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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspiel- & Weltenbau => Thema gestartet von: Blutschrei am 7.11.2015 | 12:58

Titel: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Blutschrei am 7.11.2015 | 12:58
Zielsetzung: Ich baue ein total immersives, freies System.
Erster Schritt: Ich schaffe 3-4 verschiedene Kampfaktions-Typen, unter welchen alle Aktionen der Spieler subsumiert werden können.
Zweiter Schritt: Ich stelle fest, dass 3-4 Aktionstypen den Grad an Ausdifferenziertheit, den ein immersives Spiel-Erleben und -Handeln benötigt nicht abbilden können.
Dritter Schritt: Ich erweitere die Aktionstypen auf gefühlt fünftausend Stück, um "allen" kreativen Ideen ihren regelmechanischen Weg ins Spielgeschehen zu ebnen.
Vierter Schritt: Ich stelle fest, dass mein System aus einer abzählbar-endlichen Menge von möglichen Aktionen besteht, die eher nach mathematisch-stochastischen Kriterien denn nach Immersion verwendet werden. Durch den Anspruch auf Abgeschlossenheit, der einem ausbalancierten 5000-Mechanismen-System immanent ist, traut sich kaum noch einer, kreativ zu sein (letzteres muss nicht _notwendig_ so sein, empirisch-deskriptiv habe ich es bisher jedoch immer so beobachtet)
Das Endprodukt: Ein gamistisches Kampfsystem, das der Story den Atem raubt.

Repeat.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: YY am 7.11.2015 | 13:07
Zweiter Schritt: Ich stelle fest, dass 3-4 Aktionstypen den Grad an Ausdifferenziertheit, den ein immersives Spiel-Erleben und -Handeln benötigt nicht abbilden können.

Hier ist der Knackpunkt.

Warum können diese Aktionstypen nicht alles abbilden?

Bei Fate klappt das z.B. recht gut - aber natürlich nur, wenn man regeltechnisch nicht zu sehr ins Detail geht.

Der Witz ist, die Regelseite grobkörnig zu halten und die immersionsbegünstigenden Details "nur" erzählend abzuhandeln.
Wenn natürlich auch der kleinste Unterschied einen Regeleffekt bekommen muss/soll, kommt man um ein ausufernd verregeltes System nicht herum.

Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Edvard Elch am 7.11.2015 | 13:24
Ich sehe nicht, wie der erste Schritt auf die Zielsetzung folgen kann. Sollte an der stelle nicht erstmal "Ich denke darüber nach, welche Regeln Immersion unterstützen können und wie ich die dann am besten gestalte." stehen?
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Chruschtschow am 7.11.2015 | 13:27
Erster Schritt: Ich schaffe 3-4 verschiedene Kampfaktions-Typen, unter welchen alle Aktionen der Spieler subsumiert werden können.
Zweiter Schritt: Ich stelle fest, dass 3-4 Aktionstypen den Grad an Ausdifferenziertheit, den ein immersives Spiel-Erleben und -Handeln benötigt nicht abbilden können.

Kannst du kurz erläutern, warum auf der einen Seite Kampf und auf der anderen Seite alles andere unterschieden werden?
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Galatea am 7.11.2015 | 13:34
Zwei Varianten:

- Die Mechanik sehr allgemein halten, ohne Dinge physikalisch exakt zu regeln. Also eine sehr erzählorientierte Spielweise (u.a. Inspectres hat da einen interessanten Ansatz wo man quasi um das Erzählrecht konkurriert anstatt Situationen irgendwie detailgetreu nachgebildet zu bekommen, Fate geht mit seinen Aspekten nochmal einen komplett anderen Weg).

- Die Mechanik variabel aufziehen. Statt festen Angriffs-, Verteidigungs- und sonstigen Werten einen Pool bei dem man die Erfolge dann auf die passenden Werte verteilen kann. Damit löst man nicht alle Probleme, aber es macht 90% der in Rollenspielen üblichen "Kampfmanöver" schonmal komplett überflüssig. Das geht auch für andere Proben, wenn man z.B. (Bau-/Reparatur-)Zeit gegen Zuverlässigkeit und Effizienz abwägt.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Crimson King am 7.11.2015 | 13:37
Der YY hat meines Erachtens ins Schwarze getroffen. Es reicht, über die Würfel die Auswirkungen einer Handlung zu ermitteln.  Das Ausschmücken der Details kann dem Spieler überlassen werden. Idealerweise gibt es dafür noch einen Anreiz, z.B. Gummipunkte.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Arldwulf am 7.11.2015 | 13:42
Der Nachteil dieser Methode ist jedoch, das dabei die tatsächlich durchgeführten Aktionen an Relevanz verlieren. Der bessere Weg ist aus meiner Sicht eher durchaus verschiedene Aktionen einzubauen mit unterschiedlichen Auswirkungen und Erfolgswahrscheinlichkeiten. Aber zusätzlich auch Improvisation zu fördern.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Eulenspiegel am 7.11.2015 | 14:00
Ich denke auch, dass Schritt 0 fehlt: Überlegen, welche Art von Regeln fördert immersives bzw. freies Spiel.

