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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: blut_und_glas am 29.12.2015 | 09:47

Titel: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: blut_und_glas am 29.12.2015 | 09:47
Wie wichtig ist euch die Plausibilität des geschilderten Szenarios beim Rollenspiel in/mit alternativer/kontrafaktischer Geschichtsschreibung?

Fantastische Elemente, inklusive Science Fiction, Steam-, Diesel-, Atom-. Modem- und anderer Technik"punk", seien ausgeklammert.

mfG
jdw
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Blechpirat am 29.12.2015 | 10:02
Das kommt ganz erheblich darauf an, was ich mit dem Setting vorhabe. Für einen Dungeoncrawl ist mir das ziemlich egal. Möchte ich höfische Intrige, muss ich sehr konkrete Vorstellungen entwickeln können, was z.B. korrektes höfischen Benehmen darstellt, was ein Tabubruch ist, und wie ich jemand in die Majestätsbeleidigung provoziere.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Sashael am 29.12.2015 | 10:23
Für mich muss es plausibel sein. Ich mache das derzeit an der Amazon-Serie The Man in the High Castle fest, deren Grundprämisse einfach schwachsinnig ist und die ich deshalb nicht genießen kann.

Ein "Schwenk" in der Geschichte, eine What-If-Story ist bei mir immer gern gesehen. Aber es muss halt auch alle (oder zumindest möglichst viele) beeinflussende Faktoren berücksichtigen und nicht einfach irgendeinen interessanten "Fakt" setzen.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: D. Athair am 29.12.2015 | 10:31
Die Prämissen müssen stimmen.

Ein gutes Beispiel wäre ... trotz phantastischer Verfremdung ... Clockwork & Chivalry.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Feyamius am 29.12.2015 | 11:13
Ich mag Uchronie-Welten auch sehr gerne. Sie sollten aber wie auch schon erwähnt wurde dann durchdacht sein und die Änderung(-en) konsequent weitergeführt werden. Stichwort Butterfly-Effect.

Was ist so schlimm an The Man in the High Castle? Hab davon bisher nur die erste Folge gesehen.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Sashael am 29.12.2015 | 11:41
Hast PM.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Der Rote Baron am 29.12.2015 | 11:51
Generell muss gelten: Die Welt muss in sich stimmig sein und nicht im "Feldversuch" an ihren eigenen Widersprüchlich- oder Unmöglichkeiten zerbrechen.

Gestört hat mich z:b: an dem Deadlands-Setting die Aufhebung der Sklaverei, ausgerechnet zuert in den Südstaaten, und dann noch der "Knaller", dass außgerechnet der Weird West dann keine 30 Jahre nach Aubruch des Bürgerkrieges frei sei von rassischer, ethnischer und geschlechtlicher Diskriminierung!

Jau. Genau.

Das Geschichtsklitterung ersten Ranges und dient allein einem amerikanischem Wohlfühlen ("Wir sind alle ja dann doch irgendwie GUT und haben Frauen, Neger und Chinesen lieb (und Deutsche und Iren und Katholiken und Sozialis ... na, wir woll'n mal nicht übertreiben - und behandeln alle gleich."
Das stört mich aus vielerlei Hinsicht:

1) Die Bedeutung der Sklaverei wird heruntergewürdigt. Der Bürgerkrieg wird (wie bei vielen Revisionsten in den USA) zu einem "War between the States" oder sogar zu dem "War of Northern Aggression". Das ist Geschichtsrevisionismus.

2) Die Aufhebung der Sklaverei hätte zum Zerfall der C.S.A. geführt: Angetreten um neben der Sklaverei die "State Rights" zu verteidigen, hatte Jeff Davis eh schon Probleme alle unter einen Hut zu bekommen. Ene zentrale Order zur Befreiung der Sklaven hätte zwar den Abolitionisten im Norden den Wind aus den Segeln genommen (wie in "Oh, wir haben GESIEGT! Hallelulja!") und vielleicht England und Frankreich zu einer militärischen Unterstützung der Konföderation bewogen, doch hätten die Hardcore-Sklavenhalter in Mississippi, South Carolina und Alabama da NIE mitgemacht. as wäre das Ende des Bürgerkrieges gewesen:
Auflösung der Konföferation, Wiederbeitritt einzelner Staaten nach Verhandlungsfrieden, Unabhängigkeit einzelner Südstaaten von der Konföderation, Niederschlagung und Besetzung derselben, Sieg der Union.

