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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspieltheorien => Thema gestartet von: Azzie am 5.06.2003 | 01:04

Titel: Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Azzie am 5.06.2003 | 01:04
Also, in der Fantasia #156 des EDFC habe ich einen äusserst interessanten Aufsatz (von K. Lehmann) gelesen, in dem as hauptsächlich um den Versuch eines Vergleichs der versch. Ansätze zur Fantasy geht.

Lehmann legt die versch. geistesgeschichtlichen Hintergründe versch. Nationen (Kulturgemeinschaften?) kurz da, und versucht die Verschiedenartigkeit der jeweiligen Fantasyliteratur aus diesem Hintergrund heraus zu erklären. Seine Ergebnisse haben mich ehrlich zum Nachdenken angeregt.
Zitat: "Es gibt eine interessante Kontinuität in der Geistesgeschichte einiger Nationen. Ohne Italien, Spanien, Russland und anderen Unrecht tun zu wollen, [...], fällt das bei England, Frankreich und Deutschland am deutlichsten ins Auge: Das französiche Denken, das über die Grenzen dringt, ist immer rationalistisch, [...]. Dem stets entgegengesetzt ist das englische Denken seit jeher empiristisch [...]. Die deutsche Denkschule schließlich ist traditionell transzendental." usw. usf.

Darauf aufbauend erläutert L. nun die Gegensätze in der Fantasy, die sich (für ihn) am frappierendsten in den Merkmalen 'empiristisch' (angelsächs. Tradition, Bsp. Tolkien), mit fest vorgegebenen und ausformulierten Welten, zu 'romantisch' (dt. Tradition, Bsp. Ende), mit Welten, die sich der Leser während der Lektüre selbst erfinden muss/kann, äußern.

Ich finde diesen Ansatz sehr interessant, da es imho wirklich die Tendenz zu epischer Detailausarbeitung in der Fantasy gibt. Kann das mit der 'Flut' anelsächsischer Fantasyliteratur zusammenhängen, mit der Adaption von Vorbildern wie Tolkien (dessen Werk Lehmann ja als 'tolkien'sche Fantasy' als typisches Beispiel des Empirismus anführt) zusammenhängen? Ist diese nur eine 'Modeerscheinung'? Oder ein (erzwungenes) Drängen hin zu 'einseitiger' Erzählung? Behindert das Detail die Vorstellung, die 'fantasievolle Ausarbeitung' des Autors die Fantasie des Lesers? Oder ist diese Tendenz so überhaupt nicht vorhanden?

Noch was, nebenbei: kann es sein, dass es mitunter leichter fällt durch Details den Leser in die Welt einzuführen und dort zu fesseln?
Macht es mehr Mühe eine 'offene' Welt glaubhaft und fesselnd zu formulieren?
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Cobra_JK am 5.06.2003 | 08:18
Wenn ich ein Buch lese, dann will ich auf jeden fall ein paar Details wissen, aber es dürfen auf keinen Fall zu viele sein. Es ist für mich genauso schlimm, wenn es heißt er geht durch die Wüste (Felisg-Steinig,  roter Sand oder was nun? Fühl mich dann etwas allein gelassen.) oder wenn halt in dieser Wüste jedes Sandkorn, jeder Grashalm und jeder Stein beschrieben wird. Es muss der richtige Mittelweg gefunden werden und wenn man eine möglichst offene Welt formulieren will, sollte zumindest auf die Umgebung etwas genauer eingegangen werden, damit der Leser/Spieler weiß wo er sich befindet und wie er agieren kann.
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Gast am 5.06.2003 | 08:20
Erst mal müsste man definieren, was man in diesem Zusammenhang unter "Fantasyliteratur" versteht. Im engeren Sinn (dem, was heute in Verlagsprogrammen unter "Fantasy" läuft) geht das mit Sicherheit alles in eine Richtung, aus dem einfachen GRund, weil Tolkien das Genre in dieser Form überhaupt erst geschaffen hat und sich alle daran orientieren. Wenn man Fantasy so definiert, dann gibt es imho überhaupt keine andere als die "angelsächsich-beeinflusste" Fantasyliteratur. Bei Ende mag es vergleichsweise viele surreale Elemente geben, aber es tauchen auch feste "staatliche" Strukturen (Unendliche Geschichte) und epische Kämpfe zwischen Gut und Böse (Momo) auf. Andererseits gibt es auch im Herrn der Ringe Charaktere, die sich dem "Politischen" entziehen, Tom Bombardil zum Beispiel.
Fasst man den Begriff weiter und nimmt zum Beispiel die Werke der deutschen Romantik mit rein, die sich an Volkssagen (oder dem, was man dafür hielt) orientieren, kann ich auch keinen echten Unterschied feststellen. Wenn die Romantiker immer wieder das Bild von Barbarossa bemühen, der im Kyffhäuser darauf wartet, das Reich schützen zu müssen, dann ist die Nähe zur Artussage oder zu der Armee der Geister (weiß gerade nicht, wie die heißt) im HDR doch deutlich.



