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Pen & Paper - Spielsysteme => Cthulhu RPGs => Thema gestartet von: Xemides am 9.04.2013 | 14:02
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Ausgelager von Shadoms Frage in einem anderen Thread:
Ich zum Beispiel verstehe den Reiz an Cthulhu nicht.
Der Mythos ist ein KitchenSink wo ich ALLES rein packen kann vorrausgesetzt ich verpacke es fremdartig, strange und unmenschlich.
Die "Mythologie" dahinter ist mit Absicht in sich massiv widersprüchlich und bietet mir daher auch nichts bis wenig.
Auch warum so viele Settings kleine Versatzstücke vom Mythos einbauen.. will mir nicht in den Kopf.
Kann mir einer erklären was mir das Setting von CoC bietet was ich nicht auch mit 99% aller anderen Horrorsettings genauso gut machen kann.
Ich Glaube der Reiz an Cthulhu hat verschiedene Ursachen.
Zu einen muss man da ein wenig die Historie bedenken.
Als Lovecraft seine Geschichten schrieb und Derleth das ganze zum Mythos zusammen fasste (und das sind nur die wichtigsten Autoren) gab es weder Rollenspiele noch ein Hooror-Genre. Es gab höchstens Schauer-Geschichten wie die von Poe.
Und auch als das Rollenspiel erschien (1981) gab es noch wenig oder keine Horrorrollenspiele.
Die Anhängerschafft besteht zum großen Teil aus Lesern von Lovecraft, Derleth und anderen Autoren der Mythos-Geschichten.
Die Widersprüchlichkeit des Mythos kommt daher, das Lovecraft keinen einheitlichen Mythos im Kopf hatte. Dieser wurde erst von seinem Freund und Nachlaßverwalter August Derleth erdacht.
Ich finde auch nicht, das man CoC-Abenteuer auch mit einem klassischen Horror-System spielen kann. Natürlich kann man CoC auch als klassisches Horror-Szenario spielen, aber eigentlich sind die meisten Wesen des MYthos nicht dafür gemacht, wie Zombies nieder gemacht oder wie Vampire einfach mal gepfählt zu werden.
Wie Tolkien mit der Fantasy hat Lovecraft ein Genre erschaffen und ist zum Teil der Popkultur geworden. Es gibt ja nicht nur beim Rollenspiel Anleihen bei Lovecraft, sondern quer durch die Medien (Kurzgeschichten anderer moderner Autoren wie King, Songs von z.B. Metalica, PC-Spiele, Filme etc.)
Für mich hat CoC ein ganz eigenes Flair, auch durch die Gefahr des Wahnsinns, die beim klasssichen Horror eigentlich nicht so präsent ist.
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Sehr schöne Darstellung!
Im Gegensatz zu V:tM hat man es bei Cthulhu noch mit "echten" Monstern zu tun, keinen tragischen Gestalten. So liegt in meinen Augen der Schwerpunkt auch nicht auf der Tragik der Monster, sondern im Grauen, dass "hinter den Sternen" lauert. Wie Xemides sagte: Die Aussicht, irgendwann am Wissen darüber zu zerbrechen und wahnsinnig zu werden, hat auch seinen Reiz.
Allerdings finde ich auch, dass bei Cthulhu noch mehr als bei anderen Horror-Settings die Stimmung am Spieltisch wichtig ist, wenn man dieses Grauen wenigstens teilweise transportieren möchte.
Insofern hat Cthulhu neben WoD und anderen Horror-Settings seine Berechtigung.
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Noch eine Vermutung: Lovecraft hat mit einem fiktionalen Dreh große Teile der postmodernen Mentalität vorweggenommen: Alle "Großen Erzählungen", die unserem Denken Sicherheit und Sinn geben (Empirie, Ratio, Historie, Aufklärung, Idealismus, Religion) sind vor den wahren Kräften des Weltalls belanglose Illusionen.
In der Fiktion wird die letztliche Sinnlosigkeit und Vergänglichkeit des menschlichen Daseins durch die "Großen Alten", die "Äußeren Götter", Millionen Jahre alte außerirdische Zivilisationen usw. verkörpert: symbolische Entitäten für Lovecrafts reale Weltsicht, die heute (wenn auch weniger pessimistisch) weit verbreitet ist.
EDIT: Revolutionär beim Erscheinen von Cthulhu war auch das Konzept, dass ein Charakter im Laufe seiner Karriere nicht in erster Linie immer besser, stärker usw. wird, sondern zunehmend geistige Stabilität verliert und letztlich grausig scheitert.
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Die drei genannten Posts kann ich alle so unterstützen.
Im Bezug auf unser Hobby gilt es vor allem zu unterscheiden zwischen dem Mythos (wie er zu großen Teilen vor allem auch nach Lovecrafts Tod gewachsen ist) und dem Rollenspiel CoC.
Der Mythos ist durchaus immer noch etwas besonderes und ist mittlerweile aus der Popkultur auch nicht mehr wegzudenken. Er hat deutlichen Einfluss auf solche Filme wie z.B. Fluch der Karibik und Hellboy (im Comic dazu sogar onch deutlicher) sowie auf einen beachtlichen Teil moderner Mystery/Horror-Literatur, die sich ausnahmsweise einmal nicht mit Vampiren beschäftigt (soll es auch noch geben).
Insofern ist seine Bedeutung für die phantastische Literatur und allen ihren Ablegern wohl sicher unbestreitbar.
Das Rollenspiel "dazu" ist sicher nicht ganz unberechtigt immer wieder einiger Kritik ausgesetzt, aber ich weiß dennoch von Runden, die das Spiel mit Begeisterung spielen und die ihren Spaß und mitunter sogar ihr Gruseln damit haben.
