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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Ranor am 3.01.2008 | 12:54

Titel: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Ranor am 3.01.2008 | 12:54
Hier (http://tanelorn.net/index.php/topic,38553.0.html) bin ich während einer DSA-Diskussion auf folgende Aussage gestoßen:
Also: Nicht Storyspiel oder Charakterspiel, sondern Storyspiel und Charakterspiel.

Mir ist hier im Forum schon mehrfach diese "Trennung" aufgefallen. Das klingt immer so, als könnte man ein Storyspiel spielen und/oder ein Charakterspiel. Aber eigentlich geht doch das eine mit dem anderen Hand in Hand. Und eine Trennung in solche Kategorien erscheint mir einfach zu artifiziell. Charaktere, egal wie rudimentär, sind beim Rollenspiel wohl immer vorhanden genau wie eine irgendwie auch immer geartete Geschichte.
Vielleicht bin auch nicht genug "Rollenspieltheoretiker", aber diese Art von Einteilung erschließt sich mir einfach nicht wirklich.

Wie seht ihr das?
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Gawain am 3.01.2008 | 13:04
Eine solche Trennung beschreibt meiner Meinung nach entweder Extrempunkte und ist damit natürlich artifiziell, wie du schreibst.
Was nicht heißt, dass man damit keine Erkenntnis gewinnen kann.

Dennoch kann man eine Gruppe und ihre Spielweise vielleicht in diese Kategorien einordnen. Man müsste die Einordnung nach der Spielart durchführen, die dominiert. Wenn zB durchaus mal die Eigenschaften (nicht die Werte) eines Charakters außen vor gelassen werden um die Geschichte in der angestrebten Bahn weiterverfolgen zu können oder man die Charaktere stärker aus der Außensicht steuert um sie möglichst passend in die Geschichte einzubringen, würde ich das storyorientiert nennen.

Charakterorientiert wäre für mich, wenn die Eigenheiten und Ziele der Charaktere dominieren und deswegen auch schon mal Abenteuersituationen entgegen einem gewünschten Ergebnis (sei es von SL oder Spieler) aufgelöst werden.

Bei Bedarf führe ich gerne noch Bsp.e auf.

Wichtig finde ich den Hinweis, dass Charakter- und Storyorientierung mögliche Spielweisen natürlich nicht abschließend erfassen, sondern, dass es noch weitere in solch einer Einteilung gäbe.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Dom am 3.01.2008 | 13:10
Zitat
Aber eigentlich geht doch das eine mit dem anderen Hand in Hand.
Nein.

Ein Beispiel für "nur Storyspiel" ist eine Gruppe, die ihre Charaktere vielleicht "nur" aus der dritten Person beschreibt und denen es vor allem auf die Geschichte ankommt, die hinterher dabei rumkommt. Denen ist "sich in den Charakter hineinversetzen" unwichtig. Ob jetzt der SL die Story lenkt, sagt wo es lang geht und die Spieler ihm folgen ("Trailblazing") oder ob die Spieler die Geschichte gemeinsam entwickeln ist egal.

Ein Beispiel für "nur Charakterspiel" ist eine Gruppe, die liebend gerne zwei Stunden eine Gruppenzusammenführung spielt, bei der zunächst die Charaktere ihren eigenen Interessen nachgehen und die dann zusammenfinden. Jeder versetzt sich in seine Spielfigur hinein, die Spieler erleben das Spiel aus Sicht ihrer Figur. Ob da ne tolle Geschichte bei rumkommt ist egal, das Erlebnis zählt. Ob der SL hier steuernd eingreift oder nicht, spielt auch hier keine Rolle.

Wichtig: Beides sind nur Beispiele für die Extreme.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 3.01.2008 | 13:13
Hm... Finde das sehr spannend, habe aber leider gerade so gar keine Zeit, mir ausführlichere Gedanken zum Thema zu machen. Trotzdem hier ein kurzer Einwurf:

Aus meiner Sicht kann man die drei Komponenten Story und Charakter ergänzt um Abenteuer als Prioritäten von Spielern auffassen. Der eine mag Herausforderungen, unterscheidet sich aber von einem auf individueller Ebene definierten Gamist durch eine stärkere Orientierung Richtung Charakter. Sowas läuft dann vereinfacht auf ARS hinaus. Der nächste will Story (meinetwegen Bombast-Metaplot), nen bisschen Charakter (z.B. um über die Charakterimmersion das Storyerleben zu fördern) und kaum Abenteuer (oder schon Abenteuer, aber mit massivem Würfeldrehen, was dann für mich wiederum kein Abenteuer ist). Das entspricht dann vielleicht dem oft verteufelten, prototypischen DSA-Spieler.