Noch was, nebenbei: kann es sein, dass es mitunter leichter fällt durch Details den Leser in die Welt einzuführen und dort zu fesseln?

Alter journalistischer Grundsatz: Vom Allgemeinen ins Spezielle. Es ist einfach lebendiger wenn ich schreibe "Gänseblümchen, Vergissmeinnicht und Schneeglöckchen" statt "Blumen", weil dann jeder sofort ein bild vor Augen hat.
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: 6 am 5.06.2003 | 08:42
Wie passt da "Conan", "Winnetou", die Artussaga, das Nibelungenlied oder "Tarzan" rein?
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Boba Fett am 5.06.2003 | 09:01
Oder die Gebrüder Grimm
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: 6 am 5.06.2003 | 09:04
@Boba: Die Märchen der Gebrüder Grimm würde ich mit Ach und Krach noch gerade so in die romantische Ecke stellen. Das würde also passen...
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Jestocost am 5.06.2003 | 09:34
Ha, dann gebe ich mal meinen Mist als Amerikanist dazu?

In der Fantasy haben wir zwei Richtungen: High Fantasy, die mit Tolkien, Dunsany und James Branch Cabell beginnt. Hier sind die Spuren der englischen Romantik (von Wordsworth über Byron, Shelley - und ndatürlich Mary Shelley's Frankenstein) zu spüren. Dann gibt es noch Sword & Sorcery - typische Pulp-Abenteuer, die eher uramerikanisch sind und den Frontier Myth betonen - der Einzelne in der Wildnis. Was neben dem Primitivismus auch eine Rolle in den Pulps spielt, ist die Verbindung zum Nihilismus, die durch Lovecraft eingeführt wurde, außerdem eine gewisse Xenophobie: "Primitive" Kulturen beten uralte, vormenschliche Rassen an, der Mensch ist nur eine Alternative zu anderen Wesen. Das ist im Endeffekt ein Darwinscher Schock: Der Mensch ist nur ein Teil der Evolution, nicht mehr der Mittelpunkt der Welt. Dementsprechend kann man hier eine Verbindung zum Naturalismus sehen - der Mensch ist eine biologische Maschine, angetrieben von Gefühlen und Leidenschaften, eingebunden in eine noch größere Maschine, die einen zermalmt (ja, und der Naturalismus ist - wie die Romantik des 18. Jh. - eine Reaktion auf die Industrialisierung und das Phänomen der Massenkultur, die jeweils in den Filmen 'Der Herr der Ringe' (Saruman und seine die Industrie-Orks) und 'Conan der Barbar' (Thulsa Doom und seine willenlosen Schergen) thematisiert werden.
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Stahlengel am 5.06.2003 | 09:46
Was ist mit Miltons 'Das verlorene Paradies'? Ist das nicht auch Fantasy im weiteren Sinne?
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Jestocost am 5.06.2003 | 09:55
Damit haben wir das Borgesche Paradox: Milton hat einen starken Einfluss auf Tolkien gehabt, der das Genre begründet hat - und das macht dann 'Paradise Lost' zu Fantasy avant la lettre.

