die anderen Spieler, mit dener er nicht so kann, unauffällig verzichtet... Aber ich stimme Jasper und Fredi echt zu: Die Rolle des Spielleiters als Alleinunterhalter ist (auch) ein Problem...

Und Fredi hat Recht, dass man zwar Issues anlegen kann, aber der Ausgang noch offen sein muss.

@Eed_de
Ich bin mir da nicht sicher. Warum muss man bei Midnight oder Horror die klassische Kontrolle haben? Wegen einem Gefühl der Machtlosigkeit? Wegen der Spannung? Weil man die Wahrheit erst noch entdecken muss?

Dennoch sprichst du einen wichtigen Punkt an: Die Macht des Spielleiters erlaub ihm, eine kreative Visions ins Spiel hereinzubringen und durchzuziehen.. Er sagt, was geht, was passiert, was cool ist - er ist Regisseur und Produzent in einem... Und die Spieler können zwar nörgeln, können aber sonst nur aussteigen, wenn sie was anderes machen wollen...

Glücklicherweise wollen wir ja den SL nicht abschaffen, aber umdeuten: Vom Schiedsrichter und Autor eher zum Taktgeber/Dirigenten und Enabler - vielleicht auch Moderator.

Aber wenden wir diese Gedanken auf eine klassische Kampagne mit narrativen Elementen an: Anstatt dass der Spielleiter ein Quellenbuch nach dem nächsten liest und aus verschiedenen Elementen, die er cool findet, seine Kampagne aufbaut, während die Spieler sich Splatbooks kaufen, die ihre Charaktere mit mehr Hintergrund und Crunchy Bits ins Spotlight pushen (was dann wieder zu einem Aufrüstungsrennen zwischen Spielern führen kann), könnte man das ja auch anders aufsetzen: Warum sollen die Spieler mit ihren Splatbooks nicht maßgebend in ihrem Bereich sein können? Warum sollen die Kämpfer nicht mitbestimmene können, wie der Kampf im Spiel auftaucht, welche Rolle er einnimmt, wie er eigentlich ist?

In Underground, einem sehr lustigen Superhelden-Cyberpunk-Rollenspiel der 90er, konnten die Spieler mit ihren Erfahrungspunkte Parameter in ihrer Stadt, potenziell in der gesamten Kampagne verändern: Schlecht implementiert, aber ein sehr interessanter Ansatz.

Warum soll bei Midnight nicht die Möglichkeit bestehen, Izrador abzusägen? Weil das dass Ende des Settings wäre.. Für diese Spielergruppe... Was ja auch okay wäre - wir spielen ja nicht jedes Rollenspiel bis in alle Ewigkeit... Wenn wir aber mit unserem Konzept spielen möchten, wäre ja alles drin: Die Spieler wollen Erfolgserlebnisse und sagen: "Wir spielen die Jungs, die bereit sind, alles zu opfern, um Izrador einen entscheidenden Schlag zu versetzen"... Hört sich interessant an... Das hat was...

Dann entwickelt man Charaktere und gibt ihnen dementsprechende Issues... Und um "gewinnen" zu können, müssen diese Issues aufgelöst und behandelt werden - bei einem jeden Spieler... Wenn ein Spieler sagt, dass er als Magier eine Möglichkeit finden muss, Izradors Kontrolle über die Magie zu schwächen, dann holt er sich die entsprechenden Infos aus dem Buch darüber und legt den Grundstein für eine coole Geschichte... Aber er hat dann auch nicht die Kontrolle darüber, wie es ausgeht... Denn da kommen die anderen Spieler mit rein.. Und müssen ihre eigenen Konflikte hier mit einbringen... Und ein wenig Zufall wird es ja auch noch geben... Und Geheimnisse? Die müssen irgendwie auch noch rein... So viel zu tun...

Aber: Die Hartwurst ist für jeden da!
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Kardinal Richelingo am 9.03.2005 | 14:12
Naja, im Endeffekt bilden immer die Spieler die Messlatte... Ein Spielleiter wird dadurch besser, dass er sich die (für ihn und das Spiel) guten Spieler ins Boot holt und auf die anderen Spieler, mit dener er nicht so kann, unauffällig verzichtet... Aber ich stimme Jasper und Fredi echt zu: Die Rolle des Spielleiters als Alleinunterhalter ist (auch) ein Problem...

dem stimme ich auch - eingeschränkt - zu. Jedoch kann ein guter SL die Leute fordern und zu Höchstleistungen peitschen. Und da kommt die "Chefrolle" des SLs ebenso gelegen wie sie im Weg stehen kann. Es bleibt abzuwarten. Ein SL schmort natürlich auch gerne im eigenen Saft und alle "Hilfestellungen" sind dann willkommen. Gerade erst merke ich wieder, wie passiv Spieler sein können und auch wollen. Ist halt ein mixed bag.

Zitat
@Eed_de
Ich bin mir da nicht sicher. Warum muss man bei Midnight oder Horror die klassische Kontrolle haben? Wegen einem Gefühl der Machtlosigkeit? Wegen der Spannung? Weil man die Wahrheit erst noch entdecken muss?

ganz genau. Bei Midnight ist Mitspracherecht nahezu ein Paradoxon. Ich sage nicht, dass es nicht ginge, das tut es ! aber es wäre ein ganz anderes Midnight und eines, das ich nicht so gerne leiten oder spielen würde. Da bin ich mir sicher.

Zitat
Dennoch sprichst du einen wichtigen Punkt an: Die Macht des Spielleiters erlaub ihm, eine kreative Visions ins Spiel hereinzubringen und durchzuziehen.. Er sagt, was geht, was passiert, was cool ist - er ist Regisseur und Produzent in einem... Und die Spieler können zwar nörgeln, können aber sonst nur aussteigen, wenn sie was anderes machen wollen...

