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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Spielleiterthemen => Thema gestartet von: Crimson King am 19.08.2009 | 17:56

Titel: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 19.08.2009 | 17:56
Die - laut Spielerfeedback gelungene - Kult-Runde am Treffen hat bei mir persönlich einiges an Fragen aufgeworfen.

Mein Problem war an dieser Stelle, dass ich einen recht stark auf atmosphärisch durchdachte, mit Effekten angereicherte Szenen basierenden Plot geplant hatte, unterstützt von einer speziell auf diese Szenen zugeschnittene Musikauswahl.

Das Ergebnis ließ sich im Bereich Stimmung und Atmosphäre sicherlich sehen. Die Kehrseite der Medaille: weil die Szenen auf Effekthascherei beruhten, also eher auf Wirkung der Spielwelt auf die Charaktere, waren die Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt, ihre Bedeutung für das Fortlaufen des Plots minimal. Um es kurz zusammenzufassen: das war Railroading.

Man könnte jetzt sagen, solange die Spieler ihren Spaß haben, ist das ok. Ich persönlich würde aber gerne wissen, ob und wie es möglich ist, den durchdachten atmosphärischen Teil mit der Spiel-Komponente zu verknüpfen.

Oder verliert man als SL, der vor allem auf Spielerentscheidungen setzt, zwangsläufig so sehr an Kontrolle, dass z.B. szenenbasierte Musikauswahl nicht mehr möglich ist?

Meinungen bitte.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Christoph am 19.08.2009 | 18:12
Sagen wir es mal so, aus meiner Erfahrung heraus:

Setzt man auf eine grosse Sandkiste ist szenenorientierte Musik ein Problem. Einfach weil man nie weis wo die Spieler hingehen werden, was sie tun werden usw... genaugenommen ist die Vorbereitung ansich schon ein Problemchen.

Ich verzichte darum auf Musik. Hat den praktischen Grund, dass ich die Musik nicht problemlos am Spiel anpassen könnte und / oder ich müsste nen Lappi mit Soundanlage zur Verfügung haben um das passende Stück zu finden. Beides unterbricht das Spiel, was ich als störender empfinde.

Generell ist die Athmosphäre nicht so dicht, schlicht weil enorm viel improvisiert werden muss. Ich denke darum ernsthaft drüber nach ob ich nicht versuche meine Runde aufzustocken und gleichzeitig einen zweiten SL dazu hole, sofern ich einen finde um die Arbeit aufzuteilen: Einer bastelt die Welt "on the fly" und der andere übernimmt die NSC, einfach damit man Luft hat.

Die einzige Möglichkeit die ich sehe ist vor dem Spiel die Locations auszuarbeiten und dazu passende Musik auszuwählen, dazu ist ein Laptop aber Pflicht. In dem Fall hättest du quasi eine unsichtbare Karte mit vielen Locations die von den Spielern angesteuert werden können.
Ein Problem hast du aber auch, es kann gut sein, dass du 20 Locations ausarbeitest und die Spieler besuchen davon nur 2-3...
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Pyromancer am 19.08.2009 | 18:13
Oder verliert man als SL, der vor allem auf Spielerentscheidungen setzt, zwangsläufig so sehr an Kontrolle, dass z.B. szenenbasierte Musikauswahl nicht mehr möglich ist?

Ich hab in meiner alten Traveller-Kampagne mit Musik gearbeitet; dabei war die Musikauswahl an Orte und SCs - und darüber dann auch an Emotionen - geknüpft. Z.B. hatte ich ein Stück für das Hauptquartier und die fürsorgliche Enkelin des Professors; das war nach 2-3 Mal fest mit Sicherheit, Geborgenheit und Ruhe verdrahtet.

Dazu noch 3-4 Stücke in der Hinterhand für besondere Situationen; für Tod und Abschied hatte ich z.B. noch ein paar Tränendrüsendrücker in der Hinterhand, und ein paar actiongeladene Stücke für Kampf und Flucht.

Mehr muss es meiner Meinung nach auch nicht sein.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 19.08.2009 | 18:21
Ich hab in meiner alten Traveller-Kampagne mit Musik gearbeitet; dabei war die Musikauswahl an Orte und SCs - und darüber dann auch an Emotionen - geknüpft. Z.B. hatte ich ein Stück für das Hauptquartier und die fürsorgliche Enkelin des Professors; das war nach 2-3 Mal fest mit Sicherheit, Geborgenheit und Ruhe verdrahtet.

Dazu noch 3-4 Stücke in der Hinterhand für besondere Situationen; für Tod und Abschied hatte ich z.B. noch ein paar Tränendrüsendrücker in der Hinterhand, und ein paar actiongeladene Stücke für Kampf und Flucht.

Mehr muss es meiner Meinung nach auch nicht sein.

Für Kampagnenspiel kann man das machen. Wie sieht es bei Oneshots aus? Generische Musik in dem Sinne, dass sie an Personen und Stimmungen geknüpft ist und nicht an Szenen?

Damit hätte man auch nur das Musikproblem gelöst. Das Problem, dass gezielt für bestimmte Charaktere designte Erlebnis-Szenen halt erst einmal keine Handlungsmöglichkeiten eröffnen, besteht dann immer noch.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Humpty Dumpty am 19.08.2009 | 18:23
Ich hab in meiner alten Traveller-Kampagne mit Musik gearbeitet; dabei war die Musikauswahl an Orte und SCs - und darüber dann auch an Emotionen - geknüpft. Z.B. hatte ich ein Stück für das Hauptquartier und die fürsorgliche Enkelin des Professors; das war nach 2-3 Mal fest mit Sicherheit, Geborgenheit und Ruhe verdrahtet.
Das ist eine ganz ausgezeichnete Idee, an die ich noch nie gedacht und von der ich auch noch nicht gehört hatte. Vielen Dank!

Kardinal Richelingo ist bezüglich der Einbindung von Musik vermutlich eine hervorragende Quelle. Habe jedenfalls vor rund 15 Jahren bei dem gespielt und der arbeitete schon damals mit einem ziemlich ausgefuchsten System: ein an die Anlage angeschlossener Videorecorder (Videocassetten damals wegen der immensen Spielzeit) und Cues auf den Cassetten. Eine Liste der Cues samt zu transportierender Stimmung hatte er direkt neben seinem Tisch, so dass er locker per einfachem Knopfdruck die gewünschte Stimmung musikalisch erzeugen konnte (ohne erst aufwendig direkt in den Liedern herumorgeln zu müssen). Das ist aus heutiger Sicht natürlich ziemlich antiquiert, aber bestimmt hat Ingo noch immer den einen oder anderen Kniff auf Lager.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: K!aus am 19.08.2009 | 18:32
Zitat
Oder verliert man als SL, der vor allem auf Spielerentscheidungen setzt, zwangsläufig so sehr an Kontrolle, dass z.B. szenenbasierte Musikauswahl nicht mehr möglich ist?

Na ja, ich finde die Frage lässt sich auch sehr schnell allgemein formulieren:
Oder verliert man als SL, der vor allem auf Spielerentscheidungen setzt, zwangsläufig so sehr an Kontrolle, dass z.B. einzelne vom SL erdachte Szenen nicht mehr möglich sind?

Ich meine, die Spieler haben eine Idee was ihre Charaktere tun, können, an Status erringen, an Vermögen anhäufen, etc.

Der SL hat hingegen ein paar Ideen, die er gerne einbauen würde: klassischer Kampf auf dem Wagondach, Gerichtsverhandlung mit den einzelnen Beteiligten sauber ausgearbeitet, etc.

Und jetzt kommen die Spieler daher und erschießen den Kerl, bevor er aufs Dache fliehen kann, jetzt bringen sie den Kerl in einem Anfall von Selbstjustiz einfach um, um den die Gerichtsverhandlung gehen sollte. Manno!

An der Stelle denke ich einfach, dass solche Szenen von dem SL so flexibel wie möglich geplant werden sollten und vielleicht "technisch" einfach ein breites Anwenderfeld finden. Man überlegt sich was sind die Elemente der Szene, die sie cool machen und behält diese einfach im Hinterkopf.

Nehmen wir z.B. den Kampf auf dem Wagon. Was sind die Elemente? Nun, es ist wackelig und manchmal kommt eine Brücke?
Jetzt findet das Szenario so nicht statt, aber später treffen die Helden auf ein paar Ganoven in einer Werkstatthalle. Und spontan wirft einer einen riesen Bottich mit Öl um (wie in Transporter I) und schon ist der Fußboden wackelig. Dann tun sich ein paar Leute zusammen und schieben ein Auto an der Deckenaufhängung auf die Helden zu (Brücke!), etc.

"Technisch" äquivalent zu einem Kampf  auf dem Zug abzuhandeln. Mit anderen Worten die Vorbereitung ist nicht vollkommen in die Tonne zu treten, sondern einfach abgewandelt worden:
"War schon cool dieser Kampf in der Werkstatt, mit dem glitschigen Boden und dem Auto, dass auf uns zuflog!! Woher wusstest du, dass wir da ein paar Verbrecher stellen, um das so gut vorzubereiten?" - "Tja!"  8)

Cheers,
Evil DM.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 19.08.2009 | 18:33
Kardinal Richelingo ist bezüglich der Einbindung von Musik vermutlich eine hervorragende Quelle. Habe jedenfalls vor rund 15 Jahren bei dem gespielt und der arbeitete schon damals mit einem ziemlich ausgefuchsten System: ein an die Anlage angeschlossener Videorecorder (Videocassetten damals wegen der immensen Spielzeit) und Cues auf den Cassetten. Eine Liste der Cues samt zu transportierender Stimmung hatte er direkt neben seinem Tisch, so dass er locker per einfachem Knopfdruck die gewünschte Stimmung musikalisch erzeugen konnte (ohne erst aufwendig direkt in den Liedern herumorgeln zu müssen). Das ist aus heutiger Sicht natürlich ziemlich antiquiert, aber bestimmt hat Ingo noch immer den einen oder anderen Kniff auf Lager.

Mit einer Mp3-Liste geht das flott, wenn man die Lieder nach den Stimmungen etc. benennt. Ich habe die Stücke für die Kult-Runde nach den Szenen benannt, wodurch ich sie schnell finden konnte.