Für viele Fans oder Freunde des Mythos sind übrigens genau die Punkte, die Shadom als negativ bewertet genau das, was es so gut macht:
- In dem Mythos kann man einfach (beinahe) alles finden und einbringen, was einem so einfällt.
- Der Mythos ist in sich oft widersprüchlich, nicht greifbar, unschlüssig - ja, genau darum geht es: Die "Menschleins" können diese Dinge einfach nicht gänzlich verstehen.
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Mit Horrorspiele meinte ich allerdings nicht die Wod (weil hier Tragik des Monsters vorkam) oder AFMBE (weil hier niederschnetzeln genannt wurde).
Aber von mir aus: selbst die bieten im Setting genug Ansätze um die Hälfte aller Cthulhu Abenteuer auch dort spielen zu können. (auch wenn ich diese Settings dann natürlich zweckentfremden würde)
nWod Mortals versus ein paar uralte Vampire/Prometheans/wasesnichtnochallesgibt usw.
Die sind für den Normalsterblichen auch unverständlich und strange und weit über meinem Niveau.
Selbst Dresden Files würde sich vorzüglich für 99% von dem was ich bei Cthulhu so mitgekriegt habe eignen.
Die historische Erklärung zieht natürlich schon, aber wir spielen ja auch nicht alle the one ring oder?
Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass mich a) beim lesen der GRWs nie Fazination gepackt hat und b) alle Abenteuer, die ich gespielt habe entweder so unglaublich Goth/Emo "buuhhuuuuh die Welt ist grausam und gemein und wir sind nur unwichtige Funken in der unendlichen Kälte des Seins" oder eben auch genauso ohne Mythos funktioniert hätten.
Wenn ich Horror a la Cthulhu spielen wollte dann würde ich don't rest your head oder dread auspacken. Die sind imho weitaus besser für echten strangen Horror geeignet als CoC.
(und das ist alles nur auf das Setting bezogen. Das das Regelsystem von CoC schlicht antiquiert, umständlich ist und zudem den Spielstil nicht mal unterstützt, der gedacht ist... andere Baustelle.)
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Nunja, es hat halt jeder seine Vorliebe für verschiedene Settings. ;)
Nur wenn ich das Grauen erleben will, würd ich mich vermutlich an die Mutter der Horror-Rollenspiele halten. Allerdings muss ich gestehen, dass mir dauerhafter Horror nicht so liegt. Das ist so ähnlich wie mit Alien (RPG): Wenn zum zweiten/dritten Mal dein Char am Ende des Abenteuers hops geht, hast du keine Lust mehr. (Muss bei Cthulhu natürlich nicht so extrem enden).
Allerdings gibt es für mich einfach einen bedeutenden Unterschied zwischen einem Methusalem/Promethean/wasauchimmer (einige tausend Jahre alte Wesen, die irgendwann mal menschlich waren) und cthuloiden Wesen/Satuul (mehrere Millionen alte Wesen, die niemals menschlich waren und nicht einmal von dieser Welt stammen).
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Die Geschichte der Großen Alten, wie sie in "Berge des Wahnsinns" entfaltet wird, ist durchaus von einer kolossalen - wenn auch unmenschlichen - Tragik unterhöhlt.
Was Lovecract's Welt meiner Meinung nach so besonders macht, ist, dass er es geschafft hat, die religiöse Angst vorm Bösen in eine Zeit zu übersetzen, die weder an Gott noch an den Teufel recht glauben will.
Ich persönlich habe dasselbe Problem wie Stanley Kubrick, wenn ich mit landläufigem Horror konfrontiert werde: Die Gewissheit, dass es einen Satan oder Geister gibt, bestätigt am Ende doch ein religiöses Weltbild, in dem auch Gott und der Himmel existieren. Und das ist - paradoxerweise - unglaublich tröstlich.
Lovecraft verweigert sich dieser Versöhnung völlig, er setzt das Grauen vor Dämonen in einen atheistisch kalten Kosmos, in dem die einzig menschliche Regung die Flucht in den Wahnsinn bleibt.
Es gibt ein sehr schönes Buch von Michel Houellebecq - "Gegen die Welt. Gegen das Leben." - über Lovecraft, das ich jedem nur empfehlen kann zu lesen, wenn er sich für einen der beiden Autoren interessiert.
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Hallo zusammen,
nach dem was ich im offiziellen Forum gelesen habe sind es vor allen zwei Punkte die Cthulhu für die Spieler so einzigartig machen.
Das bespielen einer realen und für ein Spiel extrem gut beschriebenen Welt. Man spielt also nicht einfach in den 20ern des letzten Jahrhunderts, genaueres siehe Wikipedia oder ein Geschichtsbuch. Sondern diese Zeit, sowie noch einige Andere, werden für das Spiel in einer reihe von Quellenbüchern auch gut erschlossen.
Man spielt einen einfachen Menschen der sich auch nur noch wenig verbessert. An die "Gegner", also die Mythoskreaturen, kommt man auch mit noch so viel Erfahrung nicht so richtig heran, wie immer gibt es natürlich Ausnahmen. Optionen wie etwa die Magie bringen andere Risiken mit sich so das selbst ein magischer Charakter nicht übermächtig wird.
Für den Sammler spielt natürlich eine Rolle das das Material zum Spiel sehr schön aufgemacht ist und sich zum Sammeln anbietet.
Einige der Quellenbände sind so frei verwendbar das man sie auch für andere Systeme adaptieren kann.
Ich persönlich baue immer wieder gerne Mythos Bezüge in Abenteuer und Hintergründe ein weil der Mythos vieles bietet was mich reizt.
Mythos Monster können sehr stark sein und haben einen entsprechenden Ruf unter den Spielern. Auch Spieler die bei einem gigantischen uralten rotem Drachen schon Mal wetten ob sie ein oder zwei Schläge brauchen machen sich bei einem Mythosmonster schon Mal Gedanken.
