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Pen & Paper - Spielsysteme => Systemübergreifende Themen => Thema gestartet von: Abaton23 am 11.06.2015 | 17:42

Titel: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 11.06.2015 | 17:42
Moin miteinander,

vorneweg, diese Gedanken beziehen sich auf PROBENABHÄNGIGE RPG-Systeme und nicht auf einen völlig freien Erzählstil.

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Der einfache, gemeinsame Nenner:

Seit den ca. 25 Jahren, da ich RPGs spiele, hab ich wohl mindestens 25 RPG-Systeme live am Tisch erlebt. Ich finde es immer wieder belustigend, wie vehement in meinem Bekanntenkreis über das "Beste Rollenspielsystem" diskutiert wird. Beruflich muss ich täglich Handwerker verschiedenster Gewerke beauftragen, was mich fordert, komplexe Bauvorhaben in einfachste Schritte aufzulösen, um sie als Arbeitsanweisungen herausgeben zu können. Nun, ich kann privat nicht aus meiner Haut und zerlege auch gerne Regelwerke anhand ihrer Sinnhaftigkeit.

So schaue ich mir die Systeme an, welche ich so kenne, und lese für mich einen immer wiederkehrenden Mechanismus für diese probenabhängiges Rollenspiele heraus, egal ob wir DSA, Vampire, Savage oder FATE vergleichen. Ich nenne diesen Mechanismus mal Urformel.
(Ich bin schon gespannt darauf, wie ich im Angesicht solcher Häresie von Fanboys eines beliebigen Systems zerfetzt werde...)

SPETZ. HANDLUNG & SPIELWERT >> PROBE

SPETZ. HANDLUNG: Dabei besteht das System im Wesentlichen aus einer Liste von Handlungsmöglichkeiten, basierend auf dem Setting. Ein Fantasysetting mag Magie und Nahkampf benötigen, ein Sience-Fiction-Setting wohl eher Ingenieurswissen. (Ich halte auch die Methodenregel aus FATE-Turbo im Wesentlichen für eine verbale Umschreibung von Handlungen)
-> Der Handlungsfreiraum entsteht aus einer Aufzählung definierter Handlungen.

SPIELWERT: Da sich die Charaktere im Spiel individuell anfühlen sollen, werden die Spielwerte wohl variieren. Wo der Held seine Stärken oder Eigenarten haben soll, erzählt ev. schon eine gewählte Umschreibung der gewünschten Charakterklasse. Allerdings ist die Umschreibung meist verbales Lametta fürs Wohlbefinden des Spielers.
-> Lediglich der Spielwert als Zahl oder (+) selbst schafft die prüfbaren Fakten.

PROBE: Da sind wir auf dem Schlachtfeld der Meinungen und Rituale. Während die einen ihre Probe durch einen W-irgendwas-Würfel ablegen, andere ganze Pools schmeißen, weitere Skatkarten bedienen, wollen wieder andere Systeme jeden Schiss durch mehrere getrennte Würfe abnudeln, die nachfolgende Verrechnungsformeln bedienen. Im Kern geht es aber immer nur um eines:
-> Die Probe ist eine Wahrscheinlichkeitsprüfung anhand des individuellen Spielwertes.

Ich wiederhole meine Häresie, wenn ich in meiner Betrachtung die verschiedenen Systeme vergleiche, so finde ich bei fast jedem die obige, fett geschriebene Urformel. Da frage ich mich:

->  Braucht es eigendlich mehr zum Spiel?
->  Warum gibt es dann so viele verschiedene Systeme?

Mich persönlich beschleicht beim Betrachten der Formel der Verdacht, dass ihr ein ganz großer Fehler anhaftet. Sie ist schlicht zu einfach, als dass man sie in ihrer Reinform als gewinnbringend vermarkten könnte. Wie will ich für sowas einfaches in Buchform Geld verlangen? Wie soll der Verlag auf seine Kosten kommen, wenn das Regel-heftchen nur noch fünf Seiten hätte? Es muss also was Komplexeres her, damit man fettere Bücher schreiben kann.

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Subsysteme, jetzt wirds kompliziert:

Um Regelbücher dicker machen zu dürfen, müssen sie wohl diese Grundmechanik aufblähen. Hierfür waren einige Regelautoren bisher sehr kreativ. Es scheint die Regel zu gelten: Je undurchsichtiger, desto besser! Immerhin wächst mit der Komplexität auch die Abhängigkeit der Spieler, die zugehörenden Regelwerke zu erwerben. Dabei finde ich immer wieder folgende zwei Subsysteme, die mich zum Stirnrunzeln veranlassen:

Attribute
Hierbei werden Begriffe über eine Anzahl von spez. Handlungen geschoben, welcher diese dann zugeordnet werden. Der Zweck ist, dass diese übergeordneten Begriffe den spez. Handlungen einen Bonus dazugeben. Natürlich wäre der höhere Handlungswert für eine Probe vollkommen ausreichend. Nur argumentiert man, wo bleibt denn der Realismus? Immerhin bestünde ein Held ja schließlich aus angeborenen Stärken! Attribute würden somit den Realismus fördern.

Stimmt das? Ein System würde wohl meist die beiden Handlungen "Körbe flechten" und "Akrobatik" dem Attribut "Geschick" zuordnen, wenn dieses im Angebot stünde. Das sollte implizieren, dass ein Held mit hohm Geschick in beiden Handlungen schon etwas besser wäre. Ich ginge also zum besten Weidenflechter von Westeros. Er flechtet mir einen edlen Schwan aus Weiden oder ein wasserundurchlässiges Trinkgefäß aus Grashalmen. Jetzt soll er aber mit dem gefüllten Trinkgefäß über den Schwan springen, ohne was zu verschütten. Vergleichbar !?!

Es gibt das Geschick einer fingerfertigen Tätigkeit wie dem Flechten. Andere Geschicklichkeiten beziehen sich auf komplexe Körperbewegungen, wie Tanzen oder Akrobatik. Das millimetergenaue Erfühlen eines Diamantschleifers unter der Lupe ist auch Geschick. Trotzdem hat keine Tätigkeit Anspruch, auf eine andere übertragen werden zu können.

Mein Fazit: Handlungen über Attribute zu modifizieren ist meist recht willkürlich. Der Spielwert wird auch nicht sonderlich bereichert. Allerdings ist es hübsch komplex und braucht erläuternde Schriftsätze. Toll für ein komplexes Regelwerk, wenn man viele Seiten füllen will.


Talente / Stunts
Hierbei werden Begriffe unter eine Anzahl von spez. Handlungen geschoben, welcher diese dann zugeordnet werden. Der Zweck ist, dass diese Talente den Handlungen situationsabhängige Bonis geben. Natürlich wäre der höhere Handlungswert wiederum für eine Probe vollkommen ausreichend. Nur argumentiert man, wo bleibt denn die Coolness? Immerhin macht das den Held ja besonders individuell!

Stimmt das?  Wenn der höhere Handlungswert für eine Probe vollkommen ausreichend wäre, ist dann das Talent nicht eigendlich nur ein buntes Etikett für etwas bereits Vorhandenes? Naja, es fühlt sich halt spezieller an, als ein höherer Grundwert einer Handlung. Außerdem klingt "Klettern +16" einfach nicht so cool wie "Klettern +12" addiert mit dem Talent "Adept der heiligen Steinböcke aus der Todesklamm +4!"

Mein Fazit: Spez. Handlungen über Talente / Stunts zu modifizieren, bedient vor allem die subjektive Psyche des Spielers, sich mit seinem Helden einzigartiger fühlen zu dürfen. Der Spielwert wird wiederum nicht sonderlich bereichert, dafür situationsbedingt verkompliziert. Die entsprechende Begründung, warum der Held so toll klettern kann, würde auch eine Beschreibung auf der Rückseite seines Charbogens erfüllen. Allerdings braucht ein solches Subsystem wiederum erläuternde Schriftsätze. Damit wären wir wieder beim Fazit der Attribute, sprich: Toll für ein komplexes Regelwerk, wenn man viele Seiten füllen will.

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So, jetzt habt Ihr etwas Einblick in meine persönliche Gedankenwelt bezüglich der zwei "beliebtesten" Subsysteme. (Ich meine, beliebt bei Autoren) Ich empfinde solche Subsysteme eher als verzichtbares Beiwerk. Deshalb spiele ich auch so gerne mit vereinfachenden Hausregeln.

Meine Meinung wird bestimmt nicht jeder teilen. Drum schreibt jetzt, wo Ihr findet, ich tu Euren Lieblingssystemen Unrecht, meine Ausführungen sind eh grottenfalsch und ich hab im Gegenzug zu Anderen in meinen persönlichen 25 Jahren Spielzeit das Wesentliche an RPGs nicht kapiert... Egal wie andersartig Eure Meinung ist, ich freu mich drauf, sie zu lesen.


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Edit, Weil es des Öfteren Fragen in der Diskussion aufgeworfen hat, habe ich folgende Änderungen im Einganstext vorgenommen:
Das Wort "Fertigkeit" wurde durch "spez. Handlung" ersetzt. Das ist wohl nötig, da manche Systeme die Begriffe "Talent", "Fertigkeit" und "Attribut" unterschiedlich definieren bzw. in einem anderen Kontext verwenden.

Ergänzung des Eingangstextes um das folgende Zitat, um dem Vorwurf zu begegnen, ich bezweifelte die Sinnhaftigkeit, JEDES Subsystem generell:
…..Da sich der Thread in allgemeiner Form an zahllose RPGs richtet, wäre eine allumfassende Beleuchtung aller Subsysteme schlicht uferlos. Ich schaffe es bestimmt nicht, alles darüber zu schreiben und Ihr schafft es bestimmt nicht, alles danach zu lesen.

Es gibt durchaus zusätzliche Mechaniken, die ich bereichernd finde. Vor- und Nachteilsysteme oder (FATE-)Aspekte können den Spieltisch durchaus beleben, da sie zu einer interessanten Darstellung von Charakteren führen kann. Gummipunkte können zu einer taktischen Planung oder Rettung führen. Solche Systeme begrüße ich durchaus, wenn sie in händelbare Regeln gefasst sind. Zwecks der Übersichtlichkeit hab ich solche Sachen aber aus dem Eingangsthread ausgelassen.

...sowie ergänzende Formulierungen und eine Bereinigung von Schreib- und Grammatikfehler, soweit meine Rechtschreibkenntnisse diese gefunden haben.  ~;D
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Oberkampf am 11.06.2015 | 17:51
Witzig, im Moment sehe ich es gerade umgekehrt und Fertigkeiten als etwas an, was auf die Attribute aufgesetzt wurde, aber eigentlich nicht wirklich benötigt wird. DSA1 konnte man mit dem Basis-Set ohne die Talente spielen, und die Talente brachten keinen wirklichen Mehrwert.

Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sin am 11.06.2015 | 17:54
Was soll das bringen Rollenspielsysteme abstrakt auf eine Gemeinsamkeit zu reduzieren? Man kann auch Menschen, Gurken und Bakterien auf die gleichen Bestandteile reduzieren (sogar wesentlich besser als Rollenspielsysteme), aber ich spiele trotzdem lieber mit Menschen als mit Bakterien und Gurken.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: YY am 11.06.2015 | 18:02
Man hat also Regeln, die über FERTIGKEIT + SPIELWERT = PROBE hinausgehen, um Geld damit machen zu können?
Na ja, ich weiß nicht :)


Jedenfalls:
Ja, je nach Zielsetzung braucht man mehr zum Spielen, weil man mit dem Grundmechanismus viele einflussreiche Faktoren nicht abbilden kann.

Wer nur irgendeine Orientierungshilfe zum Erzählen braucht, für den reichen einfachste Mechanismen.
Sobald der Anspruch besteht, dass sich die Einzelmechanismen/Subsysteme zu einem größeren Ganzen zusammenfügen und, einmal mit Ausgangslage gefüttert und angestoßen, komplexere Ergebnisse zumindest zu einem Teil "selbständig" liefern können, muss man über die einfachen Grundlagen hinaus gehen.


Und zuletzt erscheinen manche Aufteilungen nach Fertigkeit, Attribut, Talent usw. usf. sowie die Behandlung mittels verschiedener Subsysteme dem einen oder anderen Spieler schlicht intuitiver, "richtiger", kurz passender als das Zusammenschmeißen von allen möglichen Dingen in einen einzigen einheitlichen Probenmechanismus.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 11.06.2015 | 18:10
Witzig, im Moment sehe ich es gerade umgekehrt und Fertigkeiten als etwas an, was auf die Attribute aufgesetzt wurde, aber eigentlich nicht wirklich benötigt wird. DSA1 konnte man mit dem Basis-Set ohne die Talente spielen, und die Talente brachten keinen wirklichen Mehrwert.

Nun, welcher Begriff gerade oben oder unten steht, ist wohl eher eine willkürliche Wahl. Auch die Feinheit der Unterteilung. Wenn Du die "Fertigkeiten" sehr grobkörnig wählst und durch den Begriff "Attribut"  ersetzt, kommt dann nicht tatsächlich Deine Erklärung raus?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 11.06.2015 | 18:12
Was soll das bringen Rollenspielsysteme abstrakt auf eine Gemeinsamkeit zu reduzieren? Man kann auch Menschen, Gurken und Bakterien auf die gleichen Bestandteile reduzieren (sogar wesentlich besser als Rollenspielsysteme), aber ich spiele trotzdem lieber mit Menschen als mit Bakterien und Gurken.

Nunja, diese Argumentation macht wohl 95% aller Systemdiskussionen des Forums überflüssig. Das Archiv zeigt jedoch, dass darüber wohl trefflich und gerne diskutiert wird.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 11.06.2015 | 18:20
Naja, Huntress und Abaton, ihr habt letztlich beide Recht. Wenn man zwei Werte addiert und sie nie einzeln benutzt, könnte man ja auch anstandslos direkt den nächsten Wert nehmen.

Trotzdem scheint diese Mehrstufigkeit wohl irgendwie attraktiv. Da gibts dann verschiedene Varianten:

- Statt zwei festen Listen, einen Wert als freien Charakterzug einbauen. Siehe z.B. Fate mit freien Aspekten und Fertigkeiten aus der Liste.
- Man kann auch die Wirkung so verändern. Habe ich z.B. bei B&B gemacht, wo die "Attribute" niemals mit der Fähigkeitsstufe interagieren.
- Man kann auch gänzlich unterschiedliche Konzepte addieren. Bei MHR addiert man z.B. zu der Fähigkeit des Charakters die Präferenz in der Teamzusammensetzung (lieber allein, lieber als Duo, lieber mit mehreren).

Man kann aber natürlich genauso davon weggehen, Charakteren überhaupt irgendwelche Werte zu geben. Auch das funktioniert.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: D. M_Athair am 11.06.2015 | 18:22
Nun, welcher Begriff gerade oben oder unten steht, ist wohl eher eine willkürliche Wahl. Auch die Feinheit der Unterteilung. Wenn Du die "Fertigkeiten" sehr grobkörnig wählst und durch den Begriff "Attribut"  ersetzt, kommt dann nicht tatsächlich Deine Erklärung raus?
Auch wenn ich DSA1 zu wenig kenne, würde ich sagen: Nein. cD&D jedenfalls hat keine Fertigkeiten und die Attribute ersetzen sie auch nicht.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sin am 11.06.2015 | 19:22
Menschen hinterfragen einfache Systeme und finden schnell Fehler, Ungereimtheiten oder schlicht Aspekte, die sie implausibel oder unpassend finden, aber nehmen komplexere Systeme als plausibel, sinnvoll oder vernünftig hin ohne sie zu hinterfragen. Deswegen wirken komplexere Rollenspielsysteme realistischer, besser oder passender. Und bei Rollenspielsystemen geht alles darum, ob es gefällt, sich richtig anfühlt.

Beispiel: Menschen fragen sich, warum es das Universum bzw. Menschen gibt und finden keine wirklich plausible Antwort. Dann sagt man halt Gott hat Universum und Menschen erschaffen. Man hat das Problem schlicht und einfach um eine Ebene komplexer gemacht und plötzlich fragt niemand mehr: Warum gibt es Gott, wer hat den erschaffen? Rein logisch betrachtet, ist es das dümmste was man überhaupt machen kann, anstatt eine Frage zu beantworten, macht man das Problem nur unnötig komplizierter und entfernt sich von der Antwort. Aber es funktioniert.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 11.06.2015 | 19:34
Villeicht ist es nur die willkürliche Begrifflichkeit, die gerade verwirrt. Wenn ich die "Fertigkeiten" eines Systems mit Attributszuordnung immer grobkörniger betrachte, bin ich tatsächlich irgendwann beim Attribut selbst angekommen. Und immerhin gibt es grobkörnige Systeme, die allein mit Attributswerten arbeiten, wenn eine passende Fertigkeit ausgeübt wird. Z.B.Dungeonslayers. Andere Systeme sind feinkörniger und haben das Wesen der Attribute auf das Niveau der Fertigkeiten runtergeschmolzen und gleichgestellt, wie meines Wissens das Lied von Eis und Feuer. Beide Systeme verrichten ihre Arbeit ohne eine zweite Modifikatorenebene.

Wäre die Begrifflichkeit weniger irritierend, wenn ich statt den Begriff "Fertigkeit" die Bezeichnung "spezifizierte Handlung" verwende? Sprich, sowohl Dungeonslayers wie das Lied von Eis und Feuer verwenden: 

spezifizierte Handlung + Spielwert = Probe
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 11.06.2015 | 19:44
Wozu braucht man mehr an Auto als den ersten Benz, der hatte auch schon Motor und Räder und man ist von A nach B gekommen ...

Alleine schon das Beispiel mit dem springenden Korbflechter zeigt den Weg, deswegen haben einige Systeme, wo man diese Situation für wichtig hält eben Gewandtheit und Fingerfertigkeit getrennt.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: YY am 11.06.2015 | 20:12
Menschen hinterfragen einfache Systeme und finden schnell Fehler, Ungereimtheiten oder schlicht Aspekte, die sie implausibel oder unpassend finden, aber nehmen komplexere Systeme als plausibel, sinnvoll oder vernünftig hin ohne sie zu hinterfragen. Deswegen wirken komplexere Rollenspielsysteme realistischer, besser oder passender. Und bei Rollenspielsystemen geht alles darum, ob es gefällt, sich richtig anfühlt.

Wus?

Sie nehmen komplexere als plausibler oder sinnvoller wahr, weil sie die Mechanismen, die mit dieser gesteigerten Komplexität einhergehen, für angemessen halten, ihren jeweiligen Zweck zu erfüllen.

Es wirken ja bei Weitem nicht alle gleich komplexen Rollenspiele gleich realistisch oder passend.


Wo ich aber eindeutig zustimme, ist der letzte Satz für sich allein genommen:
Jedes komplexere Regelwerk baut ein eigenes Spielgefühl auf - und das ist wichtig.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Skyclad am 11.06.2015 | 20:18
Und Lady Blackbird und Amber fallen schon raus.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: alexandro am 11.06.2015 | 20:22
Sie nehmen komplexere als plausibler oder sinnvoller wahr, weil sie die Mechanismen, die mit dieser gesteigerten Komplexität einhergehen, für angemessen halten, ihren jeweiligen Zweck zu erfüllen.

Seinen Zweck kann auch ein einfacher Mechanismus angemessen erfüllen.

Oft geht es gar nicht um das Ergebnis, sondern um einen (wie auch immer zusammenfabulierten) Weg dorthin.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 11.06.2015 | 20:30
Seinen Zweck kann auch ein einfacher Mechanismus angemessen erfüllen.

Oft geht es gar nicht um das Ergebnis, sondern um einen (wie auch immer zusammenfabulierten) Weg dorthin.
Das hängt dann aber genau von diesem Zweck ab. Und der wird nicht an allen Spieltischen gleich bewertet werden.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Bad Horse am 11.06.2015 | 20:30
Ich habe leider nicht verstanden, was du mit "Spielwert" meinst. Ist das ein Bonus / Malus, der aus Charaktereigenschaften, Umwelteinflüssen oder Gummipunkten resultiert?

Wäre es da nicht sinnvoller, "Fertigkeit + Special = Grundwert für die Probe" zu schreiben?

Mag sein, dass man das auf diese Gleichung reduzieren kann - aber es gibt extrem viele Meinungen darüber, wie Fertigkeiten aussehen sollen (mit Attributseinfluß, ohne Attribut, nur Attribut) oder wie Specials funktionieren sollen (Feste Boni- und Abzuglisten, Aspekte, auslösbare Boni, Gummipunkte etc.). Oder wie so eine Probe ermittelt wird.
Und da nun mal verschiedene Geschmäcker bedient werden sollen, gibt es halt Systeme, die die einen oder anderen Vorlieben in dieser Richtung bedienen. Ist ja auch sinnvoll.

@einfach vs. komplex: Eine einfache Mechanik wird viel weniger hinterfragt, weil schnell klar ist, wie sie funktioniert. Dann kann man sich nur noch darüber streiten, ob sie a) das macht, was sie soll und b) ob sie einem gefällt. Bei einer komplexen Mechanik wird viel öfter darüber diskutiert, wie sie denn jetzt eigentlich funktioniert; und a) und b) von oben bleiben einem auch noch.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 11.06.2015 | 20:36
Menschen hinterfragen einfache Systeme und finden schnell Fehler, Ungereimtheiten oder schlicht Aspekte, die sie implausibel oder unpassend finden, aber nehmen komplexere Systeme als plausibel, sinnvoll oder vernünftig hin ohne sie zu hinterfragen. ...

Genau das beobachte ich so oft und war ein Mitgrund, das Thema mal anzuschneiden. Viele Interessenten greifen aus Unsicherheit zum dicken Regelschinken, weil sie in die Fülle hineininterpretieren, das System wäre dann wohl zwangsläufig besser oder vollständiger. Doch das ist selten der Fall.

Ich vergleiche es mal mit einem Computer oder Backofen. Die einen brauchen zentnerschwere Handbücher und andere haben selbsterklärende Menüs. Wo wird wohl schneller ein Bedienungsfehler gemacht? Wer liest denn 400 Seiten Benutzerhandbuch und erinnert sich dann in der Anwendung an jede Regel? Ich nicht!
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 6 am 11.06.2015 | 20:38
Ich habe leider nicht verstanden, was du mit "Spielwert" meinst.
Ein dickes +1

@Abaton23:
Kannst Du mal ein paar Beispiele für Deine Formel formulieren?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 11.06.2015 | 20:42
Beim Rollenspiel muss es nicht nur für einen optimal passen, sondern für alle am Spieltisch hinhauen.

Da geht es nicht nur darum die beste Lösung an sich zu bekommen, sondern primär auch die Kommunikationslücken zwischen den Beteiligten zu schließen.
OK, schlechte Regeln reißen da auch neue Löcher, aber ansonsten sollten gute Regeln eben mit steigendem Umfang den Diskussionsbedarf und die Vorstellungsdivergenzen während des Spiels (bzw. der Vorbereitung) senken, bis die Chance dass es eine Gruppe gibt, die genau dort agiert kleiner wird als der Aufwand das zu schreiben oder im Falle einer spezifischen Gruppe die Regel zu lernen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Xemides am 11.06.2015 | 20:43
Ich kenne nun diverse Systeme, wo die Eigenschaften entweder nur als Basis dienen,beim Wurf aber keine Rolle mehr spielen, oder man auf sie entweder einzeln würfelt oder nur auf die Fertigkeit und nicht summiert:

Runequest 6: Wurf nur auf Fertigkeit
Savage World: Wurf entweder auf Fertigkeit oder aufs Attribut
Shadowrun: Summe ergibt Pool
Midgard: Eigenschaft gibt Bonus auf Fertigkeitswert, oder es wird mit W100 auf ihn gewürfelt.

etc.

Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: YY am 11.06.2015 | 20:45
Seinen Zweck kann auch ein einfacher Mechanismus angemessen erfüllen.

Wenn der Zweck entsprechend begrenzt ist, ja.

Viele Interessenten greifen aus Unsicherheit zum dicken Regelschinken, weil sie in die Fülle hineininterpretieren, das System wäre dann wohl zwangsläufig besser oder vollständiger. Doch das ist selten der Fall.

Das ist dann aber "nur" eine Frage nach gutem oder schlechtem Design.

Es gibt komplexe Regelwerke, die tatsächlich gut und recht vollständig sind.
Andere kann man mit vertretbarem Aufwand so weit bringen.

Dass es schlecht designte komplexe Regelwerke gibt, die mit ihrer Komplexität nichts anzufangen wissen, tut dem keinen Abbruch.
Umgekehrt gibt es auch einfache Systeme, die nicht so arbeiten, wie sie sollen.
Und ich würde noch nicht mal behaupten wollen, dass die Zahlenverhältnisse hinsichtlich gutem und schlechtem Design im Vergleich komplexer und einfacher Regelwerke so unterschiedlich sind.


aber ansonsten sollten gute Regeln eben mit steigendem Umfang den Diskussionsbedarf und die Vorstellungsdivergenzen während des Spiels (bzw. der Vorbereitung) senken, bis die Chance dass es eine Gruppe gibt, die genau dort agiert kleiner wird als der Aufwand das zu schreiben oder im Falle einer spezifischen Gruppe die Regel zu lernen.

Schöne Formulierung :d
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: alexandro am 11.06.2015 | 20:48
Ich habe leider nicht verstanden, was du mit "Spielwert" meinst.

So wie ich es verstanden habe: der numerische Wert, auf den sich die Probe bezieht. Kompetenzgrad halt.

In die Formel eingesetzt sähe das z.B. so aus:
[Schwertkampf] + [7] = [W20+7 gg. Parade des Gegners]

Oder so.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 11.06.2015 | 20:51
Ich habe leider nicht verstanden, was du mit "Spielwert" meinst. Ist das ein Bonus / Malus, der aus Charaktereigenschaften, Umwelteinflüssen oder Gummipunkten resultiert?

Ich wähle mal als Beispiel Midgard. Da steht, der Charakter hat z.B. auf Glückspiel +12, ohne Modifikator, da sein Attribut ev. nicht greift.
- Fähigkeit=Glückspiel,
- Spielwert= +12
- Probe sollte laut Regeln bei einer normalen Schwierigkeit mit einem W20 summiert mit dem Spielwert mind. die 20 als Ergebnis zeigen.

Anderes Beispiel, SavageWorlds. Da steht, der Charakter hat z.B. auf Heimlichkeit einen W8-Würfel ohne Modis.
- Fähigkeit=Heimlichkeit,
- Spielwert= W8,
- Probe sollte laut Regeln bei einer normalen Schwierigkeit mind. eine 4 als Ergebnis zeigen.

Anderes Beispiel, DSA. Da steht, der Charakter hat z.B. auf Schwimmen (Ge/Ko/Kk) eine 5.
- Fähigkeit=Schwimmen,
- Spielwert= 5,
- Probe sollte laut Regeln bei einer normalen Schwierigkeit bei den drei Attributsproben in Summe nicht die 5 als Fehlwert übersteigen.

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Beantwortet das, was ich mit der Urformel meine:
Fertigkeit + Spielwert = Probe ?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Bad Horse am 11.06.2015 | 20:58
Ach so. Na, dann fehlen aber definitiv die Specials.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 11.06.2015 | 21:04
Genau das beobachte ich so oft und war ein Mitgrund, das Thema mal anzuschneiden. Viele Interessenten greifen aus Unsicherheit zum dicken Regelschinken, weil sie in die Fülle hineininterpretieren, das System wäre dann wohl zwangsläufig besser oder vollständiger. Doch das ist selten der Fall.

Ich glaube, das ist nicht der Fall. Wer dicke Rollenspiele wälzt, tut das nicht, weil sie besser sind, sondern für den Spaß am Wälzen. Am sich einlesen in den Hintergrund (obwohl der gar nicht so im Spiel vorkommt), am Bauen von Charakteren (die man so nie spielen wird), am Tüfteln von Hausregeln (für Runden die es vielleicht gar nicht gibt).

Wenn man tatsächlich nur am Tisch sitzen und spielen will, braucht man wirklich nicht viel. Aber es gibt offensichtlich auch andere Präferenzen. Sonst wäre dieses Forum auch nicht so wirklich besucht.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 6 am 11.06.2015 | 21:07
@Abaton23:
Ja. das erklärt die Urformel. Danke. :)
Ich fürchte allerdings, dass Du mit der blosen Konzentration auf die Probe an sich, am Sinn vieler Subsysteme vollkommen vorbei schrammst. :-\
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: D. M_Athair am 12.06.2015 | 02:41
Wobei, wie schon erwähnt, die Urformel gar nicht überall greift!

Von Everways drei Formeln erfasst sie lediglich eine. Bei den meisten OSR-Spielen gibt es keine Fertigkeiten (oder etwas Ähnliches). Ein guter Teil von Charakterhandlungen wird erzählerisch aufgelöst. Und wenn ich Skyclad richtig verstehe, dann ist die Urformel auch nicht auf Amber und Lady Blackbird anzuwenden. Weitere Indies würden mir dazu auch noch einfallen (Daidalos, The pool, ...).

Ansonsten: Was Pyro schrieb.


... wofür die Identifikation dieses basalen Bausteines wichtig sein kann - dazu später oder nächste Wo.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 6 am 12.06.2015 | 09:07
Jedes komplexere Regelwerk baut ein eigenes Spielgefühl auf - und das ist wichtig.
Ich würde sogar das "komplex" da rausstreichen. Jedes Regelwerk baut ein eigenes Spielgefühl auf.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: oliof am 12.06.2015 | 09:15
Mein "Gold-Standard" für einen Satz an Minimal-Mechanismen ist immer noch DRASTIC (http://www.azundris.com/output/rp/drastic/). Hat in der Praxis gut funktioniert und sich wie Rollenspiel angefühlt.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: ChaosAmSpieltisch am 12.06.2015 | 09:19
Ich würde sogar das "komplex" da rausstreichen. Jedes Regelwerk baut ein eigenes Spielgefühl auf.

Und ich glaube, dass ist das wesentliche.

Sicherlich kann man die meisten Rollenspielen, wenn nicht gar auf alle auf: Manche Elemente fordern eine Zufallsprüfung ab herunter brechen. (Sei es nun ob etwas gelingt, oder ob man das erreicht was man erreichen will - was ja unterschiedliche Dinge sein können)

Aber das Gefühl, dass was ein Rollenspiel wirklich ausmacht, kann man nur durch wesentlich komplexere Dinge hinbekommt als: Wirf mal einen Wurf.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: La Cipolla am 12.06.2015 | 09:33
Da wir ja nicht im Theorieteil des Forums sind (zu dem das imho aber auch passen sollte, in einer perfekten Welt), noch mal eine andere Perspektive: Die Erwartungshaltung.

Zitat
Mich persönlich beschleicht beim Betrachten der Formel der Verdacht, dass ihr ein ganz großer Fehler anhaftet. Sie ist schlicht zu einfach, als dass man sie in ihrer Reinform als gewinnbringend vermarkten könnte. Wie will ich für sowas einfaches in Buchform Geld verlangen? Wie soll der Verlag auf seine Kosten kommen, wenn das Regel-heftchen nur noch fünf Seiten hätte? Es muss also was Komplexeres her, damit man fettere Bücher schreiben kann.

Da geht es meiner Erfahrung in den Verlagen nach tatsächlich weniger um die Menge oder Komplexität der Regeln.
Es werden ja auch SL-Bücher nur mit "How to"-Sachen verkauft, und damit könnte man auch locker ein Grundregelwerk füllen. Fate ist übrigens ein gutes Beispiel für ein Spiel, in dem die tatsächlichen Regeln auch auf (je nach Version) einige Doppelseiten passen würden, in dem man aber sehr viel Platz und Zeit zum Erklären benutzt, vernünftigerweise. Und da gibt es noch extremere Fälle.
Was wirtschaftlich viel entscheidender ist, ist die Konvention, dass ein "ernst zu nehmendes" Rollenspiel bitte auch so und so viele Regeln hat. Du kannst heute vielleicht ein sehr spezielles RPG mit zehn Seiten Regeln "erfolgreich" verkaufen, aber wahrscheinlich kein DSA oder Splittermond (oder Shadowrun, oder ... etc.); jedenfalls nicht, ohne sehr kreativ in der Vermarktung zu sein und ein gewaltiges unternehmerisches Risiko einzugehen - und wir sind immernoch eine Liebhaberszene, größtenteils auch auf Produzentenseite. Erfahrene Rollenspieler im Sinne von "ich spiele seit X Jahren!", aber ohne große Berührungen zum Indiesektor, haben einfach eine sehr deutliche Vorstellung davon, wie ein Rollenspiel aussieht, und alles, was nicht in diesen Bereich fällt, wird nicht mal in Betracht gezogen. Das ist dementsprechend auch nicht verwerflich oder ignorant, sondern total normal. Wenn ich einen Film ohne Bild ins Kino bringe, kann der großartig sein, aber die Leute würden ihn trotzdem kaum als Film wahrnehmen, weil das nicht ihrer Vorstellung eines Films entspricht. Also noch mal: Es wird nicht bösartig oder ignorant ignoriert, sondern fällt in der allgemeinen Wahrnehmung schlicht und ergreifend unter den Tisch.
Ließe sich langfristig sicherlich alles irgendwie ändern, aber das ist ein anderes Thema und würde hier zu weit führen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Skyclad am 12.06.2015 | 09:39
Aber das steht doch gleich im ersten Satz, dass sich die Betrachtung nur auf die Rollenspiele bezieht, auf die sie sich bezieht. ;)
Die Gegenbeispiele sind keine freien Erzählspiele.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 12.06.2015 | 11:15
Ich kenne weder Everways, Amber oder Lady Blackbird, noch kenne ich Bekannte, die das gespielt haben. Das werden wohl seltene Exoten sein. Und jede Regel hat bekanntlich eine Ausnahme. Deshalb mein Eingangssatz: "vorneweg, diese Gedanken beziehen sich auf probenabhängige RPG-Systeme und nicht auf einen völlig freien Erzählstil."  Und der Definition entsprechen locker 95% der RPGs.