Ich will aber im Grunde den Schwerpunkt nicht auf die Musik legen, sondern auf das maximale Atmosphäre vs. maximale Entscheidungsfreiheit-Problem.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Preacher am 19.08.2009 | 18:47
Ich finde inzwischen ja auch Soundeffekte statt Musik (oder auch nur als Ergänzung) ziemlich super. Mit Sturm-, Erdbeben- und Monstergeräuschen hab ich beim Eishorror jedenfalls ganz gute Atmosphäre erzeugen können.

Die Tips von Pyro lassen sich auch auf einen Oneshot anwenden, in jedem Fall ist weniger aber mehr - niemals überfrachten das ganze.

Eine Lösung für deine eigentliche Frage hab ich aber leider nicht wirklich anzubieten. Du müsstest höchstens die Szenen so gestalten, daß sie absichtlich offen sind und auf die Reaktionen der SC angewiesen sind. Wenn Du natürlich die Dinger durchgescriptet hast, damit Du einen möglichst coolen Beschreibungstext am Start hast, dann wird das schwierig. Mittelweg finden ist die Kunst.

Hilft natürlich, wenn die Spieler das von alleine mittragen oder gar stimmungsvolle Szenen von sich aus initiieren. Dann verkommst Du als SL nicht zum Alleinunterhalter oder Erzählonkel und hast trotzdem Atmosphäre drin.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 19.08.2009 | 18:52
Gerade im Horror dürfte es aber problematisch sein, wenn die Spieler Szenen selbst initiieren. Horror lebt stark vom Unerwarteten bzw. vom Ausbleiben des Erwarteten. Das muss aus meiner Sicht vom SL gesteuert werden.

Die Szenen offen gestalten ist klar. Die Folgen der Szenen offen gestalten ist eine andere Sache. Mir scheint hier aber, dass das szenenbasierte Konzept generell ein Problem darstellt. Ich denke da vieleicht einfach zu cinematisch.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: ChristophDolge am 19.08.2009 | 19:40
Generell scheint mir musikalische Untermalung am Besten zu einem cinematischen Stil zu passen, da im Kino ein großer Teil der Stimmung auch über die Musik transportiert wird. Bei einigen Spielstilen, die viel Wert auf Action, Bodenpläne etc. legen kann ich mir Musik kaum vorstellen, es sei denn es handelt sich immer um den quasi gleichen conanesquen Stil.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Preacher am 19.08.2009 | 19:43
Bei einigen Spielstilen, die viel Wert auf Action, Bodenpläne etc. legen kann ich mir Musik kaum vorstellen
Also bei den Action-Szenen der Matrix-Runde auf dem GROSSEN, hat die Musikauswahl das Feeling gut unterstützt.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Vash the stampede am 19.08.2009 | 19:44
Musik rockt! Auch im Rollenspiel. ;)

Das Wichtigste beim Leiten ist und bleibt das Loslassen. Und mir ist durchaus bewusst, dass ich das auch schlecht kann. Doch ist es wichtig und es gilt ebenso für die Musik. Daneben bin ich kein Freund von Dauerbeschallung und suche Musik auch lieber szenisch aus. Ich brenne ja sogar CDs, weil ich lieber durch 17 Tracks skippe als durch 5000 Alben auf dem Rechner. ;)

Warum ich suche szenisch aus? Weil Musik für mich ein Emotionsmultiplikator darstellt. Ich mache damit eine Stimmung klar. Im Comic wird häufig eine ganzseitige Splash-Seite verwendet, damit man im folgenden nicht mehr erklären muss wo man ist und man sich die Hintergrundzeichnungen sparen kann. So sehe ich die Musik im Rollenspiel. Oder besser gesagt, so höre ich sie. :D

Doch muss man sie fallen lassen können. Oder sich so aufstellen, das sie auch zu einer anderen Szenen passt. Beim letzten Wintertreffen hatte ich eine nWoD, die war hervorragend darin. Ich hatte schon Bilder im Kopf zur Musik. Durch die Spieler wurde jedoch die Reihenfolge verändert, durch ihre Ideen wurde die Stimmung und die Kombination deutlich verbessert oder verändert oder ich musste Tracks gänzlich weggelassen.

Nun noch zur Kampagne. Hier habe ich mit einem Soundtrack gearbeitet. Einen selbst erstellten Soundtrack. Mit Titeltrack, Abspann, 2 Tracks für jeden Charakter und mehreren Situationentracks (der Club, Kampf, Ruhe, usw.). Das hat super funktioniert. Beispiel: Als einmal ein Charakter am Ende eines Abenteuers in sein leeres Haus zurück kehrte (seine Frau hatte ihn verlassen), spielte ich das vom Spieler ausgesuchte Lied "She shoot me down" von J.L. Hooker an und es war Gänsehaut pur.

Fazit: Weniger ist mehr* und Dinge aufgeben auch wenn es schwer fällt. Erstes kann ich inzwischen ganz gut. Zweites wird mein ewiger Feind bleiben.  8]

* Bei der Musikauswahl bedeutet das, wie sonst auch, Mehraufwand. Denn man muss dennoch so viel aussuchen, das man sinnvoll kürzen kann.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 19.08.2009 | 19:49
Zitat
Ich persönlich würde aber gerne wissen, ob und wie es möglich ist, den durchdachten atmosphärischen Teil mit der Spiel-Komponente zu verknüpfen.

Oder verliert man als SL, der vor allem auf Spielerentscheidungen setzt, zwangsläufig so sehr an Kontrolle, dass z.B. szenenbasierte Musikauswahl nicht mehr möglich ist?

Nein, du verlierst als SL der den Spielern die freie Wahl lässt absolut nicht die Möglichkeit zur Kontrolle der Szenen. Du hast bloß viel mehr Variablen, wie die Szenen ausgehen oder ihre Grundstimmung sein kann.

Ich habe früher oft mit Hintergrundmusik gearbeitet und es dann sein gelassen, weil ich zu oft falsche Stimmungen transportiert habe und das mein Spiel störte. Dann habe ich eine wunderbare Runde bei Kaymac gespielt, in der sie mit Musik zu passenden Szenen und Jingels (Kampf/Kneipe/Romanze/Verfolgungsjagt/Reiten/Seefahrt oder bestimmten Tracks für als Ankündigung für meine Bösewichte oder Helden) wirklich bombastisch Stimmung erzeugt hat.

Ich ließ mir von einem Kumpel eine Jingel Maschine bauen, die auf Knopfdruck bestimmt Geräusche gemacht hat. Zu der Zeit war Speicher noch sehr teuer und von passenden Musikstücken auf Abruf habe ich nur geträumt.

Heute geht es einfacher. Wenn du den Spielern freie Wahl lässt, folgen sie bei einem guten Plot doch in 95% der Fälle deinen ausgelegten Brotkrumen zu bestimmten Szenen und kümmern sich um ihre Flags oder die Handlung.

Du kannst also die grundsätzliche Vorbereitung erst einmal genau so lassen, wie sie ist und ergänzt die Liste der Musikstücke um Titel, die für die spezielle Situation unter einem anderen Aspekt passen. Wichtig ist dabei nur, dass du nicht daruf pochst, bestimmte Stücke zu spielen, weil du sie toll findest.

In der Playlist benennst du diese Stücke nach den entsprechenden Situationen um sie auch in der Hektik des Spieles schnell zu finden und gruppierst sie so, wie der Plot im Idealfall laufen wird. Dabei stückelst Du das Ganze nach Schlüsselszenen die den Flags der Spieler oder bestimmten Schlüsselelementen entsprechen. So kannst du auch in dem Fall, dass die Spieler nicht den linearen Weg gehen schnell zu den entsprechenden Elementen springen und sie anspielen um die gewünschte Manipulation/Unterstützung der Stimmung zu erreichen.

Auf diese Art kannst du auch in Situationen in denen sich etwas unerwartet entwickelt, schnell die Musik ändern und so die entsprechende (gewünschte) Atmosphäre erreichen oder unterstützen.

Es ist also mehr Arbeit, wenn du den Spielern die Freiheit lässt. Doch mit etwas Kreativität kannst Du schnell improvisieren und fast immer etwas passendes zur Hand haben. Dazu suchst du einfach ein paar Stücke für bestimmte Grundstimmungen, die du erzeugen willst und hast neben den passenden Stücken etwas in der Hinterhand, falls etwas unerwartetes passiert.

Ich habe auch gute Erfahrungen damit gemacht, statt mit einer Playlist mit Verknüpfungen auf dem Desktop zu arbeiten, wenn ich den Laptop mit habe. Aber auch meine Playlist auf dem Handy oder der gute alte MP3 Gettoblaster mit einer Nummernliste und der Möglichkeit zum Vor oder zurückspringen haben schon gut funktioniert.

Es ist also in meinen Augen nur eine Frage der Organisation. Das Anwählen der Musikstücke oder das Umgruppieren, weil etwas anders gelaufen ist, als man es wollte, kann man prima in den Pausen oder während der Charaktergespräche organisieren. Einfach ein Gespräch zwischen zwei Charakteren anregen oder einem Spieler einen SLC spielen lassen und die gewonnene Zeit nutzen, um die Liste zu pflegen oder etwas passendes aus der Vorauswahl zu suchen.

Ich hoffe, ich habe deine Frage richtig gedeutet.

Jörg
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Humpty Dumpty am 19.08.2009 | 19:50
Vielleicht noch mein persönlicher, ganz pragmatischer Ansatz: zu Beginn eines Spieleabends werfe ich eine fette mp3-Liste im Zufallsmodus an, die durchgehend im Hintergrund dudelt.

Wenn es angebracht erscheint, hören wir am Rande immer mal in die Musik rein und freuen uns dann über Zufallstreffer, bei denen die gerade laufende Musik wunderbar zur jeweiligen Szene passt. Dann wird auch schon mal etwas lauter gestellt und alle freuen sich. Diese Zufälle kommen bei uns überraschend häufig vor. Das liegt vermutlich daran, dass wir die gerade laufenden Stücke so interpretieren, wie es uns gerade passt. Aber das tut der Funktionalität keinen Abbruch und entbindet den SL von nerviger Vorbereitung und erleichtert die Immersion am Abend selbst, weil sich nicht dauernd jemand um die Musik kümmern muss.

Zugegeben: nicht die Krone der Sophistication, aber in unserer Runde fahren wir damit seit vielen Jahren hervorragend.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 19.08.2009 | 19:54
Solange die Liste gut zusammengestellt ist und keine Sachen enthält, die falsche Stimmungen erzeugen, ist das bestimmt nicht schlecht. Ich habe so eine Playlist für Western City erstellt, die ganz gut funzt.

