Am folgenden Morgen reist die Gruppe nach Lindum (Lincoln) weiter, nachdem Ambrosius im Dorf die Bestattung der Gefallenen durchgeführt hat. Lindum ist etwa eine Tagesreise entfernt, Pascent organisiert eine Übernachtung in einem Gasthaus bei Lindum. Jeweils zwei SC halten des Nachts Wache vor dem Gebäude, das Pascent und Ambrosius bezogen haben, während die anderen beiden im Stall bei den Pferden schlafen. Thorgas trifft in Rabengestalt ebenfalls ein, Hengist hat ihn vorausgeschickt, nachdem der Corax Bericht von Byrnwold erstattet hat, damit er bei den SC bleibt und im Notfall als Bote eingesetzt werden kann.
Kurz vor dem Wachwechsel torkelt ein Betrunkener auf Heilgard und Frithiof zu und lallt sie auf Keltisch an; dann jedoch äußert er ein paar Sätze in einem germanischen Dialekt; irgendwas von Hunden, die an Fäden entlang in die Städte reisen und vor denen man sich in Acht nehmen soll. Dann torkelt der Betrunkene mit Freunden davon.
Die SC nehmen das als eine Warnung vor etwaigen Feinden in der Umbra, aber es gelingt ihnen nicht, hier in die Umbra zu wechseln (das war eigentlich nur Würfelpech, aber für die SC stellt es sich so dar, dass die Schwelle wohl zu hoch war). Allerdings passiert nichts Ungewöhnliches in dieser Nacht.
In Wirklichkeit war das eine magisch transportierte Botschaft von Gwynnaig, die ihre Webkunst für Blicke in die Zukunft nutzt. Sie sieht, dass die feindlichen Wölfe über 'Fäden' in der Umbra tatsächlich von Römerstadt zu Römerstadt gelangen können. Sie selbst kann das Gesehene nicht richtig deuten, da ihr Umbra-Wissen relativ beschränkt ist (und erst recht, was die Umbra der Werwölfe anbelangt), hofft aber, dass es den SC helfen wird.
Am nächsten Tag reist die Gruppe in aufziehendem Nebel weiter nach Norden; als die Sicht nur noch wenige Meter beträgt, erreichen sie eine kleine Ansiedlung entlang der Straße, allerdings zeigt sich keine Menschenseele - obwohl der Ort selbst keinen lange verlassenen Eindruck macht. In der Luft liegt der Duft von Strand und Meer; und tatsächlich endet die Straße wenige Schritte weiter am Ufer eines Flusses (Humber), wo sich ein Pier befindet, an dem bei besserem Wetter Fährdienst über den Fluss stattfindet; jetzt liegen dort jedoch nur zwei kleine Boote aus Weidengeflecht und Tierhäuten vertäut.
Die SC bemerken Geräusche aus dem Nebel hinter ihnen und fächern aus, während Pascent und Ambrosius am Pier bleiben; bald stellen die SC fest, dass sie in einen piktischen Hinterhalt geraten sind. Da der Nebel ihnen aber Deckung bietet, verwandeln sich Bergelmir, Heilgard, und Frithiof einfach in die Crinos-Form und machen kurzen Prozess mit den Pikten (auswürfeln unterbleibt, da zwecklos). Natürlich kriegen Pascent und Ambrosius, zu denen sich Horand als Schutz zurückgesellt hat, Schreie und andere Geräusche mit; und beim späteren Aufräumen bleibt auch das eine oder andere unbeachtet. Auch haben die SC in der Eile nicht an ihre Kleidung gedacht, die den Gestaltwandel nicht mitmacht; zwar gibt es in den Hütten Ersatz, aber trotzdem fällt es den beiden seltsam auf. Sie sehen die SC von nun an mit argwöhnischeren Augen...
Noch etwas anderes haben die SC bemerkt (außer Bergelmir, der bei dem Gemetzel zu sehr in seinem Element war...): die Pikten haben ungewöhnlich reagiert, als sie den Crinos gegenüberstanden, denn sie zeigten keine Angst, eher sogar Freude, einer senkte sogar die Waffen, bevor er starb...