Schau dir hier zum Beispiel mal Wushu (https://de.wikipedia.org/wiki/Wushu_(Rollenspiel)) oder Dread (https://en.wikipedia.org/wiki/Dread_(role-playing_game)) an: Beides sind relativ immersive Spiele und beide sind sehr regelarm.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Blutschrei am 7.11.2015 | 15:45
Jener Schritt 0, den ich übersprungen habe, der sieht in meinen Gedanken wohl in etwa so aus:

Schritt 0: Wenn ich möglichst viele Ideen zulassen möchte, dann brauche ich Mechanismen, unter welche möglichst viele coole Ideen subsumiert werden können.

Denn: Entweder ich habe einen Mechanismus für die Idee, oder ich habe keinen Mechanismus für die Idee.

Natürlich könnte ich statt des Mechanismus für die Idee auch stattdesen einen Mechanismus für Erzählrecht, oder Meta-Plotentwicklung einführen, das marginalisiert den Effekt der spezifischen Aktion aber weitgehend, die immersive Beschreibung ist somit notwendigerweise nicht-Spielmechanikrelevant.

Alternativ kann ich auch alle Mechanismen seinlassen, aber komplettes Freeformen liegt mir nicht, bzw macht mir wenig Spaß.



Zitat
Kannst du kurz erläutern, warum auf der einen Seite Kampf und auf der anderen Seite alles andere unterschieden werden?

Ich habe im ersten Schritt lediglich "Kampfaktionen" geschrieben, weil ich meine Regelsysteme in aller Regel auf Kampf-/Konfliktsituationen beschränke, schlichtweg weil ich für die meisten Plots die ich zu spielen gedenke (als SL) nicht viel mehr brauchen. (Was nicht heissen soll, dass nichts außer Kampf vorkäme, die Dinge außerhalb des Kampfes haben nur keine ausreichende Plotrelevanz um einer Mechanik zu bedürfen.)
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Galatea am 7.11.2015 | 15:51
die Dinge außerhalb des Kampfes haben nur keine ausreichende Plotrelevanz um einer Mechanik zu bedürfen.
Nicht plotrelevant? Was spielt ihr denn? Mortal Combat RPG?
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Maarzan am 7.11.2015 | 15:56
Ich denke das Problem liegt in der "Flickschusterei" des Prinzips.

Was vermutlich notwendig wäre, wäre eine Analyse, was und in welchem Detailgrad abgebildet werden soll und dann einen entsprechende Regelentwicklung in Form eines Grüsts oder Baukastensystems udn nicht nach dem Muster : Fehlt mir gerade oder find ich gerade cool und dann genau für dieses Neuteil eine vom Rest unabhängige Insellösung zu bauen.



Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: 1of3 am 7.11.2015 | 15:58
Zitat
Schritt 0: Wenn ich möglichst viele Ideen zulassen möchte, dann brauche ich Mechanismen, unter welche möglichst viele coole Ideen subsumiert werden können.

Denn: Entweder ich habe einen Mechanismus für die Idee, oder ich habe keinen Mechanismus für die Idee.

Natürlich könnte ich statt des Mechanismus für die Idee auch stattdesen einen Mechanismus für Erzählrecht, oder Meta-Plotentwicklung einführen, das marginalisiert den Effekt der spezifischen Aktion aber weitgehend, die immersive Beschreibung ist somit notwendigerweise nicht-Spielmechanikrelevant.

Magst du mal erklären, was für dich ein Mechanismus ist?
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: nobody@home am 7.11.2015 | 16:18
Nicht plotrelevant? Was spielt ihr denn? Mortal Combat RPG?

Wie heißt es noch so schön drüben auf TV Tropes? RPGs Equal Combat (http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/RPGsEqualCombat)? ;)

Ansonsten stimmt es mMn allerdings schon, daß viele Kämpfe, die so in "klassischen" Rollenspielsitzungen stattfinden, auch nicht wirklich besonders plotrelevant sind. Die meisten sind einfach selbst nur Füllmaterial -- um der lieben Äktschn willen und um das Szenario mehr oder weniger bewußt in die Länge zu ziehen. (Wo kämen wir schließlich hin, wenn dem SL nach anderthalb von vier geplanten Stunden schon der Plot ausginge? Ne, ne, besser schnell noch ein paar Kampfszenen zum Strecken einbauen...)
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Quaint am 7.11.2015 | 16:20
Zielsetzung: Ich baue ein total immersives, freies System.
Erster Schritt: Ich schaffe 3-4 verschiedene Kampfaktions-Typen, unter welchen alle Aktionen der Spieler subsumiert werden können.
Zweiter Schritt: Ich stelle fest, dass 3-4 Aktionstypen den Grad an Ausdifferenziertheit, den ein immersives Spiel-Erleben und -Handeln benötigt nicht abbilden können.
Dritter Schritt: Ich erweitere die Aktionstypen auf gefühlt fünftausend Stück, um "allen" kreativen Ideen ihren regelmechanischen Weg ins Spielgeschehen zu ebnen.
Vierter Schritt: Ich stelle fest, dass mein System aus einer abzählbar-endlichen Menge von möglichen Aktionen besteht, die eher nach mathematisch-stochastischen Kriterien denn nach Immersion verwendet werden. Durch den Anspruch auf Abgeschlossenheit, der einem ausbalancierten 5000-Mechanismen-System immanent ist, traut sich kaum noch einer, kreativ zu sein (letzteres muss nicht _notwendig_ so sein, empirisch-deskriptiv habe ich es bisher jedoch immer so beobachtet)
Das Endprodukt: Ein gamistisches Kampfsystem, das der Story den Atem raubt.