3) Angesichts der rassischen Diskriminierung in den USA bis zum heutigen Tage (schwarzer Präsi hin oder her), kann ein zwar unheimlich und bluttriefender Horror-Wilder-Westen, der aber gleichzeitig die Plakette "Region der Vielfalt und des Miteinanders" an das Eingangschild von Dodge City schraubt, nur unglaubwürdig sein.

P.S: Ich finde es dagegen vollkommen legitim, wenn Gruppen die Problematik der Diskriminierung nicht in ihr Spiel einbauen wollen. Das ist völlig okay und manchmal sogar in historischen Seting otwendig, damit es spielbar bleibt: Sonst sind weibliche SC immer nur Heimchen am Herd, Dame im Salon oder Wanderhure - und es muss immer der Tanz "Was mach die Frau hier!" durchgeächzt werden. Dann gibt es halt (All for One) weibliche Musketiere (aber getrennt von den Männern!) oder keiner durchschaut den Mummenschanz a la "Leben des Brian" ("Ist etwa Weibsvolk anwesend?" - "Neinneinnöwasniemals...." - "dann ist es ja gut.").
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Necoras am 29.12.2015 | 12:47
Ich glaube, es wird wohl kaum jemanden geben, dem Plausibilität völlig egal ist. Nur was für wen als plausibel gilt, dürfte auseinander gehen. Meines Erachtens hat das einfach sehr viel mit dem Hintergrundwissen zu tun, was man als Spieler mitbringt.

Ich habe Deadlands immer sehr gerne gespielt. Vielleicht einfach deshalb, weil ich von dieser geschichtlichen Epoche eben gerade nicht so viel weiß. Aber bei vielen anderen Steampunk-Settings komme ich über die ersten paar Seiten nicht hinaus, weil dort oft eine alternative, sehr ähnliche Entwicklung mit anderen Ressourcen (Dampf, Ghost Rock, etc.) vorgeschlagen wird. Und bei mir hört es oft dann auf, wenn andere Erfindungen und Ressourcen zu sehr ähnlichen Entwicklungen führen sollen (z. B. steampunk-PC). Bei Deadlands funktioniert das ja eigentlich mit Magie, ist insgesamt augenzwinkernd verpackt und hatte meines Wissens nach auch keine Geräte, die das Spiel vollkommen verändern, weil sie im Spiel "zu stark" sind...
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Oberkampf am 29.12.2015 | 12:54

Gestört hat mich z:b: an dem Deadlands-Setting die Aufhebung der Sklaverei, ausgerechnet zuert in den Südstaaten, und dann noch der "Knaller", dass außgerechnet der Weird West dann keine 30 Jahre nach Aubruch des Bürgerkrieges frei sei von rassischer, ethnischer und geschlechtlicher Diskriminierung!


Genau das hat mich auch gestört, als ich mir Deadlands Reloaded angeschaut habe. Alles ist dunkler und schlimmer geworden, aber ausgerechnet einige der wirklichen Plagen bis heute werden in wenigen Jahren in der Alternativwelt überwunden? Klar kann ich nachvollziehen, dass das Setting so für viele spielbarer und besser verkaufbar wird, aber mir kommt es irgendwie komisch und auch geschichtsrevisionistisch vor.

Geschichtsrevisionismus bzw. Geschichtsklitterei ist meiner Meinung nach auch generell die Gefahr von Alternativhistorien.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: am 29.12.2015 | 13:16
Plausibiltät schön und gut aber wenn Mann darauf zu großen wert legt bleiben nicht so viele Spile übrieg .
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Sashael am 29.12.2015 | 13:41
Doch doch, Supersöldner. Nämlich alle, die eben keinen Bezug auf realweltliche Geschichte nehmen wollen. Oder das Ganze mit einem kräftigen Augenzwinkern verpacken. Castle Falkenstein bedient sich ja auch schamlos in der europäischen Geschichte, verändert dann das Setting aber so stark, dass die Anleihen halt eher als Insiderjokes wahrgenommen werden (können).
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Feyamius am 29.12.2015 | 14:41
Jopp, wenn eine Alternativwelt Diskriminierung komplett loswerden soll, muss in ihre Timeline ein Ereignis (oder mehrere) hineingeschrieben werden, das halbwegs plausibel dafür sorgt, dass Diskriminierung kein Thema mehr ist.