In Kürze: Story, Charakter und Abenteuer könnten den Dreiklang für gehaltvolle Spielerklassifizierungen ergeben. Dabei sind dann diese Aspekte zwar oftmals, aber keineswegs zwangsläufig miteinander verwoben (wie Dom in der Zwischenzeit aus meiner Sicht korrekterweise feststellt).

Kann mich in all dem aber natürlich auch spektakulär irren und freue mich auf entsprechende Beiträge ;-)
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Jericho am 3.01.2008 | 13:15
Ich bin für beides!
Ich lasse meinen Leuten immer genug frei raum damit sie ihre Charakter ausspielen können, aber versuche immer möglichst schnell die Stroy durchzubringen und verwickeln halt die spieler so geht es geht in die Story.
Dabei muss ich allerdings sagen das ich dieses gruppenzusammen finde meistens weglasse, weil ich es nicht so gerne ausspiele und meine spieler auch nicht!

Und beides ist wichtig für den spielspaß, das die Spieler ne gute Handlung haben in der sie sich amüsieren und wo sie ihre Charakter ausspielen können!

So long
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Haukrinn am 3.01.2008 | 13:19
Wie seht ihr das?

Ich sehe beide "Extreme" nicht als extrem an. Meiner Erfahrung nach setzt jede Gruppe auf das eine oder das andere den Schwerpunkt, und das relativ fest. Ein Mittelmaß zwischen beiden ist mir ehrlich gesagt bisher nur sporadisch begegnet. Eine Charakterspielgruppe mag mal hin und wieder die Story in den Mittelpunkt rücken, aber das sind, im Vergleich zur Masse der Spielsitzungen, in denen die Charaktere zentral und die Story nebensächlich ist, wirklich Ausnahmen. Und umgekehrt siehts genauso aus.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Surreal am 3.01.2008 | 13:57
Das ist eine Frage, die sich bei unseren Gruppen andauernd gestellt hat. Es ging oft darum, dass einige Spieler Story wollen, die anderen eher viel Charakterentwicklung.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es keinen Schnittpunkt gibt. Die meisten Rollenspieler denken da wirklich in zu strengen Bahnen, und sie können sich gar nicht vorstellen, dass es das eine m i t dem anderen geben kann. D.h.ich kann das auch bestätigen, was Haukrinn geschrieben hat. Es wäre schön, wenn man beides vereinen könnte.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Gawain am 3.01.2008 | 14:01
Interessant.
Gerade Charakterentwicklung! und Story lassen sich ja wunderbar verknüpfen, wenn man entsprechende Informationen von den Spielern einholt.

Meine Erfahrung ist eher, dass Spieler, die sich stark auf das Charakterspiel! (nicht -entwicklung) konzentrieren komplexe aber statische Charakterkonzepte spielen.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Surreal am 3.01.2008 | 14:09
Interessante Gedanke, statisch...hmmm. Könnte stimmen. Ich finde es aber schon wichtig, dass man einen richtigen Hintergrund spielt etc. Und ich finde es schade, wenn es heisst: 'Sieht aus wie ein Soldat' als Charakterbeschreibung. Da kann man doch so viel draus machen. Und es ist doch lustig, wenn sich ein Char in einer bestimmten Situation immer ausrastet oder auf irgendwas allergisch ist etc. Das ist stimmungsvoller als wenn einfach nur die Story fortschreitet, der Dieb die Truhen öffnet, der Krieger kämpft, der Magier zaubert etc...
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Gawain am 3.01.2008 | 14:16
Da gebe ich dir recht. Vermutlich habe ich mich auch etwas unklar ausgedrückt.
Mit statisch meine ich, dass der Charakter zwar sehr genau und detailliert ausgespielt wird, er sich aber nicht wirklich verändert.
Da gibt es dann zB den Priester der stets an seinen Prinzipien festhält und auch nie an diesen zu Zweifeln beginnt egal was um ihn herum passiert. Die Prinzipien und der Charakter an sich werden zwar schön ausgespielt, er hat auch einen entsprechenden Hintergrund etc. aber der Charakter entwickelt sich nicht, verändert sich, wächst oder verzweifelt nicht an den Geschehnissen.
Vielleicht ist so klarer was ich mit statisch meine.