Aber ideengeschichtlich ist Milton natürlich keine Fantasy sondern religiöse Literatur, genauso wie Dantes Göttliche Komödie keine Fantasy ist. Bei William Blake würde ich aber mit mir handeln lassen... Aber der war auch verrückt.
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Stahlengel am 5.06.2003 | 10:02
Zitat
Aber ideengeschichtlich ist Milton natürlich keine Fantasy sondern religiöse Literatur

Klar.

Zitat
Bei William Blake würde ich aber mit mir handeln lassen... Aber der war auch verrückt.

;D Definitiv.

Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Aechnatein am 5.06.2003 | 10:04
Ich habe mal eine kurze Offtopic Frage:
Lohnt es sich die Göttliche Komödie zu lesen?
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Jestocost am 5.06.2003 | 11:28
Ich hab's versucht... Bin gescheitert. Aber es gibt eine schöne Hörbuchversion.. Die ich auch habe... Aber auch noch nie ganz angehört habe...
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: /dev/null am 5.06.2003 | 11:41
Ich habe mal eine kurze Offtopic Frage:
Lohnt es sich die Göttliche Komödie zu lesen?

Kommt drauf an, was du dir davon versprichst.

Die Hörbuxhversion ist ganz nett aber auch als Print gibt es Versionen mit verschiedenen Übersetzungen, deren Lesbarkeit sich deutlich unterscheidet. Ich kenn Versionen, die zum Wohle des Versmasses im deutschen auf Verständlichkeit verzichten aber recht eingänglich sind und recht genaue, aber schwierigere direkte Übersetzungen...
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Azzie am 5.06.2003 | 12:54
Wie passt da "Conan", "Winnetou", die Artussaga, das Nibelungenlied oder "Tarzan" rein?

*Winnetou* ist, würde ich sagen, eher pseudo-historisch als Fantasy. 'N Westler halt, eine quasi-reale Abenteuererzählung. Hat imho gar nix mit Fantasy zu tun. Tarzan auch nicht.

Ob man alte Sagen. Märchen und Mythen etc als Fantasy an sich bezeichnen kann - ich glaube nicht. Sind zwar auch 'phnatastisches' Literaturgut, aber mit einem ganz anderen Ansatz, ausserdem meist kollektiv tradiert und irgendwann halt mal schriftlich fixiert, nicht von einem Autor ersonnen (romant. Kunstmärchen etc mal aussen vor gelassen). Ich denke das ist eine Gattung für sich (auf die natürlich die heutige Fantasy aufbaut).
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Lord Verminaard am 5.06.2003 | 15:33
Gibt es noch andere Beispiele für die angeblich transzendente deutsche "offene Fantasy" als Michael Ende? Und wie genau ist das gemeint? Meint es wirklich eine Welt, die sich der Leser selbst denkt? Oder nicht vielmehr eine veränderbare Welt, in der empirische Gesetze nichts wert sind? Dann wäre ja der Gegensatz Mittelerde (fest definiert) ./. Fantasien (in ständigem Wandel). Dazu würde z.B. auch der "schwarze Turm" in Hohlbeins "Der Greif" passen. Ich hatte immer mal die Idee, in einer solch unkonstanten Welt Rollenspiel zu machen, z.B. ein Abenteuer in den Feenreichen bei DSA.

@ Jesto:

Zitat
Aber ideengeschichtlich ist Milton natürlich keine Fantasy sondern religiöse Literatur.