Aber wenn man es nicht richtig macht und die Kavalerie gerade in Juma einreitet, während ein Spieler seiner Geliebten das Herz ausschütten will, dann ist es ein echter Stimmungstöter.

Eine Fernbedienung für den Player ist da Gold wert.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Humpty Dumpty am 19.08.2009 | 19:57
Aber wenn man es nicht richtig macht und die Kavalerie gerade in Juma einreitet, während ein Spieler seiner Geliebten das Herz ausschütten will, dann ist es ein echter Stimmungstöter.
Entscheidend: eine einfache, schnelle Lautstärkeregulierung  :D
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: ChristophDolge am 19.08.2009 | 20:00
Passt folgende Frage zum Thema: Wie reagiert man, wenn im laufenden Spiel die Stimmung in eine Richtung kippt, auf die man nicht vorbereitet ist? Wenn die Spieler auf Horror nicht ansprechen, sondern eher Richtung Action agieren? Oder wenn dramatische Charakterexploration in den Wind geschlagen wird, um endlich dem fiesen Obermotz der Feinde zu begegnen?

Erwischt man das trotzdem mit gut improvisierten Stimmungshelferlein? Ich habe ja von vielen Gruppen gehört, die z.T. den gesamten Spielraum entsprechend der Stimmung gestalten (Beleuchtung, Kerzen, Deko etc.), verzichte aber selbst weitestgehend auf sowas, weil ich mich selbst zu wenig auf viele Dinge gleichzeitig konzentrieren kann (ich altes ADS-Opfer)...
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 19.08.2009 | 20:17
Zitat
Wie reagiert man, wenn im laufenden Spiel die Stimmung in eine Richtung kippt, auf die man nicht vorbereitet ist? Wenn die Spieler auf Horror nicht ansprechen, sondern eher Richtung Action agieren?

Dafür hat man im Backup die Playlist mit bestimmten Grundthemen, die immer vorkommen können


Zitat
Oder wenn dramatische Charakterexploration in den Wind geschlagen wird, um endlich dem fiesen Obermotz der Feinde zu begegnen?

Das sollte ja schon in der Playlist mit enthalten sein Also einfach zur Begegnung mit dem Obermotz in der Playlist und die Stimmung friedlich, aggressiv, neutral oder romantisch wählen.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Preacher am 19.08.2009 | 20:52
Passt folgende Frage zum Thema: Wie reagiert man, wenn im laufenden Spiel die Stimmung in eine Richtung kippt, auf die man nicht vorbereitet ist? Wenn die Spieler auf Horror nicht ansprechen, sondern eher Richtung Action agieren? Oder wenn dramatische Charakterexploration in den Wind geschlagen wird, um endlich dem fiesen Obermotz der Feinde zu begegnen?

Erwischt man das trotzdem mit gut improvisierten Stimmungshelferlein?
Um ehrlich zu sein verstehe ich die Frage nicht. Du willst also wenn die Stimmung "kippt" gegensteuern, damit es wieder gruslig wird? Mein Tip: Lass das. Das ist genau das, was Vash mit "Loslassen" titulierte. Wenn Du eine hochgruslige Szene im Keller eingeplant hast, aber die Spieler in eine andere Richtung gehen, dann lass es. Wenn Du die gewünschte Stimmung nicht aufgebaut kriegst, dann unterstütz die, die sich einstellt. Ein Gespür für die Stimmung, für die Dynamik der Story und für die Wünsche der Spieler ist da wichtig - aber immer aufgreifen und damit arbeiten, was da ist.

Nichts tötet jede Stimmung so zuverlässig, wie auf Krampf eine aufbauen wollen, die nicht gewünscht wird.

Vielleicht noch mein persönlicher, ganz pragmatischer Ansatz: zu Beginn eines Spieleabends werfe ich eine fette mp3-Liste im Zufallsmodus an, die durchgehend im Hintergrund dudelt.
Puh, das kann ich gar nicht leiden. Hintergrundberieselung während des Spiels find ich ziemlich nervtötend. Imho ist weniger mehr. Aber die schnelle Lautstärkeregelung ist natürlich wirklich wichtig.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: ChristophDolge am 19.08.2009 | 20:53
Zitat
Nichts tötet jede Stimmung so zuverlässig, wie auf Krampf eine aufbauen wollen, die nicht gewünscht wird.

Nein, geht schon eher in die Richtung: Was mache ich, nachdem ich losgelassen habe.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Preacher am 19.08.2009 | 20:54
Nein, geht schon eher in die Richtung: Was mache ich, nachdem ich losgelassen habe.
Naja...wenn man keine Alternativen vorbereitet hat: Improvisieren ;)
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 19.08.2009 | 20:55
Hintergrundberieselung gibbet nicht. Das Ziel ist ja, mit Mucke exakt die gewünschte Stimmung zu unterstützen. Das geht nur mit geschickter Wahl.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: ChristophDolge am 19.08.2009 | 20:57
Gut, dann ist die Technik nix für mich, da ich dann vermutlich nur noch krampfhaft nach dem richtigen Musikstück suche, dass meinen hohen Ansprüchen gerecht wird. Aber einer meiner Mitspieler hat das recht gut drauf.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Preacher am 19.08.2009 | 20:59
Gut, dann ist die Technik nix für mich, da ich dann vermutlich nur noch krampfhaft nach dem richtigen Musikstück suche, dass meinen hohen Ansprüchen gerecht wird. Aber einer meiner Mitspieler hat das recht gut drauf.
Ach so - Du meinst, was für Musik Du auswählst, wenn Du eine mit Musik geplante Szene verwirfst. Einfach: Keins. Es sei denn, Du hast zufällig gerade was passendes im Kopf. Aber während des Improvisierens die Mucke suchen ist Käse.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 19.08.2009 | 21:00
Da ist die von Tobi und Jörg vorgeschlagene Themen-Standarddatenbank schon hilfreich.

Kritischer ist aber das loslassen. Wobei mein Kult-Abenteuer schon darin krankte, dass die Spieler kaum Entscheidungen treffen konnten. Da musste ich nichtmal was entwerten. Das war Erzählonkelspiel pur.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 19.08.2009 | 21:03
Zitat
Dazu suchst du einfach ein paar Stücke für bestimmte Grundstimmungen, die du erzeugen willst und hast neben den passenden Stücken etwas in der Hinterhand, falls etwas unerwartetes passiert.

Das hilft nicht Dolge?

Ich bin der Meinung, dass man sich schnell ein paar Klassiker zur Untermalung von bestimmten Situationen zusammensuchen kann. Die hat man in einem Ordner und fein nach der Standart- Situation sortiert.
Es sind sozusagen die Lieder oder Sounds, auf die man zurückgreifen kann, wenn mal etwas unerwartetes passiert.

Das ist nicht so perfekt, wie exakt auf bestimmte Szenen abgestimmte Musik. Aber es kann immer noch sehr gut sein.

Wichtig ist bloß, das man nicht auf Zwang versucht Musik anzuwenden, da hat der Vash absolut recht.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Preacher am 19.08.2009 | 21:03
Kritischer ist aber das loslassen. Wobei mein Kult-Abenteuer schon darin krankte, dass die Spieler kaum Entscheidungen treffen konnten. Da musste ich nichtmal was entwerten. Das war Erzählonkelspiel pur.
Naja, wenn es ihnen gut abgeht und sie von alleine genau in die Richtung laufen, die Du willst, dann ist das doch auch gut. Solange niemand sich gegängelt fühlt, ist es doch kein Problem. Doof wird's halt erst, wenn Du was gegen den Willen durchdrückst.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Haukrinn am 19.08.2009 | 21:08
Hmmm. Ich musste darüber jetzt länger nachdenken (mein Gehirn arbeitet bei den Temperaturen einfach zu langsam, 9 neue Beiträge, ihr seid ja bekloppt...). Mal sehen...

Zitat
Oder verliert man als SL, der vor allem auf Spielerentscheidungen setzt, zwangsläufig so sehr an Kontrolle, dass z.B. szenenbasierte Musikauswahl nicht mehr möglich ist?

Ich denke nicht, dass das prinzipiell ein Problem ist. Eine dauerhafte Beschallung halte ich generell eher für ungünstig, weil Du Dir selbst damit die Möglichkeit nimmst, Akzente mit der Musik zu setzen und Schwerpunkte anzuzeigen. Wenn man das Mittel aber sparsam einsetzt, dann steht auch einer musikalischen Untermalung von Schlüsselmomenten nicht sehr viel im Wege. Auch bei einem ergebnisoffenen Leitstil bewegst Du Dich ja nicht im Vakuum, sondern allen Teilnehmenden ist klar, dass es thematische Schwerpunkte gibt - und die kannst Du dann auch musikalisch untermalen, wenn sie anrücken. Noch einfacher ist das natürlich, wenn Du sogar auf Bangs setzt - denn auch die kann man als emotional aufgeladene Momente wunderbar untermalen. Und letztendlich möchte ich auch noch die Möglichkeit erwähnen, die Musik örtlich zu binden (was aber nur bei Kampagnen Sinn macht): Orte, die immer wieder aufgesucht werden, werden mit einer passenden Musik untermalt. Oder Du bindest die Musik an Charaktere, so wie Vash das vorgeschlagen hat.

Das gesagte gilt natürlich generell auch für andere atmosphärenfördernden Effekte. Kurz gesagt - ich sehe da keinen besonders starken Zusammenhang zwischen der Ausgeprägtheit der Schienen und der Macht atmosphärenfördernder Techniken.

Passt folgende Frage zum Thema: Wie reagiert man, wenn im laufenden Spiel die Stimmung in eine Richtung kippt, auf die man nicht vorbereitet ist? Wenn die Spieler auf Horror nicht ansprechen, sondern eher Richtung Action agieren? Oder wenn dramatische Charakterexploration in den Wind geschlagen wird, um endlich dem fiesen Obermotz der Feinde zu begegnen?

In diesem Fall würde ich sagen dass man da letztendlich einfach auf ein Problem trifft, dass schon viel früher seinen Ursprung hatte: Wenn es dazu kommt, dann hat man sich offenbar vorher nicht darauf geeinigt, was man hier zu spielen gedenkt. Und dann rettet Dich auch keine Musik, keine Kerze und keine Lasershow. Dann rettet Dich nur eine Pause und die Frage "Mädels, was spielen wir hier eigentlich?".