Repeat.

Naja, Immersion und frei woll' ma haben, aber dann ein Regelkorsett bauen. Wie überraschend, dass das nicht zum gewünschten Erfolg führt. Grundsätzlich sind Regeln ja schonmal nicht so günstig für die Immersion, denn wenn man sich mit Regeln beschäftigt, dann beschäftigt man sich nicht mit dem in-character-Krams, mit der Welt usw.
Ergo sollte man vielleicht nicht soviele Regeln haben und mehr auf freies Beschreiben und daraus abzuleitende Konsequenzen setzen. Versuch vielleicht mal was freies, wie beispielsweise hier: http://www.tanelorn.net/index.php/topic,47151.0.html (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,47151.0.html)

Ansonsten hab ich auch ein bissle das Gefühl, dass bei deinen Problemen auch Simulation eine Rolle spielen könnte. Du möchtest also diverse Handlungen in den Regeln abbilden, vermutlich auch mit einigermaßen plausiblen Ergebnissen der Handlungs usw.
Simulation im Rollenspiel wird aber gerne komplex und aufwändig - das fordert dann am Spieltisch auch Aufwand und Aufmerksamkeit ein, die du aber möglicherweise lieber auf das Abtauchen in die Spielfigur und Spielwelt verwendet sehen möchtest.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Maarzan am 7.11.2015 | 16:39
Naja, Immersion und frei woll' ma haben, aber dann ein Regelkorsett bauen. Wie überraschend, dass das nicht zum gewünschten Erfolg führt. Grundsätzlich sind Regeln ja schonmal nicht so günstig für die Immersion, denn wenn man sich mit Regeln beschäftigt, dann beschäftigt man sich nicht mit dem in-character-Krams, mit der Welt usw.
Ergo sollte man vielleicht nicht soviele Regeln haben und mehr auf freies Beschreiben und daraus abzuleitende Konsequenzen setzen. Versuch vielleicht mal was freies, wie beispielsweise hier: http://www.tanelorn.net/index.php/topic,47151.0.html (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,47151.0.html)

Ansonsten hab ich auch ein bissle das Gefühl, dass bei deinen Problemen auch Simulation eine Rolle spielen könnte. Du möchtest also diverse Handlungen in den Regeln abbilden, vermutlich auch mit einigermaßen plausiblen Ergebnissen der Handlungs usw.
Simulation im Rollenspiel wird aber gerne komplex und aufwändig - das fordert dann am Spieltisch auch Aufwand und Aufmerksamkeit ein, die du aber möglicherweise lieber auf das Abtauchen in die Spielfigur und Spielwelt verwendet sehen möchtest.

Die Immersionsdiskussion kommt ja auch immer wieder und Regeln sind nicht gleich Regeln in diesem Fall.
Aber bei der ganzen Magersucht bezgl. Regeln muss man aber eben auch beachten, dass es eine gemeinsame soziale Veranstaltung ist und die Vorstellungen damit das klappt auch übereinander gebracht werden müssen.
Formelle Regeln verlagern eine Menge dieses Aufwands eben auf die Zeit vor dem eigentlichen Spiel.

Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Galatea am 7.11.2015 | 17:48
Zitat
dass es eine gemeinsame soziale Veranstaltung ist und die Vorstellungen damit das klappt auch übereinander gebracht werden müssen.
Dabei helfen einem die Systemregeln aber nicht wirklich, siehe das destruktives-Verhalten-Thema. Was da nicht ohne Regeln klappen würde klappt auch mit Regeln nicht.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Maarzan am 7.11.2015 | 17:57
Dabei helfen einem die Systemregeln aber nicht wirklich, siehe das destruktives-Verhalten-Thema. Was da nicht ohne Regeln klappen würde klappt auch mit Regeln nicht.

Ein Allheilmittel oder gar ein Mittel gegen gegen bösen Willen sidn sie natürlich nicht, aber als Hilfsmittel für den Gutwilligen und wo es einfach um Orientierungslosigkeit geht dienen sie eben schon.
Oder eben um ggf auch eien gute Chance zu haben rechtzeitig vor Start zu erkennen, dass diese Runde einem keinen Spaß machen wird.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: KhornedBeef am 7.11.2015 | 19:35
Ist ja vieles schon gesagt, ich haue nochmal in die Kerbe mit der Simulation. Das darf kein unumstössliches Konzept sein. Rollenspiel kann sehr viel Geschichtenspiel sein und ist gerade dann immersiv. Dabei geht es also weniger darum die Regeln eine gemeinsame Vorstellung von der Welt abbilden zum lassen, sondern eine gemeinsame Vorstellung von "wie funktionieren die Geschichten, die wir erleben wollen?" Sowie eine Indiana Jones RPG vielleicht nicht völligen Fantasy ist, aber der Typ springt auch in einem Schlauchboot aus dem Flugzeug ohne einen Kratzer zu bekommen. Liegt das daran, das in seinem Universum alles wie bei uns ist, nur Schlauchboote sind kanonisch anders? Nö. Es ist eben Film, und Stunts von Protagonisten dürfen sich ne Mengen rausnehmen, wenn es cool genug ist.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: KhornedBeef am 7.11.2015 | 19:41
Beispiel: Nights Black Agents. GUMSHOE findet man toll oder nicht, Typsache. Aber die Änderungen von den einfachen Regeln (ToC z.B.) zum Actionthrillersetting sind lehrreich. Wenn du einen Einsatz deiner Fähigkeiten cool und interessant beschreiben kannst, und es in einem Actionfilm Sinn machen würde, bekommst du einen mechanischen Vorteil. Du animierst deine Spieler, sich Geschichtenstücke auszudenken.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Maarzan am 7.11.2015 | 19:50
Rollenspiel kann sehr viel Geschichtenspiel sein und ist gerade dann immersiv.