Du bist der Literaturwissenschaftler, nicht ich. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass es in Wirklichkeit eher politische Literatur ist, die lediglich das Gleichnis Himmel ./. Hölle verwendet. Milton war ja ein Republikaner und Anhänger Oliver Cromwells. Nach dem Sieg der Royalisten schrieb er "Paradise Lost" mit den Höllenfürsten als "Republikanern". Durch diesen genialen Schachzug konnte er sein republikanisches Gedankengut unbehelligt zu Papier bringen. Oder?
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Jestocost am 5.06.2003 | 15:47
@Lord Verminaard

Natürlich hast du auch recht. Aber Milton ging es auch darum, ein Werk von phänomenaler Bedeutung zu schaffen - und da geht halt nichts über den "Krieg im Himmel". Aber gerade bei großer Literatur ist es halt schwierig zu sagen, was der Text "in Wirklichkeit" bedeutet mag - denn Literatur ist die Matrix...
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Minne am 5.06.2003 | 23:27
Ich finde das thema relativ schwer, aber zu der "tranztendenten" fantasy frage von lord verminaad habe ich was zu sagen : Ih würde viele bücher von hohlbein hinzu zählen, dort werden selten ganze reiche thematisiert, wie bei tolkoen, die welten sind immer etwas diffus, entfalten sich um die geschichte. das finde ich auch recht schön so, das ist eines der wenigen dienge die mir an hohlbein gefällt (und ich mag slöche welten auch weil sie meinem meisterstil entgegenkommen *G*
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Samael am 8.06.2003 | 10:13
Hohlbein ist in meinen Augen ein billiger Massenschreiber, der hemmungslos bei anderen Autoren (Anne Rice, Stephen King, natürlich Tolkien, Ende) abkupfert.  Und das im Groschenheftniveau. (Wie auch anders bei weit einer solchen Publikationsfrequenz...?

Wollt ich nur mal loswerden... ;)

Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Minne am 8.06.2003 | 10:26
Ich gebe dir in vielen belangen recht,Samael, allerdings finde ich die athmosphäre die bei einigen sener Bücher rüber kommt sehr schön und spannend.
Die Geschichten sind im vergleich dazu so ziemlich immer wieder das selbe, immer der selbe aufbau.

Naja groschenheftniveau ist es dann doch wieder nicht, wenn man mal von der Torbin und Garr "Saga" (oder wie die auch immer heisst) absieht
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Samael am 8.06.2003 | 10:27
Meinbst du "Garth und Torian"?
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Minne am 8.06.2003 | 10:30
Hmm glaub schon, ist schon ein bisschen her.
Das war vieleicht grottig... hui...
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Yerho am 8.06.2003 | 13:56
@Boba: Die Märchen der Gebrüder Grimm würde ich mit Ach und Krach noch gerade so in die romantische Ecke stellen. Das würde also passen...

Jain.

<germanistik>
Die Märchen der Brüder Grimm sind ein perfektes Beispiel für Romantisierung nach abendländisch-humanistischem Muster (in Ansätzen abzgl. Aufklärung). Der Knackpunkt ist der, daß die gebildeten Grimms Volksmärchen gesammelt und nach ihrer Schule aufbereitet haben. Das, was wir als Märchen kennen, ist bereits das Ergebnis des von Selganor vorgestellten Modells.
</germanistik>

Wenn wir die Fantasy bis in die späten 70er betrachten, war sie sehr märchenhaft von ihren Motiven und Elementen her. Der Unterschied zum Märchen lag allein in der deutlich höheren Detailfülle und ab und zu etwas höheren Ambivalenz handelnder Figuren.

Das klingt jetzt eventuell hochgestochen, ist aber eigentlich ganz simpel: Die Globalisierung verändert die Fantasy ebenso wie offene Grenzen, umfassende Telekommunikation oder meinetwegen auch das Ende des Kalten Krieges. Die Schulen, die vorher sehr an nationale Großräume gebunden waren, verschwimmen zusehends, und damit auch der Einfluß auf jede beliebige Sparte des epischen Schreibens.  Allein der Einfluß durch den osteuropäischen/asiatischen Raum ist gewaltig, und daraus entstehen gänzlich neue Mischungen, die nicht möglich waren, als man andere Kultur nur durch die Bibliothek kennenlernen konnte. Und dieses Kennenlernen war auch bereits "verfälscht", weil die Standardwerke zu einer Zeit entstanden, als die Wahrnehmung anderer Schulen noch gleichbedeutend damit war, dem "Feind" über die Schulter zu schauen.