Erwischt man das trotzdem mit gut improvisierten Stimmungshelferlein? Ich habe ja von vielen Gruppen gehört, die z.T. den gesamten Spielraum entsprechend der Stimmung gestalten (Beleuchtung, Kerzen, Deko etc.), verzichte aber selbst weitestgehend auf sowas, weil ich mich selbst zu wenig auf viele Dinge gleichzeitig konzentrieren kann (ich altes ADS-Opfer)...

Ich bin zwar kein ADS-Opfer, aber ich kann mit diesem Brimborium auch nichts anfangen. Der Atmosphäre förderlich ist das nur in den seltensten Fällen. Das einzige was ich da wirklich für sinnvoll erachte (weil es offenbar eher instinktiv wahrgenommen wird) sind diverse Variationen der Beleuchtungsstärke. Das kann tatsächlich hilfreich sein, lässt sich aber mit jeder Stehlampe erreichen.

Zitat
Die Szenen offen gestalten ist klar. Die Folgen der Szenen offen gestalten ist eine andere Sache. Mir scheint hier aber, dass das szenenbasierte Konzept generell ein Problem darstellt. Ich denke da vieleicht einfach zu cinematisch.

Woah, jetzt bloss nix überstürzen. So ein Szenenkonzept ist eine sehr klare und mächtige Struktur, und von der trennt man sich nicht. Erst recht dann nicht, wenn man ergebnisoffen spielen will, denn dann hast Du zunächst erst einmal keine anderen Strukturträger zur Verfügung. Zumal ich nicht denke, dass da Dein Problem liegt. Das Problem liegt ja eher in der Verkettung der Szenen einerseits und der Festschreibung des Inhalts im Vorfeld andererseits. Beides ist aber vermeidbar, wenn man das denn will.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 19.08.2009 | 21:10
Das Problem liegt ja eher in der Verkettung der Szenen einerseits und der Festschreibung des Inhalts im Vorfeld andererseits. Beides ist aber vermeidbar, wenn man das denn will.

Wollen und können muss auch nicht das gleiche sein.

Wie sieht es da mit Techniken aus? Gibt es welche?
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 19.08.2009 | 21:18
Klar gibt es dazu Techniken. Es ist aber die Frage ob du das Railroading durch andere "Steuerungstechniken" ersetzen willst.

Illusionen, Screen Framing (auch aggressives), Plot Hopping, Trigger Events, das Einsetzen von Backflashs oder das Einspielen von Stimmen die dem Charakter etwas vermitteln wollen um die Spieler zu triggern.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 19.08.2009 | 21:23
Effektiv habe ich genau das gemacht: den Spielern auf eine atmosphärisch ansprechende, stylische Art gesagt, was sie tun sollen.

Natürlich, bei Horror sollen die Spieler nicht selbst entscheiden, was zu tun ist. Ich hätte die Spieler auch nicht in den Plot getreten, wenn sie unbedingt in eine andere Richtung gewollt hätten. Aber es war halt auch zu offensichtlich, so dass die Spieler eigentlich nix mehr falsch machen konnten. Sie konnten nichts mehr tun, nichts mehr heraus finden, weil alles schon klar war.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Haukrinn am 19.08.2009 | 21:27
Jörg hat da schon einige Sachen genannt. Die meisten dieser Dinge sind natürlich schon wieder Techniken, mit denen du die Spieler in bestimmte Richtungen lenken willst - das ist aber meiner Meinung nach kein Problem, so lange man es nicht übertreibt. Du hast schließlich als SL genau so viel Recht die Story in eine Richtung zu lenken wie die anderen auch - finde ich zumindest.

Jörg erwähnte auch Scene Framing, und das halte ich für eine der zentralsten Techniken überhaupt. Egal ob ergebnisoffen oder nicht, am Anfang einer Szene legst Du als SL in aller Regel immer noch die Randbedingungen fest. Und das kannst Du natürlich nutzen, um die Szene auf atmosphärische Mittel, die Du in der Hinterhand hast, vorzubereiten.

Sich ein einfaches Diagramm zu bauen und so immer im Blick zu haben, was für Szenentypen aufeinander folgen können, hilft ebenfalls ungemein - insbesondere, wenn man sich die aktuelle Szene noch mit einem beweglichen Pöppel markiert (Stichwort Endlicher Automat). Generisch ist sowas relativ sinnfrei, aber wenn Du eine bestimmte Thematik behandeln oder einen bestimmten Stil fahren willst, dann ist sowas schnell gebaut und enorm hilfreich, um die Szenenübergänge hin zu bekommen.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 19.08.2009 | 21:33
Das schreit nach 'nem Workshop.  ;)
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Dr. grant. ur. am 19.08.2009 | 21:46
eine Idee, ausgegohren, ein bier und 2 cuba libres halfen mit:

Zum Bleistift DRYH: Pro Charakter 5 Musikstücke, müssen keine ganzen Lieder sein. Ein Thema. Dann eins für die controlle, eins für die Vergangenheit, eins für die Droge. Und dann noch ein, zwei Muisikstücke für pain. Ich würds versuchen: Wenn einer der feats getriggert wird suchst du als SL aus, wessen character am tiefsten drin steckt - der bekommt die musik. Würd DRYH noch rockender machen :D

Zum Thema "systemunabhängiger akutischer untermahlung".
Bekanntlich wird jede runde sich (irgenwie) um ne zentrale FRage drehen (so denn die figuren keine begleiter der geschichte sonder mitbestimmende Bestandteile darstellen). Die Hinführung (ob bei oneshot oder kampangne) obligt Dir als SL - darauf würd ich viel Zeit und Energie verwenden. Micha ist da n Profi. Großartig. Knallt es am anfang, dann kannste damit stimmung bereiten und sicherlich mal ne halbe stunde, stunde zehren. Dann wird sich irgendwann mal jeder Charakter zur zentrallen frage bekennen müssen. Hierfür je character nen Song, ein Gezwitscher - irgendwas das passt. Ob musikaltisch und/oder textlich ist egal. Dann noch einen (zwei zum auswählen?) Abspannsongs die das geschehen dass Du Dir überlegt hast zusammenfassen. Damti haste nen Rahmen. Dann evtl noch unspezifische Songs ode rdie von Hendrik angeführten SFX. Bingo. KEnnst Du zusätzlich die Knöpfe deiner Spieler, die der Charaktere vielleicht auch,  wirds leichter. ;) (Keine ahnung ob der hier irgendwo stehenden definition von knöpfen zufolge auch spieler welche haben können - is mir auch egal. Wer will, wird verstehen was ich mein.)
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: ChristophDolge am 19.08.2009 | 21:47
Wie sieht es eigentlich mit der Unterscheidung zwischen atmosphärischen und eher meta-lastigen/gamistischen Szenen? Bei uns herrscht derzeit eine recht starke Trennung zwischen Athmo-Szenen, bei denen auch recht wenig gewürfelt wird und gamistischen Szenen, bei denen eben viel gewürfelt wird. (Wir haben auch athmo-Kämpfe, die rein beschreiberisch resolviert werden, also keine Sorge, jeder kommt auf seinem Feld immer mal wieder auf seine Kosten)
Dabei können v.a. die Spieler selbst bestimmen, wie die Szene denn nun ablaufen soll - wenn der Magier viel Aufwand um seinen nächsten Zauber betreibt, schmieden wir zusammen eine Szene, wenn viel Aufwand um sowas getrieben wird, wird die Szene auch wichtig für die Story und anders herum - Dinge, die man mit einem einzelnen Würfelwurf ohne viel Aufhebens erledigt, spielen in der Regel auch später keine große Rolle mehr. Das erzeugt bei uns derzeit recht viel Spannung und Athmosphäre, da man weiß, dass sich spielerischer Aufwand in der Regel lohnt. Wir haben aber kein Wushu-System, d.h. an der Erfolgswahrscheinlichkeit ändert sich nicht viel.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 19.08.2009 | 21:55
Eigentlich hast Du deine Frage schon im Post selber beantwortet.

Meta und Gaming ohne Atmo und Musik, Athmo-Szenen mit.

@ Urbayer

Geniale Idee zu DRYH

Die Themes an sich sind sehr gut. Ich habe sie auch immer für bestimmte SLC benutzt um Stimmung auf zu bauen. Aber sie zu benutzen um bestimmte Szenen und Charaktere in ihnen zu triggern ist göttlich. So kann man einen Spieler schön pushen.



Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Haukrinn am 19.08.2009 | 22:02
Zum Bleistift DRYH: Pro Charakter 5 Musikstücke, müssen keine ganzen Lieder sein. Ein Thema. Dann eins für die controlle, eins für die Vergangenheit, eins für die Droge. Und dann noch ein, zwei Muisikstücke für pain. Ich würds versuchen: Wenn einer der feats getriggert wird suchst du als SL aus, wessen character am tiefsten drin steckt - der bekommt die musik. Würd DRYH noch rockender machen :D

Gross! Das muss ich mir unbedingt merken.

PS: Der Urbayer spricht hier übrigens nicht von DRYH by the book, sondern von meiner Max Payne Mod (http://tanelorn.net/index.php/topic,47700.0.html).  ;)
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 19.08.2009 | 22:11
Das könnte man auch noch ausbauen, indem man die Spieler die Trigger Songs für bestimmte Emotionen oder Situationen selber aussuchen lässt.

Oder?
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: ChristophDolge am 19.08.2009 | 22:55
Zitat
Meta und Gaming ohne Atmo und Musik, Athmo-Szenen mit.

Irgendwie war Musik ja nur ein Aspekt des ganzen Eingangsposts, der halt jetzt dominiert. Mir gehts aber darum, ob z.B. überhaupt Erfahrungen mit einer so starken Trennung bestehen und wie sich das auf die Gesamtathmosphäre des Spiels auswirken.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 19.08.2009 | 23:06
Erfahrungen sind bei mir vorhanden und sehr gut.