Magische Bücher die nicht nur einen Vorteil haben sondern auch Wahnsinn mit sich bringen und teilweise den Leser beeinflussen finde ich spannend.
Ich liebe den geschichtlichen Hintergrund des Mythos. Ich mag es einfach wenn man eine mehr oder weniger fiktive Geschichte über mehrere tausen Jahre verfolgen kann. Zudem macht es der Mythos auch noch möglich das Geheimnisse aus dieser Zeit auch heute noch eine Bedeutung haben.
Gruß Jochen
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Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass mich a) beim lesen der GRWs nie Fazination gepackt hat
Das GRW ist eben das, ein GRW, keine Erzählung. Lese die Erzählungen von Lovecraft oder seiner Apologeten.
und b) alle Abenteuer, die ich gespielt habe entweder so unglaublich Goth/Emo "buuhhuuuuh die Welt ist grausam und gemein und wir sind nur unwichtige Funken in der unendlichen Kälte des Seins"
Genau darum geht es schon den Autoren der Erzählungen, und das 60 Jahre bevor es Bewegungen wie Goth oder Emo überhaupt gab.
Gut, das nicht zu mögen ist eine Sache. Aber es ist ungefähr so als wenn man dsagt, ich kann Shadowrun nicht verstehen, weil ich keinen Shadowrunner spielen mag.
Das liegt aber nicht am Setting, sondern an dir. ~;D
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@Xemides:
Ich habe das GRW erst in die Hand genommen weil ich ein paar Bücher von Lovecraft ganz okay fand. Nicht sooo gut, dass ich mir weitere geholt hätte, aber gut genug um sie bis zu Ende zu lesen und ein weiteres in die Hand zu nehmen.
Da hab ich aber weitaus bessere moderne Horrorgeschichten gelesen. Auch handwerklich besser.
Was meinen Punkt b angeht.
Okay. Das klärt für mich einiges. Immer wenn ich dieses Argument sonst gebracht habe wurde mir gesagt, aber neeein bei Lovecraft steckt noch sooo viel mehr dahinter, wenn sich die SLs darauf gestürzt haben war das kein echtes Erlebnis. Wenn aber genau das eben DOCH der Fokus der Erzählungen/des Spiels ist, dann klar.. dann sehe ich ein: es liegt an mir. Ich mags einfach nicht. Weil was da noch mehr hinter stecken soll habe ich eben nie gesehen.
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Ich persönlich habe dasselbe Problem wie Stanley Kubrick, wenn ich mit landläufigem Horror konfrontiert werde: Die Gewissheit, dass es einen Satan oder Geister gibt, bestätigt am Ende doch ein religiöses Weltbild, in dem auch Gott und der Himmel existieren. Und das ist - paradoxerweise - unglaublich tröstlich.
Lovecraft verweigert sich dieser Versöhnung völlig, er setzt das Grauen vor Dämonen in einen atheistisch kalten Kosmos, in dem die einzig menschliche Regung die Flucht in den Wahnsinn bleibt.
Das. Lovecrafts Werk funktioniert deshalb so gut, weil es schlicht die totale Hoffnungslosigkeit propagiert. Dagegen zu kämpfen, sich zu opfern, Held zu sein - alles, was in anderen Horrorszenarien noch erstrebenswert war (und sei es auf moralischen, religiösen usw. Ebenen), lässt HPL wie ein Kartenhaus zusammenfallen, weil jede heldenhafte Tat letztlich in der Bedeutungslosigkeit versinkt und überflüssig wird und selbst die moralischen Maximen, die eine solche Tat zur "Heldentat" machen, letztlich Konstruktionen ohne Gehalt sind. Das hebt HPLs Werk tatsächlich sehr von anderen Geschichten ab (das Alien kann man töten, "Kainiten" der oWoD deuten zumindest die Existenz eines Gottes an, usw.). Irgendwo las ich mal (hier irgendwo?), dass nur eine religiöse Person Lovecraft wirklich als Horror begreifen könnte. Das ist zwar übertrieben vereinfacht, die Tendenz stimmt aber schon.
Allerdings gebe ich zu, dass ich diese ganze Thematik als Rollenspiel eher weniger spannend finde. Dann lieber Schleim-Aliens und Kidnapping durch Deep Ones.
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Es gibt ein sehr schönes Buch von Michel Houellebecq - "Gegen die Welt. Gegen das Leben." - über Lovecraft, das ich jedem nur empfehlen kann zu lesen, wenn er sich für einen der beiden Autoren interessiert.
Lese ich gerade auch wieder, und wollte es eben empfehlen.
Lovecraft lesen und Cthulhu spielen, triggeren bei mir aber nicht aus denselben Gründen.
Wobei ich Lovecraft erst super finde, seitdem ich ihn nicht mehr auf der Suche nach Grusel lese, sondern, weil es stimmungsmäßig gut dazu passt, allein in einen Haus voll Antiquitäten zu leben, wie ich es tue, und als Parabel auf Drogenexperimente und so. In einer guten CoC-Kampagne war ich eigentlich noch nie.
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Da hab ich aber weitaus bessere moderne Horrorgeschichten gelesen. Auch handwerklich besser.
Nunja, das bestreitet niemand. Aber da sollte man halt immer das Alter Bedenken, die Geshichten haben fast 100 Jahre auf dem Buckel, da darf man sicher keinen modernen Erzählstil erwarten. Das war damals aber modern.
Siehe Tolkien, heute würde auch niemand mehr seine Handlungsstränge in solche Blocks aufteilen.
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Das war damals aber modern.