Beispiele für solche Impulse gab es dennoch schon früher: Hauffs "Märchen aus 1001 Nacht" vermengen morgenländische Motive und Erzählweisen mit denen des romantischen Kunstmärchens und lösten einen bestimmte inhaltliche und formelle Entwicklung aus. Diese konnte sich natürlich nicht durchsetzen, zumal die Möglichkeiten der Rezeption beschränkt waren, aber es hat sich dennoch etabliert.

Anders ausgedrückt: Wo vorher nur christliche Ritter die holde Maid aus der Burg des Drachen holten, durfte nun auch an der Flasche gerieben und der Teppich auf mach 2 beschleunigt werden. Natürlich ist es viel komplizierter, da mit den Motiven auch eine ganz andere Wahrnehmung der realen Welt ihren Weg in das narrative Schreiben findet, die wiederum Einfluß auf die irrealen Welten nimmt. Ich denke aber, daß man die Unterschiede wahrnimmt, wenn man allein den "Herrn der Ringe" mit einem beliebigen Fantasy-Epos aus den letzten zehn Jahren vergleicht.
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Der Nârr am 8.06.2003 | 15:25
Wie ist z.B. Moers einzuordnen - mein Eindruck ist, dass er im Moment der einzige deutsche Fantasy-Autor ist, der auch außerhalb der Szene von der breiten Masse gelesen wird.
Mit Zamonien hat er eine Welt mit eigenen Völkern und Naturgesetzen geschaffen. Dennoch ist diese Welt oftmals chaotisch und gehorcht gerne den Naturgesetzen des platten Witzes (Immobilienhaie im kapitalistischen Ozean, hm?). Ist Zamonien romantisch oder empirisch? Oder gar doch einfach nur Schund?
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Yerho am 8.06.2003 | 17:56
Ist Zamonien romantisch oder empirisch? Oder gar doch einfach nur Schund?

Es ist gar keine Fantasy, sondern Science Fiction. ;)
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: 6 am 8.06.2003 | 18:06
@Yerho: Und was ist der Unterschied zwischen Fantasy und Science Fiction?  :P ;)
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Yerho am 8.06.2003 | 20:00
@Yerho: Und was ist der Unterschied zwischen Fantasy und Science Fiction?  :P ;)

Bezogen auf Moers war das natürlich nur ein Scherz. ;D

Aber welche der zahlreichen Definitionen hättest Du denn gerne?
Ich neige zu der von John Clute: Im Gegensatz zur Fantasy erörtert SF veränderte Welten, die "mit der Sprache und den Annahmen und Argumenten gegenwärtiger Wissenschaft oder mit Begriffen vereinbar sind, die unserem grundlegenden Gefühl entsprechen, daß die Geschichte der Menschheit ununterbrochene Realität ist und Veränderungen dem entströmen, was wir als Realität kennen. Gute SF sagt: Ist A eine Tatsache, folgt daraus, daß B passieren kann."

In der Fantasy ist das zwar ähnlich, aber dort ist A keine Konstante unserer Realität, sondern eine Variable einer beliebigen Realität. Ich kann mir selbst aussuchen, aufgrund welcher Voraussetzungen B passieren kann/wird/soll/muß.
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: 6 am 8.06.2003 | 20:22
@Yerho: Danke für die Antwort. Die Definition gefällt mir. :)
Ich habe eigentlich gerade wegen der zahlreichen Definitionen keine Antwort erwartet. Deswegen auch die Smileys. ;)
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Yerho am 9.06.2003 | 09:32
*g* Wo es viele Definitionen gibt, muß man entweder Position beziehen, sich heraushalten oder noch eine eigene Definition hinzufügen.
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Minne am 9.06.2003 | 16:42
Nach dieser Definition, die ich übrigends Teile, wäre weder dune noch starwars science fiction sondern in den bereich der fantasy anzusiedeln *g*

:D
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Yerho am 9.06.2003 | 16:50
Nach dieser Definition, die ich übrigends Teile, wäre weder dune noch starwars science fiction sondern in den bereich der fantasy anzusiedeln *g*

*seufz* Ja, und selbst wenn man sich in einer Definition einig ist, kann die Anwendung auf Einzelfälle immer noch zu unterschiedlichen Ergenbissen führen.

