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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Praion am 11.12.2012 | 07:53

Titel: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 11.12.2012 | 07:53
Grüße,

im Diary Bereich wird ja eifrig darüber diskutiert, ob jetzt ein Würfelwurf dazu führen sollte, dass mein Char verführt wird.
Natürlich geht das in die schöne und bekannte: Für Kampf brauch man Würfel, soziales kann man ausspielen + Nein, du kannst mich auch mit Überreden 34t4635300000ß0 Milliarden nicht dazu bringen DAS zu tun, ich lass mir von Würfeln nicht sagen wie mein Charakter handelt.

Ich musste da die ganze Zeit an den "Turn Someone On" Move aus Monsterhearts ("Das schwierige Leben von Teenager Monstern) denken. Deswegen hier die Regelstelle in der der Move erklärt wird.

Zitat
Turn Someone On
When you turn someone on, roll with hot. On a 10 up, take a String against them. • On a 7-9, they choose one: give themselves to you, promise something they think you want, give you a String against them.
When you use this move, you have the opportunity to step outside of your character role, and speak like an author would. Describe your character’s pouty lips, how the sweat rolls off their strong brow, and how they look silhouetted against the pale moon. Unlike other basic moves, this one can be triggered without a specific action being taken. If the player describes how arousing the scene is, without their PC actually doing anything other than standing around and looking sexy, the move can still be triggered.
This move implies something about sexuality, and particularly teenage sexuality. We don’t get to decide what turns us on. When you make a move to turn someone on (with a character action or with scene description), the other player doesn’t get to exclaim, “Wait, my character is straight! There’s no way that’d turn them on.” That’s a decision that we as players can’t make for our characters. The dice are going to be the ultimate referees of what is and isn’t sexy for these characters. Their own sexuality will confuse them and surprise them; it’ll show up in unexpected places and unlikely situations. Regardless of the results of the roll, however, each player still gets to decide how their character reacts. Being turned on by someone doesn't imply a particular action.

Erstmal finde ich das ziemlich genial. Heiße Charaktere können auch wirklich heiß sein und dies für ihre eigenen Zwecke verwenden ohne das es dauernd von jemandem abgeblockt wird aus was-weiß-ich-was-Gründen (ingame/outgame)
Natürlich kann es auch nach hinten losgehen und dann mache ich einen harten Zug als SL aber das ist für die Diskussion nicht so wichtig.

Was das zeigt ist, dass in diesem Spiel die Kontrolle über den eigenen Charakter nicht absolut ist. Dies dient dazu, das Genre zu emulieren und zu zeigen wie verwirrend und ggf. beängstigend Sex und sexuelle Macht sein kann. (z.B. wenn einen der gruselige Ghoul mit Cold anturnt - was sagt das über meinen Charakter, dass er das heiß findet?)
Gleichzeitig bekommt der würfelnde nicht die volle Kontrolle über meinen Charakter. Meiner findet ihn interessant und heiß in diesem Moment. Wenn ich nen String vergebe dann hat das auch Nachwirkungen.
Wenn ich nicht will, das dies wirklich längere Auswirkungen hat, dann verspreche ich eben was, von dem ICH denke, dass der Verführer es will.

Gleichzeitig finde ich das auch sehr cool, das sexuelle Ausrichtung kein Thema ist. Das ermöglicht auch in einer "Mega-Hetero-Macho" Gruppe, dass der Turn Someone On Move gegen andere Spieler verwendet wird. Der wäre sonst tod (weil ich gegen NPCs wesentlich besser mit Manipulate vorgehen kann).

Die Frage ist jetzt, brauchen wir sowas in allen Rollenspielen?

Erstmal gibt's Systeme/Settings/Core-Stories in denen Sex überhaupt nicht wichtig ist. Vampire (je nach Lesart) z.B. könnte dazugehören als auch meistens DSA.
Da wird es nach Erfahrung meist nur wichtig, wenn man Katzenhexen oder Rahjanis uä dabei hat.

DAS Interessanteste für mich ist aber auch die Idee, dass ich nicht völlige Kontrolle über meinen Charakter haben muss um ein spannendes Spiel zu haben. Wie auch immer.

Vielleicht als Eingangsfrage,
Was haltet ihr von diesem Move/Dieser Regel und den Implikationen am Spieltisch die daraus entstehen?
Könntet ihr sowas spielen oder wäre das gleich ein Dealbreaker für euch wenn "jeder" euren Charakter so einfach verführen kann?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: LöwenHerz am 11.12.2012 | 08:05
Dazu ein paar Gedanken:

ich finde gar nicht, dass die Kontrolle über den eigenen Charakter absolut ist, um Deine passende Wortwahl aufzugreifen. Jeder Abenteurer gibt auch immer ein Stück Kontrolle ab. Man setzt sich Gefahren aus und weiß grob, auf was man sich einlässt. Umso wichtiger empfinde ich es, dass gewisse Dinge auch im Laufe der Zeit (bei neuen Gruppen gleich zum Start) besprochen werden. Denn jeder Spieler hat seine eigenen persönlichen Grenzen. Und diese muss man nicht spielfördernd übertreten, sondern gefälligst einhalten. Das hat halt etwas mit Respekt zu tun.

Ich finde auch nicht, dass es Regeln braucht, wo die Kontrolle über den Charakter endet und wo sie grenzwertig ist. Ich kann ja nur für meine Gruppe sprechen. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit unter Freunden, die Grenzen bei dem jeweils Anderen nicht zu übertreten. Und zur Not hilft eine kurze und präzise outgame Frage. Es ist ja nicht so, dass man gewisse Dinge am Tisch nicht auch schnell klären kann.


Für mich persönlich kommt es nicht infrage, dass jemand mir die Kontrolle komplett entreißt, was spezielle Dinge angeht. Diese wären Sex, Vergewaltigung, Schändung und dergleichen mehr. Andererseits habe ich kein Problem damit, wenn mein Charakter beherrscht wird. Ich würde ihn sogar nach Vorgaben des SL wider der Gruppe oder seiner Prinzipien spielen. Also eigentlich gar kein großes Thema ;)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Shield Warden am 11.12.2012 | 08:27
Sehe ich ähnlich wie Luxferre.

Als Spieler bin ich den Meisten Dingen gegenüber offen, habe aber natürlich meine Grenzen. In dem angesprochenen Beispiel im Diary ist mir zum Beispiel vor allem aufgestoßen, wie beliebig die Steuerung der Ereignisse ausgewürfelt und wie präpubertär mit dem Thema Sexualität letztlich verfahren wurde ("boah krass ey, der is so ein fetter Hengst, der is mindestens drölf Zillionen Mal in dir gekommen, hat dich ins Koma geknattert und du bist jetzt von Zwillingen schwanger!").
Eine Grenze ist bei mir vor allem die Mitbestimmung über meinen Charakter. Generell steige ich bei Formulierungen, wie "du findest NSC XY plötzlich voll toll und sexy" gedanklich aus. Das ist mir zu plump, um da noch irgendwie im Charakter zu bleiben. Bitte wenigstens mit Begründung und für mich auch nachvollziehbar (z. B. in Form eines klar angesagten Würfelwurfs und seiner möglichen Konsequenzen) und am Besten überlässt du es mir, die Konsequenz anhand meiner Vorstellungen vom Wesen meines Charakters zu definieren, das kann ich nämlich auch ganz gut alleine. Dann sag ich dem SL als Spieler, nach dem ich auf seine Würfel geschaut habe:

"Uff, okay. Also gut, ich merke, dass die junge Frau, die ich verführen wollte, nicht nur unglaublich hübsch ist, sondern auch noch das Spiel besser beherrscht als ich. Ich vergesse die Zeit und verliere mich in ihren Augen. Gibt es irgendeine Möglichkeit, da wieder raus zu kommen? (nach Regeln!) Nicht? In Ordnung, dann hoffe ich mal, dass irgendeinem in der Gruppe auffällt, dass Charakter XY dabei ist, abgeschleppt zu werden! Anyone?"

Ob es Regeln für Sexuelles in jedem Rollenspiel braucht? Ich denke nicht. Ich hatte durchaus schon Spieler und Spielerinnen die vor Beginn explizit darum gebeten haben, alles was mit Sex zu tun hat, außen vor zu lassen. Und gerade so prekäre Themen wie Vergewaltigung sind für mich absolute Warnschilder. Da gehe ich als SL nur bei Spielern, die ich kenne, in diese Richtung und spreche das vorher ab, vor allem wenn es ihren Charakteren passieren soll, was nur unter sehr speziellen Umständen in meinen Augen eine dramaturgisch wertvolle Funktion erfüllen dürfte. Um zu zeigen wie krass brutal und fies die Welt ist, ist das für mich eher ein Wink mit der Litfaßsäule und oft übertrieben bis peinlich.

Letztlich, nochmal auf das Beispiel bezogen, helfen die besten Regeln der Welt nichts, wenn Spieler  und / oder SL völlig unreif an sensible Themen wie Sexualität rangehen. Es ist nunmal so, dass das bei vielen noch einen anderen Stellenwert genießt, als Gewalt, weswegen allzu pubertärer Umgang mit Letzterem vielleicht eher mal akzeptiert wird, was allerdings auch nicht für mich persönlich gilt.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 11.12.2012 | 08:29
Vielleicht habe ich das Beispiel falsch verstanden, aber angeturnt sein, ohne dass irgendwelche crunchigen Handlungs-Konsequenzen daraus erwachsen, finde ich als Regel ziemlich überflüssig.
Aber was bedeuten die Strings? Hat das irgendwelchen Crunch?

Strings sind quasi Gummipunkte die du nur gegen diejenige Person nutzen kannst von der du sie hast. Strings sind an sich soziale und emotionale Macht die du über Leute hast.
Du kannst sie benutzen um
* +1 auf deinen eigenen Wurf zu haben
* -1 auf ihren Wurf gegen dich zu geben
* Ihnen einen Punkt Erfahrung geben, wenn sie tun was du möchtest
("Hey, nimm 1 Erfahrung wenn du mir Dan heute Abend vom Leib hälst." Es braucht 5 XP für ein Level Up)
* Du kannst sie zwingen vorher ein "Hold Steady" würfeln zu müssen wenn sie eine bestimmte Aktion tun können
* 1 zusatzlichen Schaden anzurichten wenn du ihnen Schaden zufügst
* Einen Zustand auf sie zu legen (Zustände wie z.B. Looser, Bitch, Angst, Bekippt mit Orangensaft. Zustände können für +1/-1 verwendet werden)


Und manche SKins haben noch extra Sachen die du mit Strings machen kannst. Im Grunde ist das DIE Zentrale Mechanik in Monsterhearts und wenn jemand 3-4 Strings von dir hat dann kann er dein Leben ordentlich versauen, oder zumindest stark beeinflussen.

(Strings gegen NPCs sind noch stärker)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Turning Wheel am 11.12.2012 | 08:33
Okay, danke, das mit den Strings klingt gut.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 11.12.2012 | 08:39
Okay, danke, das mit den Strings klingt gut.

Hinzu kommen noch Sex Moves, also bestimmte Mechaniken die genau dann passieren, wenn du Sex mit jemandem hast (die müssen nicht gut sein) aber sind meistens interessant und motivieren dich weiter Sex in das Spiel zu bringen.

Um also ganz sicher jemanden direkt rumzukriegen musst du nen String auf denen haben, sie müssen dem "Angebot" zustimmen (und bekommen XP dafür) und Sexmoves werden ebenso aktiviert (was heißen kann, dass sie danach mehr Kontrolle über dich haben).

LEtztendlich müssen beide Spieler dem zustimmen aber können die Möglichkeit davon nicht ablehnen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: blut_und_glas am 11.12.2012 | 09:05
Letztlich, nochmal auf das Beispiel bezogen, helfen die besten Regeln der Welt nichts, wenn Spieler  und / oder SL völlig unreif an sensible Themen wie Sexualität rangehen.

That's what she said!

Oder:

Ist es nicht eigentlich ganz nett, dass auch das Rollenspiel eine Plattform bietet, um eben doch völlig unreif an sensible Themen wie Sexualität heranzugehen?

(Was übrigens nicht im Gegensatz, sondern im Einklang zum entscheidenden Schlüsselwort "(gegenseitiger) Respekt" steht.)

mfG
jdw
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Shield Warden am 11.12.2012 | 09:14
Es gibt Grenzen und nicht jeder, der diese nicht überschreiten will, ist ein Spielverderber ;)

Natürlich ist es nett, sich im Rollenspiel austoben zu können. Aber die Softskills sollte ich sogar als Rollenspieler mitbringen, das nicht unbedingt mit Wildfremden auf einer Con zu machen, zumindest nicht mit Themen wie Sexualität. Ist natürlich schwer zu sagen und ich kann mich auch täuschen, aber auf das genannte Beispiel im Diary bezogen hab ich jetzt unhinterfragt eher bezweifelt, dass das gewollte Satire / Albernheit war und der entsprechende SL im echten Leben viel reifer an die Sache herangeht. Zumal ich solche Kaliber durchaus schon am Tisch habe erleben "dürfen". Wenn die sich also gar nicht gehen lassen, sondern einfach sie selbst sind, ist das schon grenzwertig.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: blut_und_glas am 11.12.2012 | 09:20
Aber die Softskills sollte ich sogar als Rollenspieler mitbringen, das nicht unbedingt mit Wildfremden auf einer Con zu machen, zumindest nicht mit Themen wie Sexualität.

Was mag wohl mit der Klammer im letzten Beitrag gemeint gewesen sein? ;)

(Merke: Offensichtlich doch alles langwierig ausformulieren.)

Nochmal: Das Schlüsselwort ist und bleibt natürlich Respekt.

Daraus lässt sich aber ja eben gerade nicht ableiten, dass immer und überall ein besonders "reifer" Umgang mit besonders "sensiblen" Themen notwendig (oder überhaupt angezeigt?) ist. Die Situation ist entscheidend, und da wir hier ja gerade nicht (mehr) im Diary sind, sehe ich auch weniger Anlass mich auf die dort geschilderte Situation zu beschränken.

mfG
jdw
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Gunnar am 11.12.2012 | 09:26
Also grundsätzlich sehe ich das auch so wie Luxferre und kann Shieldkrötes Beitrag nur unterstreichen. Das gilt gerade, wenn ich mit relativ unbekannten Mitspielern eines der großen bekannteren Rollenspiele wie DSA, SR, SW, D&D oder ähnliches spiele.

Wenn man sich in einer (am besten schon eingespielten) Gruppe darauf einigt ein solches (Indie?-)System zu spielen, das spezielle, klar definierte und für diese Art von Rollenspiel essentielle Regelmechanismen anbietet, dann kann so ein Rollenspiel wohl funktionieren und auch allen Beteiligten Spaß machen.

Wichtige Voraussetzungen wären meiner Meinung nach, dass
- alle Beteiligten auf sowas Bock haben und bereit sind sich darauf einzulassen.
- alle vorher wissen, worauf sie sich eingelassen haben (Systemkenntnis)
- und bei Bedarf auch während des Spiels nochmal darauf hingewiesen wird, wie das jetzt alles abgehandelt wird/ werden könnte
- ein Vetorecht bzw. das Recht sofort auszusteigen besteht , wenn es jemanden zu bunt wird & Mitspieler, die ein solches Veto ernst nehmen

Meine Neugier hat Praions Beispiel schon geweckt und ich würde unter den eben genannten Voraussetzungen sowas auch ausprobieren wollen. Bin mir jedoch keineswegs sicher, ob mir das auf Dauer Spaß machen würde... Eine Chance würd ich dem Spiel aber geben.
Von den 9 Spielern, die sich in meinen beiden festen Gruppen befinden gibt es meiner Einschätzung nach allerdings nur einen, maximal zwei, die solch einem Rollenspiel eine Chance geben würden. Keine Ahnung, wie sich das jetzt in der Rollenspielgemeinde insgesamt verhält, also wieviele Leute es gibt, die so was spielen wollen würden... 
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Shield Warden am 11.12.2012 | 09:33
(Merke: Offensichtlich doch alles langwierig ausformulieren.)

Ja, du bist halt doch von dummen Menschen umgeben, die dir alle nicht in den Kopf gucken können. Reality hits you hard, bro'. ;)

Aber ja, du hast deinen Standpunkt klar gemacht, verstehe.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: aingeasil am 11.12.2012 | 09:46
Das Problem an Sexuellen Übergriffen - ich nehme extra den negativen Begriff - ist meist, dass ein missglückter Wurf (im Schlimmsten Fall darf man sich nicht mal irgendwie verteidigen) oder eine Beschreibung alles abgehandelt hat. Vom Auftreten des Gegenübers über den Anmachversuch über den potentiellen Verlauf des Kennenlernens bis man in der Kiste landet und dann womöglich als weiblicher Charakter noch mit Folgeerscheinungen zu kämpfen hat - vom Kind bis zum Rufmord ("Schlampe") - womit männliche Charaktere weniger zu kämpfen haben. Klar, dass da der Vergewatigungsgedanke naherückt.
Im Gegenzug dazu ist es bei Kämpfen meist so, dass man mehr als eine Chance hat, die eigene Niederlage abzuwenden. Damit kommt einem der Glücksfaktor weniger gewichtig vor.

Zum anderen sind solche Verführungsspielchen meist eine Sache zwischen einem Spielenden und dem Leitenden - die anderen Spieler sind außen vor. Und wenn nun dieses Verführungsspielchen genauso lange wie ein Kampf dauern würde, dann kann man daraus in manchen Systemen ein Ein-Mann-Abenteuer machen.

Ich glaube, wenn man mit sexuellen Konflikten präziser umginge und sie weder verharmlosen/durch"rushen" ("(ich) Würfel mal auf Verführen, dann passt das schon") noch ins Lächerliche ziehen würde ("boah, der is echt potent"), dann wären sie wesentlich seltener Situationen, in denen sich jemand unwohl fühlt.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Beral am 11.12.2012 | 09:59
DAS Interessanteste für mich ist aber auch die Idee, dass ich nicht völlige Kontrolle über meinen Charakter haben muss um ein spannendes Spiel zu haben. Wie auch immer.
Das sehe ich auch so. Zu einer allgemeinen Regel kann man das trotzdem nicht machen, weil es längst nicht jeder Spieler verkraftet. Viele Menschen sind mit einem Not-Ich ausgerüstet, das sie wie eine Schutzmauer tragen. Dahinter ist zu wenig Stabilität, um den Schutzwall auch mal fallen lassen zu können. Eingriffe in ihr Seelenleben - oder das der Figur, mit der sie sich gerade identifizieren - werden nicht als spielerischer Akt, sondern als Bedrohung erlebt. Im Endeffekt führt es zu einer Blockade des Spielers und zu garantiert unfruchtbaren Diskussionen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Deep One am 11.12.2012 | 11:51
Zunächst einmal dankeschön, dass Du das Thema so ausführlich aufbereitet hast, Praion. :)

Die Frage ist jetzt, brauchen wir sowas in allen Rollenspielen?

Nein, um Gottes Willen, nein. Ich hab' schon früh mit dem Rollenspiel angefangen, in einer Phase, als wir für unsere SCs die Schwanzlänge mit W4xW10 cm ausgewürfelt haben, und wenn ich mir nur eine Regel vorstelle, die sagt "Dein Barbar findet meinen Barden jetzt voll scharf höhöhö" ... nein. Nein, wirklich nicht.
 
Was haltet ihr von diesem Move/Dieser Regel und den Implikationen am Spieltisch die daraus entstehen?

Wenn ich die Regel richtig verstanden habe, ist mein SC halt erregt, aber ich kann die Sache ansonsten ignorieren. Gut, ist mein SC halt etwas metrosexueller, als ich es mir vorgestellt hätte, da käme ich vermutlich in dem speziellen Spiel drauf klar.

Andererseits, ich bin in den 40ern und die meisten meiner Mitspieler auch und ich WILL GAR NICHT, dass mein 150kg-Kumpel detailliert beschreibt, warum sein Cheerleader-Püppi-SC von dem Quarterback-NSC sexuell erregt wird. Das ist doch eklig.

Könntet ihr sowas spielen oder wäre das gleich ein Dealbreaker für euch wenn "jeder" euren Charakter so einfach verführen kann?

In diesem speziellen Spiel? - Als PbP würde ich das wohl spielen, dann sehe ich nur die anderen SCs, nicht ihre 150kg-Spieler.

Generell, und wenn die Regel etwa lauten würde, Wurf gelungen=Dein SC springt mit dem NSC in die Kiste, dann wäre es ein 100%iger Dealbreaker weil

Nein, du kannst mich auch mit Überreden 34t4635300000ß0 Milliarden nicht dazu bringen DAS zu tun, ich lass mir von Würfeln nicht sagen wie mein Charakter handelt.

Nicht nur muß mein SC Sex mit wem haben, ohne dass er/sie und ich es wollen, er/sie und ich müssen auch noch so tun, als würde es uns Spaß machen. Das ist ja noch schlimmer als eine In-game-Vergewaltigung!
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 11.12.2012 | 12:03
1 bei diesem Spiel soll man sich auch mal unwohl fühlen.
2 wer sagt den, dass es die dabei Spaß gemacht hat? Der Sex kann auch einfach mal schlecht oder ne schlechte Idee gewesen sein.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Boba Fett am 11.12.2012 | 12:19
Mein Kleingeld:
Rollenspiel ist ein Gesellschaftsspiel und da setzt man sich zusammen um zu spielen.
Und um den mit dem Spiel verbundenen Unterhaltungswert zu geniessen.
Wenn am Ende einer frustriert in der Ecke sitz und so gar nichts vom Spiel hatte,
dann ist was schief gelaufen.
Bei Mensch-ärger-Dich-nicht könnte man vielleicht noch von einem schlechten Verlierer ausgehen, aber selbst da müsste man sich fragen, ob man zur Frustration des anderen durch die eigene (vielleicht zu offensive) Schadenfreude nicht beigetragen hat.
Im Rollenspiel, in der sehr vieles auf der "Metaebene" geregelt wird, gilt das noch viel mehr.

Man merkt doch während des Spiels durch das unmittelbare Feedback des Gegenübers, wie die Dinge die man ins Spiel einbringt ankommen. Wenn man was gutes Einbringt, spürt man die Begeisterung der anderen und wenn man daneben greift, spürt man das auch.
Das sind doch ganz grundlegende Elemente im zwischenmenschlichen Miteinander.
Klar schießt man auch mal übers Ziel hinaus, aber dann rudert man halt wieder zurück und ggf. entschuldigt man sich.

Die im Diary-Ursprungsthread beschriebenen Ereignisse wirken auf mich genauso.
"Übers Ziel hinausgeschossen und nicht bemerkt, dass man nicht nur aufhören sollte, sondern dass man gerade dabei ist das völlige Gegenteil dessen zu schaffen, weswegen sich Leute zum Rollenspiel zusammensetzen".
Das ist verzeihlich, wenn man die "Unerfahrenheitskarte" ausspielen kann, aber wenn sowas auf einem Con präsentiert, ist das eigentlich unverzeihlich.

Es geht hier nicht um einen "Dienstleistungsspielleiter", aber wenn man gemeinsam Rollenspiel macht, sollte man irgendwo im Hinterkopf die Frage haben, warum man sich eigentlich zusammengesetzt hat. Und auch, warum die anderen hier am Tisch sitzen...
Und die Antwort darauf sollte auch ein bisschen das eigene Verhalten steuern.

Und das gilt nicht nur zum Thema Sex im Rollenspiel, sondern ganz allgemein.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Gunnar am 11.12.2012 | 12:28
1 bei diesem Spiel soll man sich auch mal unwohl fühlen.
Soll man das? Steht das in den "Regeln"? Ich dachte ja immer, man trifft sich zum Rollenspiel, um gemeinsam Spaß zu haben? Da sollte doch das kooperative Element (auf Spielerebene) im Vordergrund stehen, oder? Wenn mein Charakter sich von jemanden, den ich als Spieler der Beschreibung nach eklig finden würde verführen lassen MUSS, dann nehme ich das auch auf Spielerebene persönlich und bekomme das Gefühl, dass mich jemand auf einer ziemlich abstrusen-psychologisierenden Ebene peinlich berühren möchte. Und dann könnte der mich mal ordentlich...
Wenn ich tätsächlich Bock darauf habe mich auf dieser Schiene irritieren zu lassen - ok, aber kannst Du als Mitspieler/ SL wissen, was mir zuviel ist? Ich denke nicht. Eine 100% Trennung von Charakter und Spieler ist keine Selbstverständlichkeit und kann m.E. auch nur annähernd, nicht aber vollständig erreicht werden.

Charakter vs. Charakter kann vielleicht bei manchen, recht speziellen Rollenspielen funktionieren, aber auf der Sex-Ebene würde ich unbedingt die Finger davon lassen, weil es hier leicht zu player vs. player werden kann. Ganz ungut.

2 wer sagt den, dass es die dabei Spaß gemacht hat? Der Sex kann auch einfach mal schlecht oder ne schlechte Idee gewesen sein.
Häh?  wtf? Kapier ich nicht. Kannst Du das bitte genauer erklären?


@Praion:
Kannst Du hier geäußerten Vorbehalte irgendwie nachvollziehen? Oder findest Du, wir sollten uns alle "mal locker machen"? Würde mich interessieren.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 11.12.2012 | 12:49
(z.B. wenn einen der gruselige Ghoul mit Cold anturnt[...]
Ich habe nichts verstanden.
Mit Ghoul ist ein Ghul gemeint?
Was ist Cold?
Mit anturnen ist 'geil finden' gemeint?

Zitat
Was haltet ihr von diesem Move/Dieser Regel und den Implikationen am Spieltisch die daraus entstehen?
Könntet ihr sowas spielen oder wäre das gleich ein Dealbreaker für euch wenn "jeder" euren Charakter so einfach verführen kann?
Kommt extrem auf das bespielte Genre an. Im Augenblick spiele ich eher Genre, wo Sex weniger wichtig ist.

Für mich persönlich kommt es nicht infrage, dass jemand mir die Kontrolle komplett entreißt, was spezielle Dinge angeht. Diese wären Sex, Vergewaltigung, Schändung und dergleichen mehr. Andererseits habe ich kein Problem damit, wenn mein Charakter beherrscht wird. Ich würde ihn sogar nach Vorgaben des SL wider der Gruppe oder seiner Prinzipien spielen. Also eigentlich gar kein großes Thema ;)
Was ist, wenn es bei einem Mitspieler genau andersrum ist: Er hat keine Probleme, seine Kontrolle bei Sex-Sachen zu verlieren, hat aber ein Problem damit, wenn sein SC beherrscht wird.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Nocturama am 11.12.2012 | 13:02
Die Frage ist jetzt, brauchen wir sowas in allen Rollenspielen?

Ich sage ganz klar: Nein, das brauchen wir nicht in jedem Rollenspiel. Monsterhearts ist, wie du schon sagst, gerade ein Spiel über Teenager, Sex und Macht. Wenn jemand mir vorschlägt, doch mal Monsterhearts zu spielen, dann weiß ich, dass es ziemlich sicher irgendwann um Sex gehen wird. Super, kein Problem, und ich weiß ja, worauf ich mich einlasse. Und vor allem: Mit wem. Ich würde Monsterhearts weder mit jemandem spielen wollen, der beim Wort „Sex“ peinlich berührt zusammenzuckt, noch mit jemandem, der es lustig findet, dass die Queen ihre Minions zum Gangrape vorbeischickt.

Sex ist nun mal, was in der Natur der Sache liegt, eine ziemlich intime Sache. Da redet nicht jeder gerne drüber, schon gar nicht vor einer Gruppe von Fremden. Den betreffenden Spieler in einem beliebigen Spiel zwingen zu wollen, das einzubringen, grenzt für mich schon an Belästigung.*

„Ja aber!“ heißt es dann wieder. „Dass deinem Krieger ein Bein abgeschlagen wird, da hast nichts dagegen, aber bei so ein bisschen Sex schon jammern…“
Na ja, da kommen mehrere Sachen zusammen. Erstmal ist meistens die reale Erfahrung mit Schwertkämpfern, die einen töten wollen, begrenzter als die mit Sex. Ich kann mir einfach besser vorstellen, wie sich ein Charakter fühlt, der in einer Bar angegraben wird, als einer, der auf einer schneebedeckten Ebene gegen Orks kämpft. Und wenn das dann in die unangenehme Richtung geht, können zu schnell Assoziationen an reale Situationen aufkommen. Keine Ahnung, wie es bei den Jungs ist, aber die meisten Mädchen machen irgendwann in ihrem Leben eine Situation mit, die bedrohlich und sexuell aufgeladen ist (sei es der grapschige Besoffene oder die drei Jungs in der Bahn, die nicht aufhören wollen, einen anzugraben). Das ist einfach näher an der Realität als die übliche Fantasykost.

Und seien wir mal ehrlich, die meisten Leute spielen nicht Rollenspiele, um sich hilflos und bedrängt zu fühlen. Da gibt es eine eigene Sparte Indiekram für, aber durchschnittlich ist das doch eher nicht das Ziel.
Ich unterstelle mal, dass die Spielerin der supersexy Priesterin gerade das gegenteilige Ziel hatte: Es ist eine Machtfantasie, die Frau zu spielen, die mit einem Fingerkrümmen jeden unter ihre Fuchtel bringt (während der männliche Mitspieler vielleicht nur das Sexobjekt sieht). So wie andere eben den muskulösen Schwertschwinger spielen, der sich nicht so leicht was sagen lässt. Die Priesterin gezielt zu erniedrigen ist so, als würde man den prahlerischen Barbarencharakter verstümmeln und zwingen, seinem Erzfeind zu dienen.
Nur dass sexuelle Gewalt ungleich näher an der Realität ist.
Ich greife mal gleich dem „aber das ist doch tolles Drama“-Argument vor: Ja, kann es sein. Nein, ist es nicht, wenn man kein Drama, sondern coole Säue spielen wollte. Wer eine coole Sau spielen will, der will mit Sicherheit keine Regeln im Spiel haben, die den Charakter entmachten oder gar erniedrigen.
Wenn der SL und das System mir vermitteln, dass ich eine coole Sau spiele und mir dann reinknallt, dass ich mich vom erstbesten Idioten abschleppen lasse (ob ich will oder nicht), dann ist das Etikettenschwindel.