Lovecraft wollte stilistisch gesehn ja gerade nicht modern sein. Seine wissenschaftliche Perspektive, seine collagenhafte Erzähltechnik und seine Methode der Anverwandlung antiker Mythen machen ihn geradezu zu einem Autoren der Postmoderne, was man aber erst heute erkennt und würdigen kann. Der literarischen Moderne seiner Zeit konnte und wollte er aber nicht angehören.
Allerdings gebe ich zu, dass ich diese ganze Thematik als Rollenspiel eher weniger spannend finde. Dann lieber Schleim-Aliens und Kidnapping durch Deep Ones.
Ich denke, dass das derselbe Grund ist, warum Lovecraft aus seinem Mythos keine längeren Romane bilden konnte. Eine Figur ist durch eine einzige Begegnung mit dem kosmischen Schrecken bereits verbraucht, und man kann keine 350 Seiten lang immer nur Andeutungen über die Großen Alten aneinanderreihen.
Liest man die Kurzgeschichten in knapper Folge hintereinander, bemerkt man die notwendigen Mängel dieser Erzählungen: Es ist beinahe unmöglich, sie zu beenden, da das Unbegreifliche sich nicht in Worte fassen lässt. In der Konsequenz, in der Lovecraft seine Vision darstellen konnte, war es ihm nicht möglich, die Verlaufsformen der Geschichten aufzulockern oder abzuwandeln - weswegen ein Langtext von Lovecraft so ermüdend ist wie drei Symphonien von Schostakowitsch hintereinander weg zu hören.
Meine Freundin sammelt die Hörbücher der Gruselkabinett-Reihe. Und die Bearbeitungen von Lovecraft-Texten scheitern eben nicht selten daran, dass man versucht, sie zwischenmenschlich "aufzupeppen", die Charaktere interessanter macht oder gar eine Romanze einzuflechten versucht.
Lovecraft ist - künstlerisch gesehn - absolut steril, eine zusätzliche Note versaut gleich das ganze Gebilde. Deswegen ist es meiner Meinung nach so schwierig, daraus ein Rollenspiel zu machen - erst recht eine Kampagne.
Ein Mi-Go mit Hitpoints? Ein Rettungswurf gegen eine Mondleiter-Wahnsinnsattacke? Das nackte Grauen aus dem All - und das jeden zweiten Freitagabend? Ich persönlich war da immer etwas skeptisch. Für mich eignet sich Cthulhu eher zum Oneshot - oder eben, locker adaptiert, als Pulpsetting mit pfeifenden Tintenfischen, auf die man ballern kann.
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Nunja, das bestreitet niemand. Aber da sollte man halt immer das Alter Bedenken, die Geshichten haben fast 100 Jahre auf dem Buckel, da darf man sicher keinen modernen Erzählstil erwarten. Das war damals aber modern.
Ich lese ihn genau deshalb. Weil der so eine entspannende Distanz zu anderen Personen in den Stories schafft. Muss eh schon den ganzen Tag mit Leuten in Realtime reden. Da brauche ich nicht noch 'natürlichen' Dialog in der Literatur.
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Für mich macht das Nihilistische viel aus. Der Mensch kommt gegen den Mythos nicht so recht an. Das ist IMHO durch die Sanity Regeln gut umgesetzt. Früher oder später erwischts jeden.
Wenn ich spiele, dann weiss ich, egal wie ich mich anstrenge, egal wieviel Erfahrungspunkte, Ausrüstung und exotische Zauber ich in meinen Char pumpe, er ist zum Scheitern verdammt. Das finde ich schön, aber ich bin auch nicht ganz sauber.
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Aber genau dieses am Ende scheitert der Einzelne sowieso + die meisten Charaktere halten keine 2 Abenteuer durch bietet mir auch Dread (System).
Und das einzige was mir als Atheisten der Mythos bietet sind große fremdartige unbesiegbare Monster mit weniger großen, verrückten verdammt schwer zu besiegenden Handlangern.
Das wars. Das ist nicht runter gebrochen, sondern für mich war es das.
Das heißt ich kann genausogut mit richtig bösen blutrünstigen Vampiren und deren Jahrtausende Alten Obervamp (der natürlich nicht mehr wie ein Mensch denkt und mehr oder minder unbesiegbar ist) spielen. Oder mit einem beliebigen 2-3 Sekunden gebrainstormed bösen Gott. Oder einem krass gespielten Drachen und seinen düsteren Kobolden. Oder den Illuminaten (deren Kopf man halt nie findet und daher nicht abschlagen kann und deren Beweggründe man von "hier unten" unmöglich verstehen kann). Oder oder oder.
Dazu brauche ich kein kosmisches Geschwurbel, sondern einfach nur etwas das stärker ist als ich je werden kann und irgendwie seltsam böse ist.
Dementsprechend haut mich der Mythos einfach nicht um.
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Das ist der Mythos im Grunde aber auch schon.
Die Grundthese ist:
"Es gibt mächtige unverständliche böse Wesen die machen was sie wollen und sich für die Menschen so ziemlich null interessieren uasser als Häppchen zwischedurch."
Auch nicht besser oder schlechter als die Prämisse eines beliebigen anderen Genres.
Was dann dazukommt ist halt die Riege guter Autoren, die was dazu geschrieben hat. Und IMHO werden die Cthulhu ABs umso besser, je mehr man sich von denen inspirieren lässt.
Cthulhu Horror ist bei denen meist, aber nicht immer, subtil, manchmal richtig akademisch-trocken. Das muss einem Gefallen.
Cthulhu ist schon ziemlich weit weg vom ursprünglichen Mythos, was völlig ok ist, da der ja absichtlich offen ausgelegt ist. Sogar die Bezeichnung selber ist ja irgendwann nach Lovecraft dazugekommen.