Bei "Star Wars" würde ich Dir zustimmen, da es eindeutig ist. Es gibt zwar Menschen, aber sie sind losgelöst von ihrer realen Geschichte. Und von der wissenschaftlichen Konsistenz reden wir lieber gar nicht erst ... ;)

Bei "Dune" bin ich mir nicht ganz sicher. Es ist eindeutig eine Fortführung menschlicher Geschichte, in der die Kausalitäten nachvollziehbar sind. Gefährlich ist eventuell das mystische Element ... Oder woran würdest Du die Einordnung von "Dune" in die Fantasy festmachen wollen, Minneyar?
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Minne am 9.06.2003 | 23:31
Nun, ich denke da Konkret an die übernatürlichen eigenschaften des Spice, vorallem an diese Geschichte mit den Vorfahren im Kopf, diese Disziplinen der bene gesserit( oder wie die sich schreiben..), oder auch an den Gestaltwandler.

Das ist alles mehr fantasy als science.

Auch ist das Dune Universum (zumindest aus unserem heutigen standpunkt) eher ein Stilisiertes Universum (eine auf eins pseudozukunft übertragene feudale weltordnung) als eine konkrete Zukunftsvision.

Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Azzie am 13.06.2003 | 12:45
Bei Star Wars heisst es ja eh am Anfang "Vor langer Zeit, in einer weit entfernten Galaxis ..." oder so. Für mich eh ein Indikator, dass es keine 'Zukunftsvision' ist.

Probleme habe ich eher mit "Shanarra" oder so (das ist doch diese Post-Nuklearkrieg-Fantasy Reihe?).

Aber zurück zum Thema:

Zitat von Yerho:
"Wenn wir die Fantasy bis in die späten 70er betrachten, war sie sehr märchenhaft von ihren Motiven und Elementen her. Der Unterschied zum Märchen lag allein in der deutlich höheren Detailfülle und ab und zu etwas höheren Ambivalenz handelnder Figuren."

Ich glaube der entscheidende Punkt ist eher der belehrende Ansatz, den Volksmärchen ja zumeist verfolgen, wohingegen in der Fantasy der Fokus doch eher auf der Geschichte, der Traumwelt an sich liegt.

Was ich ganz zu Anfang mit dem Unterschied romantisch-/-empiristisch meinte, war die Detailgetreue Ausarbeitung des kompletten Hintergrundes. Dies findet im Märchen (wie du oben eh schon gesagt hast) eigentlich nur selten statt, das Setting wird als bekannt oder 'nebensächlich weil der eigenen Vorstellung überlassen (und für den eigentlichen Hergang der Geschichte nicht unbedingt notwendig)' behandelt. Ganz im Gegensatz zum heutigen Trend, in dem eine komplette Ausarbeitung der Rassen, Historie, Character(-hintergründe) etc fast schon Pflicht ist; vgl. die vielen dicken, mehrbändige Chroniken und 'Pseudohistorien'.
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Lord Verminaard am 13.06.2003 | 19:28
STAR WARS BE SPACE OPERA. IT NEED NO UTHA NAME! ;D
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Yerho am 13.06.2003 | 19:36
Mesa agree with usah! ;)

Michse Dir zustimmen! ;)
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Wodisch am 15.06.2003 | 00:57
Ist dann "Asterix & Obelix" SF - wegen des wissenschaftlichen Herangehens von Miraculix an seine Zaubertraenke (feste Ingredenzien, keine Zauberformeln, keine Beschwoerungen)?
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: 6 am 15.06.2003 | 01:29
@Wodisch: Nee. Laut meinem ehemaligen Kunstlehrer ist "Asterix & Obelix" das beste Lehrstück über die Antike. ;)
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Lord Verminaard am 15.06.2003 | 19:46
Zitat
Laut meinem ehemaligen Kunstlehrer ist "Asterix & Obelix" das beste Lehrstück über die Antike.

