Ich bin persönlich auch ein ganz, ganz großer Fan des GURPS-Kampfsystems, insbesondere seit GURPS Martial Arts, da es Kämpfe ziemlich "glaubwürdig" (um den strapazierten Begriff "realistisch" nicht zu verwenden) rüberbringt.
Das GURPS-Kampfsystem leistet es extrem gut, Kämpfe so darzustellen, dass man auch als aktiver Kampfsportler nicht die Augen verdrehen muss – ich kenne wenige Rollenspiele, die das ähnlich gut Umsetzen. "Riddle of Steel" hat auf mich einen guten Ersteindruck gemacht, aber ist auch nicht unbedingt intuitiv, auch nicht wirklich "realistischer" als GURPS, und die Selbstbeweihräucherung als "ARMA-zertifiziertes Kampfsystem" hab ich auch eher zwiespältig aufgenommen – John Clements ist unter historischen Fechtern alles andere als unbestritten.
Die einzige Sache, die ich dem GURPS-Kampfsystem etwas ankreide, ist die starke Bindung an das sequentielle Kampfrunden-Schema, das "offensive Defensivaktionen" ins gegnerische Tempo nicht vorsieht (z. B.: Gegner greift an -> Gegenstich als "aggressive Verteidigung"), Parierstange fängt ). "Aggressive Defense" ist dediziert nur unbewaffnet erlaubt, Riposte in Kombination mit Counterattack ist nur eine grobe Annäherung, "Stop Hits" ebenfalls (da sie eine Warteaktion voraussetzen).
Ich bin selbst Kampfsportler, hab einen jahrelange Erfahrungen mit Judo und Sportfechten (Säbel und Florett) gemacht und trainiere derzeit Fechten im langen Schwert und Kampfringen nach der deutschen Schule – soweit zu meinem "Background". Ich bin mir daher sehr gut bewusst, dass cinematische "Mantel & Degen"-Duelle unglaublich weit von "echten" Kämpfen entfernt sind.
Ich steh eigentlich extrem auf "realistische" Kämpfe (in Filmen wird darunter leider meistens nur "blood & gore" verstanden) – "Mantel & Degen" kann sehr cool sein, aber flotte, knackige Kämpfe taugen mir mehr. Nun ist es aber so, dass die meisten Spieler die ich kenne eher auf "cinematische" Kämpfe in genau diesem "swashbuckligen" Stil stehen.
Gerade im Bereich japanischer Filme gibt es durchaus "Positivbeispiele cinematischer Kampfdarstellung", aber wieviele europäische Cineasten kennen die schon? Und selbst die Asia-Kampfsportler und -Filmliebhaber, die ich so kenne, mögen sobald sie zum Rollenspielen beginnen doch eher "flynn'sche Duelle".
Und klar, das GURPS-Kampfsystem kann das auch handhaben – ich liebe das System dafür, dass es zwischen "harsh realistic" und "Chambara" so unglaublich flexibel ist. Deine Idee mit den Schicksalspunkten ist übrigens sehr cool, um das "Modell der kippenden Waage" innerhalb des regulären Kampfsystems umzusetzen.
Das Problem ist daher weniger die Swashbuckling-Ader der Spieler, sondern die Tatsache, dass das System – auch wenn es ziemlich intuitiv ist – doch eine gewisse Einarbeitungszeit erfordert. Ich hab die Spieler allesamt von den GURPS-Grundmechanismen begeistern können, aber wenn's um das Einarbeiten in das Kampfsystem geht, sträuben sich die Gemüter. Das ist prinzipiell nicht sonderlich problematisch, da ich ganz Firm darin bin, die Spieler also ihre Intention äußern und ich diese regeltechnisch umsetze. Trotzdem hab ich mir gedacht, ich versuch einfach mal, ein System zusammenzuschustern, dass der "Regelscheu" der Gruppe mehr entgegen kommt.
Meine Zielrichtung könnte ich daher zusammenfassen als: Ein cinematisch-dramatisches, aber regelmechanisch eher abstraktes Duellsystem für regelscheue Spieler mit Freiraum zur narrativen Ausgestaltung.
Ich hab etwas nachgedacht und dank deinem Feedback gemerkt, dass mein erster Entwurf in einiger Hinsicht an dieser Intention vorbeigeht. Insbesondere meine Ideen für die "taktischen Optionen" sind noch viel zu feinkörnig.
Daher hab ich mir die folgende Überarbeitung überlegt:
- Offensiv: Sofern der Charakter die Runde "gewinnt", daher in der kommenden Runde einen Bonus erhält, wird dieser verdoppelt. "Verliert" er hingegen, so wird in der kommenden Runde sein Malus verdoppelt.
(Schaden im Fall eines Treffers: +1/Würfel.) - Neutral: Boni und Mali der kommenden Runde werden nicht beeinflusst.