Inzwischen ist Cthulhu teilweise sicher normaler Horror. Ich würde sagen, umso mehr sich ein AB an der Grundprämi8sse und den ersten Autoren orientiert, umso "ursprünglicher" ist es und umso mehr hat es einen eigenen Charakter, der sich von anderem Horror abhebt.
Inzwischen gibt es sicher genug ABs, die davon weit entfernt sind, z.B. wird das immer sehr augenfällig, wenn es plötzlich "gute Magie" gibt, oder Mythoskreaturen sehr leicht zu Boden gehen, wie etwa bei dem Spiel "Day of the Comet".
Ein gutes AB ist sicher der "Sänger von Dhol", da hast du halt wieder eine sehr starke aussichtslose Komponente, vermischt mit einem Horror, der sich eher subtil in den Wünschen und dem Wesen der SC abspielt. Das ist schon recht klassisch.
Ein dritter Punkt sind auch die gut designten Monster des Mythos. Oft werden die in anderen Medien übernommen, einfach, weil sie ein tolles Flair haben. Z.B gibts in Oblivion dieses Dorf der Fischmenschen. Das ist schon weit weg vom Ursprung, hat aber immer noch ein bisschen Cthulhu-Flair, rein wegen der Ästhetik.
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Und das einzige was mir als Atheisten der Mythos bietet sind große fremdartige unbesiegbare Monster mit weniger großen, verrückten verdammt schwer zu besiegenden Handlangern. [...]
Dazu brauche ich kein kosmisches Geschwurbel, sondern einfach nur etwas das stärker ist als ich je werden kann und irgendwie seltsam böse ist.
Dementsprechend haut mich der Mythos einfach nicht um.
Ich verstehe den Mythos schon als weiterreichend.
Auf eine Formel gebracht: "Anything you ever believed can be gone within seconds and without a trace."
Kurz: Alles, was Menschen Halt gibt und Sinn stiftet, ist nichtig.
Heißt: Der Mythos ist eine Verneinung von:
- Du bist ein einzigartiges, vernunftbegabtes Wesen.
- Auf deine Persönlichkeit kommt es an.
- Es gibt einen Gott.
- Es gibt keinen Gott.
- Familie ist ein Wert an sich.
- Wissen ist erstrebenswert.
- Es gibt eine sinnvolle Gesellschaftsordnung.
- Es gibt eine Hoffnung auf ein gelingendes Leben.
- Es gibt ein Leben nach dem Tod.
- Ruhm, Geld, Macht, ... sind erstrebenswert.
- Jeder ist seines Glückes Schmied.
Oder nochmal anders: Der Mythos ist eine das Urvertrauen (ohne das ein Mensch weder handlungs- noch lebensfähig ist, zerstörende Macht).
Für's Rollenspiel bedeutet das: Regelsystem = egal. Abenteuer = entscheidend.
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Ach, das ist das, was all den weinerlichen, überzüchteten Bücherwürmern in den Lovecraft-Geschichten passiert, die schon als Loser anfangen, dann durchdrehen und am Ende gefressen werden.
Ich halte es lieber mit dem guten Professor Armitage: Wenn der Sohn von Yog-Sototh das Raum-Zeit-Gefüge gefährden will, schnapp ich mir ein paar Kumpels, hol das olle Nekronomikon aus dem Schrank, rühr' mir das Pulver von Ibn Gazi zusammen und trete dem Mythos in den Arsch dass es brummt. Ich denke, Doktor Willet aus Charles Dexter Ward wird das ähnlich sehen.
Mir gefällt am Mythos, dass es ein Horror zum Anfassen ist. Man kann ihn messen, sezieren, fotografieren und beweisen. Da ist nichts Mystisches, Nebulöses, Unwirkliches. Dieses Konkrete, nicht zu Verleugnende macht für mich den Horror des Mythos aus. Aber jeder Mensch, der nicht nur mit der Möglichkeit, sondern mit der Tatsache des Fremdartigen und Undenkbaren konfrontiert wird, kann darauf anders reagieren. Arthur Jermin zerbricht an seiner degenerierten Abkunft. Gustaf Johansens Reaktion auf Cthulhu ist, ihn mit einem Schiff zu rammen. Richard Upton Pickman wird selbst zum Ghoul (zu einem eigentlich ganz netten).
Der Horror macht den Mythos zu einem guten Thema für Geschichten. Die Frage "Was würdest du tun, wenn dir sowas zustößt?" macht ihn zu einem interessanten Thema für ein Rollenspiel.
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Was ich vergaß zu erwähnen:
Cthulhu-SC lernen im Freien Fall das Fliegen. Jedenfalls sollten sie das.
Für mich macht das "Und trotzdem"-Prinzip einen großen Teil des Reizes von Cthulhu aus.
Wenn man so will ist das 'ne andere Spielart dessen, was scimi vorbringt.
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Ich mag Howards Adaptionen der "Yogsothotherie":
Wenn's auf dem Dachboden meiner Verlobten rumpelt und pumpelt, dann rauf und in den Arsch treten. Dabei schnelle Rückzugsmaneuver einplanen.
Wenn mein Barbarenkönig mit Schlachtaxt in der Hand die Palasttür eintritt und Schlangenmenschenzauberer bei andersweltlichen Zaubern ertappt, um sich das Königreich Valusien under die schuppigen Klauen zu reißen, dann setzt es Hiebe (Bei Valka!). Allerdings bitte den Rückzug planen.
Wenn mein puritanischer Abenteurer im Herz des Schwarzen Kontinentes auf geflügelte Vampire trifft oder wandelnde Tote, dann komme ich über sie wie der Zorn Gottes! Und habe schnelle Schuhe an ...