Ich fürchte allerdings, dass Du mit der blosen Konzentration auf die Probe an sich, am Sinn vieler Subsysteme vollkommen vorbei schrammst. :-\

Das kommt tatsächlich auf die Beschaffenheit des Subsystems an. Da sich der Thread in allgemeiner Form an zahllose RPGs richtet, wäre eine allumfassende Beleuchtung aller Subsysteme schlicht uferlos. Ich schaffe es bestimmt nicht, alles darüber zu schreiben und Ihr schafft es bestimmt nicht, alles danach zu lesen.

Es gibt durchaus zusätzliche Mechaniken, die ich bereichernd finde. Vor- und Nachjteilsysteme oder (FATE-)Aspekte können den Spieltisch durchaus beleben, da sie zu einer interessanten Darstellung von Charakteren führen kann. Gummipunkte können zu einer taktischen Planung oder Rettung führen. Solche Systeme begrüße ich durchaus, wenn sie in händelbare Regeln gefasst sind. Zwecks der Übersichtlichkeit hab ich solche Sachen aber aus dem Eingangsthread ausgelassen.

Allerdings sind die Attributszuordnungen und die Talentlisten die gängigste Art, Regelsysteme "pimpen" zu wollen. Dass das ein Standard sein muss, wurde uns auch über Jahrzehnte hin so deutlich anerzogen, dass wir das meist garnicht mehr infrage stellen. Nur stelle ich das eben doch hier infrage. Immerhin kamen in den letzten Jahren etliche, schlanke Regelwerke auf den Markt, die auf solche Mechaniken verzichten - und ihr Werk vorzüglich verrichten! Also ist der Beweis schon längst getätigt, dass es auch ohne geht. Ich erkenne nur dann keinen Sinn in Subsystemen, wenn sie lediglich zu Modifikatorenkasperei verkommen und das Spiel ansonsten nicht bereichern.

Zitat
Mein Fazit: Fertigkeiten über Talente / Stunts zu modifizieren, bedient vor allem die subjektive Psyche des Spielers, sich mit seinem Helden einzigartiger fühlen zu dürfen.

Darum geht es bei vielen Subsystemen. Nämlich der "gefühlte" Flair, die Psyche des Spielers. Manchen reicht es nicht, gut klettern zu können. Sie brauchen ein buntes Etikett mit Namen dafür. Deshalb hat das Militär auch Medaillen erfunden. Es reicht nicht, ein Held zu sein. Mit nem Stück Blech für 50 Cent auf der Brust fühlt er sich einfach viel großartiger! Die menschliche Psyche lässt sich so wunderbar austricksen. Oder warum sonst bekommen Marketingbranchen Millionenbudgets?

Aber das Gefühl, dass was ein Rollenspiel wirklich ausmacht, kann man nur durch wesentlich komplexere Dinge hinbekommt als: Wirf mal einen Wurf.

Ich meine, das Spielgefühl wird im Wesentlichen durch den Erzählspiel des SL geprägt und durchs beschriebene Setting. In unserem Spielkreis werden eben genau diese zwei Dinge abgefragt, wenn einer ne Runde anbietet. Nach der Mechanik selbst wird sich allenfalls erkundigt, wenn Spieler bestimmte Systeme nicht mögen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Belv am 12.06.2015 | 11:30
Genau das beobachte ich so oft und war ein Mitgrund, das Thema mal anzuschneiden. Viele Interessenten greifen aus Unsicherheit zum dicken Regelschinken, weil sie in die Fülle hineininterpretieren, das System wäre dann wohl zwangsläufig besser oder vollständiger. Doch das ist selten der Fall.

Ich vergleiche es mal mit einem Computer oder Backofen. Die einen brauchen zentnerschwere Handbücher und andere haben selbsterklärende Menüs. Wo wird wohl schneller ein Bedienungsfehler gemacht? Wer liest denn 400 Seiten Benutzerhandbuch und erinnert sich dann in der Anwendung an jede Regel? Ich nicht!

An der Stelle und mit deinem Vergleich liegst du wohl daneben. Es kommt viel mehr darauf an, was der Betreffende nun genau sucht. Die Regeln, genauer gesagt die kleinteilige mechanische Umsetzung davon, stellen auch oft die "Haptik" eines Systems dar und dienen somit auch als Grundlage dafür, sich in die Sache einzufühlen/einzudenken. Sind d20+12(Fernkampf) vs DC15 und d20+10(Fernkampf)+2(Magischer Bogen) vs. DC15 von der Mechanik her identisch? In diesem Fall: Ja. Aber da hier unterschiedliche Ur-Mechaniken genutzt werden, deren Quellen mir bei meiner Vorstellung der ganzen Aktion helfen, gibt sich für mich ein differenziertes Bild.

Kann ich Vampire mit Fate spielen? Klar geht das, nur durch den höheren Meta-Anteil plus die veränderte Mechanik geht mir die "Haptik" für das Spiel verloren, das ich gewohnt bin bzw. spielen will, wobei es gerade der Meta-Anteil ist, der zwar hilft eine gemeinsame Story zu spinnen, mir aber den Spaß an der Immersion nimmt, wohingegen mir die ausdifferenzierten Disziplinen hier helfen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: D. M_Athair am 12.06.2015 | 14:59
Ich kenne weder Everways, Amber oder Lady Blackbird, noch kenne ich Bekannte, die das gespielt haben.
Das kann! man durchaus so einschätzen. Bleiben die OSR-Sachen (wie Swords & Wizardry, Stars without number, Labyrinth Lord, ...) und die kann man in ihrer Gesamtheit keineswegs als Exoten bezeichnen.

Ich meine, das Spielgefühl wird im Wesentlichen durch den Erzählspiel des SL geprägt und durchs beschriebene Setting.
Ja, das spielt eine wichtige Rolle. Dennoch: System matters! Gerade so Sachen wie "Mook-Regeln", "Gummipunkte", "Wundsystem" ... tragen ganz erheblich zum Spielgefühl bei. Vielleicht sogar mehr als die Erzählweise des SL (außer der ist besonders gut oder schlecht).
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 12.06.2015 | 22:15
Gerade so Sachen wie "Mook-Regeln", "Gummipunkte", "Wundsystem" ... tragen ganz erheblich zum Spielgefühl bei. Vielleicht sogar mehr als die Erzählweise des SL (außer der ist besonders gut oder schlecht).

Das entspricht durchaus meiner Wahrnehmung. Wie bereits gesagt:
Zitat
Es gibt durchaus zusätzliche Mechaniken, die ich bereichernd finde. Vor- und Nachjteilsysteme oder (FATE-)Aspekte können den Spieltisch durchaus beleben, da sie zu einer interessanten Darstellung von Charakteren führen kann. Gummipunkte können zu einer taktischen Planung oder Rettung führen. Solche Systeme begrüße ich durchaus, wenn sie in händelbare Regeln gefasst sind. Zwecks der Übersichtlichkeit hab ich solche Sachen aber aus dem Eingangsthread ausgelassen.

Auch Wundsysteme entsprechen oft der Urformel. Aus

Fertigkeit + Spielwert = Probe
wird dann oft
Waffe + Waffenwert = Recourcenverlust

Durchaus sinnvoll, weil das bei den meisten Spielern schnell verstanden und akzeptiert wird. Meine Kritik setzt an sinnlosen Subsystemen an, die sich nur der Modifikationsverwaltung bedienen:

Zitat
Allerdings sind die Attributszuordnungen und die Talentlisten die gängigste Art, Regelsysteme "pimpen" zu wollen. ....
...Immerhin kamen in den letzten Jahren etliche, schlanke Regelwerke auf den Markt, die auf solche Mechaniken verzichten - und ihr Werk vorzüglich verrichten! Also ist der Beweis schon längst getätigt, dass es auch ohne geht. Ich erkenne nur dann keinen Sinn in Subsystemen, wenn sie lediglich zu Modifikatorenkasperei verkommen und das Spiel ansonsten nicht bereichern.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 12.06.2015 | 22:47
Fertigkeiten sind ja nur Modifizierungen der Attribute. Da es da viele Lebensaspekte dazu gibt, sind es je  simulativer mehr  zb Talente, je vereinfachter desto mehr Sammelwerte. Letzeres kann sich auch aus ersterem ergeben, zum leichteren Wuerfeln, wofuer ich auch zu DSA plaedierte.
Aber die Darstellung von einem komplexen Talentspiegel finde ich persoenlich schon wichtig .
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 12.06.2015 | 23:19
Fertigkeiten sind ja nur Modifizierungen der Attribute.....

?

Das ist noch nicht mal bei DSA der Fall, aber DSA ist eh ein Sonderling unter den RPGs. Hier wird durch Attribute lediglich eine besonders spezifische Art des Prüfwurfes bedient.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Diese Aussage scheint andere Rollenspiele im Allgemeinen wohl aus der Betrachtung auszublenden.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: ChaosAmSpieltisch am 12.06.2015 | 23:36
Ich meine, das Spielgefühl wird im Wesentlichen durch den Erzählspiel des SL geprägt und durchs beschriebene Setting. In unserem Spielkreis werden eben genau diese zwei Dinge abgefragt, wenn einer ne Runde anbietet. Nach der Mechanik selbst wird sich allenfalls erkundigt, wenn Spieler bestimmte Systeme nicht mögen.

Halte ich für Bullshit. Sorry.

Der SL kann noch so horrorlastig beschreiben, wenn die Spieler rumalbern wird das nicht. Das Setting und die Runde wird massgeblich von der Zusammenarbeit zwischen SL und Spielern geprägt.

Und im allgemeinen fängt der Unfrieden ja an, wenn SL und Spieler die Mechanik unterschiedlich sehen. Sprich: eine Seite sich eben nicht an die (inkl. unausgesprochener) Regeln hält.

Deine SL-Fixierung hier halte ich wahlweise für kleingeistig, naiv, unerfahren oder trollig.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 13.06.2015 | 09:38
Ja stimmt, wenn die Spieler nicht bei der Geschichte des SL mitwirken, kann es nichts werden. Das schließt nicht aus, dass der SL mit seiner Geschichte maßgeblich die Stimmung am Spieltisch prägt. Aus dieser Feststellung jetzt eine SL-fixierung abzuleiten, halte ich für weit hergeholt.

Doch wenn man Andere in ihrer Person herabwürdigt, weil sie der eigenen Meinung nicht applaudieren, so halte ich das wiederum für "kleingeistig, naiv, unerfahren oder trollig". Prüfe mal Deine Ausdrucksform von der letzten Post.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Oberkampf am 13.06.2015 | 12:44

Ich meine, das Spielgefühl wird im Wesentlichen durch den Erzählspiel des SL geprägt und durchs beschriebene Setting. In unserem Spielkreis werden eben genau diese zwei Dinge abgefragt, wenn einer ne Runde anbietet. Nach der Mechanik selbst wird sich allenfalls erkundigt, wenn Spieler bestimmte Systeme nicht mögen.

Das Kernproblem liegt doch darin, dass Rollenspiele zu weiten Teilen kaum als Gesellschaftsspiele wahrgenommen oder als solche gespielt werden, sondern als irgendetwas anderes, ein treffen von Leuten, die mehr oder weniger gemeinsam, üblicherweise unter Anleitung eines Haupterzählers, am Tisch eine Geschichte erzählen wollen. Wirft man einen ehrlichen Blick auf diese Situation, braucht man zum "Rollenspielen" eigentlich gar nichts, außer eben eine halb strukturierte, halb offene Geschichte. Der ganze Rest, Proben, Kämpfe, Würfelwürfe, ist reines Beiwerk, das aus der Zeit stammt, als Rollenspiele noch Spiele waren und bis heute aus Konventionsgründen beibehalten wird, auch wenn seit den 80ern bereits gepredigt wird, dass der Spielaspekt jederzeit zugunsten des Erzählsaspekts geopfert werden muss.

Damit beantwortet sich auch die Frage, wieviele Mechanismen es für diesen Spielstil wirklich braucht: Keine. Auch keine zur Verteilung von Erzählrechten, denn das hat Spielcharakter.

Natürlich gab und gibt es Gegenbewegungen gegen diese Spielweise, aus denen unter anderem detaillierte, umfangreiche Regelwerke hervorgegangen sind. Oder fokussierte, knappe Regelwerke. Oder strategisch-taktisch anspruchsvolle Regelwerke, die zumindest Teilaspekte wieder aus der Erzählung ins Gesellschaftsspiel zurückführen wollten, z.B. Kämpfe.

Daran kann man auch beantworten, wie viele Mechanismen ein Rollenspiel braucht: Es braucht genau so viele, wie eine Gruppe Sachen, die am Spieltisch passieren, als (Gesellschafts-)Spiel abhandeln will und wie hoch der gewünschte Detailgrad ist.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sonja am 13.06.2015 | 13:30
Damit beantwortet sich auch die Frage, wieviele Mechanismen es für diesen Spielstil wirklich braucht: Keine. Auch keine zur Verteilung von Erzählrechten, denn das hat Spielcharakter.

100% Zustimmung.

Und die historische Herleitung ist auch korrekt so. Die ganze Kampfregelkrampfigkeit von Rollenspielen ist eine Art übrig gebliebener Blinddarm aus der Zeit des Wargaming. Mir ist schleierhaft, warum das für viele Leute so ein integraler Bestandteil des Rollenspiels ist. Es ist ja legitim, Monsterklatschen, Looten und Zahlencrunchen zu mögen, aber dafür ist ein Sprechspiel doch nur sekundär sinnvoll. Besser und akkurater und schneller geht das z.B. mit Diablo 3.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Boba Fett am 13.06.2015 | 13:54
Besser und akkurater und schneller geht das z.B. mit Diablo 3.
"Besser" ist immer subjektiv.
Pen & Paper beherrscht vieles, auf das man bei D3 verzichten müsste...
Ich verstehe nicht' warum man immer nur beide Extreme hochhalten kann und es immer auf eine Einzelfunktion beschränken und es für die eigene Lieblingsfunktion exklusiv vereinnahmen möchte. (allein die Bezeichnung "Sprechspiel" schubst es doch genau so in eine Schublade, genau wie der Begriff "Tabletop-RPG").

Warum wird nicht erkannt und vor allem nicht anerkannt, dass das grandiose am Rollenspiel ist, dass es unglaublich viele Dinge parallel erlaubt...?

Meine Antwort nach der Zahl der notwendigen Mechanismen lautet daher: je nachdem, wie man Rollenspiel betreiben möchte... Siehe Antwort von Huntress...

Die ganze Kampfregelkrampfigkeit von Rollenspielen ist eine Art übrig gebliebener Blinddarm aus der Zeit des Wargaming. Mir ist schleierhaft, warum das für viele Leute so ein integraler Bestandteil des Rollenspiels ist.
Ich denke, das kann ich beantworten.
Viele Leute spielen offensichtlich einfach eine andere Art Rollenspiel als Du.
Im übrigen haben Begriffe wie " -krampfigkeit" und "Blinddarm" wertende Züge, die es für manche schwer machen werden, dieses Statement auf der Sachebene zu belassen...
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 13.06.2015 | 14:02
Applaus an Deinen Kommentar, Huntress. Das ist eine schöne Beschreibung des Zustandes vieler Systeme mit denen ich mich schwer tue und mich zu diesem Thread anstiftete. Allerdings hast Du wohl das bessere Ausdrucksvermögen, dies zu beschreiben.

Auch Sonjas Kommentar finde ich gut. Tatsächlich spiele ich auch manchmal Wargaming/Tabletops. Allerdings versuche ich das aus den RPG-Runden fernzuhalten. Da soll es ja nicht in erster Linie um Taktik gehen, sondern um das Erleben einer Geschichte. Wenn ein Spieler in unserer RPG-Gruppe wieder zu heftig Kampfmanöver und Powerplay übertreibt, erlaube ich mir schon mal die Bemerkung, ob er drüben bei den Tabletoppern nicht mehr Erfüllung fände.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Nørdmännchen am 13.06.2015 | 14:03
Warum wird nicht erkannt und vor allem nicht anerkannt, dass das grandiose am Rollenspiel ist, dass es unglaublich viele Dinge parallel erlaubt.

Danke - Boba hat meinen ganzen Willen, Beiträge zu verfassen in einem Satz zusammen gefasst.  :d

Der ganze Rest, Proben, Kämpfe, Würfelwürfe, ist reines Beiwerk, das aus der Zeit stammt, als Rollenspiele noch Spiele waren und bis heute aus Konventionsgründen beibehalten wird, auch wenn seit den 80ern bereits gepredigt wird, dass der Spielaspekt jederzeit zugunsten des Erzählsaspekts geopfert werden muss.

Eine These, die seit mindestens 15 Jahren von diversen Stellen bestritten wird - meines Erachtens mit durchaus starken Argumenten. Überhaupt sehe ich persönlich die Antonymie zwischen Erzählen und Spielen (im Sinne von "Game") gar nicht. Vielmehr kann der spielerische Aspekt ein symbiotisches Verhältnis zur erzählerischen Komponente einnehmen. Spannung und Stringenz sind sowohl dramaturgische als auch gamistische Ansprüche und Regeln können im Sinne der Spontanität sehr produktiven Creative Constraint führen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Oberkampf am 13.06.2015 | 14:38
"Besser" ist immer subjektiv.
Pen & Paper beherrscht vieles, auf das man bei D3 verzichten müsste...
Ich verstehe nicht' warum man immer nur beide Extreme hochhalten kann und es immer auf eine Einzelfunktion beschränken und es für die eigene Lieblingsfunktion exklusiv vereinnahmen möchte. (allein die Bezeichnung "Sprechspiel" schubst es doch genau so in eine Schublade, wie der genauso Begriff "Tabletop-RPG"). Warum wird nicht erkannt und vor allem nicht anerkannt, dass das grandiose am Rollenspiel ist, dass es unglaublich viele Dinge parallel erlaubt.

Die "Sprechspiel"-Tradition ist eben im deutschsprachigen Raum stark ausgeprägt, da Rollenspiele bei uns populär wurden, als sie sich schon weit von ihrer Wargame-Vergangenheit gelöst hatten. Die DSA-Tradition ist es nunmal, Geschichte vor Spiel zu stellen. Trotzdem waren frühe DSA-Abenteuer noch mit einem starken SPIEL-Anteil versehen, der aber immer mehr in den Hintergrund rückte, obwohl das Regelsystem dazu immer umfangreicher und kleinteiliger, letzten Endes komplizierter und unübersichtlicher wurde. Was natürlich die Entwicklung weg vom Gesellschaftsspiel nochmal begünstigte.

Meine Antwort nach der Zahl der notwendigen Mechanismen lautet daher: je nachdem, wie man Rollenspiel betreiben möchte...

Das kann man aber erst bestimmen, sobald man sich im Klaren darüber ist, ob man ein Spiel spielen will oder nicht. Für viele Leute ist Rollenspiel eben nur Improtheater und nur Geschichten erzählen. Wenn man aber bereits die Frage stellt, welche Mechanismen Rollenspiel braucht, dann ist doch die Grundvoraussetzung, dass es irgendwelche Bereiche gibt, die man persönlich nicht durch Improtheater und Erzählkunst geklärt haben will.

Aber sind das wirklich Bereiche alltäglicher Tätigkeiten, selbst wenn sie "abenteuerlich" erscheinen?

Das ist meiner Ansicht nach das Problem an der "Würfel + Fertigkeitswert gegen Schwierigkeitsgrad"-These: Wer sagt denn, dass irgendwelche Proben der Aspekt sind, der mit den Mitteln des Spiels geklärt werden muss? Noch dazu mit diesen Mitteln? Ich kann mir ein Spiel vorstellen, wo es weder Attribute noch Fertigkeiten gibt, sondern willkürliche Kampfwerte - weil Kampf oft das einzige ist, was mit Spielmechanismen geklärt wird. Vielleicht wäre das sogar näher am praktischen Spiel vieler Gruppen als irgendwelche Systeme mit differenzierten Werten für alle möglichen Tätigkeiten, deren Handhabung im Spiel nach dramaturgischen Gesichtspunkten entschieden wird.

Die Frage, welche Mechanismen ein Rollenspiel wirklich braucht, würde ich im Augenblick - für mich! - so beantworten: Mechanismen für ein flottes, übersichtliches und alle Spieler (inkl. SL) integrierendes, damit auch ein balanciertes Kampfsystem. Ich habe nichts dagegen, mehr als nur Kämpfe am Tisch auszuspielen (= mit Mitteln eines Brettspiels zu behandeln), aber weniger Spiel will ich nicht haben, ohne dass für mich der Charakter eines Rollenspiels verloren geht.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Oberkampf am 13.06.2015 | 14:48

Eine These, die seit mindestens 15 Jahren von diversen Stellen bestritten wird - meines Erachtens mit durchaus starken Argumenten. Überhaupt sehe ich persönlich die Antonymie zwischen Erzählen und Spielen (im Sinne von "Game") gar nicht. Vielmehr kann der spielerische Aspekt ein symbiotisches Verhältnis zur erzählerischen Komponente einnehmen. Spannung und Stringenz sind sowohl dramaturgische als auch gamistische Ansprüche und Regeln können im Sinne der Spontanität sehr produktiven Creative Constraint führen.

Das sind Ansätze aus einer oder mehrerer der Gegenbewegungen, die den Spiel-Aspekt mit dem Impro-Theater und der Erzählkunst wieder unter einen Hut bringen wollen, um die Gesamtheit Rollenspiel zu erhalten. Und natürlich funktioniert das, denn sowenig die ersten Rollenspiele reine Brettspiele waren, selbst wenn sie aus dem Wargames-Lager kamen, so wenig sind Erzählspiele reines Geschichtenerzählen, so sehr sie den GAME-Bereich auch kleinreden wollen.

Das Problem ist allerdings, dass man sich auf Spielmechanismen (GAME) einlassen muss, damit sie Erzählen begünstigen. Und das ist ein Bruch mit der Tradition, die beide Mechanismen gegenüber stellt.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Bad Horse am 13.06.2015 | 15:11
Das Problem ist allerdings, dass man sich auf Spielmechanismen (GAME) einlassen muss, damit sie Erzählen begünstigen. Und das ist ein Bruch mit der Tradition, die beide Mechanismen gegenüber stellt.

Sehr schön gesagt. Ich würde meinen, Rollenspiel entsteht irgendwo in dem Spannungsfeld zwischen Improtheater und Tabletop/Brettspiel. Einzelne Spielvorlieben finden sich dann an einem Punkt zwischen beidem wieder - es werden spielerische Elemente eingebracht, aber welche das sind, ist auch nicht gleichförmig. Zufallselemente sind sehr beliebt (wir benutzen für unser Hühnerspiel eigentlich nur Entscheidungskarten), aber keine notwendige Bedingung. Das Marvel-Superhelden-Ding mit den Pöppeln verwendet keine Zufallselemente. Das verwendet dafür taktische Verteilung von Ressourcen.

Ich sage mal: Rollenspiel braucht eine Mechanik, die die Erzählung weiterbringt, indem sie hilft, Situationen mit unklarem Ausgang aufzulösen. Das kann jetzt die vorgeschlagene Mechanik sein, aber es gehen auch andere.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: blut_und_glas am 13.06.2015 | 20:23
Ich würde meinen, Rollenspiel entsteht irgendwo in dem Spannungsfeld zwischen Improtheater und Tabletop/Brettspiel.

Kriegs- und Brettspiel zu einem gemeinsamen Pol zusammenzuziehen wird der Situation dabei aber in meinen Augen auch nicht wirklich gerecht. Zwar können wir versuchen das schlicht auf "viele Mechanismen" zu reduzieren (womit wir dann aus dem Improvisationstheater "wenige Mechanismen" machen), aber damit fassen wir dann eben auch ganz verschiedene Mechanismen hinter denen sich unterschiedliche Interessen und Absichten verbergen zusammen.
Persönlich würde ich da zumindest drei, eher vier verschiedene Gruppen sehen und auch das Spannungsfeld entsprechend mehrdimensional aufspannen - auf Wettbewerb/Herausforderung zielende Mechanismen (am ehesten "Brettspiel", wenn die Bezeichnung unbedingt fallen soll), solche, die primär dazu dienen sollen, etwas nachzustellen oder zu verstehen (beispielsweise historische "Kriegsspiele", die sich stärker auf das Nachspielen von Schlachten statt auf das Kräftemessen der Spieler konzentrieren), Mechanismen, die Basteleien unterlegen/ermöglichen (Erstellen von Armeelisten im Kriegsspiel, Deckbau in Sammelkartenspielen, Charakterbau im Rollenspiel) und dabei in Wechselwirkung mit weniger "planerischen" Aktivitäten stehen (Miniaturen bemalen, Karten tauschen, Kerkerkarten zeichnen), und als vierte Gruppe Mechanismen, die den Spielern einfach nur etwas zu tun geben sollen (Hintergrundrauschen/Einwürfe, um das Gespräch/die Handlung/Interaktion am Laufen zu halten, vergleichbar mit Partyspielen).
Das alles miteinander in einen Topf zu werfen und als monolithischen Gegenpol zum "Improvisationstheater" darzustellen greift in meinen Augen einfach zu kurz.

mfG
jdw
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Tyloniakles am 13.06.2015 | 20:42
Wird hier der Begriff "Tabletop Roleplaying Game" mal wieder falsch verstanden? Der bezeichnet ja einfach nur ein Rollenspiel, das am Tisch gespielt wird, also ein Synonym von "Pen & Paper RPG".

Es gibt ja nicht nur schwarz-weiß "reines regelfreies Erzählspiel" und "verregelter Simulationismus/Brettspiel", sondern gerade der Mittelweg trifft oft den sweet spot. Was zählt ist eben oft das Spielgefühl, das das Gesamtsystem (nicht nur der Kernmechanismus!) erzeugt. System matters!

Die Betrachtung des Threaderstellers ist mir zu eindimensional. Wo er aber recht hat, ist, dass mehr Subsysteme bei weitem nicht gleich besser ist.

Es gibt definitv Rollenspiele, deren Subsysteme sinnvoll sind. Und ich meine nicht nur Gummipunkte und Lebenspunkte o.ä.
Der Probemechanismus ist sowieso oft nur ein Puzzlestück, aber es können auch andere Teile eines Systems tragend sein und das Spielgefühl stark prägen.

Erzählrechte, Spielfluss/Szenenzuschnitt, Beziehungsregeln, Motivationen, XP, Belohnungen, Regeln zu bestimmten Handlungen, Ausrüstungsregeln, Tod/Verletzungen ... all das und viel mehr kann auch durch Regeln bestimmt oder angeregt werden. Auch ohne dass es zu kompliziert wird.

Dem Threadersteller empfehle ich, sich mal mit modernen, progressiven Systemen auseinanderzusetzen. Apocalypse World/Dungeon World, Mutant Year Zero, auch Edge of the Empire beschreiten da andere Pfade.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Bad Horse am 13.06.2015 | 20:59
@zant: Mit "Tabletop" meine ich das, was in Deutschland halt lange so genannt wurde (Warhammer, Warhammer 40K, Confrontation, diese ganzen Miniaturenspiele). Rollenspiel ist das Rollenspiel am Tisch. Dein Vorposter hat mich richtig verstanden.

@b_u_g: Mag sein, dass es ganz verschiedene Spielvarianten gibt, die man am Tisch spielt. Die interessieren mich leider alle nicht sehr, deswegen hab ich sie in einen Topf geworfen. Deiner Aufdröselung würde ich aber soweit zustimmen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 13.06.2015 | 21:27
Das alles miteinander in einen Topf zu werfen und als monolithischen Gegenpol zum "Improvisationstheater" darzustellen greift in meinen Augen einfach zu kurz.

Genau. Und nebenher ist Improtheater auch gar nicht der Gegenpol zum Spiel mit Regeln, weil es eben selbst auch Regeln braucht. Da muss ja auch klar werden wie wo was möglich ist, sonst zerläuft das auch nur zu einem bizarren Brei. Also gibt es Regeln. Das hat auch gar nicht viel mit Spiel zu tun, wie ich vermute, dass Bad Horse das meint (Regelspiel nach Oerter und Montada?). "Vater, Mutter, Kind" ist ein Rollenspiel und es hat Regeln. Schaut euch mal Kinder beim Rollenspiel an, wenn die die Regeln brechen: "Nein, ich will jetzt die Mutter sein!" Bäääm! Rolle verlassen! Katastrophe! Kurz drauf setzt es was mit der Kaffeekanne. ;)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Nørdmännchen am 13.06.2015 | 21:34
Och menno, eigentlich fand ich das Thema gar nicht sooo spannend...  ;D

Das Problem ist allerdings, dass man sich auf Spielmechanismen (GAME) einlassen muss, damit sie Erzählen begünstigen. Und das ist ein Bruch mit der Tradition, die beide Mechanismen gegenüber stellt.

Das stimmt wohl - die Tradition die Du beschreibst ist kaum zu verleugnen. Allerdings nehme ich persönlich sie immer als die Artikulation eines Dualismus wahr, der sich dann mit den Realitäten am Spieltisch kaum deckt. Wie einige Vorschreiber schon betonen, greift diese binäre Betrachtung mMn zu kurz. Aber da sind wir sehr im Bereich persönlicher Erfahrungen (und evtl. Erbsenzählerei meinerseits ;) ).

Und natürlich funktioniert das, denn sowenig die ersten Rollenspiele reine Brettspiele waren, selbst wenn sie aus dem Wargames-Lager kamen, so wenig sind Erzählspiele reines Geschichtenerzählen, so sehr sie den GAME-Bereich auch kleinreden wollen.
Eben das!
Meine These ist dabei, das das Medium Rollenspiel derzeit aus seiner ersten/zweiten, eher experimentellen Gestaltungsphase austritt. Die unterschiedlichsten Spielerlebnisse, die schon im ersten D&D potentiell angelegt (wenn auch nicht intendiert) waren, werden nun vergegenwärtigt. In der Folge beginnen sie die unterschiedlichen Spiele in der Entwicklung zielgerichtet zu beeinflussen.
Will sagen: auch in alten Rollenspielen gibt es erzählerisch funktionale Mechaniken, speziell im Bereich der Reincorporation (blödes Denglisch), der Spannung und fiktionaler Entwicklungsbögen - nur standen diese eben "im Schatten" der KoSim-Mechanismen. Daher möchte ich eher an ein gezieltes Fokussieren und Erweitern von Mechanismen glauben, die dem jeweiligen Design-Ziel dienen. Sie waren in gewissem Sinne schon immer "unter einem Hut"; nur waren da eben auch noch ganz andere Dinge.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sonja am 13.06.2015 | 23:48
Es gibt ja nicht nur schwarz-weiß "reines regelfreies Erzählspiel" und "verregelter Simulationismus/Brettspiel", sondern gerade der Mittelweg trifft oft den sweet spot. Was zählt ist eben oft das Spielgefühl, das das Gesamtsystem (nicht nur der Kernmechanismus!) erzeugt. System matters!

Da kann ich mich nicht anschließen. Brettspiel ist Brettspiel, und das ist auch gut so. Aber was soll das ausgerechnet beim Rollenspiel? Drolliger historischer Ballast, weiter nichts.

Das ist genau so, als ob man beim Fußballspielen als Subsystem igrendwelche Würfelregeln für Zweikämpfe hätte, wo dann alles anhält, Minimum 25 Seiten Regeltext. 
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 13.06.2015 | 23:52
Was das soll? Narrative Constraints.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Edvard Elch am 14.06.2015 | 00:01
Da kann ich mich nicht anschließen. Brettspiel ist Brettspiel, und das ist auch gut so. Aber was soll das ausgerechnet beim Rollenspiel? Drolliger historischer Ballast, weiter nichts.

Wenn wir jetzt aus Rollenspielen alle brettspieligen Elemente rausnehmen, was bleibt dann?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 14.06.2015 | 00:06
Natuerlich sind zusaetzliche Fertigkeiten ueber zb Talente Modifizierungen der Grundwerte ( Klugheit, Staerke usw ). Bei DSA gibts die Talentprobe je nach Talent aus drei passenden Grundwerten und dazu eine Erleichterung eben durch den Talentwert ( = das Koennen dazu ). Das ist logisch, einfach und sinnvoll. DSA4 finde ich aber auch etwas umstaendlich (auch beschrieben ), ich spiel auch mehr 3
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chiarina am 14.06.2015 | 00:15
Zum Thema "drolliger, historischer Ballast": Das ist doch ein bisschen Einstellungssache!

Ich finde mehr oder weniger freies Erzählspiel aktuell gerade auch sehr spannend und in gewisser Weise kann ich es Sonja nachfühlen, wenn sie behauptet, das sei der eigentliche Kern des Rollenspiels. Trotzdem ist es doch viel zu engstirnig zu behaupten, das sei die einzig mögliche Sichtweise. Es gibt ´ne Menge Leute, für die ist Rollenspiel genau die Mischung aus Erzählung und Battlemap, die Systeme wie D&D oder wasauchimmer eben verkörpern. Die empfinden das Würfeln auch nicht als historischen Ballast, sondern als Bereicherung.

Du kannst den andern nur verstehen, wenn du probehalber seine Perspektive einnimmst!
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 14.06.2015 | 00:23
Talentproben sind Altag, dessen Simulation und somit die Darstellung auch der Entwicklung der Spielfigur. Das moechte ich schon darstellen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Eulenspiegel am 14.06.2015 | 00:30
@ Sonja
Ich würde Rollenspiel eher mit Ballspiel vergleichen.

Fußball ist dann ein spezielles Ballspiel mit bestimmten Regeln. Genau so wie DSA dann ein spezielles Rollenspiel mit bestimmten Regeln ist.

DSA 1 enttsprticht dann dem Fußballspielen auf dem Bolzplatz: Wenig Regeln, sehr viel Freeform.
DSA 4 entspricht dann dem Fußball in der WM: Alles mögliche ist verregelt.

Shadowrun wäre dann zum Beispiel Rugby.

Und "The Pool" würde dann Billard entsprechen, wo sich die Leute darüber streiten, ob das überhaupt noch Ballsport ist oder nicht.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chiarina am 14.06.2015 | 00:41
Zitat von: Lysander
Talentproben sind Altag, dessen Simulation und somit die Darstellung auch der Entwicklung der Spielfigur. Das moechte ich schon darstellen.