Wenn hingegen story- und charakterspiel stärker verknüpft werden, werden auch die Charakterkonzepte dynamischer. Verändern sich, verändern ihre Beziehung zu ihrer Umwelt etc.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Ranor am 3.01.2008 | 14:52
Ein Beispiel für "nur Storyspiel" ist eine Gruppe, die ihre Charaktere vielleicht "nur" aus der dritten Person beschreibt und denen es vor allem auf die Geschichte ankommt, die hinterher dabei rumkommt. Denen ist "sich in den Charakter hineinversetzen" unwichtig. Ob jetzt der SL die Story lenkt, sagt wo es lang geht und die Spieler ihm folgen ("Trailblazing") oder ob die Spieler die Geschichte gemeinsam entwickeln ist egal.
Na ja, aber die Spieler "spielen" ihre Charaktere doch trotzdem, auch wenn sie die Aktionen nur aus der dritten Person beschreiben.

Zitat
Ein Beispiel für "nur Charakterspiel" ist eine Gruppe, die liebend gerne zwei Stunden eine Gruppenzusammenführung spielt, bei der zunächst die Charaktere ihren eigenen Interessen nachgehen und die dann zusammenfinden. Jeder versetzt sich in seine Spielfigur hinein, die Spieler erleben das Spiel aus Sicht ihrer Figur. Ob da ne tolle Geschichte bei rumkommt ist egal, das Erlebnis zählt. Ob der SL hier steuernd eingreift oder nicht, spielt auch hier keine Rolle.
Selbst hier gibt es ja eine "Geschichte": Die Charaktere treffen und unterhalten sich - und wie du schon sagst, der SL muss da nicht unbedingt eine Rolle spielen. Zugegebenermaßen ist das Beispiel aber etwas spitzfindig  ;)

Worauf ich hinaus will: Die Gewichtigung ist jeweils sicherlich unterschiedlich, aber ich bin (immer noch) der Meinung, dass beide nicht unabhängig voneinander existieren können.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Ranor am 3.01.2008 | 14:57
Wenn hingegen story- und charakterspiel stärker verknüpft werden, werden auch die Charakterkonzepte dynamischer. Verändern sich, verändern ihre Beziehung zu ihrer Umwelt etc.
Ich finde das zu verallgemeinernd. Die Charakterkonzepte werden doch nicht automatisch dynamischer, wenn es mehr Story gibt. Das hängt einzig und allein vom Spieler ab. Wenn er den Charakter nicht verändern will, verändert sich der Charakter auch nicht. Egal was passiert. Die Chance ist natürlich höher, zugegeben, aber es besteht kein zwanghafter Zusammenhang.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Gawain am 3.01.2008 | 15:00
Ich habe nie behauptet, dass das allgemein gilt, sondern geschrieben, dass dies meine Erfahrung/Beobachtung ist.
Das musst du mir leider erstmal so abkaufen.
Geschrieben habe ich das ja zuerst als Antwort auf Surreals Post und wollte einfach mal schauen, ob diese Beobachtung geteilt wird oder nicht...

Edit: Der zitierte Satz ist ja auch nur die Zusammenfassung dessen, was ich meinen beiden Posts davor zu beschreiben versucht haben, so einzeln ist er aus dem Zusammenhang gerissen und scheint etwas zu behaupten, dass ich nicht gesagt habe, s.o. ...
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Ranor am 3.01.2008 | 15:02
Ich kaufe dir das als persönliche Erfahrung auch durchaus ab  ;) wollte aber selbst den Rahmen etwas weiter stecken.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Gawain am 3.01.2008 | 15:09
Meine Erfahrung ist tatsächlich die beschriebene.
Wenn ich versuchen würde, dass zu begründen, würde ich vermutlich argumentieren, dass sich die Veränderung der Charaktere aus Beziehungsgeflechten und Entscheidungssituationen ergibt. Wenn viel Wert auf das Charakterspiel gelegt wird, dann heißt das häufig, dass sehr stark "aus dem Charakter heraus gedacht" wird. So reagiert er zwar auf die GEschehnisse bleibt aber im wesentlichen isoliert, weil die Parameter unter denen aus dem Charakter heraus gedacht wird recht statisch bleiben. So richtig viel Sinn macht diese Begründung nicht, daher würde ich eben gerne wissen, ob andere auch solche Beobachtungen gemacht haben und eventuell schlüssigere Begründung dafür haben.
Vielleicht stehe ich mit dieser Erfahrung alleine.