Im unschönen Diary kam noch dazu, dass die Spielerin mit Sicherheit nicht damit gerechnet hat, dass ihrem Charakter so etwas passieren könnte. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gab es keine Stelle im Regelwerk, die besagt: „Nach zehn Punkten Verführungsschaden bespringt dich der zu Verführende, bis du ohnmächtig wirst.“ Woher sollte sie also wissen, dass ihrem Charakter das passieren kann? „Der Ork haut mit dem Schwert nach dir“ hat sehr viel klarere Auswirkungen.
Hätte das Regelwerk so eine Stelle gehabt, hätte sie mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Verführungsversuch gestartet. Braucht man deshalb so eine Regel? Nein, bitte nicht.
Dann lieber diese Regel: Wenn du Sex, sexuelle Gewalt, Folter oder krasse Gewaltdarstellungen ins Spiel einbringen willst, musst du alle Mitspieler um Erlaubnis fragen.




*Ich habe ja schon mal geschrieben, das ich als Frisch-SL im zarten Alter von 15 oder so von zwei männlichen Mitspielern genötigt wurde, jetzt doch mal zu beschreiben, was für Nutten so in einem Bordell wären und was die so machen (weil die Charaktere natürlich in einer Stadt zuerst ins Bordell gehen müssen). Damit konnte ich in dem Alter überhaupt nicht umgehen und, ja, das war für mich auch völlig unerwartet. So hatte ich mit meinen Freunden nie gespielt! Natürlich fand ich das extrem unangenehm und wollte nicht mitmachen. Die beiden Jungs haben den Schutzmantel von „das ist ja alles nicht echt, deshalb ist es okay“ ausgenutzt, um sich an meinem Ekel (und ihrer Macht) aufzugeilen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 11.12.2012 | 13:09
Wenn der SL und das System mir vermitteln, dass ich eine coole Sau spiele und mir dann reinknallt, dass ich mich vom erstbesten Idioten abschleppen lasse (ob ich will oder nicht), dann ist das Etikettenschwindel.
Wenn der SL und das System mir vermitteln, dass ich eine coole Sau spiele und mir dann reinknallt, dass ich mich vom erstbesten Ork besiegen lasse (z.B. D&D auf Stufe 1), ist das dann auch Etikettenschwindel?

Und wenn ich mir so die meisten Standard-RPGs anschaue, dann wollen die meisten Systeme eher vermitteln, dass du eine coole Kämpfersau bist und keine coole Verführer-Sau.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Skiron am 11.12.2012 | 13:10
Nocturama sehr gutes Post. :)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 11.12.2012 | 13:13
Na ja, da kommen mehrere Sachen zusammen. Erstmal ist meistens die reale Erfahrung mit Schwertkämpfern, die einen töten wollen, begrenzter als die mit Sex.
Zu meiner persönlichen Erfahrung: Sex und Schwertkampf habe ich schon beides life erlebt.
Vergewaltigung hatte ich noch nie erlebt, aber ich war bei einem Schwertkampfunfall dabei, wo jemand anschließend ins Krankenhaus musste. (Hat glücklicherweise überlebt.)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Samael am 11.12.2012 | 13:17
Zu meiner persönlichen Erfahrung: Sex und Schwertkampf habe ich schon beides life erlebt.

Ja, und dein Gegner wollte dich umbringen?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 11.12.2012 | 13:20
Ich vergleiche eher:
1) einvernehmlicher Sex <-> einvernehmlicher Schwertkampf.

2) Sex gegen meinen Willen <-> Schwertkampf bei dem mich jemand umbringen will.


Punkt 1 habe ich schon erlebt. Punkt 2 habe ich noch nicht erlebt. Allerdings habe ich eine Zwischenstufe aus Punkt 1 und Punkt 2 erlebt: Schwertkampf, bei dem BEINAHE jemand umgekommen ist. Das würde ich dann sozusagen als Punkt 1.5 werten.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Nocturama am 11.12.2012 | 13:21
Wenn der SL und das System mir vermitteln, dass ich eine coole Sau spiele und mir dann reinknallt, dass ich mich vom erstbesten Ork besiegen lasse (z.B. D&D auf Stufe 1), ist das dann auch Etikettenschwindel?

Ja, wenn das Spiel sagt: "Besiehe hundert Minions, während deine Hand auf dem Rücken festgebunden ist!" und ich dann von einer Hauskatze getötet werde, dann ist das Etikettenschwindel.

Zu meiner persönlichen Erfahrung: Sex und Schwertkampf habe ich schon beides life erlebt.
Vergewaltigung hatte ich noch nie erlebt, aber ich war bei einem Schwertkampfunfall dabei, wo jemand anschließend ins Krankenhaus musste. (Hat glücklicherweise überlebt.)

Das tut mir für ihn leid. Ich unterstelle trotzdem mal, dass ihr normalerweise nicht auf Leben und Tod kämpft und das Ganze aus Spaß betreibt.

Und auch wenn es bei dir nicht so ist: Bitte glaub mir, dass für die meisten Spieler emotional ein Unterschied ist, ob ihr Charakter verletzt oder ob er zum Sex gezwungen wird (auch wenn es sich dabei um eine misslungene Verführungsprobe handelt).
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Samael am 11.12.2012 | 13:23
Aha, also für dich im Speziellen, als butig-erfahrenen Schwerkämpfer, gilt dann meinetwegen Nocturamas Analogie nur eingeschränkt.

Ich persönlich finde ihren Beitrag jedoch sehr gelungen und stimme ihm voll und ganz zu.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Deep One am 11.12.2012 | 13:25
1 bei diesem Spiel soll man sich auch mal unwohl fühlen.

Ach so, na dann soll das tun, wer es mag. Ich kann mich im richtigen Leben nach Herzenlust unwohl fühlen, wenn ich das will, brauch' ich nicht Rollenspiel für zu machen.

2 wer sagt den, dass es die dabei Spaß gemacht hat? Der Sex kann auch einfach mal schlecht oder ne schlechte Idee gewesen sein.

Echt? -Wenn ich wen attraktiv fand, war schlechter Sex bisher immer noch besser als gar keiner.  :D
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 11.12.2012 | 13:27
Ja, wenn das Spiel sagt: "Besiehe hundert Minions, während deine Hand auf dem Rücken festgebunden ist!" und ich dann von einer Hauskatze getötet werde, dann ist das Etikettenschwindel.
Ja, und wenn das System sagt: "Verführe hundert NSCs, während du unsexy Kleidung trägst.", und dann nichtmal einen notgeilen Bock rumkriegst, dann ist das auch Etikettenschwindel.

Und wenn das System sagt: "Lebe 100 Jahre in Keuschheit in einer Hippie-Kommune." und dich dann vom erstbesten NSC zum Sex abschleppen lässt, dann ist das auch Etikettenschwindel.

Aber darum geht es ja nicht. Es geht um ein klassisches Standard-RPG, wo du eine coole Sau spielst, aber OHNE Handicap. (Keine Hand auf den Rücken gefesselt, keine unsexy Kleidung, keine Hippie-Kommune etc.)

Zitat
Und auch wenn es bei dir nicht so ist: Bitte glaub mir, dass für die meisten Spieler emotional ein Unterschied ist, ob ihr Charakter verletzt oder ob er zum Sex gezwungen wird (auch wenn es sich dabei um eine misslungene Verführungsprobe handelt).
Ich glaube dir ja. Mich würde aber interessieren, warum das so ist.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 11.12.2012 | 13:35
Vielleicht als Eingangsfrage,
Was haltet ihr von diesem Move/Dieser Regel und den Implikationen am Spieltisch die daraus entstehen?
Könntet ihr sowas spielen oder wäre das gleich ein Dealbreaker für euch wenn "jeder" euren Charakter so einfach verführen kann?

Ich fände es großartig. Macht mit meinem Charakter, was ihr wollt! Es kommt dabei eine aufregenderere und spannendere Geschichte raus, als wenn ich ihn nur selbst verwalte. So wie der Charaktere jetzt ist, und wie ich ihn gerne hätte, kann ich mir auch alleine im stillen Kämmerchen vorstellen, dafür brauche ich keine Interaktion mit einer Spielgruppe.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Nocturama am 11.12.2012 | 13:43
Ja, und wenn das System sagt: "Verführe hundert NSCs, während du unsexy Kleidung trägst.", und dann nichtmal einen notgeilen Bock rumkriegst, dann ist das auch Etikettenschwindel.

Und wenn das System sagt: "Lebe 100 Jahre in Keuschheit in einer Hippie-Kommune." und dich dann vom erstbesten NSC zum Sex abschleppen lässt, dann ist das auch Etikettenschwindel.

Aber darum geht es ja nicht. Es geht um ein klassisches Standard-RPG, wo du eine coole Sau spielst, aber OHNE Handicap. (Keine Hand auf den Rücken gefesselt, keine unsexy Kleidung, keine Hippie-Kommune etc.)

Ja gut, dann halt: "Du spielst in diesem Spiel einen kompetenten Kämpfer". In Realität hat der aber nur eine 10% Trefferwahrscheinlichkeit. Fände ich auch Etikettenschwindel.

Es ging im Thread-OP außerdem um die Frage, ob man regelseitig abgesicherte Entmachtungen, vor allem bezogen auf die Sexualität, in jedem Rollenspiel braucht. Und da war mein Argument, dass die meisten Rollenspieler nicht spielen, damit ihr Charakter entmachtet wird, und dass die meisten Rollenspiele mir auch nicht suggerieren, dass mein Charakter entmachtet wird. Wenn das dann doch passiert, ist das schon irgendwie Schwindel.

Ich glaube dir ja. Mich würde aber interessieren, warum das so ist.

Also, wenn du nicht der Meinung bist, dass für viele Spieler Sex intim ist und deshalb nicht an den Spieltisch gehört, sowie für viele, vor allem weibliche, Spieler sexuelle Gewalt (worunter ich auch sowas wie Arschgrapschen zähle) eine präsentere Gefahr ist als ein Kampf auf Leben und Tod, dann weiß ich auch nicht, was ich noch sagen soll.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 11.12.2012 | 14:13
Ja gut, dann halt: "Du spielst in diesem Spiel einen kompetenten Kämpfer". In Realität hat der aber nur eine 10% Trefferwahrscheinlichkeit. Fände ich auch Etikettenschwindel.
Wie gesagt: Schau dir D&D auf Stufe 1 an. Oder schau dir irgendein beliebiges Standard- RPG auf Stufe 1 an: Da ist der SC in den seltensten Fällen kompetent. Das kommt erst mit der Zeit, obwohl das System einem Kompetenz verspricht.

Und zur 10%-Trefferwahrscheinlichkeit: Die Person wurde ja nicht von einem hässlichen NSC sondern von einem gutaussehenden NSC verführt. Das entspricht doch wenigstens dem Kampf gegen einen Oger.

Zitat
Es ging im Thread-OP außerdem um die Frage, ob man regelseitig abgesicherte Entmachtungen, vor allem bezogen auf die Sexualität, in jedem Rollenspiel braucht. Und da war mein Argument, dass die meisten Rollenspieler nicht spielen, damit ihr Charakter entmachtet wird, und dass die meisten Rollenspiele mir auch nicht suggerieren, dass mein Charakter entmachtet wird. Wenn das dann doch passiert, ist das schon irgendwie Schwindel.
Man spielt nicht, um entmachtet zu werden. Aber der Sieg schmeckt um so süßer, wenn man der Entmachtung entkommen konnte.

Klar spiele ich, um im Kampf zu gewinnen. Aber wenn ich weiß, dass ich nicht verlieren KANN, dann hat der Sieg kaum Bedeutung. Wenn ich jedoch weiß, dass ich der Niederlage, der Verstümmelung oder dem Charaktertod nur um Haaresbreite entronnen bin, dann schmeckt der Sieg viel süßer.
Der Sieg und die Macht, die man erringt, fühlt sich um so realer an, je härter ich sie mir erkämpft habe und je stärker sie auf den Spiel stand.

Sicherlich kann man auch RPGs spielen, in denen der SC nicht sterben kann. Aber bei vielen nimmt es den Reiz: Kein Spieler will, dass der SC stirbt. Aber die Spieler wollen die GEFAHR, dass der SC sterben KANN.

Zitat
Also, wenn du nicht der Meinung bist, dass für viele Spieler Sex intim ist und deshalb nicht an den Spieltisch gehört, sowie für viele, vor allem weibliche, Spieler sexuelle Gewalt (worunter ich auch sowas wie Arschgrapschen zähle) eine präsentere Gefahr ist als ein Kampf auf Leben und Tod, dann weiß ich auch nicht, was ich noch sagen soll.
1) Intimität: Klar, wenn jemand eine Sache intim findet und sie deswegen nicht am Spieltisch haben will, ist das nachvollziehbar.
Hier ist allerdings die Frage, ob es nur um die konkrete Beschreibung geht oder um die Sache an sich.

abstrakte Beschreibung: Du bist tot. / Du hattest Sex.
konkrete Beschreibung: Hier wird im Detail beschrieben, wie dir der Gegner den Bauch aufschlitzt, der Schmerz, der dir durch die offene Bauchdecke hindurchfährt, wie du dein Schwert fallen lässt und mit beiden Händen deine Gedärme hältst, die dir langsam aus dem Bauch quellen. Du versuchst, sie wieder hineinzustopfen, [...]
Hier wird im Detail beschrieben, wie der Sex war. Die Stellungen, die Gefühle etc.

Da ist es durchaus möglich, dass sich jemand nicht an der konkreten Situation sondern nur an der Detailtiefe, mit der die Situation beschrieben wurde, stört.

Des weiteren: Klar, wenn jemand Sex zu intim findet und diese nicht im Spiel behandeln will, dann ist es verständlich. Wenn jetzt jemand aber einen supersexy SC spielt, der NSCs verführen will, dann signalisiert das nicht unbedingt, dass man die Sache als zu intim fürs RPG empfindet.
Das ist so, als ob jemand einen Kämpfer generiert und dann keinen Kampf behandeln will. Oder ob jemand einen Priester generiert und dann nicht über Religion sprechen möchte. Oder jemand, der einen Wildnisläufer erstellt und dann nicht die freie Natur thematisieren möchte.

Durch die Charakterauswahl signalisiert man imho schon recht deutlich, welche Themen man im RPG thematisiert haben möchte. Und ein supersexy, flirtender Char der Fruchtbarkeitsgöttin gibt da imho schon recht eindeutige Signale.

2) weibliche Spieler: Ah, eine Einschränkung. Vorhin hattest du noch von Spielern allgemein gesprochen. Jetzt schränkst du das ganze auf weibliche Spieler ein. Das könnte evtl. tatsächlich eine Ursache sein, dass Frauen andere Erfahrungen als Männer gemacht haben und daher unterschiedliche Sachen unterschiedlich assoziieren.

Man müsste hier also unterscheiden, ob man in einer reinen Männerrunde, einer reinen Frauenrunde oder einer gemischten Runde spielt. Je nachdem, in welcher der drei Runden man spielt, kommt man dann zu unterschiedlichen Ergebnissen.

3) präsentere Gefahr: OK, welche Gefahr nun präsenter ist, hängt definitiv vom Geschlecht ab und in welcher Gegend man sich rumtreibt. Gerade in Großstädten gibt es aber auch einige Viertel, wo man nachts nicht alleine unterwegs sein möchte. - Unabhängig vom Geschlecht.

Und wenn ich mir die Kriminalstatistik für Deutschland (http://www.bka.de/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/pks__node.html) anschaue (Zusammenfassung (http://www.bka.de/nn_193232/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/ImkKurzberichte/pks2011Zusammenfassung,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/pks2011Zusammenfassung.pdf)), dann scheinen nur 0,8% Sexualdelikte zu sein, während Körperverletzungen immerhin 9% ausmachen. Selbst, wenn wir von einer Dunkelziffer bei Sexualdelikten ausgeht, scheint es häufiger zu Körperverletzungen zu kommen.
Und das deckt sich auch mit meiner eigenen Ansicht: Zumindest ich als Mann habe größere Angst davor, irgendwo zusammengeschlagen zu werden, in eine Messerstecherei zu geraten oder Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls zu werden als vor sexuellen Übergriffen.

Jetzt müsste man mal herausfinden, um deine These zu verifizieren, ob Leute, die Opfer von Gewalttaten wurden, beim RPG einen anderen Umgang mit Gewalt pflegen und ob dieser Umgang vergleichbar ist mit dem Umgang zu Sex.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Adanos am 11.12.2012 | 14:17
Allgemein gesprochen:

Selbstbestimmung sollte man zu einem gewissen Maß haben. Das wird durch das Genre und das Charakterkonzept bestimmt. Wer grim and gritty spielt, der wird wohl auch mit sexueller Gewalt konfrontiert werden, weil der Spielstil solche Szenen hergibt. Wer dagegen den Casanova spielt wird aber nicht von einem simplen NSC abgeschleppt werden. Warum? Weil es dem Konzept des Charakters widerspricht. In einem eher heroischen Spielstil passt es wenig, dass der SL die SCs als unfähige kleine Würstchen (egal auf welchem Gebiet) darstellt.

Problematisch wird es immer, wenn der SL in irgendeiner Weise den Spieler entmachtet und seinen SC Extremsituationen aussetzt. In einem gewissen Rahmen kann es ja für das Spiel positiv sein, dass der SC einfach am verzweifeln ist, aber mal ehrlich, was bringt es denn dem Spieler dauernd die Keule "Dein SC wurde vergewaltigt, geschwängert, gefoltert, verstümmelt" Keule ins Gesicht zu klatschen? Der SL zieht hier ja nicht nur eine one man show ab, sondern spielt mit seinen Spielern zusammen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Lord Verminaard am 11.12.2012 | 14:25
@ Nocturama: Schön gesagt und vollste Zustimmung.

@ Praion: Der Vorteil solcher Regeln ist natürlich, dass sie zugleich einen klaren Rahmen abstecken, sodass mit der Erklärung der Regel auch zugleich eine Erwartungshaltung kommuniziert wird (siehe auch Sex Move). Ich persönlich bin mit den Moves in Monsterhearts nicht so warm geworden, aber das hatte andere Gründe.

Mein Punkt im anderen Thread war aber, dass in einem konventionellen Spiel die Erwartungshaltung eine andere ist, und das zu Recht. Das ist auch eine Frage von Player Agency, Monsterhearts und andere AW-Derivate sichern Player Agency auf anderen Ebenen, aber bei konventionellen Spielen ist „ich entscheide, was mein Charakter denkt, fühlt und will“ so ziemlich die Gesamtheit der vorhandenen Player Agency und deshalb ist es auch gerechtfertigt.

Im Übrigen gibt es ja selbst in einem formalisierten Spiel wie Monsterhears noch ein fiktionales Positioning, das dir sagt, ob der Move „Turn Someone On“ in der gegebenen Situation überhaupt verfügbar ist. Siehe die aktuelle Serie von Posts auf anyway.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 11.12.2012 | 14:34
Das ist auch eine Frage von Player Agency, Monsterhearts und andere AW-Derivate sichern Player Agency auf anderen Ebenen, aber bei konventionellen Spielen ist „ich entscheide, was mein Charakter denkt, fühlt und will“ so ziemlich die Gesamtheit der vorhandenen Player Agency und deshalb ist es auch gerechtfertigt.
Das hat jetzt aber nichts mit Sexualität zu tun sondern ist eher eine Frage, inwiefern Beherrschungszauber auf SCs wirken sollten.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: 6 am 11.12.2012 | 14:41
@Nocturama: Schönes Posting. Dem stimme ich voll zu :)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Oberkampf am 11.12.2012 | 15:14
Gibt so einige Posts/Zeilen, unter die ich gerne mein +1 setzen würde, neben Nocturama auch Luxferre, Shieldkröte und Boba Fett.

Generell ist meine Meinung etwa so:

1. Sexualität im Rollenspiel:
Nicht so mein Ding, ich spiele in der Beziehung bis zum Level "frei ab 16", und nicht "frei ab 18". Monsterhearts ist logischerweise, so interessant ich das System finde, nicht gerade mein Genre. Ich liebe eigentlich Teenie-High School-Horror(!), aber Monsterhearts ist mir zu explizit.

2. Vorpubertäre Sprüche/Szenen im Rollenspiel:
Damit komme ich auf einer gewissen Ebene klar, solange es nicht andauernd ist, wieder aufhört und ganz klar als Ausnahmescherz gekennzeichnet wird. Dauernd wollte ich mir sowas nicht antun, und eher nicht von fremden Leuten.

3. Abhängigkeit des Charakterverhaltens von Würfeln:
Da bin ich meistens voll dafür. Zu dem Fall, auf den im anderen Thread Bezug genommen wird, bleibt allerdings anzumerken, dass es sich um eine Spielleiter-"Interpretation" der Regeln handelt und nicht auf einem sozialen Konfliktsystem beruht - und sowas kann ins Auge gehen (auch ohne sexuellen Bezug). Ich glaube, wenn man vorher - oder notfalls während der Spielsituation, aber deutlich besser vorher - abklärt, wie explizit man spielen kann (und ich neige da persönlich eher zum "Vorhang fällt"), kann man auch ein soziales Konfliktsystem für das Thema Sexualität im Rollenspiel anwenden, wie es Monsterhearts tut. Man muss nur respektieren, dass dieses Thema nicht unbedingt von jedem gerne zum Spielgegenstand erhoben wird.

4. Charakterdemütigung:
Da hat Nocturama mMn einen wichtigen Punkt getroffen: Die verführerische Frau ist auf ihre Art genauso eine (weibliche) Machtphantasie wie der muskelbepackte Barbar für uns Jungs (oder der coole Gentleman-Frauenheld wie James Bond usw.). Sowas kann man - unter bestimmten Prämissen - mal "dekonstruieren", aber mehr oder weniger willkürlich zerschlagen ist wohl nicht Sinn der Sache. Monsterhearts fordert den SL geradezu auf, FAN der SCs zu sein, und dazu gehört es garantiert nicht, bei der ersten Gelegenheit das Charakterbild bzw. den Charakterwunsch des Spielers zu zerschießen. Hier muss man schauen, inwieweit jedes rollenspielerische Konfliktsystem dazu geeignet ist, Charakteren ihre "Würde" (komisches Wort, triffts aber, glaube ich) zu lassen.

Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Boba Fett am 11.12.2012 | 15:21
Man spielt nicht, um entmachtet zu werden. Aber der Sieg schmeckt um so süßer, wenn man der Entmachtung entkommen konnte.

Klar spiele ich, um im Kampf zu gewinnen. Aber wenn ich weiß, dass ich nicht verlieren KANN, dann hat der Sieg kaum Bedeutung. Wenn ich jedoch weiß, dass ich der Niederlage, der Verstümmelung oder dem Charaktertod nur um Haaresbreite entronnen bin, dann schmeckt der Sieg viel süßer.
Der Sieg und die Macht, die man erringt, fühlt sich um so realer an, je härter ich sie mir erkämpft habe und je stärker sie auf den Spiel stand.

Das ist aber nicht das gleiche.
Wenn ich spiele, um zu gewinnen, dann spiele ich und bestimme selbst den Einsatz.
Und der kann - meinetwegen - auch der Tod des Spielercharakters sein.

In einer solchen Szene, wie beschrieben, wird aber der Spieler entmachtet und der Spielleiter bestimmt plötzlich den Einsatz.
"Würfel mal!" ... Und das, ohne zu wissen, was dann folgen kann.
In normalen Spielsituation sind Entscheidungen zu treffen und die möglichen Konsequenzen sind abzuwägen -> Aber die Konsequenzen sind einschätzbar.

Entmachtet bedeutet hier, dass der/die Spieler(in) sich plötzlich in einer Szene und Situation wiederfindet, zu der er/sie absolut nicht bereit war, so etwas zum Inhalt vom Rollenspiel zu machen.

Man spielt, um zu gewinnen. Und gewinnen kann man nur, wenn es auch die Option zu Verlieren gibt.
 Aber wenn "verlieren" bedeutet, dass einem im Detail erläutert wird, dass irgendjemand "wirklich oft in dir gekommen ist" und man zur Krönung des Ganzen dann geschwängert (und, wie um einen drauf zu setzen, mit Zwillingen) aus der Spielsituation wieder rausgeht...
dann wird wohl keiner sagen "genau um diesen Nerven-Kitzel zu erleben, spiele ich...

Ich frage mich die ganze Zeit bei der Debatte, wie männliche Rollenspieler wohl reagiert hätten, wenn auf einem Con-Rollenspiel bei einem unbekannten Spielleiter ihr "Social-Charakter" zum Informationen einholen losgezogen und nach missglücktem Wahrnehmungs- und Konstitutionswurf mitgeteilt bekommen hätten, dass sie von einem sympatischen Kerl betäubt und sexuell mißbraucht wurden, ihnen morgens mächtig der Hintern weh tut und der Geschmack aus dem Mund nicht weichen möchte. Ach ja, würfel mal - HIV haste auch...
Aber natürlich kann man SO eine Situation überhaupt nicht vergleichen und ausserdem wir sind ja alle nicht homophob, und deswegen sehen wir das als notwendigen Inhalt im Spiel, denn wer gewinnen will, muss ja auch verlieren können, oder? ;)

Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 11.12.2012 | 15:27
Ich habe nichts verstanden.
Mit Ghoul ist ein Ghul gemeint?
Was ist Cold?
Mit anturnen ist 'geil finden' gemeint?
Kommt extrem auf das bespielte Genre an. Im Augenblick spiele ich eher Genre, wo Sex weniger wichtig ist.
Was ist, wenn es bei einem Mitspieler genau andersrum ist: Er hat keine Probleme, seine Kontrolle bei Sex-Sachen zu verlieren, hat aber ein Problem damit, wenn sein SC beherrscht wird.

Ein Ghoul ist ein Ghul ja. War schon mal tod, wurde wiederbelebt und hat jetzt einen extremen Hunger nach Fleisch/Chaos/Angst oder Macht. Wenn er mit jemandem Sex hat kommt der extra Hunger "Sex mit dieser Person haben" dazu.

Cold ist einer der 4 Stats (Hot, Cold, Dark, Volatile) und sagt aus wie kühl, berechnend und unahbar dein Charakter ist

Mit anturnen meine ich das benutzen des "Turn someone on" Moves gemeint.

Ein Ghoul kann statt jemanden mit Hot anzuturnen das auch mit Cold machen. Gleichzeitig hat er einen Move, den er nehmen kann der das hier aussagt:

"Du erinnerst dich daran wie du gestorben bist. Wenn du jemanden davon erzählst gib ihnen den Zustand "Morbid" und würfle um sie anzuturnen". (was mit dem Zustand heißt, dass er noch einen +1 auf seinen Wurf bekommt)

Das heißt du findest evtl. den Ghoul sexuell interessant weil er dir erzählt hat wie er gestorben ist. Egal wie der tod war.
Sehr düster und creepy.


Restliche Antworten kommen später.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: LöwenHerz am 11.12.2012 | 15:27
Hier muss man schauen, inwieweit jedes rollenspielerische Konfliktsystem dazu geeignet ist, Charakteren ihre "Würde" (komisches Wort, triffts aber, glaube ich) zu lassen.

Ich finde Charakterwürde ein tolles Wort und sehe auch einen Bezug zu meiner Gruppe. Die Würde des Charakters ist in begrenztem Maße antastbar. Aber halt begrenzt. Wir sind uns darüber einig, in anderen Gruppen wird das sicherlich anders gehandhabt. Das ist auch okay, solange man mir nicht versucht zu erklären, dass meine Sicht der Dinge falsch ist. Denn das tue ich andersherum auch nicht. Bleibt also die Frage, warum ich hier eine sich ellenlang ausbreitende Diskussion lese und keinen Austausch im Sinne von: "bei uns wird es soundso gehandhabet, weil wir..." Wäre wünschenswert gewesen... schade!
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: pharyon am 11.12.2012 | 15:28
Grüße,
Vielleicht als Eingangsfrage,
Was haltet ihr von diesem Move/Dieser Regel und den Implikationen am Spieltisch die daraus entstehen?
Könntet ihr sowas spielen oder wäre das gleich ein Dealbreaker für euch wenn "jeder" euren Charakter so einfach verführen kann?
a) Die entsprechende Regelung ist für das Spiel bestimmt eine gute Möglichkeit, mit entsprechend sensiblen Themen umzugehen.
b) Ich könnte so etwas spielen - denke ich.

Zum Thema Macht und sensible Themen im Rollenspiel:
Das "Gute" an dieser Regelung ist mMn die Klarstellung der regelseitigen Auslegung. Was kann eine Fähigkeit mit dem Namen "Verführen/Betören" erreichen. Gut fände ich bei Rollenspielen, wenn diesem nicht selbstverständlichen Aspekt des Spiels Platz eingeräumt wird. DSA hat z.B. die o.g. Fähigkeit, kennt eine Erotik-Göttin und ihr dämonisches Gegenpart. Je nach Gruppe kann das Thema also aufkommen und da insbesondere bei mainstream-Spielen viele verschiedene Interessen zusammen kommen (können), sollte ein Regel- oder Fluff-Element zu entsprechenden Inhalten auch eine vernünftige default-Linie bereitstellen können.
Es kann unter bestimmten bedingungen viel Spaß machen, Kontrolle über das Spiel/den Charakter zu verlieren - allerdings will das nicht jeder und kann auch nicht jeder. D.h. dieser Bereich unterliegt dem Übereinkommen der Gruppe, sollte / darf also kommuniziert werden. Und Kommunikation über ein Spiel fängt mit dem Buch / Regelwerk an.

@ Nocturama: Ich kann deine Haltung absolut verstehen und nachvollziehen. Damit solche "Entgleisungen" wie im Diary nicht unbedacht stattfinden können, halte ich entsprechend Hinweise, Anleitungen, Impulse seitens des Regelwerkautors für sinnvoll. Auch wenn das bewusster Arschigkeit der Mitmenschen kaum vorbeugt.

