Für einen eigenen Thread ist der Gedanke noch nicht ausgereift genug. Die Grundüberlegung ist, dass es einerseits im klassischen Rollenspiel immer einen Spielleiter gibt, es andererseits nach meinem Eindruck für einen Spielleiter unmöglich ist, eine völlig neutrale Position einzunehmen.
Egal wie gut das Regelwerk den Spielleiter unterstützt und wie stark er versucht, seine Persönlichkeit aus dem Spielverlauf herauszuhalten, er trifft ständig Entscheidungen. Zu dem Ergebnis kam ich, als ich längere Zeit über den Sinn und Unsinn von Zufallstabellen nachgedacht habe: Die Ergebnisse der Zufallswürfe müssen immer noch vom SL interpretiert werden. Wenn auf der Tabelle 1w6+2 Wilderer steht, sagt dies nichts über die Form des Zusammentreffens aus, denn mit der Information kann der SL anfangen, was er will. Damit bestreite ich ausdrücklich nicht den Nutzen von Zufallstabellen für die Öffnung des Spiels, es geht mir nur darum, zu zeigen, dass der SL einen Job verrichtet, in dem er Entscheidungen trifft. Ob der SL einem Vorgehen der Spieler eine 100%ige, eine hohe oder eine geringe Erfolgsaussicht zuspricht, ist letzten Endes seine eigene Entscheidung.
Bei den Entscheidungen spielen - so meine Vermutung - sowohl die sozialen Faktoren in der Gruppe als auch die persönlichen Spielvorlieben des SL eine Rolle. In jeder Gruppe gibt es ein Beziehungsnetz, Machtstrukturen, besondere Sympathien usw. Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass diese Faktoren bei der Zuordnung von Erfolgswahrscheinlichkeiten eine nicht geringe Rolle spielen. Das ist natürlich noch nicht empirisch getestet, sondern Spekulation. Meine These ist: ein Spielerplan bekommt bessere Erfolgsaussichten zugeteilt, je höher das Ansehen des vorschlagenden Spielers in der Gruppe ist (und je besser die rhetorischen Fähigkeiten des Spielers sind) - zu großem Teil unabhängig von der "objektiven" Qualität des Planes.
Genauso wie ein Plan, der den spielerischen Vorlieben des SLs entspricht, ebenfalls eine größere Aussicht hat als ein Plan, der nicht zu seinen Vorlieben passt: ein SL, der gerne Kämpfe ausspielt, wird einem Frontalangriff auf ein feindliches Lager größere Erfolgsaussichten zubilligen, als ein SL, der auf Verhandlungen/Intrigen oder heimlichem Vorgehen steht. Aus diesem Umstand kommen nach meinem Eindruck oft die Streitpunkte, wo ein Spielerplan gescheitert ist und der SL hinterher sagt: "Ihr hättet doch sehen müssen, dass euer Plan objektiv keine Erfolgschancen hatte..."
Wenn diese beiden Vermutungen zutreffen, ist der Anspruch, ein 100%ig herausforderndes Spiel zu spielen, meiner Ansicht nach nicht ganz erfüllbar (und damit berücksichtige ich den Glücksfaktor von Würfelergebnissen nichtmal). Zu 100% herausfordernd würde ja bedeuten, dass die Erfolgsaussichten zu 100% von den Ideen der Spieler abhängen, auf die der SL aus einer völlig neutralen Position heraus seine Spielwelt reagieren lässt.