Es ist nicht ganz so pulpig-heroisch - aber die Option ist stets da. Und Tod und Wahnsinn auch. Melancholisch stimmungsmäßig ist Lovecraft sprachgewandter - aber Howard schlägt in jederzeit in Dichte der Handlung, actionreichem Plot und beim Weben abenteuerlicher und phantastischer Geschichten.
Für Interessenten sehr zu empfehlen (und solche, die mal einen andere Herangehensweise an Cthulhu lesen wollen): Die Anthologie "Nameless Cults" - benannte nach Howards bibliographischem Beitrag zum Mythos.
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Das illustriert für mich etwas, was ich am Mythos faszinierend finde:
Die Prämisse sind böse, unvorstellbare Mächte, Götter oder Naturgewalten, die sich dem Menschen entgegenstellen. Aber das bietet genug Raum, dass bis heute zahlreichen Autoren immer wieder etwas dazu einfällt. Die Protagonisten bieten die ganze Bandbreite von Lovecrafts schlimmsten Jammerlappen bis hin zu Hell Boy. Die Geschichten können Horror, Thriller, Abenteuer, Science Fiction oder Pulp sein.
Aber der Mythos bleibt immer im Hintergrund, er überspannt diese große Vielfalt an Geschichten. Und dadurch ist er gleichzeitig wirklich und unfassbar. Wirklich, weil die vielen Aspekte und Facetten ihn Dingen aus der Realität ähnlicher sein lassen als einer Idee oder einem Abstraktum. Unfassbarer, weil er nicht wirklich ist und sich darum nicht leicht abgrenzen oder definieren lässt. Und darum ist er faszinierend.
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Ich finde die Geschichten von Lovecraft größtenteils gar nicht so besonders, es gibt natürlich Ausnahmen. Aber das Rollenspiel ist hervorragend und bringt mir nach 25 Jahren immer noch Spaß.
Es ist halt die reale Welt, in der man spielt und man kann sich einfach reinversetzen. Hinzu kommt noch das einfache Regelwerk, interessant Aspekte wie Archäologie und voila ist ein interessantes Rollenspiel fertig, in dem der Spieler gar nichts großartig vom Mythos mitbekommen muss. Die alten Laurin-Sachen finde ich auch wesentlich interessanter als die neuen von Pegasus (Ausnahme: Auf den Inseln), aber hier ging es ja um den Reiz an Chtulhu, nicht dem Rollenspiel.
Also, den kann ich auch nicht unbedingt nachvollziehen, obwohl ich das Rollenspiel liebe. Ich finde z.B., dass die Welt von Robert E. Howard viel interessanter als die von H.P. Lovecraft ist und ich verschlinge seine Werke mindestens einmal im Jahr. Als Rollenspiel-Hintergrund schlägt aber Cthulhu Conan.
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Warum spielst du dann Cthulhu ? Cthulhu ist der Mythos. Ohne den Mythos ist es nur ein BRP-Archäologie-Spiel.
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Warum spielst du dann Cthulhu ? Cthulhu ist der Mythos. Ohne den Mythos ist es nur ein BRP-Archäologie-Spiel.
Mit Monstern, aber vom Prinzip hast du Recht. Ich bin bei uns SL und meine Spieler haben zum größten Teil keine Ahnung von den Zusammenhängen, interessiert sie aber auch nicht. Es wird halt hier verhindert, dass ein Monster wiederaufersteht, dort ein Kult begraben, aber dass letztlich alles sowieso vergebliche Mühe sein soll, da der Gegner auf jeden Fall siegen wird, finde ich als Thema nicht besonders attraktiv und meine Spieler auch nicht.
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Das ist ja aber nicht un-lovecraft'sch. In den Geschichten kommen viele Charaktere vor, die eine okkulte Vorbildung haben und vielleicht einzelne Berührungen mit dem Übernatürlichen, aber für die die Begegnung mit dem Mythos einzigartig, prägend und oft auch endgültig sind. Und viele von den bekannten Göttern und Monstern sind in den meisten Geschichten nicht viel mehr als Namen in alten Büchern.
Die Nummer mit "Heute Y'golonac, Sonntag Nyarlathotep und wenn Zeit ist dazwischen noch Shub-Niggurath" oder "Hey, ist das ein Deep-One?" - "Nein, beachte die leicht rötliche Färbung am Rückenkamm, meiner Meinung nach handelt es sich vielmehr um...", die bei einigen Runden zum bevorzugten Spielstil gehören, sind eher weiter von der literarischen Vorlage entfernt.
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Das ist ja aber nicht un-lovecraft'sch. In den Geschichten kommen viele Charaktere vor, die eine okkulte Vorbildung haben und vielleicht einzelne Berührungen mit dem Übernatürlichen, aber für die die Begegnung mit dem Mythos einzigartig, prägend und oft auch endgültig sind. Und viele von den bekannten Göttern und Monstern sind in den meisten Geschichten nicht viel mehr als Namen in alten Büchern.
Die Nummer mit "Heute Y'golonac, Sonntag Nyarlathotep und wenn Zeit ist dazwischen noch Shub-Niggurath" oder "Hey, ist das ein Deep-One?" - "Nein, beachte die leicht rötliche Färbung am Rückenkamm, meiner Meinung nach handelt es sich vielmehr um...", die bei einigen Runden zum bevorzugten Spielstil gehören, sind eher weiter von der literarischen Vorlage entfernt.
Bin da absolut deiner Meinung. Ich denke auch, dass es einen Extra-Reiz hat, wenn man gar nicht weiß, worum es eigentlich geht. Und dies ist bei meinen Spielern der Fall, da hat keiner jemals eine Geschichte von Lovecraft gelesen und so gehen sie völlig unvoreingenommen an die Sache ran.
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Ausgelager von Shadoms Frage in einem anderen Thread:
Ich Glaube der Reiz an Cthulhu hat verschiedene Ursachen.