Und so ist es mit allen Alternativkonstruktionen: Soll es plausibel sein, kann man es nicht einfach setzen, sondern muss die Alternativhistorie so schreiben, dass es passt.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Conan der Barbier am 29.12.2015 | 14:43
Ich glaube, es wird wohl kaum jemanden geben, dem Plausibilität völlig egal ist. Nur was für wen als plausibel gilt, dürfte auseinander gehen. Meines Erachtens hat das einfach sehr viel mit dem Hintergrundwissen zu tun, was man als Spieler mitbringt.

So sehe ich das auch. Für mich persönlich kann ich dem Roten Baron zustimmen:

Die Welt muss in sich stimmig sein und nicht im "Feldversuch" an ihren eigenen Widersprüchlich- oder Unmöglichkeiten zerbrechen.

Ich kenne allerdings viele Spieler, denen es nicht so übel aufstößt wie mir, wenn Hintergrundwelten in sich widersprüchlich sind, dafür aber einen hohen Coolnessfaktor, mehr Freiheiten bei der Charakterwahl oder andere als Vorteil wahrgenommene Effekte haben. Sie haben einfach Spaß dabei und fertig, was meiner Meinung nach völlig ok ist.

Ich selbst kann aber keinen richtigen Spielspaß haben, wenn ich an allen Ecken und Enden über mein (zugegeben sehr lückenhaftes, aber schon recht weites) Geschichtswissen stolpere und sagen muss "hoppla, das geht aber doch logisch gesehen gar nicht, weil xyz..". Jedem Tierchen sein Pläsierchen, darauf läuft es für mich hier wie auch sonst beim Rollenspiel hinaus: Alles ist erlaubt, wenn es allen in der Gruppe recht ist. Nur ist mir nicht alles recht :D Insofern achte ich zunehmend darauf, dass die Interessen in der Gruppe kompatibel sind, dann läuft die Sache.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: WeepingElf am 29.12.2015 | 15:30
Es sollte schon historisch plausibel sein. Vor allem aber sollte der Divergenzpunkt einer sein, wo es wirklich die Möglichkeit gab, dass es anders hätte laufen können. Das sehe ich z. B. beim Amerikanischen Bürgerkrieg eher nicht, wo der Norden nicht nur moralisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich haushoch überlegen war. Er war nicht nur größer, er war auch industrialisiert, während der Süden kaum Industrie hatte.

Manchmal ist der plausibelste Divergenzpunkt nicht da, wo es offensichtlich wird, sondern schon deutlich früher, bei irgendeinem obskuren Detail. Mir ist zum Beispiel der Gedanke gekommen, dass der Divergenzpunkt für eine Naziwelt ein simpler Verkehrsunfall in England kurz nach dem 1. Weltkrieg sein könnte, bei dem ein Wirtschaftswissenschatler namens John Maynard Keynes ums Leben kommt. Dieser Mann entwarf nämlich das Reformprogramm, mit dem Großbritannien in den 30er Jahren aus der Großen Depression herauskam und das das Vorbild für Roosevelts New Deal wurde. Ohne diese Reformen wäre England wahrscheinlich ebenso wie Frankreich von den braunen Horden überrant worden, und die USA wären auch nicht in der Lage gewesen, zu helfen.

Was die Einbeziehung fantastischer Elemente betrifft, so ist das Geschmackssache, aber diese sollten nicht dazu verwendet werden, offensichtliche historische Unwahrscheinlichkeiten, die erkennbar nichts anderes als handwerkliche Fehler sind, zu überkleistern. Ich selbst habe in meiner Rosæ-Crux-Welt, die im frühen 6. Jh. n. Chr. abzweigt (Artus unterlässt es, gegen die Elben von Avalon einen Krieg zu führen), ein paar Fantasy-Elemente drin, bemühe mich aber trotzdem um historische Plausibilität, statt mich auf magische Handwedeleien zu verlassen. Dennoch bin ich vorsichtig damit, Rosæ Crux eine Alternativgeschichte zu nennen, es ist eher eine Fantasywelt mit Alternativgeschichte-Elementen.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Feyamius am 29.12.2015 | 15:36
Mir ist zum Beispiel der Gedanke gekommen, dass der Divergenzpunkt für eine Naziwelt ein simpler Verkehrsunfall in England kurz nach dem 1. Weltkrieg sein könnte
Friedrich Dürrenmatt gefällt das. (https://www.inhaltsangabe.de/duerrenmatt/das-versprechen/) ;)
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Lichtschwerttänzer am 29.12.2015 | 15:54
Gestört hat mich z:b: an dem Deadlands-Setting die Aufhebung der Sklaverei, ausgerechnet zuert in den Südstaaten, und dann noch der "Knaller", dass außgerechnet der Weird West dann keine 30 Jahre nach Aubruch des Bürgerkrieges frei sei von rassischer, ethnischer und geschlechtlicher Diskriminierung!
wird das erklärt?