Etwas problematisch scheint mir, dass in meiner Überlegung die Spielweise einer ganzen Gruppe, um die es hier eigentlich ging, die Spielvorlieben einzelner Spieler vermischt werden. Bin mir aber nicht sicher, ob das schlimm ist.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Haukrinn am 3.01.2008 | 15:10
Diese persönliche Beobachtung kann ich nicht bestätigen. Storyspiel bietet ja nur dann Anreize, den Charakter dynamisch weiter zu entwickeln, wenn die Persönlichkeit des Charakters auch in der Story eine Rolle spielt. Beim reinen Charakterspiel ergibt sich das statische Verhalten meiner Meinung nach daraus, dass es keine Anreize gibt, den Charakter weiter zu entwickeln. Wenn das Spiel diese bieten kann, dann wird auch die Charakterentwicklung dynamischer.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Gawain am 3.01.2008 | 15:13
Sehe ich ähnlich.
Habe mich wohl immer noch unklar ausgedrückt  ::)

Ich meinte: Meiner Erfahrung nach bleiben die Charakterkonzepte beim stark charakterorientierten Spiel statischer als bei einer starken Mischung aus charakter- und storyorientiertem Spiel. Bei starker Storyorientierung wiederum bleiben die Charakterkonzepte ebenfalls statischer als bei einer Mischung.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Lord Verminaard am 3.01.2008 | 15:20
Vielschichtige Frage, vielschichtige Antwort.

1) Macht es überhaupt Sinn, Begriffe wie „Charakterspiel“ und „Storyspiel“ zu benutzen? Schließlich gibt es ja immer Charaktere, und immer eine Story. Irgendwie. Aber Charakter ist eben nicht gleich Charakter: „Ein menschlicher Krieger“ ist ein anderer Charakter als der Lord Alexej of Har’Daût aus Erid Dania, dessen Mutter ihn für einen Verrat hasst, den er im Alter von 15 Jahren an ihr beging. Ein klassischer Dungeoncrawl ist eine andere Story als ein geschliffener dramatischer Plot in Drei-Akt-Struktur.

Daher macht es schon Sinn, z.B. von Charakterspiel zu sprechen, wenn man eine besondere Betonung der Persönlichkeit und Eigenarten eines Charakters, einschließlich deren Darstellung im Spiel, meint. Und es macht Sinn, z.B. von Storyspiel zu reden, wenn man eine besondere Betonung einer dramatischen Handlung mit Konflikten, Spannungsbogen, Klimax, Auflösung usw. meint. Erfahrungsgemäß sollte man aber dazu sagen, was genau man meint, weil nicht jeder die Begriffe gleich verwendet.

2) Schließen sich Charakter- und Storyspiel nach obiger Definition aus, oder bedingen sie einander? Nein, und nein. Charakterspiel und Storyspiel können Hand in Hand gehen, wenn sie aufeinander abgestimmt sind. Dafür gibt es verschiedene Ansätze. Z.B. die Story mit den Charakteren als Protagonisten. Oder die Charaktere, die die Story reflektieren wie Spiegel, indem sie als Nicht-Protagonisten an ihr teilhaben und auf sie reagieren (Beispiele aus der Literatur wären etwa die Ich-Erzähler von Sherlock Holmes oder Moby Dick). Wenn die Charaktere in der Taverne sitzen und IC davon schwärmen, wie sie damals bei der Schlacht von sowieso dabei waren, als alles verloren schien, und dann plötzlich in letzter Sekunde die Kavallerie auftauchte... dann gehen Charakterspiel und Storyspiel Hand in Hand.

Davon unabhängig können sie sich auch ins Gehege kommen, wenn unterschiedliche Prioritäten bestehen. Oder wenn einfach die Gruppe nicht gut genug kommuniziert, um beides in einem vernünftigen Wechsel zusammen zu bringen, was dann nichts mit Vorlieben zu tun hat, sondern schlicht mit mangelhafter Ausführung. Letzteres ist meiner Einschätzung nach das viel verbreitetere Problem als ersteres.