Glücklicherweise wollen wir ja den SL nicht abschaffen, aber umdeuten: Vom Schiedsrichter und Autor eher zum Taktgeber/Dirigenten und Enabler - vielleicht auch Moderator.

wie gesagt, das halte ich bei vielen Genres für sinnvoll, aber eben nicht bei allen und auch nicht immer. Beide Ansätze bieten was eigenes, doch narratives Spiel ist ne nette Abwecshlung jedoch kein Vollersatz. Ich mag beide Optionen und werde gerade bei one-shots verstärkt einsetzen. Inspectres steht bei mir zum Beipsiel ganz oben auf der Liste. AFMBE in Hessenstein war ja auch nichts anderes.

Zitat
Aber wenden wir diese Gedanken auf eine klassische Kampagne mit narrativen Elementen an: Anstatt dass der Spielleiter ein Quellenbuch nach dem nächsten liest und aus verschiedenen Elementen, die er cool findet, seine Kampagne aufbaut, während die Spieler sich Splatbooks kaufen, die ihre Charaktere mit mehr Hintergrund und Crunchy Bits ins Spotlight pushen (was dann wieder zu einem Aufrüstungsrennen zwischen Spielern führen kann), könnte man das ja auch anders aufsetzen: Warum sollen die Spieler mit ihren Splatbooks nicht maßgebend in ihrem Bereich sein können? Warum sollen die Kämpfer nicht mitbestimmene können, wie der Kampf im Spiel auftaucht, welche Rolle er einnimmt, wie er eigentlich ist?

dieser crunchy-bits kram ist eh gar nicht mein Ding. Meine Spieler bestimmen Art und Weise des Kampfes durchaus mit. Sehe ich keine Neuerung.

Zitat
Warum soll bei Midnight nicht die Möglichkeit bestehen, Izrador abzusägen? Weil das dass Ende des Settings wäre.. Für diese Spielergruppe... Was ja auch okay wäre - wir spielen ja nicht jedes Rollenspiel bis in alle Ewigkeit... Wenn wir aber mit unserem Konzept spielen möchten, wäre ja alles drin: Die Spieler wollen Erfolgserlebnisse und sagen: "Wir spielen die Jungs, die bereit sind, alles zu opfern, um Izrador einen entscheidenden Schlag zu versetzen"... Hört sich interessant an... Das hat was...

Dann entwickelt man Charaktere und gibt ihnen dementsprechende Issues... Und um "gewinnen" zu können, müssen diese Issues aufgelöst und behandelt werden - bei einem jeden Spieler... Wenn ein Spieler sagt, dass er als Magier eine Möglichkeit finden muss, Izradors Kontrolle über die Magie zu schwächen, dann holt er sich die entsprechenden Infos aus dem Buch darüber und legt den Grundstein für eine coole Geschichte... Aber er hat dann auch nicht die Kontrolle darüber, wie es ausgeht... Denn da kommen die anderen Spieler mit rein.. Und müssen ihre eigenen Konflikte hier mit einbringen... Und ein wenig Zufall wird es ja auch noch geben... Und Geheimnisse? Die müssen irgendwie auch noch rein... So viel zu tun...

ich sehe halt nur nicht den brillianten unterschied. ich rede viel mit meinen Spielern und kläre mit ihnen Issues Ingame und auch ausserhalb. manche mögen es auch Einwürfe zu bringen und so das Spiel  zu beeinflussen. Das können sie haben, bei mir immer. Aber bei Midnight brauche ich volle Kontrolle, sonst ist es nicht mehr "unser" Midnight. Da ziehe ich andere Spiele für solche Experimente vor. Jedes, sogar.

Immerhin wäre narrativ D&D mal echt ne coole Angelegenheit, darauf hätte ich Lust.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 9.03.2005 | 14:58
Glücklicherweise wollen wir ja den SL nicht abschaffen
Ich schon. ... Aber mit Umdeuten bin ich auch erstmal zufrieden.

Zitat
Die Spieler wollen Erfolgserlebnisse und sagen: "Wir spielen die Jungs, die bereit sind, alles zu opfern, um Izrador einen entscheidenden Schlag zu versetzen"... Hört sich interessant an... Das hat was...
Absolut. Finde ich unglaublich Spitze. Dann braucht man Charaktere, die was zu opfern haben (Familie, Freunde, Werte, usw.). Und die müssen in Situationen gebracht werden, in denen sie vor die Wahl gestellt werden: "Was opferst du, um Schlag XY durchzuführen? Und für Schlag Z? Bist du auch bereit Beziehung A zu opfern? Wie ist es mit B? Und mit deiner Überzeugung C?" Hoppla, Prämisse. :D

Zitat
Und Geheimnisse? Die müssen irgendwie auch noch rein... So viel zu tun...
Geheimnisse inwiefern? Für wen sollte was geheim sein? Vielleicht sollten wir dazu mal einen neuen Thread aufmachen, denn das ist ein Problem, an dem man sicher etwas länger verbringen kann...
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Schwules Lesbenpony am 9.03.2005 | 15:04
Meine 5 Cent: Eher eine Spielhilfe, die die Elemente anwenden lässt, ist die RelationshipMap. Wirklich großartiges Ding. Sollte natürlich zusammen mit den Spielern erschaffen werden und die Chars sollten einen bedeutenden Platz darin haben.
Die Issues werden dann oft klarer und auch Kicker sind nicht mehr wirklich weit weg.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 9.03.2005 | 15:16
Eher eine Spielhilfe, die die Elemente anwenden lässt, ist die RelationshipMap.
Absolut: das war ja quasi der Ausgangspunkt für die Diskussion (heute):
Charaktererschaffung ist also wohl wichtig, wenn man narrative Elemente fruchtbar machen will, weil hier das Rohmaterial des Spiels festgelegt wird, und zugleich bestimmt wird, wofür die Spielenden zuständig sind. Wenn jeder Charakter ein Knoten in einem Beziehungsnetz ist, beschreibt klassisches Rollenspiel die Knoten und lässt die Spielleitung das Netz knüpfen. Im narrativen Spiel kümmert sich jeder Beteiligte um ein paar Stränge im Netz, und da, wo diese Stränge zusammenlaufen, entsteht der Charakter.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Schwules Lesbenpony am 9.03.2005 | 15:17
Schon klar Fredi: Wollte das Abstrakte hier mal ein wenig konkretisieren. :d Und natürlich mitklugscheißern.  ~;D
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: 1of3 am 9.03.2005 | 15:17
Könnt ihr mir mal erklären, was ein Kicker ist?  (Begriffsdefinitionen bieten sich an. ;))
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Schwules Lesbenpony am 9.03.2005 | 15:21
KICKER:
Ein Geschehniss im Leben des Charakters, welches sich der Spieler ausdenkt und welches ihn auch interessiert, das es dem Charakter nicht mehr erlaubt, sein Leben so weiter zu führen, wie bisher. Es katapultiert ihn aus seinem bisherigen (Sim)Leben ind die (Nar)Geschichte. Der Unterschied zum PlotHook hier ist, dass dieser ignoriert werden könnte und von außen kommt, jener nicht ignoriert werden kann und von innen kommt.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: 1of3 am 9.03.2005 | 15:23
Beispiel?
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Jestocost am 9.03.2005 | 15:28
Um mal den kürzesten Roman der Welt eines guatemaltekischen Autors zu zitieren*: "Als ich aufwachte, war der Dinosaurier immer noch da."