Thorgas hält reiches Augen-Festmahl und erhält zweimal ähnliche Eindrücke: das Wiedersehen von Brüdern, und im Fall des 'bösen' linken Auges eines Pikten den Beigeschmack von Verrat.
Während die SC die Gegend sichern und säubern, fliegt Thorgas auf die andere Seite. Dort liegt die Fähre vertäut, daneben noch mehr von den kleinen Booten. Es liegt auch eine befestigte keltische Ansiedlung dort, und Thorgas sieht, dass sie voller Pikten ist, dazwischen aber auch Menschen, die wohl zur ursprünglichen Bevölkerung gehören und zur Belustigung und Bedienung der Eindringlinge am Leben gelassen wurden; und einmal hat Thorgas auch den Eindruck, im Nebel einen Wolf gesehen zu haben...
So, gerade noch vor dem Abrutschen auf Seite 2 die Kurve gekriegt...
Die SC überlegen, ob sie die fremden Werwölfe verfolgen sollen, aber sie können sich nicht einfach so aus der Verantwortung stehlen; und Pascent lässt sie nicht ziehen, weil er der Ansicht ist, dass die Marodeure einen zu großen Vorsprung haben und in Richtung Norden sowieso dem eigentlichen Kampfverband in die Hände fallen werden.
Thorgas stiehlt sich aus dem abendlichen Lager und nutzt eine in der Zwischenzeit erworbene neue Gabe, die es ihm erlaubt, den nächstbefindlichen Corax 'anzumorsen'. Es erscheint ein ziemlich zappeliger Vertreter seiner Art namens Derog, ein junger Kerl aus der Gegend. Der erklärt sich bereit, eine Botschaft zu Hengist und Horsa zu tragen, aber er tut noch mehr: er weiß nämlich recht gut Bescheid über die Mam. Er erzählt Thorgas, dass bereits drei Mam von der Gruppe Werwölfe vernichtet wurden; sie greifen die Bäume bei Tag an, bei Nacht wäre eine Auseinandersetzung mit dem Mam bei weitem ausgeglichener. Die Mam sind nur des Nachts aktiv und treten aus ihren Bäumen heraus; es sind jahrhundertealte Untote, die sich vom Blut ihrer Anbeter ernähren und ihnen im Gegenzug eine Art Schutz gewähren. Der Werwölfe, die übrigens zu den Söhnen des Hirschen zählen (auch Fianna genannt) und mit den Skoten übers Meer kamen, reagieren auf den Geruch des Untodes wie auf alles, was mit dem Wyrm zu tun hat; allerdings ist Derog der Ansicht, dass sie hier nicht das Richtige tun.
Thorgas fragt Derog, ob er eine Mam sehen könnte, und Derog führt ihn zu einem blumengeschmückten Hain unweit eines Dorfes, wo die beiden tatsächlich die Mam beobachten können; es ist eine Frau mit einer unglaublich majestätischen Ausstrahlung, die sofort Ehrfurcht erweckt. Sie trägt seltsame Zeichen aus Blut auf der Haut, die Zeichen ähneln, die Thorgas bereits auf stehenden Steinen aus alter Zeit gesehen hat: senkrechte Linien mit kurzen, waagerecht davon ausgehenden Strichen in unregelmäßigen Abständen (Ogham-Schrift). Die Mam tritt vor ihren Baum und verschmilzt mit diesem.
Derog macht sich anschließend auf den Weg gen Norden und Thorgas erzählt den anderen, was er beobachtet hat. Die Mam sind offensichtlich eine Art Vampir, deshalb sind die Meinungen, wie man mit den Mam umgehen soll, zunächst auch ziemlich geteilt; Thorgas versucht es mit Vernunft und erfährt dabei Unterstützung von Horand, während die anderen zuerst auf 'Zerfetzen' plädieren. Heilgard versucht sogar am nächsten Morgen ein Gespräch mit dem ewig säuerlichen Ambrosius, der über Heidentum und Götzenverehrung herzieht, auf die Frage, ob diese Verehrung denn für die Anbeter per se schlecht sei, lediglich darauf zu verweisen vermag, dass ihnen das Himmelreich verschlossen ist; im Diesseits scheint es keine negativen Auswirkungen zu geben (allerdings weiß Ambrosius effektiv bereits weniger als die SC über die Mam).