Dann brauchen wir hier erst eine Definition welche Art "Immersion" gemeint ist im Ausgangspost.
Ich habe sie als "Charakterimmersion" aufgefasst.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: KhornedBeef am 7.11.2015 | 20:39
Dann brauchen wir hier erst eine Definition welche Art "Immersion" gemeint ist im Ausgangspost.
Ich habe sie als "Charakterimmersion" aufgefasst.
Klingt als würde das sehr schnell sehr kompliziert...
Vorschlag: Wir sprechen erstmal von der wie auch immer gearteten Immersion, die beim Gucken eines spannenden Films deinen Puls hochtreibt. Ich glaube etwas fachlicher gesprochen hat das irgendwas mit Identifikation zu tun, ich könnte aber auch Scheiss reden :)

Edit: Warnung: Dieser Beitrag entspricht nicht den Qualitäts- und Relevanzanforderungen. Sorry ;)
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Blutschrei am 7.11.2015 | 21:28
Also mein ursprünglicher und sehr weit gefasster Immersionsbegriff war folgender:

Immersion als: völlig in einer dynamischen Welt mit eigenen Naturgesetzen drinnen, i.e. seine Ingame-Handlungen weitgehend frei von "Meta-Zwängen" bestimmen zu können. Die Abwesenheit dieser Meta-Zwänge, in die ich meine Handlungen zwingen muss, bringen natürlich eine schwerere kommunizierbarkeit derselben mit, vor allem hinsichtlich abstrakter Konzepte wie einem etwaigen "Gesundheitszustand".
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Eulenspiegel am 7.11.2015 | 23:17
Ah OK, du meinst also eher "Simulation" anstatt "Immersion".

In diesem Fall ist eine brauchbare Regel: "Immer derjenige, der sich in einem Fachgebiet am besten auskennt, entscheidet über die Auswirkungen."
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: KhornedBeef am 7.11.2015 | 23:42
Wie gesagt, das sehe ich als Teil des Problems. Die Regeln, nach denen die reale Welt funktioniert, sind sehr komplex. Die wenigsten davon tragen wesentlich zum Spielspaß bei einem Rollenspiel bei.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: YY am 7.11.2015 | 23:48
Die Regeln, nach denen die reale Welt funktioniert, sind sehr komplex. Die wenigsten davon tragen wesentlich zum Spielspaß bei einem Rollenspiel bei.

Aber andersrum sollte es einen guten Grund dafür geben, wenn die Ergebnisse, die die jeweiligen Rollenspielregeln liefern, deutlich von den Ergebnissen der "Realitätsregeln" abweichen.

"Das wird sonst zu komplex" ist keine gültige Begründung für simulative Regeln, die nur Murks liefern.
Vom Ergebnis her gedacht kommt man für die meisten Bereiche allemal nah genug ran.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: KhornedBeef am 8.11.2015 | 00:09
Aber andersrum sollte es einen guten Grund dafür geben, wenn die Ergebnisse, die die jeweiligen Rollenspielregeln liefern, deutlich von den Ergebnissen der "Realitätsregeln" abweichen.

"Das wird sonst zu komplex" ist keine gültige Begründung für simulative Regeln, die nur Murks liefern.
Vom Ergebnis her gedacht kommt man für die meisten Bereiche allemal nah genug ran.
Ok, das gilt jetzt vielleicht nur für mein Beispiel "Filmlogik", aber manchmal eben doch, solange der Murks spannender ist. Willst du wirklich, dass dein Fantasycharakter nach jedem Schwertreffer eine 50-50-Chance hat, am Wundbrand dahinzusiechen? Oder permanent CHA verliert wegen faulenden Zähnen? Vielleicht ja, jede Gruppe hat andere Ideen. Ich will nur sagen, ein bisschen biegt man sich den Realismus eh zurecht, um dröge Sachen zu vermeiden. Kann nicht Schaden, das beim Designen schon im Hinterkopf zu behalten.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Galatea am 8.11.2015 | 00:10
Zitat
vor allem hinsichtlich abstrakter Konzepte wie einem etwaigen "Gesundheitszustand"
Der ist aber immer schwer zu kommunizieren, egal ob man ein X-Stufensystem (z.B. heil, angeschlagen, ausgenockt, tot) oder ein Trefferpunktsystem hat.