Musi für die Situationen in denen ich Atmo will und keine Musi für Meta und Taktik. Die Trennung ist kein Problem. Im Gegenteil, die Musi sorgt teilweise dafür, dass die Spieler wissen was jetzt Sache ist und sich entsprechend verhalten.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: ChristophDolge am 19.08.2009 | 23:37
Eigentlich ist das sogar eine recht interessante Technik, besonders in Kombination mit der Gewichtung von Szenen danach, wie viel Herzblut der Spieler (inkl. SL) reinfließt. Selbst mit vorgegebenem Plot hat man bei Improvisationswillen des SLs schnell fünf unterschiedliche Geschichten bei fünf Gruppen zusammen. Dazu ist es natürlich wichtig, dass die Szene keine genau vorgegebene Stimmung hat, sondern dass man auf diese schnell eingehen kann (noch ein Grund, warum ich träger Sack keine Musi einsetze) - man interpretiert die Ausgangssituationen der Szenen im Kontext der jeweiligen Charaktere und ihrer vorangegangenen Handlungen stets neu.
Beispiel: Wenn die Detektivgruppe viel Zeit mit der Befragung einer bestimmten Zeugin verbracht hat (wohlgemerkt: Die Spieler, wenn einfach gesagt wird: "Wir fragen die Zeugin fünf Stunden aus." ist das was anderes!), wird diese für das Abenteuer wichtig, wenn die Gruppe sie nicht beachtet, verschiebt sich der Fokus und sie müssen ihre Informationen woanders herbekommen oder sogar ohne die Infos der Zeugin zum Ziel gelangen. Oder ein Kampf: Wenn die Gruppe sich schnell mit dem SL einigt, dass sie ihre Feinde überwältigen kann, ist der Kampf wohl nicht das größte Hindernis gewesen und wird für das Abenteuer auch keine große Rolle mehr spielen. Wenn viel Zeit investiert wird, kann die Gruppe eventuell wichtige Informationen erhalten, Gegenstände gewinnen etc. - d.h. man sollte als SL die Spieler auch für den Aufwand, den sie mit bestimmten Situationen betreiben, belohnen. Das ist natürlich eine ganz andere Herangehensweise als ARS, Sandbox oder auch cinematisches Rollenspiel (wo der Aufwand, der mit einer Szene betrieben wird allein schon als Belohnung dienen soll), aber mir macht sie (im Moment) viel Spaß.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Heretic am 20.08.2009 | 09:14
Krass, wie ihr euch an einem so unwichtigen Element wie Musik aufhalten könnt.
Atmosphäre kann man auch anders erzeugen, und die konventionelle Methode geht nicht so sicher und schnell in die Hose wie gekrampfte, unoriginelle Musikauswahl. Zudem kann Musik verdammt schnell nervig werden, und gut Instrumentalstücke sind rar gesät.
 

Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: ChristophDolge am 20.08.2009 | 09:16
Joah. Wers nicht kann, solls lieber lassen, deswegen nutze ich auch keine Musik.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Ludovico am 20.08.2009 | 09:21
es muss nicht unbedingt instrumental sein.

eine sehr geile runde, die ich erleben durfte (VtR), kam u.a. deshalb zustande, weil der SL eine Playlist hatte, fuer jede in der Stadt vorgesehene Location ein Lied... da waren nur wenige Instrumental-Stücke zwischen. Aber der SL war sowieso cool. Wir hatten die Freiheit zu tun, was wir tun wollten und alles wurde von der Musik prima unterstützt.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 20.08.2009 | 09:25
Klar kann man Stimmung auch anders auf bauen, als mit Musik Heretik.

Doch des Einen Liebling ist des Anderen Feinbild.

Aber da du so schön schreibst, das eine unoriginelle Musikauswahl schnell in die Hose gehen kann, erkennst du die Macht der Musik an. Es werden wohl nicht umsonst Oskars für die beste Filmusik vergeben. Die Leute die sich hier einbringen wollen die Musik halt nutzen um mehr Spaß beim Leiten zu haben um dieses Mittel nicht in die Hose gehen zu lassen.

Das mag dir zwar unverständlich sein, aber ich finde Leute die sich verbessern wollen immer besser als Leute die alles als gottgegeben hinnehmen und auf der Stelle treten.Das Element ist ihnen wichtig und nur weil du dich darum nicht scherst, heißt es nicht, dass es für alle gilt oder gelten muss.

Es lebe die Vielfalt und jeder so, wie es ihm gefällt. Nicht mehr benutzen kann man es immer noch, wenn das Experiment nicht klappt.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Heretic am 20.08.2009 | 10:00
Klar kann man Stimmung auch anders auf bauen, als mit Musik Heretik.

Doch des Einen Liebling ist des Anderen Feinbild.

Aber da du so schön schreibst, das eine unoriginelle Musikauswahl schnell in die Hose gehen kann, erkennst du die Macht der Musik an. Es werden wohl nicht umsonst Oskars für die beste Filmusik vergeben. Die Leute die sich hier einbringen wollen die Musik halt nutzen um mehr Spaß beim Leiten zu haben um dieses Mittel nicht in die Hose gehen zu lassen.

Das mag dir zwar unverständlich sein, aber ich finde Leute die sich verbessern wollen immer besser als Leute die alles als gottgegeben hinnehmen und auf der Stelle treten.Das Element ist ihnen wichtig und nur weil du dich darum nicht scherst, heißt es nicht, dass es für alle gilt oder gelten muss.

Es lebe die Vielfalt und jeder so, wie es ihm gefällt. Nicht mehr benutzen kann man es immer noch, wenn das Experiment nicht klappt.
Nunja, Rollenspiel ist kein Film, und Film ist kein Rollenspiel, zumindest mMn, und daher stellt sich die Frage für mich mittlerweile auch erst garnicht mehr, ob(!) ich Musik einsetze in meinen Runden, da ich anscheinend immer(warum auch immer) mit Spielern spiele, für die Musik beim RPG weder förderlich für die Atmosphäre noch förderlich für die Konzentration erachten.
Das Argument, das wir "auf der Stelle treten" würden, nur weil wir keine Musik abspielen, ist doch etwas merkwürdig. Atmosphäre entsteht durch gute, substanzielle delivery, und nicht durch Effekthokuspokus und Musik, zumindest mein Standpunkt.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Vash the stampede am 20.08.2009 | 10:10
Gut, nachdem ich diesen Standpunkt gehört und auch verstanden habe (selbst wenn ich es bisher anders handhabe), dann lass uns doch mal an deinen Methoden teilhaben. Damit wir eben nicht stellen platt treten und voran kommen.

Atmosphäre entsteht durch gute, substanzielle delivery,

Wie machst du das? Erzähl mal!
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Dr. grant. ur. am 20.08.2009 | 10:11
Nunja, Rollenspiel ist kein Film, und Film ist kein Rollenspiel, zumindest mMn [....] zumindest mein Standpunkt.
mag sein. sind allerdings keine Argumente. In Rollenspielen werden geschichten erzählt - im Film auch. In Büchern gibts die möglichkeit szenarien seitenlang zu beschreiben und so die stimmung zu vermitteln. Dies ist schwer einsetzbar in einer Rollenspielrunde in der es mehr als einen Teilnehmer gibt - für die anderen wirds dann recht schnell langweilig. Von Hörspielen brauchen wir nicht reden. In sofern ist es mehr als gerechtfertigt sich inspirationen beim Film zu besorgen.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Dr. grant. ur. am 20.08.2009 | 10:12
Wie machst du das? Erzähl mal!
KUDOS!
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 20.08.2009 | 10:23
Das auf der Stelle treten war allgemein gemeint, nicht speziell auf Leute bezogen, die keine Musik benutzen. Hätte ich klarer ausdrücken müssen. Das mit der Effekthascherei kann ich nachvollziehen, aber der Threadstarter hat mit Musik gute Erfahrungen gemacht und möchte es beibehalten. Da teile ich ihm meine Erfahrungen mit und schreibe nicht, dass ich es blöd finde. Er kann dann nach dem Ausprobieren der Tricks selber entscheiden, ob er das Mittel weiter nutzt.

Edit:

Zitat
In Rollenspielen werden geschichten erzählt - im Film auch.

Das kommt ganz drauf an, wer leitet und was er will. Ich möchte zum Beispiel, das am Ende eine gute Geschichte rauskommt (also in der Retrospektive betrachtet), und keine Geschichte erzählen.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Dr. grant. ur. am 20.08.2009 | 14:16
wenn in der retrospektive eine gute geschichte entstanden ist, haben dann nicht alle zusammen eine gute geschichte erzählt? Abgesehen von den unterschiedlichen deutungsmöglichkeiten der worte - wo ist der wirkliche unterschied, der zeitpunkt der reflexion. ansonsten?
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 20.08.2009 | 14:34
Ja, wenn in der Retrospektive eine gute Geschichte entstanden ist, dann haben alle alle eine gute Geschichte erzählt.

Den zweiten Teil deines Postes verstehe ich leider nicht.

Was ich meine ist, das bei ergebnisoffenen Leiten eine andere Geschichte raus kommt, als wenn der SL einen festen Plot durchzieht. Das ist nicht wertend gemeint, weil jeder nach seinem Gusto glücklich werden soll.

Aber die Auswahl von passender Musik wird dadurch schwieriger, auch wenn man es mit Tricks wie deinen Themen zu bestimmten Charakter - Situationen erheblich verbessern kann.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Tudor the Traveller am 20.08.2009 | 15:00
Ich persönlich würde aber gerne wissen, ob und wie es möglich ist, den durchdachten atmosphärischen Teil mit der Spiel-Komponente zu verknüpfen.

Ihr hängt euch für meinen Geschmack zu sehr an der Musik auf. Ich verstehe die jetzt nur als Beispiel für eine intensiv, d.h. detailliert, vorbereitete Szene.

Die Frage ist da auch immernoch offen. Wie kann ein SL detaillierte Vorbereitungen machen ohne das Spiel in die entsprechende Richtung zu lenken, also den Spielern volle Freiheit zu lassen?

Ich denke, es geht gar nicht. Wenn die Spieler absolut frei sind, gibt es zu viele Richtungen, in die es gehen kann, um auch nur die wichtigsten davon ausreichend vorbereiten zu können. Da bleiben allenfalls Zufallstreffer. Die einzige Möglichkeit ist das, was schonmal irgendwo erwähnt wurde: einen roten Faden auslegen, dem die Spieler sehr wahrscheinlich folgen werden. Handlungsmöglichkeiten eingrenzen, ohne die Entscheidungen zu entwerten. Nicht beliebig viele Richtungen offen lassen, sondern nur eine Handvoll, die aber dann auch tatsächlich unterschiedlich im Ergebnis für den Verlauf der Geschichte sind.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: scrandy am 20.08.2009 | 15:15
Also ich glaube das Problem das du hattest liegt nicht an der Musik explizit (auch wenn Musikmanagement nicht einfach ist) und es liegt auch nicht an der Technik, die Spieler von Szene zu Szenen zu leiten (auch wenn Jörgs Liste echt cool war).