Das stimmt allerdings! Für mein Völkerwanderungs-Rollenspiel baue ich auch voll auf meine Asterix-Kenntnisse... Wobei... Ob ich meine Charaktere wirklich in Lutetia im Planwagen-Stau stecken bleiben lasse... :D :D
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Yerho am 16.06.2003 | 13:10
Na ja, Asterix ist nicht wirklich historisch korrekt. Wenn man es nicht schonend formulieren will, könnte man auch sagen: Es strotzt vor Fehlern. Aber darum geht es schließlich nicht ... Hauptsache, es wird früh historisches Interesse geweckt. :)

Der Zaubertrank geht meines Erachtens auf die Gewohnheit keltischer und germanischer Stämme zurück, Pilze und Kräuter zusammenzukochen, deren Inhaltsstoffe eine euphorisierende, schmerzhemmende, aggressions- und leistungssteigernde Wirkung hatten. Damit konnte man sicherlich keinen Römer aus der Normandie auf Cäsars Schoß in Rom schleudern, aber zumindest genügte es für den Berserker-Effekt.
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Lord Verminaard am 16.06.2003 | 19:32
Wie, Asterix ist nicht historisch korrekt? Aber da kommt doch Cäsar drin vor! Und Kleopatra! Und Brutus! Und überhaupt! ;) Hast Du schon mal versucht, Dir einen römischen Legionär anders als bei Asterix vorzustellen? Das geht gar nicht! ;D
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Minne am 16.06.2003 | 23:30
Völkerwanderungs Rollenspiel?
Gib mal ein paar Infos, ich hatte mals selbst an sowas gedacht... ich finde die Zeit der Völkerwanderung ist die wohl interessanteste Epoche der Europäischen Geschichte! (Bgesehen vom VIktiroanischen Zeitalter vieleicht)

Die vermischung der Weltbilder!  das neue christliche, das heidnische und das alt-römische...
*schauderts*
Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Lord Verminaard am 17.06.2003 | 11:19
@ Minneyar: Nichts lieber als das! Ich will allerdings nicht den Thread zuspammen, daher hier lang (http://tanelorn.net/index.php?board=9;action=display;threadid=5876).

Titel: Re:Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?
Beitrag von: Bad Horse am 24.06.2003 | 19:21
Ich bin mir nicht sicher, ob empiristischer und romantischer Ansatz sich gegenseitig ausschließen, oder ob sie nicht vielmehr nur zwei Extreme der Fantasy-Literatur sind.
Bei Tolkien ist natürlich alles bis auf Detail ausgearbeitet, auch wenn es nichts mit der Geschichte zu tun hat. Das gibt dem Roman sein besonderes Flair, aber auch einige Längen ("und das hier ist Ithilien, wo damals, als die Druiden noch im Dorf waren... blabla..."). Auf der anderen Seite gibt es Romane (z.B. Patricia McKillips Erzählung, gerade die mit der Scherenschnittstadt, fragt mich nicht, wie die heißt...), deren Hintergrund nur Schraffur ist, eine Bühnenkulisse eben, vor der die "wichtigen" Dinge geschehen.

Ich finde beide Extreme nicht vollständig befriedigend - wie gesagt, bei Tolkien kommt doch hin und wieder Langeweile auf (ging mir zumindest bei der letzten Lektüre so), während ich die Schwammigkeit - oder vielleicht besser Traumartigkeit - von McKillips Erzählungen auch manchmal eher störend finde: Für gewisse Dinge hätte ich gerne eine Erklärung, auch wenn sie nicht direkt mit der Hauptgeschichte zu tun haben.

Viele Romane bewegen sich ohnehin zwischen beiden: Es gibt einige Details, die purer "Flavour" sind, die nie erklärt werden und auch nicht erklärt werden müssen, sondern einfach nur kurz angeschnitten sind und andere Details, die genau ausgearbeitet sind, weil sie für einen stimmigeren und "realistischeren" Hintergrund notwendig sind.