So a la SR, warum sollten sich Rassisten über die Hautfarbe aufregen, wenn da Leute mit Hauern und Spitzen Ohren rumlaufen...(Wie Glaubwürdig das ist sei mal dahingestellt)

@WeepingElf

Nur wenn du mir erklärst, wie die braunen Horden der Wehrmacht über den Kanal kommen
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Blechpirat am 29.12.2015 | 16:07
Nur wenn du mir erklärst, wie die braunen Horden der Wehrmacht über den Kanal kommen
https://de.wikipedia.org/wiki/Unternehmen_Seel%C3%B6we
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Lichtschwerttänzer am 29.12.2015 | 16:27
https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Sea_Lion#Background

Raeder
.....the emphatic reminder that up until now the British had never thrown the full power of their fleet into action. However, a German invasion of England would be a matter of life and death for the British, and they would unhesitatingly commit their naval forces, to the last ship and the last man, into an all-out fight for survival. Our Air Force could not be counted on to guard our transports from the British Fleets, because their operations would depend on the weather, if for no other reason. It could not be expected that even for a brief period our Air Force could make up for our lack of naval supremacy

When Franz Halder, the Chief of the Army General Staff, heard of the state of the Kriegsmarine, and its plan for the invasion, he noted in his diary, on 28 July 1940, "If that [the plan] is true, all previous statements by the navy were so much rubbish and we can throw away the whole plan of invasion".[29]

Alfred Jodl, Chief of Operations in the OKW (Oberkommando der Wehrmacht), remarked, after Raeder said the Kriegsmarine could not meet the operational requirements of the Army, "[T]hen a landing in England must be regarded as a sheer act of desperation".[30]

https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Sea_Lion_(wargame)
https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Overlord
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: YY am 29.12.2015 | 16:41
und dann noch der "Knaller", dass außgerechnet der Weird West dann keine 30 Jahre nach Aubruch des Bürgerkrieges frei sei von rassischer, ethnischer und geschlechtlicher Diskriminierung!

Ich kann mich da auf Anhieb nur an einen kleinen Erklärbär-Kasten erinnern, warum die Stellung der Frauen sich so massiv verbessert hat - und die Erklärung ist angesichts realhistorischer Entwicklungen auch nicht völlig an den Haaren herbeigezogen, auch wenn die Auswirkungen deutlich utopischer (in beiderlei Wortsinn) sind.

Aber so richtig Friede-Freude-Eierkuchen-wir-ham-uns-alle-lieb - wo steht das denn so explizit?


Andersrum haben doch gerade Indianer und Chinesen gerne mal entsprechende spielmechanische Nachteile, die gar nicht so ohne sind.
Und der Fluff ist in der Hinsicht auch nicht wirklich Heile-Multikulti-Welt, jedenfalls nicht in DL Classic.


Der Bürgerkrieg wird (wie bei vielen Revisionsten in den USA) zu einem "War between the States" oder sogar zu dem "War of Northern Aggression". Das ist Geschichtsrevisionismus.

Bei Alternativgeschichte ist der Revisionismus doch schon fast zwingend mit eingebaut.

Schließlich ist nicht jeder Bürgerkrieg automatisch auch ein Sezessionskrieg, und was läge für einen alternativen Verlauf näher als eine erfolgreiche Sezession?


Trennung.


Meine Antwort zur Eingangsfrage möchte ich hier einbringen:
Ich selbst kann aber keinen richtigen Spielspaß haben, wenn ich an allen Ecken und Enden über mein (zugegeben sehr lückenhaftes, aber schon recht weites) Geschichtswissen stolpere und sagen muss "hoppla, das geht aber doch logisch gesehen gar nicht, weil xyz..".

Da tendiert man meiner Einschätzung nach meistens dazu, viel zu restriktiv zu denken bzw. zu argumentieren.