Jedenfalls gibt es aus meiner Sicht kein „entweder Charakterspiel, oder Storyspiel“. Sondern es gibt vier Möglichkeiten: Charakterspiel und Storyspiel, Charakterspiel ohne Storyspiel, Storyspiel ohne Charakterspiel und weder noch. Letzteres könnte z.B. ein klischeehafter Dungeoncrawl sein, bei dem die Charaktere ausschließlich als Miniaturen auf der Battlemap wahrgenommen werden und niemand in direkter Rede spricht.

3) Charakterentwicklung ist noch mal eine ganz eigene Sache. Je mehr passiert, desto eher findet Charakterentwicklung statt. Insofern ist sehr langatmiges Charakterspiel der Charakterentwicklung nicht förderlich, rasantes Storyspiel schon. Aber es kann auch langatmiges Storyspiel und rasantes Charakterspiel geben. Oder, wie gesagt, Charakterspiel und Storyspiel zusammen. Und alles kann mit oder ohne Charakterentwicklung vonstatten gehen.

Klar, irgendwie hat sich jeder Charakter entwickelt, den man eine längere Zeit gespielt hat. Bei fast allen Systemen wird er mit der Zeit kompetenter. Durch die Abenteuer lernt er wahrscheinlich neue NSCs kennen, er bekommt vielleicht Gegenstände, die irgendeine Bedeutung für ihn haben usw. Aber dadurch wird er erstmal einfach nur besser definiert. Ob er sich wirklich entwickelt, im Sinne einer Veränderung der Persönlichkeit, oder ob er derselbe bleibt und wir jetzt nur mehr über ihn wissen, das ist unabhängig davon, ob man einen Schwerpunkt auf Charakterspiel, Storyspiel oder beides legt.

4) Und dann gibt es noch das rollenspieltheoretische GNS-Modell, das mit all diesen Einteilungen überhaupt nichts zu tun hat.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Enkidi Li Halan (N.A.) am 3.01.2008 | 15:52
Insofern ist sehr langatmiges Charakterspiel der Charakterentwicklung nicht förderlich, rasantes Storyspiel schon.
Kleiner Einspruch: auch rasantes Storyspiel muss nicht zwangsläufig eine Charakterentwicklung fördern. Ich habe es schon oft erlebt, dass eine Story rasant in ihrer Entwicklung fortschritt, die darin verwickelten Charaktere aber von ihr (relativ) unberührt blieben. Eine zu schnell fortschreitende Geschichte läuft oft Gefahr, an den Charakteren vorbei zu laufen; oder Charaktere werden nur zu schlichten Impulsgebern zur der Entfaltung der Geschichte (ich nenne hierfür mal ein Beispiel aus dem Film: The Big Lebowski, in dem eine rasante Geschichte erzählt wird, durch die der Protagonist aber mehr oder weniger zufällig hindurchstolpert und keine Charakterentwicklung durchläuft).
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Skyrock am 3.01.2008 | 16:04
Aus meiner Sicht kann man die drei Komponenten Story und Charakter ergänzt um Abenteuer als Prioritäten von Spielern auffassen. Der eine mag Herausforderungen, unterscheidet sich aber von einem auf individueller Ebene definierten Gamist durch eine stärkere Orientierung Richtung Charakter. Sowas läuft dann vereinfacht auf ARS hinaus.
Das mit der Abenteuerkomponente wollte ich gerade auch schreiben.