Und realistisch gesehen ist das Trefferpunktsystem der meisten Spiele auch totaler Quark - wenn jemand mit maximalem Schaden von einem Langschwert getroffen wird ist derjenige TOT und nicht nur leicht bis mäßig schwer verwundet. Zudem gerade bei Trefferpunktsystemen mit niedriger Tödlichkeit die Spieler Verletzungen auch oft kaum "ausspielen" - wenn man da von einem 1W6-Pfeil aufgespießt wird ignoriert man das halt man kurz, sind ja noch 15 Trefferpunkte übrig. Da führen grobe Stufen und weniger Regeln oft zu besserem Spiel.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: KhornedBeef am 8.11.2015 | 00:14
Der ist aber immer schwer zu kommunizieren, egal ob man ein X-Stufensystem (z.B. heil, angeschlagen, ausgenockt, tot) oder ein Trefferpunktsystem hat.

Und realistisch gesehen ist das Trefferpunktsystem der meisten Spiele auch totaler Quark - wenn jemand mit maximalem Schaden von einem Langschwert getroffen wird ist derjenige TOT und nicht nur leicht bis mäßig schwer verwundet. Zudem gerade bei Trefferpunktsystemen mit niedriger Tödlichkeit die Spieler Verletzungen auch oft kaum "ausspielen" - wenn man da von einem 1W6-Pfeil aufgespießt wird ignoriert man das halt man kurz, sind ja noch 15 Trefferpunkte übrig. Da führen grobe Stufen und weniger Regeln oft zu besserem Spiel.
Meine Rede. Sind eben keine Menschen, sondern Helden, die auf nem anderen Level spielen.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Eulenspiegel am 8.11.2015 | 01:54
@ KhornedBeef
Man kann ja in einer Welt spielen, in der es keinen Wundbrand gibt. Dann ist es extrem realistisch, dass man von einem Schwerttreffer keinen Wundbrand bekommt.

Aber willst du in einem Spiel erstmal mit einem Schwert gestochen werden, um zu heilen. (Weil das Schwert einen Heilzauber enthält und man für erfolgreiches Wirken des Heilzaubers einen erfolgreichen Angriffswurf hinlegen muss?)

Willst du, dass eine Kissenschlacht potentiell tödlich endet? (Weil man auch bei einem Angriff mit einem Kissen einen kritischen Treffer landen kann, der zu iener gewissen Chance den sofortigen Tod herbeiführt.)

Ich halte Realismus schon für Wünschenswert. Wobei der Realismus des Settings nicht unbedingt mit dem Realismus in unserer realen Welt identisch sein muss.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Quaint am 8.11.2015 | 02:40
Ich glaube wir verlieren uns ein wenig in Details. Wie der "Realismus" auszusehen hat, hat ja viel mit individuellen Vorlieben, aber auch dem Genre zu tun. Call of Cthulhu hat da andere Ansprüche, bildet eine andere Realität ab, als meinetwegen D&D.
Ich denke eben nur, dass wenn man viel Energie aufwenden muss, um sich mit der Bürokratie der Regeln herumzuschlagen, dann ist das dem abtauchen in die Spielfigur und dem freien Ablauf der Geschichte nicht eben zuträglich. Der Threadersteller beklagt ja auch selbst, dass das detailliert verregelte Kampfsystem, bei dem er üblicherweise angelangt, der Geschichte nicht unbedingt hilft. Natürlich spielt es noch eine Rolle wie gut man die Regeln beherrscht und welche Herangehensweise man pflegt (etwa scheint das eher gamistische auswählen der vorteilhaftesten Vorgehensweise aus den x vorbestimmten den Threadersteller ja auch eher zu stören).
Insofern sehe ich hier ein ganz anderes Paradoxon: Man meint etwas zu müssen (viele verregelte Optionen), stellt fest, dass es das nicht so bringt, ist aber offenbar doch nicht bereit andere Vorgehensweisen zu erproben, sondern meint immernoch zu müssen. Und wiederholt hier die Fehler der Vergangenheit. Ganz offensichtlich wäre es erstrebenswert, aus diesem Schema auszubrechen, gewissermaßen den gordischen Knoten zu zerschlagen. Weniger oder nur minimale Regeln wären da halt meine Idee dazu, gerade da ja scheinbar freies, fluffiges, kreatives Spiel angestrebt wird. Aber vielleicht ist dem Threadersteller mit einem guten simulationistischen System mit ein paar Regeln mehr auch besser gedient, oder vielleicht mit anderen Spielern.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: blut_und_glas am 8.11.2015 | 07:17
Auch die Vorstellung, aus dem Schema nur in den ersten Schritten ausbrechen zu können, ist allerdings ein Schema. Ausbruch?

mfG
jdw
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Maarzan am 8.11.2015 | 07:55
Ah OK, du meinst also eher "Simulation" anstatt "Immersion".

In diesem Fall ist eine brauchbare Regel: "Immer derjenige, der sich in einem Fachgebiet am besten auskennt, entscheidet über die Auswirkungen."

Das ergänzt, bzw. unterstützt sich, ist aber nicht dasselbe.