Wenn ich das einführe, wird mein Charakter sein Leben nicht mehr so weiterführen konnte, wie bisher.


* zu finden in: Italo Calvino: Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend - übrigens sehr empfehlenswert, denn man findet da auch  Ausführungen von Ignatius von Loyola über die Notwendigkeit der Immersion beim Rollenspiel. Echt.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 9.03.2005 | 15:45
Boba und Eed_de: Das tauchte ja früher schon mal im Thread auf. Da waren wir uns glaub ich recht einig, dass etwas verloren gehen würde, wenn sich die Spielenden gar nicht mehr in ihre Charaktere hineinversetzen. Eigentlich war der Stand der Diskussion glaube ich sogar, dass es erst richtig cool würde, wenn beide Perspektiven zusammenkämen. Dass man die Immersion nicht völlig in den Wind schiessen sollte, da stimme ich euch sofort zu.

Die Welt erleben und erkunden können die Spielenden doch immer noch. Und ich habe das Gefühl, dieses Erleben wird sogar intensiver, wenn sie zeitweilig (!) in eine andere Perspektive wechseln.

Aber warum sollte eine kreative Vision nicht auch zwischen mehreren -allen- Beteiligten
entstehen? Warum soll das einer allein machen?

Und eigentlich ist Rollenspiel immer eine gemeinschaftliche Anstrengung. Selbst mit klassischer Spielleitung bauen die Spielenden mit an der Welt und interpretieren die Vorgaben der Spielleitung und der Settingbeschreibung. Wie in einem Buch oder Film: Die kreative Agenda des Autoren kommt bei den Konsumenten nie so an, wie er oder sie sich das vorstellt. Mindestens ebenso sehr arbeiten die Lesenden/Zusehenden daran mit. Anders geht's nicht - dafür ist Kommunikation zu sehr Glückssache  :).

Nee, ich bleibe bei der alten Weisheit: Wer seine Visionen umsetzen möchte, kann das (vielleicht) in einem Roman. Beim Rollenspiel geht es um die Gruppe - und nie ohne die Gruppe.

Weniger strukturell und dafür persönlicher spüre ich hier so eine Angst durch den Thread geistern. Das geht mir nicht zum ersten Mal so, wenn ich mit ein paar Spielern von mir über das Thema rede, fällt mir das gleiche auf, so ein unbestimmtes, aber ganz starkes Unbehagen. Irgendwas scheint hier bedroht zu werden, aber was? Was passiert denn, wenn die Spielleitung ihre Macht (ganz oder teilweise) verliert, das so furchtbar wäre?

Und missionieren mag ich übrigens niemanden  :). Höchstens so viel Spass am Spiel verbreiten, dass alle anderen meine Ideen auch ausprobieren möchten.


@Jesto: Du hast hoffentlich irgendwo nachgeschlagen, wie das Adjektiv zu "Guatemala" lautet  ;)?
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Boba Fett am 9.03.2005 | 16:01
Wjassula bezieht sich auf den Beitrag, den ich als separaten Thread (http://tanelorn.net/index.php?topic=17992.0) herausgelöst habe.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Bitpicker am 9.03.2005 | 16:18
Weniger strukturell und dafür persönlicher spüre ich hier so eine Angst durch den Thread geistern. Das geht mir nicht zum ersten Mal so, wenn ich mit ein paar Spielern von mir über das Thema rede, fällt mir das gleiche auf, so ein unbestimmtes, aber ganz starkes Unbehagen. Irgendwas scheint hier bedroht zu werden, aber was? Was passiert denn, wenn die Spielleitung ihre Macht (ganz oder teilweise) verliert, das so furchtbar wäre?

Na, Fredi will den Spielleiter abschaffen. Als potentielles Euthanasie-Opfer bin ich da natürlich beunruhigt, denn ich bin viel lieber Spielleiter als Spieler.

Weder mir noch meinen Spielern erschließt sich, wie das Herauslösen des Spielers aus dem Erleben der Handlung, gefiltert durch seinen Charakter, den Spaß am Spiel steigern soll, denn wir spielen ein Rollenspiel, um eine Rolle zu spielen, um jemand anders zu sein. Sobald ich als Spieler mehr als den Charakter kontrolliere, entferne ich mich von diesem Erleben, denn ich kontrolliere Aspekte, über die ich in der reellen Situation keine Kontrolle hätte. Das wollen wir so wenig wie der Teufel Weihwasser trinkt. Meine Spieler sind nun mal nicht daran interessiert, Mitautoren einer Geschichte zu sein, sondern sie wollen ein Abenteuer erleben. Die Spannung entsteht dabei aus dem Erleben von Situationen, mit denen einen die Spielrealität, also der Spielleiter, konfrontiert.

Robin

Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Lord Verminaard am 9.03.2005 | 18:24
Wir sind uns wohl über Folgendes einig: Es gibt zunächst zwei "reine" Spielweisen.