Was meiner Meinung nach das Problem löst ist die Denkweise beim Vorbereiten gezielt auf Herausforderungen zu lenken. Immer wenn ich mir einen genialen Plot überlegt habe komme ich irgendwann an den Punkt, an dem ich merke das eigentlich nur meine NPCs handeln und alles an den Spielern vorbei läuft. Wenn ich dann mit meinen bisherigen Ideen von Szenen, Eindrücken und Ereignissen nochmal auf die Herausforderungs-Sichtweise wechsel und mir überlege, was denn für die SCs zu tun ist und worin die Aufgabe/die Bedrohung/ die Handlungsmöglichkeiten für die SCs bestehen, dann hab ich das Problem der Vorhersagbarkeit in der Regel gelöst. Ich schreibe mir dann sogenannte Herausforderungslisten mit denen ich die Charaktere beschäftige und herausfordere. Je nachdem wie sie sich verhalten bekommen sie leicht andere Herausforderungen gestellt. Wie sie diese bewältigen ist ihre Sache und hin und wieder mache ich bewust den großen Sandkasten auf und lasse sie weite Strecken komplett selbst planen und fahre die Herausforderungen etwas freier. Im Falle des Horrors müsstest du aber auch mit kleinen Sandboxen gut klar kommen und in jedem Fall gibt es reichlich zu tun für die Spieler.

Und wenn es in jeder Szene genug zu tun gibt, dann nimmt dir auch niemand übel wenn du die Reihenfolge fast komplett vorher festlegst. Beziehungsweise die Spieler merken gar nicht wie viel festgelegt worden war, weil sie so viel zu tun hatten, dass sie selbstverständlich davon ausgehen sie hätten selbst die nächste Szene bestimmt. Und wenn du dann bei den 2 von 10 Szenen bei denen sie stark von deiner Struktur abweichen nachgibst und ihren Ideen folgst: neue Szenen erschaffst und andere verwirfst, dann hast du für ein Horror-Abenteuer schon ne ganze Menge erreicht. Die vorbereiteten Szenen durch "selektive Wahrnehmung" wiederfinden zu lassen ist jedenfalls kein Problem.

Ich hoffe dir hilft das was. Ich habe jedenfalls auch immer sehr ausführlich gestaltete Szenen mit dramaturgischem Höhepunkt usw. und muss mich auch ständig wieder neu dazu bringen, den Spielern ihre verdiente kleine Sandbox in den Szenen zu lassen und ihnen nur mit eindrücken und Herausforderungen den Plot zu präsentieren und ihnen die Handlung selbst zu überlassen. Aber wenn du das machst, klappt das erstaunlich gut.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Megan am 20.08.2009 | 17:51
Meine Erkenntnisse/mein Vorgehen zum Vorbereiten:

- Schau dir deine Charaktere an. Was ist ihr Thema/Worum geht es bei ihnen? Welche Entscheidungssituationen könnten sich daraus ergeben?
- Überleg dir daraus folgend und natürlich mit Bezug zum Setting ein Thema für die Runde und eine Art übergeordneten Plot, an dem man sich grob entlanghangeln kann (was machen irgendwelche NSCs im Hintergrund/gibt es irgendwelche Ereignisse, die unabhängig vom Handeln der Charaktere auf jeden Fall stattfinden?)
- Bastel für die Charaktere Szenen/Situationen, die sich mit ihrem Thema beschäftigen und sie irgendwie darin "voranbringen".
Gestalte diese Szenen möglichst zeit- und orts*un*abhängig. Es geht hier um die Essenz, nicht um das Außenrum. Notiere, was du mit dieser Szenen für den Charakter erreichen willst. Notiere dir allgemeingültige Details, die du variabel einsetzen kannst und die die Szene bereichern/verstärken würden. Hake sie in die Geschichte ein, wenn ein günstiger Zeitpunkt gekommen ist. Erzwinge nichts.
- Ich betrachte das Intro als meine "Five-Minutes-Fame" (darauf habe auch ich als SL ein Recht) und lege da soviel Atmosphäre rein, wie ich kann. Danach sind die Spieler normalerweise im Setting. Das Intro ist das Einzige, was du wirklich skripten und auch vortragen darfst. An alle weiteren Szenen darfst du nicht soviel Herzblut hängen, dass du nicht bereit bist, sie ggf. wegzuwerfen. Alles andere ist Eitelkeit.
- zur Musik: Überlege dir, was für Themen (anhand der Charakterszenen) vorkommen könnten. Suche dir ein paar passende Stücke aus. Übertreibe es nicht. Man kann allein mit einem Stück ein ganzes Spiel akzentuieren, dass es nachwirkt. Ein genial ausgearbeiteter Soundtrack ist toll, aber dann ist man wieder bei der Herzblutsache. Außerdem: während des Spiels geht das meiste davon leider eh unter.
- zur Atmosphäre: Stelle dir die Settingwelt vor. Überlege, was allgemeingültig da reinpasst, Details, die du häufiger finden kannst, die aber trotzdem die Athmosphäre untermalen. Auch hier könnte z.B. ein allgemeingültiger Track immer wieder mal angespielt werden. Bei den meisten Soundtracks in Filmen zieht sich auch ein Thema, wenn auch in Variationen durch.

Ich arbeite mit dieser Herangehensweise ganz gut. Es stellt sich heraus, dass sich viele Szenen auch an anderen Stellen unterbringen lassen, dass viele Details auch anderswo passen. Und was erstaunlich ist. Mit etwas Übung kann man sich viele Dinge, die der Athmosphäre zuträglich sind auch unterwegs entwickeln. aber man sollte auf keinen Fall mit aller Gewalt an seinen Szenen festhalten, auch wenns manchmal schade ist (ich habe da am letzten WE leidliche Erfahrungen gemacht)
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Heretic am 20.08.2009 | 19:06
Wie machst du das? Erzähl mal!

Naja, was soll ich da groß erzählen...
Wie ich leite, so erzeuge ich Atmo dadurch, wie ich spreche, wie schnell und in welcher Intonation ich spreche, und auch dadurch, wie ich gestikuliere und auch, welche Beschreibungen ich nutze.

Klar, manchmal funktioniert es nicht wie gewünscht, aber ich habe ab und auch Runden erlebt, bei denen die Spieler so dermaßen die Atmosphäre mitgenommen haben, dass dann einer der Spieler mitten in der Runde direkt gemeint hat, dass es ihm zu gruslig wird, und dass er mit Horror nicht so kann, aus psychologischen Gründen.
Da ging es nur um eine bloße Terrainbeschreibung, die ich nicht einmal besonders ausgelegt hatte.

Mein Standardmittel ist halt sensorisches Beschreiben, mit Augenmerk auf gängige Assoziationen.


Nichts großes.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 20.08.2009 | 21:17
Und das lässt sich nicht noch durch passende Musik oder Hintergrund Geräusche verstärken Heretic? Ganz bestimmt nicht?

Oder durch Handouts und tolle Bilder der NSC?

Bist Du dir da wirklich sicher?
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 20.08.2009 | 21:30
Ich danke allen, die bisher geantwortet haben. Da sind schon einige Ansatzpunkte drin, die mir weiter helfen. Ihr dürft aber auch noch weiter diskutieren.  :)
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 20.08.2009 | 21:37
Einige Tipps sogar doppelt und dreifach :-).

Das bedeutet, du machst den Thread jetzt nicht dicht?
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 20.08.2009 | 21:38
Warum? Der läuft doch noch sehr konstruktiv.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Heretic am 21.08.2009 | 01:11
Und das lässt sich nicht noch durch passende Musik oder Hintergrund Geräusche verstärken Heretic? Ganz bestimmt nicht?

Oder durch Handouts und tolle Bilder der NSC?

Bist Du dir da wirklich sicher?

Der Punkt ist der Faktor des "Passens".
Ich habe Runden bei SLs erlebt, die sich durch Handouts + Musik die eigene Atmo zerstört haben.
Ok, bei Soundsamples sähe es ggf. anders aus, aber wer hat schon "1001 dronetails" von Jovica auf einem Minisampler oder gar Laptop am Start vor Ort, die passen?
Klar, NSC-Bilder oder Handouts kann(!) man nutzen, aber erstens ist die Nachschubmöglichkeit bzw. Quellen rar gesät.
Handouts, ok, aber viele der Abenteuer die ich spiele, haben keine Einsatzmöglichkeit, und brauchen das auch nicht.

Ich hab ganz früher Heckmeck ohne Ende getrieben, stimmige Musikauswahl, selbstgebastelte Handouts, etc. bis meine Spieler dann auf Nachfragen meinerseits meinten, dass das nur n Gimmick sei, und für sie keinen Mehrwert im Spiel darstelle (Und sie die Infos derselbigen ohnehin abstrahieren würden), sondern sie mit meinem Stil des reinen Beschreibens und Erklärens zufrieden seien.
Ich als Spieler mag Handouts und Gesichter zu NSCs, aber Musik kann ich nicht ab beim Spielen, da ich dem SL lauschen will, und nicht Musik hören will.

Klar, das alles KANN Atmo steigern, aber für mich spielt sich Musik auf dem gleichen Level wie Räucherstäbchenqualm und Rauchen am Spieltisch ab...
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 21.08.2009 | 01:46
Na also.

Ich arbeite nicht mehr oder nur noch sehr selten mit Musik, weil ich einfach zu faul bin und wie Du der Meinung, dass man Atmo auch anders/einfacher herstellen kann.

Dennoch weiß ich, dass Musik bei gezielten Einsatz und guter Organisation das Spielerlebnis für die Spieler erheblich intensivieren kann.

Also sollen die Leute die sich hier zu dem Thema klug machen wollen das Gebiet ruhig erforschen und Spaß daran haben. Vielleicht macht ihnen das Suchen und zusammenstellen auch viel Spaß und bereichert ihr Spiel ungemein.