Dann mach das, aber probiere freies Erzählspiel mal aus. Das wäre so in etwa meine Position.

Ich war früher auch von durchdachten, komplexen Systemen geflasht... von Midgard mit seinen Kontrollbereichen, von Hârnmaster mit seinem intelligenten Würfelsystem, bei dem die Wahrscheinlichkeit für kritische Ergebnisse parallel zu den gesteigerten Skills mitwächst, usw. Irgendwann fand ich das aber immer weniger spannend und sah mich nach etwas Neuem um.

Und dann hatte ich so eine Art Initialerlebnis in Sachen freiem Erzählspiel, wo einfach fast alles geklappt hat - ohne jeglichen Würfelwurf. Es war spannend, es war intensiv und es hat nichts gefehlt. Ich hatte so etwas noch nie erlebt und es war sicherlich mein bestes Rollenspielerlebnis seit vielleicht 10 Jahren... und es war scheißegal, ob ein Charakter "Prima Plätzchen backen" gelernt hatte oder nicht. Wenn der Spieler der Meinung war, die Dinger sind lecker, dann sind sie eben lecker. Ich war noch nie so nah dran am Geschehen wie in dieser Runde... und dafür musste ich erst 47 werden! Jetzt will ich mehr davon! Und die Vorbereitungen laufen. Vielleicht werde ich demnächst mal berichten.

Es ist sicherlich so, dass das nicht für jeden etwas ist. Ich rate aber allen Rollenspielern, es mal auszuprobieren.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 14.06.2015 | 01:24
Aber was soll das ausgerechnet beim Rollenspiel? Drolliger historischer Ballast, weiter nichts.

Rollenspiel braucht Regeln. Immer. Jedes Rollenspiel. Wenn Kinder "Räuber und Gendarm" gewinnen, dann gibt es auch Regeln zur Konfliktresolution. Anna brüllt: "Peng, du bist tot." Thomas ist dann auch tot, weil ihm andernfalls die einen halben Kopf größere Anna auf andere Weise den Konflikt beilegt. Oder vielleicht verwendet sie auch nur Regel 0, die auch wir Rollenspieler kennen: "Spiele nicht mit Idioten."

Jetzt möchten wir natürlich am Spieltisch nicht nur simple Doch-Nein-Doch-Nein-Doch-Nein-Duelle erleben, so unterhaltsam sie beim ersten Anschauen sein mögen, wenn sich zwei Personen gesetzteren Alters (als Enddreißiger habe ich solche inklusive meiner eigenen Person in den Spielrunden) so etwas geben. Aber auf Dauer ist der Schritt von der impliziten zur expliziten Regel zur Konfliktresolution dann doch mal sinnvoll. Und sei es so eine einfache Regel wie in Fiasco mit Establish oder Resolve. Das ist nicht für jeden was, manche mögen auch ein Zufallselement. Da kann man eine Münze werfen, aber wenn jemand mit einem Raketenwerfer zum Boxkampf kommt, verstehe ich, dass er sich bessere Chancen als 50% ausgerechnet hat. Auch da verstehe ich, dass hier einer etwas feineren Einstufung Rechnung getragen werden kann. Und schon merken die Leute, dass sie Spaß dran haben und du hast Attacks of Opportunity und allseits beliebte Regeln für einen Grapple.

Darum machen Regeln also nicht nur als historisches Anhängsel Sinn. Sie sind grundlegender Baustein für funktionierendes Rollenspiel. Andernfalls gewinnt Anna, die auch weiterhin immer einen Kopf größer war als alle anderen und später mal im Mittelgewichtsboxen reichlich Preise einheimste, jeden Konflikt im Spiel... :d

Und zu Abatons These von der Probe:
Ja wie soll eine zufallsbasierte Entscheidung denn sonst aussehen? Ich nehme einen Zufallsgenerator (Probe 1. Teil). Ich passe die Ausgabewerte durch die Regeln an die Spielsituation an (Spielwert, Fertigkeit, die Unterscheidung macht bei konsequenter Dekonstruktion keinen Sinn und die Fertigkeiten sind Teilmenge der Spielwerte). Ich lasse mir ein Ergebnis geben (Probe 2. Teil). Fertig. Das ist keine Häresie, das ist trivial.

Und den besten Grund für gute Regeln hat 1of3 genannt:
Creative Constraints.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chiarina am 14.06.2015 | 01:31
Lieber Chrustschow, ich kann nicht erkennen, dass Sonja etwas über Regeln allgemein gesagt hat.

Zitat von: Sonja
Brettspiel ist Brettspiel, und das ist auch gut so. Aber was soll das ausgerechnet beim Rollenspiel?

Es geht um eine bestimmte Art von Regeln: die brettspielartigen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 14.06.2015 | 01:34
Du hast recht, ich hätte eher Huntress von der Seite davor (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,94252.msg1979129.html#msg1979129) zitieren sollen, der Sonja im Beitrag drauf (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,94252.msg1979140.html#msg1979140) zustimmt.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chiarina am 14.06.2015 | 01:38
Ah. Da hast du wieder Recht (und ich hatte es nicht mehr auf dem Schirm). Das ist schon etwas kurzsichtig.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chiarina am 14.06.2015 | 03:46
Zitat von: Chruschtschow
Aber auf Dauer ist der Schritt von der impliziten zur expliziten Regel zur Konfliktresolution dann doch mal sinnvoll.

Ja, das kann schon sein. Aber muss das so sein? Kann es nicht vielleicht auch sein, dass man, wenn man genug gewürfelt hat, irgendwann die explizite Konflikresolution wieder minimieren möchte? Ich fühle mich manchmal so (aber nicht immer!). Und warum eigentlich ununterbrochen Konfliktresolution? Bei Fate wird vom Spielleiter verlangt, Fan seiner Spielercharaktere zu sein. Toll, aber brauche ich explizite Regeln zur Konfliktresolution wenn ich als Spielleiter Fan der Spielercharaktere bin? Wieso muss es zu nein-doch-nein-doch-nein-doch kommen, wenn der Spielleiter Fan der Spielercharaktere ist?

Ich muss an "Archipelago III" denken, ein norwegisches Erzählrollenspiel mit minimalen Regeln. Ich erzähle euch kurz, wie das aussieht: Es gibt keinen Spielleiter. Zu Beginn des Spiels wird ein Setting besprochen, in dem jeder Spieler ein Element zugeordnet bekommt, über das er im Spiel die Entscheidungshoheit bekommt (Magie, Geographie, Kultur, was auch immer). Die Charaktere werden frei herbeierzählt. Es gibt keine Spielwerte. Es wird empfohlen, dass der Charakter eine Beziehung zu einem anderen Charakter hat. Ob das aber der Charakter eines anderen Spielers ist, oder eine Nebenfigur bleibt offen. Zu Beginn jeder Spielrunde schreibt jeder Spieler für die Charaktere der anderen Spieler ein "Schicksal" auf. Das ist einfach ein Thema, von dem der Spieler es spannend finden würde, wenn sich der fremde Charakter in der aktuellen Spielrunde damit beschäftigen würde. Der Spieler des Charakters wählt dann hinterher aus der Reihe der Vorschläge das Schicksal aus, das er für seinen Charakter zur bevorstehenden Spielrunde am geeignetsten findet. Eine Spielrunde dauert im Idealfall solange, bis alle ihre aktuellen Schicksale zu einem befriedigenden Abschluss geführt haben. Wenn ein Spieler an der Reihe ist, beschreibt er schlicht und einfach, was seinem Charakter widerfährt. Einmal pro Spielsitzung kann der Spieler, wenn er will, eine Karte ziehen. Diese Karten entsprechen den Resolution Cards von Itras By und enthalten die inzwischen schon einigermaßen bekannten Begriffe "Yes, but...", "Yes, and...", "No, but...", "No, and..." und noch ein paar Variationen davon. Wohlgemerkt: Diese Karten werden nicht immer dann gezogen, wenn man mit einem Schwert einen Ork haut, sondern höchstens einmal pro Spielabend (und zwar wahrscheinlich dann, wenn es darum geht, auf welche Art sich das Schicksal des Charakter im Spiel auswirkt). Bis es soweit ist, erzählen die Spieler einfach nur die Geschichte ihres Charakters. Sollten sie mit ihrer Erzählung ins Stocken geraten gibt es einen zweiten Kartensatz mit sogenannten Schicksalskarten, die ein paar Ereignisse vorgeben. Da stehen dann Dinge wie: "Der Charakter macht sich einen Feind innerhalb des Settingelements über das du die Entscheidungshoheit hast"... und das war´s dann. Auch von diesen Karten sollte man höchstens eine pro Spielabend ziehen. Abgesehen davon gibt es für alle Spieler einfach ein paar Schlüsselsätze, die sie verwenden können, ob sie an der Reihe sind, oder nicht. Die meisten sind selbsterklärend. Hier sind sie: "Versuche das auf eine andere Weise", "Beschreibe das genauer", "Das ist vielleicht nicht ganz so einfach", "Ich hätte gern ein Zwischenspiel", "Härter!", "Hilfe erwünscht!". Wenn ein Spieler an der Reihe ist, können die anderen Spieler Nebenfiguren übernehmen... entweder, wenn es ein Spieler wünscht, oder wenn sie selbst Lust darauf haben. Wenn ein Settingelement ins Spiel kommt, über das ein Spieler die Entscheidungshoheit hat, kann er darüber entscheiden und eventuell auch Veto sagen. Die Regeln klären nicht, ob die Charaktere irgendwie eine gemeinsame Gruppe bilden oder mehrere Einzelgeschichten stattfinden.

Ich lese diese Regeln nun zum vierten Mal und immer wieder habe ich das Bild dieser gechillten Typen in ihren Schaukelstühlen auf der Veranda vor ihrem Haus vor Augen. Die kennen sich schon seit Jahren, trinken einmal in der Woche dort zusammen ein Bier und spielen Archipelago III. Die Aufforderungs-Sätze fallen immer seltener. Man ist aufeinander eingespielt und weiß, was die anderen gutheißen. Auch die Schicksalskarten werden immer seltener gezogen. Inzwischen weiß man, wie man den anderen eine Geschichte erzählen kann und ist in der Erzählung drin... was soll man da Schicksals-Karten ziehen? Gegen Ende des Treffens, wenn es um die Erfüllung des Schicksal der Charaktere für die aktuelle Spielrunde geht, wird eben noch eine Entscheidungskarte gezogen und interpretiert. Vielleicht - wenn sie nicht passt - wird sie sogar ignoriert. So what? Die expliziten Regeln machen sich nach und nach selbst überflüssig. Danach trinkt man schweigend noch ein zweites Bier und verabschiedet sich. Das ist das Minimum an expliziter Konfikt-Resolution... und es hört sich für mich verdammt attraktiv an.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 14.06.2015 | 07:21
Das ist kein Spiel, das ich spielen wollen würde. Das hat ja ganz tolle Ansätze.

Schicksalskarten super.
Entscheidungskarten OK.
Schlüsselsätze OK.

Aber Regeln, die sich überflüssig machen, sind überflüssig. Regeln müssen dir mit ihrem fetten Arsch ins Gesicht springen. Mach zusätzlich Symbole auf einzelne Schicksalskarten. Die Schicksale werden nicht aufgelöst, bevor nicht eine gewisse Anzahl dieser Symbole liegt. Mach die Entscheidungskarten sensitiv für ausliegende Symbole. Das hier ist Archipelago, Meister. Da spielst du nicht, was du willst!
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 14.06.2015 | 08:12
Ich hab den Eingangstext mal etwas nacheditiert, weil es immer wieder zu Mißverständnissen kam, um was es mir geht. Auch verwenden verschiedene Systeme Begriffe in einem unterschiedlichen Kontext, was zur Verwirrung beigetragen hat, je nachdem, von welcher Warte aus sich ein Antwortender auf diese Begriffe bezogen hat. Man möge mir verzeihen, nicht alle Bezüge über sämtliche Systeme in die richtige verbale Form bekommen zu haben.

Die edits sind am Ende des Textes benannt.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 14.06.2015 | 08:18
Nach dem Edit, habe ich diese Formel, glaube ich, verstanden. Ich lese das jetzt so:

"Wenn die Handlung eines Charakters in den Einflussbereich eines Spielwerts fällt, löst das eine Probe auf den Spielwert aus."

Ist das so richtig?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 6 am 14.06.2015 | 08:19
Vampire (einer Deiner Beispielsysteme) benutzt übrigens Attribute anders, als Du sie als Subsystem beschrieben hast. Die speziellen Handlungen sind komplett von den Attributen entkoppelt und werden dann je nach Aktion für die Probe heran gezogen. Die Attribute sind dann also weder über noch unter den speziellen Handlungen. Du kannst also besonders gut im Schleichen sein, ohne ein Geschicklichkeitsmonster zu sein.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 14.06.2015 | 08:21
Nach dem Edit, habe ich diese Formel, glaube ich, verstanden. Ich lese das jetzt so:

"Wenn die Handlung eines Charakters in den Einflussbereich eines Spielwerts fällt, löst das eine Probe auf den Spielwert aus."

Ist das so richtig?

Exakt das meinte ich. Deshalb war wohl die Editierung notwendig.

_________________________________________________ ______________________________________________

Vampire (einer Deiner Beispielsysteme) benutzt übrigens Attribute anders, als Du sie als Subsystem beschrieben hast. Die speziellen Handlungen sind komplett von den Attributen entkoppelt und werden dann je nach Aktion für die Probe heran gezogen. Die Attribute sind dann also weder über noch unter den speziellen Handlungen. Du kannst also besonders gut im Schleichen sein, ohne ein Geschicklichkeitsmonster zu sein.
Bei meiner Darstellung beziehe ich mich auf zahllose Systeme. Dass jedes System auch etwas "speziell" ist, liegt in der Natur der Sache. Allerdings entspricht auch Vampire der Urformel und nur in diesem Kontext habe ich es aufgeführt:

spez. Handlung + Spielwert => Probe

- spez. Handlung = Fähigkeit aus Liste
- Spielwert = Pool aus Attribut + Fähigkeit
- Probe = Würfelwurf nach Schwierigkeit
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 14.06.2015 | 08:30
OK. Die mathematischen Zeichen sind da enorm verwirrend, weil nichts addiert wird.

Vampire (einer Deiner Beispielsysteme) benutzt übrigens Attribute anders, als Du sie als Subsystem beschrieben hast. Die speziellen Handlungen sind komplett von den Attributen entkoppelt und werden dann je nach Aktion für die Probe heran gezogen. Die Attribute sind dann also weder über noch unter den speziellen Handlungen. Du kannst also besonders gut im Schleichen sein, ohne ein Geschicklichkeitsmonster zu sein.

Die Attribute sind breiter als die Fähigkeiten. Abatons Beschreibung ist da schon zutreffend.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 6 am 14.06.2015 | 08:39
Okay. Das habe ich verstanden. Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass Du eine feste Zuordnung einer Fertigkeit zu einem Attribut als Basis Deiner Argumentation genommen hast.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 14.06.2015 | 09:19
Ich denke das ist keine Zweioteilung sondern eine Dreiteilung:

Klassische Rollenspiele
Erzählspiele (auch mit entsprechende Regeln, hier halt mehr auf der Metaebene)
"freies Erzählen"

und letzteres ist ist wohl weniger "der Standard" als in diversen Foren lediglich laut und penetrant gehypt.

In dem Sinne braucht man (unter anderem) so viele Regeln um deren Vertreter andere Runden nach Möglichkeit unschmackhaft zu machen und so von ihnen verschont zu werden!

Leute, denen alle Regeln zuviel sind, nehmen vor allem ihre Mitspieler nicht ernst, den jeder gleichberechtigten Kooperation liegen wieder Regeln zu Grunde und zwar sinnvollerweise vorher abgeklärte Regeln.

Regeln generell abzulehnen ist bestenfalls ein Zeichen überbordender Egozentrik und der Unfähigkeit sich vorzustellen, dass da auch Leute mit etwas anderen Vorstellunegn mit am Tisch sitzen könnten.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Draig-Athar am 14.06.2015 | 12:03
Ja, das kann schon sein. Aber muss das so sein? Kann es nicht vielleicht auch sein, dass man, wenn man genug gewürfelt hat, irgendwann die explizite Konflikresolution wieder minimieren möchte? Ich fühle mich manchmal so (aber nicht immer!). Und warum eigentlich ununterbrochen Konfliktresolution? Bei Fate wird vom Spielleiter verlangt, Fan seiner Spielercharaktere zu sein. Toll, aber brauche ich explizite Regeln zur Konfliktresolution wenn ich als Spielleiter Fan der Spielercharaktere bin? Wieso muss es zu nein-doch-nein-doch-nein-doch kommen, wenn der Spielleiter Fan der Spielercharaktere ist?

Müssen tut es das nicht, aber: Viele Spieler haben eine Menge Spaß daran etwas zu "leisten", eine Herausforderung zu überwinden. Wenn jetzt der SL als "Fan" immer nur "ja, toll, schöne Beschreibung das klappt" sagt verlieren die einen Teil ihres Spaßes. Das soll nicht heißen, dass jeder (immer) so etwas bracht, aber es macht für viele halt Sinn einen entsprechenden Mechanismus zu haben. Gerade Fate halte ich übrigens für ein sehr schlechtes Beispiel, da dort ja auch propagiert wird, dass Scheitern zu tollen Geschichten führen kann.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sonja am 14.06.2015 | 13:17
Klassische Rollenspiele
Erzählspiele (auch mit entsprechende Regeln, hier halt mehr auf der Metaebene)
"freies Erzählen"

Ich wähle folgende Kategorien:

- Brettspiele (Pöppel, Würfel und mechanistische Regeln, die ein Computer 100x besser umsetzen könnte)
- Rollenspiele mit Brettspiel-Blinddarm (Rollenspiel, unterbrochen von Phasen mit Pöppeln, Würfeln und mechanistischen Regeln, die ein Computer 100x besser umsetzen könnte)
- Rollenspiele (Rollenspiel)

Ich verkürze bewusst. Ich habe zudem nichts gegen Würfel und nichts gegen Brettspiele. Mich irritiert nur immer der frühes-zwanzigstes-Jahrhundert-Wargaming-Krampf beim Rollenspiel, der sich normalerweise bei der Kampfabwicklung gnadenlos seine Bahn bricht. Das war gerade so noch minimal legitim, als man keine besseren Möglichkeiten hatte, sehr komplexe Regeln zu automatisieren. Mittlerweile muss man sich ja an die Stirn fassen, wenn jemand Diablo 3 ausgerechnet mit Bleistift auf dem Spiralblock spielen will, sinnbildlich gesprochen. Das ist für mein Gefühl bloß noch Folklore und hat keine echte Berechtigung mehr.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 14.06.2015 | 13:25
Wenn sich jeamnmd von mechanistischen Regeln überfordert fühlt, kann das sicher zu Frustration und Abneigung führen.
Und  sicher gibt es wenigstens einen Vertreter, welcher das so weit getrieben hat, dass es ähnlicher zu Battletech steht als zu den eigenen Wurzeln.

Es bleibnt aber ein breites Feld an Spielvarianten übrig, welche diese Mechanismen gut zu nutzen wissen und trotzdem weit über das von Diablo ermöglichte Maß ginaus gehen.

Und den regelfreien Erzählbereich sehe ich jetzt gar nicht besetzt, denn Rollenspiel wird sicher nicht ohne den SPIELregelteil auskommen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: blut_und_glas am 14.06.2015 | 13:28
Mich irritiert nur immer der frühes-zwanzigstes-Jahrhundert-Wargaming-Krampf beim Rollenspiel

Nana, einige der großen Würfe und interessanten Ausführungen im Kriegsspiel gehören ganz klar ins späte zwanzigste Jahrhundert und ins frühe einundzwanzigste. Nicht alles was gut ist, ist auch alt.

Was den Computer angeht, ja, der wird im Rollenspiel eindeutig zu wenig eingesetzt. Wobei er auch nicht alles besser kann. Und manches auch überhaupt nicht. Icons von Plastikrobotern mit der Maus verschieben ist eben doch etwas ganz anderes als echte Plastikroboter auf dem Küchentisch herumzuschieben und dazu lustige Geräusche zu machen.

mfG
jdw
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Yney am 14.06.2015 | 13:32
Bei der Diskussion zu diesem Thema erscheinen mir zwei Argumentationsströme aufzutreten:
Der eine beschäftigt sich mit der sicherlich persönlichen Meinung, wie viel Regeln bzw. Freiheiten man in "seinem" System haben möchte.
Da muss man nicht streiten (was hier, wenn ich nichts überlesen habe auch niemand ernsthaft tut), aber andere Sichtweisen sind immer interessant. Einzig die Aufforderung, es mit der anderen Variante ausprobieren zu "müssen" kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ja, es mag da draußen ein noch besseres System geben, aber wenn ich mich pudelwohl fühle? Es ist ein Hobby, da neige ich zu einer gewissen Abneigung gegen Optimierungswut. Aber das liegt sicherlich daran, dass es mein selbstgeschriebenes System ist, in dem ich mich mit Freunden pudelwohl fühle (Schneckenhaustaktik ole, ich hoffe man verzeiht sie mir).

Der andere Aspekt ist eher technisch, wenn ich Abaton23 korrekt verstanden habe. Wie andernorts schon angemerkt ließe sich noch weiter jede Zufallsentscheidung auf einen Prozentsatz reduzieren und man würfelt vereinheitlicht mit W100 (oder W1000, wenn das nicht reicht). Ob die Wahrscheinlichkeit dann von Eigenschaften, Erlernten oder selbst von Zufallsverfahren abhängt spielt dann denke ich keine Rolle. In einem System, in dem die Proben mitspielen (in welcher persönlich gewünschten Intensität auch immer) könnte man diese dann alle so auffassen.
Überspitzt in einem Beispiel:
Nicht: Um da hochzuklettern musst du eine Kletterprobe mit Schwierigkeit 15 schaffen
So: Die Chance, dass du da hoch kommst beträgt 17,5 %, würfel mal.
In dieser Darstellung wird meiner Ansicht nach ein Aspekt klar, der vielleicht die Rollenspielschreiber ein wenig verteifigt (nicht nur die kommerziellen, ich hebe hier das Schild auch für so Verrückte, die da selber das Basteln nicht aufhören können):
Subsysteme und Aufteilen in teils sehr unterschiedliche Würfel- oder andere Zufallsmethoden hilft auch, den rein mathematischen Vorgang des Zufallsexperiments mit klar bekannter Wahrscheinlichkeit zu verschleiern. Dadurch nimmt sie dem Spiel nicht das Rollenspiel, sondern rückt mehr in den Hintergrund, eben weil sie nicht mal eben durchschaubar ist, weil sich etwas wahrscheinlicher anfühlt. Das kombiniert mit der doch immer vorhandenen Möglichkeit, die "harten" Regeln mal fröhlich zu ignorieren, weil es gerade rein erzählerisch "weich" jetzt einfach besser passt (im Konsens mit der Runde) erzeugt was man braucht.

Ich reihe mich hinter Chruschtschow und 1of3 ein: Creative Constraints – ein Rahmen für ein wunderbares Bild – hoffentlich
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Tyloniakles am 14.06.2015 | 14:08
Ich wähle folgende Kategorien:

- Brettspiele (Pöppel, Würfel und mechanistische Regeln, die ein Computer 100x besser umsetzen könnte)
- Rollenspiele mit Brettspiel-Blinddarm (Rollenspiel, unterbrochen von Phasen mit Pöppeln, Würfeln und mechanistischen Regeln, die ein Computer 100x besser umsetzen könnte)
- Rollenspiele (Rollenspiel)

Würdest Du bitte konkrete Beispiele bringen, insbesondere für die letzte Kategorie?

Übrigens wärest Du glaube ich übereinstimmend mit John Wick:
Zitat
“ … Chess is not a roleplaying game. Yes, you can turn it into a roleplaying game, but it was not designed to be a roleplaying game …
 
The first four editions of D&D are not roleplaying games. You can successfully play them without roleplaying …“
http://obskures.de/2014/john-wick-schach-ist-kein-rollenspiel-die-illusion-der-spielbalance/

Der hat eine recht hitzige Diskussion losgetreten. Ich finde, er schlug da in die richtige Kerbe. Jegliche Regeln verdammen ist aber nicht hilfreich imho.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sonja am 14.06.2015 | 14:20
Würdest Du bitte konkrete Beispiele bringen, insbesondere für die letzte Kategorie?

Hinreichend bekannt dürfte zum Beispiel Fiasco sein. Fiasco ist kein Brettspiel, es ist ein Rollenspiel.

Bei Fiasco sähe ich keinen relevanten Vorteil durch den Einsatz eines Rechners, wenn man die Würfel für die Tabellen rollt. Das geht hinreichend gleichschnell per Hand. Ähnliches gilt eigentlich für alle Spiele, die als Operation "Wirf mal einen Würfel auf deinen Stärkewert plus den Armdrücken-Wert" fordern, oder vergleichbare Dinge, die den Flow des Sprechspiels nicht maßgeblich unterlaufen.

Erhellend ist für mein Gefühl wirklich die historische Genese, wenn man sich die den Ursprung des Rollenspiels im Wargaming anschaut, wo 2000 Nato-Pöppel gegen 2000-Warschauer-Pakt-Pöppel ausgewürfelt wurden. Gibt man einzelnen Pöppeln Charakterzeichnungen und befreit sie aus dem mechanistischen Brettspielkorsett, wird sukzessive "modernes" Rollenspiel daraus. Wo immer man die Battlemat ausrollt, fällt man hingegen in die alte Zeit zurück. Während das Sprechrollenspiel jung ist wie am ersten Tag, hat sich das Wargaming am Spieltisch aufgrund der erweiterten Möglichkeiten aber mittlerweile völlig überholt und nervt durch seine Steinzeitlichkeit. Das ist meine Kernaussage.

Sorry, noch ein Edit:
Ich habe gar nix gegen Pöppel-vs.-Pöppel Millionenschlachten o.ä.. Das ist super. Aber sich sowas am Spieltisch anzutun ist vergleichbar mit einer Rollenspielsitzung, wo alle zwanghaft Latein reden müssen, nur damit es unspielbarer wird. :)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Edvard Elch am 14.06.2015 | 14:27
Hinreichend bekannt dürfte zum Beispiel Fiasco sein. Fiasco ist kein Brettspiel, es ist ein Rollenspiel.

Fiasco ist kein Rollenspiel sondern ein Storygame. Jeder Teilnehmer spielt zwar eine Figur, das ist aber nur Mittel zum eigentlichen Zweck des Spiels: Die gemeinse erspielen eines Fiaskos.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 14.06.2015 | 14:34
@Chiarina:
Zitat
Zu Beginn des Spiels wird ein Setting besprochen, in dem jeder Spieler ein Element zugeordnet bekommt, über das er im Spiel die Entscheidungshoheit bekommt (Magie, Geographie, Kultur, was auch immer).

Du beschreibst ein Konfliktresolutionssystem. Es geht dabei nicht zwingend (aber auch) um Kämpfen, sondern ganz allgemein darum, dass immer dann wenn eben keine Einigkeit ad hoc herzustellen ist, Regeln greifen diese herzustellen, um das Spiel nicht an dieser Stelle stagnieren zu lassen. Freies Erzählspiel ist NICHT Erzählspiel ohne Regeln, denn das gibt es schlicht und ergreifend nicht. Je nachdem was man da so treibt, gelten halt mehr oder weniger implizite und explizite Regeln. Ein paar ganz generelle Regeln, die meistens gelten: "Lass den anderen aussprechen und hör ihm zu." (Es ist erstaunlich, wie viele Leute sich nicht daran halten...) "Bleib im Genre." Das sind explizite Regeln aus dem Improtheater.

Kommt es also mal beim Spiel von Archipelago III zum Stocken, weil eine Spielerin meint: "So ist das cool," während ein andere Spieler eine andere Aktion wäre besser, dann kann man das ausdiskutieren, hat aber auch ein Mittel zur Hand eine Entscheidung abschließend herbei zu führen.

Klassisches Rollenspiel kommt meistens mit zwei Konfliktresolutionssystemen und der Kombination der beiden daher:

Das ist vielleicht zu grob klassifiziert, vielleicht gibt es auch noch Systeme, die da wirklich außen vor sind. Das ist mir halt spontan eingefallen.

@Edvard Elch:
Hauptaspekt mag die Geschichte sein, aber das negiert nicht, dass das Spiel durch das Hineinversetzen in eine fremde Rolle gespielt. *Zack* Rollenspiel. Die Kategorie ist nun ein Mal ungeheuer groß und wie die meisten Spiele hat auch Fiasco Teilaspekte unterschiedlicher Formen von Spiel.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Tyloniakles am 14.06.2015 | 14:49
Fiasco ist kein Rollenspiel sondern ein Storygame. Jeder Teilnehmer spielt zwar eine Figur, das ist aber nur Mittel zum eigentlichen Zweck des Spiels: Die gemeinse erspielen eines Fiaskos.

Storygames SIND Rollenspiele. Siehe auch den Link zu John Wick/Obskures.de in meinem obigen Post.

@Sonja:
RPG-Geek zeigt in den Fiasko-verwandten Systemen prominent: Apocalypse World, Gumshoe, Microscope, Fate, Burning Wheel, Mutant Year Zero, Primetime Adventures und Konsorten. Damit hättest Du wohl "Deine Kategorie" ;)
http://rpggeek.com/rpgmechanic/2099/description-based-narrative-more-so-dice (http://rpggeek.com/rpgmechanic/2099/description-based-narrative-more-so-dice)

Ein Mittelding zwischen diesen Indie-Spielen und D&D wäre dann z.B. 13th Age.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sonja am 14.06.2015 | 14:59
Siehe auch den Link zu John Wick/Obskures.de in meinem obigen Post.

Der Artikel ist klasse, danke.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sonja am 14.06.2015 | 15:08
Ich war vor ein paar Tagen auf einem Rollenspielcon wo jemand Fiasco angeboten hat. Er meinte, es wäre kein Rollenspiel.
Fiasco passt schon. Die genannte Person war nicht auf der falschen Con.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 14.06.2015 | 15:18
"Ist kein Rollenspiel" ist die dümmste Aussage, die man machen kann. D&D4 ist kein Rollenspiel. Fiasco ist kein Rollenspiel. Wenns nach mir geht, ist Daidalos kein Rollenspiel. Oder Gurps.

Hilft nur niemandem. Spielen ja trotzdem Leute Gurps hier.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Ucalegon am 14.06.2015 | 15:21
Kategorien in die Fiasco sich selbst einsortiert: game; weird games; collaborative, narrative-heavy games; highly collaborative game; GM-less game; role-playing game

Ich persönlich halte den Begriff storygame für großen Bullshit und versuche, ihn nicht zu benutzen, um Rollenspiele zu charakterisieren.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chiarina am 14.06.2015 | 15:35
Zitat von: Chruschtschow
Du beschreibst ein Konfliktresolutionssystem.

Ja, aber ein nur sehr unvollkommenes. Stell dir vor, du hast vier Spieler. Hier die Entscheidungshoheiten:
Spieler 1: Magie
Spieler 2: Geographie
Spieler 3: Kultur
Spieler 4: Das Imperium

Nun kommt es zu einem Kampf zwischen einem Spielercharakter und einer Nebenfigur. Magie ist nicht beteiligt. Wie wird über den Kampf entschieden?

Vielleicht geht das irgendwie über den "Imperium"-Spieler (wenn eine der Figuren Bürger des Imperiums ist) oder über den "Kultur"-Spieler (wenn einer der Kontrahenten Mitglied einer höherstehenden Kultur ist) oder über den Geographie-Spieler (wenn der Typ entscheidet, dass der Kampf in einem Sumpf stattfindet und einer der Kontrahenten gerade im Moor versinkt)... besonders naheliegend ist das aber alles nicht. Und was passiert eigentlich, wenn der eine Kämpfer Bürger des Imperiums ist und der andere ein Barbar auf einer niedrigeren Kulturstufe? Das Ganze mag ein Konfliktresolutionssystem sein, es ist aber nicht auf eindeutige Verfahrensweisen und Ergebnisse aus.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, eine Entscheidungskarte zu ziehen. Kannst du machen... einmal am Abend. Was machst du beim zweiten Kampf?

Stattdessen kann man doch aber auch einfach erstmal den Spieler, der an der Reihe ist, erzählen lassen. Vielleicht erzählt er einen spannenden Kampf, auch ohne, dass da irgendwelche Zufallselemente bemüht werden müssen. Dann freut man sich hinterher gemeinsam: "War gut!" Und wenn dir irgendetwas gegen den Strich geht, dann sagst du einfach: "Versuche das auf eine andere Weise". Geht doch.

Ja, das sind auch Regeln. Ich behaupte nicht, dass das keine Regeln sind (Warum ist das so wichtig?). Die Regeln von Archipelago sind eben teilweise nicht gerade "explizit" (sprich: deutlich, direkt, eindeutig, klar > Synonyme für "explizit"). Und je länger ich darüber nachdenke (über explizite und implizite Regeln), desto bewusster wird mir, dass das nicht ganz die Diskussion ist, die mich hier interessiert. Interessant finde ich, wenn Systeme so wenige Regeln haben, dass man nicht mehr über sie nachdenken muss (ob explizit oder implizit ist mir wurscht). Außerdem interessiert es mich, wenn Spiele über einen längeren Zeitraum auch ohne die Anwendung von Regeln, die in irgendeinem Regelwerk beschrieben werden, ablaufen können (also von mir aus: lediglich über implizite Regeln).