1) Die von Robin bevorzugte Spielweise, bei der der SL als einziger alle Geheimnisse kennt und das Spiel lenkt, die Spieler sich ganz in ihre Charaktere hineinversetzen und Entscheidungen aus ihrem Charakter heraus treffen, und der SL das alleinige Sagen hat. Vorzüge: Man kann sehr schön Geheimnisse nach und nach herausfinden, das Setting erkunden und dabei auf Unerwartetes stoßen. Man hat eine sehr starke Identifikation mit dem eigenen Charakter. Intellektuelle Herausforderung bietet der Umgang mit Stresssituationen. ("Scheiße, was jetzt?") Entfaltet die volle Wirkung meist erst in längeren Kampagnen.

2) Die von Fredi und Cay bevorzugte Spielweise, bei der der Plot von SL und Spielern kooperativ gelenkt wird (wenn es denn überhaupt noch einen SL gibt), Entscheidungen aus der Perspektive des Spielers getroffen werden und alle ein Mitspracherecht haben. Vorzüge: Jeder kann Einfluss auf die Story nehmen und so gewährleisten, dass die Elemente enthalten sind, die ihn persönlich interessieren. Konflikte lassen sich gezielter aufsuchen, Charakterentwicklung zügiger vorantreiben. Der SL hat nicht allein die ganze Arbeit. Intellektuelle Herausforderung gibt's durch das Ausdenken spannender Konflikte und das Umsetzen der Ergebnisse. ("Was bedeutet das für mich?") Braucht i.d.R. weniger Zeit, weniger Material und weniger Vorbereitung als die erstgenannte Spielweise.

So weit, so gut. Worüber wir hier diskutieren ist, wie man Spielweise 1) mit den Vorzügen der Spielweise 2) anreichern und trotzdem die wesentlichen Vorzüge der Spielweise 1) erhalten kann. Dass das immer nur zu einem gewissen Grad möglich ist, ist klar. Derjenige, der Spielweise 1) für das Nonplusultra hält, wird einen Hybrid immer als faulen Kompromiss empfinden. Derjenige, der wie ich von beiden Spielweisen fasziniert ist, beobachtet die Diskussion, die hier stattfindet, mit Begeisterung.

 :d
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 9.03.2005 | 19:00
Worüber wir hier diskutieren ist, wie man Spielweise 1) mit den Vorzügen der Spielweise 2) anreichern und trotzdem die wesentlichen Vorzüge der Spielweise 1) erhalten kann.
Aaaah! Ooooh!! Mensch, Seite 3 des Threads und ich hab endlich verstanden, worum es eigentlich geht! Scharfer Verstand, ick hör dir trapsen...

Ich denke mal, dass man hierfür die "Planungsphasen" mit allen Spielern möglichst gut von den "Spielphasen" trennen muss. Und dann braucht es natürlich auch einen SL. Verdammt. ;D Ich würde ja sowas präferieren, wo man mehrere Planungsphasen pro Sitzung hat und die Ergebnisse auch irgendwie auf dem Charakterbogen festhält. Öh. Mehr fällt mir jetzt auch nicht ein. Ich bin schon froh, das Thema überhaupt verstanden zu haben... ;)
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Schwules Lesbenpony am 9.03.2005 | 19:25
Da ich eine unverbesserte Narrin bin, habe ich ein paar Dinge gemacht, um meine Schäfchen ins Narr-Gebiet zu lotsen.

1) Für die Vorbereitung eignet sich Universalis vorzüglich! Münzen ausgeben, Traits erschaffen. Alles nach Universalis-Regeln. Man kann bei Null anfangen, muss aber nicht.
Dinge, die man hier anreißen solle: Genre, Setting, Realismus, Stimmung, Thema/Prämisse, Situation, Anzahl der Spielsitzungen

2) Jetzt hat man schon so ein gemeinsam erschaffenes Grundgerüst. Entweder schon wärend der Uni-Phase (bevorzugt, weil die Spieler dann mit den Traits weiter an der RM basteln) oder danach (einfacher zu managen) wird gemeinsam die RM gebastelt. Jeder Protagonist und alle wichtigen NSCs sollten sich da sinnvoll drin finden.

3) Aus der RM gehen dann die Issues und mögliche Kicker hervor. Wichtig ist es, dass die Issues klar sind und die Kicker wirklich welche sind und die Spieler die auch spannend finden.

4) Der SL setzt sich nun in sein stilles Kämmerlein und bastelt an seinen Bangs. Das ist einfacher als man nun glaubt, weil der SL hier nicht die Tabula Rasa vor sich hat, sondern eine fette RM, Protagonisten mit Problemen und Kicker. Ergo eine Menge Zündstoff. Noch ein bisschen die Meisterliche Gemeinheit (TM) einwerfen und losspielen.

5) Zwischen den Spielsitzungen (am besten am Ende jeder Sitzung) findet eine Planungsphase statt. Entweder 'freeform' oder wieder mit Universalisregeln.

Anmerkung: Der SL kann sich natürlich hier so viele Freiheiten etwas einzuschränken nehmen, wie er will. Ich persönlich meckere höchstens bei langweiligen Kickern und schwammigen Issues.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 10.03.2005 | 09:24
Ha, geil! :D Gefällt mir echt gut und ist eine Möglichkeit, ein beliebiges "normales" Rollenspiel mit einer RM zu verbinden, ohne die als SL selber machen zu müssen. Ich denke zwar trotzdem, dass ein eigenes System für die Charakterentwicklung im Zentrum her müsste (also ein ganz neues Rollenspiel) aber das ist der Chef-Narr, der da spricht.

Cay, kannst du mal ein Beispiel für eine RM geben, die sich da entwickelt hat? Ich möchte einfach nur mal sehen, wie kreativ Spieler sein können. So als gutes Beispiel. :)
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Transmission King am 10.03.2005 | 10:12
Edit: Ich bin's, Wjassula. Wenn Hereingeschneite den Tod ins Haus bringen...äh, sich einloggen  ::).