Es gab und gibt genug Länder auf der Welt, die man lediglich mit zwecks Verfremdung geänderten Bezeichnungen keinem als plausibles Rollenspielsetting verkaufen könnte ;)


Geht man das von der anderen Seite an*, wirkt das Setting hinterher deutlich plausibler und man hat Futter für die Denkmurmel.


*Also mit dem Grundgedanken: "Was ist hier nicht oder falsch genannt, was (anders) gegeben sein müsste, damit das im Großen und Ganzen so hinkommt wie beschrieben?"



Wenn man ehrlich ist, ist man beim Thema Alternative Geschichte sehr schnell mit der Aussage bei der Hand, dass das ja so nieeeemals hätte passieren können, und am Besten hat man selbst noch genau einen einzigen Wahren Verlauf (tm) zu bieten.

Wo allerdings der Mehrwert für sich und andere dabei liegt, hier eigene Meinung, Ansichten und Erfahrungen derart überzubewerten und absolut zu setzen, erschließt sich mir nicht.
Außer man hat Spaß dran, keinen Spaß zu haben  :P

Hast PM.

Die hätte ich auch gerne  :)
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Lichtschwerttänzer am 29.12.2015 | 16:50
Hast PM.
ich auch bitte
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Der Rote Baron am 29.12.2015 | 17:41
Der "Erklärbär-Kasten" zur Sklaverei in D:R lautet gedolmetscht ungefähr so:
"Let's get this (slavery) out of the way early - (...) slavery is s thing of the past."

Erklärt wird die Abschaffung des Sklaverei in der C.S.A. mit einer Initiative Lees  im jahre 1864 zur Befreiung von Sklaven, die sich zum Waffendienst in der Konföderationsarmee melden. Und Davis unterstütze den Plan.
Und genau an der Stelle verkennt man die macht von Davis und Angst vor bewaffnenten Sklaven im Süden!
Dies ergab dann eine Unterstützung der C.S.A. durch das UK und Frankreich verbunden mit der Bitte, die Sklaverei im Süden ganz abzuschaffen.
Was die dann am 9. April 1865 auch taten.
WER BITTE SOLLTE DAS DURCHSETZEN??? Die Konföderation pochte auf die Rechte der Einzelstaaten. Das war im Krieg sogar mit (nicht der) Grund, weshalb Davis so einen schweren Stand hatte als Präsident. Seine Macht war stark eingeschränkt.

Lincoln zog dann nach, um nicht die "moralische Überlegenheit" zu verlieren.
Das ist dann sogar mal plausibel.

Ab 1879 war dann Rassismus im Weird West ein Ding der Vergangenheit, denn ein Fortschritt wurde gemacht und die Aussicht auf weitere Integration in der Konföderation brachte eine größe Wertegemeinschaft der Menschen im Süden.
Nein, wie putzig: In 14 Jahren wurden alle rassischen/ rassistischen Vorurteile aufgeläst in Bütenduft und Händchenhalten - während der Bürgerkrieg immer noch tobt - und warum eigentlich? Die Südstaatenjunker haben keine Sklaven mehr und müssen von ihrer feudal-aristokratischen Landwirtschaft auf moderne Agrarindustrie umstellen - also werden die freie Sklaven landlose Nicht-Bauern und arbeitslose Tagelöhner - und das bringt Frieden in die Welt?

Insgesamt sind die Leute halt gewillt auf den Charakter und nicht auf die Hautfarbe zu schauen.
Reines PC-Geschwafel!

Bei der Gleichberechtigung der Frauen wird argumentiert, das snach 20 jahren Bürgerkrieg ein solcher Arbeitskräftemangel herrscht, dass Frauen eben auch vorherige Männerdomänen besetzten können. Immerhin wird die politische Beteiligung (fehlendes Wahlrecht!) auf die lokale Ebene beschränkt.
Das klingt soweit logisch - wenn man außer acht lässt, dass es ja nun eigentlich genug arbeitslose, freigelassene Sklaven geben müsste - im Süden wie im Norden (z.B. Kentucky, Maryland, z.T. in West Virginia, Kansas und Delaware).

Es ergibt also alles keinen wirklichen Sinn außer dem: WIR WOLLEN NIEMANDEM AUF DIE FÜSSE TRETEN! Wir sind Amerikaner - und Sklaverei ist unser Tabu. Da gehen wir nicht ran.