Letztlich (Vorhang auf!) geht´s mir um´s Spielgefühl. Wenn ich nicht an Regeln denken muss, kann ich an andere Sachen denken. So einfach ist das bei mir. Aber durch was der Freiraum dann gefüllt wird: Das finde ich im höchsten Maße spannend... besonders nach gut 30 Jahren Regelblättern und Würfeln.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 6 am 14.06.2015 | 15:36
Erhellend ist für mein Gefühl wirklich die historische Genese, wenn man sich die den Ursprung des Rollenspiels im Wargaming anschaut, wo 2000 Nato-Pöppel gegen 2000-Warschauer-Pakt-Pöppel ausgewürfelt wurden.
Newsflash: Das was Du da beschreibst ist kein Wargaming. Wargaming hat wesentlich mehr mit Rollenspiel zu tun. Sogar mehr als die meisten "normalen" Brettspiele. Sowas (http://www.shutupandsitdown.com/videos/v/susd-play-megagame-2-pt1/) erlebst Du im Wargame. Du kannst Dich auch gerne mal über das ewige Spiel (http://de.wikipedia.org/wiki/Armageddon_%28Spiel%29) (Entwicklungsstätte für Midgard und Abenteuer in Magira) informieren.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Tyloniakles am 14.06.2015 | 15:45
Ja, auch Wick sagt ja, dass Diplomacy (RAW) mehr Rollenspiel als D&D (RAW) ist, wenn ich das recht verstanden habe.
Wobei ich mich mit den genauen Grenzen zwischen Kosim, Wargame, ... nicht auskenne.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 6 am 14.06.2015 | 15:56
Kosim ist der deutsche Begriff für Wargame. ;)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: YY am 14.06.2015 | 16:16
Brettspiele (Pöppel, Würfel und mechanistische Regeln, die ein Computer 100x besser umsetzen könnte)

Mit Betonung auf könnte.

Ich z.B. bin nämlich wie große Teile der rollenspielenden Bevölkerung in der Situation, dass ich gerne an Regeln bastle, Systeme auf meine Bedürfnisse anpasse usw. usf..

Ich hätte auch eine ganze Anzahl an Ideen, was man an bestehenden Computerspielen anders machen könnte oder wie man ein bestimmtes Spiel von Grund auf anlegen sollte.
Aber: Ich habe weder Zeit noch Muße noch die nötigen Fähigkeiten (bzw. nicht die Zeit und den Willen, mir jene anzueignen), um "mein" perfektes Computerspiel zu programmieren.

Im Computerbereich bin ich dazu verdammt, darauf zu hoffen, dass mir jemand genau oder zumindest weitestgehend das liefert, was ich will, ohne mich jemals gesehen oder mit mir gesprochen zu haben.
Das passiert ziemlich selten, wie man sich leicht vorstellen kann.

Allein deswegen ist der Rechner für vieles, was ich durch regellastiges Rollenspiel am Tisch umsetze, eben keine echte Alternative.
Er könnte es sein, aber das bringt mich nicht weiter.

Mich irritiert nur immer der frühes-zwanzigstes-Jahrhundert-Wargaming-Krampf beim Rollenspiel, der sich normalerweise bei der Kampfabwicklung gnadenlos seine Bahn bricht.

Die ersten Wargames, die sich deutlich in den historischen Kontext der Rollenspielgeschichte einfügen lassen, sind aus dem 18. Jahrhundert - und quasi von Anfang an gab es ziemlich unterschiedliche Ansätze, was Regelkomplexität und "Laberanteil" betraf.
Einige Entwickler hätten sich damals wahrscheinlich ein Bein abgeschnitten, um einen Computer zur Verfügung zu haben. Andere hätten davon gar nichts gehalten, weil der Computer den Schiedsrichter nicht ersetzen kann. Höchstens in Abwesenheit halbwegs gut vertreten - was im Prinzip genau das ist, was der Rechner heute für viele tut.

Gibt man einzelnen Pöppeln Charakterzeichnungen und befreit sie aus dem mechanistischen Brettspielkorsett, wird sukzessive "modernes" Rollenspiel daraus. Wo immer man die Battlemat ausrollt, fällt man hingegen in die alte Zeit zurück. Während das Sprechrollenspiel jung ist wie am ersten Tag, hat sich das Wargaming am Spieltisch aufgrund der erweiterten Möglichkeiten aber mittlerweile völlig überholt und nervt durch seine Steinzeitlichkeit.

Ich würde sagen: Im Gegenteil - das, was man als erste Rollenspiele bezeichnet, liegt irgendwo auf der Schnittkante zwischen Brettspiel/mechanistischem Wargame und relativ freiem/kaum verregeltem Erzählspiel.

Die Übergänge sind fließend und man kann den Bereich Rollenspiel in beide Richtungen verlassen.

Das sind aber alles letztlich "nur" Spielarten und keine Stationen einer linearen oder zwingenden Entwicklung.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 6 am 14.06.2015 | 16:17
Der hat eine recht hitzige Diskussion losgetreten. Ich finde, er schlug da in die richtige Kerbe. Jegliche Regeln verdammen ist aber nicht hilfreich imho.
Dazu pack ich mal Tagschattens Erwiderung (http://tagschatten.blogspot.de/2014/10/dei-mudder-siegmund-freud-erganzende.html) dazu. Ich sehe da eigentlich keine richtige Kerbe.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 14.06.2015 | 16:38
...Subsysteme und Aufteilen in teils sehr unterschiedliche Würfel- oder andere Zufallsmethoden hilft auch, den rein mathematischen Vorgang des Zufallsexperiments mit klar bekannter Wahrscheinlichkeit zu verschleiern. Dadurch nimmt sie dem Spiel nicht das Rollenspiel, sondern rückt mehr in den Hintergrund, eben weil sie nicht mal eben durchschaubar ist, weil sich etwas wahrscheinlicher anfühlt. Das kombiniert mit der doch immer vorhandenen Möglichkeit, die "harten" Regeln mal fröhlich zu ignorieren, weil es gerade rein erzählerisch "weich" jetzt einfach besser passt (im Konsens mit der Runde) erzeugt was man braucht....
Nun, wenn sie die Wahrscheinlichkeit verschleiern täten, so wäre ev. eine spielerische Absicht erkennbar. Wobei ich immer noch nicht erkennen kann, wem das dann genau dienen soll. Wenn man fürs überspringen einer Schlucht bei einem W6-Wurf mind. eine 5 oder 6 bräuchte, mag der normale Mensch sagen, meine Chancen steht 2:4. Der Grobrechner meint, etwa ein Drittel. Der mathematische Haarspalter erklärt Dir 33,3 Periode in %. Nur weiß trotzdem keiner vorher, was der Würfel zeigen wird. Der Spieler darf alleine entscheiden, ob er das Risiko trägt. Oder eben nicht.

Wenn Dir die spez. Handlung als Zielwert die 6 zeigt und das Subsystem Dir noch die 5 zur Option stellt, verschleiert das mathematisch garnix. Und wenn bestimmte Systeme gleich 1 Attribut und 4 Talente aufeinander stapelt, wird für den Spieler höchstens schleierhaft, was er überhaupt in den Zielwert packen darf oder er schlichtweg einen Modi vergessen hat. Der SL wirds ihm dann auch nicht vorkauen, das ist nicht seine Aufgabe und er ist anderweitig beschäftigt. Ich bin da an eine D&D-4.0-Runde unseres Spielkreises erinnert, wo die Spieler ab Stufe-7 nur noch gekeucht haben. Nur die Spieler mit dem D&D-Online-verwaltungsabbo haben das noch in adäquater Zeit geschafft. Genau da bringt mich die Sinnhaftigkeit eines Subsystems ins Grübeln.

*********************************************************************************************************

PS. KoSim steht für KOnflikt-SIMulation. Wie 6 beschrieben, entspricht es dem Wargame. Diese wurden seit der Antike weniger als Spiel genutzt, sondern vielfach als taktisches Training für Offiziere. Etabliert wurden sie wesentlich in der preussischen Armee durch Baron von Reisswitz.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Draig-Athar am 14.06.2015 | 19:54
Erhellend ist für mein Gefühl wirklich die historische Genese, wenn man sich die den Ursprung des Rollenspiels im Wargaming anschaut, wo 2000 Nato-Pöppel gegen 2000-Warschauer-Pakt-Pöppel ausgewürfelt wurden. Gibt man einzelnen Pöppeln Charakterzeichnungen und befreit sie aus dem mechanistischen Brettspielkorsett, wird sukzessive "modernes" Rollenspiel daraus. Wo immer man die Battlemat ausrollt, fällt man hingegen in die alte Zeit zurück. Während das Sprechrollenspiel jung ist wie am ersten Tag, hat sich das Wargaming am Spieltisch aufgrund der erweiterten Möglichkeiten aber mittlerweile völlig überholt und nervt durch seine Steinzeitlichkeit. Das ist meine Kernaussage.

Sorry, noch ein Edit:
Ich habe gar nix gegen Pöppel-vs.-Pöppel Millionenschlachten o.ä.. Das ist super. Aber sich sowas am Spieltisch anzutun ist vergleichbar mit einer Rollenspielsitzung, wo alle zwanghaft Latein reden müssen, nur damit es unspielbarer wird. :)

Jetzt würde mich aber schon interessieren welche Wargames du so kennst! Ich habe nämlich ehrlich gesagt etwas den Eindruck, dass deine Sichtweise Großteils auf Vorurteilen beruht.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Bad Horse am 14.06.2015 | 19:57
Leute, denen alle Regeln zuviel sind, nehmen vor allem ihre Mitspieler nicht ernst, den jeder gleichberechtigten Kooperation liegen wieder Regeln zu Grunde und zwar sinnvollerweise vorher abgeklärte Regeln.

Regeln generell abzulehnen ist bestenfalls ein Zeichen überbordender Egozentrik und der Unfähigkeit sich vorzustellen, dass da auch Leute mit etwas anderen Vorstellunegn mit am Tisch sitzen könnten.

Halte ich für falsch. In der Hühnerrunde gibt es genau eine Regel "Zieh eine Entscheidungskarte, wenn du nicht weiter weißt". Das war's. Aber das ist die gleichberechtigste Runde, die ich kenne. Mit Egozentrik und Unfähigkeit, auf andere einzugehen, würde das auch gar nicht funktionieren.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 14.06.2015 | 21:04
Halte ich für falsch. In der Hühnerrunde gibt es genau eine Regel "Zieh eine Entscheidungskarte, wenn du nicht weiter weißt". Das war's. Aber das ist die gleichberechtigste Runde, die ich kenne. Mit Egozentrik und Unfähigkeit, auf andere einzugehen, würde das auch gar nicht funktionieren.

Ich würde wetten, dass da noch eine Menge weiterer Regeln dabei sind, bzw. ihr eben nicht mit Wildfremden spielt, sondern auf einem gemeinsamen Pool an aus Erfahrung gewonnenen Übereinkünften (oder auch Hackordnungen) arbeitet. (Ich habe auch EINE Truppe mit der das funktioniert hat, aber nach Jahren traditioneller Spiele in der Konstellation und eben sehr ähnlichen, eher "einfachen"  Geschmäckern)
Meine Erfahrungen sonst zu Story und Erzählen sind aus offenen Jugendtreffs und Cons und dem entsprechenden Umfeld und da treffen die Leute "roh" aufeinander. 
Und ich habe genau zu der Zeit, als die Story-Welle rüberschwappte gesehen, wie sich die Umgangsformen verschlimmert haben mit "Story" als Trumpf für wasauchimmeranSchrott früher sonst irgendwann von der Gruppe gekickt worden wäre.
Im übrigen konnten diese Storyteller hinterher auch nicht mit den später aufkommenden Storygamern (und genauso oft auch nicht untereinander), denn geteilte Erzählrechte und Mitspieler auf Augenhöhe haben dann ja auch wieder die tolle "Story" verdorben.
Und natürlich hat es letztlich meist nicht funktioniert (bzw. in ein paar Fällen hat sich eben ein Obermotz durchgesetzt, vorzugsweise auch gegenüber "unverdorbenen" Neulingen, noch viel seltener gab es so was wie Montyhaul-Runden ). Aber sie haben genau so argumentiert wie es in den Foren eben für Storytelling gemacht wird.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Bad Horse am 14.06.2015 | 21:09
Ich würde wetten, dass da noch eine Menge weiterer Regeln dabei sind, bzw. ihr eben nicht mit Wildfremden spielt, sondern auf einem gemeinsamen Pool an aus Erfahrung gewonnenen Übereinkünften (oder auch Hackordnungen) arbeitet.

Wir spielen nicht mit Wildfremden, da hast du recht.

"Keine Regeln" heißt ja im Allgemeinen auch eher "Kein festes Regelwerk" und nicht "wir lassen alle Regeln des menschlichen Miteinanders, die wir je gelernt haben, fahren und jeder macht, was er will".
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 14.06.2015 | 21:26
Ich bin mir nicht sicher, dass alle da etwas diesbezügliches zum Vergessen hatten.
Aber in einigen Fällen war klar, dass die Ansichtr vertreten wurde, dass "bessere Story" diese Regeln menschlichen Miteinanders übertrumpft - was ich auch in Foren gelegentlich wieder zu erkennen vermeine.
Früher hat es die Fälle selbst auch immer mal gegeben, aber plötzlich war das idiologisch untermauert und trat so immer hartnäckiger und öfter auf.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 14.06.2015 | 21:29
Ja, freies Spiel ist der lebendige Dialog. Aber die Talente und Fertigkeiten simulieren den Charakter und seine Entwicklung. Auf großes Steigern lege ich weniger Wert, Punktesammeln/Raffen.... Realistische Figuren entwickeln sich auch nicht so quantitativ weiter.
Aber Talente und Fertigkeiten illustrieren eben schon einen teil fremden Charakter in einer fremden Welt. Und wenn es nur darum geht die ganzen Details im Kopf zu behalten ( wer merkt sich das alles sofort ? ) und dan darzustellen. Das macht eben diese fremde Welt lebendig. Fortgeschrittene haben nach Jahren vielleicht geausoviel im Kopf.
Ja und auf Kaempfe und Proben moechte ich auch nicht verzichten, das simuliert realistische Reibung mit dem Geschehen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: blut_und_glas am 14.06.2015 | 21:34
idiologisch

I see what you did there.

So oder so wird die Sache als Diskussionsthema aber ein wenig ad absurdum geführt, wenn wir eingespielte Runden betrachten, die sich ihr Spiel bereits entsprechend zu eigen gemacht haben. Wir können dann ein bisschen Erfahrungsaustausch betreiben, wer von uns in welcher geschlossenen Gruppe jetzt wie viele oder wenige Mechanismen verwendet (und welche), aber ich bin mir nicht sicher, wo darin der Gewinn liegt (wobei, angenehmer als die "viele Mechanismen!" "wenige Mechanismen!" "Rollenspiel!" "kein Rollenspiel!" "Hasensaison!" "Entensaison!"-Wettbewerbe ist das vielleicht schon zu lesen, wenn sich jeder auf die Schilderung seines eigenen kleinen behaglichen Heims beschränkt, ohne dabei die der anderen zu verunglimpfen...).

mfG
jdw
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Bad Horse am 14.06.2015 | 21:40
Was sollen wir denn anderes benutzen als die Erfahrungen, die wir mit unseren Runden gesammelt haben?  wtf?

Wenn hier jemand sagt "Wir brauchen auf jeden Fall diesen Mechanismus", dann kann ich nur aus eigener Erfahrung "Nicht unbedingt" sagen. Eine wissenschaftliche Studie dafür habe ich nicht zur Hand.

Ich halte einen Erfahrungsaustausch hier für durchaus angebracht. Der Gewinn liegt darin, andere Standpunkte kennenzulernen und zu versuchen, sie nachzuvollziehen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 14.06.2015 | 21:45
Was sollen wir denn anderes benutzen als die Erfahrungen, die wir mit unseren Runden gesammelt haben?  wtf?
...

Das müßten dann aber die Ersterfahrungen dieser Runden sein. Eigentlich müßten es rein theoretisch sogar die Ersterfahrungen aller Beteiligten sein, denn wer schon Erfahrungen mit Mechanismen hat, wird diese dann auch in ein Spiel, welchem solche fehlen mit einbringen.

Oder man schaut sich das gesamte Verhalten an und schaut, wo es da Strukturen gibt, auch abseits des hier explizit ausgemachten.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: blut_und_glas am 14.06.2015 | 21:49
Was sollen wir denn anderes benutzen als die Erfahrungen, die wir mit unseren Runden gesammelt haben?  wtf?

Der entscheidende Zusatz ist für mich die "geschlossene Runde" gewesen. :)

Denn ja, wenn ich nur von homogenen Runden berichte (die sich bereits eingerichtet haben - also nicht noch in einer Findungs- und/oder (Um-)Bauphase sind) und nicht von solchen mit Leuten, die teils divergierende Ansichten haben, dann ist eben von vornherein klar, dass egal was diese einzelne Runde so macht für diese Runde (perfekt) funktioniert.

Da ist der Trick dann aber eben die Rundenzusammenstellung/Spielerselektion/Absprache. Und nicht wirklich der Mechanismus. Ich habe ja zum Beispiel auch Leute, mit denen ich Over the Bench spielen kann.

mfG
jdw
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 14.06.2015 | 22:01
@Bad Horse:
Die Krux ist halt, dass Leute daher kommen und sagen, dass sie völlig ohne Regeln spielen. Und das ist nun ein Mal falsch. Da kann man hüpfen und sich im Kreis drehen und es wird nicht besser. Wissenschaftliche Hintergründe gibt es dafür genug. Wenn hier jemand ein bisschen Entwicklungspsychologie gelernt und sich da mit Spiel befasst hat, dann wird er gerne bestätigen, dass jedes Spiel Regeln hat.  (Wobei ich da beileibe auch nicht wirklich in der Materie drin bin.) Muss man sich dieser Regeln in der Runde bewusst sein? Nein, wenn es rund läuft.

Aber leider können unterschiedliche Erwartungshaltungen zu mehreren verschiedenen Sätzen an impliziten Regeln am Spieltisch führen. Und dann kracht es. Und tatsächlich helfen da Schwerter mit 1W6+4 Schaden, Fertigkeitswürfe mit D20+Fertigkeit+Modifikator gegen Probenwert aus einer Tabelle oder was auch immer weiter. Sie schränken durch zahlreiche Parameter den Interpretationsspielraum dessen ein, was eine Aktion innerhalb des Spiels bewirken kann und liefern damit natürlich auch nur einen kleineren Spielraum, was an Vorstellungen divergieren kann. Darum ist es beispielsweise bei Fate so extrem wichtig vor dem Spiel zu klären, was man da überhaupt spielen will. Sehr flexible Regeln, die jeweils ad hoc auf die Situation hin angepasst werden sollen, erfordern eben einen Konsens, sonst knirscht es.

Übrigens ist Konsens am Tisch nicht die einzige Funktion von Regeln. Simulation gehört auch dazu, manche möchten die Regeln, damit es sich eben echt anfühlt. Andere möchten möglichst wenige Regeln, weil jede Simulation zwangsläufig eingeschränkt ist (-> Laplacescher Dämon) und die offene Interpretation dank unserer doch recht leistungsfähigen Hirne da die Lücken vielleicht besser füllt. Wargaming ist auch etwas, das manche Leute tatsächlich mögen. Und das hat auch seinen Stellenwert im Rollenspiel, nicht nur historisch, sondern weil es schlicht auch zusammen passt, dass man die Personen mit den Maschinenpistolen nicht nur auf die Maschinenpistole beschränkt, sondern auch das Drumherum darstellt.

Außerdem ist es für das Klima am Tisch oft verträglicher auf die Regeln zu schimpfen als auf die Mitspieler. Und zufallsabhängige Mechanismen haben noch den schönen Effekt, dass niemand entscheiden muss, dass du gerade versagst, dafür sorgt dein W20. Das nimmt reichlich Konfliktpotential aus der Runde.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Bad Horse am 14.06.2015 | 22:33
Hey, ich spiele normalerweise auch so, und ich mache das gerne. Aus einigen der von dir genannten Gründe. :)

Ich denke nur nicht, dass man solche Mechanismen (nicht Regeln. Mechanismen.) unbedingt braucht. Dass sie nützlich sind, wenn man mit Leuten spielt, die man nicht kennt oder mit denen man nicht so richtig auf einer Welltenlänge liegt, steht außer Frage. Dass sie als Creative Constraint oder als Herausforderung dienen können und dass das Spaß macht - auch klar.

Aber welche und wie viele Mechanismen man da nun braucht, hängt dann halt (wieder mal) ganz von der Gruppe ab. Das macht eine Analyse der Fragestellung einigermaßen schwierig.
Und hier ist es dann doch wieder ganz interessant, das zu machen, was der Threadstarter schon versucht hat: Diese Mechanismen aufzulisten bzw. auf das Wesentliche zu reduzieren. "Wir machen eine Probe, die geht so: Der Probenwert (wird aus den numerischen Spielwerten des Charakters berechnet; das können Fertigkeiten sein, Fertigkeiten + Attribut etc.) wird durch einen Probenmechanismus (es wird gewürfelt, es wird verglichen etc.) gejagt, damit ein aussagekräftiges Ergebnis entsteht."

Es gibt aber auch noch andere Mechanismen als die Probe. Heilung funktioniert z.B. normalerweise anders. Oder auch Schaden - der kann direkt an eine Probe gekoppelt sein, wie bei Fate, oder auch nicht, wie bei D&D-Zaubern.

Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Archoangel am 14.06.2015 | 22:53
Da ist er dahin, der Vorsatz nicht mehr zu posten ...

Meiner Meinung nach lässt sich das klassische Rollenspiel als eine Form des Resourcen-Managements beschreiben:

es gibt endliche und unendliche Resourcen, wobei sich die endlichen zudem in ihrer Regenerierbarkeit unterscheiden lassen: in einfach und komplex.

Stößt mann auf ein Problem, so werden Resourcen verwendet um dieses Problem zu lösen ; bevorzugt werden hierfür die unendlichen Resourcen verwendet. Reichen diese nicht aus, so müssen endliche genutzt werden, wobei - je nach Situation natürlich variabel - in der Regel die leicht regenerativen vor den komplex regenerativen genutzt werden. Hat man am Ende eines Problems/Konfliktes keine Resourcen mehr, so tritt ein Dilemma ein. Reichen die Resourcen jedoch für die Geschichte, so kann man von einem Erfolg sprechen, wobei einzelne Dilemmata natürlich durchaus die Geschichte mehr berreichern können, als ein problemloses und erfolgreiches Ende.

Am konkreten Beispiel (Kampf/D&D): meine unendlichen Resourcen sind zum Beispiel mein Angriffswert und meine Rüstungsklasse, meine endlichen meine Trefferpunkte und eventuell Zaubersprüche, sowie verbrauchbare Güter wie verbrauchbare Gegenstände (Heiltränke oder Pfeile). TP und Zauber sind einfach regenerierbar, Gegenstände eher komplex.

Hierfür werden nun - mehr oder weniger komplexe - Regelmechanismen genutzt, die dem persönlichen Verlangen der beteiligten Spieler entsprechen (bei Personen mit einer gewissen Spielerfahrung, im Sinne von: sie haben mehr als 1W3 ;) Spiele kennen gelernt).

Letztlich verwenden jedoch alle Spiele jenseits des Erzählens (also Erzählen ohne Spiel zu sein) immer wieder Variationen des Resourcenmanagements, auch wenn die Art der Resourcen durchaus Unterschiede im Abstraktionsniveau aufweisen und deshalb sehr abstrakt oder sehr spezifisch sein können. Was nun einen Mehrwert darstellt bleibt ganz im Auge des Betrachters.

Wieviele Mechanismen braucht also ein RPG? Nun ja: zumindest einen, sonst ist es kein klassisches Spiel mehr. Alles weitere ist durchaus individuell unterschiedlich wahrzunehmen und sicher zudem auch noch Situations- und/oder tagesformabhängig.

Wie gesagt: nur meine bescheidene Meinung zur Problematik. Falls nicht hilfreich: bitte nicht beachten.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Bad Horse am 14.06.2015 | 22:56
Finde ich recht hilfreich. "Ressource ausgeben" ist tatsächlich ein anderer Mechanismus als "Probe ablegen" - kann verbunden sein, muss aber nicht.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Tyloniakles am 14.06.2015 | 23:18
Erinnert mich an Gumshoe, Hillfolk, Fate, klassische Lebenspunktsysteme ...
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 14.06.2015 | 23:36
@Archoangel:
Oha, völlig übersehen! Das ist eine eigene Gruppe von Mechaniken. Also jetzt drei plus Mischformen, weil die natürlich ineinander greifen (Fatepunkte als Modifikator für Zufallsmechanik oder für erzählerisches Recht, ein mit Zufallsmechanik geregelter Angriff kostet Resourcen, wahlweise im Angriff (z.B. einen Zauberslot) oder nach dem Treffer (Hitpoints) und so weiter).

Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 15.06.2015 | 06:46
Haben wir gerade Drama, Karma und Fortune wieder neu erfunden? Dann erhöhe ich um Skill: Man kann auch vom Jenga-Turm ziehen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Oberkampf am 15.06.2015 | 07:52
Rollenspiel braucht Regeln. Immer. Jedes Rollenspiel. Wenn Kinder "Räuber und Gendarm" gewinnen, dann gibt es auch Regeln zur Konfliktresolution. Anna brüllt: "Peng, du bist tot." Thomas ist dann auch tot, weil ihm andernfalls die einen halben Kopf größere Anna auf andere Weise den Konflikt beilegt. Oder vielleicht verwendet sie auch nur Regel 0, die auch wir Rollenspieler kennen: "Spiele nicht mit Idioten."

Jetzt möchten wir natürlich am Spieltisch nicht nur simple Doch-Nein-Doch-Nein-Doch-Nein-Duelle erleben, so unterhaltsam sie beim ersten Anschauen sein mögen, wenn sich zwei Personen gesetzteren Alters (als Enddreißiger habe ich solche inklusive meiner eigenen Person in den Spielrunden) so etwas geben. Aber auf Dauer ist der Schritt von der impliziten zur expliziten Regel zur Konfliktresolution dann doch mal sinnvoll.
[...]
Darum machen Regeln also nicht nur als historisches Anhängsel Sinn. Sie sind grundlegender Baustein für funktionierendes Rollenspiel. Andernfalls gewinnt Anna, die auch weiterhin immer einen Kopf größer war als alle anderen und später mal im Mittelgewichtsboxen reichlich Preise einheimste, jeden Konflikt im Spiel... :d


Du hast recht, ich hätte eher Huntress von der Seite davor (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,94252.msg1979129.html#msg1979129) zitieren sollen, der Sonja im Beitrag drauf (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,94252.msg1979140.html#msg1979140) zustimmt.

Wenn sich das auf meinen Beitrag bezieht: Ja, ich bin schlampig mit dem Begriff Regeln und Mechanismen umgegangen. Allerdings muss man auch sehen, dass eine radikale Ausweitung des Begriffs Regeln für Rollenspiel den Begriff auch sehr aufweicht.

Gemeint waren bei mir mit Mechanismen erstmal alle brettspieligen Mechanismen, keine "Metaregeln". Selbst dann, wenn solche Mechanismen zur Verteilung von Erzählrechten genutzt werden, wenn z.B. ausgewürfelt oder per Karte entschieden wird, wer den Ausgang einer Szene erzählen darf und elcher Charakter seine Interessen in der Szene durchsetzt (vgl. primetime adventures, eins der erzählerischsten SPIELE die ich jemals GESPIELT habe - Großschreibung um den Spielcharakter zu betonen).

Darüber hinausgehende Absprachen, die ohne klassische Brettspieltechniken (Zufallsgenerator, Punktvergleich) funktionieren, kann man Regeln nennen. Beispielsweise die Absprache: Verlauf und Ausgang einer Szene werden rein nach Gesichtspunkten der Dramaturgie abgehandelt. Es gibt einen Spielleiter, der bei Uneinigkeit im Sinne der Dramaturgie entscheidet.*

Es stimmt schon, das jedes Rollenspiel solche Regeln braucht, und das sie grundsätzlich völlig unterschiedlich ausfallen können. Statt einem SL kann die Gruppe im Konsens entscheiden, oder der betroffene Spieler usw. Welche "Farbe" die Dramaturgie hat ist ebenfalls abhängig vom Genre und Gruppenempfinden etc. Meine These ist - zugegeben empirisch schwach unterfüttert - dass im Alltag meistens eine Person in der SL-Rolle diese Entscheidungen trifft, indem er üblicherweise mit ein, zwei lautstarken Spielern Kompromisse eingehen muss.

* Das ist übrigens das, was ich mit der "Tradition" meine: Spielleiterzentrierte dramaturgische Entscheidungen ohne - anstatt! - brettspieliger Einflüsse.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Nørdmännchen am 15.06.2015 | 10:58
Die meisten Themen werden hier ja reichlich vielseitig und ausgiebig erörtert. Ich möchte dennoch eine Facette zum "Erzählen & Spielen" betonen, die mir selbst sehr am Herzen liegt. Es geht mir darum, dass die Vielzahl und Wahlmöglichkeit verschiedenster Regelsysteme - und dabei insbesondere der Mechanismen - für mich persönliche eine enorme Bereicherung meiner gemeinsam erlebten Erzählungen darstellen.

Meine Erfahrungen decken sich da mit den Theorien von G. H. Mead (http://de.wikipedia.org/wiki/George_Herbert_Mead#Die_Entwicklungsphasen_play_und_game) - auch wenn ich mich an der Radikalität seiner Ableitungen stoße.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Will sagen: das mechanische System gibt mir einen Bezugsrahmen vor, der die besondere Funktion aller Mitspieler in Relation setzt. In diesem Rahmen kann ich meine Handlungen ganz eigen bewerten und ausrichten. Wobei Handlungen im Rollenspiel für mich zunächst Gesprächsbeiträge sind.
Ich verhalte mich ganz anders - und erlebe und erzähle damit auch andere Inhalte. Je nachdem ob ich eine Runde Freeform (meinetwegen Daidalos), King Arthur Pendragon, Fiasco, Itras By, Forsooth!, Apocalypse World, FAE, Kingdom of Nothing, Moldvay D&D, Improtheater oder was-weiß-ich spiele. Wobei ich zugestehen muss, dass die Erfahrungen bei "klassischen" Systemen (Savage Worlds, DSA, GURPS, oWoD) sehr viel näher zusammen rücken.
Das Spannende ist: das gesamte Regelsystem greift in die Erzählung am Tisch ein und beeinflusst unser Verhalten. Damit steht mir eine viel größere Palette kreativer Erlebnisse zur Verfügung. Vincent Baker, Luke Crane uva. nennen dies die "Mind Control" des Spiel-Entwicklers. Deswegen möchte ich auch nicht nur das eine SystemTM, sondern ich will sie alle - lang, breit und schmutzig! OK; manche passen einfach nicht. Aber das liegt nicht an ihnen, es liegt an mir ;).

Auch improvisiertes Theater hat, meiner Erfahrung nach, ganz eigene Probleme mit dem Erzeugen von Erzählung. Grade wenn es sehr "offen" sein soll. Nicht umsonst gibt es im Theatersport nach Keith Johnstone Unmengen von Spielen, die teilweise sehr starke Mechaniken einbinden (weit abseits des überstrapazierten Ja-Sagens...  ::))

Alle diese Regeln brechen die Erwartungshaltung auf, zwingen mich in andere Denk-, Kreativ- und Verhaltensmuster; und bereichern so letztendlich mein Spiel und Ausdrucksspektrum. Ich würde sogar soweit gehen, dass sie in kleinen Schritten meine Persönlichkeit erweitern. (Wer weiß, was ich damit auslöse...)
Kreativität ist nach meinem Dafürhalten eben keine Fähigkeit, die dem menschlichen Geist a priori gegeben ist. Sie ist Ausdruck des menschlichen Vermögens Strukturen zu erkennen und zu schaffen - gepaart mit der Fähigkeit unbekannte Probleme zu lösen. Und eben diese Probleme, das Creative (oder Narrative) Constraint, entstehen u.a. maßgeblich aus dem verwendeten Rollenspielsystem.
Dazu gehört dann, sich voll und ganz auf das Spielsystem einzulassen. Die Regeln zu befolgen, um zu erleben wohin sie uns am Tisch bringen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 15.06.2015 | 14:51
Rollenspiel-veteranen mag manchmal die Erkenntnis fehlen, dass sie es gewohnt sind, mit ENORM umfangreichen Regelwerken zu arbeiten. Manche merken einfach nicht, dass "normale" Gesellschaftsspieler erstmal völlig überfordert sind, wenn sie das erste Mal auf RPGs treffen.

Nun, der Freiheitsgrad der Spielmöglichkeiten von RPGs benötigt eben von Natur aus eine große Bandbreite von Mechanismen. Im Allgemeinen benötigt ein Mainstream-RPG eine Anzahl spezifizierter Handlungen. (ACHTUNG, ich spreche vom Mainstream, damit nicht jeder Schlauberger gleich wieder sein "Aber der Exot X-Y funktioniert anders" postet) Diese erfordern jetzt irgendeinen Proben-Mechanismus. Der Individualität geschuldet, mag man spezielle Aspekte für Abenteurergruppen spendieren. Dann braucht es meist ein Recourcensystem. (Nennt es wahlweise Lebens-Treffer-Ausdauer- Astral- Erfahrungspunkte) Dann benötigt es meist ein Schadensmodell (Was richten Schäden an, was sind erlittene Konsequenzen etc.) Dazu kommt noch ein Steigerungs- bzw. Lernsystem. Und wenn der Neuling das endlich gepackt hat, dann erschlägt der SL ihn mit dem Setting! Hurraa, jetzt haben wir den Neuen entgültig geflasht...

Ich meine, das ist ne ganze Menge. Warum jetzt noch einige Regelautoren den Kunden mit verquirlten Subsystemen auf blanker Modifikatorenebene von oben und unten penetrieren wollen, bleibt mir bei so manchem Regelwerk schleierhaft. Außer, er hat noch ein paar Seiten in seinem Buch frei. Ob solche Subsysteme dann zusätzliches Flair verleihen? Das gehört wohl in den Bereich "Geschmacksache". Ich hole mir das Flair lieber aus einer schönen Settingbeschreibung. Wegen solcher Gedanken hab ich das Thema aufgeworfen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Fredi der Elch am 15.06.2015 | 16:15
Will sagen: das mechanische System gibt mir einen Bezugsrahmen vor, der die besondere Funktion aller Mitspieler in Relation setzt. In diesem Rahme kann ich meine Handlungen ganz eigen bewerten und ausrichten. Wobei Handlungen im Rollenspiel für mich zunächst Gesprächsbeiträge sind.
Hi Nordmännchen, echt guter Post! :D Schade, dass er hier etwas auf der fünften Seite des Threads versauert. Den sollte nämlich jeder gelesen haben. Eigentlich eine schöne Beschreibung von "System matters". Denn auch wenn das nach fast 15 Jahren Diskussion eigentlich Allgemeingut sein sollte, zeigt der Thread: ist es eben noch lange nicht. ;)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 15.06.2015 | 16:22
@1of3:
Es hätte mich auch gewundert, wenn wir hier was völlig neues entdeckt hätten. Danke für die Stichworte. Das erleichtert die Suche.