@Robin: Danke für die Antwort. Ich dachte mir sowas natürlich schon, aber schön, dass es mal einer sagt. Ich würde spontan entgegen, dass ich zumindest die Spielleitung ja nicht abschaffen, sondern nur verändern möchte. Das würde schon bedeuten, dass sie weniger "Macht" hätte, und dass sie nicht mehr allein den kreativen Rahmen setzen würde. Aber deine gute Ideen wären ja nach wie vor gefragt. Du sollst ja gar nicht euthanisiert werden, du schwarze Seele. Wir machen eine ganz friedliche Revolution, auch noch von oben! Du bist nicht Marie Antoinette, sondern der Vorsitzende des ZK, der die Demokratie ausruft, und weil ihm alle dafür so dankbar sind, wird er gleich auch noch Präsident.

Ich kann deine Bedenken ganz gut verstehen, weil ich bei uns in der Gruppe eigentlich auch der klassische SL bin. Ich bin der Typ, der die ganzen Bücher liest, ich kenn die Regeln, ich hab am meisten "Ahnung" von Rollenspiel, und in aller Bescheidenheit habe ich auch das grösste erzählerische Talent in der Gruppe. Damit könen wir alle gut leben, weil ich mich ausleben kann und die Spieler schöne Geschichten vorgesetzt kriegen. Was mich stört ist, dass der Arbeitsaufwand für mich am grössten ist, dass ich oft in die Position rutsche, wo ich für Scheitern oder Gelingen einer Session verantwortlich bin (oder mich fühle) und dass ich unter der Oberfläche unseres Spiels ein gewaltiges Potenzial brodeln fühle, von dem ICH auch profitieren könnte. Manchmal entwickeln die Spieler ja Issues und bestimmen in den Erzählungen über die Umwelt oder erzählen nach einem verpatzen Würfelwurf ihr Scheitern oder machen outgame Vorschläge über den weiteren Verlauf der Kampagne. Und das ist immer am Besten. Kann man das nicht irgendwie formalisieren? Und fordern und fördern  ;)? Oder so?

 
Zitat
Worüber wir hier diskutieren ist, wie man Spielweise 1) mit den Vorzügen der Spielweise 2) anreichern und trotzdem die wesentlichen Vorzüge der Spielweise 1) erhalten kann

Yes, indeed. Um mal die Bedenken aufzugreifen, die hier kamen: Wir haben einmal den möglichen Verlust der Immersion und nur noch Autorenperspektive. Das will anscheinden niemand, auch wenn die Vorstellungen, wie die beiden Möglichkeiten gewichtet werden sollen, unterschiedlich sind. Bräuchte man jetzt nur noch geschickte Mechanismen, die einen möglichst reibungslosen Wechsel fördern.

Punkt zwei, über den ich gern noch mehr wüsste, wäre "Die Welt entdecken und Geheimnisse herausfinden". Es ist echt wahr, dass das für viele Spielende einen grossen Teil des Spielspasses ausmacht. Wieviel Wissensvorspung kann/soll die Spielleitung haben, wie geht das mit der gemeinsamen Vorplanung der Kampagnenstruktur zusammen und wie implementieren wir das?

Ich finde, vorgeplante Spannungsbögen und Konflikte könnten die Spannung noch erhöhen, oder? Ist doch wie ein Teaser; Ich weiss, dass es heute um die Probleme meines Chars mit der Familie gehen wird, aber wie wird das aussehen? Und noch wichtiger: Wie wird der Konflikt ausgehen?

Um die Konflikte letzendlich spannend rüberzubringen, ist ein guter "Meister" nicht verkehrt. Jemand der sowas erzählerisch gut ausmelken und rüberbringen kann wächst ja nicht auf Bäumen. 

Zitat
Derjenige, der wie ich von beiden Spielweisen fasziniert ist, beobachtet die Diskussion, die hier stattfindet, mit Begeisterung

Ich doch auch, ich doch auch.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Schwules Lesbenpony am 10.03.2005 | 10:16
Am Wochende scann ich unsere RM ein und kommentiere die noch ein wenig. Vielleicht finde ich auch die Traits, die wir erschaffen haben, dann kann ich die bei Interesse mit posten. Da ich aber immer noch mit meinem Webserver kämpfe, wäre es gut, wenn jemand anders das Zeug dann ins Netz stellen könnte.
Nur so viel sei verraten: Es war die Planung für ein WuShu-Spiel mit max 4-5 Sitzungen und dem allgemeinen Thema Ehre in einem an das historische mittelalterliche angelegten Japan. Wichtige NSCs sind ein Drache, der Teno und Ninjas (irgendjemand hat auf die bestanden) ;D.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 10.03.2005 | 11:02
Bräuchte man jetzt nur noch geschickte Mechanismen, die einen möglichst reibungslosen Wechsel fördern.
Das ist, denke ich, der Kern! Und da gibt es sicher noch viel zu entdecken, entwickeln und verbessern. Ha, dann mal los! Ich denke schon die Ganze Zeit drüber nach...

Zitat
Ich finde, vorgeplante Spannungsbögen und Konflikte könnten die Spannung noch erhöhen, oder? Ist doch wie ein Teaser; Ich weiss, dass es heute um die Probleme meines Chars mit der Familie gehen wird, aber wie wird das aussehen? Und noch wichtiger: Wie wird der Konflikt ausgehen?
Das finde ich nämlich auch. Mir macht das fast noch mehr Spaß. (ach was sag ich, bestimmt!). Aber es ist wohl eine andere Art von Spaß.

Btw: Du, mein lieber Wjassula, kommst aufs Sommertreffen und spielst mit PtA! Keine Widerrede! ;D Ich notiere dann mal: Boba, Bitpicker, Wjassula. Da ist die Runde eigentlich schon (fast) voll. Hm, wird Vermi wohl auch PtA anbieten müssen, oder? ;) Ich finde einen gemeinsamen Workshop mit anschließenden Runden PtA eine gute Idee...

Noch was ganz wirres:
Wenn man also die Relationship Map (RM) zusammen erstellt (Universalis oder sonstwie) und trotzdem eine Art Geheimnisse reinbringen möchte, könnte man ja folgendes machen: Der SL darf nach Fertigstellung noch eine genau festgelegte Anzahl von Dingen ändern und eine weitere Zahl hinzufügen. Das sind dann Dinge, die die Spieler nicht wissen und sie noch überraschen können, auch wenn sie den Großteil der Arbeit gemacht haben. Zusätzlich können die Spieler evtl. "KernIssues oder Beziehungen" festsetzen, die niemand ändern darf (also die wirklich wirchtigen Sachen). Optional darf sogar jeder Spieler dem SL eine Änderung/Zusatz geheim mitteilen. Das weiß dann nur er und der SL, die anderen Spieler nicht (und der SL hat wieder Arbeit gespart).