Deshalb gebe ich die paar Tipps, die ich zu dem Thema habe kund und hoffe, dass sie den Leuten helfen, die Fehler zu vermeiden, die bei anderen SLs dazu geführt haben, dass es daneben gegangen ist. Vertraue einfach mal darauf, dass die User die hier schreiben alt genug sind um selber zu sehen, was ihnen Spaß macht und ihr Spiel bereichert und verzichte darauf, deine Erfahrungen zu verallgemeinern.

Dann bleibt der Tread hier schön sachlich und kann einigen Leuten weiterhelfen.

Jörg
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Heretic am 21.08.2009 | 03:46
Hab ich irgendwas gesagt, was das Gegenteil vermuten lässt?
Ich bin nur die verhasste Gegenseite einer Diskussion...
*schulterzuck*
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Haukrinn am 21.08.2009 | 08:14
Nana, nicht gleich traurig sein.

Ich brauch den ganzen Schmuh auch nicht - wenn auch primär aus Faulheit (in kontemporären Runden, wo ich auf Google Maps, YouTube, Wikipedia und Flickr zurück greifen kann, nutze ich solche Sachen zum Beispiel deutlich häufiger). Das solche Dinge aber generell auch sehr leicht nach hinten los gehen können, wie Du es weiter oben beschreibst, kann ich aber sehr gut nachvollziehen. Oft genug erlebt, oft genug auch selbst entsprechenden Mist gebaut. In aller Regel war's dann entweder ein Element, dass man unbedingt drin haben wollte, obwohl es objektiv betrachtet nicht gepasst hat oder es war einfach ein Handout/ein Musikstück zuviel.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Ludovico am 21.08.2009 | 08:34
Ich wünschte, ich könnte auch gezielt mit Musik arbeiten, aber bei mir ist es einfach die Faulheit, die Sachen vorzubereiten und dann während des Leitens immer darauf zu achten, dass das richtige Stück läuft.

Interessanterweise geht das relativ gut am Laptop, wo ich dann Winamp direkt vor der Nase habe, aber mir gezielt für Locations oder Situationen Lieder rauszupicken, krieg ich nicht auf die Reihe.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Joerg.D am 21.08.2009 | 09:12
Zitat
Ich bin nur die verhasste Gegenseite einer Diskussion...

Das hier soll aber keine Diskussion sein, ob es nun Sinn oder keinen Sinn macht Heretic.

Die Kernfrage ist IMHO:

Zitat
Man könnte jetzt sagen, solange die Spieler ihren Spaß haben, ist das ok. Ich persönlich würde aber gerne wissen, ob und wie es möglich ist, den durchdachten atmosphärischen Teil mit der Spiel-Komponente zu verknüpfen.

Oder verliert man als SL, der vor allem auf Spielerentscheidungen setzt, zwangsläufig so sehr an Kontrolle, dass z.B. szenenbasierte Musikauswahl nicht mehr möglich ist?
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Haukrinn am 21.08.2009 | 09:32
Wohl ne Diskussion!  :P  ~;D

Ähm, zurück zum (Meta-)Thema, ich möchte mich an dieser Stelle einfach einmal bei allen bisherigen Diskussionsteilnehmern für den erwachsenen Umgang miteinander und die vielen produktiven Beiträge bedanken. Tatsächlich ist dies ein typischer Dikussionsfaden wie man ihn in letzter Zeit im :T: viel zu selten zu sehen bekommt. In diesem Sinne: Danke!  :d

Und jetzt bitte weiter diskutieren/brainstormen/wasauchimmer...  :)
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 21.08.2009 | 09:49
Jedes Werkzeug sorgt, wenn man es falsch einsetzt, für Schaden, nicht für Nutzen. Das ist so trivial, das man es echt nicht erwähnen muss. Wenn ich schlecht beschreibe, mache ich genauso die Atmo kaputt, wie wenn ich in einer Liebesszene einen Death Metal-Song laufen lasse.

Insofern hat Heretic Recht, wenn er sagt, man muss sich nicht an der Musik aufhängen. Musik ist ein Werkzeug, das debattiert werden muss und inzwischen wohl auch ausreichend ausgeleuchtet wurde.

Die Frage war aber auch, ob es generell Werkzeuge gibt, mit denen man Atmo erzeugen kann, ohne auf Freiheit verzichten zu müssen, und welche Risiken die Anwendung dieser Werkzeuge darstellt. Da kam schon einiges. Da kommt ggf. noch einiges mehr.

Wenn man hier auf gute Beschreibungen abzielt, dann sollte man dies ggf. auch noch genauer erläutern, wenn man das kann. Ich z.B. arbeite da sehr intuitiv und könnte nur schwer vermitteln, wie ich auf meine Beschreibungen komme.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Ludovico am 21.08.2009 | 09:55
Eine einfache Sache, die ich gerne für Atmosphäre einsetze und die nichts mit Railroading zu tun hat, ist das Anpassen der Stimme an den jeweiligen NSC und direkte Rede. Ok, die Wirksamkeit kann ich schlecht beurteilen und direkte Rede ist für einige hier auch ein rotes Tuch (wobei ich sie gerne mag und auch von meinen Spielern einfordere), aber zumindest hab ich deshalb noch keine Beschwerden vernommen.

Es ist alles in allem sehr einfach und schnell und benötigt keine Vorbereitung.

Ob und wie effizient das nun aber ist, ist eine andere Frage.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 21.08.2009 | 09:57
Direkte Rede fordere ich in den entsprechenden Situationen ein. Ein Grundmaß an Schauspiel ist toll, wird aber nicht erwartet. Wenn man Leute am Tisch hat, die sich so richtig gelungen um Darstellung bemühen, ist das eine absolute Bereicherung auf atmosphärischer Ebene. Gerade bzgl der Kult-Runde war es so, dass die Leute Spaß daran hatten, die anderen spielen zu sehen.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Dr. grant. ur. am 21.08.2009 | 09:58
Tatsächlich ist dies ein typischer Dikussionsfaden wie man ihn in letzter Zeit im :T: viel zu selten zu sehen bekommt.
... dann bleibt zu zeigen dass sich diees auch nicht ändert - nachdem auf seite 5 sich jemand ob der falschen interpunktion eines anderen provoziert fühlt. ;)
Abder doch, ich geb dir recht, dies ist ein thread den ich (noch!) gerne bereit bin weiterzuverfolgen. :)

@ Jörg: Ich wollt nur geklärt wissen dass es mir nicht um Semantik geht, dass ich mich nicht mit irgendjemanden kabbeln will nur weil der (also vielleicht Du) ein leicht unterschiedliche Wortbedeutung von "erzählen" und dergleichen hast (Das ist meist der grund für ärgerlichkeiten wenn sich unbelesenere im Teich mit den geübteren tummeln).
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: ChristophDolge am 21.08.2009 | 10:00
Also ich arbeite bei Beschreibungen schon sehr konzentriert:

- Satzbau kann großen Einfluss haben, kurze Sätze wirken einprägsamer und klarer, lange Sätze erzeugen eher einen Stimmungsteppich, auf dem man dann arbeiten kann
- Sprechgeschwindigkeit - wenn man in einer Actionszene erst langsam beginnt und sich dann steigert, hat dies einen größeren Effekt als wenn man sofort stakkatoartig einsteigt
- Adjektive: hier gilt eigentlich das gleiche wie beim Schreiben eines Buches, es kann durchaus zu viel sein - gerade bei Farben sollte man die Zuhörer nicht überfordern, lieber vergleichende Beschreibungen oder metaphorisch arbeiten (himmelblau statt blau oder eben rot wie blut - aber auch so kräftige Metaphern nur sparsam einsetzen)
- sprachliche Kunststückchen wie Synästhesien, gerade mit Farben (Der Kuchen schmeckt grün, du weißt aber noch nicht genau, warum) oder sehr gezielter Einsatz bestimmter Adjektive (z.B. wenn man eine Szene komplett ohne Farbe beschreibt und anschließend
- Gefühle direkt ansprechen: ein sehr helles Licht ist blendend hell, kann aber auch angenehm hell sein, stechende Helligkeit usw.
- der stärkste Sinne ist der Geruchssinn, gerade "Das Parfüm" zeigt sehr eindrucksvoll, wie man durch Beschreibung von Gerüchen Stimmungen erzeugt
- Beleuchtung beschreiben: ein Stilmittel, das man direkt aus Filmen kopieren kann - der Detektiv, dessen Kopf ständig im Schatten steckt, die dralle Brünette, deren Beine das Licht glänzend reflektieren, der matt beleuchtete Hinterhof, der hell erleuchtete Tempel der Göttin der Weisheit etc.
- immer kräftige Details vor ausschweifenden Beschreibungen: Die Marktfrau hat schiefe Zähne, ihr Körperbau, die Frisur und das Kleid sind egal; der Wirt hat fettige Haare, die Messdienerin ein engelsgleiches Lächeln, das nie zu schweigen scheint

Und trotzdem immer bedenken: Ihr redet mit den Leuten, ihr schreibt kein Buch!
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Haukrinn am 21.08.2009 | 10:16
Und trotzdem immer bedenken: Ihr redet mit den Leuten, ihr schreibt kein Buch!

Hey, in der Tat, das ist eine sehr wichtige Richtlinie. Ich kenne genug Leute (SLs wie Spieler), die nur allzu leicht beim Rollenspiel ins erzählerische "Schwallen" verfallen. Das ist sicher interessant, wenn man in einer Vorlesestunde sitzt - beim Rollenspiel aber doch eher nervig. Zumindest, wenn man sich selbst auch regelmäßig mal beteiligen will.
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: nebelland am 21.08.2009 | 11:12
Meta-Sidenote voraus: Leute, schreibt ihr lange Posts. :) Nach einer gewissen Threadlänge ist es immer mühsam, sich reinzulesen.

Ich fang mal von vorne an. Inzwischen behandelt der Thread ja mehrere Fragen. Ich versuche mich jeweils kurz zu fassen.  ;)

Atmosphäre vs. Entscheidungsfreiheit

Das Problem, dass gezielt für bestimmte Charaktere designte Erlebnis-Szenen halt erst einmal keine Handlungsmöglichkeiten eröffnen, besteht dann immer noch.

"designte Erlebnis-Szenen" = Railroading. Just don't do that.