@Abaton:
Wenn dich Resolutionssysteme interessieren, dann gibt es hier einen Link (http://socratesrpg.blogspot.de/2010/06/what-is-dfk.html), der die drei hier genannten mal kurz darstellt. Dein Thema wäre die Fortune Resolution.

Ansonsten: Hört auf Nørdmännchen!
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 15.06.2015 | 16:27
Rollenspiel-veteranen mag manchmal die Erkenntnis fehlen, dass sie es gewohnt sind, mit ENORM umfangreichen Regelwerken zu arbeiten. Manche merken einfach nicht, dass "normale" Gesellschaftsspieler erstmal völlig überfordert sind, wenn sie das erste Mal auf RPGs treffen.

Nun, der Freiheitsgrad der Spielmöglichkeiten von RPGs benötigt eben von Natur aus eine große Bandbreite von Mechanismen. Im Allgemeinen benötigt ein Mainstream-RPG eine Anzahl spezifizierter Handlungen. (ACHTUNG, ich spreche vom Mainstream, damit nicht jeder Schlauberger gleich wieder sein "Aber der Exot X-Y funktioniert anders" postet) Diese erfordern jetzt irgendeinen Proben-Mechanismus. Der Individualität geschuldet, mag man spezielle Aspekte für Abenteurergruppen spendieren. Dann braucht es meist ein Recourcensystem. (Nennt es wahlweise Lebens-Treffer-Ausdauer- Astral- Erfahrungspunkte) Dann benötigt es meist ein Schadensmodell (Was richten Schäden an, was sind erlittene Konsequenzen etc.) Dazu kommt noch ein Steigerungs- bzw. Lernsystem. Und wenn der Neuling das endlich gepackt hat, dann erschlägt der SL ihn mit dem Setting! Hurraa, jetzt haben wir den Neuen entgültig geflasht...

Ich meine, das ist ne ganze Menge. Warum jetzt noch einige Regelautoren den Kunden mit verquirlten Subsystemen auf blanker Modifikatorenebene von oben und unten penetrieren wollen, bleibt mir bei so manchem Regelwerk schleierhaft. Außer, er hat noch ein paar Seiten in seinem Buch frei. Ob solche Subsysteme dann zusätzliches Flair verleihen? Das gehört wohl in den Bereich "Geschmacksache". Ich hole mir das Flair lieber aus einer schönen Settingbeschreibung. Wegen solcher Gedanken hab ich das Thema aufgeworfen.

Schöne Settingbechreibung? Ich kotze im Strahl. Ich will beim Rollenspiel fiktive Inhalte produzieren. Dafür brauch ich kein schönes Setting, sondern Mechanismen, deren Anwendung schöne Inhalte entstehen lässst.

Aber dein Argument funktioniert schon so nicht. Du zählst zunächst auf, dass Rollenspiel diese und jene Regeln hat. Verbietest dir, dass man an diesen Regeln etwas ändere, denn Exoten sind ja unerwünscht. Und forderst dann, dass man gewisse Regeln, die dir nicht gefallen ("verquirlte Subsysteme auf blanker Modifikatorenebene"), nicht einsetzt, weil Setting viel interessanter sei.

Das ist eine ganz clevere Strategie. Man schließt Modifikationen an einem frei gewählten Kern durch ein Essentialismus-Argument aus und wählt dann eine falsche Gegenüberstellung, so dass nur die gewünschte Handlungsweise übrig bleibt. Sehr clever. Ich gratuliere.



Ansonsten möchte ich dem nordischen Paarhufer in seiner Wertschätzung nördischer Äußerung beipflichten.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Pyromancer am 15.06.2015 | 16:30
Das ist eine ganz clevere Strategie. Man schließt Modifikationen an einem frei gewählten Kern durch ein Essentialismus-Argument aus und wählt dann eine falsche Gegenüberstellung, so dass nur die gewünschte Handlungsweise übrig bleibt. Sehr clever. Ich gratuliere.

Eigentlich hat er doch nur geschrieben: "Es gibt Mainstream-Systeme, die ich nicht für anfänger-geeignet halte."

Dem stimme ich zu.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: blut_und_glas am 15.06.2015 | 16:35
Ich will beim Rollenspiel fiktive Inhalte produzieren. Dafür brauch ich kein schönes Setting

Was ist mit schönen Settings als Assoziationsgrundlage (und Begrenzung) für fiktive Inhalte?

mfG
jdw
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 15.06.2015 | 17:00
Schöne Settings sind filigrane Gebilde mit ihrer ganz neuen Formensprache. Da muss man dann erst mal mit dem Vorschlaghammer durch, um die Scherben für Bauklötze zu haben. Ich erinnere mich an ein Gespräch, wo jemand seine Forgotten-Realms-Kampagne damit beginnen wollte, dass Elminster gekreuzigt am Wegesrand hängt. Wie anstrengend!

Ein gutes Setting ist gar nicht erst da, bevor man es herstellt. Es ist die einzige Fantasy World Map You'll Ever Need (http://eotbeholder.deviantart.com/art/The-Only-Fantasy-World-Map-245738593), der Kartensatz in Durance (http://www.battlegrip.com/review-durance-rpg-surveyor-cards/), die Orakel in A Wicked Age (http://lumpley.com/oracle/4oracles.php).

Es macht wirklich keinen Sinn verquirlte Settings auf blanker Historienebene zu produzieren.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 15.06.2015 | 17:22
Schöne Settingbechreibung? Ich kotze im Strahl. Ich will beim Rollenspiel fiktive Inhalte produzieren. Dafür brauch ich kein schönes Setting, sondern Mechanismen, deren Anwendung schöne Inhalte entstehen lässst.
Na, das ist ja dann Dein ganz persönliches Ziel. Deshalb brauchst Du nicht kotzen, weil andere Spieler gerne ein Setting lesen. Welche Mechanismen in der Anwendung schöne Inhalte entstehen lassen, steht eh auf einem ganz anderen Papier.

Aber dein Argument funktioniert schon so nicht. Du zählst zunächst auf, dass Rollenspiel diese und jene Regeln hat. Verbietest dir, dass man an diesen Regeln etwas ändere, denn Exoten sind ja unerwünscht. Und forderst dann, dass man gewisse Regeln, die dir nicht gefallen ("verquirlte Subsysteme auf blanker Modifikatorenebene"), nicht einsetzt, weil Setting viel interessanter sei.
Ich habe lediglich geschrieben, dass man nicht gleich Haarspalterei betreiben muss, wenn meine allgemeine Beschreibung von Regelwerken nicht auf jeden Exoten zutrifft. Verboten hat hier überhaupt keiner was. Und ich äußere meine persönliche Meinung mit der gleichen Freiheit wie Du.

Du hast ne andere Meinung? Ist ok. Drum muss keiner agressiv werden.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Thandbar am 15.06.2015 | 18:02
  Wo immer man die Battlemat ausrollt, fällt man hingegen in die alte Zeit zurück. Während das Sprechrollenspiel jung ist wie am ersten Tag, hat sich das Wargaming am Spieltisch aufgrund der erweiterten Möglichkeiten aber mittlerweile völlig überholt und nervt durch seine Steinzeitlichkeit. 

Außer, man hat halt Spaß dran. *shrugs*
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 15.06.2015 | 18:12
Die ganzen Mechanismen sind ja nicht aus Boshaftigkeit erfunden worden - da steckte dann ja ein entsprechender Wunsch dahinter nach etwas, was die Vorgängerversion nicht zu leisten im Stande war. Dass man sich bei solchen Entwicklungen ggf auch verrennt liegt in der Natur der Sache, aber ob sie was taugt oder nicht läßt sich nur unter Annahme dieses Bedürfnisses beurteilen, denn die Entscheidung über das Bedürfnis selbst und damit die "Berechtigung" seiner Erfüllung ist eine Geschmackssache - außer natürlich die Verfechter nehmen Allgemeingültigkeit in Anspruch.

Anmsonsten bleibt zu einer Mechanik nur zu sagen: Entweder ist man nicht Zielgruppe, hat man eine spezifisch zu benennende bessere Lösung oder ist vielleichgt auch einfach nur jemand dem die Mechanik zu hoch ist und nun als Fuchs vor den Trauben steht.

Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: blut_und_glas am 15.06.2015 | 18:16
Es macht wirklich keinen Sinn

Da sind wir dann wieder bei den Extremaussagen im Stile diverser Vorredner - "es macht wirklich keinen Sinn, Regeln im Rollenspiel haben zu wollen".

mfG
jdw
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Pyromancer am 15.06.2015 | 18:33
Erhellend ist für mein Gefühl wirklich die historische Genese, wenn man sich die den Ursprung des Rollenspiels im Wargaming anschaut,
Es ist offensichtlich, dass du dir die genauen Ursprünge des Rollenspiels im Wargaming nicht angeschaut hast.

Ich kann dir nur raten, das nachzuholen, das ist wirklich eine interessante Geschichte.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: D. M_Athair am 15.06.2015 | 20:54
Ein paar Gedankensplitter:

Das Kernproblem liegt doch darin, dass Rollenspiele zu weiten Teilen kaum als Gesellschaftsspiele wahrgenommen oder als solche gespielt werden, sondern als irgendetwas anderes, ein treffen von Leuten, die mehr oder weniger gemeinsam, üblicherweise unter Anleitung eines Haupterzählers, am Tisch eine Geschichte erzählen wollen.
Tatsächlich? Das würde erklären, warum ich mit Spielen wie DSA, Pathfinder und - so wie das bisher aus sieht - FFG-Star-Wars so schlecht zu Recht komme.
Für mich sind Rollenspiele Gesellschaftsspiele. So wie "Es war einmal ...", "Castle Ravenloft" oder auch "Ohne Furcht und Adel".

Wirft man einen ehrlichen Blick auf diese Situation, braucht man zum "Rollenspielen" eigentlich gar nichts, außer eben eine halb strukturierte, halb offene Geschichte.
Möglicherweise ist es genau das, was mich von Spielen wie WFRP3 abstößt. Akte, Atempausen, ... sowas taugt mir gar nicht.

(ACHTUNG, ich spreche vom Mainstream, damit nicht jeder Schlauberger gleich wieder sein "Aber der Exot X-Y funktioniert anders" postet)
Hättest du das gleich geschrieben [UND old school wie DCC RPG oder Swords & Wizardry, die trotz aller Versuche sie zu solchen zu degradieren, keine marginalisierten Exoten sind, ausgeschlossen], dann hätte ich zu dem Thema wohl nie was geschrieben.
Andererseits: Ich hatte jetzt nicht den Eindruck als wäre das Thema auf Spiele wie Pathfinder, DSA, Vampire, Pegasus-Cthulhu und Shadowrun fixiert.

Ich hole mir das Flair lieber aus einer schönen Settingbeschreibung.
Hmmm ...
Settingbeschreibungen. Auch da kann man sehr gut eine ähnliche Frage stellen, wie die im Eingangsbeitrag.
Und zwar: "Wie viel Settingbeschreibung braucht ein Rollenspiel?" Auch hier werden die Antworten ganz unterschiedlich ausfallen.
(Ich mag z.B. Sachen wie Points of light (http://www.goodman-games.com/4380preview.html) sehr gern. Da stecken 4 Settings in weniger Seiten als in DSA3s Herzogtum-Weiden-Heft drin. Obwohl ich auch L5Rs "Emerald Empire" schätze.) Ich glaube mit einer Gegenüberstellung von Spielmechanismen (und gerade Freiform-RSP hat eine ganze Menge implizierter Regeln jenseits sozialer Konventionen) und Settingbeschreibung verschiebt man das Problem lediglich.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 19.06.2015 | 05:54
Wußte garnicht das man "manche Zusatzregeln sind mir Zuviel " auch so umstaendlich ausdruecken kann. ;)
Ansonsten bleiben Regeln eben Simulation von Leben und Agieren in einer fiktiven Welt. Und die moechte ich nicht missen, weil sie das Rückgrad detailierter Simulation ist was reine Erzählung eben nicht richtig alleine kann. Es sei den ich habe sehr großes Vertrauen in meinen Meister und der kann sich das alles aus den Fingern saugen und ich verzichte somit auf konkretere Nachvollziebarkeit beim Geschehen und   schematischer Darstellung meiner Charaktereigenschaften. Fuer mich sehr Wichtig zum Aufbau desselben.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 19.06.2015 | 06:03
Settings sind eine Frage der Lust aufs Detail. Wer die weniger hatt braucht schonmal weniger Setting und umgekert. Ich brauche viel Setting ob selbgermacht und/oder gekauft weil dan die Exotik und Simulation der Welt erst realistisch wird.
Das ist auch wieder eine Geschmacksfrage wie sehr man das jeweils vertiefen will.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 19.06.2015 | 09:20
@Lysander:
Ich gehe beim Setting genau anders herum dran. Um die Spieler optimal einzubinden, möchte ich wenige Grenzen und vertraue auf die Fähigkeiten der Spieler. Und ich möchte bei den Regeln entsprechend wenige Grenzen, eher Leitlinien, um Konfliktpotentiale im Spiel zu erzeugen und Spieler aus ihrer Komfortzone (gibt es das so als Wort im Deutschen?) heraus zu holen.

Das Wieviel ist absolut Geschmacksfrage. Ansonsten könnte man die gleichzeitige Existenz von Fiasco- und DSA-Spielern kaum erklären.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 19.06.2015 | 17:19
Wer es locker angeht nimmt es  eben nicht so genau. Wer es genau nimmt will es auch so. Manche quaelen sich mit  fuer sie umstaendlichen Regeln obwohl sie es einfacher braeuchten. Selbst mir sind einige Mechanismen zb bei DSA4 spieltechnisch  zu umstaendlich. Dennoch mag ich nicht auf Talente und Fertigkeiten und komplexen Hintergrund verzichten.
Regeln sind  dabei freiwillige Grenzen wenn sie stimmig sind, die ich dan auch moechte weil sie der Simulation dienen. Wenn sie behindern habe ich unpassende Regeln, sie nicht bewusst eingewoehnt oder habe eben einen oberflaechlicheren Spielstil. Nicht jeder will  in lange Entwicklungen eintauchen sondern  eben nur mal kurze lockere Geschichten erleben.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 19.06.2015 | 18:51
Siehst du, da haben wir absolut gegensätzliche Ansätze. Mein Problem mit vielen regelstarken Systemen ist die für mich damit verbundene narrative Oberflächlichkeit. Ich kann ohne dieses Korsett viel tiefgehendere Charakterisierungen mit all den Konsequenzen und Implikationen der freien Gestaltung von fünf Aspekten, ein paar Skills / Methoden und ein paar Stunts hinbekommen, weil die Dichte an relevanten Informationen einfach viel größer und fokussierter ist bei gleichzeitiger maximaler Flexibilität. Und ich möchte, dass sich Grenzen aus der Rolle und der Wechselwirkung mit der Umgebung im Spiel ergeben, nicht an den Regeln reiben. Die sollen mir nur das Werkzeug zum Erzeugung von Reobung geben. Aber ich sehe natürlich auch, dass viele Leute einfach nicht diese Flexibiltät wünschen.

Ich fürchte aber, dass du einem Fehlschluss aufgesessen bist, wenn du Detailfülle von Setting und Regeln mit tiefgängigem Rollenspiel gleichsetzt. ;)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 19.06.2015 | 20:44
Aber ich sehe natürlich auch, dass viele Leute einfach nicht diese Flexibiltät wünschen.
Die Flexibilität wünschen sogar oft noch (wobei da der Übergang zur Beliebigkeit und/oder Munchkinismus  am äußeren Ende auch fließend ist), aber die Regeln müssen eben nicht nur für einen passen, sondern als erste Priorität eine ganze Gruppe am Tisch zusammenbringen und -halten. 

Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 20.06.2015 | 00:19
Chrustschow: "Die Wechselwirkung von Rolle und Umgebung " sollen die Regeln ja grade abbilden ! Ihre  Zahlen in Talentwerten usw sollen grade eine komplexe Figur darstellen und dem Spieler damit helfen das damit  nachzuspielen.
Wenn mich da irgendwas blockiert habe ich die falschen Regeln und /oder will eben keine solche Simulation. Will ich sie, brauche ich die Werte.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 20.06.2015 | 00:33
" narrative Oberflaechlichkeit " entsteht aus nicht verinnerlichten und dan falschen Regeln. Sie sollen Handlungen lebendig darstellen. Manchmal kommt das  auch durch zuviel zeitraubendes Würfeln was ich dan auch nicht mag. Aber ein einfacher Wurf zu einer Probe ist fuer mich kein Problem sondern erwuenscht. Ab dreimal Wuerfeln wirds aber schon umstaendlich. DSA hatt zb bei Talentproben drei Atribtutswuerfe. Geht noch, ich mache da aber schon gern Sammelwerte ( = 1 x Wuerfeln ! ). Auch diverse Zauber sind mir zu umstaendlich und ich mache eben Hausregeln.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 6 am 20.06.2015 | 01:12
@Lysander: Chruschtschow versteht unter narrativ was Anderes als Du.

Vermi hatte das mal sehr schön erklärt:
Thematisches Rollenspiel: Die Spieler setzen sich mit den moralischen und menschlichen Dilemmata des gemeinsamen Vorstellungsraums auseinander, beziehen dazu als Spieler Stellung und treffen dadurch eine Aussage über ihren Charakter und/oder die Spielwelt. Wir sprechen von Narrativism.

Bei Chruschtschow werden also Proben aus etwas anderen Gründen und Plausibilisierungen gemacht als bei Dir. Auch die Wechselwirkungen zwischen Rolle und Umgebung beziehen sich da auf etwas Anderes.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 20.06.2015 | 01:52
@Lysander:
[EDIT]*SCHNIPPSCHNAPP* RIESENTEXTWAND WEG *SCHNIPPSCHNAPP*, denn erstens sind wir ein bisschen vom Thema ab und zweitens kann ich meinen Punkt kurz genauso gut erläutern:

Für mich erzeugen stark verregelte Systeme durch die zwangsläufig unvollständige Simulation, die aber gleichzeitig sehr detailliert Ergebnisse vorgibt, oft eine starke Disparität zwischen Spielwelt und Spielfiguren, wie die Regeln sie darstellen und wie sie in meinem Vorstellungsraum existieren. Weniger detaillierte Regeln mit Vertrauen in die Interpretationsfähigkeit der Spieler ermöglichen mir einen einfacheren Rückschluss von der Mechanik auf die Welt, der eben der Vorstellung angepasst ist.

Gleichzeitig kann der weite Rahmen, in der die Spielmechanik einsetzbar ist, mehr Teile der Spielwelt auch einbinden und abbilden, weil eben auch hier ein System mit geringerem Detailgrad leichter auf die verschiedenen Aspekte einer Welt übertragen werden kann, statt nur Teilaspekte (meistens Kampf) abzubilden. Auch hier wieder weil einfach die Interpretation stärker in Spielerhand gegeben wird.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 20.06.2015 | 12:30
Ich persönlich sehe in den Mechaniken der Regeln lediglich Werkzeuge zum Erzählen einer Geschichte-- so wie ein Handwerker auch Werkzeuge beim Erstellen eines Werkstücks nutzt. Die Qualität der Arbeit wird am Endprodukt gemessen, weniger an den Werkzeugen selbst.

Um meine Ansicht zu verdeutlichen:
Ein Schreiner möchte einen Schrank bauen. Für einen einfachen Kasten aus Brettern wird er wenige Werkzeuge brauchen. Für einen tollen Vollholz-Schrank mit Schnitzwerk wird er wohl deutlich mehr Werkzeuge einsetzen. Trotzdem wird der Fachmann das Können des Schreiners am Werkstück ablesen und nicht am Inhalt seines Werkzeugkastens. Interessanterweise brauchen ein tolle Schreiner in aller Regel weniger Werkzeuge zum Bau des Selben Produkts, wie der Hobbyhandwerker. Allerdings legen diese sehr großen Wert auf die Qualität ihrer Werkzeuge.

Übertragen auf ein stimmungsvolles Rollenspiel: Für einfache Settings tun es meist wenige, gut durchdachte Regeln. Komplexe Welten mit detaillierter Magie etc. werden wohl mehr Regeln benötigen. Ich halte es für wenig förderlich, wenn Spieler die Geschichte aus den Augen verlieren, weil sie sich von Regeln erschlagen fühlen. Wie solche Regeln die tolle Stimmung anheizen sollen, ist für mich auch nicht schlüssig. So erging es mir mit dem Modifizierungs-obergau in D&D 4.0 ab etwa Stufe-7. Oder dem Kleingefiesel in DSA 4.1. Wenn die Mitspieler + SL dann sagen, das macht doch nix, wir "wedeln mit der Hand", dann frag ich mich: Wozu? Da wirds ja wohl schlüssigere Regelwerke ohne "Handwedeln" geben. Sonst kann ich das Regelwerk gleich in die Ecke schmeißen und zum freien Erzählspiel übergehen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 20.06.2015 | 12:33
6: Ja, Chrustchow meint was anderes worüber wir reden.
Chrustchow: Wir sind genau beim Thema, wieso ? Was war die kurze Erlaetuerung ? ;))
Du meinst wohl andere Spielthemen wie viele Dialoge und dan willst du eine noch im Entstehen begriffene Welt die man grade spontan erfindet ?
Ja, dan behindert mich Vorgabe. Ich modifiziere ja auch manches, Neues kann ich auch immer noch erfinden, aber so Sachen wie Rechtssystem, Waehrung, Tempelhierarchie, Nichtspielercharaktere brauch ich unbedingt. Gute Vorgaben dazu sind mir eine Hilfe keine Begrenzung wenn mir die Welt gefällt.
Und Talente thematisieren ja kaum Kampf sondern soziale Interaktion.
Rein als Liste sind sie ja schlicht auch eine Gedankenstuetze was meine Figur alles darstellt und erlebr hatt. Nicht jeder hatt sein Zwerg oder Elfsein mit allen Aspekten immer im Kopf. Und als naechstes kommt dan die Reibung mit der Umwelt die man eben mit Wuerfeln simuliert.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 20.06.2015 | 12:40
Abaton: Nein, finde nicht das Regeln erst spaeter was liefern. Sie sind staendiges Werkzeug und muessen soviel Komlexitaet haben wie ich brauche. Will ich gewisse Teilaspekte nicht simulieren und extra auswuerwefeln dan lasse ich sie besser einfach weg. Wenn ich es will hatt es wiederum Sinn. Es geht immer um Simulation.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Thandbar am 20.06.2015 | 12:42
Ich persönlich sehe in den Mechaniken der Regeln lediglich Werkzeuge zum Erzählen einer Geschichte-- 

Dann möchtest Du halt Spielregeln, die Dir vermutlich beim freieren Erzählen möglichst wenig in die Quere kommen.
Das ist natürlich völlig okay, aber es gibt natürlich Leute, die wiederum andere Schwerpunkte setzen.
Dein Handwerkerbeispiel finde ich allerdings etwas schräg. Es ist ja nicht so, dass der Laienrollenspieler möglichst viele Regeln bräuchte und der Profi möglichst wenige. Das ist einfach eine Frage der Vorliebe.

Regeln erzeugen Spielinhalte. Oder sie sind sogar der Spielinhalt. Ein Handwerkerwerkzeug entscheidet ja nicht, ob am Ende ein Schrank rauskommt oder Du doch einen Satz Stühle angefertigt hast.
Die allermeisten Rollenspielregeln beeinflussen aber durchaus den Ausgang, und nicht primär die Qualität einer Geschichte.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Edvard Elch am 20.06.2015 | 12:50
Ich persönlich sehe in den Mechaniken der Regeln lediglich Werkzeuge zum Erzählen einer Geschichte-- so wie ein Handwerker auch Werkzeuge beim Erstellen eines Werkstücks nutzt. Die Qualität der Arbeit wird am Endprodukt gemessen, weniger an den Werkzeugen selbst.

Irgendwie hinkt der Vergleich. Es gibt beim Rollenspiel kein fertiges Endprodukt das irgendwie objektiv zu evaluierren möglich wäre. Klar kann man am Ende aus dem Spielgeschehen am Tisch eine Geschichte rekonstruieren, aber das ist meistens (zumindest in keiner Runde, die ich kenne) nicht Primärziel. Da geht es in der Regel um das Spiel, den interaktiven/kommunikativen Prozess am Tisch.


Um meine Ansicht zu verdeutlichen:
Ein Schreiner möchte einen Schrank bauen. Für einen einfachen Kasten aus Brettern wird er wenige Werkzeuge brauchen. Für einen tollen Vollholz-Schrank mit Schnitzwerk wird er wohl deutlich mehr Werkzeuge einsetzen. Trotzdem wird der Fachmann das Können des Schreiners am Werkstück ablesen und nicht am Inhalt seines Werkzeugkastens. Interessanterweise brauchen ein tolle Schreiner in aller Regel weniger Werkzeuge zum Bau des Selben Produkts, wie der Hobbyhandwerker. Allerdings legen diese sehr großen Wert auf die Qualität ihrer Werkzeuge.

Übertragen auf ein stimmungsvolles Rollenspiel: Für einfache Settings tun es meist wenige, gut durchdachte Regeln. Komplexe Welten mit detaillierter Magie etc. werden wohl mehr Regeln benötigen. Ich halte es für wenig förderlich, wenn Spieler die Geschichte aus den Augen verlieren, weil sie sich von Regeln erschlagen fühlen. Wie solche Regeln die tolle Stimmung anheizen sollen, ist für mich auch nicht schlüssig. So erging es mir mit dem Modifizierungs-obergau in D&D 4.0 ab etwa Stufe-7. Oder dem Kleingefiesel in DSA 4.1. Wenn die Mitspieler + SL dann sagen, das macht doch nix, wir "wedeln mit der Hand", dann frag ich mich: Wozu? Da wirds ja wohl schlüssigere Regelwerke ohne "Handwedeln" geben. Sonst kann ich das Regelwerk gleich in die Ecke schmeißen und zum freien Erzählspiel übergehen.

Das klingt für mich schwer danach, als würdest du Regeln/Mechanismen nur auf der Skala "wenig" bis "viel" bemessen (zugegeben mit einem Qualitätsattribut) und dabei vollkommen außer acht lassen, dass es viele verschiedene Arten von Werkzeugen gibt, die für den jeweiligen Zweck ausgewählt werden sollten.


Es geht immer um Simulation.

Ich würde dir nahe legen, dir mal Fate, Fiacso und andere Indies anzuschauen. Einfach mal zur Horizonterweiterung.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 20.06.2015 | 12:53
Man muß auch nicht staendig alle Regeln anwenden, trotzdem koennen sie zwischendurch Sinn machen und haben dadurch schon Berechtigung. Das geht eben bei Regeln mit mehr einzelnen Fertigkeiten  besser als bei Stufenpaketen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 20.06.2015 | 13:03
Edward Elch: Danke mein Horizont ist  eigentlich ausreichend geweitet und meinen Bedarf bedient. Verstehe auch garnicht was diese Bemerkung ueberhaupt soll ? Das du da kompetenter sein moechtest ?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 20.06.2015 | 13:25
Dann möchtest Du halt Spielregeln, die Dir vermutlich beim freieren Erzählen möglichst wenig in die Quere kommen.
Das ist natürlich völlig okay, aber es gibt natürlich Leute, die wiederum andere Schwerpunkte setzen.

Ja, das ist tatsächlich meine persönliche Vorliebe. Alledings betonte ich, dass komplexe Settings entsprechend umfangreichere Regeln erfordern können. Die Regeln sollten dem Anspruch genügen und nicht für sich selbst existieren. So wie Werkzeug der Arbeit dienen kann und nicht nur dem Füllen eines Werkzeugschrankes.

Dass allerdings umfangreiche Kleinregeln zu besserem Rollenspiel führen, halte ich für einen weit verbreiteten Irrtum. Meine persönlichen Beobachtungen zeigten bisher, intensives Hineinversetzen in die Rolle eines Chars wird weniger durch ein intensives Regelwerk gefördert. Im Gegenteil, oft führt die Regulierungswut zu sehr eindimensionalen Klischees, z.B. Elfen als teilnahmslose Grünheinis oder der ewig rumalbernde Gnom. Manche Regelwerke bewirken das Gegenteil von Individualismus. Es wird stellenweise unnötig kompliziert und erzeugt lächerliche Stereotypen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 20.06.2015 | 13:34
Wenn der Schrank aber von mehreren Leuten gebaut werden soll, dann sollte da bitte ein entsprechender Satz Baupläne bei zu Grunde legen. Und wenn der minimal ausfällt, passt der Schrank vielelicht sogar zusammen, aber dann darf man sich eben auch nicht an Details wie unterschiedliche Farben oder Dekors, welche von Tür zu Tür nicht ineinander passen ärgern. Diesen Anspruch darf man eben dann nicht ahben oder muss diese Punkte ausgiebig vorab diskutieren, sich dabei auch an alles dann erinnern und vorzugsweise auch Niederschriebe - womit wir wieder eine solche  Bauzeichnung haben ... !

Und selbst ein Ikeaschrank, der so eine Zeichnung hat, ist in der Praxis immer noch besser als ein Edelholzhaufen, der zusammenklappt, weil da zufällig etwas wichtiges gar nicht zusammen passt.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 20.06.2015 | 13:44
Alledings betonte ich, dass komplexe Settings entsprechend umfangreichere Regeln erfordern können.

Tatsächlich ist die Hintergrundwelt kein guter Determinator für das verwendete Regelwerk. Treffender ist noch die Core Story, also der prototypische Handlungsablauf einer Spielsitzung. Wenn es darum geht, Politik im galaktischen Senat zu machen, braucht es womöglich keine Regeln für Raumkämpfe, auch wenn die in der Welt durchaus vorkommen können. Die Hintergrundwelt kann insofern nur als Anstrich für die Regeln dienen. Für eine Cyberpunk-Welt heißt das Attribut vielleicht "Cool" statt "Seele", auch wenn es technisch das gleiche tut.

Am wichtigsten allerdings sind die gewünschten Interaktionsmuster unter den Leuten am Tisch. Regeln sind eben keine Mittel zur Simulation der Spielwelt. Sie können das tun, aber ist ungefähr so zentral, dass ein Auto ein eingebautes Radio hat. Für einige Leute total wichtig, aber das macht es nicht zu einem Auto.

Regeln regeln das Spiel, d.h. die Handlungen der Spielenden. Die zentrale Regel bei den meisten Spielen ist: "Es gibt eine SL, alle anderen kreieren und spielen einen SC." Die nächste Regel ist: "Die SCs lösen im Team Abenteuer, die von der SL vorgestellt werden." Die dritte Regel ist: "Die SL spielt alle Charaktere außer die SCs." Die vierte Regel: "Die SL bestimmt, wer und was in einer Szene ist." Die fünfte Regel: "Die SL setzt mehr oder weniger frei Hand die Schwierigkeit für Proben fest und wann diese vorkommen." Die sechste Regel: "Die SL verteilt Erfahrungspunkte, durch welche die SCs besser werden." Usw.

Die in diesem Thema betrachteten Mechanismen sind relativ schwache Beiträge zum letzendlichen Spiel. Jene grundlegenden Regeln, die sich unmittelbar auf die Hanldungen der Spielenden beziehen, sind deutlich wichtiger.

Tatsächlich kann man Spielerhandlungen regeln, indem man Mechanismen aufsetzt. Das zentrale Element an einer Würfelprobe ist nicht, wie man würfelt, sondern wer sagen darf, dass gewürfelt werden soll.


Wenn du weiter sagst, dass "intensives Hineinversetzen in die Rolle eines Chars" mit weniger intensivem Regelwerk besser gelänge, dann hast du den Zusammenhang schon richtig erkannt. Die Mechanismen haben also nur ganz wenig mit der Spielwelt, aber ganz viel mit den Spielenden zu tun. Es gibt also Mechanismen, die dem Hineinversetzen in Charaktere helfen können, und solche, die das nicht tun.

Du drückst dich unglücklich aus, wenn du sagst, dass komplexe Mechanismen nicht zu besserem Rollenspiel führten. Sie führen vielleicht nicht zu dem, was du für gutes Rollenspiel hälst, wenn das denn eben das Hineinversetzen in Charaktere ist.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Edvard Elch am 20.06.2015 | 13:53
Tatsächlich kann man Spielerhandlungen regeln, indem man Mechanismen aufsetzt. Das zentrale Element an einer Würfelprobe ist nicht, wie man würfelt, sondern wer sagen darf, dass gewürfelt werden soll.