@ Eulenspiegel: Was das D&D-Beispiel betrifft - wenn ich mich recht entsinne, ist Gewaltwirkung bei den D&D-Derivaten schnell "heilbar", selbst der Tod nur eine vorübergehende Phase, die den Charakter nicht nachhaltig beeinträchtigt. Wie verhlt sich das bei seelischer Gewalt?

p^^
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: LöwenHerz am 11.12.2012 | 15:36
Ein anderer Gedanke zu diesem Thema.

Ich spiel doch Rollenspiel, um unter anderem auch eine mächtigere Figur darstellen zu können, als ich es im RL bin. Etwas larger-than-life sozusagen. Mit feiner Abstimmung in die präferierte Spielwelt (highmagic, grimgritty, whatever). Ich spiele gern Leute, die sich über ihre Maße hinaus einem Ziel opfern, für etwas einstehen und bis zum letzten Tropfen dafür kämpfen. Eine solche, ehrenwerte Einstellung wäre im RL wohl eher fatalistisch mit suizidalen Tendenzen ;)
Denn im Rollenspiel habe ich Möglichkeiten, etwas zu bewegen. Mich mit Monstern zu messen und den Oberbösewicht wirklich auszuschalten. Denn es ist dort einfacher und das finde ich toll an dieser Art Spiel. Ich kann mit meinem Charakter Grenzen übertreten, heroische Taten vollbringen über die noch Generationen lang gesungen wird, ich kann Drachen töten oder auch das gute Imperium zu Grunde richten... doch im RL? Bin ich doch objektiv besehen eine Nullnummer. Ich habe 20 Angestellte. Und? Habe ich deswegen Macht? Bin ich einflussreich? Kann ich mein magisches Schwert nehmen und auf Abenteuer (aka Raubzug) ausziehen?

Und diese Macht wird über allen bekannte Regularien beschnitten, indem meine Gegner mich versuchen aufzuhalten. Doch ich weiß, ich habe immer eine Chance. Und wenn nicht heute, dann später (auf Stufe 8 ). Und dann kommt der Moment, wo mich der 140kg Brocken von Halbork gefangen nimmt, vergewaltigt und ausweidet.
Wie scheiße ist das bitte? (man verzeihe mir die direkte Wortwahl, das dient einzig der übertriebenen Kenntlichmachung)

Ich will das nicht. Ich brauche das nicht und es wird bei mir nicht vorkommen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 11.12.2012 | 15:49
@ Eulenspiegel: Was das D&D-Beispiel betrifft - wenn ich mich recht entsinne, ist Gewaltwirkung bei den D&D-Derivaten schnell "heilbar", selbst der Tod nur eine vorübergehende Phase, die den Charakter nicht nachhaltig beeinträchtigt. Wie verhlt sich das bei seelischer Gewalt?
Kommt darauf an:
HP sind relativ schnell heilbar.
Streng RAW kostet die Wiederbelebung auch permanente Ressourcen. Aber Geld hat man ab einen bestimmten Zeitpunkt genug vorhanden, da macht das nicht viel aus.

Was richtig eklig ist, sind Level Drain (dir wird permanent eine Stufe abgezogen) oder Attribut drain (dir wird permanent ein Attribut abgezogen).

Seelische Gewalt ist in D&D nicht geregelt. Das heißt, es liegt am Spieler, ob er das als permanenten Modifikator einfließen lassen will oder ob sich der SC davon schnell erholt. (Möglichkeiten, das ganze regeltechnisch zu handhaben, wäre z.B. der Attribut drain: Entweder Charisma drain oder Wisdom drain. - Wobei Wisdom ja nicht nur für Weisheit sondern auch für Willenskraft steht.)

Andere RPGs haben Regeltechnik für seelischen Schaden:
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 11.12.2012 | 16:15
Das hat jetzt aber nichts mit Sexualität zu tun sondern ist eher eine Frage, inwiefern Beherrschungszauber auf SCs wirken sollten.

Wir hatten das in unserer Runde so: Spieler dürfen sich nicht gegenseitig über Würfelwürfe beherrschen, egal ob durch Magie, Charisma oder andere Mittel.

NSCs/der Spielleiter dürfen aber würfeln und so SCs übernehmen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Deep One am 11.12.2012 | 16:28
OT:

Ein Ghoul kann statt jemanden mit Hot anzuturnen das auch mit Cold machen. Gleichzeitig hat er einen Move, den er nehmen kann der das hier aussagt:

"Du erinnerst dich daran wie du gestorben bist. Wenn du jemanden davon erzählst gib ihnen den Zustand "Morbid" und würfle um sie anzuturnen". (was mit dem Zustand heißt, dass er noch einen +1 auf seinen Wurf bekommt)

Das heißt du findest evtl. den Ghoul sexuell interessant weil er dir erzählt hat wie er gestorben ist. Egal wie der tod war.
Sehr düster und creepy.

Weißt, das kilngt für mich wie eine Verarsche der US-Gothic/Gruftie-Szene. "Oooh, Baby, ich bin so grymdarque, der Tod hat keinen Schrecken mehr für mich ... außerdem bin ich Chaosmagier. Willste mal meine Grymoire-Sammlung sehen?"
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 11.12.2012 | 16:39
@tartex
Ist bei euch den PvP zugelassen? Oder agieren die SCs immer gemeinsam gegen den Feind?

Wenn ich spiele, um zu gewinnen, dann spiele ich und bestimme selbst den Einsatz.
Und der kann - meinetwegen - auch der Tod des Spielercharakters sein.
In den wenigsten Systemen. Meistens bestimmt der SL, ob du beim Verlust gefangen genommen, ausgeraubt oder getötet wirst.

Und wenn du in einen Hinterhalt gerätst, kannst du noch nicht mal bestimmen, ob du die Herausforderung annimmst. Sie wird dir vom SL aufgezwungen.

Zitat
In normalen Spielsituation sind Entscheidungen zu treffen und die möglichen Konsequenzen sind abzuwägen -> Aber die Konsequenzen sind einschätzbar.
Wenn ich mich mit einer gutaussehenden Person des anderen Geschlechts in einer Bar treffe, mit der Person flirte und wir Wein trinken sind die Konsequenzen auch abschätzbar.

Mindestens so gut abschätzbar wie die Konsequenzen des Kampfes auf der Lichtung.

Zitat
Entmachtet bedeutet hier, dass der/die Spieler(in) sich plötzlich in einer Szene und Situation wiederfindet, zu der er/sie absolut nicht bereit war, so etwas zum Inhalt vom Rollenspiel zu machen.
Die Frage ist halt: Zu welchen Szenen ist der Spieler bereit und zu welchen Szenen ist der Spieler nicht bereit?
Und aus Interesse würde mich halt auch interessieren, woher die No-Gos bei manchen Spielern kommen.

Zitat
Aber wenn "verlieren" bedeutet, dass einem im Detail erläutert wird, dass irgendjemand "wirklich oft in dir gekommen ist" und man zur Krönung des Ganzen dann geschwängert (und, wie um einen drauf zu setzen, mit Zwillingen) aus der Spielsituation wieder rausgeht...
dann wird wohl keiner sagen "genau um diesen Nerven-Kitzel zu erleben, spiele ich...
Dazu hatte ich ja den Abschnitt über den Detailgrad geschrieben, wo ich mich über den Unterschied zwischen abstrakter Beschreibung und konkreter Beschreibung ausgelassen habe.

Und ja, dass man Siege lieber konkret beschreibt, während Niederlagen lieber abstrakt beschrieben werden sollten, ist mir auch schon aufgefallen. Allerdings kann ich diesbezüglich keine Sonderstellung von Sexualität festmachen.

Zitat
Ich frage mich die ganze Zeit bei der Debatte, wie männliche Rollenspieler wohl reagiert hätten, wenn auf einem Con-Rollenspiel bei einem unbekannten Spielleiter ihr "Social-Charakter" zum Informationen einholen losgezogen und nach missglücktem Wahrnehmungs- und Konstitutionswurf mitgeteilt bekommen hätten, dass sie von einem sympatischen Kerl betäubt und sexuell mißbraucht wurden, ihnen morgens mächtig der Hintern weh tut und der Geschmack aus dem Mund nicht weichen möchte. Ach ja, würfel mal - HIV haste auch...
Das kommt ganz auf die Situation an:
1) Spielt man eher heroisch oder eher dark&gritty?

2) Wie du schon sagtest, kommt es auch auf die Einschätzung der Konsequenzen an: Wenn ich mich mit einem gutaussehenden Kerl treffe und mit ihm flirte, erwarte ich bei Fehlschlag andere negative Konsequenzen als wenn ich losziehe, um mir Informationen z.B. vom Wirt zu holen oder während eines Pokerspiels.

3) Jeder Spieler reagiert unterschiedlich: Manche Charaktere jammern rum, wenn sie einen Level Drain bei D&D abbekommen. Andere Spieler jammern rum, weil sie bei Warhammer 40k einen Arm verloren haben. Andere Spieler jammern rum, weil sie bei einer Leiche in Cthulhu auf geistige Stabi würfeln müssen. Andere Spieler jammern rum, weil ihr SC in einem Kampf gestorben ist.

Es gibt so viele unterschiedliche Spieler, die alle die unterschiedlichsten No-Gos haben, dass sich das nicht auf "den männlichen Rollenspieler" verallgemeinern lässt.

Zitat
Aber natürlich kann man SO eine Situation überhaupt nicht vergleichen und ausserdem wir sind ja alle nicht homophob, und deswegen sehen wir das als notwendigen Inhalt im Spiel, denn wer gewinnen will, muss ja auch verlieren können, oder? ;)
Vergleichbar ist prinzipiell alles. Aber man sollte halt nicht nur die Gemeinsamkeiten sondern auch die Unterschiede im Auge behalten. Und die Unterschiede sind:
1) Abschätzbarkeit der Konsequenzen
2) gewünschte Thematisierung: Beschreibe ich meinen SC als schmächtigen, gutaussehenden Sunny Boy, der ein Hemd der Village People trägt, dann signalisiere ich damit etwas vollkommen anderes, als wenn ich meinen Social Char als James-Bond-ähnlich beschreibe. Und die wiederum signalisieren etwas vollkommen anderes, als wenn ich meinen SC als "in einem dunklen Mantel gehüllten Chamäleon" beschreibe.
3) Abtreibung ist leichter durchführbar als AIDS-Heilung.

Die Gemeinsamkeiten wären:
1) In beiden Fällen hat der SC seine Probe vergeigt.
2) In beiden Fällen ist Sexualität im Spiel.
3) In beiden Fällen gibt es eine andauernde Fluff-Beeinträchtigung, die nicht unbedingt eine regeltechnische Auswirkung haben muss. (Schwangerschaft bzw. Aids.)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Horatio am 11.12.2012 | 16:56
Hm.. ich weiß nicht ob mich der Thread in Teilen ärgert oder mir Sorgen macht.. irgendwas dazwischen (sind aber auch ein paar richtig gute Posts dabei).

Halten wir mal zwei Dinge fest die größtenteils Konsens in diesem Thread zu sein scheinen und die ich auch für richtig halte:

1. Es ist allgemein schlechter Stil und führt zu Missmut wenn plötzlich ohne Vorwarnung Dinge im Spiel auftauchen mit denen man nicht gerechnet hat bzw. eine Probe ein Ergebnis hat das für einen vollkommen unerwartet war und worauf man einfach keinen Bock hat.

2. Wenn ein Spieler / der SL etwas unerwartetes, übertriebenes / bizarres / lächerliches / aus dem Rahmen fallendes tut und zelebriert (Gonzo Play nennen die das im Fiasco Companion) dann ist das für den Rest fast immer ein unangenehmes Spielerlebnis.


Was mich stört / mir etwas Sorge macht, ist dass diese Problemstellung die ersten Gedanken sind die hier aufkommen, wenn man zum Thema Sex und Rollenspiele kommt! Der zweite ist direkt sexuelle Übergriffe und Vergewaltigung! Und hier wird Flirten / Verführen und als Folge davon Sex damit geradezu gleichgestellt!

Ich meine der durchschnittliche Rollenspieler hat mit Mord, Erpressung, Gedankenkontrolle, Folter und ähnlichen geringe Probleme.. aber mit Sex hat er es plötzlich?? Sex ist nicht gleich Vergewaltigung und ob man es glaubt oder nicht, wenn im realen leben zwei angetrunkene Personen die sich kaum kennen und den Abend mit Flirten verbringen im selben Bett aufwachen ist das auch von keiner Seite eine Vergewaltigung selbst wenn es eine oder beide Seiten bereuen..

Die beiden aufgeführten Probleme können im Rollenspiel mit allen Themen und in vielen Situationen auftreten. Warum ist das für so viele Leute der erste Gedanke wenn es um Sex geht?

Darf ich mal ein paar Beispiele machen wo Sex als zentrales Thema in meinem Rollenspiel vorkam (und zwar ohne dass da eine Vergewaltigung im Spiel war) und es unglaublich bereichert hat?

Fiasco (ja ein Drama-Indie; sue me):

In einer erfolgreich gewordenen Rockband gab es einen Zwist zwischen den beiden Bandgründern und ehemaligen besten Freunden weil der eine mit der Frau des anderen geschlafen hatte und diese daraufhi schwanger wurde, während der neue, für die Quote hinzugecastete Drummer-Schönling eine Affäre mit einem Roadie hatte die sich an der Band rächen wollte die ihn für ihre Zwecke manipulierte.

In einem High School Setting hat der allseits beliebte Checker der Schule die hübsche aber naive Tochter einer sehr traditionellen und religiösen Familie die in ihn verknallt war abgefüllt und verführt und ein falscher Schwangerschaftstest (= Ovulationstest anstatt Schangerschaftstest erwischt) führte zu entsprechenden Verwicklungen und einer missglückten Racheaktion die mit einem Toten endete.

In einem anderen Fiasco spielte ich einen homosexuellen Lehrer der mit seiner eigenen Sexualität nicht klar kam und von einem Schüler der ihn verführt wurde erpresst während er von der protestantischen Priesterin Vergebung für das alles wollte.


Ich kann auch andere Beispiele in traditionelleren Systemen nenne, in denen Sex weniger Zentral war; im klassischen Rollenspiel ist der Fokus, wie schon angeführt wurde, in der Regel ein anderer (ohne dass Sex meist in den hm.. literarischen Vorlagen oder selbst den Hintergrundtexten an sich drin ist; ein "das gibt es nicht" ist damit meist tatsächlich eine Gruppenentscheidung). Worum es mir hier ging, war zu zeigen, dass Sex Thema – sogar das Zentrale - von Rollenspiel sein kann ohne dass man notwendigerweise mit den aufgeführten Problemen zu kämpfen hat.

Wenn es zu Problemen am Spieltisch kommt, dann nicht wegen dem „an sich heiklen Thema Sex“ sondern meiner Erfahrung nach damit, dass es für viele Spieler ein allgemein unangenehmes Thema ist, dass aus der eigenen Comfort-Zone heraus geht und mit dem man nicht so ganz etwas anzufangen weiß. Oder anders gesagt: wenn ich mit den Leuten mit denen ich spiele nicht allgemein über das Thema reden kann, wie soll ich es dann erst im Spiel einbringen können?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Noir am 11.12.2012 | 17:03
Ganz einfache Geschichte bei mir: Wenn die Spieler NPCs "verführen" wollen, indem sie auf ihren "verführen"-Wert würfeln, dann müssen sie damit leben, dass das NPCs genauso tun können. Ich verstehe nicht, wieso ein SC da mehr geschützt sein sollte?

Vorausgesetzt natürlich, dass alle Werte bei den NPCs fair sind und die Würfel nicht "gehandwedelt" werden...
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Samael am 11.12.2012 | 17:11
Ich verstehe nicht, wieso ein SC da mehr geschützt sein sollte?

Einflusswürfe allgemein sind ein nützliches Mittel um die Auswirkung der SC auf ihre Umgebung neutral zu modellieren (Alternative wäre reine SL - Entscheidung aus Plausibilitätsüberlegungen - wie es in vielen RPGs im Prinzip läuft, i. d. R. weil die Interaktionsregeln dürftig oder nicht vorhanden sind).

Die allermeisten Spieler wollen aber ihren Charakter nach ihren Vorstellungen rollenspielen, und sich nicht durch Würfel voschreiben lassen was sie im Detail zu tun oder zu lassen haben. Deshalb sind die Interaktionregeln oft eingleisig SC -> NSC, aber nicht NSC -> SC (oder gar SC -> SC). GURPS etwa regelt das explizit so, D&D 3.x auch (Diplomacy wirkt nur auf NSC), andere Spiele sind da nicht so eindeutig, weshalb oft Uneinigkeit herrscht.



 
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder) am 11.12.2012 | 17:13
Die allermeisten Spieler wollen aber ihren Charakter nach ihren Vorstellungen rollenspielen, und sich nicht durch Würfel voschreiben lassen was sie im Detail zu tun oder zu lassen haben. Deshalb sind die Interaktionregeln oft eingleisig SC -> NSC, aber nicht NSC -> SC (oder gar SC -> SC). GURPS etwa regelt das explizit so, D&D 3.x auch (Diplomacy wirkt nur auf NSC), andere Spiele sind da nicht so eindeutig, weshalb oft Uneinigkeit herrscht.

Wirkt bei D&D 3.X "Charme Person" beispielsweise auch NSC-> SC? Falls ja, ist es dann wieder nicht eindeutig.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Samael am 11.12.2012 | 17:15
Die Diskussion gab es übrigens schon:

http://tanelorn.net/index.php/topic,75969.0.html


@Lorom
Magie ist was anderes (für viele Leute zumindest). Da handelt der Charakter ja ggf. unter Zwang, somit können auch keine Charakterkonzepte zerschossen werden.....

EDIt: Ich persönlich finde allerdings Systeme ziemlich ätzend, in denen ich ständig Gefahr laufe, dass mein Charakter per Magie zu bestimmten Handlungen gezwungen wird. Was macht am Rollenspiel denn Spass? Entscheidungen treffen! Nichts ist blöder als wenn man ständig die Kontrolle über seinen Charakter weggenommen bekommt.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 11.12.2012 | 17:32
@tartex
Ist bei euch den PvP zugelassen? Oder agieren die SCs immer gemeinsam gegen den Feind?

Das bezog sich auf eine andere Runde von mir. In der momentanen sind die meisten Mitspieler Neueinsteiger, die (noch) keine speziellen Präferenzen haben. Aber ich zitiere aus einem anderen Thread:

Zitat
Tatsächlich hatte ich aber einige meiner besten RPG-Session durch ein solches PvP und dem daraus folgendem Charakter- vs. Charakter-Geplänkel. Mich als (emergente) Story fokusierten Spieler turnt das sehr an. Auch wenn ich in dem Fall dann meinen coolen Charakter aufgeben musste und in einen NSC-Gegner umwandeln lies.

Normalerweise gemeinsam gegen den Feind, aber wenn ein Spieler mich anspielt (auch aggressiv), freue ich mich und spiele zurück. Ein glosender Konflikt, der als Seitenhandlung  immer wieder von den Spielern in den Plot selbständig engeflochten wird, ist sowas von klasse!
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Drudenfusz am 12.12.2012 | 02:16
Rede normallerweise ob Sexuallität überhaupt in der Kampagne ein Thema sein kann, wenn auch nur ein Spieler der Runde das nicht will, passiert nichts in diese Richtung.

Zum Würfeln in Runden wo Sexualität vorkommen kann: Bei mir hat der Spieler immer die Wahl Nein zu sagen (außer es findet gerade tatsächlich eine Vergewaltigung statt), das eißt selbst wenn ein Charakter erfolgreich verführt ist, bedeutet das das man vielleicht durchaus Lust verspürt, aber man kann immer noch Nein sagen, weil Menschen halt nicht nur Hormongesteuert sind sondern auch Entscheidungen treffen können die nicht nur der reinen Lust folgen. Die einzige Ausnahme ist wenn ein Spieler sich einen Nachteil genohmen hat der ihn dann quasi zu etwas zwingt, aber da hatte der Spieler ja zumindest bei der Charaktererschaffung mal die Wahl zu entscheiden das zu nehmen oder es sein zu lassen und dann im Spiel die entscheidungsfreiheit zu behalten.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: aingeasil am 12.12.2012 | 09:51
Bei mir hat der Spieler immer die Wahl Nein zu sagen (außer es findet gerade tatsächlich eine Vergewaltigung statt), das eißt selbst wenn ein Charakter erfolgreich verführt ist, bedeutet das das man vielleicht durchaus Lust verspürt, aber man kann immer noch Nein sagen, weil Menschen halt nicht nur Hormongesteuert sind sondern auch Entscheidungen treffen können die nicht nur der reinen Lust folgen.
Solange die Spieler dies dann auch den NSCs zugestehen, ist da nix gegen einzuwenden.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Samael am 12.12.2012 | 09:54
Solange die Spieler dies dann auch den NSCs zugestehen, ist da nix gegen einzuwenden.

Da ist auch nicht das mindeste gegen einzuwenden, wenn das den NSC NICHT zugestanden wird.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Skiron am 12.12.2012 | 10:22
Grüße,
im Diary Bereich wird ja eifrig darüber diskutiert, ob jetzt ein Würfelwurf dazu führen sollte, dass mein Char verführt wird.
Natürlich geht das in die schöne und bekannte: Für Kampf brauch man Würfel, soziales kann man ausspielen + Nein, du kannst mich auch mit Überreden 34t4635300000ß0 Milliarden nicht dazu bringen DAS zu tun, ich lass mir von Würfeln nicht sagen wie mein Charakter handelt.

Das Problem liegt schon in Deiner Fragestellung.
Ich nehme mal an Du beziehst Dich direkt auf Sex im Rollenspiel?
Soziales kann man ausspielen.
Wo wird denn beim Würfeln auf Verführung irgendetwas ausgespielt?

Wenn ich solche Schilderungen lese bei denen jemand versucht eine Wache zu verführen um an ihr vorbeizukommen,
oder um an Informationen zu kommen, dann ist für mich die Glaubwürdigkeit der Spielewelt zum Teufel.
Ich kann das dann nicht mehr ernst nehmen. Weder die Welt noch die Charaktere.

Mich würde mal interessieren, wie andere das sehen?

Erstmal finde ich das ziemlich genial. Heiße Charaktere können auch wirklich heiß sein und dies für ihre eigenen Zwecke verwenden ohne das es dauernd von jemandem abgeblockt wird aus was-weiß-ich-was-Gründen (ingame/outgame)
Natürlich kann es auch nach hinten losgehen und dann mache ich einen harten Zug als SL aber das ist für die Diskussion nicht so wichtig.

Hier an der Stelle die Frage: Wie locker und offen könnt ihr denn bei Euch in der Runde über Sex & Gefühle reden?

Anscheinend willst Du gerne einen Hot Charakter spielen, der seine Attraktivität auch einsetzen kann und will?
Wenn das abgeblockt wird, dann liegt es vielleicht daran, dass der Hot Charakter auf die anderen nicht so Hot wirkt?

In diesem Sinne verstehe ich es nämlich wenn etwas abgeblockt wird.
Und in diesem Sinne verstehe ich es auch das der Charakter einem nicht nur selbst "gehört".
Die anderen Spieler "sehen" Deinen Charakter nämlich mit ihrem Charakter und so wie diese den Charakter
wahrnehmen so ist er für sie im Spiel.

Das finde ich bei dieser ganzen Diskussion am auffälligsten und beschäftigt mich am meisten:
Wenn jemand gerne einen anderen Charakter "verführen" möchte oder mit diesem in die Kiste springen,
warum erspielt sich dieser jemand dies nicht?

Oder warum sagt er dem Spieler nicht, hey mein Charakter findet Deinen Charakter ziemlich hot,
er will mit ihm in die Kiste springen, was muss ich machen damit sich Dein Charakter erweichen lässt?
Hat er eine Chance oder kann ich das vergessen?

Mir kommt es so vor, als will man mit Regeln genau diese Auseinandersetzung umgehen.
(nicht auf Monsterheards bezogen, weil dort ist es der Fokus des Spiels und dort machen solche Regeln dann auch Sinn)
Man erspielt sich etwas nicht, also will man es durch Regeln erzwingen.
Man scheut sich mit den anderen darüber zu sprechen, also schiebt man Regeln vor.
Anstatt offen zu sagen, was man möchte.

Und wenn ich bedenke, wie klein-klein hier teilweise ausdiskutiert wird, was realistisch ist und was nicht,
dann frage ich mich umso mehr, wieso die Bedeutung von Sex so lapidar abgetan wird? Springen Charaktere mit anderen
einfach so in die Kiste? Haben die keine Gefühle?
Wo ist da bitte die Glaubwürdigkeit der Charaktere?
Wo sind die Konsequenzen fürs Spiel?

Was haltet ihr von diesem Move/Dieser Regel und den Implikationen am Spieltisch die daraus entstehen?
Könntet ihr sowas spielen oder wäre das gleich ein Dealbreaker für euch wenn "jeder" euren Charakter so einfach verführen kann?

Wenn ich das richtig verstanden habe, mein Englisch ist nicht so gut, dann sind die Regeln bei Monsterheards so,
dass nicht jeder den Charakter einfach verführen kann.

Wenn Deine Frage also ist, findet ihr es gut, wenn man über Würfeln den Charakter einfach verführen kann und der springt mit jemand
X-beliebigen in die Kiste, dann lautet meine Antwort: Nein!

1. Ich finde es wichtig das ein Spieler das jederzeit im Spiel für seinen Charakter blocken kann.

Gründe: Sex aber mehr noch Gefühle sind ein intimes Thema, jeder Spieler sollte deshalb immer die Entscheidung haben in dieser Hinsicht
Nein zu sagen. Das finde ich wichtig!

Ich finde es vollkommen unrealistisch, dass irgendwen irgendjemanden verführen kann, wenn der andere nicht will.
(Falls jemand dafür ein Patentrezept findet, dann sollte er es aufschreiben und reich und glücklich bis an sein Lebensende werden.  ;D)
Und die Entscheidung aus einem Flirt auszusteigen hat man ebenfalls immer, selbst wenn man nackt in der Kiste gemeinsam liegt kann man aufstehen und gehen.

Regeln im Spiel, die dies unterbinden finde ich deshalb schlecht.
Und zwar sowohl was Sex als auch Gefühle anbelangt.

2. Man kann auch im "klassischen Rollenspiel" jederzeit jemanden anflirten oder Interesse signalisieren und bei Blocks
kann man mit dem eigenen Charakter Konsequenzen ziehen. Oder der eigene Charakter kann angeflirtet oder angebaggert werden.

Und wenn ein Spieler gerne etwas spielen möchte, Sex oder Liebesdinge dann steht es ihm frei zu sagen, das würde ich gerne spielen.
Dann kann ich nämlich offen und frank und frei sagen, was ich davon halte oder was meine Befürchtungen wären.

Finde ich persönlich den besseren Weg.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: aingeasil am 12.12.2012 | 11:00
Da ist auch nicht das mindeste gegen einzuwenden, wenn das den NSC NICHT zugestanden wird.
Es wirkt nur leicht scheinheilig.
Es ist verständlich, wenn ein Spieler gerne in allen Bereichen volle Kontrolle über seinen Charakter haben möchte. Im Regelfall lebt der Spieler länger mit seinem Charakter und seinen Konsequenzen als der Spielleiter mit seinem NSC. Trotzdem sollte, solange nicht anders vom System festgelegt, den NSCs ähnliche (emotionale? kognitive?) Freiheiten zugestanden werden wie den Spielercharakteren.

Zitat
Soziales kann man ausspielen.
Ich dachte, man wäre echt schon richtig lange darüber hinweg.
Natürlich ist es immer sehr schön, wenn Situationen am Spieltisch ausgespielt werden. Aber ich kann nicht immer die Fähigkeiten meiner Charaktere als Spieler verkörpern, so dass ich manchmal wirklich gerne die Unterstützung meiner Würfel hätte. Und wenn Sexualität in der Gruppe eine Rolle spielt und wenn es dadurch zu einem sozialen Event kommt (a.k.a. Verführung und ähnliches), dann möchte ich mich nicht unbedingt nur auf meine Fähigkeiten als Spieler verlassen müssen, sondern unter Umständen auf die besseren oder sogar schlechteren Fähigkeiten meines Charakters zurückgreifen dürfen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Samael am 12.12.2012 | 11:02
Es wirkt nur leicht scheinheilig.

Das ist mal Ansichtssache.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: aingeasil am 12.12.2012 | 11:10
Das ist mal Ansichtssache.
"Wenn der NSC auf meinen Charakter verführen würfelt und erfolgreich ist, dann ist mein Charakter von dem NSC zwar sehr stark angetan, darf aber noch entscheiden, ob Sex eine Option ist, schließlich ist es ein Spielercharakter" vs. "Wenn ich verführen würfeln darf und erfolgreich bin, dann verlange ich, dass meine Opfer mit meinem Charakter in die Kiste hüpfen müssen."
Warum? Bzw. genauer: warum zweiteres, wenn man sich auf ersteres schon geeinigt hat? Warum nicht ähnliche Rechte?

Jetzt mal Settings wie Barbaren oder Mantel- und Degen und so außen vor gelassen. Oder spezielle übernatürliche Kräfte.

(Nachtrag: Das ist keine Kritik, ich will eigentlich nur wissen, wo sowas außer bei klischeebeladenen Spielen, die mit den Klisches auch spielen, reinpasst)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Samael am 12.12.2012 | 11:12
Warum nicht ähnliche Rechte?

Weil es Spass macht, der Spielwelt mit meinem SC den Stempel aufzudrücken.

Weil es nicht so viel Spass macht, die Handlungen meines SC von den Würfelwürfen des SL diktiert zu bekommen.