Gaga. Aber könnte klappen.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Bitpicker am 10.03.2005 | 16:25

Btw: Du, mein lieber Wjassula, kommst aufs Sommertreffen und spielst mit PtA! Keine Widerrede! ;D Ich notiere dann mal: Boba, Bitpicker, Wjassula. Da ist die Runde eigentlich schon (fast) voll. Hm, wird Vermi wohl auch PtA anbieten müssen, oder? ;) Ich finde einen gemeinsamen Workshop mit anschließenden Runden PtA eine gute Idee...

Also, mit mir brauchst du nicht zu rechnen. Ich habe Leben und Familie, ich kriege kein frei für sowas.

Robin
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Lord Verminaard am 10.03.2005 | 17:02
Zitat
"Die Welt entdecken und Geheimnisse herausfinden". Es ist echt wahr, dass das für viele Spielende einen grossen Teil des Spielspasses ausmacht.

Vor allem, wenn es sich um eine "neue" Welt handelt. Meiner Erfahrung nach nimmt die Faszination der Erforschung des Settings mit der Zeit ab, selbst wenn das Setting viele Geheimnisse noch nicht enthüllt haben mag. Ist vielleicht nur mein subjektiver Eindruck.

Was Mechanismen angeht, die den Wechsel zwischen den Perspektiven fördern: Hm. Schwierig. Vielleicht nicht Mechanismen im strengen Sinne. Vielleicht braucht es mehr. Bewusstmachung. Lernen. Intuition. Und ein paar gute Tipps. ???
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Schwules Lesbenpony am 10.03.2005 | 17:06
Natürlich bedarf es für das Wechseln der Perspektiven vor allem zweier Dinge: Vorbilder und Übung. Es gibt aber Möglichkeiten das zu 'üben'. Z.B. indem man am Anfang und Ende einer Spielsitzung auf der Meta-Ebene über das Spielgeschehen und die Spielerwünsche spricht. Nichts anders habe ich mit den Universalis-Planungsphasen vorgeschlagen; und auch unsere Planungsthreads hier im Forum für die IRC-Spiele sind genau das, nur etwas freier.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Jestocost am 10.03.2005 | 17:36
Was hier klar wird: Es gibt einen großen Unterschied zwischen Struktur und Inhalt...

Man kann eine funktionierende Struktur aufbauen und durchziehen, und den Inhalt später dort einbetten...

Im klassischen Rollenspiel herrscht ja starker Perspektivismus - jeder Spieler hat unterschiedliche Informationen und kann sich nie sicher sein, ob diese richtig sind - das entscheidet der Spielleiter...

Solange wir uns in der Wahrnehmung/Perspektive eines Spierlcharkaters befinden, kann der Spieler diesen so ziemlich alles erfahren lassen - wir wissen ja nie, ob der uns dabei die Wahrheit erzählt, sich das ausgedacht hat etc.. Wenn ich jetzt mit Mechanismen wie Flashbacks arbeite, kann ich sagen: Dein Charakter erzählt, was damals passiert ist... Und das wird dann ausgespielt..

Ich kann dann immer wieder, in bester Rashomon-Manier, darauf zurückkommen und unterschiedliche Sichten/Realitäten einführen. Aber wer entscheidet, was dann wirklich wirklich ist: Wie auch sonst - irgendwie alle: Illusionisten-Spielleiter nehmen ja auch das Feedback und die Vermutungen der Spielercharaktere auf und machen diese zur Realität: Es sollte immer das wirklich passiert sein/passieren, was am coolsten für die Geschichte ist.

Jetzt schauen wir uns das mal in Bezug auf Setting Info an: Das Interessante daran ist ja die Mischung aus Vorwissen und Unwissen, die sich im Verlauf des Spiels zugunsten der Spieler verändert. Die Spieler kennen ein wenig was von der Kampagne und der Welt, aber keine Details.. Sie lesen ein wenig Hintergrund, kaufen sich ihr Splatbook und pochen darauf, dass das wahr ist (denn so steht es geschrieben)... Sie haben sogar ein Recht darauf, dass das "wahr" ist, also der SL das so auch einbauen muss (und nicht sagt: Nee, eigentlich sind bei mir alle Dunkelelfen gar nicht dunkel, haben Flügel, und sind sogar echt nett...)

Wir konstatieren: Spieler wollen was wissen, aber nicht alles.. Dann machen wir das doch: Bei Midnight lasse ich einen Spieler (der einen erfahrenen Krieger spielt) alles über Orks lesen - auch mehr als sein Charakter je wissen wird.. Wenn im Spiel jetzt Orks auftreffen, ist der Spieler dafür verantwortlich, die Szene zu "leiten". Gleichzeitig können andere Spieler wie auch der Spielleiter diesen Spotlight beeinflussen und ergänzen...

So wird das Spielerlebnis und der Inhalt von allen Spielern erschaffen, aber der Spielleiter hat immer noch starke "realitätsbildende" Rechte, weil er steuern kann und mitentscheiden, welche Informationen "wahr sind" - z.B. durch geheime Umfragen: "Wer sollte der Mörder sein und warum?" Und dann kann er den Plot so steuern..
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: wjassula am 10.03.2005 | 23:10
Uff, Tim, das muss ich jetzt erstmal sacken lassen. Spontan fällt mir auf, dass du diese Idee mit der Verteilung unterschiedlicher Kompetenzbereiche auf Spielende je nach Charakter vorher schon mal gebracht hattest...Orkspieler wissen alles über Orks und leiten alles, was mit Orks zusammenhängt für die anderen.

Irgendwas sträubt sich in mir dagegen, ich weiss bloss noch nicht,was es ist.

Zitat
Und dann kann er den Plot so steuern..