Ich finde eigentlich noch zentraler, was mit dem Ergebnis gemacht wird bzw. wer Ergebnisse interpretieren darf.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 20.06.2015 | 13:57
Auch richtig. Wobei das häufig implizit in der Tatsache drin steckt, dass jetzt gewürfelt wird. Aber gut, das noch mal zu erwähnen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 20.06.2015 | 22:31
Komplexe Settings haben wenig mit dem Unfang gewünschter Simulation zu tun was Charaktere betrifft. Entweder ich will nur Erzählen oder verbindlich simulieren, wozu ich Regeln brauche.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: D. M_Athair am 21.06.2015 | 01:27
Entweder ich will nur Erzählen oder verbindlich simulieren, wozu ich Regeln brauche.
Selbst bei verbindlicher Simulation brauche ich nicht viele Regelwerk-Regeln. Freiform-Spiele können deutlich simulativer ausfallen als DSA4- oder Hârnmaster-Abende. Es sind andere Regeln, die da wichtig werden. Zum Beispiel die Kenntnis von Spielwelt-Zusammenhängen und -mechanismen, Regeln wer welche fiktionalen Inhalte einbringen darf, Übereinkünfte über Plausibilitäten, ...
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 21.06.2015 | 09:41
Klingt nach viel Verhandeln und Absprache. Genau das spare ich mir mit guten Attributs-Werten. Da wird es einfach schematisch  zusammengefasst abgebildet. Ohne diese Abbildung  habe ich nur ein schwammiges Bild, man muß endlos beschreiben, diskutieren oder streiten was Sache ist. Wie Komplex man das benutzt sehe ich wechselhaft: Manchmal sind Kämpfe mit Trefferzonen usw interessant , zb in einem Duell. Beim 20ten Ork kriegt man einen Krampf in der Wuerfelhand und an den Nerven, also eher zusammenfassen. Also kan man ruhig von Einfach zu Komplex wechseln.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 21.06.2015 | 10:15
Wenn komplexe Regelwerke das Spiel mehr unterstützen würde, dann darf man schon auch mal darüber nachdenken, warum die großen Verlage alle 8-10 Jahre ein neues Regelwerk raushauen. Schach gibts seit 400 Jahren - unkompliziert, dafür sehr komplex. Die Regeln sind konstant, genauso wie zentrale Mechanismen im Rollenspiel. Auch zahllose andere Gesellschaftsspiele haben seit ihrem Erscheinen konstante Regeln. Trotzdem verbasteln viele RPGs mathematische Subsysteme ohne Spielrelevanz.

Die Blütezeit der RPGs war die zweite Hälfte der 80er und die 90er-Jahre. Zu der Zeit waren die Regelwerke der deutschen Mainstream-Systeme Midgard und DSA deutlich schlanker. Ab Mitte der 2.000er waren diese in der 4. Ed. plötzlich aufgeblähte Regelteile. Hat das dem RPG-Markt geholfen? Jetzt gibts die 5. Ed. Sämtliche Regelschreiber wollen derzeit ne Kehrtwende, hin zu schlankeren Systemen. Midgard hat heftig entschlackt. Nach der anfänglichen Motzerei von Altspielern während der Entwicklung, wird die neue Ed. mittlerweile "fast" vollständig begrüßt. DSA will entschlacken, befindet sich aber noch in der Abwehrschlacht gegenüber ewig gestriger Kritiker. Der Mut zu radikaleren Kürzungen scheint in der Redaktion durch (sinnlose?) Diskussionsrunden arg gedämpft. Zumindest zeigt eine 5. Ed. in 40 Jahren, dass das bisherige Regelwerk wohl nicht der Weisheit letzter Schluss war.

Ich beobachte auf CONS und unserem lokalen Verein, dass selbsternannte RPG-Kenner gerne komplexe Systeme anpreisen. Ich vermute, bei einigen kommt eine Form der Überlegenheit auf, wenn sie am Tisch alleine erklären können, wie es "richtig" geht und sie vor Anderen den Fachmann raushängen dürfen. Toll für deren Ego, scheisse für Neuinteressenten. Guckt man in laufende Runden, findet man mittlerweile selten Spieler unter 30 Jahre. Wie alt waren die alle noch, als sie selber zum RPG kamen? Gibt der Unterschied, derzeitiges Durchschnittsalter gegenüber Einstiegsalter zu denken? Warum waren wir im Einstiegsalter 12 - 17 Jahren so begeistert, trotz der damals schlankeren Regeln? Wer bestimmt eigendlich Diskussionen in RPG-Foren? Neuinteressenten oder selbsternannte RPG-Kenner? Wer ist die Zielgruppe der Verlage in der 5. Ed.? 500 Hardcoresammler oder 20.000 Neueinsteiger?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Rhylthar am 21.06.2015 | 11:23
Oh, da sind aber einige gewagte Thesen dabei...aufgeblähten Regeln die "Schuld" am Rückgang des RPG-Hobbys zu geben, halte ich für...überdenkenswert.

Auch die "Rückbesinnung" auf schlankere Systeme hat sicherlich noch viele andere Gründe.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 21.06.2015 | 12:08
Klingt nach viel Verhandeln und Absprache. Genau das spare ich mir mit guten Attributs-Werten. Da wird es einfach schematisch  zusammengefasst abgebildet.

Es tut mir leid, aber das ist schlicht falsch. Du kannst unfassbar lange Diskussionen über Regeln haben. Es gibt einen Grund, warum die meisten Rollenspieler mit dem Begriff "Regelanwalt" was anfangen können. Mit vielen Jahren D&D 3.5-Erfahrung kann ich da ein Lied von singen.


Ohne diese Abbildung  habe ich nur ein schwammiges Bild, man muß endlos beschreiben, diskutieren oder streiten was Sache ist.

Und auch das ist schlicht und ergreifend falsch. Es gibt sehr viele Systeme, die Dinge offen lassen und es wird dennoch am Tisch nicht lang und breit verhandelt. Auch da spreche ich aus Erfahrung, da ich in den letzten Jahren reichlich narrative Systeme, da vor allem Fate, gespielt habe. Mit erfahrenen Runden. Mit Runden aus Rollenspielneulingen. Mit gemischten Runden. Mit Runden, die normalerweise "klassischere" Systeme spielen. Das, was du da beschreibst, kommt wenig bis nicht vor.

Ich habe ebenfalls langsam den Eindruck, dass du mal ein bisschen über den Tellerrand deines Systems / deiner Systeme schauen solltest.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Rhylthar am 21.06.2015 | 12:15
Zitat
Du kannst unfassbar lange Diskussionen über Regeln haben. Es gibt einen Grund, warum die meisten Rollenspieler mit dem Begriff "Regelanwalt" was anfangen können. Mit vielen Jahren D&D 3.5-Erfahrung kann ich da ein Lied von singen.
Dafür gibt es zwei wunderschöne Abkürzungen, die von D&D 3.X geprägt wurden: RAW und RAI.  :)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sashael am 21.06.2015 | 12:49
Oh, da sind aber einige gewagte Thesen dabei...aufgeblähten Regeln die "Schuld" am Rückgang des RPG-Hobbys zu geben, halte ich für...überdenkenswert.
+1

Wieder mal das leidige Thema Korrellation vs. Kausalität.

Auch den Bezug zum Schach und anderen Gesellschaftsspielen, die seit vielen Jahrzehnten (oder gar Jahrhunderten) vollkommen unverändert geblieben sind, kann man imnsho nicht so herstellen. Unsere Gesellschaft hat sich besonders im Bereich Freizeitgestaltung in den letzten fünfundzwanzig Jahren massiv verändert. Natürlich wird z.B. Monopoly noch verkauft, obwohl die Regeln seit über 70 Jahren gleich geblieben sind. Aber das liegt nicht an der Güte der Regeln, sondern an der allgemeinen Verbreitung von Monopoly, seinem Bekanntheitsgrad und mittlerweile meiner Meinung nach zu einem wirklich großen Teil am aggressiven Marketing von Hasbro mit seinen Lizenz-Spielen (Star Wars Monopoly, HdR Monopoly, Disney Monopoly, Nintendo Monopoly usw usf), Jubiläums-Ausgaben zu jeder (un)passenden Gelegenheit und anderem.
Schach hat eine noch längere Tradition und gilt als ein schützenswertes Kulturgut. Es werden z.B. Schachclubs in Schulen eingerichtet und wirklich jeder kennt Schach. Auch hier hat das meiner Meinung nach wenig mit den (für diesen Zweck sehr guten) Regeln von Schach zu tun, sondern mit seiner Geschichte und kulturellen Einbindung.

Heutzutage sind die Anforderungen an eine spaßige Freizeitbeschäftigung andere. Nicht nur Rollenspielverlage hauen in einem bestimmten Turnus ein Regelwerk nach dem Anderen heraus. Die reine Zahl der unterschiedlichsten Brettspiele ist verglichen mit 1990 geradezu atombombenmäßig explodiert. Woran liegt das? Schach ist doch seit Jahrhunderten toll! Mensch ärgere dich nicht gibts auch schon seit Anno Zwieback unverändert im Spielwarenladen.
Ich behaupte, dass das Thema Freizeitgestaltung um mehrere Faktoren zu komplex ist, um bestimmte Entwicklungen (Rückgang der jungen Neuspieler) an Einzelposten ("zu" komplexe Regeln) festzumachen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Pyromancer am 21.06.2015 | 13:00
Im Turnierbereich werden die Schach-Regeln übrigens alle naslang geändert, und auch "neue Subsysteme" eingeführt (Blitz, Armageddon).
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sashael am 21.06.2015 | 13:18
Das ist falsch. Es hat mit Abstand am meisten mit den Regeln zu tun. Die Geschichte und kulturelle Einbindung rührt daher.
Sorry, das hier ist kein Thema über Schach, aber das obige konnte ich nicht stehen lassen.
Naja, jetzt im 21. Jhd ist das langsam ein Huhn-Ei-Thema.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Pyromancer am 21.06.2015 | 13:21
Und sorry, auch das ist falsch. Die Regeln werden nicht geändert, sondern die Organisation bzw. der Ablauf des Spielens wird leicht variiert. Großer Unterschied!
Die Regeln (inkl. Rochade und en-passant) sind in jedem Schachturnier die Gleichen. Weltweit. Seit über hundert Jahren.

Ich halte neue Spielmodi wie Armageddon schon für "neue Regeln". Aber ich bin kein Turnier-Spieler, und wenn du das anders siehst, will ich darüber nicht streiten.  8)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sashael am 21.06.2015 | 13:21
Es ist einfach völlig an der Kenntnis des Spiels vorbei, wenn du behauptest, dass es sich bei Schach um ein kulturell gehyptes Produkt handelt, das nur zufällig gute Regeln hat.
Behaupte ich nicht. Und wenn du darüber diskutieren willst, mach ein neues Thema auf oder schreib mir ne PM. ;)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: YY am 21.06.2015 | 13:26
Schach gibts seit 400 Jahren - unkompliziert, dafür sehr komplex. Die Regeln sind konstant, genauso wie zentrale Mechanismen im Rollenspiel. Auch zahllose andere Gesellschaftsspiele haben seit ihrem Erscheinen konstante Regeln.

Es wurde zwar schon geschrieben, aber trotzdem:

Schach kennt viele Varianten, von denen einige sehr neu sind.
Der Regelkern bleibt gleich, aber es wird explizit nach einem anderen Spielgefühl bzw. anderen/zusätzlichen Schwerpunkten im Spielverlauf gesucht.

Und Monopoly ist dahingehend mein Lieblingsbeispiel - ein Urgestein der modernen Gesellschaftsspiele, bei dem die Regeln unter Spieldesign-Aspekten einzig den Vorteil der Einfachheit haben und ansonsten eine ziemliche Katastrophe sind.

Da trägt die Einfachheit sicher zur Verbreitung bei, aber gut ist dann doch anders.
Wie viele von den richtigen Brettspielcracks spielen Monopoly?  ;)



Zumindest zeigt eine 5. Ed. in 40 Jahren, dass das bisherige Regelwerk wohl nicht der Weisheit letzter Schluss war.

Aber der Weg, den die 5. Ed. einschlagen wird, zeigt auch:
Da wird "nur" an der Ausführung gefeilt und hoffentlich verbessert, nicht aber an der grundsätzlichen Ausrichtung.

DSA 5 wird definitiv nicht zu den einfachen Regeln auf dem Level von DSA 1 und 2 zurückkehren.


Guckt man in laufende Runden, findet man mittlerweile selten Spieler unter 30 Jahre. Wie alt waren die alle noch, als sie selber zum RPG kamen? Gibt der Unterschied, derzeitiges Durchschnittsalter gegenüber Einstiegsalter zu denken? Warum waren wir im Einstiegsalter 12 - 17 Jahren so begeistert, trotz der damals schlankeren Regeln?

Mit "Überalterung" bzw. schleppendem Nachwuchs haben in der Breite fast alle Vereine und Freizeitorganisationen zu kämpfen.


Aber ich kann aus meiner Erfahrung und dem Blick zu vielen Bekannten sagen:
Nach dem Einstieg fing bei vielen eben die Bastelphase an, weil gefühlt Regeln für mache Dinge "fehlten". Man schrieb Hausregeln oder ganze eigene Regelwerke, kaufte zig andere - komplexere - Systeme usw..

Einige gingen dann wieder zurück zu einfacheren Regeln, andere blieben bei eigenen oder gekauften komplexen Regelwerken.

Heute kann man Einsteigern und Neulingen die Selbstfindung erleichtern.
Wer fragt und sucht, hat es viel leichter, über den Tellerrand zu blicken und die regeltechnische Ecke im Hobby zu finden, in der er sich am Wohlsten fühlt.

Dass man nicht gut mit enorm komplexen Regelwerken einsteigen kann, ist unbestritten.
Aber dafür gibt es im Zweifelsfall Einsteigerboxen oder gleich einfache Regelwerke.

Man kann aber nicht zu jedem Einsteiger sagen: "Zum Zeitpunkt X in der Zukunft wirst auch du erkennen, dass komplexe Regelwerke ein Irrweg sind, und du wirst zu einfacheren Regeln zurückkehren wollen. Deswegen geben wir dir erst gar keine komplexen Regeln."

Das müssen die Leute mindestens selbst merken und darüberhinaus ist gar nicht gesagt, dass diese "Erkenntnis" irgendwann kommen wird.

Angesichts der Verbreitung und Marktdurchdringung komplexer Systeme muss man sagen: Die Zahl derer, die "das Licht gesehen" haben und heute wieder bewusst einfache Regelsysteme nutzen, ist wohl relativ klein.
Die breite Masse fühlt sich nach der Einstiegsphase sehr wohl mit komplexen Regeln.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 21.06.2015 | 13:41
Abaton: Ja, neue Regelwerke bringen auch nicht wirklich Neues. Eher neue Settings die dan auch Regeln brauchen die man nicht ungeniert abschreiben will und dan anders Akzentuiert.
Chrustchow: D&D ist ja auch nicht das ausgefeilteste aller Regelwerke sondern mehr von Allem etwas mit Tendenz zu Levelpacketen. Da steht das Feintuning  etwas zurueck. Das stoert aber viele nicht.
Aber ich sage jedenfalls das eine gut nachvollziebare Attributeliste fuer mich reicht . Das sind genaugenommen keine komplexen Grundregeln im Sinne von Viel ( aber mehr als nur Erzaehlen ), aber man kann das Grundprinzip vielfaeltig und immer noch mit gleichen Grundwerten je nach varieren. Jedenfalls meine ich eben  verstaendliche Werte reichen und machen Levelpackete überflüssig.
Manche wollen das eben Zusammengefasster mit Spektakel wie etwas bei D&D. Ja, bei D&D zb  fuehle ich mich manchmal im Ungewissen Handwedeln zur Wertebestimmung. Und das mag ich nicht so.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 21.06.2015 | 13:50
Ja. Natürlich.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 21.06.2015 | 13:55
Und ja, DSA4 halte ich auch fuer aufgeblaeht, aber mehr am Text als an Regeln, da viele optional sind. Aber auch von mehrfachen Grundwuerfeleien merke ich teils sie  nicht zu wollen und bleibe bei DSA2/3 das ich auch schoener und eben kompakter geschrieben finde. Was schoen ist, ist eben das Talentorientierte.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Edvard Elch am 21.06.2015 | 14:06
Und ja, DSA4 halte ich auch fuer aufgeblaeht, aber mehr am Text als an Regeln, da viele optional sind. Aber auch von mehrfachen Grundwuerfeleien merke ich teils sie  nicht zu wollen und bleibe bei DSA2/3 das ich auch schoener und eben kompakter geschrieben finde. Was schoen ist, ist eben das Talentorientierte.

Du findest also die 3W20-Talentprobe nicht so pralle (oder was meinst du sonst mit "mehrfache Grundwürfeleien"?) und spielst deshalb lieber DSA 2/3, weil die so schön talentorientiert sind – also vor allem diese wunderbare 3W20-Talentprobe haben? Habe ich das richtig verstanden?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 21.06.2015 | 14:09
Und nochmal, mit Komplex meinte ich mehr das Setting. Regeln muessen nicht kompliziert sein, evtl viele Bereiche, aber immer selbe verstaendliche Basis. Das ist aber mehr als nur Erzaehlen sondern Simulation.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 21.06.2015 | 14:17
E. Elch: Nein, auch DSA2 hatte schon je Talent 3 Teilwuerfe, das geht ja noch. Bei anderen Sachen wirds mir zu umstaendlich. Zb Zaubern mit Erschwerniß nach Fehlwurf und Anderes. Viele Zusatzwuerfe brauch ich nicht.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: YY am 21.06.2015 | 14:18
Regeln sind es ja schon (Metaregeln), aber Spielmechanismen nicht.

Diese Regel ändert allerdings das Spielgefühl und  - viel wichtiger - wird viele große und kleine Entscheidungen im Spielverlauf wesentlich prägen.

Ja, es ist keine Spielmechanik, aber das Spiel spielt sich dadurch deutlich anders.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 21.06.2015 | 16:00
Wie Turning Weel schon hingewiesen hat, Schach hat feste Regeln, die sich auf das beziehen, was sich auf dem Brett abspielt. Ob das Turnierformat Schachuhren oder anderes verwendet, hebelt die Grundregeln nicht aus. Und ob Alessio Calvatore sich mit Abwandlungen von Shuuro verspielt, verändert nicht die Regeln des ursprünglichen Spiels.

Die breite Nebendiskussion über die Historie von Brettspielen erklärt auch wenig über ständig neue Editionen von vorhandenen Rollenspielen. Klar kehren die nicht zur 1. oder 2. Ed. zurück. Man will ja in spätestens 10 Jahren die 6.Ed. schreiben. Dass DSA-5 das DSA-4 ablösen soll, weil sich das Freizeitempfinden seit der letzten Ed. so wesentlich geändert haben könnte, ist ein mir völlig neues Konzept. Das sollte man mal an Ulysses antragen. Es ist auch wesentlich schwieriger, eine ev. neue These in der Diskussion sofort umfassend zu begründen, als in ihr Aussagen zwischen den Zeilen erkennen zu wollen und dieser ohne eigene Argumentation zu widersprechen. Das führt nicht zum überdenken, sondern zum Stillstand.

Die erklärte Zielgruppe der Tabletops sind Jugendliche zwischen 12-16 Jahren. Die Verkaufszahlen und Kundenspiegel vom größten Anbieter Games-Workshop zeigen das deutlich. Die Zielgruppe der Brettspieler sind Familien. Da hab ich zwar keine Kundenspiegel, allerdings zielen die eh mehr in die Mitte der Gesellschaft. Doch RPGs wandern immer mehr in die Ecke. Früher waren sie im normalen Buch- und Spielhandel zu erwerben. Danach wurden die RPGs immer spezieller. Heute kriegst Du sie nur noch Online oder in speziellen Fantasyläden. Nur sterben diese Läden immer mehr. Die Verlage krebsen am Minimum. Einige der letzten Berufsredakteure haben ja jüngst wieder aus dem Nähkästchen geplaudert. Die Verkaufs- und Spielerzahlen sind rückläufig. Wer das bestreitet, ignoriert die Redaktionsberichte.

Was macht die RPG-Gemeinde? Ja Schuld ist zum Glück immer das Umfeld. Die Computer sind soo toll und locken Kinder komplett vom sozialen Freundeskreis in die Anonymität des Bildschirms. Jugendlichen können eh nimmer gut lesen, die werden mit Regelbüchern überfordert. Ja, toll, wenn man mehr oder weniger schlüssige Ausreden hat. Nur sehen sich die Regelgurus der RPG-Gemeinde NIE selber in der Verantwortung. Das ist sehr bequem, macht sie elitär und liegt ev. am Wesen von Fachforen.

Das Umfeld kann ich nicht ändern. Ich darf aber drüber nachdenken, was ich selber ändern könnte oder gerne würde, um RPG wieder breiter aufstellen zu können. Sogar wenns nix bringt, darf ich drüber nachdenken.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Rhylthar am 21.06.2015 | 16:13
Zitat
Die Computer sind soo toll und locken Kinder komplett vom sozialen Freundeskreis in die Anonymität des Bildschirms.
Wieso Anonymität?

1. Wie viele RPG werden schon jetzt online gespielt? Hangout, Foren, etc.
2. Man muss nicht immer nur so tun, als wären RPG das "Gute" und der PC das "Böse". Kannst ja gerne hier im Forum die aktiven MMORPG-Spieler fragen, ob sie es als schlecht empfinden. Ich kann Dir nur meine Meinung sagen: Für nichts würde ich die 6 Jahre WoW gegen etwas anderes tauschen wollen.

Zitat
Jugendlichen können eh nimmer gut lesen, die werden mit Regelbüchern überfordert.
Als Lehrer von 16 - 20+ Jahre alten Schülern sage ich Dir: Stimmt. Oder anders: Die Aufmerksamkeitsspanne reicht selten mehr als für eine DIN A4-Seite.

Abgesehen davon, solltest Du einfach mal ein paar Jahre abwarten. Hier sind ein Haufen End-30iger unterwegs mit Kindern; einige werden sicherlich ihr Hobby an diese weitergeben.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: YY am 21.06.2015 | 16:52
Die Zielgruppe der Brettspieler sind Familien. Da hab ich zwar keine Kundenspiegel, allerdings zielen die eh mehr in die Mitte der Gesellschaft.

Brettspiele sind aber auch wieder ein enorm breites Feld, das man mit so einer pauchalen Aussage nicht abhandeln kann.
Es gibt Brettspiele, deren gesamte Zielgruppe sich auf einige hundert bis wenige Tausend Leute beläuft.

Das ist ebenso speziell wie obskure Rollenspiele.


Nur sehen sich die Regelgurus der RPG-Gemeinde NIE selber in der Verantwortung.

Wieso?
Einsteigerboxen, "light"-Versionen u.Ä. sind für einige der größeren Anbieter ein Riesenthema.

Es ist ja auch nicht so, dass die einfacheren Systeme weggehen würden wie warme Semmeln - allerhöchstens unter Neueinsteigern unverhältnismäßig viel, aber das ist nur meine Vermutung.
An den absoluten Zahlen ändert das wenig.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 21.06.2015 | 16:56
Hey Rhylthar, ist Dir der Sarkasmus in meiner Aussage nicht aufgefallen? Wenn ich die Aussagen, "Computer locken alle Kinder in die Anonymität" und "Jugendliche können eh nimmer lesen" schreibe, so zitire ich Ausreden, die ich öfters höre, aber nicht unumschränkt teile.

Dass 16-20 jährige eine Aufmerksamkeitsspanne für max. eine DIN A4-Seite haben, ist wahrlich kein Phänomen der Neuzeit. Das dürfte eher durch Pubertät erklärbar sein und dem Entdecken einer neuen Welt durch Hormonsteuerung. Das war in den 80ern nicht wesentlich anders.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Rhylthar am 21.06.2015 | 18:10
Zitat
Diese Zielgruppe könnte man erreichen, indem man die Regeln in einem Videofilm unterhaltsam erklärt.
Das gibt es meines Wissens noch nicht so wirklich.
Z. B....würde aber evtl. nicht ausreichen.

Um dauerhaft dabei zu bleiben, müsste es wohl "mehr" geben. Film, PC-Spiele, Apps...etc. Auch gerne sowas wie "Importiere Deinen P&P-Charakter in das Spiel XYZ".
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 21.06.2015 | 18:36
Ich habe schon den Eindruck, dass das in den 80ern anders war. Ob es wesentlich anders war, kann ich nicht sagen, aber etwas mehr Lesekompetenz und -bereitschaft
gepaart mit weniger Ablenkung durch andere Medien macht eben schon den Unterschied, den wir heute wahrnehmen.

Nun, das mag schon zutreffen. Ich wehre mich nur dagegen, solche Erscheinungen so zu pauschalieren, dass sie gänzlich erklären sollen, warum RPG-Prints völlig an einer Generation vorbeigehen würden. Die Wahrheit hat mehr Facetten. Und die RPG-Macher können auf Entwicklungen und Interessen einer jungen Zielkundschaft hinarbeiten. Derzeit finden Systemdiskussionen aber größtenteils im Interessenbereich von Altspielern statt. Es mögen Jugendliche auch als Herabsetzung empfinden, wenn man ihnen eine abgespeckte "Einsteigerbox" anbietet, bis sie bei den Großen mitspielen dürfen. Immerhin dürfen sie mit 16 Jahren Motorrad fahren, rauchen und vö...ln. Bei Einführung von DSA und D&D gabs auch keine getrennten Einsteigerboxen.

Diese Zielgruppe könnte man erreichen, indem man die Regeln in einem Videofilm unterhaltsam erklärt.
Das gibt es meines Wissens noch nicht so wirklich.

Diese Idee finde ich sehr gut. Computerspiele haben unzählige Werbespots und Lets-Plays. Gerade letztere sind oft der Grund, warum ein Spiel für viele interessant wird. Diese Lets-Plays kommen fast ausschließlich von Einzelpersonen. Dass einige ihre Uploads mittlerweile zu ihrem Hauptberuf gemacht haben, unterstreicht nur die Wirksamkeit solcher Hilfsmittel.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sashael am 21.06.2015 | 20:01
Es mögen Jugendliche auch als Herabsetzung empfinden, wenn man ihnen eine abgespeckte "Einsteigerbox" anbietet, bis sie bei den Großen mitspielen dürfen. Immerhin dürfen sie mit 16 Jahren Motorrad fahren, rauchen und vö...ln. Bei Einführung von DSA und D&D gabs auch keine getrennten Einsteigerboxen.
Ich habe gerade bei Pubertierenden den Eindruck, dass sie eher dankbar für weniger Text sind. Selbst Leseaffine sind vom Umfang eines durchschnittlichen Rollenspielbuches erst einmal abgeschreckt. Und bei der Einführung von DSA und D&D damals in den 80ern waren die kompletten Regeln so umfangreich wie heutige Einsteigerboxen. Das ist also ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen.

Computerspiele haben unzählige Werbespots und Lets-Plays. Gerade letztere sind oft der Grund, warum ein Spiel für viele interessant wird. Diese Lets-Plays kommen fast ausschließlich von Einzelpersonen. Dass einige ihre Uploads mittlerweile zu ihrem Hauptberuf gemacht haben, unterstreicht nur die Wirksamkeit solcher Hilfsmittel.
Es gibt Lets-Plays von Rollenspielrunden auf Youtube. Und sie sind zu einem überwältigenden Großteil einfach Scheisse. Rollenspiel kann man nicht vorführen, ohne dass es für den unbedarften Zuschauer merkwürdig wirkt. Die allermeisten Mitschnitte sind von Rollenspielern für Rollenspieler gemacht. Damit holt man keine Neuspieler ins Boot. Rollenspiel muss man erleben, mit drin sein. Selbst unter Rollenspielern ist es schwierig, die doch oft auftretende Situationskomik einer Spielrunde zu vermitteln. Da lacht man sich am Spieltisch halb kaputt, aber wenn man es später erzählt, wirkt es einfach nur seltsam und unlustig. Auch die Aufregung in spannenden Momenten kann man durch Videos nicht vermitteln.

Rollenspiel ist kein Film, ist kein Buch, ist kein Theaterstück.
Es ist Rollenspiel.

Und dieses wird oft nicht einmal von den Läden beworben und unterstützt, die den verdammten Scheiß verkaufen. In so manchem einschlägigen Fantasyladen gibt es jede Menge TCG-Turniere, aber keinen Rollenspielnachmittag. Tabletop-Ligen, aber keine Spielrunden-Organisation. Man beklagt sich über zurückgehende Verkäufe von Rollenspielbüchern, aber die Verkäufer und Betreiber der Läden lassen die RPGs oft genug einfach links liegen und kümmern sich ausschließlich um die Sektoren, die kontinuierliche Verkäufe in Form von Boosterpacks und Miniaturen versprechen. Ökonomisch sicherlich eine korrekte Entscheidung, aber für das Hobby Rollenspiel eine fatale.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 21.06.2015 | 20:22
Mit der Nachwuchsgewinnung an sich sind wir hier aber beim nächsten Thema, oder?

Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 21.06.2015 | 20:37
Zitat
Zitat
Zitat von: Abaton23 am Heute um 18:36

    Es mögen Jugendliche auch als Herabsetzung empfinden, wenn man ihnen eine abgespeckte "Einsteigerbox" anbietet, bis sie bei den Großen mitspielen dürfen. Immerhin dürfen sie mit 16 Jahren Motorrad fahren, rauchen und vö...ln. Bei Einführung von DSA und D&D gabs auch keine getrennten Einsteigerboxen.

Ich habe gerade bei Pubertierenden den Eindruck, dass sie eher dankbar für weniger Text sind. Selbst Leseaffine sind vom Umfang eines durchschnittlichen Rollenspielbuches erst einmal abgeschreckt. Und bei der Einführung von DSA und D&D damals in den 80ern waren die kompletten Regeln so umfangreich wie heutige Einsteigerboxen. Das ist also ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen.

Seh ich anders, das ist ein hervorragender Vergleich von Äpfeln mit Äpfeln. Du hast gerade selber erklärt, dass bei der Einführung von DSA und D&D in den 80ern die kompletten Regeln so umfangreich wie heutige Einsteigerboxen waren. Drum konnten sich die Teenies damals leichter damit identifizieren. Drum können heutige Teenies nichts mit einem Regelwerk a`la DSA über 4 Bücher anfangen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sashael am 21.06.2015 | 21:04
Seh ich anders, das ist ein hervorragender Vergleich von Äpfeln mit Äpfeln. Du hast gerade selber erklärt, dass bei der Einführung von DSA und D&D in den 80ern die kompletten Regeln so umfangreich wie heutige Einsteigerboxen waren. Drum konnten sich die Teenies damals leichter damit identifizieren. Drum können heutige Teenies nichts mit einem Regelwerk a`la DSA über 4 Bücher anfangen.
Okay, jetzt widersprichst du dir meiner Meinung nach.
Du vergleichst die Situation aus den 80ern mit rudimentären Regelsätzen (sorry, liebe Oldschooler, nicht böse auffassen) mit den heutigen überkomplexen Regelwerken. Auf der einen Seite vermutest du, dass die Teens sich durch verschlankte Lightversionen zurückgesetzt fühlen und dann sagst du, dass schlanke Regelwerke genau das sind, was die Teens brauchen.

Also wie denn nun?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 21.06.2015 | 21:41
Okay, jetzt widersprichst du dir meiner Meinung nach.
Du vergleichst die Situation aus den 80ern mit rudimentären Regelsätzen (sorry, liebe Oldschooler, nicht böse auffassen) mit den heutigen überkomplexen Regelwerken. Auf der einen Seite vermutest du, dass die Teens sich durch verschlankte Lightversionen zurückgesetzt fühlen und dann sagst du, dass schlanke Regelwerke genau das sind, was die Teens brauchen.

Also wie denn nun?

Nun, wir sind uns einig, dass Teens sich leichter in schlanke Regelwerke einfinden können. Das waren in den 80ern die Mainstreamsysteme. Heute sollen das aber nur "Einsteigersysteme" sein? Genau das ist die Degradierung der schlanken Systeme mit der Unterstellung von "Anfängerniveau" und auch die Degradierung der Jugend.

Vor allem, was können die heutigen überkomplexen Regelwerke darstellen, was die "rudimentären Regelsätze der 80er" nicht konnten? Das klingt doch schön elitär.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sashael am 21.06.2015 | 22:54
Vor allem, was können die heutigen überkomplexen Regelwerke darstellen, was die "rudimentären Regelsätze der 80er" nicht konnten? Das klingt doch schön elitär.
Was können heutige Füller, was die Gänsefedern der Mönche im Mittelalter nicht konnten? Die sind doch voll elitär.

Ich finde es ganz schön elitär, heutigen durchdesignten Regelwerken einen Mehrwert abzusprechen. Das klingt in meinen Ohren viel mehr nach Besserspielerattitüde als alles andere.
Und sorry, aber diese Deppen, die sich und ihr Spielsystem für was Besseres hielten und auf weniger regelgewandte Mitspieler herabblickten, die rannten auch in der "guten alten Zeit" im Dutzend billiger über die Cons.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: YY am 21.06.2015 | 23:00
Heute sollen das aber nur "Einsteigersysteme" sein? Genau das ist die Degradierung der schlanken Systeme mit der Unterstellung von "Anfängerniveau" und auch die Degradierung der Jugend.

Schmeiß nicht Einsteigerboxen und schlanke "vollständige" Systeme zusammen.
Einsteigerboxen gibt es ja gerade nur von Systemen, die man Kritikern zufolge einige Semester studieren muss... ;)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Edvard Elch am 21.06.2015 | 23:06
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Thandbar am 21.06.2015 | 23:16
Vor allem, was können die heutigen überkomplexen Regelwerke darstellen, was die "rudimentären Regelsätze der 80er" nicht konnten? 

Eigentlich wird, so zumindest mein Eindruck, die "Überkomplexität" allenthalben abgebaut, und das schon seit Jahren.
In D&D war die 4E schon mal etwas schlanker als die 3E. Die 5E hat dann nochmal deutlich weniger Regeln, eigentlich sogar weniger als AD&D (wo es viele Ausnahmen und Subsysteme gab).
Shadowrun ist in den letzten Editionen angeblich auch immer weiter gestreamlinet worden.
Ars Magica ist von 4 auf 5 ebenfalls einheitlicher geworden.
Die nWoD wirkt in meinen Augen deutlich schlanker im Vergleich zur oWoD.
Exalted 3 *soll* einfacher werden als der Vorgänger (naja, mal abwarten ...)

DSA mit dem deutlichen Anstieg an Regelbestandteilen von der 3 auf die 4 ist, glaube ich, eher ein Extrem- und Spezialfall. Aber auch hier will man doch mit der fünften Edition eher wieder zurückschrauben.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chiarina am 21.06.2015 | 23:18
Ars Magica 5 ist einheitlicher als Ars Magica 4. Schlanker aber sicherlich nicht.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Eulenspiegel am 21.06.2015 | 23:29
@ Abaton23
Nein, Light-Versionen sind kein "Anfänger"-Niveau. Light Versionen sind Regeln für Leute, die es nunmal leichtgewichtig spielen wollen.