Ich sage nicht, dass das zu 100% meine Meinung ist, aber es ist doch ziemlich nachvollziehbar, oder?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Taschenschieber am 12.12.2012 | 11:21
Wenn Spielercharaktere Sonderrechte bei Charakterwerten (besser als der generische Bauer), Würfelwürfen (z. B. Wild Die bei Savage Worlds), Glück (z. B. Gummipunkten) et cetera haben dürfen - warum dürfen sie dann nicht auch vollständige oder teilweise "Resistenz" gegen Würfelwürfe haben, die ihnen ein Verhalten aufzwingen würden? Die Fragestellung gibt es ja nicht nur beim (sensiblen) Thema Sex, sondern das ist ein ganz allgemeines Problem, das hier auch alle gefühlten zwei Wochen hochkocht.

Meine Meinung dazu ist und bleibt: Man darf NSCs und SCs völlig gleichstellen. Man muss es aber nicht und daran ist nichts feige, scheinheilig und so weiter. Ein jeder möge nach seiner Façon glücklich werden.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: aingeasil am 12.12.2012 | 11:27
Weil es nicht so viel Spass macht, die Handlungen meines SC von den Würfelwürfen des SL diktiert zu bekommen.
Spontan muss ich da schmunzeln und stelle mir vor, wie der Spielleiter seinen Angriff nicht würfeln darf, weil er damit ja dem Spieler aufdiktiert, dass er kämpfen muss.

Wenn Sexualität im Rollenspiel ingame thematisiert wird, dann ist das imho durchaus Konfliktpotential. In derselben Liga wir Folter, Nachforschungen, Kämpfe, Intrigen und Co. Und genauso wir bei all den anderen Kategorien, darf ich mit entscheiden, wie weit es geht. (Ich mag beispielsweise keine detaillierten Beschreibung von Folterszenen.) Aber anscheinend empfinden es viele als wesentlich extremer, wenn sie im sexuellen Bereich unterliegen - und ich rede hier nicht von Vergewaltigung! - als wenn sie im Kampf besiegt werden, jemand anderes ihre Intrigen durchkreuzt, ihre Nachforschungen aufgrund von schlechten Ideen/Würfelergebnissen ins stocken kommen und so weiter.
Rührt daher dieses "Ich darf aber der NSC nicht"? Dennd er NSC darf ja auch kämpfen und foltern und intrigieren und nachforschen und und und... Ist der NSC dann plötzlich zu dominant?

Ich fand es eigentlich immer interessanter, wenn ich gegen ebenbürtige oder überlegene NSCs antreten durfte - und wenn sie meinen SC spiegeln dürfen, warum dann nicht alles?

Wohlgemerkt: All diese Überlegungen immer unter der Prämisse, dass der Spieler zumindest ein Vetorecht hat. Reicht das Vetorecht nicht aus, und man muss den Spielercharakteren kategorisch Optionen zugestehen bzw. NSCs kategorisch Optionen streichen?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Samael am 12.12.2012 | 11:33
Dann schmunzel mal über deinen hinkenden Vergleich.

Es gibt übrigens zahllose Rollenspiele, in denen die sozialen Fertigkeiten allein zur Beeinflussung von NSC durch SC gedacht sind - SC handeln in sozialen Situationen immer so, wie der Spieler es möchte. Diese Spiele funktionieren.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 12.12.2012 | 11:56
@Praion:
Kannst Du hier geäußerten Vorbehalte irgendwie nachvollziehen? Oder findest Du, wir sollten uns alle "mal locker machen"? Würde mich interessieren.

Ich beziehe das mal auf ein paar Sachen erstmal

Natürlich, wenn jemand meint einen 2 zentner irgendwas spielen zu wollen und sein Turning On ist, wie er beschreibt, wie sein Charakter in einen riesigen fettigen Bürger beißt und sich mit Kechub besudelt (um das mal Extrem zu formulieren) dann kann er damit nicht diesen Move ausführen.
Um jemanden anzuturnen muss ich auch jemanden anturnen. Die beschriebene Handlung muss also zumindest als vermutlich sexy gelten.
Damit macht man wieder ne ganz neue Form von Problemen auf ("verteufelung" von gewissen Fetischen etc.) aber etwas, das wirklich alle am Tisch direkt anekelt aufgrund der Beschreibung in der Fiktion würde den Move nicht auslösen.
Wenn der Spieler des sehr beleibten Charakters jedoch die Selbstsicherheit und coolnes des Charakters beschreibt mit der er sich gegen die Ärgerein und Beschmimpfungen anderer abschirmt dann kann das anziehend sein auf geistiger Ebene.
Turn someone on muss ja nicht "nur" körperlich sein.

Dazu dass der 200 Kilo Spieler beschreibt wie seine vollbusige Cheerleaderin ihre Brüste rausstreckt und mit dem Arsch wackelt, ja das ist vielleicht unangenehm. Das kann es dem betroffenen Charakter aber auch sein. Ich finde das durchaus nicht eklig da wir ja nicht in sonstige Details gehen müssen. Würde das der Spieler auf einer Ebene wo es zu intim wird tuen würde ich das abblocken. Das hindert aber nicht daran dass ein Grundlegendes ausspielen davon möglich ist.

Zum generellen unwohl fühlen: Ich finde das sehr okay. Ich habe persöhnlich wenig Lust auf eigentlich unbedeutende Weltrettungs-Szenarien mit coolen Helden. Das ist mir zu unpersöhnlich und zu wenig emotional. Wenn ein Spiel einen Punkt über bestimmtes menschliches Verhalten machen will und man das erleben soll finde ich das gut.
Ich überlege immer noch wie man im Rollenspiel ähnliche Dinge hinbekommt wie im Theater oder Film - ein erlebniss, das einen emotional berührt und Fragen stellt oder einen bestimmten Punkt macht.
Das direkte Unwohl fühlen ist kein direktes Ziel oder Anweisung in Monsterhearts aber einige der Prinzipien die man als MC befolgen soll sugierien, dass soetwas passieren wird. Dazu gehören
* Mach Monster menschlich
* Mach Menschen zu Monstern
* Tauch die Welt in Dunkelheit
* Akzeptiere Leute, aber nur unter bestimmten Bedingungen ("Ich liebe dich, aber" / "Du bist mein Freund aber nur weil...")
* Glück kommt immer auf Kosten von anderen

Eben aus dem Grund, das ich etwas fühlen möchte, habe ich auch so große Lust endlich mal Penny for my thoughts zu spielen.
Da spielst du auf das katastrophale Ereigniss hin, das so schrecklich für dich war, das du verrückt wurdest und dein Gedächniss darüber verloren hast.
Genauso fand ich eine Fiasco Session sehr schön die im Aftermath damit endete, das mein Charakter ein Kind mit jemandem hatte aber die Mutter das ganze als großen Fehler sah und meinem Charakter verbat jemals sein Kind zu sehen. Die letzte Szene war wie er völlig zerstört aus dem Gericht kam, alle seine Ersparnisse und sein Leben in diese Verhandlung gesetzt hatte um dann zu verlieren.
Das war extrem scheiße und traurig und hat mich noch einige Zeit lang bewegt.
Da bin ich eben der Spieler für. Genauso denke ich als Spielleiter, dass ich gerne auch einen Punkt machen möchte über etwas oder gewisse Thematiken im Spiel erforschen.
Der psychische Mahlstrom in meiner Apocalypse World Runde ist quasi die Alpha-Mutter. Interessiert an Familie, Nachwuchs, Schwangerschaften und Sex. Daraus enstand gestern eine sehr schöne Szene wie ich fand.

Der Angel hatte versucht über Handauflegen den Brainer zu heilen und würfelte voll daneben. (wie sie das bisher übrigens immer tat). Das heißt, das beide ihr Hirn ohne irgendwelche Vorbereitung zum psychischen Mahlstrom geöffnet haben. Der Mahlstrom dreht sich um Sex, Schwangerschaft, Familie. Okay...
Es sind zwei Spielercharaktere.
Ich beschrieb also wie beide sich und den anderen sehen, mehr als Formen ode Representationen denn als richtige Körper und sie sehen wie sie Sex haben in einem Strudel von Schwarz und Weiß. Dann habe ich angefangen Fragen zu stellen. Der psychische Mahlstrom will Dinge wissen und das war DIE Gelegenheit Sachen zu erfahren.  >;D
Der Brainer hatte vorher immer wieder Annährungen von Rose für Sex abgelehnt weil er einfach nichts an der Idee fand.
Also frage ich ihn erstmal wie sich der Sex nun anfühlt und er beschreibt, dass dies wesentlich besser ist als er jemals Gedacht hätte. Bei den Beschreibungen von anderen Klang das immer mehr nach "Rein, Raus, Rauf, Runter". Dann erinnerte ich ihn daran, dass er dies mit Rose hätte haben können und wie er sich jetzt fühlt, da er diese Chance verpasst hat da Rose aus Auftrag von Balls umgebracht wurde. Der Spieler beschrieb dann den Hass der sich aufbaut auf Balls und das er ihn vernichten will. Seinen kompletten Geist und Seele einfach vernichten.
Das war der Brainer, der noch kurz vorher vor allem dafür war, Gerechtigkeit und Ordnung walten zu lassen und sich mehr oder weniger auf Balls Seite schlagen wollte.
Ich fand das durchaus einen Erfolg, da dies eine starke Veränderung der Motivation und des Charakter-Arcs von ihm bedeutet. Das war nicht geplant von mir sondern einfach nur Sachen von denen ich dachte der Mahlsturm würde das wissen wollen.

War für alle am Tisch okay und hat das Spiel bereichert. War das jetzt daneben weil ich das den Spielern aufgedrängt habe?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 12.12.2012 | 11:58
Soziales kann man ausspielen.
Wo wird denn beim Würfeln auf Verführung irgendetwas ausgespielt?

Wenn ich solche Schilderungen lese bei denen jemand versucht eine Wache zu verführen um an ihr vorbeizukommen,
oder um an Informationen zu kommen, dann ist für mich die Glaubwürdigkeit der Spielewelt zum Teufel.
Ich kann das dann nicht mehr ernst nehmen. Weder die Welt noch die Charaktere.

Aber Feilschen beim Händler wird doch wohl in jeder Runde auswürfelt, oder?

Wachen verführen passt in ganz viele Genres hervorragend rein. Sword & Sorcery z.B. würde für mich den Style verlieren, wenn das nicht gehen sollte.

Das hier ist doch nur eine Scheindiskussion: im Grunde geht es einfach darum, dass unterschiedliche Spieler unterschiedliche Schmerzgrenzen haben. Diese Schmerzgrenzen sollte man akzeptieren.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Shield Warden am 12.12.2012 | 12:00
Trotzdem sollte, solange nicht anders vom System festgelegt, den NSCs ähnliche (emotionale? kognitive?) Freiheiten zugestanden werden wie den Spielercharakteren.

Zitat
Ich dachte, man wäre echt schon richtig lange darüber hinweg.

Wie auch schon im Diary-Thread diskutierst du viel zu dogmatisch, dafür dass du sehr aus einer subjektiven Erfahrungsperspektive heraus argumentierst. "Man" soll darüber hinweg sein, aber "du" möchtest gerne deine Würfel auch bei Verführungen benutzen und dich nicht nur auf deine spielerischen Fähigkeiten verlassen. Das passt irgendwie nicht.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 12.12.2012 | 12:01
Wenn Spielercharaktere Sonderrechte bei Charakterwerten (besser als der generische Bauer), Würfelwürfen (z. B. Wild Die bei Savage Worlds), Glück (z. B. Gummipunkten) et cetera haben dürfen - warum dürfen sie dann nicht auch vollständige oder teilweise "Resistenz" gegen Würfelwürfe haben, die ihnen ein Verhalten aufzwingen würden?

Wäre ein lustiger Edge: "Kalt wie ein Fisch": Der Charakter ist gegen Verführungen jeder Art immun. Außerdem kriegt er +1 auf Spirit-Würfe gegen Furcht.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Taschenschieber am 12.12.2012 | 12:03
Oder man gibt dieses Recht einfach jedem per Gruppenvertrag.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 12.12.2012 | 12:05
Wäre ein lustiger Edge: "Kalt wie ein Fisch": Der Charakter ist gegen Verführungen jeder Art immun.

Die arme Sau...
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 12.12.2012 | 12:19
Oder man gibt dieses Recht einfach jedem per Gruppenvertrag.

Ja geht auch. Andererseits denke ich mir auch: wenn ich zustimme, dass mein Charakter jederzeit sterben kann, und andere in der Gruppe das für ihre nicht wollen, dann sollte ich schon was dafür kriegen. Oder sie zahlen halt Edges für ihre größere Plot-Immunity.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 12.12.2012 | 12:51
Wieso solltest du etwas für dein RECHT zu sterben bekommen sollen? Wenn Plot-Immunity in der Gruppe Standard ist, und du unbedingt eine Extrawurst willst, solltest DU etwas für deine Extrawurst bezahlen.

So ähnlich sehe ich es auch bei Verführungen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 12.12.2012 | 14:09
Wieso solltest du etwas für dein RECHT zu sterben bekommen sollen? Wenn Plot-Immunity in der Gruppe Standard ist, und du unbedingt eine Extrawurst willst, solltest DU etwas für deine Extrawurst bezahlen.

So ähnlich sehe ich es auch bei Verführungen.

Recht zu Sterben, Recht verführt zu werden? Ich würde eher sagen: Risiko zu sterben, Risiko verführt zu werden.

Soll ich als nächstes für mein Recht schlechtere Werte gewürfelt zu haben auch noch zahlen?  ::)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: gunware am 12.12.2012 | 14:12
Soll ich als nächstes für mein Recht schlechtere Werte gewürfelt zu haben auch noch zahlen?  ::)
Wenn der Standard in Deiner Gruppe vorsieht, dass man gut würfelt, nun dann...  ~;D
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 12.12.2012 | 14:54
@tartex
Wie gunware gesagt hat. Meine Antwort sieht genau so aus, nur ohne Smiley.

Als Beispiel sei zum Beispiel mal Amber oder Engel-Arkana genannt, wo ich mich als SL querstellen würde, wenn du verlangst, jetzt auch mal ein schlechtes Ergebnis bekommen zu können.
Oder nehmen wir Inspectres: Wenn du dort eine "Glück"-serie hinlegst und immer gut würfelst, dann würde ich es nicht akzeptieren, wenn du sagst: "Verdammt, mir fällt langsam kein cooles Ereignis mehr ein. Können wir nicht einfach sagen, dass ich schlecht gewürfelt habe?" Hier würde ich darauf bestehen, dass du den guten Wurf auch als guten Wurf beschreibst.

Wie gesagt: Du WILLST das Risiko. Standardmäßig gibt es in der Gruppe dieses Risiko nicht. Aber du bestehst auf eine Extrawurst und möchtest für deinen SC ein Risiko haben. Der SL hat nun drei Möglichkeiten:
1) SL: "Tut mir leid tartex, dein SC hat nicht das Risiko zu sterben. Neu Charaktere auszuwürfeln und den neuen SC in die Gruppe zu integrieren ist mir zu blöd. Dein SC wird am Leben bleiben. Und auf Sex und so 'nen Kram stehe ich beim RPG nun überhaupt nicht. Mach das von mir aus zu Hause, aber nicht während ich leite."

2) SL: "Tut mir leid tartex, dein SC hat nicht das Risiko zu sterben. Neu Charaktere auszuwürfeln und den neuen SC in die Gruppe zu integrieren ist mir zu blöd. Dein SC wird am Leben bleiben. Aber wenn du willst, kann ich hin und wieder so tun, als ob dein Charakter in Lebensgefahr wäre. Und Sex und so 'nen Kram hasse ich eigentlich auch beim Rollenspiel. Aber wenn du willst, kann ich ja hin und wieder mal 'ne geile Braut auftauchen lassen, die dich verführt, und dann ausblenden."

3) SL: "Na vielleicht: Eigentlich hasse ich es, neue Charaktere auszuwürfeln und diese dann umständlich in die Gruppe zu integrieren. Und eigentlich hasse ich Sexszenen. Aber weil ich meinen guten Tag habe, will ich mich mal darauf einlassen. Was bekomme ich denn als Gegenleistung, wenn ich dir zu liebe deinen SC hin und wieder dem Risiko aussetze?"
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Gunnar am 12.12.2012 | 15:35
@ Praion:
Vielen Dank für die ausführliche Antwort! :d

Ich hab jetzt nicht alles geschnallt, weil ich die von Dir angesprochenen Spiele nicht kenne. Vieles hört sich interessant an. Für mich "Normalo-Rollenspieler" klingt das zwar alles recht speziell und auch ein bisschen wirr, aber das heißt nicht, dass das jetzt was Schlechtes sein muss.

Ich hab auf Fälle mitgenomen, dass Du einen durchaus differenzierten Blick auf die Problematik hast. Der Beirag war erhellend, auch wenn ich gerade am Schluß nicht mehr so recht folgen konnte...
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 12.12.2012 | 16:18
SL: "Tut mir leid tartex, dein SC hat nicht das Risiko zu sterben. Neu Charaktere auszuwürfeln und den neuen SC in die Gruppe zu integrieren ist mir zu blöd. Dein SC wird am Leben bleiben. Aber wenn du willst, kann ich hin und wieder so tun, als ob dein Charakter in Lebensgefahr wäre

Sartre: Das Rollenspiel (http://de.wikipedia.org/wiki/Geschlossene_Gesellschaft)  ;D "Die Hölle, das sind die anderen Charaktere."  ^-^

Tatsächlich rede ich von traditionellen Spielen hier und nicht Story Games. Also D&D, DSA, Savage Worlds. Das hatten wir ja diskutiert, dass manche Leute auch die gerne ohne Charaktertod oder Gefahr der Verführung spielen wollen. Bei Primetime Adventures wird mein Charakter natürlich nicht (einfach so) sterben können.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Drudenfusz am 12.12.2012 | 18:39
Solange die Spieler dies dann auch den NSCs zugestehen, ist da nix gegen einzuwenden.
Wird von mir so als Speilleiter auch gehandhabt, und hatte nie irgendwelche Probleme in meiner Runde damit. Liegt aber vielleicht daran das meine Spieler dann meist eher sowieso eine richtige Beziehung zu dem NSC haben wollen als ein One-Night-Stand. Bei NSCs die quasi völlig irrelevant sind weil sie von mir quasi erst vor einigen Sekunden auserdacht wurden soll es mir völlig recht sein das man den einfach herumbekommt, schließlich wurde der NSC ja quasi gerade genau dafür von mir eingeführt, aber bei NSCs die halt eine Rolle in der Kampagne haben geht das nicht so einfach... also selbst wenn man den Kaiser dazu bekommt einen Geil zu finden, heißt das noch lange nicht das er deshalb Ehe, Ehre und was sonst noch alles wegwirft nur um mit dem SC ins Bett zu steigen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Adanos am 12.12.2012 | 18:54
Ob und wie weit für SC und NSC gleiche Regeln gelten wie für SC hängt doch stark vom Genre und Setting ab, also an welchen Film-/Romanbeispielen sich die Gruppe bei ihrer Spielweise orientiert. Wenn der SC Casanova heisst wird er halt jeden NSC rumkriegen aber sich gleichzeitig nicht sexuell missbrauchen und verarschen lassen. Wenn der SC D'Artagnan heisst wird er auch jeder Folter heldenhaft widerstehen oder sich nicht von 5 dahergelaufenen Strauchdieben fertig machen lassen.
Das Genre und die darauf basierenden Charakterkonzepte bestimmen die Spielweise. Wenn das durch irgendwelche Würfelwürfe ausgehebelt wird ist das einfach unpassend. Daher sollte der SL solche Szenen gar nicht erst darstellen, wenn er nicht gerade ein ausgesprochener Monodominator und Alleinunterhalter sein möchte.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Maarzan am 12.12.2012 | 19:14
Schreibt Romane - da könnt ihr sicher sein, dass euch keiner eure Kreise stört und auch noch ins Spiel das Risiko von Frustration und Versagen reinbringt. Da könnt ihr gewinnen lassen, was immer das Herz begehrt.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Bad Horse am 12.12.2012 | 19:19
Ich finde, wenn der SL sich unwohl dabei fühlt, dass gerade ein SC seinen NSC zum Sex bewürfelt, dann muss er da genausowenig mitmachen wie ein Spieler, der solche Szenen nicht möchte.

Wenn ein Spieler nun nicht möchte, dass sein Charakter Gefahr läuft, von einem NSC verletzt zu werden - und zwar nicht deswegen, weil sein Charakter das auch nicht wollen würde, sondern deswegen, weil er sich persönlich unwohl dabei fühlt - dann ist er bei einem Rollenspiel, in dem Gewalt thematisiert wird, natürlich falsch.

Aber wie oft taucht jemand auf, der beim Rollenspiel ernsthaft Probleme mit der fiktiven physischen Gewalt hat? Ich würde schätzen, dass das seltener vorkommt als jemand, der sich beim Rollenspiel tatsächlich bei der Darstellung sexueller Handlungen unwohl fühlt.

@Marzaan: Manche Leute haben eben keinen Spaß an Frustration und Versagen. Vermutlich schreiben sie deswegen auch keine Romane. Das ist nämlich nicht ganz so einfach, wie du zu glauben scheinst... Außerdem gibt es unterschiedliche Einschätzungen, wie viel Frustration und Versagen noch zu einem spannenden Geschehen dazu gehört.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Taschenschieber am 12.12.2012 | 21:00
Schreibt Romane - da könnt ihr sicher sein, dass euch keiner eure Kreise stört und auch noch ins Spiel das Risiko von Frustration und Versagen reinbringt. Da könnt ihr gewinnen lassen, was immer das Herz begehrt.

Und ich dachte, so was wie ein Mindestmaß an Toleranz für Leute, die Rollenspiel anders betreiben als man selbst, sei im Tanelorn mittlerweile selbstverständlich. -.-
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Shield Warden am 12.12.2012 | 21:43
Und ich dachte, so was wie ein Mindestmaß an Toleranz für Leute, die Rollenspiel anders betreiben als man selbst, sei im Tanelorn mittlerweile selbstverständlich. -.-

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Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 13.12.2012 | 08:26
Ich denke, dass Sexuelles immer etwas anderes ist als Kampf - nicht unbedingt weil ich es theoretisch begründen könnte, sondern weil ich vor zweieinhalb Wochen eine Runde geleitet habe, in der ich bewusst heftige Anspielungen reingebracht habe. Das Spiel hatte eine ganz andere Intensität als sonstige Runden, aber auch eine starke Brisanz: Wir waren ständig an emotionalen Grenzen.

Die Charaktere sollten eine Herrenrunde infiltrieren, die ihre Frauen kauft und auch sonst im Sklavenhandel aktiv ist. Interessanterweise hat der männliche Spieler eine Frau gespielt und die weibliche Spielerin einen Mann (sie sind im echten Leben zusammen). Ihre Charaktere sind als Paar mit falscher Identität in die Runde gegangen (angeblich gehörten sie dazu) und durften so lange nicht aus der Rolle fallen, bis sie es geschafft hatten, einer Doppelagentin in dieser Runde eine Black-Box auszuhändigen.

Ich habe ihnen vorher gesagt, dass das Konzept recht heftig werden könnte und explizit gefragt, welche Grenzen wir setzen wollen (alleine das anzusprechen war schon ein komisches Gefühl - beklemmend). Das Ergebnis war „keine Vergewaltigung“. Ich habe das relativ weit ausgelegt als „keine auch nur entfernt mit Sexualität verbundenen Situationen, in denen es keine Fluchtmöglichkeit gibt - weder sozial noch physisch begrenzt“. Will heißen: Sie konnten immer weggehen.

Es kam dann noch nicht mal zu irgendwelchen sexuellen Handlungen im Spiel, aber alleine die Beschreibung wie sich eine Sklavin dem Charakter der Spielerin angeboten hat - und wie der Charakter sich herausgewunden hat, ohne aus der Rolle zu fallen - hatten eine ganz andere Intensität als ein Kampf.

Und es ist etwas völlig anderes, Orks zu beschreiben, die die Charaktere verstümmeln wollen, als chauvinistische Arschlöcher zu spielen, die dem Charakter erzählen, dass er seine Frau nicht genug unter Kontrolle hat und ihm anbieten, ihm eine Gehorsamere zu besorgen - oder davon schwärmen, dass ihre Sklaven einen völlig natürlichen Gehorsam haben.

Es gibt dabei keine so starke Abstraktionsebene, hinter der ich mich als SL verstecken kann. Ich *bin* für die kurze Zeit ein chauvinistisches Arschloch, und damit müssen sowohl ich als auch die Spieler klarkommen. Und wir müssen diese Maske auch wieder loswerden.

Die Runde war als bewusste Konfrontation mit dem Thema geplant - auch weil ich wusste, dass der Spieler und die Spielerin untereinander immer mal wieder Feminismusdiskussionen haben. Als die Frage „wie reagiert ihr, wenn ihr offen mit einer sexistischen, frauenfeindlichen Gruppe konfrontiert seid und nicht direkt auf Konfrontationskurs gehen könnt“. Effektiv eine Selbsterfahrungsrunde, um die eigenen Reaktionen auszuloten. Aber selbst mit dieser ganz klaren Grundausrichtung hätte ich die Runde vermutlich nicht geleitet, wenn ich nicht zumindest den Spieler seit über 10 Jahren kennen würde und mir sicher gewesen wäre, dass die Spielerin damit umgehen kann.

In einer Runde mit Leuten, die ich nicht so gut kenne - und die mich nicht so gut kennen - hätte ich das nicht gewagt, weil ich da nicht hätte sicher sein können, dass ich die Masken in der Vorstellung der anderen wieder loswerde. Auch so glaube ich, dass einige Spuren übrig geblieben sind und mich die beiden jetzt ein bisschen anders sehen als vorher - und ich bin nicht sicher, ob mir das recht ist.

Und ich denke, auch wenn die Runde ein extremes Beispiel war, kommen die gleichen Schwierigkeiten bei jedem Ausspielen von Sexualität zum tragen. Wir sind viel direkter in der Handlung als bei Kämpfen.

Vielleicht liegt das allerdings auch daran, dass wir von Sexualität viel weniger vielfältige Vorbilder aus den Medien haben. Ich kenne dabei grundlegend nur 4:



Wir haben allerdings kaum Vorbilder zu Sexualität als etwas normales. Z.B. 5 normale Arten, wie ein Paar sich erst gegenseitig anheizt¹, dann sich körperlich nahe kommt, Geschlechtsverkehr hat und die Intimität ausklingen lässt.

¹: Wisst ihr ein besseres Wort als „anheizt“? Schon alleine dass ich das fragen muss ist Teil des Problems…

Im Kampf habe ich Bilder im Kopf von dem Ninja und dem Barbar, und von dem ehrenhaften Krieger, dem kleinen Goblin, dem Schützen, dem Straßensamurai, dem Wolfsrudel, dem Oger und vielen mehr. Und meine Spieler haben das auch.

Entsprechend kann ich im Kampf diese Bilder einfach benutzen, ohne dass sie sofort mit mir selbst assoziiert werden.

Bei Sexualität ist das anders. Ich kenne vermutlich über 50 Arten, wie ein Kampf beginnen kann, aber nur etwa 3 Arten, wie sich ein Mann in einer halbwegs normalen Situation einer Frau nähern kann, die ihn interessiert: Die Antithese (chauvinistisches Arsch), „einfach ich selbst sein und mein Interesse ignorieren, aber offen bleiben“ (das war ich, bevor ich meine Frau kennengelernt habe - wie ich jetzt bin kann ich nichtmal erklären) und Anime-Stil (der schüchterne Mann, der schon Panik kriegt, wenn er auch nur eine Spur nackter Haut sieht).

Fernsehen und Bücher helfen mir da auch recht wenig, weil sich Sexualität darin fast immer aus Situationen ergibt, aber nicht von den Personen kommt. Irgendwie kann da jeder zu Sex kommen, wenn die Situation es grade braucht. Und dann ist das halt so. Und wird irgendwie zum Gutteil ausgeblendet (oder abgeblendet). Oder der gesamte Spannungsbogen dreht sich darum, dass zwei Charaktere zusammen sein möchten aber nicht zusammenkommen (aktuell: Castle). Aber Sexualität ist nie etwas normales. Kampf dagegen schon, zumindest im Action-Genre - und auch sonst gibt es in fast jeder Serie mindestens Prügeleien.

Entsprechend ist ein Spiel, in dem Sexualität vorkommt, fast immer erkundend: Wir müssen erst neue Muster finden und entsprechend sind die Muster, die wir erschaffen, viel stärker mit uns selbst assoziiert.

„Wir sind Helden“ haben gesungen „die Deutschen flirten sehr subtil“. Vielleicht war das noch zu nett.

Fragt mal eure verheirateten Freunde oder Freundinnen, wie sie mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin Zärtlichkeiten austauschen - und wartet auf die langen oder empörten Gesichter. Dann fragt sie, was sie mit jemandem machen würden, der ihren Partner oder ihre Partnerin verletzt hat. Oder was sie machen würden, wenn sie jemand angreift. Das ist für die meisten viel einfacher (zumindest für die meisten, die ich kenne).

Normale Sexualität ist in unserer Gesellschaft zutiefst taubisiert - obwohl wir ständig mit überhöht sexuell aufgeladenem Material konfrontiert werden, oder gerade deswegen. Ich bin mir sicher, es gibt soziologische Abhandlungen dazu…

Worauf ich mit dem ganzen hinaus will: Normale Sexualität ist gesellschaftlich so stark tabuisiert, dass die Wahrscheinlichkeit extrem groß ist, dass in einer Rollenpiel mindestens eine Person dabei ist, die nur wenige archetypische Bilder zu normaler Sexualität im Kopf hat - oder für die Sexualität ein schwieriges Thema ist (ganz zu schweigen davon, dass vermutlich 10% der Leute hierzulande sexuelle Gewalt erlebt haben).

Bei der „wir kämpfen um zu töten“-Gewalt sieht das anders aus. Dazu haben wir massenweise Literatur.² Entsprechend ist Sexualität im Rollenspiel schon alleine von den Vorraussetzungen her, die die Beteiligten mitbringen, etwas völlig anderes als Kämpfe. Wir haben dazu viel weniger vorgefertigte Bilder und dadurch können wir viel schwerer eine von uns selbst abgelöste fiktionale Situation erschaffen.