Zu einen muss man da ein wenig die Historie bedenken.
Als Lovecraft seine Geschichten schrieb und Derleth das ganze zum Mythos zusammen fasste (und das sind nur die wichtigsten Autoren) gab es weder Rollenspiele noch ein Hooror-Genre. Es gab höchstens Schauer-Geschichten wie die von Poe.
Und auch als das Rollenspiel erschien (1981) gab es noch wenig oder keine Horrorrollenspiele.
Die Anhängerschafft besteht zum großen Teil aus Lesern von Lovecraft, Derleth und anderen Autoren der Mythos-Geschichten.
Die Widersprüchlichkeit des Mythos kommt daher, das Lovecraft keinen einheitlichen Mythos im Kopf hatte. Dieser wurde erst von seinem Freund und Nachlaßverwalter August Derleth erdacht.
Ich finde auch nicht, das man CoC-Abenteuer auch mit einem klassischen Horror-System spielen kann. Natürlich kann man CoC auch als klassisches Horror-Szenario spielen, aber eigentlich sind die meisten Wesen des MYthos nicht dafür gemacht, wie Zombies nieder gemacht oder wie Vampire einfach mal gepfählt zu werden.
Wie Tolkien mit der Fantasy hat Lovecraft ein Genre erschaffen und ist zum Teil der Popkultur geworden. Es gibt ja nicht nur beim Rollenspiel Anleihen bei Lovecraft, sondern quer durch die Medien (Kurzgeschichten anderer moderner Autoren wie King, Songs von z.B. Metalica, PC-Spiele, Filme etc.)
Für mich hat CoC ein ganz eigenes Flair, auch durch die Gefahr des Wahnsinns, die beim klasssichen Horror eigentlich nicht so präsent ist.
Toller Post!
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Tja. Für mich sind Lovecrafts Storys auch gut ohne Monster denkbar. Bzw. man kann die durch Drogenexperimente und ähnliches ersetzen. Ich lese es auch gar nicht als Horror. Für mich sind da einfach dekadente Protagonisten, die sich an die Grenzbereiche dessen, was der menschliche Verstand mitmachen will, wagen.
Necronomicon oder zuviel Acid - was ist da der Unterschied?
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Da kann ich nicht zustimmen, weil es gerade ein Element der Lovecraft-Geschichten ist, dass die Monster ziemlich zum Anfassen sind. Da gibt es nüchterne, kompetente Wissenschaftler, die zusammen mit Kollegen Messungen vornehmen, Experimente durchführen und Beweise fassen. Oft besteht der Knackpunkt der Geschichte auch gerade darin, dass das Grauen erst dann zuschlägt, wenn der Protagonist schlagende Beweise für das findet, was er vorher bezweifeln konnte.
Davon auszugehen, dass die Charaktere schizophren oder ständig unter dem Einfluss von Drogen sind, klingt so nach "Alles war nur ein Traum!", so ein billiges Mittel, um Widersprüche zu ignorieren.
Ich finde, Akte X war da eine bessere Inspiration, wo Scully regelmäßig Dinge auf dem Seziertisch medizinisch untersucht hat und dabei oft auf verstörende Ergebnisse gestoßen ist, (meist) ohne dabei ihren wissenschaftlichen Standpunkt aufzugeben oder "Oh Gott, es gibt sie wirklich!" zu schreien.
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Davon auszugehen, dass die Charaktere schizophren oder ständig unter dem Einfluss von Drogen sind, klingt so nach "Alles war nur ein Traum!", so ein billiges Mittel, um Widersprüche zu ignorieren.
Das habe ich nicht gemeint. Ich sage, man kann den Mythos auch als Metapher für Drogen-Experimente sehen.
LSD, etc. wurden ja auch in wissenschaftlichen Labors entdeckt und unter solchen Bedingungen - auch im Selbstexperiment - getestet. "Das ist alles gar nicht echt, weil ich es nicht anfassen kann", ist auch eher eine Einstellungssache.
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Naja, mit dem Ansatz kannst du aber jede Fantasywelt trashen.
Brauchst nur entsprechend hartes Acid, oder halt mal in den städtischen Kräutergarten zur Stechapfelplantage pilgern, dann ist Gamma World auch für dich in real möglich, lieber Tartex.
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Da kann ich nicht zustimmen, weil es gerade ein Element der Lovecraft-Geschichten ist, dass die Monster ziemlich zum Anfassen sind.
Ich habe mal gelesen, dass die Entwicklung Lovecrafts in etwa so ging, dass die Monster immer "metaphysischer", mithin abstrakter wurden, je weiter er sich als Autor entwickelte.
Aber ich gebe Dir insgesamt Recht: Es ist schon wichtig, dass die grässlichen Wesenheiten wirklich existieren, von denen berichtet wird, und kein bloßes Hirngespinst. Ähnlich wie bei Kafkas "Verwandlung" der Satz entscheidend ist: "Es war kein Traum."
Lovecrafts Vater litt ja an Schizophrenie, und in einer Biographie habe ich gelesen, dass die wahnhaften Schübe des Vaters ein Kernbestandteil von Lovecrafts Schaffen geworden sind. All die Figuren, die unter schwer erträglichen Mondleiter-Monologen zusammenbrechen, ließen sich demnach lesen als Wiederholung eines Kindheitstraumas.
In der Fiktion selber aber sind Cthulhu und Konsorten völlig real. Sie bestehen zwar nicht aus "unserer" Vorstellung von Materie, aber sie sind da und können sich wirklich manifestieren.
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Naja, mit dem Ansatz kannst du aber jede Fantasywelt trashen.