Das ist ein wenig so, als ob ich ein Alternativwelt-Rollenspiel zum 2. Weltkrieg mache und dann die Verfolgung und Vernichtung der Juden ausklammere unter "Hörte schon 1940 wieder auf, dann war alles wieder gut!", damit man auch Waffen-SSler spielen kann (der dann natürlich auch Jude sein darf!): Elite-Truppe, beste Ausrüstung, Corps-Geist, Ausgehuniform cool in Schwarz mit viel Silber - wäre doch schade, wenn man das nicht spielen könnte, oder?  :Ironie:
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Der Nârr am 30.12.2015 | 08:08
Weiter in der Zukunft werden aber Details der Vergangenheit weniger wichtig. Wenn das Setting in Jahr 2020 spielt und sagt, die Nazis haben den 2. WK gewonnen, muss ich keine Truppenaufstellungen sehen oder wissen, was Hitler 1914 gegessen hat.

Geschichte ist voller Zufälligkeiten. Darum ist es Geschichte und nicht Schicksal.

Was ich aktuell in Alternativhistorien nervig finde: in der Serie The Flash gibt es eine Paralleldimension mit alternativer Erde. Da wird gesetzt, dass jeder Mensch sein Gegenstück hat. Das finde ich unplausibel. Wenn die Geschichte anders verläuft, sollte die Erde auch von anderen Menschen bevölkert sein. Schon wegen der Zufälligkeiten in der Fortpflanzung. Das ist aber eher bei Parallelwelten interessant - weniger akut bei was wäre wenn Welten.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Boba Fett am 30.12.2015 | 12:36
Die WW2 Debatte verlagere ich in ein anderes Thema. Hier bitte

 :btt:
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Boba Fett am 30.12.2015 | 12:48
Dieses Thema wurde verschoben nach Pen & Paper - Rollenspiel- & Weltenbau (http://www.tanelorn.net/index.php?board=9.0).

http://www.tanelorn.net/index.php?topic=96639.0
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Ludovico am 30.12.2015 | 15:14
Ich mag solche Settings sehr.
Der hohe Wiedererkennungswert hilft beim Spielen.

Die Plausibilität ist mir aber auch wichtig bis zu einem gewissen Mass. Die Abweichungen von der Historie sollen nicht zu dominant sein, weshalb ich gewisse Unschärfen gut tolerieren kann.

So führte der US-Bürgerkrieg bei Space 1889 zu einer echten Teilung der USA, weil Lincoln zu früh verstarb und der Norden so die Motivation verlor.

Auch sollten es ansonsten kleine feine Sachen sein:
WK1: Die Lousitania sinkt nicht, weil die Torpedps nicht detonieren. Führt zu Unentschieden
WK2: Deutscher Wissenschaftler hat Erleuchtung auf dem Lokus und baut die Atombombe. Deutschland gewinnt.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Lichtschwerttänzer am 30.12.2015 | 15:35

WK2: Deutscher Wissenschaftler hat Erleuchtung auf dem Lokus und baut die Atombombe. Deutschland gewinnt.
mit welchen Ressourcen
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: alexandro am 30.12.2015 | 15:45
1.) Das Setting sollte halbwegs glaubwürdig sein, wie das Setting in den gegenwärtigen Zustand gekommen ist, was anders verlaufen ist und welche Auswirkungen das hatte.
2.) Das Setting sollte in sich geschlossen sein und seine (innerweltlichen) Prioritäten auf Dinge lenken, welche in der geänderten Zeitlinie wichtig sind.