²: Anders ist das bei der „wir kämpfen um soziale Macht auszuüben“-Gewalt. Die ist meiner Erfahrung nach im Vergleich zum Kämpfen um zu töten wieder ein schwieriges Thema. Weswegen regen sich wohl Leute darüber auf, wenn ein anderen NSC sagt „wir machen jetzt das, sonst schlage ich dich“, nicht aber, wenn ein NSC versucht, die Charaktere zu töten.

Wir können jetzt natürlich sagen „das ist ein Missstand, den wir durch Rollenspiele beheben können“, aber da müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass das dann eben gemeinsame Erkundung ist - und entsprechend eben kein lockeres „wir spielen jetzt auch Verführungen aus“.

… Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nicht so konkret und tiefgehend über das Thema nachgedacht wie hier… verdammt spannend - und kompliziert. Ich hoffe, ich konnte euch trotz des länglichen Textes ein paar neue Ideen dazu geben - auch dazu, wo Schwierigkeiten liegen können, die wir beachten sollten, wenn wir Sexualität in das Spiel aufnehmen wollen.

Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Arldwulf am 13.12.2012 | 09:47
Sex ist einfach eine tolle Sache, macht Spaß und sollte von jedem mal probiert werden. Inklusive Rollenspielen. ;-)

Ich denke man kann an das Thema inzwischen doch ganz unverkrampft herangehen. Bei vielen Rollenspielen die ich gespielt hab war das zumindest so. Die Selbstbestimmung ist dabei genauso wichtig wie bei anderen Themen: Dadurch das nur der Spieler seinen Charakter wirklich kennt hat dieser auch das Beschreibungsrecht. An der Stelle an der ein Spielleiter sagt: du findest xyz toll beschreibt er etwas das jemand anderes besser beschreiben könnte und im Zweifel völlig unpassend sein kann.

Gilt für Sex wie für andere Situationen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: First Orko am 13.12.2012 | 10:38
@ArneBab: Danke für die Beschreibung deines... "Versuchs" (ich nenne das jetzt mal so), ich finds sehr spannend und interessant zu lesen. Hat mich grad son bißchen zum Nachdenken gebracht... du sprichts da in der Tat viele interessante Aspekte an. Und wie du schon schreibst: Das Problem liegt nicht darin, wie Rollenspiele betrieben werden sondern hauptsächlich wie das Thema Sex gesellschaftlich behandelt wird.
Ich würde es spannend finden mal von jemanden zu hören, wie das außerhalb von Deutschland so abläuft. Insbesondere bei Jeepform kann es doch mitunter auch in die Richtung gehen, da würd ich gern mal wissen wie bspw. skandinavische Spieler damit umgehen.


¹: Wisst ihr ein besseres Wort als „anheizt“? Schon alleine dass ich das fragen muss ist Teil des Problems…

Das Vokabular ist noch ein ganz anderes Problem. Ich finde ja nichts schwieriger, als Sexszenen zu beschreiben. Letztlich muss man sich überlegen, wie direkt es sein darf - das kann auch von Situation zu Situation unterschiedlich sein. Beim Theme Menschenhandel kann man das durchaus unverblümt angehen: "Wie sich ein Paar gegenseitig aufgeilt".
Ansonsten würde ich wohl eher sagen: "wie ein Paar Zärtlichkeiten austauscht" oder so... aber das auszusprechen kommt einem schon komisch vor, weil man das halt (im Normalfall) nicht gewohnt ist.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Deep One am 13.12.2012 | 10:45
Ich dachte, man wäre echt schon richtig lange darüber hinweg.

Wenn "man" sich blau anmalt, tust Du das dann auch?  ;D - Und nein, es gibt uns noch, in kleinen Gruppen treffen wir uns nach Einbruch der Dunkelheit in Hinterzimmern und in Kellern und bei Mutti am Wohnzimmertisch, um soziale Interaktion auszuspielen, die ehernen Sozialkampfregeln der Neuen Weltordnung willentlich zu mißachten und gräßliche Blasphemien wie "brauchste nicht für würfeln, mich hat das so überzeugt" von uns zu geben. Und sei gewahr, Deine Partnerin könnte eine von uns sein, Dein Nachbar oder oder die Frau vom Lotto!

Entschuldigung, bei den Absolutheiten, die in Fäden wie diesen formuliert werden, verliere ich regelmäßig den Überblick darüber, wer was überhaupt noch ernst meint und wo die Bi-Ba-Besserspielerei aufhört und die Satire anfängt.  :-\
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Lord Verminaard am 13.12.2012 | 10:49
@ ArneBab: Sehr schöner und lesenswerter Beitrag trotz der Länge! :d
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: aingeasil am 13.12.2012 | 13:47
@ArneBab:
Sehr lesenswerter Artikel.
Ich glaube auch, dass diese Angst, die Maske nie mahr ganz zu verlieren, nicht nur für den Spielleiter besteht sondern auch für die Mitspieler. Meine Vermutung ist ja, dass das Problem nicht das sexuelle ist, sondern die Emotionen. Denn das Unbehagen fängt zumindest bei mir manchmal schon sehr viel früher an. Und zwar Unbehagen, weil ich zwar vor meinem geistigen Auge sehe, was sich abspielt, aber der Transport der Emotionen richtig lange dauern würde und die Gefahr bestünde, dass meine Mitspieler manche Emotionen tatsächlich mit mir als Spielerin verbinden. Weil Emotionen einem meist näher gehen als Beschreibungen von Kämpfen. Ich würd beispielsweise bei einer Kampfbeschreibung niemals in Tränen ausbrechen, wenn ich allerdings Emotionen richtig ausführlich beschreiben muss, dann gehen sie mir irgendwann auch wirklich nahe und drücken irgendwann auch auf die Tränendrüse.

Hinzu kommt, dass gerade tiefgehendere, vielschichtige Gefühle oftmals sehr langwierig zu beschreiben wären - Zeit, die den anderen Spielern sogesehen genommen wird. Man kann natürlich auch die emotionale Bandbreite eines Teelöffels darstellen, aber dann wäre es ein- "'ficken?'-'klar'"-Szene und damit auch nicht mehr ... unangenehm und diskussionswürdig.

Nachtrag: und vom moralischen Standpunkt her, müssen in unserer Gesellschaft Emotionen und Sexualität verknüpft sein, denn standardmäßig gilt "Sex ohne Liebe" als moralisch nicht einwandtfrei.

@DeepOne und Schildkröte:
Ich bin für Ausspielen, einfach weil es am meisten Spass macht. Doch sollte man beim Ausspielen immer bedenken, dass es Spieler gibt, die besser darstellen können, und welche, die es weniger können. Erstere haben beim Ausspielen immer einen erheblichen Vorteil, überzeugend zu sein, selbst wenn ihr Charakter dies eigentlich nicht wäre. Letztere haben den nachteil, dass sie manchmal die Überzeugungskraft ihres Charakters einfach nciht darstellen können. Darum finde ich es immer legitim, wenn man etwas erwürfeln will, so das Spiel würfeln vorsieht, und wenn der Wunsch geäußert wird, dann ist der immer dem "das muss aber ausgespielt werden" vorzuziehen, weil es die fairste Variante darstellt, da sie auf die Regeln zurückgreift. Hingegen halte ich es für illegitim, jemandem der würfeln möchte, den Wurf mit den Worten "das muss aber ausgespielt werden" zu verbieten, obwohl das Regelwerk Würfelwürfe vorsieht.
Meiner Meinung nach widerspräche dies dem Anspruch, auch jemanden spielen zu dürfen, der "larger than life" ist oder zumindest anders als man selbst. Darum mag ich die Aussage "Soziales soll man Ausspielen" nicht, beschneidet sie in meinen Augen doch eigentlich den Charakter. Ausspielen darf gerne belohnt werden - Würfelmodifikationen, Würfelersatz - aber es sollte weniger begabte Darsteller nicht bestrafen. Das ist ähnlich wie mit Charakterwissen beispielsweise über uns fremde Gesellschaften, das ein Charakter einer solchen Gesellschaft per se haben sollte, obwohl der Spieler (noch) keinen Schimmer hat.
Wenn diese Sicht als dogmatisch gilt, dann habe ich sie gerne.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Skiron am 13.12.2012 | 14:04
@Arne Bab sehr mutiger und guter Beitrag. :-)
Mir gefällt vor allen Dingen, dass Du die Gefühle beschreibst die Du dabei hattest und hast
und welche Überlegungen Du zum Thema Sexualität anstellst.

"Wenn der NSC auf meinen Charakter verführen würfelt und erfolgreich ist, dann ist mein Charakter von dem NSC zwar sehr stark angetan, darf aber noch entscheiden, ob Sex eine Option ist, schließlich ist es ein Spielercharakter" vs. "Wenn ich verführen würfeln darf und erfolgreich bin, dann verlange ich, dass meine Opfer mit meinem Charakter in die Kiste hüpfen müssen."
Warum? Bzw. genauer: warum zweiteres, wenn man sich auf ersteres schon geeinigt hat? Warum nicht ähnliche Rechte?

Ich für mich kann Dir ganz klar antworten, dass solche NSCs für mich nicht glaubwürdig sind, wenn es so abläuft:

SC: Ich gehe zur Wache und bezirze sie. *superwurf*
NSC: *mit SC in die Kiste spring*

Aha, ok??? *lol*
Was ist das denn für eine Wache?
Was ist das denn für ein Charakter, der dafür mit jemanden in die Kiste springt?
Der SC würde mir dann doch schon vom Wesen sehr fragwürdig vorkommen.
Wo bin ich hier gelandet? In einer schlechten Komödie?  ;D

Und das würde mich im Spiel sehr stören.

Verführung bzw. Sex/verlieben ist ein Sonderfall in der sozialen Interaktion.

Um mal konkret zu werden.
Meine Situation ist, dass ich als einzige Frau in einer Männerrunde spiele.
Ich kannte nur einen aus der Runde und habe die anderen ausschließlich übers Rollenspiel kennengelernt.
In der Situation hatte ich extreme Hemmungen bestimmte Dinge zu spielen, weil ich sie nicht einschätzen konnte.
Weder im Spiel noch auf der Spielerebene. Ich weiß bis heute machmal nicht, wenn ich mit ihnen auf Parties bin
worüber ich außer Rollenspiel mit ihnen reden kann. Soviel zum sich persönlich kennen.

Der beste Tipp im Rollenspiel, der "Klassiker" ist: redet miteinander!
Aber jetzt mal ehrlich, wer fragt denn wenn er neu in die Runde kommt: Hey Du, wie ist denn Deine sexuelle Orientierung so?
Meine ist hetero. Hast Du eine Freundin oder einen Freund? Bist Du locker was Sex anbelangt? Anyone Hemmungen bei irgendwas?

*im Erdboden versink*

Würde ich niemals, nie, nicht fragen auch in meiner jetzigen Gruppe nicht.
Aber sicherheitshalber nach dem was ich hier so lesen durfte, würde ich in jeder neuen Gruppe fragen ob mit oder ohne Sex gespielt wird und
falls ja, ob mit Würfelwürfen der Charakter zu Sex gezwungen werden kann.  >:(

Meine ersten Erfahrungen mit Sex/Gefühlen im Rollenspiel war ein Mitspieler hat meinen weiblichen Charakter mit seinem weiblichen Charakter geküsst.
Mein Charakter ist darauf eingegangen. Er war auch offen in dieser Hinsicht angelegt. Es wurde nicht gewürfelt.
Die Motivation für mich das zu spielen war, dass ich es toll und mutig von den Jungs fand, wenn sie
Liebesgeschichten mit ins Spiel geflochten haben, also fand ich es nur fair, wenn ich das auch spiele.

Als Spielerin hat mich aber sehr schnell genervt, dass ich das Gefühl hatte es läuft auf ein Spiel zu zweit hinaus, was ich nicht so mag.
Ich hatte das Gefühl mein Charakter hat weniger Freiheit und der Mitspielercharakter versucht über meinen Charakter zu bestimmen.
Hinzu kam, dass das was ich mit meinem Charakter gespielt habe nicht richtig dekodiert wurde und umgekehrt,
mir ein Rätsel war, was mein Mitspieler zusammenspielt. Was das Spiel nicht besser oder emotionaler machte, sondern zäh.

Es hat also fast zwei Jahre gedauert bis ich genug Vertrauen in die Runde hatte und um inzwischen so etwas auch selbst zu spielen.
Und mich hat sehr gewundert, dass ich solche Hemmungen dabei habe.

Auch wenn ich es ungern zugebe, aber ich denke es hat für mich eine Rolle gespielt, dass das Klischee,
das auch in mir wirkt besagt, für einen Mann ist Sex ein Erfolg ist (selbst wenn der Sex schlecht war, kann man damit angeben)
für mich als Frau eine Niederlage.

Im Spiel war es eine Entwicklung, ich wurde entsprechend angespielt (der Spieler hat deutlich signalisiert, dass er darauf neugierig
ist und mir das auch hinterher gesagt, dass er es spannend findet, dass ich es jetzt auch spiele) und ich habe selbst entsprechendes mit meinem Charakter ins Spiel gebracht.

SC Mitspieler: Stehst Du auf den NSC? *superwurf*
SC Meinereiner: Ja, ich finde den attraktiv. (*blush* Meinereiner in echt)

Der Spieler hat sich danach bei mir entschuldig und gefragt ob das ok war, ich meinte zu ihm, er kann alles anspielen,
was er möchte, auch solche Dinge, solange ich die freie Entscheidung mit meinem Charakter habe.
Ich hatte zuvor auch mit meinem Charakter kundgetan, dass er diesen NSC attraktiv findet.
Es war eine Entwicklung über einige Spielabende.

Es hat sich dann etwas mit diesem NSC entwickelt und die beiden sind zusammen im Bett gelandet. Ohne würfeln.
Aus Spielersicht kann ich für mich sagen, dass Spiel wird sehr viel emotonaler, es gibt Momente die Freude machen, weil es mich sehr berührt, wenn der Charakter für meinen Charakter ein Gedicht schreibt, auch weil ich es sehr mutig von diesem Spieler finde, auf diese Weise zu spielen.
Es gibt aber auch Momente die emotional nicht leicht sind, weil mein Charakter vom Wesen her nicht sehr moralisch ist und
mich mein eigenes Spiel mit diesem Charakter in Konflikt mit mir selbst gebracht hat, weil sich mein Charakter zwar auf Sex einläßt,
aber emotional feige ist. Das hat mich danach noch ziemlich beschäftigt.

Ich finde es immer noch nicht leicht manche Dinge zu spielen und sie sind mir nicht immer angenehm.
Allerdings macht genau das auch Spaß eigenen Grenzen zu überwinden.
Die Voraussetzung ist aber Vertrauen in diese beiden grundlegenden Dinge:

Es ist ok für mich, weil ich weiß, ich als Spieler habe mit meinem Charakter die freie Entscheidung und jederzeit die Option auf ein: Nein!
und wenn etwas ist, was mir Sorgen macht, dann kann ich das bei meinen Mitspielern ansprechen.


Meine Beobachtung ist, dass mein Respekt vor dem Mut den Jungs durchaus angebracht ist, weil das Spiel durch Sex und Liebesgeschichten
emotonal intensiver wird. Was ich meiner Runde hoch anrechne ist, dass diese Dinge eben in der Spielewelt und von den Charakteren
glaubwürdig dargestellt werden. Ich bin sehr oft über die Frauendarstellungen beeindruckt, weil diese sehr gut beobachtet sind und wirkliche Persönlichkeiten. Das ist ein Hauptaspekt warum manche Dinge für mich überhaupt möglich sind, weil diese in der Spielewelt Sinn machen und sich aus dem Spiel heraus ergeben und dem Charakter ein deutlicheres Gesicht verleihen. Zum Teil ergibt sich das durch das Spiel und insbesondere das Interesse der Spieler, die mich mit ihren Charakteren herausfordern, mir dasselbe aber auch erlauben, zum Teil durch Würfelwürfe.

Mein Eindruck von meiner Runde war bisher, dass diese Freiheit jedem Spieler/Spielleiter zugestanden wird. Man kann damit spielen, muss es aber nicht. Angespielt werden kann jeder in dieser Hinsicht, aber man respektiert die Reaktionen.



@tartex und wie läuft das so bei Sword und Sorcery im Spiel und auf Spieler/Spielleiterebene konkret ab?
Was meinst Du mit "wenn das nicht mehr gehen sollte"?

Findest Du das für Dich persönlich glaubwürdig, dass eine Wache sich einfach so von jedem verführen lässt?
Was meine eigentliche Frage war.

(ich kenne solche Beschreibungen aus keinem Genre (Ausnahme Spionagefilme, allerdings ist es dort so, dass ich es auch oft
peinlich und unglaubwürdig finde und die Charaktere auch nicht mit dem Wach- oder Informationsobjekt in die Kiste hüpfen sondern
ko Tropfen oder ähnliches vorher zum Einsatz kommen oder die Damen Prostituierte sind oder reines Dekormaterial zur sexuellen Untermalung, ungefähr wie bei Autowerbung)

@aingeasil Deinen Beitrag jetzt finde ich auch sehr gut.  :)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Shield Warden am 13.12.2012 | 15:12
Wenn diese Sicht als dogmatisch gilt, dann habe ich sie gerne.

Nicht im Geringsten. Außerdem wurde dem ja auch hier nicht widersprochen, soweit ich das verstanden habe. Dogmatisch klang nur, was man deiner Meinung nach sollte und was man bereits hinter sich gelassen hatte. Das waren Andeutungen allgemeiner Richtlinien, Entwicklungen und Entwicklungszwänge.

Denn auch wenn ich dir in dem was du sagst grundlegend zustimme, kann ich Jeden verstehen, der Soziales anders handhabt, so wie auch Jeden verstehen kann, der findet, dass unterschiedliche Regeln für SCs und NSCs gelten sollten. Was man persönlich davon hält bzw. wie man es denn selbst umsätzt hat damit wenig zu tun. Ich versuche auch möglichst gleiche Regeln für SCs und NSCs auszusetzen, es also möglichst "fair" zu halten, aber gerade in einem schwierigen Thema wie Sexualität (Verführung etc.) kann ich verstehen, wenn man da ein Ungleichgewicht zu Gunsten der SCs bzw. der Spieler walten lässt, aus den Gründen, die ArneBab ja schon zusammengefasst hat.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Deep One am 13.12.2012 | 16:01

(...)

@DeepOne und Schildkröte: (...)

Ich unterschreibe im wesentlichen alles, was Du in Deinem Beitrag geschrieben hast und habe da wohl etwas in den falschen Hals bekommen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 14.12.2012 | 00:42
Freut mich, dass euch mein Text etwas gegeben hat! Er geht mir sehr tief - und durch eure Antworten bin ich noch ein gutes Stück tiefer gekommen.

@Orko: Versuch trifft es ganz gut. Zum Teil war es kalkuliertes Risiko und ich bin froh, dass es geklappt hat. Wäre es schief gegangen, hätte ich die Runde wahrscheinlich abbrechen müssen…

wie bei Jeepform damit umgegangen wird fände ich auch interessant zu wissen. Allerdings liegt dabei der Fokus soweit ich weiß sowieso stärker auf Selbsterkundung, so dass ich da viel geringere Widerstände erwarten würde. Wer bei Jeepform mitmacht ist sowieso darauf vorbereitet, seine eigenen Grenzen zu finden und auszuweiten. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass es dadurch noch wichtiger werden kann, klar festzulegen, wie weit das Spiel gehen darf. Mit den falschen Leuten sehe ich da schnell die Gefahr, dass jemand mit einer Argumentation kommt wie „Wir machen das hier ja zur Selbsterkundung, da müssen wir schon etwas über unsere Grenzen gehen“ (was dann in Wirklichkeit heißt „da musst du schon etwas über deine Grenzen gehen“). Deswegen finde ich es gut, dass die meisten Rollenspiele einfach zum spielen da sind und nicht versuchen, irgendeinen „höheren Zweck“ zu verfolgen.

Beim Vokabular sehe ich v.a. im Deutschen ein Problem. Auf Englisch ist das leichter, aber deutsche Geschichten über Sex klingen meist leider entweder unreif oder gekünstelt. Das Problem kenne ich im Privatleben allerdings auch…

Zärtlichkeiten austauschen lässt sich für mich leicht aussprechen, aber es spiegelt nicht wider, dass beide Interesse daran haben, dass mehr daraus wird. Das klingt indirekt mit an, aber es sind schon Zärtlichkeiten da. Es ist nicht der Schritt dahin. Sonst würde es gut passen.


@aingeasil: Vielleicht sind es nicht nur stärkere Emotionen, sondern auch Emotionen in einem Bereich, in dem die meisten sich nicht wirklich sicher fühlen. Außerdem in einem Bereich, in dem die Grenze zwischen Maske und Realität sehr schwierig zu ziehen sein kann. Eine Freundin von mir hat dazu in einem Lied geschrieben „Denn die Bande, die wir weben, gelten auch im andern Leben, und obwohl wir Masken tragen, was uns bindet bleibt bestehn“ (Maskenspiel von Elb(en)land). Und das trifft irgendwie schon zu. Die Bindungen, die wir in meinen Runden durch gemeinsame Abenteuer gewoben haben, haben vermutlich einen Anteil daran, dass mir meine Mitspieler und Mitspielerinnen auch im normalen Leben viel bedeuten.

Und ja, natürlich gibt es einen chauvinistischen Teil in mir, den ich im normalen Leben unterdrücke. Sonst hätte ich diese Herrenrunde nicht in der Intensität darstellen können, die sie hatte. Teilweise musste ich die Intensität drosseln, um die Spielerin nicht zu überrennen - und ich war sehr froh, dass sie einen Mann gespielt hat, so dass die direkte Interaktion noch eine Abstraktionsebene hatte. Sonst hätte ich es vermutlich nicht gewagt, die Runde so zu leiten. Bei dem Spieler wusste ich, dass er sich seinen Abstand nimmt, hatte also weniger Sorge, dass es zu eng werden könnte - seine Charakterin war auch nicht unterwürfig und in der Legende der falschen Identitäten ihrer Charaktere hatten sie festgelegt, dass die Frau diejenige war, die eigentlich das Heft in der Hand hatte, so dass es einiges an Rettungsnetzen gab, um die Auswirkungen der Herrenrunde abzufedern. Wenn aber die Spielerin eine ansatzweise unterwürfig reagierende Frau hätte spielen wollen, hätte ich die Runde vermutlich nicht fortgeführt, weil ich zu viel Angst davor gehabt hätte, dass sich aus dem Spiel Dynamiken entwickeln könnten, die wir nicht mehr loswerden.

Und ich denke du hast Recht damit, dass der Effekt bei Spielern noch stärker werden kann. „In wie weit ist das jetzt wirklich nur mein Charakter?“. Was passiert, wenn der Charakter eines Spielers und einer Spielerin über längere Zeit eine Liebesbeziehung führen? Bricht davon auch etwas in das echte Leben rüber - oder kommt es vielleicht teilweise aus dem echten Leben? Und was ist, wenn es zwei Männer sind, die eine Beziehung ausspielen? Da könnte unter beiden die in unserer Gesellschaft leider sehr verbreitete Angst aufkommen, dass man „vielleicht schwul sein könnte“. Und dann können Spielinhalte plötzlich am eigenen Selbstbild rütteln…

Allerdings macht genau das Rollenspiele auch zu einem tollen Medium zur Selbsterfahrung. Aber man muss dann mit dem umgehen können, was man über sich herausfindet. Und trotzdem wissen, dass man weiterhin man selbst ist. Und wenn jemand das nicht könnte und deswegen aus der Runde aussteigen würde, wäre das ein schlimmer Verlust. Deswegen finde ich es sehr wichtig, dass jeder zu jeder Zeit entscheiden kann, ob er etwas mitmacht oder nicht - und die Ausführungen von Skiron bekräftigen das nochmal.

Ich denke allerdings weniger, dass dadurch anderen die Spielzeit genommen wird, oder dass die Gefühle explizit beschrieben werden müssen. Die Intensität zwischen zwei Spielern kann deutlich höher sein als zwischen beiden und den anderen, so dass es sich wie Solo anfühlen könnte. Aber statt zu beschreiben können sie die Gefühle einfach ausspielen. Und da ist dann, denke ich, die ganze Gruppe gefordert, sicherzustellen, dass alle Beteiligten ähnlich viel Spielzeit bekommen.

Den moralischen Standpunkt zu Sex ohne Liebe kenne ich leider auch. Ich halte das aber wirklich nur für Moral, also für eine gesellschaftliche Norm, die nicht aus sich selbst heraus begründet ist und daher auch keinen eigenen Wert hat (darüber hinaus, dass die Mehrheit dem Menschen hier das denkt). Von meiner Moralvorstellung her ist an Sex ohne Liebe nichts falsch. Ich denke allerdings, dass Sex ohne Liebe langfristig schwer aufrechtzuerhalten ist, weil körperliche Beziehung emotionale Bindungen fördert.


@Skiron: Danke für deine persönlichen Erfahrungen! Ich finde sie sehr spannend - und das riesige Lob zu lesen, das du deiner Gruppe aussprichst, ist einfach schön.

Das komische Gefühl, wenn die Beziehung der Charaktere nicht ganz passt, kann ich dabei nachfühlen. Ich habe mal eine SC-SC Beziehung platzen lassen, weil sie sich auf Spielerebene komisch anfühlte, obwohl sie auf Charakterebene toll gepasst hat. Damals hatte ich allerdings noch nicht den Schneid, das offen anzusprechen, sondern habe meinen Charakter als Werkzeug verwendet, um als Spieler einer komischen Situation auszuweichen.

Wobei ich finde, dass es ein Vorteil von Rollenspielen ist, dass das geht. Den Charakter die Entscheidung des Spielers treffen zu lassen mag nicht ganz offen sein, aber es ermöglicht es, die eigenen Wünsche rüberzubringen, ohne sich selbst entblößen zu müssen. Denn das können nicht alle und nicht zu jeder Zeit. Oder wollen es vielleicht auch ncht.

Ich finde es übrigens toll, dass ihr in eurer Runde so offen mit Liebe und Sexualität umgehen könnt. Ich glaube ich hätte Probleme, eins von beidem als wirklich normalen Teil der Runde anzuspielen - zumindest zusammen mit Frauen, die ich anziehend finde. Da hätte ich zu viel Angst, dass es in die Realität überschwappen könnte, wenn ich mich mal mit meiner Frau zoffe. Verrücktspielende Gefühle sind verdammt beschissen…

Wären sowohl ich als auch die Mitspielerin oder der Mitspieler single, wäre das was anderes, weil ich dann keine Angst vor einem emotionalen Konflikt haben müsste, falls sich daraus offplay mehr als nur ein spannendes Spielerlebnis entwickeln sollte.

Was ich bei deiner Beschreibung besonders wichtig finde, ist der Respekt gegenüber anderen (was du ja auch hervorgehoben hast). Nicht nur Toleranz, sondern Respekt: „Das ist, was du entschieden hast, und es ist gut. Jetzt schauen wir, wie wir damit gemeinsam etwas möglichst tolles machen“.

Und dein Respekt vor deiner Gruppe ist toll!
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Shield Warden am 14.12.2012 | 09:46
Ich hab da ein bis zwei kleine Einsprüche, ArneBab.

Beim Vokabular sehe ich v.a. im Deutschen ein Problem. Auf Englisch ist das leichter, aber deutsche Geschichten über Sex klingen meist leider entweder unreif oder gekünstelt. Das Problem kenne ich im Privatleben allerdings auch…

Das liegt meiner Meinung nach nur dann vor, wenn man ein seltsames Verhältnis zu seiner eigenen Sprache hat. Natürlich wirkt ein schlecht geschriebener Groschenroman in seiner Lust- und Sexualitätsbeschreibung teilweise albern. Aber du scheinst dem Thema auch mit sehr viel Vorbehalt und Vorsicht zu begegnen. Da geht es dir sicher nicht alleine so aber da ist meiner Meinung nach auf jeden Fall der Hund begraben, nicht etwa in der Sprache. Ich denke, dass dir das Englische da leichter vorkommt hat vor allem damit zu tun, dass es in deiner Erlebnisrealität weiter weg und fremder ist.

Zitat
@aingeasil: Vielleicht sind es nicht nur stärkere Emotionen, sondern auch Emotionen in einem Bereich, in dem die meisten sich nicht wirklich sicher fühlen. Außerdem in einem Bereich, in dem die Grenze zwischen Maske und Realität sehr schwierig zu ziehen sein kann.

Ich gebe dir zwar recht, aber da bin ich im Lesen auf einen subtilen Unterton gestoßen, der mir seltsam vorkam. Wie häufig ist es, dass du dir bei Aktionen und Aussagen deiner Mitspieler im Spiel (also intime, durch ihre Charaktere) die Frage stellst, wie viel da vom Spieler selbst herrührt? Machst du das oft oder sogar immer? Ich finde das durchaus problematisch, weil es das Spiel für mich unnatürlich auf eine persönliche Ebene hält, auf der es eigentlich nichts zu suchen hat. Natürlich ist immer viel von einem selbst im Spiel drin, darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Aber wenn ich ständig Rückschlüsse über das Spiel auf die Emotionswelt oder sogar den Charakter meines Gegenübers ziehen würde, empfände ich das beinahe als Übertretung seiner Privatssphäre. Letztlich ist es ein Spiel und da gestehe ich meinen Mitspielern so viel Freiheit zu, dass nicht alles auf sie zurückfällt. Natürlich mache ich mir trotzdem Gedanken, sicher auch unbewusst. Wenn Jemand immer wieder ähnliche Konzepte spielt lässt sich ja eine Präferenz herausstellen aber bevor ich mir da was über die Ursachen zusammenreime, frage ich lieber.

Zitat
Wenn aber die Spielerin eine ansatzweise unterwürfig reagierende Frau hätte spielen wollen, hätte ich die Runde vermutlich nicht fortgeführt, weil ich zu viel Angst davor gehabt hätte, dass sich aus dem Spiel Dynamiken entwickeln könnten, die wir nicht mehr loswerden.