Und dein Vorschlag läuft ins Leere. Einmal gibt es den Fall, dass sich keiner gut genug auskennt oder dieser nicht klar genug erkennbar ist.
Selbst wenn das gegeben sein sollte, dass ein ausgewiesener Experte mit am Tisch sitzt reicht das nicht, da die entsprechenden weniger kundigen Beteiligten dann vor ihren Entscheidungen jedesmal aufgeklärt werden müssten. Die Grundlagen müssen also vorher bekannt sein.
Des weiteren wird auch mit so einem Experten ein gewisser Kompromiss auf dr Achse Genauigkeit udn Umsetzbarkeit am Spieltisch und damit ein Abstraktionsgrad gefunden werden müssen. Und auch der muss dann rechtzeitig kommuniziert werden.

Wie gesagt, das sehe ich als Teil des Problems. Die Regeln, nach denen die reale Welt funktioniert, sind sehr komplex. Die wenigsten davon tragen wesentlich zum Spielspaß bei einem Rollenspiel bei.

Klar, es muss auf jeden Fall irgendwo immer abstrahiert und vereinfacht werden. Aber dass ein Operieren so weit wie möglich am Simulationsende generell keinem Spaß macht ist eine unzulässige Verallgemeinerung wohl deiner Präferenz auf alle. Einer Präferenz, welche der Themenersteller ja gerade erklärtermaßen sogar ausdrücklich nicht teilt, was deinen Einwurf um so abstruser macht.

Ok, das gilt jetzt vielleicht nur für mein Beispiel "Filmlogik", aber manchmal eben doch, solange der Murks spannender ist. Willst du wirklich, dass dein Fantasycharakter nach jedem Schwertreffer eine 50-50-Chance hat, am Wundbrand dahinzusiechen? Oder permanent CHA verliert wegen faulenden Zähnen? Vielleicht ja, jede Gruppe hat andere Ideen. Ich will nur sagen, ein bisschen biegt man sich den Realismus eh zurecht, um dröge Sachen zu vermeiden. Kann nicht Schaden, das beim Designen schon im Hinterkopf zu behalten.

Filmlogik ist nicht spannender. Und deine überzogenen Beispiele erscheinen mir im günstigen Licht bestenfalls als trollen.
Und natürlich wählt man bei der zu simulierenden Spielwelt aus, wie dese gestaltet sein soll. Und bloß weil es Elemente gibt, wo man gezielt von der irdischen Realität abweicht heißt das ja nicht, dass alles an Logik und Realitätsverbundenheit über Bord werfen muss.


 
Ich denke eben nur, dass wenn man viel Energie aufwenden muss, um sich mit der Bürokratie der Regeln herumzuschlagen, dann ist das dem abtauchen in die Spielfigur und dem freien Ablauf der Geschichte nicht eben zuträglich. Der Threadersteller beklagt ja auch selbst, dass das detailliert verregelte Kampfsystem, bei dem er üblicherweise angelangt, der Geschichte nicht unbedingt hilft. Natürlich spielt es noch eine Rolle wie gut man die Regeln beherrscht und welche Herangehensweise man pflegt (etwa scheint das eher gamistische auswählen der vorteilhaftesten Vorgehensweise aus den x vorbestimmten den Threadersteller ja auch eher zu stören).
Insofern sehe ich hier ein ganz anderes Paradoxon: Man meint etwas zu müssen (viele verregelte Optionen), stellt fest, dass es das nicht so bringt, ist aber offenbar doch nicht bereit andere Vorgehensweisen zu erproben, sondern meint immernoch zu müssen. Und wiederholt hier die Fehler der Vergangenheit. Ganz offensichtlich wäre es erstrebenswert, aus diesem Schema auszubrechen, gewissermaßen den gordischen Knoten zu zerschlagen. Weniger oder nur minimale Regeln wären da halt meine Idee dazu, gerade da ja scheinbar freies, fluffiges, kreatives Spiel angestrebt wird. Aber vielleicht ist dem Threadersteller mit einem guten simulationistischen System mit ein paar Regeln mehr auch besser gedient, oder vielleicht mit anderen Spielern.

Die Art der Regeln hat da ja auch einen erheblichen Einfluss. Wenn die Regeln brauchbar designed sind, kann meines Erachtens die Umsetzung Regeln <=> Spielweltinhalt nahezu unterbewußt automatisiert werden.
Ein Problem sind Regeln, welche sich dann doch merkbar mit der Spielweltrealität beißen, extremen (Ok, Geschmackssache) Verwaltungsaufwand bedürfen oder aber ganz übel klar auf der Metaebene angesiedelt sind.
Was bei der Verinnerlichung von Regeln behindert sind dann unzusammenhängend angeflanschte Systeme und Haufen Ausnahmeregeln schon für die Standardaktionen. (Alles wirklich vereinheitliciht abzuhandeln kollidiert dann oft wieder mit dem sich nicht mit der Spielweltrealität beißen)


Und Geschichte hat aus (Char-)Immersionssicht so gar keine Bedeutung außer, dass am Ende halt etwas bei raus kommt, was erzählt werden kann und damit gewissen Definitionen von Geschichte genügt.



Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: nobody@home am 8.11.2015 | 07:59
Die Regeln, die mir beim Spielen am wenigsten in die Quere kommen, sind die, die ich in- und auswendig kenne und für mich auch so akzeptiert habe -- eine noch so vertraute Regel, über die ich mich bei jedem Auftreten schwarz ärgere, auf der der Rest der Gruppe aber besteht, bringt meiner vielbeschworenen Immersion auch nicht wirklich etwas.