Es hindert niemanden, als Anfänger eine Heavy-Version zu spielen und als Fortgeschrittener dann auf die Light-Version zu wechseln. Das ist erlaubt und auch möglich. Trotzdem macht es kaum jemand.

Aber ich kenne Dutzende Leute, die als Anfänger die Light-Version hatten und als Fortgeschrittener dann auf die Heavy-Version umgestiegen sind. - Aber um das klarzustellen: Das war freiwillig! Sie hätten auch bei der Light-Version bleiben können.

Was spricht in deinen Augen also dagegen, wenn es eine Light-Version und eine Heavy-Version gibt? Was spricht dagegen, dass die Leute sich selber aussuchen können, ob sie nun die Light-Version oder die Heavy-Version spielen?

Zur Frage, was die Heavy Versionen darstellen können, was die Light-Versionen nicht können:
1) Sie können kleinere Unterschiede darstellen. Zwei Gegenstände/Eigenschaften/Aktionen, die in der Light-Version gleich wirken, sind in der Heavy-Version unterschiedlich.
In der Light-Version macht es vielleicht keinen Unterschied, ob ich auf die Brust, den Kopf oder den Arm schieße. In der Heavy-Version gibt es diesen Unterschied dann.

2) Heavy-Versionen bieten darüber hinaus auch häufig mehr regeltechnisch relevante unterschiedliche Handlungsoptionen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Bad Horse am 21.06.2015 | 23:30
Wenn es so eine Einteilung gibt, werden die meisten Folgeprodukte für die Vollversion produziert und nicht für die Light-Version.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Eulenspiegel am 21.06.2015 | 23:34
Inwiefern?

Wenn ich mir die Gurps-Folgeprodukte anschaue, dann sind diese sowohl für die Gurps-Lite als auch für die Gurps-Heavy Versionen anwendbar.

Ausnahme natürliche Regelerweiterungen. Regelerweiterungen machen natürlich nur für Spieler Sinn, die auch Heavy spielen wollen. - Aber Setting-Erweiterungen und ABs sind für beide Regelversionen anwendbar.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 21.06.2015 | 23:46
Fate wird gerade in unterschiedlich schweren Versionen gehandelt. Das scheint zu funktionieren.

Ich will ne SEUCOR-Einsteigerbox. Lsst sich da was machen, 1of3? Kickstarter?  ~;D

Also ich kann dir nen Post-It-Zettel in nen Schukarton kleben. Wenn du mir dafür Geld schicken möchtest, geb ich dir gern meine Kontonummer. ;)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 22.06.2015 | 00:01
Eulenspiegel, ich unterstelle nicht Light-Versionen ein "Anfänger"-Niveau. Bitte beachte, ich bezog meine Antwort auf diese Aussage:

Ich habe gerade bei Pubertierenden den Eindruck, dass sie eher dankbar für weniger Text sind. Selbst Leseaffine sind vom Umfang eines durchschnittlichen Rollenspielbuches erst einmal abgeschreckt. Und bei der Einführung von DSA und D&D damals in den 80ern waren die kompletten Regeln so umfangreich wie heutige Einsteigerboxen. Das ist also ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: D. M_Athair am 22.06.2015 | 11:08
... wegen genau der diskutierten Themen hier, hätte ich mir gewünscht, dass Mantikore auf das Dragon Age RPG setzt und nicht auf das Lied von Eis und Feuer RPG. Ich kann verstehen, warum sie Letzteres zur Übersetzung lizensiert haben. Trotzdem ist die Entscheidung für mich eher eine verpasste Chance. Auch wenn SoIF im deutschsprachigen Raum sicher nicht schlecht läuft, wäre DA für die Zielgruppe der Neulinge das attraktivere Spiel gewesen. Trotz Aborea und Dungeonslayers.

(Wobei ich natürlich nicht weiß, ob der Verlag versucht hat DA zu bekommen. Die Lizenzen von DA und SoIF werden auch nicht gleich teuer sein. Und ob Online-Formate TableTop und Titansgrave - The Ashes of Arcana für die anvisierte Zielgruppe hier einen Mehrwert haben, darf bezweifelt werden.)   
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 22.06.2015 | 13:40
Dungeonslayers ist ein attraktives Spiel mit einer sehr regen Community. Ich kanns nur empfehlen. Wir hatten hier mal ne recht gute Kampagne, die vor allem auch soziale Konflikte, Sandboxing in der Stadt und gesellschaftliche Ränkespiele abhandelte. DS kann das durchaus, trotz sehr kompakter Regeln auf, ich glaube grade mal auf 11 Seiten Regeltext.

Wir untersuchten vor Start der DS-Kampagne auch Aborea. Leider kommt da schon lange nix mehr vom Verlag. Es vegetieren seit fast 3 Jahren unverändert ne Starterbox, 1 Abenteuerheftchen und zwei verhungerte PDFs im Verlagsshop. Das alles scheint dort eher zur ewigen Ruhe gebettet worden zu sein. Schade, etwas mehr Energie hätte wohl zu ähnlichem Erfolg wie DS führen können.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Tyloniakles am 22.06.2015 | 13:59
Dungeonslayers für Intrigen und soziale Konflikte nutzen ist aber auch so ähnlich wie Schachspielen+Boxkampf?  ~;D

Ergänzt sich nicht sinnvoll, kann aber von Verrückten kombiniert werden ;)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 22.06.2015 | 14:31
Die Rollenspieler sind auch nicht dazu da einer  da  etwas verbloedeten Jugend/ Zeit ihre schnellen Haeppchen zu servieren. Es gibt tausende Computerspiele dafuer.
Und Rollenspiele kehren sehr wohl zu aelteren Editionen zurueck wie man sah. Außerdem gibts eher neue Variationen aber keine Systemsteigerungen bei neueren Editionen, es sind meisst nur andere Akzente.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 22.06.2015 | 21:05
Dungeonslayers für Intrigen und soziale Konflikte nutzen ist aber auch so ähnlich wie Schachspielen+Boxkampf?  ~;D

Ergänzt sich nicht sinnvoll, kann aber von Verrückten kombiniert werden ;)

Nun, bei uns hat es sich durch das Sandboxing ergeben. Ich reagierte als SL nur auf die Erwartungen der Spieler. Das hat dann auch recht gut geklappt. Intrigen und soziale Konflikte ergeben sich gut aus dem Verhalten der Spieler innerhalb ihrer Rolle. Ein Verlangen nach einem engeren Regelkorsett trat bei niemandem auf.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 22.06.2015 | 23:19
Wenn ich lese, wie einige Leute hier auf den potentiellen Nachwuchs schauen, sehe auch direkt noch ein weiteres Erklärungsmodell neben der verblödeten Jugend, warum die denn so schwer zu mobilisieren sind sein sollen...  :q
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sashael am 23.06.2015 | 04:47
Verwechsle deine persönliche Situation nicht mit dem Zustand eines ganzen Hobbys.
Ohne deine Vorarbeit hätten die beiden sowas nicht gemacht. Rollenspiele 6jähriger sind normalerweise regelloses Herumtoben mit Anweisungen der Extrovertierteren, was als Nächstes passieren wird. Wenn dein Kurzer sich eigene faire Regeln für ein Tischrollenspiel ausgedacht hat, dann hat er meine Hochachtung.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Rhylthar am 23.06.2015 | 10:10
Da lässt man aber ein paar Entwicklungen imho außen vor.

Bei der Fülle an Informationsquellen, die jungen Leuten heute zur Verfügung stehen, ist bedrucktes Papier nicht zwingend die erste Wahl.

Man kann es gut oder schlecht finden...aber ohne größere elektronische Unterstützung wird es zunehmend schwieriger, junge Menschen fürs RPG zu begeistern.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 23.06.2015 | 11:40
Ich hab das missverständlich ausgedrückt.
...Die seit der Antike beschworene Unfähigkeit und Oberflächlichkeit der Jugend ist keine neue Präferenz, sondern eine
romantisierende Sichtweise der Vorgenerationen auf ihre eigene Fähigkeit in Jugendjahren und die daraus resultierende
Kritik am Status Quo der Jüngeren.
Um es konkret zu sagen: Die Jugend hat Lust und Fähigkeiten. Der Grund, dass sie sich nicht mit Rollenspiel beschäftigen
liegt vermutlich nicht an ihnen, sondern an der mangelhaften Weitergabe durch die, die es momentan in der Hand hätten.
Wenn es Produkte und Wege gibt, die für heutige Jugendliche passen, dann sind die auch bereit sich damit zu beschäftigen.
Ich hab ja damals auch mit einem roten D&D-Heft angefangen. Wenn mir jemand stattdessen einen 250-Seiten-Schinken
hingeknallt hätte, hätte ich vermutlich auch die Segel gestrichen.
Das ist gut ausgedrückt. Sicher gibt es heute schlanke Indie-Systeme. Nur kennt die kein Mensch, der nicht vorher mit einem Mainstream-System in Kontakt war oder von anderen RPG-Kennern gezielt damit in Kontakt gebracht wurden.

Die Mainstreamsysteme von heute? Na, wenn die Ende der 80er schon solche fetten Regeln über mehrere Bücher verteilt hätten wie heute, wär ich als Teen da auch nicht eingestiegen. Und die Einsteigerboxen der Mainstream-Systeme? Die werden derzeit kaum in einem Bereich beworben, wo der aussenstehende Neuinteressent mal drauf stoßen würde. Der könnte nur in gezielten Fachbereichen oder durch Altspieler drauf stoßen. Die werden aber eher das Vollsystem bespielen und ihm auch das anpreisen. Damit beißt sich die Katze in den Schwanz.

Da lässt man aber ein paar Entwicklungen imho außen vor.

Bei der Fülle an Informationsquellen, die jungen Leuten heute zur Verfügung stehen, ist bedrucktes Papier nicht zwingend die erste Wahl.

Man kann es gut oder schlecht finden...aber ohne größere elektronische Unterstützung wird es zunehmend schwieriger, junge Menschen fürs RPG zu begeistern.
Stimmt wohl, dass bedrucktes Papier immer weniger Bedeutung hat. Nur, wie tritt die elektronische Unterstützung derzeit an junge Neuinteressierte heran? Derzeit tut sich da in der RPG-Welt wohl kaum was. Man sitzt in besonderen "Fach"-ecken, -verlagen und -foren irgendwo im World-Wide-Web die Zeit ab und erwartet, dass der Neuinteressent einen gezielt findet. Wobei der Neuinteressent nichtmal ahnt, dass es da was gibt, nach dem er googeln sollte.

Die Macher könnten sich mal einige Gedanken drüber machen, wie man überhaupt Neuinteressenten erreicht. Die sitzen derzeit eher als anonyme Produktlieferanten irgendwo in einer Garage am Stadtrand und erwarten, dass allein Mundpropaganda und Fachgespräche auf Produktmessen Ströme von Käufern zu ihnen hinpilgern lassen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Thandbar am 23.06.2015 | 13:11
Ich bin mir nicht sicher, aber ich finde, dass einige Argumente hier auf unbewiesenen und zweifelhaften Vorannahmen basieren.

Neueinsteiger müssen nicht primär Jugendliche sein. Es gibt genügend Hobbys, die sich nicht vorrangig an männliche Pubertierende richten und dennoch erfolgreich sind.

Wenn ein dominantes neues Medium erscheint - wie Computer- und Konsolenspiele -, wird der eigene Kuchen notwendig kleiner. Das muss allerdings nicht unbedingt schlecht sein oder zum Aussterben des alten Mediums führen.

Vielleicht gehöre ich da einer Minderheit an, aber ich finde den Status Quo des Rollenspielangebots großartig, und möchte die heute verfügbaren Systeme nicht durch ihre Vorgänger eintauschen. Wäre das Rollenspiel heute wie in den 80ern aufgestellt, würde ich mich jetzt vermutlich nicht mehr für das Hobby erwärmen können.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 23.06.2015 | 14:05
Die Basis der Mechanismen haben sich nie wirklich geändert oder wirklich neu erfunden, der Rest ist mehr oder weniger Zusatz. Frueher gabs einfach nicht so viel Ablenkung des Internet mit aufwaendigen PC- Spielen, dem Hauptgrund. Zu D&D zb gabs jahrelang garnichts mehr in Deutsch. Viele Systeme gabs eigentlich immer schon, aber evtl nicht so viele wie jetzt auch über Internet.  Spricht aber eigentlich  fuer viel  Angebot.
Ich weiss aber garnicht um wieviel weniger gespielt wird. Liegt aber  eben an besagter Mode zwischen massiver PC-Ablenkung und  wenig Werbung.
Dan vermute ich auch bei guten Systemen zu umstaendliche Schreibweisen und daneben viele  leichtere Eintagsfliegen ( aber wohl nichts Neues ) . Die großen Systeme waren in den 90gern im Wachstum dahin , wo anspruchsvollere Systeme schon vorher an Komplexitaet waren, eben zu Zusatzregeln.
 D&D zb splittete sich dan  mit vielen Editionen, evtl zusehr.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Thandbar am 23.06.2015 | 14:29
Die Basis der Mechanismen haben sich nie wirklich geändert oder wirklich neu erfunden, der Rest ist mehr oder weniger Zusatz. 

Das betrifft aber nur die Mainstream-Systeme. Wobei Fate ja mittlerweile wohl mit Recht auch als Mainstream-System bezeichnet werden kann - und das funktioniert schon deutlich anders als die klassischen Rollenspiele.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 23.06.2015 | 14:46
Wobei auch FATE dem zentralen Probenmechanismus unterliegt:

SPETZ. HANDLUNG mit zugehörigem SPIELWERT ermöglicht  Würfel-PROBE
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Thandbar am 23.06.2015 | 14:55
Wobei auch FATE dem zentralen Probenmechanismus unterliegt:

SPETZ. HANDLUNG mit zugehörigem SPIELWERT ermöglicht  Würfel-PROBE

Aber was die Probe bewirkt, ist dann wieder was ganz anderes. Der Spieler darf dann nämlich zB sagen, was der Fall ist, anstatt dass der Spielleiter es ihm kanonisch mitteilt.
Aber das wurde ja vorhin schon gesagt: Wann gewürfelt wird, wer darüber entscheidet, und was man damit machen kann, ist wichtiger als die bloße Tatsache, dass da gewürfelt wird.
Viel wesentlicher als das von Dir fett Geschriebene sind die Wörter, die Du nicht unterstrichen hast: "zugehörig[]" und "ermöglicht". Denn wer über diese Punkte das Sagen hat, hat die eigentliche "Macht" im Spiel inne.   
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 23.06.2015 | 15:27
Aber was die Probe bewirkt, ist dann wieder was ganz anderes. Der Spieler darf dann nämlich zB sagen, was der Fall ist, anstatt dass der Spielleiter es ihm kanonisch mitteilt.
Aber das wurde ja vorhin schon gesagt: Wann gewürfelt wird, wer darüber entscheidet, und was man damit machen kann, ist wichtiger als die bloße Tatsache, dass da gewürfelt wird.
Viel wesentlicher als das von Dir fett Geschriebene sind die Wörter, die Du nicht unterstrichen hast: "zugehörig[]" und "ermöglicht". Denn wer über diese Punkte das Sagen hat, hat die eigentliche "Macht" im Spiel inne.
FATE ist eine schöne Umsetzung des Geistes des Rollenspiels als eine Kooperation mehrerer Spieler. Das finde ich auch gut. Die Wörter, welche ich nicht fett geschrieben habe, waren im sozialen Umfeld allerdings schon in den Oldschoolsystemen von 1980 präsent. Wie die Spieler dort das Sagen verteilt haben, war dort zwar noch weniger regelgeführt, doch haben die Spieler keine Rücksicht geübt, war die Runde meist zum Scheitern verurteilt.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 23.06.2015 | 16:28
@Abaton:
Enthält einen Zufallsgenerator ist jetzt wirklich nicht das tolle Kriterium, um Rollenspiele zu klassifizieren, weil fast alle einen enthalten. Der Unterschied (und Grund, warum gerade alteingesessene Spieler gerne Probleme haben) liegt wirklich in den Worten, die du nicht fett geschrieben hast. Das fängt schon damit an, dass Fate von Grund auf so gebaut ist, dass man sich erst die Aktion in der Fiktion überlegt und dann die Regel dazu sucht. Das ist tatsächlich ein Paradigmenwechsel gegenüber vielen anderen Spielen (den eben vorgenannte alteingesessene Spieler oft nicht nachvollziehen, daher die Probleme).
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 23.06.2015 | 18:20
Hmm, hab jetzt auch 2x FATE gespielt und einige der neuen Regel-PDFs gelesen. Ja, die Spieler haben mehr Erzählrechte. Nur muss die Gruppe auch gemeinsam etwas wollen, damit das besondere Spielgefühl einkehrt. Ich bestätige, das unterstützt FATE mit einigen Überlegungen. Doch auch FATE kann dieses Gefühl nicht regeltechnisch erzwingen. Mir hat FATE Spass gemacht. Doch dass es das Rollenspiel neu definiert? So erheblich fand ich den Unterschied nun auch nicht.

Dieses Co-op-Spielgefühl zwischen Spielern und SL hab ich in stimmigen Runden auch schon bei anderen Systemen fühlen können. Das war immer sehr abhängig von den Spielern selbst und der Bereitschaft des SL, sich auf diese einzulassen und das in der Geschichte zu reflektieren. Ich seh es nach-wie-vor so, Systeme sind wie Werkzeuge. Sind diese gut, gelingt die Arbeit besser. Aber das Resultat entsteht erst mit der Verwendung durch geschickte Handwerker. Das Ergebnis ist dann ein tolles Produkt, in diesem Fall die Lebendigkeit eines Abenteuers, welches man gemeinsam beschreitet. FATE bietet solche Werkzeuge. Nur braucht es auch den Rest.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chruschtschow am 23.06.2015 | 18:46
Doch dass es das Rollenspiel neu definiert?

Das habe ich nicht gesagt. Ein Paradigma ist eine Denkweise, im Prinzip ein Bündel an Regeln. Die sind in Fate zum Beispiel etwas anders als in D&D. Und es geht dabei um keinen einzigen Punkt, den du anführst, sondern eben genau um das Resolutionssystem. Am besten schaust du mal hier auf den Link (https://plus.google.com/+RobertHanz/posts/ZABLztsqnLt), da ist das ausgiebig erläutert, was ich meine.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Thandbar am 23.06.2015 | 19:00
Doch dass es das Rollenspiel neu definiert?   

Das habe zumindest ich nirgendwo behauptet; mir ging es darum, Lysanders These zu widersprechen, im Rollenspiel habe sich seit seiner Gründung nie etwas verändert.
Das erinnert mich an diese eine extrem konservative Aussage vom Pundit, dass erfolgreiches Rollenspiel *immer* D&D nachgebildet sein müsse.

FATE ist imho da ein gutes Gegenbeispiel, wobei es im Ganzen noch immer solche Dinge kennt wie einen starken Spielleiter, der ein beständiges Vetorecht in der Hand hat. Es gibt ja auch Spiele, in denen die altgewohnte Vollmacht der Spielleitung weiter auf andere Mitspieler oder Teile des Systems ausgelagert wird; in Marvel Heroic zB muss der SL auch die Schwierigkeitsgrade für die Würfe, die er verlangt, selber aus seinem Doom-Pool bezahlen (wenn ich mich richtig erinnere).

"Es war schon immer so und deshalb muss es auch immer so sein" finde ich als Argument generell ziemlich schwach. 
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Lysander am 23.06.2015 | 20:04
Klar gibt es Unterschiede, fuer mich aber keine Wesentlichen zu Grundmustern.
Die Aufteilung in Leiter und Spieler ist ja freiwillig. Wenn ein Leiter  genau mit den Werten zu  passend festgelegten Nsc spielt, kann das fuer ihn auch eine Herausforderung sein.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Nørdmännchen am 23.06.2015 | 20:10
Klar gibt es Unterschiede, fuer mich aber keine Wesentlichen zu Grundmustern.

Meiner Meinung nach dreht sich dieser Thread ein wenig im Kreis. Dennoch bleibt das Statement: "Wir können jedes probenbasierte Rollenspiel auf einen immer gleich bleibenden Kern herunter brechen."
Ich persönlich fände es schön, wenn diese These von der Frage der Komplexität sogenannter Mainstream-Regelwerke gelöst werden könnte. Dadurch dürfte die Diskussion in meinen Augen fruchtbarer werden.

An sich sind die Argumente bereits irgendwo gefallen, aber manchmal mag ich Redundanz.

Die bescheinigte Statik ("So ist es eben!") ergibt sich durch die Auswahl des Kriteriums - nicht anders herum. Es ist also nicht so, dass das Kriterium "SPETZ. HANDLUNG & SPIELWERT >> PROBE" Ausdruck oder Produkt einer per se existenten Konstanz ist. Vielmehr ist die Konstanz erst dann wahrnehmbar, wenn das Objekt der Untersuchung exakt so gewählt wird, wie es hier geschieht. Dabei ist die Auswahl mMn durchaus auf Intuition zurück zu führen und nachvollziehbar, bleibt letzten Endes aber willkürlich.
Die Theorie wird dann durch einen Zirkelschluss gefestigt. Ich begrenze meine Studie auf "probenbasierte Regelwerke". Anschließend stelle ich eine relativ allgemeine Definition dessen auf, was eine Probe ist. Diese Definition benenne ich "semirandomisierte Parametrik". Nun analysiere ich meine Studienobjekte anhand der Einzelelemente meiner Definition und stelle fest (oh Wunder), das sie alle unverändert "semirandomisierte Parametrik" enthalten. Auswahlkriterium und geprüfte Parameter sind aber ein und dasselbe. Das ist wie die Feststellung, dass "nicht-alkoholfreies Bier" immer gärungsbedingtes C2H6O enthält. Daher ist Bier immer Bier.

Will sagen: durch den gewählten Ausschnitt kann das völlige Fehlen von Evolution behauptet werden. Die Relevanz anderer Kriterien - die völlig andere Spielgefühle erzeugt - fällt als Möglichkeit unter den Tisch. Sprechtheater* hat "redende Schauspieler auf einer Bühne". Das war schon bei den alten Griechen so, daher gibt es seit dem keine wirklich essentiellen Änderungen mehr.
Ebenso fällt die zunehmende Reichhaltigkeit "nicht-probenbasierter" Systeme unter den Tisch. Deren ständige Interaktion aber eben auch einen wesentlichen Einfluss auf das Hobby allgemein und probenbasierte Systeme im Speziellen hat. Siehe zum Beispiel die Entwicklungsgeschichte von FATE und die darin enthaltene Bedeutung von Amber.

Für den entscheidenden Faktor - das Erleben am Spieltisch - ist das gewählte Kriterium mMn allerdings völlig unzureichend. Hier ist viel spannender, wer aus welchen Gründen Proben verlangt. Außerdem: welche narrativen und formalen Inhalte in die Probe einfließen, welche Entscheidungen getroffen werden können und wie das Spielgeschehen durch den Ausgang der Probe geformt wird. Dort wird entschieden, wie sich das Spiel spielt. Nebensache ist dagegen, ob W4, W8, Münzen, Karten oder Roulette-Tische zum Einsatz kommen.
Bezüglich des obigen Zitats muss ich daher erwidern: Klar gibt es Unterschiede, für mich ganz Wesentliche am Grundmuster!

*EDIT: Mir ist klar, dass die literatur-wissenschaftliche Bedeutung von Sprechtheater streng genommen sogar noch stärkere Abgrenzung ermöglicht. Aber ich bleibe mal bei der Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: blut_und_glas am 23.06.2015 | 21:03
Nebensache ist dagegen, ob es W4, W8, Münzen, Karten oder Roulette-Tische zum Einsatz kommen.

Nur der Vollständigkeit halber: So reduziert unterschlägst du nun wieder aber den möglichen Einfluss (und dessen mögliches Ausmaß) solcher (und anderer) Nebensachen auf das Erleben am Spieltisch.

mfG
jdw
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Nørdmännchen am 23.06.2015 | 22:22
@blut_und_glas:
Ich gebe zu, einige rhetorisch motivierte Übertreibungen unter pseudo-intellektueller Wortwahl begraben zu haben.  ~;D

Aber Du hast schon recht: Auch wenn ich diesen Punkt als sekundär ansehe, kann auch die richtige "Hardware" immense Auswirkungen auf das Spielgefühl haben - grade in Kombination mit einer richtigen Einbettung in die Resolution (haben wir da eigentlich nen vernünftigen deutschen Begriff?).
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Edvard Elch am 23.06.2015 | 22:40
Aber Du hast schon recht: Auch wenn ich diesen Punkt als sekundär ansehe, kann auch die richtige "Hardware" immense Auswirkungen auf das Spielgefühl haben - grade in Kombination mit einer richtigen Einbettung in die Resolution (haben wir da eigentlich nen vernünftigen deutschen Begriff?).

Ich wollte an der Stelle erst Dread einwerfen, dachte mir dann, dass das nicht passt, da es kein Zufallsergebnis produziert sondern Spielergeschick abprüft,¹ andererseits ist es grundsätzlich ein mechanischer Resolutionsmechanismus. Man könnte irgendwann mal eine Typologie der Resolutionsmechanismen erstellen.


¹ Andererseits kenne ich auch Leute, bei denen ein Würfelwurf zu 100 % aus Spielergeschick und 0 % Zufall besteht …
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Nørdmännchen am 23.06.2015 | 23:00
@Edvard Elch:
Ich hätte den ursprünglichen Satz einfach weglassen sollen... ;D Tatsächlich habe ich mich während des Schreibens bewusst dagegen entschieden, "Jenga-Steine" in die Aufzählung mit aufzunehmen. Dread ist tatsächlich ein extremes Beispiel für ein sehr relevantes Resolutions-Instrument. Insbesondere in Abgrenzung Fähigkeit <-> Zufallsgenerator, aber auch aus anderen Gründen...

Schwebt Dir bezüglich der Typologie etwas Anderes oder Spezifischeres vor als Drama, Karma, Fortune und Skill?
(Jede Änderung zwischen diesen Kategorien ist mMn ein starker Eingriff in das Spielgefühl.)

Hmmmh, vielleicht eine Analyse der Korrespondenz von Fiktion und Mechanik? Etwa in Kategorien wie z.B. "taktile ErfahrbarkeitProportionalität", "kognitive Verwandtschaft", "vegetative Entsprechung" oder auch "sozio-kulturelle Assoziation"... ?!  8)='
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Eulenspiegel am 23.06.2015 | 23:23
Ich würde den Resolutionsmechanismus so einteilen:
Und dann kann man danach gehen, wie stark die einzelnen Einflüsse sind. Bei einigen Spielen hat "Zufall" den größten Einfluss (wenn Fertigkeiten bei 1-5 liegen und man anschließend 1W20 dazuwürfelt.) bei anderen der SC (z.B. Amber).
Und dann gibt es hin und wieder Spiele, wo der Spieler auch einen großen Einfluss hat (z.B. Dread, DitV).
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 23.06.2015 | 23:25
Gleich sind wir bei : kann dafür sorgen, dass der Spielleiter eine Woche auf der Couch schlafen muss.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Bad Horse am 23.06.2015 | 23:27
Ich würde eigentlich auch noch mal vor dem "Resolutionsmechanismus" ansetzen. Rollenspiel besteht ja nicht nur aus der Resolution von Konflikten, wenn die auch sicher wichtig ist.

Interessant ist doch auch:
- Wie werden Konflikte initiiert?
- Wann wird der Resolutionsmechanismus eingesetzt?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: blut_und_glas am 24.06.2015 | 00:12
Dread ist tatsächlich ein extremes Beispiel für ein sehr relevantes Resolutions-Instrument. Insbesondere in Abgrenzung Fähigkeit <-> Zufallsgenerator, aber auch aus anderen Gründen...

Eine Abgrenzung die in der Praxis meiner Ansicht nach allerdings rasch verwischt und die gleichzeitig häufig extrem einseitig beleuchtet wird - die Bandbreite verschiedener Fähigkeiten, die von Rollenspielen gefordert werden können, wird nämlich meiner Meinung nach kaum berücksichtigt (Dread wirkt in diesem Zusammenhang auf mich auch immer wieder als eine Art Feigenblatt, mit dem verdeckt wird, dass eigentlich auf logisch-mathematische Fähigkeiten gezielt wird).

Zitat
Drama, Karma, Fortune und Skill?

Auch dies übrigens ein schönes Beispiel: Die Skills, die anderen Kategorien richtig zu lesen und gegebenenfalls im eigenen Sinne zielführend zum Einsatz zu bringen, wird durch das scheinbar gleichberechtigte Nebeneinanderstellen der Kategorien ebenfalls verschleiert, sobald wir beginnen diese Einteilung auf konkrete Mechanismen anzuwenden.

Aber gut, das ist eines von diesen Reizthemen für mich. Ich bin dann mal lieber still. :)

mfG
jdw
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Nørdmännchen am 25.06.2015 | 18:06
Aber gut, das ist eines von diesen Reizthemen für mich. Ich bin dann mal lieber still. :)

Nein, wieso denn - klare Standpunkte schaffen produktive Diskussionen. Ich musste jetzt erstmal meinen Kopf drum wickeln...
Ich versuche jetzt zu paraphrasieren und Stellung zu beziehen - bitte nicht als "Belehrungsversuch" auffassen. Viele der Dinge die ich jetzt ausformuliere, sehe ich in Deinem Beitrag impliziert. Ich gehe also davon aus, Dir nichts Neues zu erzählen.

Ich kann Deine Kritik als notwendigen Disclaimer in diesem Kontext annehmen. Denn eine Regel-Typologie mit dem Anspruch exklusiver Kategorien, dürfte tatsächlich wenig zielführend sein. Das heißt aber nicht, dass z.B. Drama, Karma, Fortune und Skill nicht durchaus Erkenntnisse generieren können bzw. grundsätzlich solche Überlegungen obsolet wären.


Erstmal zu Dread:
Grade Dread ist ein Beispiel, in dem ich anders herum argumentieren würde. Die Abgrenzung ergibt sich insbesondere aus der Praxis. Die Unschärfe der Grenzen wird in diesem speziellen Beispiel mMn erst in der theoretischen Analyse deutlich. Denn, wie Du beschreibst, handelt es sich natürlich nicht um eine eineindeutige Zuordnung.
Die Praxis: Meine bisherigen Mitspieler, viele Gesprächspartner (in Realität und virtuell) und ich selbst haben Dread als extrem besonderes Spielgefühl wahrgenommen und der Aspekt des Skills tritt hier durch seine Andersartigkeit und seine spezifische Interdependenz zur Verfassung des Spielenden in der Wahrnehmung hervor. Daher eignet sich Dread in meinen Augen als Illustration zur Bedeutung der Stellschraube "Skill". Ich sehe also nicht, dass speziell in Dread die Unterschiede durch die Praxis verwischen.
Zur analytischen Kategorisierung: Natürlich enthält auch ein Jenga-Turm einen nicht zu verachtenden Anteil an Zufall. Darüber hinaus ist die extrem binäre Aussage ("Entweder tot oder gut.") ebenso wie der verlässlichen Wirkung ("Früher oder später kippt das Ding um.") in gewissem Sinne dem Drama verpflichtet. Wenn ich noch spitzfindiger werden möchte, kann ich das Ziehen von Steinen als den Verbrauch einer (Karma-)Ressource definieren, dessen eigentliche Höhe mir noch unbekannt ist. In diesem Sinne wäre der Jenga-Turm also ein komplettes DKFS-Instrument.


Zum "Nebeneinander" der Kategorien:
Deine Beobachtungen stimmen, wenn jemand versucht diese Kategorien exklusiv zu interpretieren. Ich persönlich habe keine Probleme damit, ein gegebenes Objekt mehreren Kategorien zuzuordnen.
Tatsächlich ist Dein Beitrag für mich ein wichtiger Hinweis dahingehend, dass der Begriff "Resolution-Mechanik" sehr viele Einzelteile fasst - und nicht immer korrespondierende, geschweige denn alle Komponenten betrachtet werden. (Übrigens ist es das, was ich oben mit der Auswahl des Kriteriums meine.) Ich habe daher auch sehr bewusst Zufallsgeneratoren** in meine Aufzählung eingebaut, keine ganzen Probensysteme.

Wenn ich mich z.B. durch meine dramatischen Erzählrechte in eine bestimmte (Narrative) Position gebracht habe, kann mich mein strategischer Skill dazu bewegen, eine spezifische Karma-Ressource einzusetzen. Um dann in Hoffnung auf das Fortune durch die Würfel* das Recht zu erwerben, im Laufe des Spiels anders in das Drama einzugreifen. Wo hier die "Resolution" anfängt und wo sie aufhört wird gerne Pi mal Daumen abgeschätzt.
Anders ausgedrückt, sehe ich die erwähnte "Verschleierung" vor allem dann, wenn wir die Summe der Einzelkomponenten als Einheit abhandeln wollen. Schlimmer noch, wenn wir einzelne Komponente stellvertretend für den gesamten Prozess werten.
Wenn wir dagegen die Komponenten einer Resolution aufbrechen, können die Kategorien wieder sehr informativ werden. Sie können dann sogar Wege aufzeigen, um bestimmten Spielerlebnissen Vorschub zu leisten.

Vergleichen wir das Urteil durch eine RSP-Regel mit der Beurteilung, die ein Mensch zu einer Situation vornehmen kann. Der Mensch kann unter anderem Emotion, Logik, Vorwissen oder auch Tarot-Karten benutzen. In fast allen Fällen wird er mehrere Kategorien in den Prozess mit einbeziehen. Dennoch lernen wir den Menschen besser kennen, wenn wir uns die einzelnen Komponenten seines Urteils vor Augen führen.

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*Jaja - Würfel können auch Skill-Sache sein und so... ;D **EDIT: und jajaja - Karten eignen sich auch hervorragend für Karma-Systeme und Skill...
PS: Übrigens schlagen sich noch heute die Diskutanten die Köpfe ein, wenn beim GNS-Modell Ansprüche auf Exklusivität der Stile erhoben werden...
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 26.06.2015 | 20:01
Nunja, es ist schwer, ein komplexes Thema mit einer so kurzen Überschrift, wie: "Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?" zu betiteln. Da kommt der Vorwurf, der Titel wäre nicht erschöpfend genug oder irreführend, oder ....etc-etc. Wenn man dann noch vorneweg definiert, "diese Gedanken beziehen sich auf PROBENABHÄNGIGE RPG-Systeme und nicht auf einen völlig freien Erzählstil", so wird gleich noch vorgeworfen, man behindere die Diskussion, wäre einseitig, autoritär, manipulativ ...etc-etc.