Negativbeispiel: vor einiger Zeit habe ich mich mit dem Setting "Rex Mundi" (Comic) beschäftigt, welches gleich in mehrerer Hinsicht für Facepalm-Momente sorgte...
1) Es ist eine Welt, in welcher die Reformation niemals Erfolg hatte, die großen Monarchien niemals fielen - trotzdem ist die Welt etwa auf dem Stand der Gegenwart (bzw. der 30er-Jahre, wo die Comics spielen). Ein paar der Entwicklungen (speziell die Besiedlung Amerikas, die Herausbildung von Parlamenten und die technologische Entwicklung) erscheinen unter diesem Kontext etwas fragwürdig, aber man könnte darüber hinwegsehen, da man nicht alles über die Geschichte erfährt und es durchaus auch plausible Gründe für diese Entwicklung geben könnte.
2) Richtig versagt die Erzählung aber in der Bedeutung der Geschichte auf die "Gegenwart" des Settings: aus irgendwelchen Gründen sind dieselben Sachen (Reformation, Amerika, Französische Revolution...) immer noch im Bewusstsein der Bevölkerung, obwohl sie geschichtlich Null impact hatten. Das geht so weit, dass sich zwei Charaktere im Setting über die Franz. Revolution unterhalten und dabei beiläufig erwähnen, dass zu dieser Zeit ein Mann namens Napoleon Bonaparte im Gefängnis an einer Lungenentzündung verstarb - warum bitte ist das eine Erwähnung wert, wenn diese Figur innerhalb der Geschichte des Settings keine Bedeutung hatte? Das ist einfach nur lazy writing und untergräbt die Glaubwürdigkeit und die in-sich-Geschlossenheit des Settings.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: bobibob bobsen am 30.12.2015 | 15:47
Ich bin da sehr tolerant und eigentlich ganz froh wenn ich gerade zu der Geschichte eines Settings möglichst wenig Informationen bekomme.

Wenn ich mir die Geschichte unser aller Lifesettings ansehe stoße  ich da doch auf ziemlich viele Ungereimtheiten die ich mir logisch auch nicht erklären kann. Ich nehme sie hin da sie so überliefert wurden, warum sollte ich in einer fiktiven Spielwelt nicht ebenso vorgehen.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Ludovico am 30.12.2015 | 16:56
mit welchen Ressourcen

Darum ging doch mein Post.
Die Antwort muss plausibel sein und bedarf bei genauerer Betrachtung keine Antwort, damit ich zufrieden bin.

Hätte der Norden den Bürgerkrieg trotzdem gewonnen, wenn Abe vorzeitig verstorben wäre? Wahrscheinlich.
Aber die Erklärung reicht mir. Sie ist plausibel, wenn auch bloß oberflächlich.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Lichtschwerttänzer am 30.12.2015 | 17:01
Darum ging doch mein Post.
Die Antwort muss plausibel sein und bedarf bei genauerer Betrachtung keine Antwort, damit ich zufrieden bin..
Sie ist eben nicht plausibel, GD fehlten dazu die notwendigen Ressourcen



Zitat
Hätte der Norden den Bürgerkrieg trotzdem gewonnen, wenn Abe vorzeitig verstorben wäre? Wahrscheinlich.
falsche Frage:  Hätte Little Mac den Krieg weitergeführt wenn er ihn hätte beenden Können?
NeverEver, McClellan wollte das Blutvergiessen um so ziemlich jeden Preis beenden
Da hätte sich der Süden wirklich anstrengen müssen um das zu verbeuteln und das gegen Jefferson Davis der Lee It is well that war is so terrible, otherwise we should grow too fond of it hätte diktieren können und Lee selber
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Ludovico am 30.12.2015 | 17:04
Sie ist eben nicht plausibel, GD fehlten dazu die notwendigen Ressourcen

falsche Frage:  Hätte Little Mac den Krieg weitergeführt wenn er ihn hätte beenden Können?
NeverEver, McClellan wollte das Blutvergiessen um so ziemlich jeden Preis beenden

Ich denke, ich habe meine Meinung deutlich dargestellt, auch wenn wir anderer Meinung sind was das Wort “plausibel“ angeht.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: Bad Horse am 31.12.2015 | 12:26
Lichtschwerttänzer, es wäre schön, wenn du nicht nur Posts auf ihre historische Plausibilität zerpflücken würdest. Es geht hier nicht darum, jede mögliche Option durchzuhecheln. Das führt den Strang jedes Mal vom eigentlichen Thema fort.
Titel: Re: Alternativhistorisches Rollenspiel - eine etwas andere Realismusdebatte
Beitrag von: rockston am 31.12.2015 | 12:49
Wie wichtig ist euch die Plausibilität des geschilderten Szenarios beim Rollenspiel in/mit alternativer/kontrafaktischer Geschichtsschreibung?

Kommt vollkommen auf das Setting, das Genre und das Spiel an. Pulp würde sich da schon sehr von einem investigativen oder politischen Spiel unterscheiden.

Tendenziell ist mir persönlich Authentizität wichtiger als Realismus. Solange etwas glaubwürdig ist, und das richtige Gefühl vermittelt, sind die Fakten nicht weiter wichtig — außer die Fakten sind der Fokus des Spiels.