Das ist nun logischerweise ein ziemlich subjektiver "Standard", illustriert aber möglicherweise, daß es auf den reinen Komplexitätsgrad allein auch nicht unbedingt ankommt. (Auch wenn es natürlich richtig ist, daß ein System mit mehr Regeln länger braucht, bis ich darin einigermaßen fit bin, und potentiell auch entsprechend mehr Regeln enthalten kann -- nicht zwangsläufig muß! --, über die ich dann im Spiel stolpere.)
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Lichtschwerttänzer am 8.11.2015 | 08:26
Sieh dir mal das Kampfsystem von FUDGE an,

www.fudgerpg.com
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Der Nârr am 8.11.2015 | 09:42
Eigentlich wurde ja alles schon gesagt - ein Ausbruch aus dem Schema ist nötig. Und hier sind meiner Meinung nach Schritt 1-3 entscheidend, wobei 2 ja nur den Übergang von 1 zu 3 darstellt. Was genau man unter Immersion usw. versteht ist mir dabei zunächst egal - es geht hier um logische Verknüpfungen und Folgen.

Wenn man in Schritt 2 feststellt, dass 3-4 Kampfaktions-Typen nicht ausreichend sind, um "immersives Spiel-Erleben und -Handeln" nicht abbilden zu können, dann ist Schritt 3 *keine* notwendige Folge!

Schritt 3 könnte auch ein direkter Schritt zurück zu Schritt 1 sein, um die 3-4 Kampfaktionen zu überarbeiten, so dass Schritt 2 nicht eintritt.

Oder die Einsicht, dass sich eben nicht alle Ziele erreichen lassen. (Wo ist die logische Begründung, dass es möglich ist, alle Anforderungen zu erfüllen?)

Oder man stellt fest, dass es zwar mit 3-4 Kampfaktionen nicht möglich ist, 100 Kampfaktionen nicht wünschenswert sind, es aber vielleicht mit 5-7 wunderbar funktioniert.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: YY am 8.11.2015 | 11:52
Ok, das gilt jetzt vielleicht nur für mein Beispiel "Filmlogik", aber manchmal eben doch, solange der Murks spannender ist. Willst du wirklich, dass dein Fantasycharakter nach jedem Schwertreffer eine 50-50-Chance hat, am Wundbrand dahinzusiechen? Oder permanent CHA verliert wegen faulenden Zähnen? Vielleicht ja, jede Gruppe hat andere Ideen. Ich will nur sagen, ein bisschen biegt man sich den Realismus eh zurecht, um dröge Sachen zu vermeiden. Kann nicht Schaden, das beim Designen schon im Hinterkopf zu behalten.

Filmlogik geht doch schon in die richtige Richtung: Wenn man ein bestimmtes Genre abbilden will und die Regeln konsequent darauf ausrichtet - alles in Ordnung.
Muss dann nur entsprechend klar kommuniziert und tauglich umgesetzt sein.

Schlecht ist es dann, wenn die Regeln von eigentlich sehr "realitätssimulierenden" Systemen an diversen Stellen total absurde Ergebnisse liefern.


Das Thema "(ZU) realistisch = zu tödlich/verkrüppelnd->Spaßbremse" hat damit erst mal nichts zu tun.


Ich glaube wir verlieren uns ein wenig in Details. Wie der "Realismus" auszusehen hat, hat ja viel mit individuellen Vorlieben, aber auch dem Genre zu tun. Call of Cthulhu hat da andere Ansprüche, bildet eine andere Realität ab, als meinetwegen D&D.

D&D ist da mein Paradebeispiel: Das bietet in allen Editionen einiges an Regeln, die einfach irgendwie gestaltet wurden und eben nicht mit einem bestimmten Genre im Hinterkopf oder sonst einem Gedanken daran, wie das in der Fiktion aussieht.

Mit dem Ergebnis, dass man entsprechend große Brüche drin hat, die es z.B. bei Feng Shui so gut wie gar nicht gibt.

D&D hat ein ganz eigenes Spielgefühl (ist quasi sein eigenes Genre), in das zumindest ich mich jedes Mal sehr mühsam reindenken muss, weil es so wenig verlässliche Ansatzpunkte jenseits der Regelmechanik gibt, was wie funktioniert.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Galatea am 8.11.2015 | 14:35
Meine Rede. Sind eben keine Menschen, sondern Helden, die auf nem anderen Level spielen.
Das Problem ist aber, dass das - wie sehr sehr sehr vieles andere - nicht vernünftig kommuniziert wird (und sich diverse andere Spiele das als Vorlage heranziehen ohne nachzudenken).

Auch gibt es keinen vernünftigen Grund warum "Helden" zu Helden werden und warum sie dadurch plötzlich so viel mehr aushalten und können. Gunst der Götter würde höchstens auf Kleriker zutreffen, bei denen es dann auch nachvollziehbar wäre.
Und das beknackteste von allem ist dass es in 3.5 doch tatsächlich den "Hero" auch noch als Charakterklasse gibt - Heroception ahoi.