Wie dem auch sei, zunächst muss die Gruppe noch nach Caer Vortigern, und die Kinder verlangsamen das Vorankommen. Während des Tages beobachten die SC, dass sich auffällig viele Vögel aller Art am Wegesrand auf den Bäumen versammeln und sie zu beobachten scheinen; deshalb verdrückt sich Heilgard einmal mit vorgetäuschtem Harndrang in die Büsche, wohin ihr tatsächlich einige Vögel folgen. Da Heilgard die Gabe der Tiersprache beherrscht, spricht sie einen Spatz einfach direkt an; der ist erschreckt und fliegt davon, ebenso die anderen Vögel, aber dennoch schnappt Heilgard einen Eindruck auf, der ihr sagt, dass die Vögel sie beobachten sollen. Beim Weiterritt gelingt ihr sogar ein besonderer Erfolg, als sie die Vögel belauscht, und sie erkennt, dass die Mam Macht über die Vögel besitzen und die Vögel die Gruppe beobachten, weil sie auf der Suche nach den Mördern der drei Mam sind. Die Vögel sind sogar besonders misstrauisch, weil normale Menschen einen der ihren nicht hätten ansprechen können...
Auch Thorgas entschuldigt sich im Laufe des Tages natürlich mal in die Büsche und sucht sich in Rabengestalt einen corviden Kollegen - dem teilt er mit, dass seine Freunde nicht die Werwölfe seien, die die Mam getötet hätten, und dass sie helfen wollten. Der Rabe fliegt los, um diese Neuigkeit zu verbreiten.
Die Gruppe erreicht schließlich abends unter wachsamen Vogelaugen Caer Vortigern. Die SC werden in der Kaserne von Vortigerns Truppen untergebracht, und am nächsten Tag eröffnet Pascent ihnen, dass er und seine Männer Vortigern beim Kampf gegen die skotischen Piraten unterstützen würden, dass aber germanische Söldner hier für zu viel Aufsehen sorgen würden; überdies seien sie vermutlich im Norden nützlicher. Sie werden also freigestellt.
Die SC beschließen, die Mam aufzusuchen, die Thorgas gesehen hat. Sie lassen ihre Pferde auf einem Hof und begeben sich in Wolfsgestalt zu dem Dorf in der Nähe des Hains, wo sie auf die Nacht warten. Es handelt sich um eine Neumondnacht, daher beobachten die SC eine Art Prozession der Dorfbewohner zum Baum, wo sie ein kurzes Ritual abhalten, das dem neuen Mond gewidmet ist. Sie lassen Opfergaben am Baum zurück und gehen anschließend zur Nacht.
Die SC halten sich zunächst fern, nur Thorgas erwartet die Mam. Sie kommt aus ihrem Baum heraus, und Thorgas verwandelt sich in Menschengestalt; da die Mam nicht wissen kann, ob dies ein Angriff ist, öffnet sie ihre Adern und verspritzt ihr Blut in einer Pirouette gegen den Uhrzeigersinn um sich; als Thorgas' Verwandlung abgeschlossen ist, zittert der Boden unter seinen Füßen und Efeuranken winden sich wie Schlangen auf ihn zu und richten sich auf, greifen aber noch nicht an.
Thorgas beteuert seine Harmlosigkeit und auch die seiner Freunde, die abseits warten; er eröffnet der Mam, dass sie zwar Werwölfe seien, nicht aber die, die die anderen Mam vernichtet haben. Die Mam gestattet ihnen, zu ihnen zu stoßen, während sich das Efeu wieder beruhigt...