Gerade im Horror dürfte es aber problematisch sein, wenn die Spieler Szenen selbst initiieren. Horror lebt stark vom Unerwarteten bzw. vom Ausbleiben des Erwarteten. Das muss aus meiner Sicht vom SL gesteuert werden.

Aber da ist doch gar kein Widerspruch. Gerade als SL kannst Du doch Unerwartetes überall dort auftauchen lassen, wo Du willst. Oder Erwartetes ausbleiben lassen. Da ist es doch unerheblich, ob das Geschehen durch Spieler gestaltet wird oder nicht.

Wie sieht es da mit Techniken aus? Gibt es welche?

Die Frage ist da auch immernoch offen. Wie kann ein SL detaillierte Vorbereitungen machen ohne das Spiel in die entsprechende Richtung zu lenken, also den Spielern volle Freiheit zu lassen?

Also ich weiß jetzt nicht so richtig wie ich das sagen soll, aber ich habe ein Buch geschrieben, in dem Methoden zum Angehen exakt dieser Fragen vorgestellt werden. *hüstel*  ;) Ich bin sehr gerne bereit, diese Techniken auf dem nächsten Treffen mal vorzustellen und auch am Beispiel zu zeigen.

Jörg erwähnte auch Scene Framing, und das halte ich für eine der zentralsten Techniken überhaupt. [...] Sich ein einfaches Diagramm zu bauen und so immer im Blick zu haben, was für Szenentypen aufeinander folgen können, hilft ebenfalls ungemein - insbesondere, wenn man sich die aktuelle Szene noch mit einem beweglichen Pöppel markiert (Stichwort Endlicher Automat).

Sorry Haukrinn, aber das halte ich selbst als Verfechter des Erzählrollenspiels hier für wenig hilfreich. Gut, Zugeständnis, es kommt auf den Spielstil an. Ausdrückliche "Szenen" will ich selber nur in Hardcore-Erzählspielen wie Western City oder PtA sehen. Crimson Kings Problem war ja gerade das Denken in Szenen, von dem er sich nicht lösen konnte; als Lösung dafür bietet sich eher ein Actio-Reactio-Modell mit einem Netz aus Personen, Orten und Vorhaben an, in das der SL dramatisierend eingreift. Ich nenne das mal eine pervertierte Handlungsmaschine.  >;D

Musik

Kardinal Richelingo ist bezüglich der Einbindung von Musik vermutlich eine hervorragende Quelle. Habe jedenfalls vor rund 15 Jahren bei dem gespielt und der arbeitete schon damals mit einem ziemlich ausgefuchsten System: [...]

@TAFKAKB: Na da scheine ich ja damals im April nicht viel Eindruck gemacht zu haben...  :D

Musik im Rollenspiel (http://home.arcor.de/florib/musik_im_rollenspiel.pdf) war einer meiner allerersten Workshops (NordCon 2003). Ich selber setze als SL Musik exzessiv ein, besonders wenn ich auf atmosphärisches Erzählrollenspiel aus bin.

Dabei habe ich viel probiert und auch als Spieler viel gesehen und bin schließlich bei einem Eigenbau gelandet: ich habe mir eine Software geschrieben, welche meine Laptoptasten in Trigger für Musikstücke verwandelt, pro Taste ein Titel. Mit Verwendung der Umschalttaste kann ich so ca. 80 Musikstücke triggern, das war bis jetzt mehr als genug für jede Session. Ich muss nicht mit der Maus fuhrwerken und auf meinem Desktop oder in Playlists suchen. Außerdem schaltet die Software den Bildschirm schwarz, so dass dessen Licht nicht stört. Den Laptop habe ich nicht auf dem Tisch, sondern neben dem SL-Stuhl.

Dazu gibt es Tasten für Lautstärkeänderungen und Ein- und Ausblenden. Die Software lässt sich leicht konfigurieren, läuft unter Linux, Win und OS X und kann auch Bilder anzeigen, falls man einen Beamer verwenden will. Bei mir seit Jahren sehr zufriedenstellend im Einsatz.

Geschichten

wenn in der retrospektive eine gute geschichte entstanden ist, haben dann nicht alle zusammen eine gute geschichte erzählt? Abgesehen von den unterschiedlichen deutungsmöglichkeiten der worte - wo ist der wirkliche unterschied, der zeitpunkt der reflexion. ansonsten?

Uuh! Vorsicht! Ich denke, mit Deinem Hintergrund weißt Du sehr genau, dass der Messzeitpunkt einen entscheidenden Unterschied machen kann!  ;D

Ich nehme mal eine Metapher zu Hand: Du setzt mehrere Personen mit einem GPS-Tracker in ein Auto und lässt sie durch eine Großstadt fahren. Anschließend plottest Du die Strecken, die sie gefahren sind, auf einen Stadtplan.

Frage: "wenn in der retrospektive eine interessantes Linienmuster entstanden ist, haben dann nicht alle zusammen eine gutes Linienmuster gemalt?"

Hier sollte es deutlich werden: es geht um die Intention. Die Leute können ihre Strecke aus ganz unterschiedlichen Gründen gefahren sein. Und so ist das auch im Spiel, entweder Du willst tatkisch spielen (z.B. "schnell oder effizient zum Ziel fahren"), oder Du willst erzählen ("eine ästhetisch befriedigende Linie plotten"). Eine retrospektiv gute Geschichte sagt aber nichts über die Intention aus.

Dieses sehr häufige Mißverständnis spreche ich kurz am Schluss meines Schismas (http://nebelland.drei-rollenspiel.de/texte/schisma) unter der Überschrift "Das Problem: Erzählen als Spiel" an.

Florian
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Haukrinn am 21.08.2009 | 11:30
Mensch, schreibst Du lange Antworten... *SCNR*

Generell finde ich Deine Ausführungen recht gelungen, möchte Dir aber in drei Punkten doch widersprechen.

Zitat
"designte Erlebnis-Szenen" = Railroading. Just don't do that.

Ist meiner Meinung nach kein besonders guter Tipp, insbesondere dann nicht, wenn man sich, wie Crimson King, am Medium Film orientiert (für andere Medien, zum Beispiel Theather, gilt das im Übrigen auch). Nicht jede Szene muss eine Entscheidungsszene sein. Oft genug kann eine Szene auch eine ganz andere Intention haben (z.B. Mauerblick, Retrospektive), für die sich ein Design im Voraus durchaus anbieten kann.

Zitat
Ausdrückliche "Szenen" will ich selber nur in Hardcore-Erzählspielen wie Western City oder PtA sehen.

Das ist Dein gutes Recht. Ich persönlich dagegen halte Erzählrollenspiel ohne Scene Framing für witzlos, weil da
1. Durch die fehlenden Randbedingungen Unsicherheit entsteht, in welche Richtung man sich jetzt bewegt. Sprich die Kreativität wird weder angeleitet noch angeregt.
2. Man Ruckzuck wieder in einer Endlos-Larafari-Haltung landet, in der man vor sich hin erzählt, anstatt auf den Sinn einer Situation hinzuarbeiten.

Ich vermute aber mal, dass wir hier einfach beide eine generell unterschiedliche Herangehensweise ans Erzählspiel fahren.

Bzgl. des Handlungsmodells gebe ich Dir dann auch wieder recht. Das ist ja das, was doch recht viele hier mittels Techniken wie C-Webs, R-Maps und Flag Framing propagieren.

Zitat
Hier sollte es deutlich werden: es geht um die Intention. Die Leute können ihre Strecke aus ganz unterschiedlichen Gründen gefahren sein. Und so ist das auch im Spiel, entweder Du willst tatkisch spielen (z.B. "schnell oder effizient zum Ziel fahren"), oder Du willst erzählen ("eine ästhetisch befriedigende Linie plotten"). Eine retrospektiv gute Geschichte sagt aber nichts über die Intention aus.

Eben darum ging es nicht, siehe Jörgs Post, dass des grantigen Urbayers Antwort voraus gegangen ist.  ;)
Zumal die von Dir gemachte Unterteilung auch unzureichend ist (das sollte aber nicht hier diskutiert werden, denn das wird ausufern), geht sie doch in keinster Weise darauf ein, wer wann was plotten darf. Das Erzählspiel, wie es die großen klassischen Erzählspiele propagieren ist ja beispielsweise etwas völlig anderes als der "Story Now" Ansatz, den man in vielen Forge-Spielen findet. Und das wiederum ist etwas völlig anderes als das, was PtA, Western City oder auch Polaris machen.

Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Chief Sgt. Bradley am 23.08.2009 | 15:00
Meine persönliche Meinung zum Thema: Soundtracks beim Rollenspiel benutzen ist suuuuuuper :d
Ich habe, wann immer möglich, Soundtracks im Hintergrund laufen und lasse mich gerne von passenden Stücken zu Atmsophäe, Pathos und Spannung inspirieren. Das heißt es passiert mir oft genug, dass ich durch ein Stück auf ein gute Idee zur Handlung komme.

Vorher Musik für bestimmte Szenen auszuwählen führt fast zwangsläufig zu railroading. Kann klappen wenns keiner merkt. >;D
Schlussendlich aber ist es wichtig, dass die Gruppe und der SL Spaß hatten. ~;D
Titel: Re: Atmosphäre, szenenbasiertes Spiel und Railroading
Beitrag von: Crimson King am 23.08.2009 | 21:41
Ich fasse mal zusammen, was ich für mich hier rausgeholt habe:

schwerpunktmäßig war der Fehler nicht, in Szenen zu denken. Die hätte ich nach Belieben positioniert oder fallen gelassen.

Szenen an sich können auch nicht das Problem sein. Eine Szene ist, cinematisch betrachtet, eine Handlungseinheit in Zeit und Raum. Im Rollenspiel hat man nichts anderes. Solange man bereit ist, das "wo" in Zeit und Raum offen zu lassen, besteht da überhaupt kein Problem.

Der Fehler lag in der Konzeption der Szenen bzw. des gesamten Handlungsstrangs. Die Charaktere waren über einen langen Zeitraum keine handelnden Personen, sondern reagierten lediglich auf vorherbestimmte Einflüsse. Ich sehe kein Problem darin, hin und wieder eine reine Fluff-Szene einzubauen. Der Kern der meisten Szenen sollte allerdings ein Konflikt sein, der die Handlung in die eine oder andere Richtung voran treibt.

In dieser Hinsicht hat mir Megans Post am meisten gebracht. Danke dafür. :)