Ah, das könnte es sein. Du magst das nicht aufgeben, dass die Spielleitung letztendlich über allem steht, hm? *ponder*

Und deine Gedanken zum Perspektivwechsel und Struktur/Inhalt hab ich einfach noch nicht verstanden. Aber vielleicht morgen, wenn ich frischer bin.

@Caynreth: Ich lese deine Beiträge und sie gefallen mir - vor allem die Idee mit einem formalisierten Outgame-Teil vor und nach der Session klaue ich unbedingt. Mehr Kluges fällt mir aber nicht dazu ein. Nicht dass du denkst, ich les' das nicht  :).

@Fredi: Ja, schon. Ich würde supergern aufs Treffen und irgendwelche narrativistischen Schweinereien mit euch machen (und wer dreimal seine Prämisse im Käse verliert muss mit einem Gewicht an den Füssen in den See oder so). Aber die Entfernung muss ich erstmal überbrücken.

@Bitpicker: Schade! Ich hätte dich gern mal getroffen.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Lord Verminaard am 11.03.2005 | 10:15
@ Jesto: In meinen Gruppen haben wir es schon früher so gehandhabt, dass jeder sein besonderes Wissen zur Unterstützung des SL eingebracht hat. Die Bundis in Sachen Survival, Waffen, Kämfen etc., die Geschichtsfreaks in Sachen Geschichte, ich in Sachen Nautik, oder eben die Setting-Spezialisten in Sachen Setting. Hey, man kann das sogar auf Regeln erweitern, wenn die Regeln so umfangreich untergliedert sind, dass es Sinn macht. Wie z.B. die Shadowrun-Regeln für Decken und Riggen.

Dass der „Spezialisten“-Spieler dann selbst die Spielleitung voll übernimmt, ist eigentlich nur die konsequente Weiterentwicklung der Idee. Probleme ergeben sich allenfalls dann, wenn er in Dialog mit seinem eigenen Charakter tritt. Denn dass ein SL im Selbstgespräch für die Spieler auf Dauer langweilig wird, wissen wir nicht erst seit wir das Wort Narrativismus kennen... ;)

Zum Rest: Wow. Muss ich noch mal drüber nachdenken. Könnte zu üblen Gehirnverknotungen führen. ;)
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Schwules Lesbenpony am 11.03.2005 | 10:25
@Wjassula: Danke für die Blumen :D
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Dr.Boomslang am 11.03.2005 | 13:26
Ich hoffe ich rede jetzt nicht am Thema vorbei. So wie ich es verstanden habe soll es darum gehen den klassischen Rollenspielstil in dem der Spieler seinen Charakter und der SL den Rest spielt angereichert werden mit Stilmitteln des Narrativismus, so richtig?
Als Kernelement von (klassischem) Sim würde ich die Beschränkung auf den Charakter bzw das Weltmonopol des SL sehen. Es gibt aber einige Mittel die das vielleicht aufweichen aber nicht brechen. Es darf einfach nie ein direkt sichtbarer Interessenskonflikt zwischen dem bestehen was ein Spieler zur Spielwelt beiträgt und dem was er zu seinem Charakter beiträgt. Ingame-Outgame-Wechsel zum Einbringen von Plotelementen wurde schon genannt. Der Spieler wünscht sich ja schließlich nur etwas vom SL, das ist der wichtige Punkt.
Eine weitere Sache ist das eigentlich schon allseits beliebte Einbringen von Teilen der Spielrealität in der unmittelbaren Umgebung des Charakters, z.B. "Ich nehme den Draht und knack damit die Tür", obwohl der SL nie was von einem Draht gesagt hat. Hierbei ist es entscheident das der SL das ganze absegnet, aber eben nicht willkürlich, sondern eher wie eine Art Richter, der zwar auch Entscheidungen und Bewertungen macht, jedoch aufrgrund einer sehr strengen Vorgabe die auch jedem anderen bekannt ist. Im Falle von Sim ist diese Vorgabe die Plausibilität und eben in keinem Fall ob das Eingebrachte interessant, cool, oder nützlich ist. Natürlich wird niemand dem SL nachweisen können dass er die Eingabe nur zugelassen hat weil er sie cool findet, wenn sie gleichzeiteg eben auch plausibel ist. Diese Ungewissheit ist aber ganz wichtig.
Oft entsteht diese leichte Form des PE ja dadurch dass Spieler anfangen Suggestivfragen zu stellen um damit die Realität zu formen: "Liegt da zufällig ein Draht?". Oder mit der Methode Laut denken: "Jetzt könnte ich einen Heiltrank gebrauchen" und der nächste umgehauene Ork hatte natürlich einen dabei. Als SL ist es ein offenes Geheimnis das diese Einwürfe wirklich die Spielrealität beeinflussen, für die Spieler geht aber etwas verloren wenn sie merken dass das wirklich so ist, bzw wenn sie sich darauf verlassen können das und wie es funktioniert.
Auch wenn Spieler ihr Wissen einbringen ist das in Ordnung, aber nicht in Verbindung damit ihrem Charakter dadurch zu helfen oder auch nur Informationen zu erlangen die ihr Charakter nicht haben kann.
Wichtig ist immer dass der Spieler nichts wirklich verlangen darf ("Auf Seite XY Quellenbuch soundso steht aber das Orks immer Heiltränke dabei haben, also bekomme ich jetzt einen!"). Vielleicht kann man es mit einer Gerichtsverhandlung vergleichen. Die Spieler sind Anwälte die Eingaben machen, der SL ist der Richter der Entscheidet, aber er ist an eine starke höhere Instanz gebunden. Im Idealfall handelt es sich bei allem was Anwälte in einer Gerichtsverhandlung vorbringen natürlich nur um Fakten und im Idealfall kommt daher am Ende eigentlich immer dasselbe raus nämlich die Wahrheit. Wir alle wissen zwar dass allein dadurch welche Fakten genannt werden und welche nicht und dadurch wie sie genannt werden zwar nicht die Wahrheit aber das Urteil darüber verändert werden kann. Und so ist es dann auch im Rollenspiel, die Spieler beeinflussen die Welt, aber sie fällen eben nicht die abschließenden Urteile.