Wenn ich hier das mit Story- und Charakterspiel lese habe ich das Gefühl über einen Ausdruckstanz einer silikatbasierenden Alienrasse zu lesen, denn an meinem Tisch ist mir das völlig fremd. Gezieltes Storyspiel findet nicht statt, und wenn Charakterspiel = stundenlange Charakterzusammenführungen dann findet dieses bei mir auch nicht statt. Abenteuer steht da im Vordergrund.
Meine "Stories" sind wohl am ehesten mit Sportberichtserstattung zu vergleichen: Da finden isoliert ein Haufen kleinerer Konflikte, Zweikämpfe und andere Herausforderungen statt, und eine Geschichte ergibt sich daraus nur zufällig und im nachhinein als großes Bild betrachtet. Diese unterliegt dann auch nur zufällig dramatischen Ansprüchen, sondern ähnelt mehr einem 3-Minuten-Bericht in der Sportschau mit allen Toren, entscheidenden Schlüsselzweikämpfen und denkwürdigen Aktionen ;)
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Surreal am 3.01.2008 | 18:06
Ich habe mir so meine Gedanken gemacht, und denke, man könnte beides vereinen in dem man einen Familienclan spielt.
D.h. ein Dunkelelfenhaus, ein Handelshaus usw. Und dann spielt man eben Geschwister, Cousins etc. Die Chars müssen also mit ihrer Familie klar kommen, ihre Interessen vertreten und gleichzeitig kann man ja dann noch Abenteuer spielen, was damit zu tun hat, oder wo man zufällig hineinschlittert.
Damit hätte man meiner Meinung nach alles vereint, denn es gibt ja eine Charakterlinie auf die man achtet und auf die Story...

@Gawain: So habe ich es besser verstanden, du hast recht, das ist eine Gefahr!
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Dr.Boomslang am 3.01.2008 | 18:51
Die empfundene Trennung von Charakter und Story, und damit die Gegenüberstellung als Gegensatzpaar, resultiert nur aus der praktischen Erfahrung vieler Spieler. Charakterspiel ist eben das was die Spieler grade machen wollen (weil sie ihren Charakter spielen möchten) und Storyspiel ist das was der SL grade machen will (weil er den Spielern was zu tun geben will).

Dass da kein notwendiger Zusammenhang oder Widerspruch besteht wurde ja nun schon dargelegt. Dieser empfundene Gegensatz ist aber trotzdem eine Tatsache, die viele Spieler (auch als SL) so erlebt haben.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: pharyon am 4.01.2008 | 17:29
@ Kinshasa Beatboy & 8bit-Wachhund auf Valium:
Das besondere am Punkt Abenteuer hab ich noch nicht ganz verstanden, glaub ich.
Ist Abenteuer nicht eine bestimmte Eigenschaft der Story? Wenn ihr diesbezüglich vielleicht noch ein wenig genauer werden könntet, wär ich euch dankbar.

Charakterspiel ist eben das was die Spieler grade machen wollen (weil sie ihren Charakter spielen möchten) und Storyspiel ist das was der SL grade machen will (weil er den Spielern was zu tun geben will).
Ist das tatsächlich so? Bzw. ist das eine häufig gemachte Erfahrung von dir oder glaubst du, dass es eine allgemeine Gültigkeit besitzt? Wie sehen das die andern?

Ich würde die Meinung, dass die Story- und Charakterorientierung ("Orientierung", finde ich, passt besser als "Spiel") zwei Dimensionen sind, bejahen. Schließlich führt ein "Weniger" des einen nicht automatisch" zu einem "Mehr" des andern. Damit man beides einbeziehen kann, braucht man aber mehr Ressourcen (Zeit, Aufmerksamkeit, etc.), als wenn nur eines oder keines im Blickfeld wären). Diesen Aufwand müsste dann auch die ganze Gruppe leisten.
^^
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 4.01.2008 | 18:00
@ pharyon:

Abenteuer ist in meinen Augen erst einmal unabhängig von Story und kann meinetwegen mit der Quantität und Qualität der von der Gruppe zu bewältigenden Herausforderungen gleichgesetzt werden. Das Ausmaß, in dem diese Abenteuer in die Story oder in das Charakterspiel eingebettet werden, kann extrem variieren. Das Brettspiel Heroquest mag definitionsabhängig als Rollenspiel mit einem Minimum an Story und einem Maximum an Abenteuer aufgefasst werden können.

Ansonsten stimme ich Deinem Vorschlag zu den Begrifflichkeiten vollkommen zu.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Skyrock am 4.01.2008 | 18:17
@ Kinshasa Beatboy & 8bit-Wachhund auf Valium:
Das besondere am Punkt Abenteuer hab ich noch nicht ganz verstanden, glaub ich.
Ist Abenteuer nicht eine bestimmte Eigenschaft der Story? Wenn ihr diesbezüglich vielleicht noch ein wenig genauer werden könntet, wär ich euch dankbar.
Ist das tatsächlich so? Bzw. ist das eine häufig gemachte Erfahrung von dir oder glaubst du, dass es eine allgemeine Gültigkeit besitzt? Wie sehen das die andern?
Story kümmert sich gezielt darum interessante Fiktion in Form von Story (Dramaturgie etc.) zu erschaffen, während Abenteuer sich kein Stück weit um Fiktion schert und diese eher als Nebenprodukt entsteht.