(Schadem im Fall eines Treffers: ±0.)
- Defensiv: Sofern der Charakter die Runde "verliert", daher in der kommenden Runde einen Malus erhält, wird dieser halbiert. "Gewinnt" er hingegen, so wird in der kommenden Runde sein Bonus halbiert.
(Schaden im Fall eines Treffers: -1/Würfel.) - Taktisch: Der Charakter darf in dieser Runde beliebig viele "Complementary Skills" einsetzen, die der Spieler erzählerisch in das Geschehen einarbeiten muss: bei Erfolg/Fehlschlag +1/-1, bei Kritischem Erfolg/Fehlschlag +2/-2 auf den "Quick Contest"-Wurf.
Der Charakter kann in dieser Runde jedoch keinen Schaden verursachen – ein kritischer Erfolg bedeutet daher bloß eine entsprechende Margin of Success.
Beispiele für "Complementary Skills" in diesem Sinne wären beispielsweise Acrobatics, Beat, Feint, Fast-Draw, Public Speaking, Shield Shove, Tactics, Will ("Contest of Wills"), u.v.m.
Ein jeder Kampf beginnt mit einer "taktischen" Runde beider Duellanten (gegenseitiges Umkreisen, Abschätzen, etc.), sofern nicht einer der Kämpfer etwas anders erklärt oder es sich um einen Hinterhalt o. Ä. handelt.
(Schaden im Fall eines Treffers: n. A.)
Eine "Runde" ist dabei so definiert: Eine "Szene"/"Filmeinstellung", die solange andauert, bis zumindest einer der Duellanten seine Kampftaktik (Offensiv, Defensiv, Taktisch) wechselt.
Die "In Game"-Dauer wird dabei bewusst der Beschreibung der Spieler gegenüber offengelassen – jeder Spieler soll nach dem Würfelwurf das konkrete Geschehen erzählerisch ausgestalten.
Das wäre nun in Kombination mit dem "Critical"-Basierten Modell der "Kippenden Waage" die "Grundstruktur" des Systems. Alle weiteren Details – Trefferzonen ja/nein, Waffen-Modifikatoren ja/nein, Weapon Reach ja/nein, feinkörnigere Manöver*, whatever – wären dann den spezifischen Gruppenvorlieben überlassen. Das System unterstützt Trefferzonen, Zonenrüstungen und "simulierende" Waffenwerte (Damage, Reach, Balanced/Unbalanced,...) genauso wie einen minimalistischen Zugang, der mit "Armor Suits" und "all Hits -> Torso" auskommt und alle Waffen gleich behandelt (keine Reichweite, Schaden -> ST-Tabelle, konkrete Bewaffnung ist nur "Fluff", etc.)
(Selbst die angegebenen Schadensboni und -mali sind im Grunde genommen optional, daher stehen sie nur in Klammern.)
* denkbar wären beispielsweise:
- Ausfall ("stark offensiv"): Diese Kampftaktik bedeutet "alles oder nichts" – sie ist äußerst riskant, kann aber schnell eine Entscheidung herbeiführen.
Bei einer "Margin of Success" von 5+ verursacht der Angriff einen Treffer mit min. TP ("Streiftreffer"/"Kratzer"/"Fleischwunde"). Ein Kritischer Erfolg bedeutet daher effektiv zwei Treffer – einen mit min. TP, einer mit max. TP!
Falls der Duellant die Runde "verliert" (d. h. in der kommenden Runde einen Malus erhält), zählt dies als kritischer Fehler mit allen Nebenwirkungen. Dies ist kumulativ zu einem etwaigen "natürlichen" kritischen Fehler.
Es gilt die nächstbessere Schwelle für Kritische Erfolge (z. B. 3-6 -> 3-7) sowie die nächstschlechtere Schwelle für Kritische Misserfolge (z. B. 17-18 -> 16-18).
(Schaden im Fall eines Treffers: +1/Würfel.) - Zurückweichen ("stark defensiv"): Der Duellant kann in dieser Runde keinen Schaden erhalten, kann jedoch auch keinen Schaden austeilen. Ein Kritischer Erfolg bedeutet daher bloß eine entsprechende Margin of Success. Ein Kritischer Fehler verletzt ihn zwar nicht, zwingt ihn aber trotzdem, auf der Critical Miss Table zu würfeln.
Erzielt der Gegner einen Kritischen Erfolg, muss der Duellant ebenfalls auf der Cricital Miss Table würfeln!
(Schaden im Fall eines Treffers: n. A.)
Etwas zusätzliche Spannung ließe sich eventuell dadurch erzeugen, beide Duellanten ihre nächste Kampfoptionen gleichzeitig deklarieren zu lassen – das sorgt für einige dramatisch interessante Kombinationen.
Wirkt das besser/"funktionaler" im Sinne meiner beschriebenen Zielrichtung?
Und wirkt das "gebalanced"?