Es gibt da ja die nette Redensart "Unter Freunden und Kollegen: keine Gespräche über Religion oder Politik". Auf der einen Seite kann ich verstehen, wenn man bestimmte Meinungen lieber zurückhält um eine Freundschaft nicht zu gefährden und im Großen und Ganzen kann ich natürlich auch mit Leuten befreundet sein, die in - von mir aus auch prekären Angelegenheiten - abweichende oder mir sogar sehr unpassende Meinungen und Positionen vertreten, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob sowas nicht irgendwann ausbricht, wenn man es unterdrückt.

Zitat
Und was ist, wenn es zwei Männer sind, die eine Beziehung ausspielen? Da könnte unter beiden die in unserer Gesellschaft leider sehr verbreitete Angst aufkommen, dass man „vielleicht schwul sein könnte“. Und dann können Spielinhalte plötzlich am eigenen Selbstbild rütteln…

Allerdings macht genau das Rollenspiele auch zu einem tollen Medium zur Selbsterfahrung. Aber man muss dann mit dem umgehen können, was man über sich herausfindet. Und trotzdem wissen, dass man weiterhin man selbst ist. Und wenn jemand das nicht könnte und deswegen aus der Runde aussteigen würde, wäre das ein schlimmer Verlust. Deswegen finde ich es sehr wichtig, dass jeder zu jeder Zeit entscheiden kann, ob er etwas mitmacht oder nicht - und die Ausführungen von Skiron bekräftigen das nochmal.

Also das wirkt auf mich etwas seltsam. Ich glaube kaum, dass Männer, die prinzipiell bei dem Thema in Selbstzweifel geraten könnten sich dazu entscheiden, so eine Situation im Spiel auszuleben. Einzig eine aufgezwungene Beziehung (durch Liebeszauber oder was weiß ich) könnte wohl sowas erzeugen, das klingt allerdings auch sehr konstruiert. Das Menschen sich aufgrund ihrer Rollen im Rollenspiel (oder auch in der Schauspielerei) ständig neu definieren und auch mehr über sich lernen ist aber prinzipiell nichts Schlechtes in meinen Augen. Wer sich im Selbstbild erschüttert sieht, weil er im Spiel merkt, dass er mit homosexuellen Tendenzen doch keinen so großen Ekel verbindet, hat meiner Meinung nach ganz andere Probleme - und zumindest ich würde nicht wollen, dass unsere Runden für den ein oder anderen Spieler zur Selbsthilfegruppe ausarten.

Zitat
Ich habe mal eine SC-SC Beziehung platzen lassen, weil sie sich auf Spielerebene komisch anfühlte, obwohl sie auf Charakterebene toll gepasst hat. Damals hatte ich allerdings noch nicht den Schneid, das offen anzusprechen, sondern habe meinen Charakter als Werkzeug verwendet, um als Spieler einer komischen Situation auszuweichen.

Wobei ich finde, dass es ein Vorteil von Rollenspielen ist, dass das geht. Den Charakter die Entscheidung des Spielers treffen zu lassen mag nicht ganz offen sein, aber es ermöglicht es, die eigenen Wünsche rüberzubringen, ohne sich selbst entblößen zu müssen. Denn das können nicht alle und nicht zu jeder Zeit. Oder wollen es vielleicht auch ncht.

Hiermit habe ich persönlich, muss ich sagen, allerdings ein erhebliches Problem. Vielleicht habe ich auch einfach zu schlechte Erfahrungen damit gemacht aber in dem Augenblick, wo ein Spieler seinen Charakter als Vehikel für den Ausdruck persönlicher Befindlichkeiten benutzt, als Werkzeug, wie du es nennst, ist für mich Schluss. Wenn nicht mal das Grundvertrauen zwischen den Spielern da ist, solche Schwierigkeiten anzusprechen, sehe ich größere Fallstricke als das die attraktive junge Frau merken könnte, dass du sie attraktiv findest.

Ich weiß, dass ich eine etwas radikalere Einstellung dazu habe und ich entschuldige mich auch schonmal im Voraus für etwaige, harsche Worte, aber was du "nicht ganz offen" nennst, ist für mich schlichter Betrug und Missbrauch des Vertrauens meiner Mitspieler (und Freunde), zumal es auch ganz kräftig nach hinten losgehen kann. Gerade wenn das gemacht wird, kann ja Niemand mehr wissen, ob die Handlung gerade charakterbezogen ist, oder ob sich dahinter versteckte und hinterm Berg gehaltene, persönliche Emotionen und Befindlichkeiten des Spielers liegen. In diesem Zusammenhang kann ich aber auch verstehen, dass du davon sprichst, wie schwierig es für dich ist, "Maske" und Person zu trennen. Das muss ja schwierig werden, wenn man den Charakter für sowas missbraucht.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: aingeasil am 14.12.2012 | 11:13
OT: Zum Thema Deutsche Sprache und beschreiben
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

aber nun BTT:
Bei mir bzw. uns war eigentlich nie das Problem, dass der Spieler nicht "Nein" sagen durfte, solange die Charaktere und gegenüber noch normalen Menschen glichen. Bei uns hat sich das Problem mit der Selbstbestimmung erst eingeschlichen, als wir richtig übernatürliche Rollenspiele hatten, wo extreme Attribute auch thematisiert wurden - in meinem Fall waren das Aberrant und Scion. Wir haben also SCs und NSCs mit Aussehen, Ausstrahlung und Manipulation jenseits allem, was wir als normale Menschen kennen. Anfangs war das echt richtig schwer, bis uns der damalige Spielleiter mal Outplay zur Seite genommen hat und ein ruhiges Wörtchen gesprochen hat, wie er es sich vorstellt. Darunter fiel auch, dass wir wertenden Beschreibungen gegenüber aufgeschlossener sein sollten ("Er hat Ausstrahlung, das kann dein Charakter nicht verleugnen"). Und normalerweise konnte man sich seine eigene logische Meinung bilden alla "Hey, der hat zwar Ausstrahlung, ist aber ein Arschloch" oder "egal, wie scharf ich auf die bin, das is unsere Gegnerin, ich hüpf doch net auf Knopfdruck mit der ins Bett.". Und sowas finde ich in Ordnung.

Nicht in Ordnung finde ich allerdings, wenn solche übernatürlichen Gaben ausgenutzt werden, um den Spielerwillen zu überschreiben, was ich auch schon erlebt hatte:
Zwei weibliche Charaktere, die eine übermenschlich gut aussehend und charismatisch, die andere durchschnittlich aussehend aber dafür für einen menschen extrem charismatisch. Ersterer wurden natürlich immer wieder Angebote unterbreitet für ein kurzes Stell-dich-ein, was den Spieler genervt hatte, weil sich nie um den Charakter bemüht wurde. Und als das Outplay über regelmechanische Wege diskutiert wurde, wie ein anderer Charakter sie mit Regelmitteln zwingen könnte, doch ins Bett zu hüpfen, hat er mehrfach explizit ausgeführt, dass er das nicht möchte. Der andere Spieler ist schließlich von der Idee abgerückt.
Nun kam der Spielleiter mit einem NSC, der dem männlichen Charakter (sogesehen ein Hugh Hefner verschnitt) eins auswischen wollte. Schwupps wurde derjenige mit übernatürlichen Attributen ausgestattet und beide Mädels hatten laut Spielleiter keine Chance mehr, sich dessen Avancen zu erwehren. Der hübschen, charismatischen wurde sogesehen ein "Ficken! Jetzt!" befohlen. Mit der anderen, weniger hübschen, wurde ein Date vereinbart, bei dem es schön zu Essen gab, nette Unterhaltung da war, ihr sogar was Kulturelles gezeigt wurde, sie umworben wurde.
Dass der Spieler des hübschen Mädels es als Vergewaltigung ansah, obwohl "der Typ echt nett war und alles toll war und sie es ja auch gewollt und aktiv mitgemacht hätte" ist in meinen Augen genauso verständlich wie die Reaktion des zweiten Spielers, dass der Charakter nen echt netten Abend hatte und es keine Vergewaltigung war, obwohl er als Spieler nicht hätte "Nein" sagen dürfen.
Mein Fazit daraus war und ist: Wenn der Spielleiter dem Spieler eine solche Entscheidungsmöglichkeit aus der Hand nimmt, dann sollte er/sie dafür sorgen, dass es ein möglichst positives Erlebnis für den Charakter ist, solange nichts anderes vorher (!) abgesprochen wurde. Aber das gilt für mich für alle potentiell ethisch konfliktgefährdeten Themen (Kindermord, Folter, etc.).
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 14.12.2012 | 16:05
Ich hab da ein bis zwei kleine Einsprüche, ArneBab.

Richtig so! Wenn es die nicht gäbe, würde es mir ja wenig bringen, dass ich meine Erfahrungen hier aufschreibe (abgesehen davon, sie formuliert zu haben). Insofern erstmal danke dafür!

Ich denke, dass dir das Englische da leichter vorkommt hat vor allem damit zu tun, dass es in deiner Erlebnisrealität weiter weg und fremder ist.

Das kann gut sein. Gleichzeitig ist es aber auch eine Erfahrung, die bei Übersetzungen aufkommen kann. Persönliches Erleben lässt sich im englischen leichter beschreiben, aber es ist oft weit weniger konkret.

Und es gibt Szenen, die sich im englischen klangvoll beschreiben lassen (und auch von Muttersprachlern so geschrieben werden) die im Deutschen nur peinlich klingen. Ich werde hier aus Gründen des PG-12 keine Beispiele nennen…

Ich gebe dir zwar recht, aber da bin ich im Lesen auf einen subtilen Unterton gestoßen, der mir seltsam vorkam. Wie häufig ist es, dass du dir bei Aktionen und Aussagen deiner Mitspieler im Spiel (also intime, durch ihre Charaktere) die Frage stellst, wie viel da vom Spieler selbst herrührt?

Bewusst spüre ich dann und wann, dass der Spieler durchkommt. Und das ist für mich meistens völlig OK. Ein Charakter ist halt die meiste Zeit kein völlig Selbstständiges Wesen, das unabhängig von seinem Spieler existiert.

Gleichzeitig gestehe ich es aber Spielern zu, sich im Spiel auf Arten zu verhalten, die ich im realen Leben schwierig fände. Ich denke ja auch nicht, dass jemand der im Spiel lachend einem Ork ein Messer ins Herz stößt, das gleiche bei seinem Chef machen würde (auch wenn er manchmal vielleicht Lust darauf hätte :) ).

Ich wüsste auch gar nicht, wie ich spielen sollte, ohne das wahrzunehmen. Da müsste ich regelrecht die Augen vor meinen Mitspielern verschließen und könnte viel schwerer auf das eingehen, was sie ins Spiel einbringen.

Deswegen ist es mir so wichtig, meinen Mitspielern Respekt entgegenzubringen - auch und gerade dann, wenn sie Seiten von sich ins Spiel einbringen, die sie in der normalen Welt nicht zeigen. Dagegen wäre es für mich ein regelrechter Verrat, jemanden wegen Verhaltensweisen zu verurteilen, die er im Spiel zeigt.

Jeder von uns hat Seiten an sich, die er im echten Leben nicht ausleben kann oder nicht auszuleben wagt - oder vielleicht nicht ausleben will, z.B. weil er moralische Bedenken dagegen hat. Im Spiel haben wir einen geschützten Raum, in dem wir diese Seiten bis zu einem gewissen Grad leben können. Und wenn andere sie wahrnehmen, können sie dabei helfen.

Diese Seiten direkt anzusprechen kann allerdings schwierig sein, da sie gleichzeitig genau die Bereiche sind, über die viele Leute schwer sprechen können. Und die meisten Leute sind keine so gefestigten Persönlichkeiten, dass sie alles aussprechen können, das sie bewegt - ich schließe mich selbst da nicht aus.

Wir sind keine Selbsthilfegruppe und wir müssen nicht erklären oder erklären können, warum wir so spielen wie wir spielen. Und dadurch können wir eine Freiheit erleben, die wir im normalen Leben nicht haben. Die Augen vor den Mitspielern zu verschließen halte ich allerdings für falsch. Nur wenn wir erkennen, dass ein Spieler etwas bestimmtes erleben will, können wir ihn dabei unterstützen, mehr davon zu erleben. Und wenn er es nicht aussprechen kann, müssen wir uns halt auf unsere Intuition verlassen (und das Risiko eingehen, dass wir falsch liegen könnten. Es ist einfacher, sich zu entschuldigen, als immer nach Erlaubnis zu fragen).

Hiermit habe ich persönlich, muss ich sagen, allerdings ein erhebliches Problem. Vielleicht habe ich auch einfach zu schlechte Erfahrungen damit gemacht aber in dem Augenblick, wo ein Spieler seinen Charakter als Vehikel für den Ausdruck persönlicher Befindlichkeiten benutzt, als Werkzeug, wie du es nennst, ist für mich Schluss.

Das halte ich für eine sehr harte Ansicht - und für eine logisch nicht zu haltende.

Effektiv tun wir genau das nämlich immer: Durch den Entwurf unseres Charakters legen wir fest, welche Themen wir im Rollenspiel erleben wollen und wie. Er ist dadurch zu einem gewissen Grad immer ein Ausdruck deiner persönlichen Befindlichkeiten. Oder erklärst du deinen Mitspielern immer, warum du nun genau die Art von Charakter wählst, die du spielen willst?

Schwierig wird es meiner Ansicht nach, wenn der Charakter genutzt wird, um die Animositäten gegen einen anderen Spieler auszuleben. Also wenn sich ein Spieler über den Charakter an einem anderen Spieler rächt. Da würde ich dem Spieler sagen, dass er das bitte lassen soll, weil es mir den Spaß am Spiel nimmt.

Aber würdest du einem Spieler wirklich offen ins Gesicht sagen „ich spiele sehr gerne mit dir, aber seit unsere Charaktere zusammen sind, bist du mir im Spiel unangenehm“? Zumindest damals (Schulzeit) war mir das zu heikel, weil es den Spieler hätte verletzen können.

Dadurch würde in meinen Augen das Spiel seine Wirkung als geschützter Raum verlieren. Dann würde ich zwar die Wünsche meiner Mitspieler respektieren, aber nicht ihre Schwächen und Verletzlichkeiten.

Heutzutage würde ich den Spieler vermutlich einfach darauf ansprechen, aber damals konnte ich das nicht und habe ihn so eingeschätzt, dass ihn das verletzt hätte. Durch die Klärung im Spiel konnten wir weiterspielen.

In diesem Zusammenhang kann ich aber auch verstehen, dass du davon sprichst, wie schwierig es für dich ist, "Maske" und Person zu trennen. Das muss ja schwierig werden, wenn man den Charakter für sowas missbraucht.
Heißt das, dass du deinen Mitspielern alles von dir offenbahrst? Dass du keine Teile deiner Persönlichkeit hast, die du gerne unter der Decke hältst? Keine Schwächen, die du lieber für dich behältst? Und dass das bei deinen Mitspielern auch so ist?

Falls das der Fall sein sollte: Respekt vor eurem Selbstbewusstsein.

Es widerspricht allerdings deiner Aussage, dass du eine Interpretation von Charakterhandlungen als Teil des Spielers für ein Eindringen hältst.

Kann es sein, dass du mit der Wahl deiner Charaktere doch Dinge erlebst, die du nicht als Teil deiner Normalpersönlichkeit haben wolltest, die aber trotzdem ein Teil von dir sind (und dir deswegen Spaß machen)?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 14.12.2012 | 16:38
Nicht in Ordnung finde ich allerdings, wenn solche übernatürlichen Gaben ausgenutzt werden, um den Spielerwillen zu überschreiben

Das heißt, im Endeffekt geht es nicht um das Werkzeug, das genutzt wird, sondern um die Intention dahinter, also warum und wofür es genutzt wird?

Anders gesagt: Darum, ob es zum Nutzen aller Beteiligten (Spieler!) verwendet wird, oder zum Nutzen nur eines Beteiligten auf Kosten der anderen?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Skiron am 15.12.2012 | 16:12
 
@Skiron: Danke für deine persönlichen Erfahrungen! Ich finde sie sehr spannend - und das riesige Lob zu lesen, das du deiner Gruppe aussprichst, ist einfach schön.

Das komische Gefühl, wenn die Beziehung der Charaktere nicht ganz passt, kann ich dabei nachfühlen. Ich habe mal eine SC-SC Beziehung platzen lassen, weil sie sich auf Spielerebene komisch anfühlte, obwohl sie auf Charakterebene toll gepasst hat. Damals hatte ich allerdings noch nicht den Schneid, das offen anzusprechen, sondern habe meinen Charakter als Werkzeug verwendet, um als Spieler einer komischen Situation auszuweichen.

Danke. :-)

Das Problem war, dass es auf Charakterebene nicht gut funktioniert hat, weil dieser Spieler und ich sehr unterschiedlich denken und Dinge unterschiedlich interpretieren. Von daher war es kein flüssiges Zusammenspiel der Charaktere. Wir haben uns dann auch über unsere Charaktere unterhalten und wie wir ihre Verhaltensweisen interpretieren, das war ziemlich anstrengend. Anderseits aber auch bereichernd,
weil es insgesamt die Verständigung erleichtert hat und ich dadurch eine andere Sichtweise kennenlernen konnte.

Wobei ich finde, dass es ein Vorteil von Rollenspielen ist, dass das geht. Den Charakter die Entscheidung des Spielers treffen zu lassen mag nicht ganz offen sein, aber es ermöglicht es, die eigenen Wünsche rüberzubringen, ohne sich selbst entblößen zu müssen. Denn das können nicht alle und nicht zu jeder Zeit. Oder wollen es vielleicht auch ncht.

Das finde ich schwierig. In dem Moment ist Dein Gegenüber einer Diskrepanz ausgesetzt, soll er ernst nehmen, was Du sagst,
oder was Du spielst?

Ich mag es lieber, wenn Wünsche oder/und auch Abneigungen offen geäußert werden.
Ich versuche das selbst auch so zu machen.

Aber ich denke Du sprichst einen wichtigen Punkt an, man gibt sich eine Blöße indem man Wünsche und Bedürfnisse äußert.
Es ist nicht mehr "ich hab das Recht auf" weil "mein Charakter ist so", oder "das Regelwerk sagt", "gute Story", "der SL hat Recht", sondern im Grunde eine Bitte.

Der Grund warum ich es besser finde ist, weil es dann viel leichter ist diesen Wünschen und Bedürfnissen entgegen zu kommen
und weil es ermöglicht offen damit umzugehen und eben auch Ängste oder Befürchtungen zu thematisieren oder Voraussetzungen zu schaffen
wie man dies ins Rollenspiel integrieren kann.

Ich finde es übrigens toll, dass ihr in eurer Runde so offen mit Liebe und Sexualität umgehen könnt. Ich glaube ich hätte Probleme, eins von beidem als wirklich normalen Teil der Runde anzuspielen - zumindest zusammen mit Frauen, die ich anziehend finde. Da hätte ich zu viel Angst, dass es in die Realität überschwappen könnte, wenn ich mich mal mit meiner Frau zoffe. Verrücktspielende Gefühle sind verdammt beschissen…

Wir sind nicht soo offen. ;-)
Sex wird nicht ausgespielt, da fällt der Vorhand oder die Tür geht zu.

Und es kann auch vorkommen, wenn einen Spieler oder Spielleiter das Thema gerade nicht so begeistert,
dass ein deutliches: "Nehmt Euch ein Zimmer" kommt.  ;D
Ich finde das aber auch gut, ich bin sehr für Signale im Rollenspiel, die deutlich machen, wenn etwas nicht erwünscht ist,
oder erwünscht, die man auch dekodieren kann. :-)

Ich denke es liegt daran, dass es so gespielt werden kann, dass der Charakter/NSC nicht mit den Spielern/Spielleiter verwechselt wird.
Für mich ist dieses Vertrauen die Voraussetzung solche Dinge überhaupt spielen zu können. Mein Charakter ist nicht ich. Der Spielleiter ist nicht seine NSCs, die Mitspieler sind nicht ihre Charaktere.
Und ich würde es als Vertrauensbruch empfinden, wenn mit Sex oder Liebe gespielt wird,
dies als Interesse am Spieler/Spielleiter missdeutet würde.

Das beste Posting was ich dazu gelesen habe ist dieses:
http://tanelorn.net/index.php/topic,78430.msg1620905.html#msg1620905

Und was ich daran total gut finde ist das Stichwort Verantwortung!

Vorsicht, jetzt wirds emotional:
(Rant) Wenn ich an der Stelle des Spielers aus aingeasil Beispiel gewesen wäre, dann hätte ich alleine bei einem NSC
der Hugh Hefner mäßig ist schon unter den Tisch gekotzt.

Und dann wird der Spieler, der schon geäußert hat, dass er auf so ein Spiel keinen Wert legt so einer Situation ausgesetzt?
Wie respektlos und grenzüberschreitend das bitte?
Dann kommt man nach dem Rollenspiel nach Hause und sagt sich, hey, war ein super Spiel, voll begeistert:
ich fühl mit zutiefst gedemütigt, vergewaltigt, benutzt und emotional missbraucht.
Wie kann man so etwas bitte ok finden?

Das schlimme in der Beschreibung ist dass es eine reine Soloveranstaltung des Spielleiters ist, der Charakter und Spieler dient da
nur zur Selbstdarstellung des NSC als Sexobjekt, der dazu noch "benutzt" wird einem anderen Spieler eins auszuwischen (was ich schon echt ätzend finde) und dann dazu verdonnert wird, eigene Gefühle zu leugnen und diesen NSC toll zu finden und dies einen super Abend?

Ich hoffe sehr, dass ich niemals so etwas erleben muss und wenn doch, dass ich dann die Geistesgegenwart habe zu sagen: Nein!
Und offen die Frage an den Spielleiter zu stellen ob er gerade versucht mich und meinen Charakter für sexuelle Machtfantasien zu missbrauchen und nebenbei einem anderen Spieler eins auszuwischen will?
(Rant Ende)

Ok und nun wieder sachlich. :-)

@Arne Bab, ich finds gut, dass Du die Ängste ansprichst ich denke die spielen eine große Rolle.
Ich merke auch, dass ich es sehr schwer finde alleine nur darüber zu schreiben.

Sex und Liebe gehören zu den stärksten Emotionen die ein Mensch haben kann.
Dementsprechend ist die andere Seite davon, dass hier die tiefsten Enttäuschungen, Ängste und Demütigungen erlebt werden können.

Ich kann es sehr gut verstehen, dass es Spaß mach sich über den Charakter/NSC sexuell attraktiv und erfolgreich zu erleben vielleicht sogar als jemand, der Sex und Gefühl trennen kann und somit der mächtige aktive Part ist. Ich kann verstehen, dass es Spaß macht hier Dinge auszuprobieren, die man im echten Leben vielleicht nicht kann, hat oder möchte.

Allerdings darf man dabei in meinen
Augen nicht vergessen, dass im Spiel jemand den Gegenpart übernimmt, der im Zweifel dann die Gefühle oder Erlebnisse auf der anderen Seite hat.


Von daher hat man in meinen Augen auch niemand ein Recht darauf von einem anderen, egal ob Spieler oder Spielleiter dies einzufordern.

Für mich machen die Spielleiter und die Spieler Charaktere und NSC mit ihren Gefühlen lebendig.
Das ist ein wesentlicher Faktor für mich eine Welt glaubwürdig zu finden und mitzufühlen zu können.

Emotionen kann ein Mensch nicht einfach abschalten.
Auch erspielte Emotionen nicht.
Sie gehen einem Nahe, sie bewegen einen.
Es gibt Themen, die für einen Menschen existenziell sind und deshalb auch schnell emotional.
Man kann im Rollenspiel nicht immer Emotionen abschätzen, weder bei sich selbst noch bei anderen.
Dementsprechend hat man auch Verantwortung.
Die Verantwortung anderen seine Grenzen mitzuteilen und die Grenzen von anderen zu respektieren.
Und vor allen Dingen mit den Emotionen achtsam umzugehen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 15.12.2012 | 16:52
@Skiron
Sex und Liebe sind sicherlich starke Emotionen. Aber ich denke, dass Todesangst und Panik noch wesentlich stärkere Emotionen sind.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: bibabutzelmann am 15.12.2012 | 17:32
Wenn man versucht soziale Interaktion in Regeln zu verpacken, dann sollte man sie auch nutzen. Ich sage in einem Kampf auch nicht einfach "Nö, ich habe nicht verloren." Ist doch Schwachsinn. Manche Spieler scheinen sich da regelrecht vergewaltigt zu fühlen. Halbe Immersion... Einerseits fühlt man sich schon als der Charakter und überträgt auf sich selbst, andererseits ist man noch nicht genug im Verständnis um einzusehen, dass der Charakter das eben tut und es sich für ihn richtig anfühlen müsste.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 15.12.2012 | 17:46
Um nochmal auf aktuelle Spielbeispiele und konkrete Regeln zu kommen.

Der Savyhead in meiner Runde hat den Move Norman (http://www.samruby.com/Villains/GreenGoblinII/GreenGoblinDream.gif) der ihm erlaubt mit seiner Maske seinem mutanten Käfer zu reden und ihn um Hilfe zu fragen.
Er fragt also den Käfer was seiner Meinung nach die beste Handlungsweise ist und Würfelt.

Bei einem vollen Erfolg erhält er Erfahrung wenn er dem Hinweis folgt und +1 auf Würfelwürfe die das betreffen
Bei einem halben Erfolg erhält er auch die +1 aber wenn er Sachen tun will die nicht mit dem Plan übereinstimmen muss er (regeltechnisch) gegen den Einfluss des Käfers ankämpfen (Act under fire). Verhaut er diesen Wurf auch kann es durchaus dazu kommen, dass er dem Hinweis folgen "muss" obwohl er lieber nicht wollte.
Wenn er Norman komplett daneben würfelt hat er diese Behinderung auch, bekommt aber nicht die +1.

Die Sache ist, was ihm der Käfer empfiehlt liegt völlig in meiner Hand als SL. Das ist ein komisches Käfer-Mutaten-Viech und hat diese insektenartige Schwarmstaat mentalität. Dazu kommt noch, das es vom psychischen Mahlstrom ziemlich verseucht ist und dieser ist wie gesagt vor allem an Sex und Familie interessiert. Das ist dem Spieler nicht wirklich bekannt denke ich. Was er weiß, ist das der Käfer ihm bisher 1 mal dazu geraten hat mit jemandem Sex zu haben um ihn zu etwas zu überreden.

Das andere mal hat ihm der Käfer gesagt, er soll den komischen Sektenführer und seinen Clan die neu in die Stadt gekommen sind aufnehmen und das annehmen was er ihm anbietet. Der Typ ist nun irgendwo zwischen Peace-Hippie und kranken "meine Sekte ist meine Familie ist mein Haren" Typ. Anfang nächste Session schmeißen die eine Party und natürlich wird der Anführer dem Savy eine seiner Damen für den Abend anbieten.
Wenn der Savy jetzt die Erfahrung (und man brauch nur 5 Erfahrung für einen "Level Up") haben will muss er das Angebot annehmen.
 
Damit habe ich ihn in eine bestimmte Situation gebracht ja, eine die ich interessant finde. Sie ist nicht potentiell gefährlich oder schädlich für ihn. Er kann ablehnen (bekommt aber keine Exp) und ist auch okay für mich.

Letztendlich hat er mit Norman einen Move genommen der schreit "GM, lass mich irgendwas machen" und muss jetzt damit leben. Gehe ich da als SL jetzt zu weit das in so eine intime Richtung zu drücken oder nicht?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 16.12.2012 | 02:06
Letztendlich hat er mit Norman einen Move genommen der schreit "GM, lass mich irgendwas machen" und muss jetzt damit leben. Gehe ich da als SL jetzt zu weit das in so eine intime Richtung zu drücken oder nicht?
(ich antworte erstmal dir, weil das einfacher geht)

Ob das zu weit geht hängt vom Spieler ab. Wenn es dem Spieler Spaß macht (und niemand sonst Einwände hat) finde ich das völlig OK. Aber dir muss klar sein, dass du mit Einfühlungsvermögen daran gehen musst. Je nach Spieler könnte es zu weit gehen. Und du musst dir sicher sein können, dass du das entweder merkst oder der Spieler dir das sagen kann. Ist beides nicht gegeben: Finger weg. Zumindest ist das meine Meinung… Verantwortung für die Mitspieler geht vor.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 16.12.2012 | 03:13
Wir haben uns dann auch über unsere Charaktere unterhalten und wie wir ihre Verhaltensweisen interpretieren, das war ziemlich anstrengend. Anderseits aber auch bereichernd,

Das heißt, ihr seid aus euren Charakteren rausgerutscht und habt nicht mehr als die Charaktere gesprochen, sondern über sie?

Das finde ich schwierig. In dem Moment ist Dein Gegenüber einer Diskrepanz ausgesetzt, soll er ernst nehmen, was Du sagst,
oder was Du spielst?

Im Idealfall sollte er die Diskrepanz als Hinweis darauf nehmen, dass wir auf einem Gebiet sind, auf dem ich mich nicht mehr ganz wohl fühle…

Wobei die Diskrepanz dabei war, dass ich offplay keine Erklärung für das geänderte Inplay-Verhalten gegeben habe. Es ist eine Schwierige Situation, aber ich denke, das ist es immer, wenn für jemanden etwas nicht passt…

Ich mag es dabei auch lieber, wenn offen darüber gesprochen werden kann. Aber das geht in der Realität nicht immer.

Und ich denke, mit der Bitte hast du Recht: Ob man Wünsche selbst äußert oder durch den Charakter auszudrücken versucht, was man nicht sagen kann oder nicht zu sagen wagt, bleibt es eine Bitte um Rücksichtnahme - vielleicht auch entgegen der Wünsche von anderen (wenn nicht mindestens einer der Beteiligten die Szene wollte, würde sie nicht gespielt werden).

Sex wird nicht ausgespielt, da fällt der Vorhang oder die Tür geht zu.