Warum soll das "trashen" sein? GammaWorld ist für mich sowieso real. Irland ist nicht soooo anders. ;) Ich sehe halt sehr viel in Fantasy / Weird Fiction als Metaphern. Wenn man unsere Welt betrachtet ohne sie von der Abstumpfung durch jahrelangen Konsum derselben weichzeichnen zu lassen, ist das alles sehr weirder shit. Nur eine Frage des Filters.
Ich sag nur Kruzifixe als Beispiel. Nur weil wir seit Kindheit gewohnt sind, dass überall so Bondage-Objekte rumhängen, denken wir uns nichts mehr dabei.
Zu Lovecraft: ist ja allgemein bekannt, dass er z.B. die ihm fremden Immigranten in New York mit ziemlich der selben Wortwohl beschrieb, wie seine fiktiven Monster.
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Ich habe mal gelesen, dass die Entwicklung Lovecrafts in etwa so ging, dass die Monster immer "metaphysischer", mithin abstrakter wurden, je weiter er sich als Autor entwickelte.
Ich bin kein Literaturwissenschaftler, aber beim kurzen Überfliegen der Chronologie sehe ich später bei Lovecraft Geschichten wie "At the Mountains of Madness", "The Haunter of the Dark", "The Thing on the Doorstep", "The Shadow Over Innsmouth" etc., die ich alle eigentlich ziemlich "hands on" finde.
Viel früher hat er Dinge wie "The Temple", "Polaris" oder "Beyond the Walls of Sleep", die meines Erachtens sehr viel allegorischer und versponnener sind.
Die einzige Tendenz ist, dass Lovecraft Ideen und Themen weiterentwickelt und Dinge, die er schon einmal ähnlich verwendet hat, in späteren Werken ausgefeilter und subtiler wieder auftauchen.
Lovecrafts Vater litt ja an Schizophrenie, und in einer Biographie habe ich gelesen, dass die wahnhaften Schübe des Vaters ein Kernbestandteil von Lovecrafts Schaffen geworden sind.
Sehr wahrscheinlich waren es Nervenschäden infolge einer fortgeschrittenen Syphilis und nicht das einzige Trauma in Lovecraft's Leben. Das mag bestimmte Themen und Neigungen Lovecrafts beeinflusst haben, aber ich bin immer etwas vorsichtig mit so küchenpsychologischen Erklärungne.
Ich denke, der größte Einfluss dürften die Horrorliteratur, die Wissenschaftsmagazine und all die anderen Bücher gewesen sein, die der Mann sich zentnerweise reingezogen hat. Lovecraft war ein ganz schrecklicher Nerd und auch ohne Internet kann die schiere Masse von Briefen, die er mit Gleichgesinnten ausgetauscht hat, den Posting-Count von so manchem Forennutzer hier in den Schatten stellen.
Zu Lovecraft: ist ja allgemein bekannt, dass er z.B. die ihm fremden Immigranten in New York mit ziemlich der selben Wortwohl beschrieb, wie seine fiktiven Monster.
Lovecraft war generell ein Fan von gestelzter, antiquierter Sprache, weswegen seine Werke schon damals nicht für jeden gut lesbar waren. Und er hat mehr seiner Freunde als Opfer, Okkultisten und Monster in den Mythos eingebaut als dass darin Immigranten vorkommen.
Anscheinend hatte Lovecraft eine extreme Meinung zu Leuten, die nicht in sein neuenglisches Gentleman-Weltbild passten, aber ich hatte immer das Gefühl, dass das eher dazu geführt hat, dass stereotype Ausländer in den Geschichten nur Nebenrollen bekommen, wenn sie überhaupt auftauchen.
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Und er hat mehr seiner Freunde als Opfer, Okkultisten und Monster in den Mythos eingebaut als dass darin Immigranten vorkommen.
Anscheinend hatte Lovecraft eine extreme Meinung zu Leuten, die nicht in sein neuenglisches Gentleman-Weltbild passten, aber ich hatte immer das Gefühl, dass das eher dazu geführt hat, dass stereotype Ausländer in den Geschichten nur Nebenrollen bekommen, wenn sie überhaupt auftauchen.
Naja. Lies mal "The Street (http://en.wikipedia.org/wiki/The_Street_(short_story))". Wird oft ausgespart. Aber hier ist der Originaltext (http://www.hplovecraft.com/writings/texts/fiction/s.aspx). Hier spielen die Ausländer die Hauptrolle.
Und das allerallerschrecklichste Gedicht "On the Creation of Niggers" (http://en.wikisource.org/wiki/On_the_Creation_of_Niggers) will ich erst gar nicht reden. Es hat auch nichts mit meiner Argumentation zu tun, muss aber doch erwähnt werden. *kotz*
Ich schätze Lovecrafts Werk (und seine Biographie) trotzdem sehr.
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Klar, Lovecraft hatte selbst für seine Zeit extreme Ansichten zu Einwanderern und Unterprivilegierten und keine Scheu, sich dazu auch zu äußern.
Trotzdem finde ich, dass das für seine Geschichten keine große Rolle spielt. Wenn entsprechende Aspekte in einer Erzählung auftauchen, ist Lovecrafts Darstellung extrem rassistisch und verachtend, aber ich hatte nie den Eindruck, dass die Texte zu dem Zweck verfasst wurden, Rassistisches oder sonstwie intolerantes Gedankengut zu verbreiten. Und ich kann mir weder vorstellen, das das Lesen von HPs Horrorgeschichten Intoleranz fördert, noch, dass die typischen Vertreter unmoderner Ansichten besonderes Vergnügen an der Lektüre hätten.
Und insbesondere kann ich mir nicht vorstellen, dass der "Reiz an Cthulhu" für irgendwen darin besteht, dass Lovecraft hin und wieder einmal einen Satz im Text hat, der voll daneben ist. ;)