Es kommt zu einer Audienz - jedenfalls haben die SC den Eindruck einer Audienz. Bergelmir als Anführer stellt die SC namentlich vor - was die Mam mit den seltsamen Worten quittiert: 'Wisse, dass du mir diese Namen freiwillig genannt hast'. Sie selbst lässt sich nur als Mam ansprechen. Die Mam gibt ihnen bereitwillig Antworten auf ihre Fragen und eröffnet ihnen, dass sie zu einer alten Art gehört, die genau wie die Werwölfe von der Großen Mutter geschaffen wurde. Wie die Werwölfe verteidigt ihre Art die Schöpfung gegen den verderblichen Einfluss des Wyrms, auch wenn sie es auf ganz andere Weise tut. Von Seiten der Mam müsse es keine Feindschaft geben.
Die Vögel wurden von den Mam ausgeschickt; die Mam selbst werden angeführt von der Mam Cymru (Mutter von Wales), der stärksten Mam, die auf der Insel Ynys Mon (Anglesey) zu Hause ist. Die Mam wissen, dass sich im Norden eine Bedrohung zusammenbraut, und sind bereit, die SC im Kampf dagegen zu unterstützen.
Die Mam weist auch auf die bereits früher angeklungenen uralten Pakte zwischen den verschiedenen übernatürlichen Fraktionen hin, die die Weiße insel (Albion) unter sich aufteilten; die Mam erhielten den Westen, die Weißen Heuler den Norden, die Söhne des Hirschen (Fianna) die Insel Irland, das Kleine Volk (die Feen) den Südosten, die Katzen (die Ceilican) die Umbra. Dies alles geschah vor langer Zeit nach den Fomori-Kriegen, und es sieht so aus, als würde sich im Norden ein neuer Fomori-Krieg anbahnen... Vielleicht ist es die Aufgabe der Mam, die als einzige verbliebene Augenzeugen damals schon dabei waren, den anderen Fraktionen das Wissen um die Vergangenheit wiederzugeben, damit der Krieg gewonnen werden kann.
Für Interessierte hier eine mit Spoilerwarnung versehene Erklärung der Mam:
Die Mam entsprechen der Blutlinie der Lhiannan aus dem Dark Ages Companion für V:TDA. Diese Blutlinie beruft sich nicht auf Kain als Ahnherren, sondern auf die Greisin (Crone), die vermutlich mit Lilith aus dem Buch Nod / den Enthüllungen der Dunklen Mutter identisch ist. Auch die Baali kennen eine Greisin, die zusammen mit ihren Ahnherren Nergal und Moloch geschaffen wurde...
Die Lhiannan in Dark Ages sind allerdings eine spätere Ausprägung dieser dem Untergang geweihten Blutlinie. Nach den Beschreibungen in TDA-Büchern sind die Geister, die sie mit ihrer eigenen Disziplin Ogham (die erwähnten Blutrunen) rufen können, aus Sicht der Werwölfe Banes, und nach dem Jahr 1000 mag das auch zutreffen; aber in meiner Kampagne sind die Lhiannan oder zumindest die Mam, also die Lhiannan von Wales, tatsächlich mit 'normalen' Geistern verbündet und bewahren ein altes Wissen. In ihrer Mythologie ist die Schöpferin der Blutlinie die Große Mutter, Gaia selbst, die es für notwendig befand, Kinder zu erschaffen, die durch das Tor des Todes geschritten sind und trotzdem weiter existieren. Kain ist ein Dieb, der den vampirischen Untod von der Ältesten der Lhiannan stahl (dies also quasi Lilith), ohne aber die damit verbundene Verantwortung zu übernehmen.
Die Mam Cymru ist eine Tochter dieser Lilith, vielleicht die einzige verbliebene dieser Generation. Die anderen Mam stammen von ihr oder ihren Töchtern ab. Die Mam Cymru selbst ist -in der Werwolf-Terminologie- eine Kami, also eine besondere Dienerin Gaias. Sie ist an den Boden Angleseys gebunden und verzichtet auf den Genuss von Blut; als Bonus kann sie die Disziplinen der Lhiannan (Ogham, Animalism, Presence) ohne jede Probe mit automatischen Erfolgen ausüben.
Robin