Je nachdem, wo ihr die Grenze zieht, kann auch das vor dem Sex schon sehr offen sein (nicht das Vorspiel, sondern die emotional aufgeladene Kommunikation).

Ich weiß, dass wir dabei bestimmte Grenzen haben, ab denen wir meist auf abstrakte Ebene wechseln, also uns emotional zurückziehen und nur noch sagen „er macht dir Avancen“, es aber nicht mehr ausspielen.

Ich finde das oft schade, weiß aber, dass ich selbst da auch noch Grenzen habe, über die ich nicht hinaus komme…

Ich denke es liegt daran, dass es so gespielt werden kann, dass der Charakter/NSC nicht mit den Spielern/Spielleiter verwechselt wird.
Für mich ist dieses Vertrauen die Voraussetzung solche Dinge überhaupt spielen zu können. Mein Charakter ist nicht ich. Der Spielleiter ist nicht seine NSCs, die Mitspieler sind nicht ihre Charaktere.

Für mich ist die Möglichkeit, Abstrakt zu werden, ein Sicherheitsanker, mit dem jeder einzelne dafür sorgen kann, dass das so bleibt, auch wenn eine Situation ihn als Spieler so stark anspricht, dass die Trennung zwischen Spieler und SC sich aufzulösen droht (oder auch die Trennung zwischen SL und NSC).

Ich gehe nicht davon aus, dass es möglich ist, eine wirklich vollständige Trennung zwischen Spieler und SC zu haben, deswegen finde ich es wichtig, dass es ein Sicherheitsnetz gibt, mit dem wir aus zu starken Verstrickungen zwischen Spieler, SC, anderem SC und anderem Spieler wieder herauskommen.

Ich weiß, dass ich selbst Klingentänzer bin und dazu neige, wenn ich in den Fluss komme, soweit über meine Grenzen zu gehen, dass ich - prosaisch gesprochen - nur noch einen Hauch von dem Abgrund entfernt bin. Deswegen sind mir Sicherheitsnetze so wichtig: Ich muss wissen, dass ich mich auffangen kann, wenn ich mich zu weit vor wage.

Und ich würde es als Vertrauensbruch empfinden, wenn mit Sex oder Liebe gespielt wird,
dies als Interesse am Spieler/Spielleiter missdeutet würde.

Was würdest du tun, wenn du bei dir selbst ein entstehendes Interesse bemerkst, das du aber als Spielerin nicht ausleben willst.

Das ist die Situation, die ich wirklich schwierig finde. Bei anderen Spielern gilt für mich sowieso immer im Zweifel für den Angeklagten - will heißen: Selbst wenn ich das Gefühl hätte, dass ein Spieler eigentlich seine eigenen Emotionen spielt, würde ich trotzdem von der Annahme ausgehen, dass er nur seinen Charakter spielt, weil unsere Zielsetzung an dem Rollenspielabend nunmal ist, unsere Charaktere zu spielen.

Anders sieht es aus, wenn ich bei mir selbst merke, dass meine Reaktionen nicht mehr nur aus dem Charakter kommen (und entweder das Spiel stören oder nicht dem entsprechen, wie ich sein will). Dann versuche ich entweder, aus der Situation raus zu kommen oder es anzusprechen.

Und offen die Frage an den Spielleiter zu stellen ob er gerade versucht mich und meinen Charakter für sexuelle Machtfantasien zu missbrauchen und nebenbei einem anderen Spieler eins auszuwischen will?

Das trifft es ganz gut…
Meinem Gefühl nach wurde da auch irgendeine Machtgrenze heftig überschritten, weil Sachen nicht Offplay geklärt werden konnten.

@Arne Bab, ich finds gut, dass Du die Ängste ansprichst ich denke die spielen eine große Rolle.
Ich merke auch, dass ich es sehr schwer finde alleine nur darüber zu schreiben.

Das geht mir teilweise auch so. Schon die Diskussion hier ist ein Tanz am Abgrund, dadurch aber eben auch sehr interessant.

Ich spüre beim Schreiben, dass ich mich damit verletzlich mache, und muss abwägen, wieviel Verletzlichkeit ich zuzulassen wage. Was ich hier schreibe sind Dinge, bei denen ich hoffe, dass ich bereits genügend Sicherheitsnetze aufgebaut habe, dass ich, falls jemand versuchen sollte, mich damit zu verletzen, weit genug zu machen kann, dass ich nicht bleibend verletzt werde.

Allerdings darf man dabei in meinen
Augen nicht vergessen, dass im Spiel jemand den Gegenpart übernimmt, der im Zweifel dann die Gefühle oder Erlebnisse auf der anderen Seite hat.


Das finde ich einen sehr wichtigen Punkt. „Verantwortung“ passt dafür gut.

Sei dir im Klaren, was du mit deinen Handlungen von anderen verlangst. Allerdings ist das gleichzeitig extrem schwer… und manchmal merkt man es erst zu spät.

Emotionen kann ein Mensch nicht einfach abschalten.
Auch erspielte Emotionen nicht.
Sie gehen einem Nahe, sie bewegen einen.
Es gibt Themen, die für einen Menschen existenziell sind und deshalb auch schnell emotional.
Man kann im Rollenspiel nicht immer Emotionen abschätzen, weder bei sich selbst noch bei anderen.
Dementsprechend hat man auch Verantwortung.
Die Verantwortung anderen seine Grenzen mitzuteilen und die Grenzen von anderen zu respektieren.
Und vor allen Dingen mit den Emotionen achtsam umzugehen.

Ja.

Das kann ich, glaube ich, nicht besser ausdrücken. Deine Zeilen zeigen wundervoll viele verschiedene Aspekte des Spiels, die mir wichtig sind. Und zwar in einer Intensität, dass sie fast ein Einführungszitat eines Buches sein könnten…

Darf ich sie irgendwann in einen Leitfaden zum Spielen übernehmen?
Z.B. In einen Abschnitt „Achtsames Spielen“?

Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 16.12.2012 | 03:16
@Skiron
Sex und Liebe sind sicherlich starke Emotionen. Aber ich denke, dass Todesangst und Panik noch wesentlich stärkere Emotionen sind.
Sie mögen theoretisch stärker sein. Im Gegensatz zu sexueller Spannung und Liebe habe ich selbst sie aber noch nicht erlebt, so dass ich viel weniger Bezug dazu habe und sie daher auch nicht so stark miterlebe.

Deswegen berühren mich sexuelle Spannung und Liebe im Spiel deutlich tiefer and Todesangst und Panik.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Bad Horse am 16.12.2012 | 14:58
@Skiron
Sex und Liebe sind sicherlich starke Emotionen. Aber ich denke, dass Todesangst und Panik noch wesentlich stärkere Emotionen sind.

Dazu noch: Sex und Liebe sind positive Emotionen, die mit positiven Ereignissen verbunden sein sollten (nicht immer sind, klar - aber da besteht zumindest das Potential, dass sie positiv sein können).

Todesangst und Panik sind nicht positiv und werden unter den allerseltensten Umständen als angenehm empfunden.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 16.12.2012 | 15:04
Wieso sollte man dann aber positive Emotionen im Rollenspiel nicht auftauchen lassen, sondern stattdessen negative Emotionen triggern?

Wäre es nicht viel sinnvoller, negative Emotionen aus dem RPG zu verbannen und positive Emotionen zu triggern?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Bad Horse am 16.12.2012 | 15:08
Wäre es nicht viel sinnvoller, negative Emotionen aus dem RPG zu verbannen und positive Emotionen zu triggern?

Offensichtlich nicht.  ;)

Warum Rollenspiel (und andere Medien, die sich mit Fiktion beschäftigen) sich mit negativen Emotionen beschäftigen, sprengt den Rahmen des Thread vermutlich erheblich.

Andererseits muss man nicht alle negativen Emotionen einbauen. Erniedrigung und Machtlosigkeit sind Erfahrungen, die im Rollenspiel nicht jeder haben mag - im Gegensatz zu Todesangst und Panik, die im Spiel ja meistens ohnehin überwunden werden.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 16.12.2012 | 15:11
Wäre es nicht viel sinnvoller, negative Emotionen aus dem RPG zu verbannen und positive Emotionen zu triggern?

Jap.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: aingeasil am 16.12.2012 | 15:19
Dazu noch: Sex und Liebe sind positive Emotionen, die mit positiven Ereignissen verbunden sein sollten (nicht immer sind, klar - aber da besteht zumindest das Potential, dass sie positiv sein können).

Aus diesem Grund sage ich, dass temporär das Mitspracherecht eines Spielers zwar entzogen werden kann, dafür aber als "Entschädigung" eben dieses positive Ereignis vom Spielleiter produziert werden muss, damit kein schlechtes Gefühl beim Spieler zurückbleibt. Zumindest so lange eine solche Situation nicht vorher (!!) mit dem Spieler abgesprochen wurde.

Ich nehm mal das Beispiel aus dem Con-Beitrag, der diesen Beitrag erst produzierte:
1) der weibliche Charakter geht in eine zwielichtige Kneipe, sexy angezogen. Auf den warnenden Hinweis des Spielleiters reagiert die Spielerin, dass der Charakter weiß, dass sie damit Aufmerksamkeit auf sich zieht und das auch will.
2) Als sie ihrem Opfer begegnet, betont der Charakter ihre Reize und die Spielerin sagt an, dass sie bis zum äußersten (in dem Fall Sex) geht, um ihr Opfer auszuhorchen.
3) Ihre Würfelprobe geht schließlich komplett nach hinten los. Anstatt dass ihr Opfer abblockt finde ich es einen sehr schönen Twist, dass das Opfer anspingt, aber plötzlich die Rollen vertauscht sind. Der Spielerin wird die Kontrolle insoweit über den Charakter entzogen, als dass sie sich nicht mehr erwehren kann und der Charakter den Sex mit ihrem ursprünglichen Opfer plötzlich will.
4) Einvernehmlich, und zwar aufgrund von Punkt 1) und 2) und dem Fehlschlag bei 3), haben Charakter und NSC Sex. Und zwar ohne dass die Spielerin weiter Einfluss darauf hat.
In diesem Fall finde ich es vollkommen in Ordnung, dass der Spieler kein Vetorecht hatte. Im speziellen Beispiel sind zwar noch ein paar Dinge gefallen (Bewusstlosigkeit, nachdem sie schon ins Zimmer verschwunden sind, Potenzbeschreibung und schließlich Schwangerschaft), die ich nicht in Ordnung finde, aber vom reinen Ablauf her ist das Ergebnis bei 4) für mich als Spielerin durchaus gerechtfertigt, ohne dass es einen emotionalen Angriff auf die Spielerin darzustellt. Der Angriff erfolgt eher aufgrund der negativen Dinge, die ich in Klammern geschrieben hatte.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: aingeasil am 16.12.2012 | 15:29
Andererseits muss man nicht alle negativen Emotionen einbauen. Erniedrigung und Machtlosigkeit sind Erfahrungen, die im Rollenspiel nicht jeder haben mag - im Gegensatz zu Todesangst und Panik, die im Spiel ja meistens ohnehin überwunden werden.

Das Problem an Erniedrigung und Machtlosigkeit ist, dass wir keine wirklichen Lösung in unserer eigenen Gesellschaft für solche Erfahrungen haben.

Erniedrigung im Sexuellen Bereich wird in unserer Fantasie fast ausschließlich von Männern auf Frauen ausgeübt. Ich habe glaube ich noch nie erlebt, dass im Rollenspiel ein männlicher Charakter damit zu kämpfen hatte; mir fällt zumindest keine solche Szene ein. Der Lösungsweg bei Frauen sieht eigentlich nur die Extreme "Zölibat" oder "Schlampe" vor und/oder der weibliche Charakter wurde in die Schuld-Rolle gedrängt ("dein Charakter ist halt so sexy", "Du hast doch beschrieben, dass sie sich so anzieht", bla). Da wir in der Gesellschaft nicht mit diesem Thema umgehen können, finden wir auch kaum im Rollenspiel Lösungen, die die Würde des Charakters wahren.
Das Problem war aber in meinen Augen nie, dass es solche Situationen im Rollenspiel gab. Viel eher war das Problem, dass aus den Situationen resultierend die Wertung der anderen Spieler dem weiblichen Charakter gegenüber sehr, sehr lange in den Köpfen blieben (Schlampe, frigide, männermordendes Miststück, Spaßbremse (<- ernsthaft), etc.).
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Skiron am 16.12.2012 | 16:36
Das heißt, ihr seid aus euren Charakteren rausgerutscht und habt nicht mehr als die Charaktere gesprochen, sondern über sie?

Ich hab den Spieler angemailt und dann haben wir telefoniert und über unsere Charaktere und wie wir ihr Verhalten im Spiel
interpretieren gesprochen. Das war im nach hinein sehr erhellen, weil man glaube ich das Verhalten von Charakteren sehr unterschiedlich
sieht und dann kommt noch hinzu wie man es als Spieler sieht.

Im Idealfall sollte er die Diskrepanz als Hinweis darauf nehmen, dass wir auf einem Gebiet sind, auf dem ich mich nicht mehr ganz wohl fühle…

Wobei die Diskrepanz dabei war, dass ich offplay keine Erklärung für das geänderte Inplay-Verhalten gegeben habe. Es ist eine Schwierige Situation, aber ich denke, das ist es immer, wenn für jemanden etwas nicht passt…

Ich mag es dabei auch lieber, wenn offen darüber gesprochen werden kann. Aber das geht in der Realität nicht immer.

Genau solche Situationen finde ich sehr unangenehm und es deshalb wichtig, dass Spieler oder auch Spielleiter es sagen,
wenn ihnen etwas unangenehm ist, weil man es dann einordnen kann. Für mich macht es wenig Sinn im Spiel, wenn sich jemand dabei
unwohl fühlt. Da fühl ich mich nämlich schnell auch mit-unwohl. ;-) Gab es denn eine Ingame Erklärung?

Es stimmt, dass man nicht immer offen sprechen kann oder will.
Manchmal ist das auch besser so. Und ich glaube meist wird ja nicht gefragt.  ;D
Für mich ist es so, wenn jemand fragt, was auf das Spiel bezogen ist, dass er dann eine Antwort bekommt.
Bei Dingen bei denen ich mir unsicher bin frage ich nach oder erkläre alles andere wäre mir zu stressig.

Und ich denke, mit der Bitte hast du Recht: Ob man Wünsche selbst äußert oder durch den Charakter auszudrücken versucht, was man nicht sagen kann oder nicht zu sagen wagt, bleibt es eine Bitte um Rücksichtnahme - vielleicht auch entgegen der Wünsche von anderen (wenn nicht mindestens einer der Beteiligten die Szene wollte, würde sie nicht gespielt werden).

Manchmal sind einem die eigenen Motive auch nicht bewusst.
Deshalb versuche ich schon mir klar zu machen, was für mich zum Charakter gehört und was meine Motive als Spielerin sind.
Und auch meiner Runde das zu vermitteln.

Je nachdem, wo ihr die Grenze zieht, kann auch das vor dem Sex schon sehr offen sein (nicht das Vorspiel, sondern die emotional aufgeladene Kommunikation).

Ich weiß, dass wir dabei bestimmte Grenzen haben, ab denen wir meist auf abstrakte Ebene wechseln, also uns emotional zurückziehen und nur noch sagen „er macht dir Avancen“, es aber nicht mehr ausspielen.

Ich finde das oft schade, weiß aber, dass ich selbst da auch noch Grenzen habe, über die ich nicht hinaus komme…

Das stimmt. Eigentlich sind diese emotionalen Momente manchmal nur Blicke oder kurze Sätze, die man mit dem Charakter spielt,
die sich aus dem Spiel und Übermut heraus ergeben. Ich kann es schwer erklären, aber ich finde, dass man wirklich tiefe emotional bewegende Dinge spielen kann und dazu gehören auch Konflikte und Drama und einfach Beziehungen zwischen den Charakteren, die nicht mal sexuell sind, muss man sich innerhalb der Runde wohl fühlen, die Runde muss es auch spannend finden, ansonsten ist es leicht "gekünstelt".

*lach* Das kenne ich auch, wenns zu nahe wird dann nicht mehr "ich", sondern "mein Charakter".

Ich denke man hat Grenzen nicht ohne Grund und dass es auch besser ist, wenn man diese dann einhält.

Für mich ist die Möglichkeit, Abstrakt zu werden, ein Sicherheitsanker, mit dem jeder einzelne dafür sorgen kann, dass das so bleibt, auch wenn eine Situation ihn als Spieler so stark anspricht, dass die Trennung zwischen Spieler und SC sich aufzulösen droht (oder auch die Trennung zwischen SL und NSC).

Abstrakt ist es viel leichter über Dinge zu sprechen.
Ich denke, dass ist auch ein Grund, warum man sich leichter über die Charaktere und wie man die Charaktere und die Welt sieht
unterhalten kann, als darüber was einen als Spieler persönlich bewegt.
Das ist, was ich manchmal schade finde.

Was würdest du tun, wenn du bei dir selbst ein entstehendes Interesse bemerkst, das du aber als Spielerin nicht ausleben willst.

Ich würde es nicht spielen.
Soviel erstmal und klar, kannst Du das benutzen. Freut mich, dass Du das gut findest. :-)

Das Sicherheitsnetz ist ein gutes Thema, auch wie viel von einem selbst im Charakter steckt, aber erfordert mehr Überlegung.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Skiron am 16.12.2012 | 16:40
Aus diesem Grund sage ich, dass temporär das Mitspracherecht eines Spielers zwar entzogen werden kann, dafür aber als "Entschädigung" eben dieses positive Ereignis vom Spielleiter produziert werden muss, damit kein schlechtes Gefühl beim Spieler zurückbleibt. Zumindest so lange eine solche Situation nicht vorher (!!) mit dem Spieler abgesprochen wurde.

Ich glaube dass ein Spielleiter das nicht kann, wenn dem Spieler das Mitspracherecht entzogen wird.

Für mich sind es ganz klar sexuelle Übergriffe, wenn ein Spieler oder Spielleiter zu etwas gezwungen wird, was er nicht will
und emotionaler Missbrauch, wenn der Spieler oder Spielleiter dann auch noch so spielen soll, als würde er das gut finden und nicht artikulieren darf und soll, dass er das voll daneben findet.

Wenn man mit Sex oder Liebe spielen will, dann braucht man einen Sicherheitsanker um die Grenzen nicht zu übertreten und jemand anderen nicht emotional zu belasten oder zu schädigen und der liegt in meinen Augen darin, dass ein Spieler oder auch Spielleiter signalisieren kann, ob und wann er so ein Spiel möchte und an der Stelle ausblenden kann an der es ihm zu viel wird und zwar jederzeit. Fehlt dies, dann bewegt man sich im Bereich sexueller Belästigung und da kann man sich dann auch nicht hinter dem Regelwerk oder der Spielwelt verstecken.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: aingeasil am 16.12.2012 | 18:10
In einer unserer Kampagnen durch ein matriarchisches Königreich bekam der männliche Elf der Gruppe aufgrund seiner Arroganz etwas zuviel Aufmerksamkeit einer Nomadenprinzessin, die ihn kurzerhand ein paar Tage als persönliches "Spielzeug" festhielt.
Wie schlimm war das für die Charaktere? Und für die Spieler/innen dahinter?

Ich hatte auch schon Spieler, deren männliche Charaktere abgeschleppt wurden, ohne dass sie sich hatten wehren können. Aber die Reaktion der Spieler war ein "die werden von der geilen Tusse flachgelegt, das is doch toll."

Sexuelle Problem-Begegnungen, die der Spieler nicht schönreden konnte, habe ich für männliche Charaktere noch nie erlebt. Oder wurde einem von euch mal erzählt "Dein hetero männlicher Charakter kann sich dem überirdisch schönen, sehr charismatischen und manipulativen männlichen NSC nicht entziehen und geht mit dem mit, so dass alle anderen Spielercharaktere das mitbekommen. Sie verleben eine echt heiße Nacht miteinander und dein Charakter findet das richtig toll und macht auch kräftig mit."? Das scheint so das einzige Szenario zu sein, bei dem viele männliche (hetero) Spieler ihren persönlichen Horror erleben.

Zitat
Wenn man mit Sex oder Liebe spielen will, dann braucht man einen Sicherheitsanker um die Grenzen nicht zu übertreten und jemand anderen nicht emotional zu belasten oder zu schädigen und der liegt in meinen Augen darin, dass ein Spieler oder auch Spielleiter signalisieren kann, ob und wann er so ein Spiel möchte und an der Stelle ausblenden kann an der es ihm zu viel wird und zwar jederzeit.
Ich sage ja nix gegen ausblenden. Ich finde es sogar wichtig, dass man nur so explizit wird, wie sich die Beteiligten noch wohl fühlen.
Ich sage nur, dass wir als Spieler durchaus die Entscheidungshoheit unseres Charakters kurzzeitig abgeben können, solange dies entweder vorher abgesprochen wurde oder das Ergebnis vom Spieler als positiv angesehen wird. Wenn man sich als Spielleiter nicht sicher ist, dass man letzteres erreichen kann, dann sollte man dem Spieler auch die Entscheidungshoheit nicht nehmen, sondern mit ihm zusammenarbeiten.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: bibabutzelmann am 16.12.2012 | 19:37
Keine Kontrolle über den Charakter abgeben können finde ich kindisch. Sorry, aber was soll das denn? Wenn man so einen Ego/Kontroll/Herrschafts-Trip fährt, dann läuft doch irgendwas falsch, oder? Im richtigen Leben hat man auch nicht immer die Kontrolle. So ist das nun mal. Oder gibt es so viele Spieler, die Rollenspiel als Kompensation (be/miss)brauchen? Jedem das seine, aber ich könnte mit so Leuten keinen Abend spielen  :q
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Callisto am 16.12.2012 | 19:46
Es kommt drauf an, ob mein Charakter gezwungen wird, was zu tun, was weder er noch ich mögen oder ob ich gezwungen werde, einen Charakter zu haben der an sich an etwas erfreuen soll vom SL aus, was ich weder mag noch mag, dass mein Charakter es mag. Noch dazu ohne dass der Charakter vorher auch nur irgendwie in die ungeliebte Richtung tendierte.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 16.12.2012 | 19:50
Es kommt drauf an, ob mein Charakter gezwungen wird, was zu tun, was weder er noch ich mögen oder ob ich gezwungen werde, einen Charakter zu haben der an sich an etwas erfreuen soll vom SL aus, was ich weder mag noch mag, dass mein Charakter es mag. Noch dazu ohne dass der Charakter vorher auch nur irgendwie in die ungeliebte Richtung tendierte.

Die Frage ist ob nur du weißt oder bestimmen kannst was dein Charakter mag oder möchte.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Maarzan am 16.12.2012 | 19:52
Spieltechnisch gesehen verorte ich das Problem mit dem "Sexwürfeln" darin, dass es meist mit einem Wurf oder unwesentlich mehr abgehandelt wird, was auch bei einem Kampf für Ärger sorgen würde.
Dazu sind sich viele schon klar, dass es Fälle gibt, wo Hormone und Würfel die Steuerung übernehmen würden, aber sie haben doch einen halbwegs deutliche Idee welche "Modifikatoren" anzusetzen wären: Typ, Alter, Haarfarbe, Gewicht ... , diese Modifikatoren aber im Gegensatz zu den "messbareren" Aktionsmodifikatoren im Kopf bleiben und damit erst einmal nicht zur Verfügung stehen oder generell übersehen werden.

Ich hatte auch einmal einen Confall, von "dein Char ist ihr hoffnungslos verfallen", welcher sehr ärgerlich war - nicht weil der Charakter moralisch standfest gewesen wäre, sondern weil das so gar nicht gepasst hat und das nicht berücksichtigt wurde. Ich hatte sie eben erst nach diversen bösen Auseinandersetzungen selbstgefälligst zum Sterben auf einem Geisterschiff zurück gelassen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Callisto am 16.12.2012 | 20:13
Die Frage ist ob nur du weißt oder bestimmen kannst was dein Charakter mag oder möchte.
Ich weiß nicht, wie das mit dir ist, aber nur weil meine Libido ein Verlangen in mir auslöst, heisst das nicht, dass ich dem folge oder wenn doch, dass das Ergebnis mir dann Spaß macht. Ich weiß vielleicht nicht, welche Knochen im Kampf gebrochen werden oder ob mein Charakter den Lungendurchschuss überlebt. WIE der Charakter aber damit umgeht, weiß ich sehr wohl. Schliesslich ist es mein Charakter, von mir erdacht und erstellt, ich bin sein Autor und sein Darsteller in einer Person. Der SL ist aber max. bei vorgegebenen Charakteren der Autor und wenn du dir mal Making-Ofs ansiehst, gibts da oft genug Diskussionen zwischen Darsteller und Regisseur, ab und zu auch dem Autor. Da verstehe ich das auch, weil es darum geht ein Werk fertigzustellen. Im Spiel gibt es für mich keinen Grund dem Darsteller/Spieler die Autorenschaft über das Innere seines Charakters abzugeben. Ich hab kein Problem damit, wenn ein Wurf bestimmt, dass mein Charakter jemanden attraktiver findet als ich. Oder jemandem etwas glaubt, was ich als Spieler nicht glaube. Aber mein Charakter soll so HANDELN wie ich es möchte. Das heisst, ich werds vllt so spielen, das man den attraktiven anderen Charakter unterstützt oder sogar mit ihm flirtet. Der Charakter ist aber auch Teil von mir, also werd ich ihn nicht ins Bett springen lassen, mit jemanden, den ich nicht mag. Ich bin da sozusagen sein ÜberIch. Nicht der SL.

Tut mir ja leid, aber ich hab da echt schlechte Erfahrungen gemacht, wo mein SC sich verführen lassen musste und zwar NUR, weil der SL unterbevögelt war. Ich hatte mit dem selben Charakter aber auch mit einem anderen SL gute Erfahrungen gemacht, wo mein Charakter auch den entspechenden NSC schliesslich geheiratet hat. Im zweiten Fall war der SL vllt auch unterbevögelt, aber der NSC hat auch einfach zu meinem SC gepasst, beim ersten SL wollte der SL mir den Style seiner NSCs irgendwie schmackhaft machen, aber mein SC fand solche Typen niemals attraktiv, nicht so wie ich den SC angelegt habe. Warum? Da wo es gut lief, war der NSC ein Krieger, stark, witzig, praktisch veranlagt. Da wo es schlecht lief, waren es immer leicht feminine arrogante Magierhansel. Mein SC war eine Amazone. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass diese Amazone auf arrogante bescheuerte überkandidelte Hansel steht. Nein, eigentlich hätte sie die nachher umbringen müssen, schliesslich MUSSTE sie vermuten, bezaubert worden zu sein. Ging aber nich, weil das GarySues waren und mein SC nur ein kleines Licht.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Bad Horse am 16.12.2012 | 20:27
Im richtigen Leben hat man auch nicht immer die Kontrolle.

Dein Vergleich ist unpassend. In jeder Geschichte, die man erzählt, hat man auch die Kontrolle über deren Akteure.

Wenn ich im Rollenspiel keine Kontrolle über meinen Charakter habe, werde ich zum Zuhörer degradiert. Und ich spiele nicht, um jemandem zuzuhören, sondern um mit jemandem zu kommunizieren.

Das muss nun nicht heißen, dass der Charakter immer die Kontrolle über sich hat. Aber als Spieler möchte ich mir die Zügel da nicht aus der Hand nehmen lassen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 16.12.2012 | 20:29
Ich weiß vielleicht nicht, welche Knochen im Kampf gebrochen werden oder ob mein Charakter den Lungendurchschuss überlebt. WIE der Charakter aber damit umgeht, weiß ich sehr wohl. Schliesslich ist es mein Charakter, von mir erdacht und erstellt, ich bin sein Autor und sein Darsteller in einer Person.
OK, das kommt aber extrem auf das verwendete RPG drauf an. Es gibt mehrere RPGs, wo der SC nicht von einer Einzelperson erstellt wurde sondern von der Gruppe gemeinsam. Gerade bei OneShots werden die SCs auch häufig vom SL erstellt.
Und dann gibt es RPGs, wo zwar jeder seinen eigenen SC für sich alleine erstellt, dieser dann aber auch Zustände von anderen Mitspielern verpasst bekommen kann.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 16.12.2012 | 20:30
Dein Vergleich ist unpassend. In jeder Geschichte, die man erzählt, hat man auch die Kontrolle über deren Akteure.

Wenn ich im Rollenspiel keine Kontrolle über meinen Charakter habe, werde ich zum Zuhörer degradiert. Und ich spiele nicht, um jemandem zuzuhören, sondern um mit jemandem zu kommunizieren.

Das muss nun nicht heißen, dass der Charakter immer die Kontrolle über sich hat. Aber als Spieler möchte ich mir die Zügel da nicht aus der Hand nehmen lassen.

Was ist wenn du die Kontrolle die du bei Punkt X verlierst an Punkten A, B und C wiederbekommst. Das heißt du erzählst die Geschichten der anderen mit und nicht nur deine eigene. Wäre nicht näher an "Gemeinsames Geschichtenerzählen" ?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Bad Horse am 16.12.2012 | 20:50
Kannst du das ein bisschen konkreter formulieren? So kann ich mit der Frage nicht viel anfangen.

Ich beziehe meine Aussage allerdings auf eine klassische SL-Spieler-Aufgabenverteilung, wo ich Einfluß auf den SIS nur oder zumindest über meinen Charakter ausüben kann. Wenn ich den SIS anders beeinflußen kann, sieht die Lage anders aus; aber ich glaube nicht, dass bibabutzemann von solchen Spielen redet.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Skiron am 17.12.2012 | 14:20
@Skiron
Sex und Liebe sind sicherlich starke Emotionen. Aber ich denke, dass Todesangst und Panik noch wesentlich stärkere Emotionen sind.

Bei Menschen mit Bindungsangst löst Liebe und Nähe Todesangst aus. ;-)
Ich würde da keine Wertung vornehmen, sondern sagen beides ist existenziell
und von daher auch beides mit der Emotion Angst verbunden.