In meiner Beobachtung unterlagen Rollenspiele von Anfang an einer grundlegenden Verhaltensregelung. Das Erzählrecht, das Vetorecht, die allgemeine Anerkennung eines Spielleiters, der Konsens einer Gruppe, das Feingefühl auf Bestrebungen und Erwartungen Einzelner einzugehen oder im Abenteuer zu improvisieren usw. Das sind soziale Leitlinien, die zum Abhalten eines solchen Spiels wohl notwendig sind. Vielmehr noch, es beinhaltet Leitlinien, welche das gesellschaftliche Zusammenleben allgemein als Grundlagen erfordert. Allerdings sehe ich in solchen Dinge eher einen Verhaltenskodex, weniger einen Mechanismus. Unter Mechanismus meinte ich eher eine Probensystem oder eine Recourcenübersicht und Ähnliches. Und da -meine ich- , brauchen Rollenspiele oft weniger, als so manche daraus basteln.

Dieser Thread geht einen Weg, wie ich ihn seit langer Zeit in der RPG-Szene kenne. Regelgurus schrauben sich in immer höhere Sphären und erschlagen andere mit ihrem Fachwissen. Neulinge werden überfordert und wenden sich von diesem "Nerdtum"irritiert ab. Autoren befragen fast ausschließlich Altspieler und basteln damit die x-te Edition in deren Interesse. Die Diskussionen kann man ja bei Youtube anschauen. Mei, ich mach mir halt Gedanken. Auch scheinen spezialisierte Foren eine dominierende Meinung auszusieben. Ist das dann automatisch Mainstream? Wo ist der denn tatsächlich? In Foren? Am Tisch? Ganz woanders?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 26.06.2015 | 20:29
Dass der Thread diesen Weg geht, liegt ganz daran, dass du ihn so gemacht hast. Du warst übrigens sehr erfolgreich, dass er sich auf neun Seiten erwuchs. Denn offensichtlich war es doch dein Antrieb, hier möglichst viel Traffic zu erzeugen. Du hast dies ja durch die folgenden Mittel bewerkstelligt:

- Ein mindestens mehrdeutiger Titel. "Wie viel Mechanismen braucht Rollenspiel?" ist zunächst mal eine analytische Frage. Die kann man nach gewissen Kriterien zu beantworten suchen, wobei sich gewisse weitere Fragen stellen: Was sind eigentlich Mechanismen? Wie kann man die zählen? - Das war natürlich nicht dein Ziel, denn du möchtest dafür argumentieren, es brauche wenig. Man muss den Titel also als rhetorische Frage lesen. Ein solche Schwammigkeit ist zweifelsfrei günstig, wenn du viele Teilnehmer möchtest, denn so kann man sich herauslesen, was immer beliebt.

- Du hast einen vermeintlich technischen Eingangsbeitrag geschrieben, dessen Entschlüsselung die ersten Seiten beschäftigt. Bis du diesen klarstellst, hat das Thema schon einiges an Aufmerksamkeit erzeugt.

- Damit, dass es dir um abgehängte Neuspieler und Fortbestehen des HobbiesTM geht, damit kommst du erst ziemlich spät aus dem Quark. Das ist günstig, weil du die Aufmerksamkeit dann schon hast.

Natürlich hast du die Diskussion zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unter Kontrolle. Du hast sie ja nicht eng und mit transparentem Ziel geführt. Deine erfolgreiche Strategie war zunächst Aufmerksamkeit zu suchen, um dann deine eigentliche Zielsetzung zu verkaufen.

Dies tust du auch geschickt, indem du dich mehrfach auf die Meta-Ebene begeben hast und die hohen Sphären der Diskussion moniertest. Du hast so die Diskussion, die du selbst durch dein Handeln produziert hast, zum Argument. Das ist ziemlich clever, denn diese Diskussion wäre nicht entstanden, hättest du gefragt: "Helfen einfache Regelwerke bei der Gewinnung von Nachwuchs?"

Also bitte, fahre fort. Wie ich oben schon schrieb, du bist ein Meister in dieser Sache.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Pyromancer am 26.06.2015 | 20:47
@1of3:  :d
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Rhylthar am 26.06.2015 | 20:54
*verneigt sich stumm vor 1of3*
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sin am 26.06.2015 | 21:58
Das ist aber eine bewundernswerte Menge Zynismus, wenn man bedenkt, dass die meisten ähnlichen Threads, also solche, die relativ komplexe Fragen bzw. Behauptungen zur Diskussion stellen, unter den gleichen Problemen leiden (weit interpretierbarer Titel und Eingangspost, ohne klare Definitionen). Da hatte wohl jemand die Schnauze voll von solchen Threads.  ;)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sashael am 26.06.2015 | 22:29
Das ist aber eine bewundernswerte Menge Zynismus, wenn man bedenkt, dass die meisten ähnlichen Threads, also solche, die relativ komplexe Fragen bzw. Behauptungen zur Diskussion stellen, unter den gleichen Problemen leiden (weit interpretierbarer Titel und Eingangspost, ohne klare Definitionen). Da hatte wohl jemand die Schnauze voll von solchen Threads.  ;)
Ich vermute eher, dass 1of3 von der Attitüde des TE die Schnauze voll hat.
Erst eine Diskussion lostreten, dann warten bis sie ein bestimmtes Maß erreicht hat und sich dann in ziemlich elitärer Weise darüber auslassen, dass (bildlich gesprochen) "Altspieler elitäre Jerks" sind, die Neuspieler mit ihrer "Nerdspeak" und ihrem (unnötigen) Fachwissen verschrecken.

Solche "Supernerds" hab ich persönlich übrigens schon echt lange nicht mehr erlebt. Womit ich nicht sagen will, dass es sie nicht (mehr) gibt. Aber die Altspieler, die ich kenne, gehen auf Neuspieler freundlich zu und führen sie ins Hobby ein, anstatt mit ihrem "Fachwissen" rumzuprotzen. Keine Ahnung, welche Traumata der TE hier verarbeiten muss.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 26.06.2015 | 22:55
Ich vermute eher, dass 1of3 von der Attitüde des TE die Schnauze voll hat.

Mitnichten. So gut unterhalten, wie mit diesem Thema war ich schon lange nicht mehr. Ich betrachte das hier durchaus sportlich. Wenn ich Themen eröffne, lege ich für gewöhnlich die Grenze zur Teilnahme möglichst hoch. Insofern war es spannend zu sehen, was man mit einer gegenteiligen Strategie erreichen kann. Ich finde es ja auch gut, wenn mal wieder einige Storyteller hier aufkreuzen. Die sind etwas unterrepräsentiert. Wenn ich also dem Abaton meine Bewunderung ausspreche, so möchte ich das als ernsthaft verstanden wissen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sin am 27.06.2015 | 01:06
Ich betrachte das hier durchaus sportlich. Wenn ich Themen eröffne, lege ich für gewöhnlich die Grenze zur Teilnahme möglichst hoch. Insofern war es spannend zu sehen, was man mit einer gegenteiligen Strategie erreichen kann. Ich finde es ja auch gut, wenn mal wieder einige Storyteller hier aufkreuzen.

Ich will allerdings dem Eindruck, der hier entstehen könnte (ob beabsichtigt oder nicht), dass ein bedeutsamer Zusammenhang zwischen allgemeinen Spielertypen und Diskussionsstil/-strategien in Foren besteht, gleich mal entgegentreten. Natürlich könnte man vermuten, dass Leute IRL/auf Foren gehäuft einen ähnlichen Diskussions- und Argumentationsstil pflegen wie im Rollenspiel, allerdings beschreiben weder Storyteller noch ähnliche Ausdrücke wie narratives Rollenspiel einen Argumentationsstil, noch erfordern sie einen solchen (und zumindest spricht meine persönliche Erfahrung auch nicht dafür, dass sie einen fördern oder entsprechende Leute anlocken).

Just saying ;)
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 27.06.2015 | 06:19
Ich meine mit Storyteller noch nicht mal einen Spielstil, sondern eine Spielschule. Also die Leute, die sagen, dass Regeln nicht so wichtig sind. Hätte ich deutlicher machen können, ja.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Sashael am 27.06.2015 | 08:10
Ich meine mit Storyteller noch nicht mal einen Spielstil, sondern eine Spielschule. Also die Leute, die sagen, dass Regeln nicht so wichtig sind.
Die gibts ja auch bei Spielen wie D&D 3.
Allerdings sind bei solchen Systemen Äußerungen dieser Art eher ein rotes Tuch für mich.  ;D
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Abaton23 am 27.06.2015 | 12:50
1of3, wenn ich über die Einfachheit des Rollenspiels reden möchte, sollte es logisch sein, dass eine Grenze zur Teilnahme möglichst niedrig ist, um niemanden auszuschließen. Wenn Du nach eigener Aussage Deine Themen so eröffnest, dass dabei die Grenze zur Teilnahme möglichst hoch gelegt wird, willst Du wohl das Gegenteil erreichen. Sollen sich nur ausgesuchte Gesprächspartner mit einer gewünschten Tendenz einfinden? Daß dies Andere nicht so handhaben, dann zu einem persönlichen Vorwurf zu formulieren, lenkt wohl eher -villeicht gezielt- vom eigendlichen Thema ab. So vermute ich gerade den Sinn Deiner Rhetorik.

Dieses Thema lautet, Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel? Das zeigt an, dass ich mich dabei auf den wesentlichen Kern beziehe und nicht auf aufgesetzte Feinheiten. Die Nennung von Beispielen solcher Feinheiten sollte unterstreichen, wie erschwerend sie auf mich wirken. Wenn ich drei Seiten später schreibe, dass die Mainstreamsysteme vor 25 Jahren Einsteigern wohl deutlich mehr entgegenkamen, so verändert sich am Ursprungsthema nach meiner Auffassung nichts. Für wen sollte man sich denn Einfachheit wünschen, wenn man Neuspieler ausschlösse?

So alt wie die Diskussion selbst, so alt ist auch die rhetorische Methode, wenn man auf die Argumentation selbst nicht eingehen will, so verlagert man die Diskussion in den Bereich der persönlichen Herabwürdigung des Gegenübers. Das lenkt die Aufmerksamkeit von Zuhörern schlicht weg vom Thema ab. Das tust Du auch geschickt, indem Du mir nebulös unterstellst, eine von langer Hand vorrausgeplante Manipulation der Mitleser zu betreiben, mit welcher ich sie bewusst und erfolgreich getäuscht hätte. Dabei verweist Du vage 9 Seiten Thread und verlässt Dich darauf, dass das jetzt keiner nachliest. Da verweise ich mal auf den 15.06.2015 | 16:27, wo Du mir schon Behauptungen unterstellt hast, die ich nicht getroffen hatte.

Wenn Du schon rhetorische Kunstgriffe unterstellst, da ist noch einer: Wenn ich also dem Abaton meine Bewunderung ausspreche, so möchte ich das als ernsthaft verstanden wissen." Sowas nennt man Sarkasmus und soll zielgerichtet das Gegenteil provozieren.

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Man könnte den Thread wohl schließen, wenn sich das Ganze nur noch auf persönliche Herabwürdigungen begrenzt. Außer, es will noch jemand das Ursprungsthema aufgreifen?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 27.06.2015 | 13:28
Das Problem ist, dass es ein Ursprungsthema nicht gibt. Wie viel Mechanismen braucht Rollenspiel? - Keine. Man kann offensichtlich, ohne Zahl und Würfel spielen. Es braucht also nicht mal deine so genannte Urformel. Auch die eponymen Pen&Paper sind fürs Rollenspiel verzichtbar. Wäre was du hingeschrieben hast, das intendierte Thema, wäre es nie eins gewesen.

Diese Antwort ist aber zu offensichtlich. Dass die Frage keine ist, konnte auf Seite 1 niemand glauben. Das widerspräche den den Gesprächsmaximen. Deshalb hast du diese Antwort dort nicht bekommen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: FlawlessFlo am 27.06.2015 | 13:33
Wie viele Regelmechanismen braucht ein Rollenspiel? Damit es technisch gesehen ein Rollenspiel ist? Wohl recht wenige.

Wie viele Regelmechanismen braucht ein gutes Rollenspiel? Kommt drauf an, was man unter gut versteht. Das kann kaum mehr sein, als für denn obigen Fall, oder mehrere Regalmeter Bücher.


Dieses Thema lautet, Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel? Das zeigt an, dass ich mich dabei auf den wesentlichen Kern beziehe und nicht auf aufgesetzte Feinheiten. Die Nennung von Beispielen solcher Feinheiten sollte unterstreichen, wie erschwerend sie auf mich wirken. Wenn ich drei Seiten später schreibe, dass die Mainstreamsysteme vor 25 Jahren Einsteigern wohl deutlich mehr entgegenkamen, so verändert sich am Ursprungsthema nach meiner Auffassung nichts. Für wen sollte man sich denn Einfachheit wünschen, wenn man Neuspieler ausschlösse?

Das war 1990. Wie sahen denn da die Mainstreamsysteme so aus?

AD&D 2nd Edition: Kein Leichtgewicht, recht unübersichtlich und keine Spur einer einheitlichen Linie. Von der reinen Komplexität her sicher etwas einfacher als die spätere 3e, aber in der selben Größenordnung. Auf alle Fälle komplizierter und komplexer als D&D 5e.

Shadowrun: Gleiche Komplexität wie heute, aber spürbar komplizierter und unübersichtlicher.

Earthdawn: Kein echter Unterschied.

Rolemaster: Kein echter Unterschied.

DSA: War in der 2. Edition sicher viel einfacher als DSA4, aber auch nicht gerade ein Fliegengewicht. Hier kann man aber durchaus sagen, dass eine Entwicklung hin zu hoher Komplexität und oder Kompliziertheit stattgefunden hat.


Ich sehe einfach nicht so ganz, wie sich die Situation groß geändert haben soll. Da das Hobby die letzten 25 Jahre auch nicht ausgestorben ist, sehe ich keine großen Probleme am Horizont.


Nun, wir sind uns einig, dass Teens sich leichter in schlanke Regelwerke einfinden können. Das waren in den 80ern die Mainstreamsysteme. Heute sollen das aber nur "Einsteigersysteme" sein? Genau das ist die Degradierung der schlanken Systeme mit der Unterstellung von "Anfängerniveau" und auch die Degradierung der Jugend.

Meinst du das wirklich ernst? Das hieße ja, dass wir insgesamt keine beliebten Rollenspielsysteme mit hoher Komplexität haben dürften, weil sich Anfänger, die lieber mit leichten System anfangen, dann wie Anfänger vorkämen bzw. zu Anfängern degradiert fühlten?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Maarzan am 27.06.2015 | 14:00
Nur mal zum "einfach" und zum "Anfänger":

Es reicht nicht einfach von der Einstiegshürde "billig" zu sein, gerade heutzutage, wo das PnP nicht der nahezu einzige ernstzunehmende Spieler auf dem Feld ist, sondern der PC weite Teile seiner ursprünglichen Basis besser bedient. (und das Pnp eigentlich zwingt den Spieler direkt eine der "advanced" Spezialisierungen schmackhaft zu machen, weil das typische Einstiegsspiel bereits von einem anderen Medium, besser bedient wird).

Und selbst damals hat ein Minimalspiel wie DSA1 kaum jemanden dauerhaft bei der Stange gehalten. Meiner Erfahrung nach haben die Leute es dann damals auch recht schnell wieder dran gegeben oder aber sie haben (auch unter dem Eindruck der Konkurrenz zu D&D) begonnen selbst das Spiel zu erweitern.

In dem Sinn muss ein Rollenspiel einem Interessenten eben auch etwas - passend zu seinen bekannten oder per Werbung geweckten Interessen und Vorlieben - bieten und einem noch unerfahrenen Anfänger ein entsprechend interessantes Konzept verkaufen UND UNTERMAUERN. Und dazu reicht es eben nicht, dass ein Spiel schlank ist und nicht im Weg steht, wenn er dann nach kürzester Zeit alleine gelassen wird und nun selbst zurecht kommen soll.

Zum vollen "Buyin" gehört eben in der Regel eine gewisse Anfütterungsphase (wobei das auch erfahrenere Mitspieler sein könenn, aber dem liegt dann eben weder ein verlässliches Muster noch allgemeine Zugänglichkeit zu Grunde, so dass dies nice to have ist, aber so keine strategische Relevanz hat.) bis der Neuling selbst das Interesse und die Fähigkeiten erworben hat sich aus eigener Kraft eigenständig spielerisch zu entwickeln.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Chiarina am 27.06.2015 | 14:07
Ich kann und will hier gar nicht auf die ganze Diskussion eingehen (über Anfänger kann ich zum Beispiel wenig sagen). Nur das vielleicht:

Ich kann nicht erkennen, dass die Systeme der jüngeren Vergangenheit allgemein einfacher oder komplexer geworden sind. Es gibt ein paar neue Ideen, aber einfacher oder komplexer werden die Spiele in meinen Augen dadurch nicht, zumindest nicht zwangsläufig.
Was sich in meinem Unfeld hingegen verändert hat, ist die Einstellung zur Frage einfach-oder-komplex? Ich habe früher das Gefühl gehabt, dass der Simulationswille bei den Spielern größer war als heute. Wenn es im System Regeln für Dinge gab, die anderswo nicht berücksichtigt wurden, dann gab es relativ schnell diesen Eindruck: "Boah! Guck mal, das kann dieses System auch!" Die Erkenntnis, dass reduzierte Komplexität nicht nur nachteilig sein muss, sondern auch Vorteile mit sich bringen kann, ist zumindest in meinem engeren Spielerumfeld neueren Datums (und wird auch immer noch disktutiert).
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Tyloniakles am 27.06.2015 | 14:39
What is a roleplaying game?
A roleplaying game by Vincent Baker
answering What is a Roleplaying Game? by Epidiah Ravachol

A roleplaying game is when you pretend to be an elf.
Look around. Pretend you're in an elven wood and you're an elf.

A roleplaying game has a GM.
Find a friend to be the GM for this game. The GM's job is to tell you interesting things about the elven wood, things you wouldn't have thought to imagine yourself. Ask your friend the GM what you see, and pass these rules over to them. From now on, follow their lead.

A roleplaying game has a GM, and that's you.
Your job is to suggest details for the other player to imagine. Trouble, challenges, rewards, and other elves and creatures. Take a second to think of some kind of trouble or danger that might be in an elven wood, then tell the other player what it would look like to them, if they were an elf there looking at it. Ask the player what they do (meaning, of course, what the elf they're pretending to be would do).

In a roleplaying game, you roll dice when you don't know what would happen next.
Do you know what would happen next? If you do, awesome. Say what it is, and what it's like, and what comes of it, and ask what the other player's elf does next.

Do you NOT know what would happen next? Awesome. Roll dice.

Is the result good? Then think of something good that can happen, and say that. If the elf happens to be in a fight with a monster, the good thing should be that the elf hits the monster.

Is the result bad? Then think of something bad that can happen, and say that. If the elf happens to be in a fight with a monster, the bad thing should be that the monster hits the elf.

Now say what it's like, and what comes of it, and ask what the other player's elf does next, same as always. Keep going back and forth, rolling dice whenever you don't know what will happen, until the game ends (see below).

If one straight die roll doesn't seem like enough, you can make opposed rolls. You roll a die for your monster, for instance, while the player rolls for their elf. You can add even more drama by using dice with different numbers of sides, like a 6-sided die for the elf and a 10-sided die for the monster.

A roleplaying game has hit points.
If it comes to a fight, use "hit points" to keep track of who's hit whom how many times. An elf has 3 hit points. This means that when the elf gets hit the third time, it's killed and goes to elfheaven. An antielf also has 3 hit points. A human person has 4. A giant monster might have 5 or 6 hit points, and a dragon might have 10. You, the GM, get to decide.

A roleplaying game has experience points.
Whenever the elf kills an enemy, the elf gets 1 experience point. Each time the elf's experience points double - 1, 2, 4, 8, etc. - the elf gets one more hit point.

In a roleplaying game, the GM's style matters a lot.
Your main jobs are to say what it's like and to call for the player to roll dice. Take both jobs as an opportunity to develop your own style and skills as a GM. Set the tone and the pace. Describe things in detail or leave them sketchy. Plan ahead or improvise. Keep practicing and experimenting until you're really good at it.

A roleplaying game ends when the elf dies.
The player might be sad, because now they can't pretend to be an elf anymore. You should play again.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 27.06.2015 | 15:30
Quelle?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Tyloniakles am 27.06.2015 | 15:33
Pardon, von des Meisters Homepage: http://lumpley.com/index.php/window/installment/14
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Rhylthar am 27.06.2015 | 16:01
Was Baker beschreibt, ist genau das, woran Rollenspiel krankt. Ich würde es auch als Amerikanische Schule bezeichnen.
Erläuterung, warum?
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: FlawlessFlo am 27.06.2015 | 16:18
Ich denke, man muss Bakers Ausführung als beispielhafte Implementierung eines Rollenspiels ansehen und nicht als Quintessenz.

Wenn es als letzteres gemeint war, dann liegt Baker aber in der Tat daneben, außer er möchte explizit sein eigenes Verständnis davon wiedergeben, was ein Rollenspiel denn genau ist. Da wird man dann aber sowieso so viele verschiedene Antworten wie Befragte erhalten.

Aber als Beispiel für diese Diskussion scheint Bakers Antwort ganz brauchbar. Es ist vom Charakter her ein Rollenspiel und hat genügend Mechanismen um als Rollenspiel zu gelten. Sicher ginge es mit noch weniger Mechanismen, aber nicht viel weniger. Man kann aber leicht erkennen, dass die allermeisten Spieler eher mehr Regeln, mehr Mechachanismen und vor allem differenziertere Mechaniken wollen würden. Das kann man daher ableiten, dass die allermeisten Rollenspieler Systeme spielen, auf welche das zutrifft und gleichzeitig Bakers Antwort keine relevante Schöpfungshöhe hat (wir also nicht davon ausgehen können, dass bloß noch niemand diese Idee hatte).

Wie viele Regeln dann letztendlich genug sind und ab wann es zu viele werden hängt doch dann letzlich vom eigenen Geschmack und der eigenen Vorprägung ab. Die Einstiegshürde wird natürlich ebenfalls davon beeinflusst, aber das sollte nicht zum führenden Kriterium werden. Ansonsten dürfte man ja auch kein Cricket spielen.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Rhylthar am 27.06.2015 | 16:20
Fokus auf Kampf. XP for kills und dadurch steigende Hitpoints.
Wenn das Rollenspiel sein soll, kauf ich mir lieber einen Ball.
Es ist definitiv auch Rollenspiel.
Ich unterstelle es Dir jetzt mal nicht, aber bei Abaton kam auf jeden Fall so eine "Besserspieler-Attitüde" durch.

Ernsthaft, es muss niemandem gefallen, aber es ist auf keinen Fall "Das Falsche™" und auch nicht das "Schlechte Rollenspiel™".
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 27.06.2015 | 16:32
Ich denke, man muss Bakers Ausführung als beispielhafte Implementierung eines Rollenspiels ansehen und nicht als Quintessenz.

Das ist klar. Es ist Richard Baker, einer der führenden Köpfe jener Bewegung, die eher so Sachen produziert, wie den Beitrag von Ravachol (https://dig1000holes.wordpress.com/what-is-a-roleplaying-game/), auf den er eine Antwort schreibt. Es ist also noch nicht mal eine beispielhafte Implementierung, sondern Sarkasmus.

Wer Baker nicht kennt, sollte sich Dogs in the Vineyard besorgen. Das Spiel war außerordentlich einflussreich für die Formierung der Storygamer.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Tyloniakles am 27.06.2015 | 16:46
Vincent Baker baut eben gern (meist) kleine, feine Rollenspiele, die sich selbst klar erklären. Und wenn sie nur Diskussionsbeiträge und Gedankenspiele sind. Nur Sarkasmus ist es denke ich nicht.

Der kampfbetonte Part (nicht nur der) ist natürlich austauschbar.

PiHalbe hat hier den Text von Ravachol sogar übersetzt und gelayoutet:
http://pihalbe.org/blogentry/2013-04-21-was-ist-ein-rollenspiel-bersetzung-von-epidiah-ravachols-what-roleplaying-game
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Tyloniakles am 27.06.2015 | 16:59
Als verbitterten Kritiker sehe ich Baker jetzt überhaupt nicht. Wenn dann schwingt ein bißchen Witz mit. Er macht einfach sein alternatives Ding und hat auch Erfolg damit. Sein Beitrag ist durchaus seinem Stil entsprechend, wenn auch eben exemplarisch in minimaler Ausführung gestaltet.
Titel: Re: Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Beitrag von: Arkam am 23.07.2015 | 20:09
Hallo zusammen,

ich denke die Antwort auf die Frage müsste eins heißen. Denn selbst Dinge wie den Tod des Charakters oder seine Erfahrung könnte man mit einem gewählten Lösungsmechanismus klären.
Wer mir erzählt er würde ohne Regeln spielen sagt aus meiner Sicht das er ohne direkte Spielregel spielt.
Stattdessen hat man vor dem Spiel aber ein paar Dinge geklärt. Ich würde sagen das sind die folgenden:
Welcher Hintergrund wird bespielt?
Was darf ins Spiel eingebracht werden. - Also etwa keine abgestürzten Raumschiffe ins Fantasysetting oder keine Atombombe ins moderne Setting.
Wer spielt, als Charakter, welche Rolle?
Welche Aufgabe hat der Charakter in der Hinsicht auf das gemeinsame Spiel? Ist er also etwa für einen Teil des Spiels verantwortlich, wie hier im Thread bei Archipelago III beschrieben oder vertraut man ihm einfach und fragt bei kritischen Inhalten bei ihm nach?
Bei den meisten klassischen Systemen sind diese Dinge meistens schon vorgegeben. Bei den meisten Systemen hat man ja entweder einen fixen Hintergrund oder zu mindestens eine gewisse "offizielle" Auswahl.
Beim Spiel mit Spielregeln und mindestens einem Lösungsmechanismus müssen aus meiner Sicht noch mindestens die folgenden Punkte geklärt werden:
Wer darf die Spielregeln ins Spiel bringen? - Bestimmt also nur der Spielleiter wann eine Probe angebracht ist oder dürfen auch die Spieler eine Probe einfordern. Gerade bei den sozialen Fertigkeiten gibt die ganze Spanne zwischen sie werden nur erzählt bis zu es wird nur gewürfelt mit allen möglichen Abstufungen.
Wann gelten die Spielregeln? Meistens läuft es darauf hinaus ob die Spielregeln auch für den Spielleiter verpflichtend sind. Darf der Spielleiter also aus Gründen der Dramatik oder weil er die Situation als klar erachtet auf eine Regel verzichten?

Als Alter Sack, dieses Jahr 50, kann ich etwas über die Anfänge des Rollenspiels berichten. Meine Erfahrungen beziehen sich auf DSA. Wer mit D&D, Midgard, Schwerter & Dämonen, Runequest oder mit Traveller angefangen hat wird wahrscheinlich etwas andere Erfahrungen gemacht haben.
DSA 1 kannte 5 positive Attribute und Attacke bzw. Parade als Werte gegen die man proben konnte. Meistens wurde unmodifiziert oder mit +/- modifiziert gegen einen Wert gewürfelt. Bei der Attacke gab es mit der 1 einen besonderen Wert bei dem man beim Schaden mit W20 würfelte. Es war allen Beteiligten klar das der Spielleiter auf dieser Basis je nach Spielsituation eine Probe festlegte. Das konnte auch schon Mal auf (Attribut a + b ... maximal e) / Anzahl der addierten Attribute hinaus laufen. Die Regeln waren also recht offen und der Spielleiter musste die Regeln den Handlungen der Spieler anpassen. Midgard etwa hatte recht ausführliche Regeln bei denen ich immer das Gefühl hatte man wollte Spielern die bei Brettspielen einen festen Regelsatz gewöhnt waren und unerfahrenen Spielleitern, andere gab es in der Anfangszeit ja kaum, einige hatten das Rollenspiel schon in Amerika entdeckt und kennengelernt, unter die Arme greifen.
Für mich gab es eine enge Verzahnung zwischen der Entwicklung eines Hintergrund, also der Beschreibung von Aventurien im Abenteuer Ausbauset und der Entwicklung von komplexeren Regeln, nicht nur weil sie bei DSA in der gleichen Box herauskamen. Aber der definierte Hintergrund führte auch dazu das plötzlich recht spezifische Dinge interessant wurden und einen massiven Einfluss auf das Spiel nehmen konnten. Von da aus ging der Trend dazu das für viele Aktionen eine Regel zum Hintergrund mitgeliefert wurde.Mein Lieblingsbeispiel ist die damals neue Charakterklasse des Streuners. Nach Hintergrund lernte dieser Herumtreiber besonders viele und unterschiedliche Dinge. Nach seinem Regelsatz steigerte er entweder pro Stufen Anstieg zwei Attribute, ich weiß jetzt nicht mehr ob er auch ein Attribute zwei Mal steigern konnte oder er lernte alle Fertigkeiten nach der leichten Tabelle. Hier versuchte man den Hintergrund in Regeln zu fassen und leistete sich, aus meiner Sicht, einen ersten Fehlgriff. Hinzu kam auch ein Subsystem das vorher eher weniger Bedeutung hatte. Ich spreche von der Ausrüstung. Klar gab es schon vorher verschiedene Rüstungen und Waffen aber es die Auswahl war noch klein und recht übersichtlich. Mit der eigenen Welt kamen jetzt aber auch vermehrt spezifische magische Gegenstände und besondere Waffen hinzu.
Es änderte sich auch die Position der Regeln. Es gab jetzt zu vielen Sachen die vorher der Spielleiter geklärt hatte eine offizielle Antwort der Spielemacher. So hatte man als Spieler zum ersten Mal eine Basis die es einem ermöglichte von sich aus auf eine Regel zu bestehen und sich bedeutend genauer seine Chancen auszurechnen. Auch die spezielle Ausrüstung, Heilkräuter waren etwa mit Preisen angegeben, führte zu ersten Konflikten ob diese Heilkräuter jetzt frei erhältlich waren, die gegebene Option gilt strikt oder der Spielleiter diese Optionen beschränken durfte.
Das führte auch dazu das man immer stärker auf eine offizielle Regel baute und weniger Hausregeln verwendete. Fertigkeiten galten damals als besonders modern und Hintergründe eben auch. Das waren dann also die Punkte die einen immer stärkeren Einfluss auf DSA nahmen und heute eben zu eigentlich unnötigen Fertigkeiten und einer sehr genauen Weltbeschreibung führten.
Teilweise spielte beides auch Ping Pong. In einer frühen Erweiterung des Fertigkeit Systems aus dem Aventurischen Boten gab es etwa "Sterndeutung" als Fertigkeit. Irgendwann kam dann natürlich auch der aventurische Sternhimmel und seine Deutung in einer Erweiterung vor. Wo es die Fertigkeit "Kriegskunst" gab waren die Kriegergilden nicht fern.

Wer in solche Regelwerke also nicht hinein gewachsen war und vielleicht auch Mal Teile ignorierte stand dann alleine und eben nicht mit der Option über Jahre an diesen Brocken heran geführt zu werden vor DSA 4.1. . Hinzu kam das die regelleichtere Version, das "DSA Abenteuer Basisspiel" nicht kompatibel mit der Vollversion war. Man kann also nicht mit den Basisregeln anfangen weil man eben nicht je nach eigenen Anspruch Regeln aus dem Vollausbau übernehmen konnte. Dazu kommt das mir nicht bekannt ist on die Basisregeln in den fertigen Abenteuern überhaupt beachtet wurden.
Als Reaktion darauf kam dann die Welle von kleineren Systemen, Retrospielen und Regel leichten Systemen heraus.

Ich denke das der Grund für immer umfangreichere Regelwerke und neue Editionen daran liegt das sich Regelergänzungen und neue Editionen wohl am besten verkaufen. Wo normalerweise eben nur ein Abenteuerband pro 4 - 6 Leuten gekauft wird werden sich vielleicht 2 - 3 Leute, eventuell auch mehr die neuen Regeln oder Regelergänzungen zu ihren bevorzugten Charakteren kaufen.
Die oben geschilderte Verbindung zwischen Hintergrund und Regelwerk führt auch dazu das gerne verschiedene Regelmechanismen verwendet werden. Hier sollen die Regeln dann den Hintergrund simulieren. Da ist es dann eben ein Himmel weiter Unterschied ob es sich um eine Fertigkeit, einen Bonus durch das Sternzeichen, eine Ausbildung bei den Gebirgsmönchen oder aber ein besonderes Talent für die Fertigkeit handelt. Häufig genug werden vor allen die Optionen wie man einen Charakter, vor allen einen Regel technisch fähigen Charakter, erstellt komplexer. Das liegt daran das die Regelmechanismen im Spiel dann zusammen fließen.
Das kann auch dazu führen den Graben zwischen den sogenannten Powergamern und den weniger optimierenden Spielern stärker aufzureißen. Bei 7th Sea etwa macht es Sinn verschiedene Fertigkeit Pakete bei denen Fertigkeiten sich aufaddieren. Für einen Seemann macht es also noch Sinn die Pakete Flußschiffer und Walfänger zu nehmen. Da können Spieler schon Mal das Problem haben das aus der Sicht des Charakters zu erklären. Wer da nur die reinen Werte sieht startet da mit einem fähigeren Charakter und klammert den dadurch beschriebenen formellen Hintergrund aus.
Shadowrun geht davon aus das man bei dem Attribut das seiner Hauptfertigkeit zugeordnetem Attribut am Maximum der gespielten Rasse liegt. Wer aus Gründen der Logik darauf verzichtet bekommt schnell ein Problem weil die Proben an optimierte Werte angepasst sind.

Gruß Jochen