Noch eine weitere Sache in punkte PE. Der Charakter-Sim-Spieler hat kein Problem damit Charaktere zu spielen, das liegt in der klarerweise in seiner Natur. Es ist also erstaunlich Problemlos möglich ihm eigentliche NSCs zum vorläufigen Spielen zu überlassen (das Thema wurd hier sicher auch schon diskutiert). Wichtig dabei ist dass kein Interessenskonflikt zum eigentlichen Charakter besteht und dass der Spieler nicht das Monopol über den NSC erhält, sondern er sich verantwortlich fühlt, die Charakterintigrität zu wahren, d.h. das Ganze macht nur Sinn wenn der Spieler den NSC bereits gut kennt, oder er ihn garnicht kennt und er ihn mit den Vorgaben spielt die er aus dem Auftreten des NSC schließen kann.

Mir fällt grade auf dass vor allem das was ich im letzten Abschnitt gesagt habe viel mit dem zu tun hat was Jestocost angesprochen hat. Man könnte das ganze bestimmt fast so weit führen, dass man "Spieler für einen Bereich" hat, ich sehe aber immer noch das Problem mit den Interessenskonflikten die sich potentiell vermehren wenn der Bereich wächst.
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Fredi der Elch am 11.03.2005 | 17:27
Hi Leute, kurzer Einwurf von der Definitionspolizei. Und was zum Thema Nar und PE.

Hier: http://tanelorn.net/index.php?topic=18057.0
Titel: Re: Wie man narrative Elemente fürs Rollenspiel einsetzen kann
Beitrag von: Lord Verminaard am 11.03.2005 | 21:55
Noch mal zu:

Zitat von: Jesto
Im klassischen Rollenspiel herrscht ja starker Perspektivismus - jeder Spieler hat unterschiedliche Informationen und kann sich nie sicher sein, ob diese richtig sind - das entscheidet der Spielleiter...

Solange wir uns in der Wahrnehmung/Perspektive eines Spierlcharkaters befinden, kann der Spieler diesen so ziemlich alles erfahren lassen - wir wissen ja nie, ob der uns dabei die Wahrheit erzählt, sich das ausgedacht hat etc.. Wenn ich jetzt mit Mechanismen wie Flashbacks arbeite, kann ich sagen: Dein Charakter erzählt, was damals passiert ist... Und das wird dann ausgespielt..

Ich kann dann immer wieder, in bester Rashomon-Manier, darauf zurückkommen und unterschiedliche Sichten/Realitäten einführen. Aber wer entscheidet, was dann wirklich wirklich ist: Wie auch sonst - irgendwie alle: Illusionisten-Spielleiter nehmen ja auch das Feedback und die Vermutungen der Spielercharaktere auf und machen diese zur Realität: Es sollte immer das wirklich passiert sein/passieren, was am coolsten für die Geschichte ist.

Richtig komplex wird es aber dann, wenn du die Ereignisse der Vergangenheit (aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Spieler / Charaktere dargestellt) mit den Ereignissen der Gegenwart (selbst wenn es davon nur eine Version gibt) verknüpfst. Dabei gibt es ein großes Problem: Die Beteiligten vergessen Details. Jeder vergisst andere Details. Oder erinnert Dinge anders.

Ich bin ja jemand, der sich an ziemlich viele Details erinnern kann, normalerweise jedenfalls, wenn ich nicht gerade nach 10 Stunden Arbeit abgespannt bin. Und mich stört es ungemein, wenn meine Mitspieler sich mit ihrer Erzählung in Widerspruch zu dem setzen, was bereits etabliert ist. Das hat mich z.B. in unserer Universalis-Chatrunde genervt.

Bei einem linear erzählten Plot lässt sich das alles noch einigermaßen bewerkstelligen. Aber sobald du mit Flashbacks und verschiedenen Versionen der Realität arbeitest, wird es sehr unübersichtlich.

Wenn du als SL die absolute Kontrolle hast, fällt es noch einigermaßen leicht, den Überblick zu behalten, weil

a) du über ein gedankliches Konstrukt wachst, dessen Urheber du zunächst selbst bist, so dass du eine klare Vision davon vor Augen hast,

b) als einziger Änderungen daran vornimmst und so den Überblick behalten kannst und

c) die Spieler wissen, dass sie sich an dich wenden müssen, wenn sie etwas wollen, so dass nicht die Gefahr besteht, etwas Relevantes zu verpassen.

Wenn du jetzt Spieler ganze Szenen gestalten lässt, fallen diese Punkte alle drei weg. Und selbst wenn es dir als SL trotzdem gelingt, den Überblick zu behalten, wirst du schnell vor der Wahl stehen, dem Spieler entweder dazwischen zu reden, weil er gerade einen Widerspruch etabliert, den nur noch niemand bemerkt hat -- oder diesen Widerspruch hinzunehmen.

Ständiges Dazwischenreden (im Sinne von Unterbrechen) finde ich super nervig (gell, Fredi? ;)) Widersprüche finde ich ebenso schlimm. Bekanntlich ist Plausibilität ja auch kein reines Sim-Feature, sondern gehört zum Prozess des Rollenspiels (=Exploration) dazu. Stichwort: Suspension of Disbelief.

Da kommen wir also schon wieder an den Berührungspunkt mit dem Thema Player Empowerment. Na ja, PE scheint nun mal auch die Technik Nr. 1 zu sein, die immer wieder vorgeschlagen wird, wenn es um narrative Elemente im Spiel geht.
_________

Was ich sehr interessant finde, ist die hier angesprochene Möglichkeit des "Zwei-Ebenen-Spiels". In regelmäßigen Abständen Immersion *klick* aus, Tür in der Spielrealität auf, raus in die Meta-Ebene. Von gleich zu gleich mit allen Mitspielern Parameter festlegen. Dann wieder rein, Tür zu, Immersion an. Nicht dass solche Prozesse nicht in vielen Runden heute schon stattfänden. Aber das zu formalisieren hat was. Vor allem wenn man sich dadurch die Möglichkeit eröffnet, im "In-Game" möglichst wenig störende "Meta-Ebene" präsent zu haben und trotzdem das Spiel auf für den eigenen Charakter interessante Konflikte zu lenken.