Um mal wieder ein schlechtes Beispiel zu nehmen: Storyspiel ist die Theatergruppe die die bestmöglichste Story für die Zuschauer erschaffen will, Abenteuerspiel ist die Fußballmannschaft die vor allem Tore schießen und verhindern will ohne sich um die Zuschauer zu kümmern.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Bitpicker am 4.01.2008 | 19:56
Bei meiner Gruppe ist es so, dass die Spieler einen Story-Impetus brauchen, um spielen zu können. Es macht nichts, wenn sie dabei (extrem gesprochen) Strichmännchen-Charaktere haben. Aber ihre Spielweise ist eher reagierend. Charakterspiel sehe ich eher als agierend an, die Handlung des Spiels basiert dann eher auf den Antrieben der Charaktere, nicht auf ihren Reaktionen auf das, was der SL ihnen vorsetzt. Das klappt mit meinen Spielern eher nicht so gut. Aber mischen will die beiden Ansätze in der kommenden Kampagne trotzdem.

Robin
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Dr.Boomslang am 4.01.2008 | 20:09
Ich würde die Meinung, dass die Story- und Charakterorientierung ("Orientierung", finde ich, passt besser als "Spiel") zwei Dimensionen sind, bejahen. Schließlich führt ein "Weniger" des einen nicht automatisch" zu einem "Mehr" des andern.
Da würde ich grundsätzlich, wie die meisten hier, eher zustimmen.

Meine Aussage bezog sich aber nicht darauf was für mich Story und Charakter bedeuten, sondern ich habe die Frage aus dem Eingangspost beantwortet, warum es bei manchen eine empfundene Trennung bis hin zur Gegensätzlichkeit zwischen Charakter und Story gibt. Es ist für mich offensichtlich, dass diese Empfindung aus den praktischen Erfahrungen der Leute mit dem Rollenspiel entstanden sind.
Ich glaube sogar die meisten werden hier Erlebnisse darüber schildern können, wie Story und Charakterspiel aufeinanderprallen.
Ich behaupte nun, dass dies aus der klassischen Rollenverteilung hervorgeht, die in den meisten Rollenspielen vorhanden ist, die aber oft auch unzureichend gewesen ist um damit konfliktfrei und gezielt zu spielen.

Das ganze ist aber ein kontroverses Thema. Die Theoretiker nennen diesen Komplex nach Forge das "Impossible Thing before Breakfast" (http://www.metstübchen.de/cgi-bin/metstuebchen.pl?command=showthread&thread=SpielstilezumFrhs1199423472biggd&tpage=1) (ich kann dir leider nicht sagen warum).
Wenn du mehr darüber wissen willst, kannst du dem Link zu Doms Metstübchen folgen, wo er es in einfacher Form erklärt hat und ich dann noch etwas weiter aushole ;)
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Maarzan am 4.01.2008 | 21:46
Ich würde da einmal den Verweis auf

Wegspiel vs. Zielspiel


anbringen.

Charakterspiel und Storyspiel prallen da aufeinander, wo man aus der Charakterspielsicht etwas tun will, was einem entsprechenden Ideal von Story widerspricht.
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Dr.Boomslang am 4.01.2008 | 22:00
Charakterspiel und Storyspiel prallen da aufeinander, wo man aus der Charakterspielsicht etwas tun will, was einem entsprechenden Ideal von Story widerspricht.
Oder umgekehrt. Das stimmt natürlich offensichtlich. Aber dabei sollte man betonen, dass so ein Widerspruch eher die Regel als die Ausnahme ist, wenn man annimmt dass ein Charakter nicht grade mit Hinblick auf die Story geführt wird, oder dass die Story nicht mit Hinblick auf den Charakter geschaffen wird.

Diese trivial erscheinende Erkenntnis gibt auch schon die beiden Lösungen für einen empfunden Widerspruch an. So einfach kann Theorie sein :D
Titel: Re: Storyspiel <> Charakterspiel
Beitrag von: Haukrinn am 4.01.2008 | 22:37
Das ist ja dann auch genau das, was ich damals mit charakterzentriertem und plotzentriertem Spiel meinte...  ;)