Ich empfinde im Rollenspiel keine Todesangst oder Panik.
Empfindest Du diese Emotionen?

Angst kann als Reaktion drei Verhaltensweisen auslösen: Angriff, Flucht oder Todstellen.

Im Kampf denke ich entweder taktisch oder strategisch, dann habe ich Spaß an der intellektuellen Herausforderung,
aber keine Angst vor körperlichen Beeinträchtigungen. Manchmal finde ich Kämpfe auch sterbenslangweilig.
Oder ich Buttkicke, dann habe ich Spaß daran, dass ich Aggressionen ausleben kann
und emotional gesehen ist es Wut. Sozusagen ein freudiges: Attacke!
Ich versuche diese Emotionen wie Angst zu erzeugen, es fällt mir aber leichter, wenn dies dann auch im Spiel plastisch
illustriert wird.

Angst habe ich manchmal schon um meinen Charakter oder den der Mitspieler.
Das geht mir nahe, wenn ein Mitspielercharakter stirbt, weil ich zu diesem eine emotionale Bindung aufbaue.
Ich mag die Charaktere gern mit denen ich zusammen unterwegs bin. Als Spielerin und als Charakter.
Es ist also eher Verlustangst, was ich dann empfinde.
Bei meinem eigenen Charakter fällt mir das leichter, ich denke, weil ich darauf vorbereitet bin und weil ich möchte,
dass mit Charaktertod gespielt wird, weil es die Spannung erhöht. Dies macht es leichter in einer Situation in der ich
nicht bedroht bin, die Emotion Bedrohung bzw. Angst zu erzeugen.

Von daher sind dies auch sehr starke Emotionen, auch Niederlagen oder Demütigungen.
Ich denke im Kampf hat man jederzeit die Möglichkeit mit dem Charakter die Flucht zu ergreifen.
Man erlebt auch hier Demütigungen und Niederlagen, aber man hat das als Spieler selbst entschieden und die Emotionen, die das erzeugt können positiv und konstruktiv umgewandelt werden, in dem man sie für das Spiel nutzt.

Und ich bin auch hier der Ansicht man sollte damit entsprechend umgehen.
Ich erlebe es in meiner Runde aber auch so, dass solche Emotionen aufgefangen werden.
Sowohl auf Spielerebene, als auch in der Spielewelt.
Dies ist nicht möglich, wenn sich ein Spieler/Spielleiter diese Emotionen nicht rechtzeitig eingesteht und ich habe
in meiner Runde bisher zweimal erlebt, dass es geknallt hat und das war total anstrengend und emotional belastend
für mich als Spielerin. Von daher bin ich mehr für zugeben, wenn einen etwas stört oder man mit etwas
nicht zurechtkommt, als dass sich dann die Emotionen Bahn brechen. Denn das tun sie sowieso, entweder auf Spielebene
oder auf Spielerebene.

Und genau das finde ich hier und nicht nur hier beim Thema Sexualität und Liebe bedenklich.
Hier soll ein Spieler Emotionen empfinden die er nicht hat, für die er sich nicht entschieden hat, bei denen es keine Fluchtmöglichkeit gibt,
bei denen er die Emotionen die bei ihm aufkommen, wie Wut und Aggression nicht konstruktiv umsetzen kann und darf.
Das ist in höchstem Maße ungesund.

Was Gewalterfahrungen anbelangt, ich habe in einem Buch gelesen, dass Männer sehr viel öfter körperliche Gewalterfahrungen machen
als Frauen und Frauen sehr viel öfter sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind. Hängt vielleicht damit zusammen, dass es bei sexueller Gewalt
nicht um Sexualiät geht, sondern um Macht und Kontrolle, weswegen sexuelle Belästigung in den Bereich Diskriminierung gehört.

Mein Eindruck war allerdings bisher nicht, dass Männer im Rollenspiel es ok finden, wenn ihre Charaktere als Sexobjekt herhalten sollen
und sich auch zu Recht gegen das Klischee wehren und sie für ihre Charaktere stimmige glaubwürdige Geschichten wollen.

Wie wird das denn bei Euch gespielt?
Welche Regeln werden konkret angewendet?
Ist es "nur" Sex oder kommen auch Liebesgeschichten in der Spielewelt vor?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: LöwenHerz am 17.12.2012 | 14:30
Im richtigen Leben hat man auch nicht immer die Kontrolle. So ist das nun mal.

Über die Umstände sicherlich nicht. Aber über mich. Und das spricht mir pauschal auch kein SL der Welt über meinen Charakter ab. Ausnahmen gibt es, die habe ich aber schon dargelegt ;)


Was Gewalterfahrungen anbelangt, ich habe in einem Buch gelesen, dass Männer sehr viel öfter körperliche Gewalterfahrungen machen
als Frauen und Frauen sehr viel öfter sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind. Hängt vielleicht damit zusammen, dass es bei sexueller Gewalt
nicht um Sexualiät geht, sondern um Macht und Kontrolle, weswegen sexuelle Belästigung in den Bereich Diskriminierung gehört.

Was sexuelle Gewalt angeht habe ich gelesen, dass vergewaltigte Männer zu einem viel höheren Prozentsatz (ich meine es waren über 90%) Suizid begehen. Für mich gehört GEwalt in einem bestimmten Maße zum Rollenspielfantasydrachenjägeralltag dazu. Sexuelle Gewalt jedoch verbitte ich mir in meinen Runden.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 17.12.2012 | 15:25
Ich empfinde im Rollenspiel keine Todesangst oder Panik.
Empfindest Du diese Emotionen?
Nein, aber ich empfinde beim Rollenspiel auch keine Liebe und Sex. Empfindest du diese Emotionen?

Grundsätzlich kann ich die Gefühle meiner SCs zwar nachempfinden, aber auf einem tausendmal tieferen Level, als die SCs dies wohl empfinden würden.

Zitat
Im Kampf denke ich entweder taktisch oder strategisch, dann habe ich Spaß an der intellektuellen Herausforderung,
aber keine Angst vor körperlichen Beeinträchtigungen. Manchmal finde ich Kämpfe auch sterbenslangweilig.
Oder ich Buttkicke, dann habe ich Spaß daran, dass ich Aggressionen ausleben kann
und emotional gesehen ist es Wut. Sozusagen ein freudiges: Attacke!
Und manchmal ist es auch Ärger, wenn du mal wieder einen Patzer hast und der Gegner dich vermöbelt.
Und manchmal ist es Trauer, wenn mein SC wegen Würfelpech stirbt.
Und manchmal ist es Wut, weil der SL uns extrem starke NSCs vor die Nase gesetzt hat, die wir nie und nimmer besiegen konnten.

Zitat
Ich denke im Kampf hat man jederzeit die Möglichkeit mit dem Charakter die Flucht zu ergreifen.
Kommt auf das System an. Viele Systeme erlauben so etwas wie Passierschläge. Andere haben dann noch extra Fluchtregeln. Bei wieder anderen ist die Flucht erst geglückt, wenn man den Rand der Karte erreicht. Bei wieder anderen gibt es Spezialfähigkeiten wie greifen, umstürzen etc. die dich an eine Position binden und eine Flucht verhindern. Bei wieder anderen ergibt sich aus der ingame Situation, dass Flucht nicht möglich ist.

Zitat
Hier soll ein Spieler Emotionen empfinden die er nicht hat, für die er sich nicht entschieden hat, bei denen es keine Fluchtmöglichkeit gibt,
bei denen er die Emotionen die bei ihm aufkommen, wie Wut und Aggression nicht konstruktiv umsetzen kann und darf.
Das ist in höchstem Maße ungesund.
Nein, der Spieler soll keine Emotionen empfinden. Er soll aber akzeptieren, dass sein SC diese Emotionen empfindet.

Zitat
Wie wird das denn bei Euch gespielt?
Welche Regeln werden konkret angewendet?
Ist es "nur" Sex oder kommen auch Liebesgeschichten in der Spielewelt vor?
Kommt extrem auf die Spielwelt an. Momentan spielen wir Transhuman Space, mit einem Bordcomputer, einer Überwachungsdrohne, einem Astropoden(Kraken/Tintenfisch) und einem Bioroid als SCs.

Beim Bordcomputer und der Überwachungsdrohne fällt Sex aus anatomischen Gründen weg und Liebe/Romantik ist nicht einprogrammiert. (Sehr wohl gab es aber eine sehr witzige Szene, wo die Überwachungsdrohne jemanden beschattet hat und dann völlig emotionslos die Handlungen des NSCs beschrieb, woraufhin sich dann irgendwann der Bordcomputer einmischte und meinte: "Die Recherche in meiner Literaturdatenbank hat ergeben, dass die Homo sapiens diese Form der Interaktion Sex nennen. Sie dient dazu, kleine Homo sapiens zu bauen.")

Bei Astropoden kann man sowieso nie genau sagen, was die denn genau tun, wenn sie sich gegenseitig mit ihren Tentakeln abtasten: Ist das nun Sex, Kommunikation, gegenseitiges Füttern, eine Massage oder sonstwas? Und unser Astropode beschreibt zwar immer sehr genau und detailliert, was er tut, schweigt sich aber darüber aus, was diese Handlung denn nun genau bedeutet. (Was imho aber auch sehr zum mystischen Flair der Astropoden beiträgt.)

Kommen wir nun zum Bioroid: Diese wurde als Sex-Roboter geschaffen, allerdings mit einem Monogamie-Implantat. Und ihr Besitzer/Ehemann ist spurlos verschwunden. Seitdem ist sie auf der Suche nach ihm. Das heißt, Sex kam nur in der Vorgeschichte vor. Und inwiefern man es als Liebesgeschichte bezeichnen kann, dass sie ihren Besitzer sucht, sei mal dahingestellt.

Über die Umstände sicherlich nicht. Aber über mich. Und das spricht mir pauschal auch kein SL der Welt über meinen Charakter ab. Ausnahmen gibt es, die habe ich aber schon dargelegt ;)
Hier wären wir dann bei den Themen freier Wille und Zwangshandlungen.

Zitat
Für mich gehört GEwalt in einem bestimmten Maße zum Rollenspielfantasydrachenjägeralltag dazu. Sexuelle Gewalt jedoch verbitte ich mir in meinen Runden.
Da sind einige Gruppen wohl extrem unterschiedlich:
Ich kenne auch Gruppen, da spielt man Tavernenbesuche anstatt Drachenjägerkämpfe. Und bei Breaking the Ice gehört wohl auch eher Sex als Gewalt zur Core-Story.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: LöwenHerz am 17.12.2012 | 15:38
Hier wären wir dann bei den Themen freier Wille und Zwangshandlungen.

Also ich bin die letzten 34 Jahre meines Lebens immer handlungs- und entscheidungsfähig gewesen. Nie an- oder betrunken, keine Drogen oder sonstwiewasfeines...
Bewusstlos war ich nur nach Kampfsport im Dojo oder auf der Straße. Aber da handelt man gemeinhin nicht mehr ;)

Zitat
Da sind einige Gruppen wohl extrem unterschiedlich:
Ich kenne auch Gruppen, da spielt man Tavernenbesuche anstatt Drachenjägerkämpfe. Und bei Breaking the Ice gehört wohl auch eher Sex als Gewalt zur Core-Story.

Sicher sind Gruppen unterschiedlich. Auch Spieler. Ist auch in Ordnung. Ich spreche für mich und den Gruppen, in denen ich spiele und/oder leite.
Ob jetzt Tavernenbauernpöbelspiel oder Drachenjäger oder Nekromantenallmachtsphantasien ist doch echt wumpe. Diese "Gegen"argumentation finde ich doch etwas dürftig. Wenn man hier also alle Eventualitäten und nochsokleine Abweichungen, persönliche Meinungen und Stile und dergleichen mehr in seine Argumentation einfließen lassen muss, schreibe ich mich doch bescheuert.

Breaking the Ice wäre zB ein Rollenspiel, welches mich überhaupt nicht reizt. Kein Bedaref, kein Interesse und definitiv keine tiefere Beschäftigung damit. Warum sollte ich auch? Für mich sind aus gutem Grunde diverse Themen tabu. Wems nicht schmeckt, muss ja nicht mit mir spielen ;)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: bibabutzelmann am 17.12.2012 | 17:27
Über die Umstände sicherlich nicht. Aber über mich.

Schlichtweg falsch. Aber was sind schon Fakten gegen Überzeugungen?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 17.12.2012 | 19:02
Aus diesem Grund sage ich, dass temporär das Mitspracherecht eines Spielers zwar entzogen werden kann, dafür aber als "Entschädigung" eben dieses positive Ereignis vom Spielleiter produziert werden muss, damit kein schlechtes Gefühl beim Spieler zurückbleibt. Zumindest so lange eine solche Situation nicht vorher (!!) mit dem Spieler abgesprochen wurde.

Was ein schlechtes Gefühl beim Spieler hervorruft ist halt stark unterschiedlich. Ich habe zumeist Storyteller-Stance und mein Charakter ist mir nur Vehikel für eine geile, überraschende Story. Je mehr er von meinem (für mich) linearen Vorstellungspfad heruntergetreten wird, desto besser, weil unerwarteter für mich.

Ein Method Actor mag das ähnlich sehen. "Wie geht mein Charakter mit dieser unerwarteten Situation um? Welchen Aspekt kann ich da aus ihm herauskitzeln, denn ich noch nicht kannte?"

Aber für die von dir beschriebenen Wohlfühl-Immersionisten geht das natürlich gar nicht.

Ich wundere mich nur, weil meiner Ansicht nach den meisten Spielertypen-Klischees: Power Gamer, Taktikern, Butt-Kickern, Spezialisten, Method Actor, Story Gamers, das doch nicht verletzen sollte.

Wer bleibt denn da noch übrig? Casual Gamers? Wir vermissen irgendwas...
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Callisto am 17.12.2012 | 20:35
Auch jemand der aus Authorstance herausspielt, kann es als Spieler ankotzen, wenn sein Charakter verbogen wird. Einfach weil er sagt: Ich hab diesen Charakter geschrieben, erschaffen und mit Leben erfüllt und SO hab ich den Charakter nicht geschrieben. Natürlich kann man sagen "Aber der Wurf auf Verführen ist dem anderem nun mal gelungen!" Ja, gut. Aber wie der Charakter drauf reagiert, wenn er jemanden plötzlich attraktiv findet, ist eine andere Sache. Mein Bsp-Charakter von weiter oben hätte, wenn ich den charaktergerecht weitergespielt hätte, den NSC nach der gemeinsam verbrachten Nacht umbringen müssen, weil sie ANNEHMEN MUSSTE, das dieser Magie auf sie gewirkt hat. Aber weil das ne GarySue war und mir als Spieler klar war, das der Kampf nicht zu gewinnen gewesen wäre und wahrscheinlich in einer weiteren gemeinsam verbrachten Nacht geendet hätte, habe ich drauf verzichtet. Das war extrem unbefriedigend, weil so der ganze SC in dieser Situation eigentlich unspielbar war.

Es gab mit nem anderem Charakter noch ne Situation die in Sex geendet ist, obwohl das weder mein Plan noch der meines SCs war. War aber vollkommen ok, weil durch das Ausspielen und wenige weitere Würfe, die sie alle versemmelt hatte, es dazu kam. Da war es die Entscheidung des Charakters, mal über ihren Schatten zu springen und mal ausserhalb ihres üblichen Beuteschemas Sex zu haben. Noch dazu war dieser Charakter generell viel offener zu Sex eingestellt als der im ersten Beispiel, die eigentlich von Anfang an als Männerhasserin angelegt war, auch wenn sie sich später davon gelöst hat.

Nur weil sich eine dir an den Hals wirft und du die auch noch schnieke findest, landest du doch auch nicht gleich mit der im Bett. Oder ist das diese Ausrede jedes betrügerischen Ehemanns "Ich kann doch der Frau nicht widerstehen, wenn sie mich anmacht?"
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 17.12.2012 | 21:02
Ich hab den Spieler angemailt und dann haben wir telefoniert und über unsere Charaktere und wie wir ihr Verhalten im Spiel
interpretieren gesprochen. Das war im nach hinein sehr erhellen, weil man glaube ich das Verhalten von Charakteren sehr unterschiedlich sieht und dann kommt noch hinzu wie man es als Spieler sieht.
Sehr cool!

Wenn das Spiel nach dem Spiel nachwirkt, finde ich das klasse!
Das stimmt. Eigentlich sind diese emotionalen Momente manchmal nur Blicke oder kurze Sätze, die man mit dem Charakter spielt,
die sich aus dem Spiel und Übermut heraus ergeben. Ich kann es schwer erklären, aber ich finde, dass man wirklich tiefe emotional bewegende Dinge spielen kann und dazu gehören auch Konflikte und Drama und einfach Beziehungen zwischen den Charakteren, die nicht mal sexuell sind, muss man sich innerhalb der Runde wohl fühlen, die Runde muss es auch spannend finden, ansonsten ist es leicht "gekünstelt".
Es muss passen, ja. Ich hatte in Heidelberg eine Runde, die unglaublich enspannt lief. In der waren auch tiefgehende Situationen einfach normal. Sie haben sich vollkommen unverkrampft einfach ergeben.

Das habe ich aber definitiv nicht in jeder Runde.
Ich denke man hat Grenzen nicht ohne Grund und dass es auch besser ist, wenn man diese dann einhält.
Ich experimentiere gerne damit, meine eigenen Grenzen auszudehnen. Die Grenzen von anderen sind mir dagegen heilig.

Ich denke, dass ist auch ein Grund, warum man sich leichter über die Charaktere und wie man die Charaktere und die Welt sieht
unterhalten kann, als darüber was einen als Spieler persönlich bewegt.
Das ist, was ich manchmal schade finde.
Ich denke, es ist halt Realität: Wenn wir Masken tragen, können wir uns leichter öffnen. Damit geben wir uns nicht direkt eine Blöße und können so offener sein, als es die gemeinsame Vertrauensbasis sonst ermöglichen würde.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 17.12.2012 | 21:09
Ich weiß nicht, wie das mit dir ist, aber nur weil meine Libido ein Verlangen in mir auslöst, heisst das nicht, dass ich dem folge oder wenn doch, dass das Ergebnis mir dann Spaß macht.
Das würde ich anzweifeln, aber damit kommen wir insgesamt in die Fragestellung des freien Willens und ob wir selbst entscheiden oder nur im Nachhinein unsere Entscheidung als unsere konstruieren - und das ist ein noch schwierigeres Thema als sexuelle Selbstbestimmung :)

Aber die Frage ist, ob ich ein Spiel spielen will, in dem auch noch mein Charakter nicht frei ist…
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: LöwenHerz am 17.12.2012 | 21:15
Schlichtweg falsch. Aber was sind schon Fakten gegen Überzeugungen?

Solange Du hier keine Fakten lieferst, glaube ich Dir gar nichts. So einfach ist das :)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 17.12.2012 | 21:19
Auch jemand der aus Authorstance herausspielt, kann es als Spieler ankotzen, wenn sein Charakter verbogen wird. Einfach weil er sagt: Ich hab diesen Charakter geschrieben, erschaffen und mit Leben erfüllt und SO hab ich den Charakter nicht geschrieben.

Naja, das sehe ich dann eher als Storyteller im White-Wolf-Sinn. Der will seine Geschichte durchdrücken.  >;D

Wenn man Interesse hat am _gemeinsamen_ Story-Aufbau hat, ist man wieder was anderes?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Callisto am 17.12.2012 | 21:30
Naja, das sehe ich dann eher als Storyteller im White-Wolf-Sinn. Der will seine Geschichte durchdrücken.  >;D

Wenn man Interesse hat am _gemeinsamen_ Story-Aufbau hat, ist man wieder was anderes?
Es gibt oft genug Schauspieler die sich mit ihrem Regisseur darüber streiten wie die Reaktion des Charakters aussehen sollte. Der Charakter ist ja nicht der einzige Teil der Geschichte. Schon mal dran gedacht, dass der Spieler vielleicht gar nicht immer Nein sagt? Kann durchaus doch sein, dass der Spieler gern den Charakter mit einem NSC hätte Sex haben lassen, aber der SL wollte nicht "wegen der Story" oder weils ihm schlicht unangenehm war. Nur weil ich sage "ich möchte bitte selbst bestimmen, wie mein SC mit seiner Sexualität umgeht", heisst das doch noch lange nicht, dass ich mich total verweigere. Wenn ich Sex als Thema haben möchte, spiele ich die entsprechenden Spiele oder mache das vorher offen klar.

Sex, selbst fiktiver, ist nun mal immer noch eine private Sache, daher will man sowas vllt auch nicht mit jedem Wildfremden spielen.

Und ja, gemeinsamer Storyaufbau ist was Feines. Ich hab auch nen SC in einer Beziehung mit einem anderem SC und da kam auch schon "Okay, an dieser Stelle werden die beiden sich jetzt wohl in ihr Motelzimmer zurückziehen und eine wilde Nacht miteinander verbringen". Aber da hat man eben auch GEMEINSAM beschlossen, dass da Sex jetzt passt.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 17.12.2012 | 21:50
Ich wollte nur sagen, dass ich es interessant finde, dass meine persönliche Spielpräferenz doch von vielen hier abweicht. Und ich dachte bisher es gäbe hier einen breiteren Konsens. Aber ich freue mich auch, wenn ich eine speziellere Nische fülle.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 17.12.2012 | 22:28
Welche Regeln werden konkret angewendet?
Ist es "nur" Sex oder kommen auch Liebesgeschichten in der Spielewelt vor?
Wirklich konkrete Regeln hatten wir bisher nicht. Entweder es hat zwischen den Charakteren gefunkt oder nicht. Wirkliche Liebesgeschichten habe ich bisher eher auf dem TV-Niveau erlebt, also meistens kurz bevor beide sich ihre Liebe eingestehen oder recht weit im Hintergrund oder mit ständigen Widrigkeiten, die eine wirkliche Beziehung unmöglich machten.

Extremes Beispiel: Eine meiner Charakterinnen hat jahrelang (inplay wie offplay) ihre gestorbene Geliebte in einer Kühlkapsel transportiert und Piraten gejagt, die ein Artefakt hatten, in dessen Nähe sie einmal schon wieder lebendig war. Der Abschluss davon ist zu einer der für mich intensivsten Runden geworden: Freunde (2) (http://1w6.org/deutsch/kampagnen/w-chter-der-zeit/aufzeichnungen/sskreszta-log/freunde-2-von-2) - im Rückblick habe ich tiefsten Respekt vor unserem SL, der es geschafft hat, dabei alle miteinzubinden.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 17.12.2012 | 22:33
Nur weil sich eine dir an den Hals wirft und du die auch noch schnieke findest, landest du doch auch nicht gleich mit der im Bett. Oder ist das diese Ausrede jedes betrügerischen Ehemanns "Ich kann doch der Frau nicht widerstehen, wenn sie mich anmacht?"
Das nicht. Aber es gibt auf jeden Fall viele Verheiratete, die ihre Partner lieben und trotzdem fremd gehen. Was sorgt dafür, dass die sich so verhalten, obwohl sie wissen, dass sie ihre Partner damit wahrscheinlich verletzen?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 17.12.2012 | 22:36
Ich wollte nur sagen, dass ich es interessant finde, dass meine persönliche Spielpräferenz doch von vielen hier abweicht. Und ich dachte bisher es gäbe hier einen breiteren Konsens. Aber ich freue mich auch, wenn ich eine speziellere Nische fülle.
Vorsicht: Hier in dem Thread sind nur die Leute, die zu dem Thema diskutieren wollten, das heißt, wir haben einen starken Auswahlbias und können daher über die Verteilung von Spielpräferenzen im Tanelorn keine wirkliche Aussage treffen.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 17.12.2012 | 22:55
Soviel erstmal und klar, kannst Du das benutzen. Freut mich, dass Du das gut findest. :-)
Danke!

Ist gespeichert :)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 20.12.2012 | 13:27
Naja, das sehe ich dann eher als Storyteller im White-Wolf-Sinn. Der will seine Geschichte durchdrücken.  >;D

Wenn man Interesse hat am _gemeinsamen_ Story-Aufbau hat, ist man wieder was anderes?

JA. Das ist eben der Unterschied zwischen m/seiner Story und DER Story.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 20.12.2012 | 13:53
Ich denke, das Problem könnte daher kommen, wenn der Spielleiter einen Spieler (bzw. Spielerin) rauspickt und den Plot aufdrückt.

Wäre es für euch eher okay, wenn ausgewürfelt wird, wen in der Gruppe es erwischt? Oder auch Nogo?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 20.12.2012 | 14:00
Nein, ich denke Situationen dürfen bestimmten Charakteren schon passieren. Wenn man also den Krieger drin hat dann sollte der auch coole Kämpfe bekommen um zu zeigen warum er cool und nützlich ist. Gleichzeitig hat der aber auch schwächen/nachteile/Probleme und die können auch in Szenen gezielt angepeilt werden.

Was er da aber macht steht ihm ja frei. Leute in Situationen setzen ist schon cool.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 20.12.2012 | 18:43
Insanity bei CoC geht aber, oder?

Wie wäre es mit einem "Bedürftigkeitsbalken"? Erst wenn der voll ist, gibt der Spieler dem Verlangen nach.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: bibabutzelmann am 20.12.2012 | 19:08
Sackfüllstandsanzeige oder wie?  ~;D Gäbe interessante Diskussionen wer mein wieviel müsse  ;D
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Thorgest am 20.12.2012 | 19:31
Mein Balken ist immer VOLL...ich brauch nicht würfeln ;)
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Skiron am 21.12.2012 | 10:02
Ich wundere mich nur, weil meiner Ansicht nach den meisten Spielertypen-Klischees: Power Gamer, Taktikern, Butt-Kickern, Spezialisten, Method Actor, Story Gamers, das doch nicht verletzen sollte.

Wer bleibt denn da noch übrig? Casual Gamers? Wir vermissen irgendwas...

Vielleicht den Menschen hinter dem Charakter/NSC? ;-)

Warum nicht einfach die Leute selbst entscheiden lassen ob und wie explizit sie miteinander Sex oder Liebe spielen wollen?


Vergleiche mit Filmen finde ich völlig unangemessen.
Ein Schauspieler liest sich das Drehbuch durch bevor er zusagt in einem Film mitzuspielen.
Er weiß also genau worauf er sich einlässt. Normalerweise finden Vorgespräche zwischen Regisseur und Schauspieler statt in denen der Regisseur dem Schauspieler mitteilt welche Vorstellungen er hat.
Kommen Sexszenen vor wird dies vorher genau abgeklärt wie weit das gehen darf. Nicht wenige Schauspieler lehnen explizite
Sexszenen im Film ab, weil sie Nachteile für ihre Karriere fürchten. Außerdem bekommt ein Schauspieler Geld dafür, die Vorstellungen eines
Regisseurs umzusetzen.

D.h. Hier sind genau diese Dinge gegeben, die bei den geschilderten Szenen im Rollenspiel fehlen:

1. Schauspieler weiß worauf er sich einlässt.
2. Freiwillige Entscheidung in diesem Film mitzuspielen.

Im Rollenspiel habe ich zudem kein vertraglich geregeltes Arbeitsverhältnis.

D.h. Im Rollenspiel hat man kein Arbeitsverhältnis, sondern man geht einem Hobby nach und hier haben
alle Teilnehmer die gleichen Rechte und Pflichten im sozialen Miteinander.

Jemand der glaubt einem anderen seine Selbstbestimmung oder sexuelle Selbstbestimmung im Spiel entziehen zu können disqualifiziert sich als Spielteilnehmer.



@Eulenspiegel. Nein, ich empfinde diese Emotionen nicht.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 21.12.2012 | 13:46
Deswegen redet man ja auch vorher darüber

http://bankuei.wordpress.com/2009/12/19/a-way-out/
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: tartex am 21.12.2012 | 14:24
Naja. Wenn ich RPG-Neulinge rekrutiere (passiert in letzter Zeit recht häufig) will ich sie nicht vorher mit so Zeug belasten. Die sind ja schon gefordert einen "w6" zu erkennen. ;)

Aber mit denen fängt man sowieso handzahm und FSK12 zu spielen an.
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 25.12.2012 | 22:36

Aber mit denen fängt man sowieso handzahm und FSK12 zu spielen an.

Warum? Sind erwachsene Menschen nur zu sowas fähig?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Callisto am 25.12.2012 | 22:54
Warum? Sind erwachsene Menschen nur zu sowas fähig?


Zeigst du Leuten, die bisher nie im Kino waren, auch erst mal Saw oder eher was Nettes?
Titel: Re: Selbstbestimmung der Sexualität im Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 25.12.2012 | 23:02
Jaein. Oder das ist nicht der Vergleich den ich nutzen würde.

Kino geht ja zusammen mit Fernsehen, Büchern und anderen Medien. Jemand der noch nie im Kino war würde ich etwas vorsetzen was seinem Buch Geschmack trifft. Wenn jemand auf Walking Dead Serie steht werd ich im ein Zombie Rollenspiel vorsetzen oder etwas das sich sehr auf Gemeinschaft in extremen Situationen bezieht. Wenn jemand auf Vampire Diaries und Twilight und 60 Shades of Gray steht warum soll ich dem nicht Mosnterhearts vorsetzen? Warum braucht der Stirb Langsam/Transformers/The Transporter Fan sowas wie DnD wenn ich auch ka. XXXXtreme Street Luger (oder wie das heißt) nehmen kann oder evtl. Fiasco.

Wer mit seinen Freunden Saw gucken kann kann auch harte Gewalt im Rollenspiel ab etc. Da muss ich kein "kuschel DnD" (ja ich weiß, da killt man auch Drachen und Gobos etc. aber das ist nicht "harte Gewalt) vorsetzen. Vor allem wenn er denkt er bekommt jetzt Game of Thrones Fantasy.

Anzunehmen Leute würden mit "anspruchsvolleren"/"erwachsenen" Themen im Rollenspiel nicht klar oder fänden das Seltsam würde ich nicht umbedingt teilen. Das mag aber auch mein guter Wille und vertrauen in die Spieler und den gesunden Menschenverstand sein.