Willst du, dass eine Kissenschlacht potentiell tödlich endet? (Weil man auch bei einem Angriff mit einem Kissen einen kritischen Treffer landen kann, der zu iener gewissen Chance den sofortigen Tod herbeiführt.)
Also bei Midgard geht das...

Filmlogik geht doch schon in die richtige Richtung: Wenn man ein bestimmtes Genre abbilden will und die Regeln konsequent darauf ausrichtet - alles in Ordnung.
Muss dann nur entsprechend klar kommuniziert und tauglich umgesetzt sein.
Genau, das ganze muss einfach mit der internen Logik des Settings zusammenpassen.

Das Thema "(ZU) realistisch = zu tödlich/verkrüppelnd->Spaßbremse" hat damit erst mal nichts zu tun.
Ein potentiell sehr tödliches System kann sogar sehr interessant sein, weil Kämpfe intensiv sind und schnell von der Hand gehen. Allerdings trifft das wohl vermutlich eher auf moderne Settings zu, wo Bewegungstaktik im Team eine viel größere Rolle spielt.
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: YY am 8.11.2015 | 15:49
Ein potentiell sehr tödliches System kann sogar sehr interessant sein, weil Kämpfe intensiv sind und schnell von der Hand gehen. Allerdings trifft das wohl vermutlich eher auf moderne Settings zu, wo Bewegungstaktik im Team eine viel größere Rolle spielt.

Bei Kämpfen relativ kleiner Gruppen ist Bewegung immer wichtig, das würde ich dahingehend nicht auf moderne Settings beschränken.


Mich stört an der Betrachtung meistens eher, dass Systeme, die als realistisch bezeichnet werden, sogar viel zu tödlich sind.
Da entsteht bisweilen schnell der Eindruck, es gäbe nur Hitpointberge wegkloppen oder auf der anderen Seite reines Rocket Tag/Instagib  :P
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: KhornedBeef am 8.11.2015 | 16:00
[...]

Filmlogik ist nicht spannender. Und deine überzogenen Beispiele erscheinen mir im günstigen Licht bestenfalls als trollen.
Und natürlich wählt man bei der zu simulierenden Spielwelt aus, wie dese gestaltet sein soll. Und bloß weil es Elemente gibt, wo man gezielt von der irdischen Realität abweicht heißt das ja nicht, dass alles an Logik und Realitätsverbundenheit über Bord werfen muss.

[...]
Langsaaam, sonst vergiften wir uns den Thread. Mein Definitionsspektrum für "Troll" reicht von "jemand, der einfach nur bratzig die Diskussion zerstören will " bis "jemand, der rücksichtslos provoziert, um festgefahrene Denkweise aufzubrechen und damit möglicherweise am Ende die Diskussion oder einzelne Teilnehmer weiterzubringen". Ich bin versichere dir, dass ich mich da nicht wiederfinde und bin leicht beunruhigt, dass das deine best case - Einschätzung ist. Was ist denn der worst case??
Ich fand die Ergebnisse für unsere Welt, jedenfalls das Mittelalter, auch kaum überzogen. Damals war es halt scheisse. Aber egal, ich bin glaube ich mit dem Punkt Realismus zu weit in eine Richtung gerannt. Man kann ja auch eine völlig fremdartige Welt nehmen und für die viele Regeln erfinden. Die meisten RPGs machen das nicht, weil es für viele Spieler eben schwerer ist sich in das Leben einer siliziumbasierten Hydrox-Intelligenzengruppe einzufinden, die mit Pseudoarithmetik die Kartonombrücke untersucht, als zu sagen "Ok, Tolkien, aber es gibt zwölf Götter."
Ich beziehe Realismus übrigens immer auf die bekannte reale Welt, für die getreue Abbildung einer völlig fiktiven Welt würde ich irgendwie auf andere Beschreibungen zurückgreifen, damit man das nicht durcheinander bringen. Für viele Regeln der echten Welt hat ja jeder ein ganz gutes Gefühl, bei einem fiktiven Setting erstmal fast keines, außer es borgt von der realen Realität.

Zum Thema Helden: Ich meinte das eher als Funktion, und gerade nicht etwas das sich durch regelhafte Abbildung einer bestimmten Spielwelt ergeben muss (aber kann, siehe Moorcock).
Titel: Re: Das leidige Paradoxon des System-Designs
Beitrag von: Viral am 8.11.2015 | 17:41
Ob die genannten Punkte wirklich ein Problem sind, hängt mehr mit den eigenen Ansprüchen und Vorlieben zusammen.

Mein Anspruch ist primär, dass die Spielwelt mit ihren Mechaniken konsistent ist und das ganze über relativ schlanke Mechaniken abgewickelt wird. Andere erreichen das mit einem tabletopartiken Simulationsansatz bei denen Spielfiguren zusammen mit Aufbauten benutzt werden - nicht mein Ding, aber über Geschmack lässt sich bekanntlich viel streiten.

Und ich Spiele gerne Charaktere mit dem Heldenbonus (Ad&d, Exalted), aber es macht auch Spaß eher durchschnittliche Typen zu spielen, die außerordentliche Ereignisse geworfen werden (UA, CoC).

Vermutlich gibt es da keinen "richtigen" allgemeinen Weg, allenfalls kann man darüber diskutieren wer den "besseren" Geschmack hat.