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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspieltheorien => Thema gestartet von: Achamanian am 17.02.2016 | 18:24

Titel: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 17.02.2016 | 18:24
Wegen neuer Definitionsversuche bin ich noch mal auf dieses Rollenspielmerkmal gekommen, das mir typisch erscheint und das hier glaube ich schon mal unter RSP vs. Tabletop diskutiert wurde.
Ein Merkmal, das ich bei fast allen Rollenspielen und kaum bei anderen Spielen sehe, ist die Offenheit der Regeln zur Fiktion hin. D.h. in der beim Spiel mitlaufenden, von den Spielern (unter anderem unter Verwendung der Regeln) entwickelten Fiktion können Dinge geschehen, die einen Regeleinsatz auslösen (oder, je nach System und Spielphilosophie, auch eine zeitweilige Änderung von Regeln). Ich klettere die Mauer hoch: Gut, mach eine Probe; Moment, ich krame vorher den Kletterhaken aus meinem Rucksack; Gut, die Probe wird einfacher; He, der verdammte Spion hat das Seil angesägt; mach noch eine Probe, um dich festzuhalten, als es reißt. Lauter Fälle, in denen etwas auf der reinen Fiktionsebene entwickelt wird und dann in den Regeleinsatz hinüberwirkt.
In den meisten klassischen Gesellschaftsspielen ist das nicht möglich: Ich kann mir beim Schach oder Mensch-ärgere-dich-nicht oder bei Descent eine Story dazu mitdenken, aber welche Regeln unter welchen Bedingungen angewendet werden können, ergibt sich allein aus dem jeweiligen Regelwerk. Ich kann nicht plötzlich zwei Bauern gleichzeitig ziehen, weil die Fiktion, die ich mir zu meinem Schachspiel mache, besagt, dass sie sich zur selben Zeit auf den Weg machen. Ich kann nicht die Königin des Gegners umwerfen, weil ich erzähle, dass einer meiner Agenten sie vergiftet hat.

Ein paar Indies haben mir da erst Probleme gemacht - z.B. Fiasko, das auf den ersten Blick aussieht, als würde da das Regelgerüst ganz äußerlich der Fiktion fest und unverrückbar dastehen. Aber tatsächlich hat man auch hier am entscheidenden Punkt, nämlich bei der Würfelfarbenvergabe, die Rückwirkung der gemeinsamen Fiktion auf die Regelebene.

Das ist eigentlich das, was ich am ehesten als eindeutiges Rollenspielmerkmal empfinde; und als ich zu meiner Überraschung erfahren habe, dass viele Tabletopspieler es ebenfalls so handhaben, dass man beispielsweise auf der Erzählebene regeltechnische Vorteile erlangen kann, hatte ich sofort den Eindruck, dass man das als Rollenspielelement in einem Tabletop bezeichnen müsste.

Es geht mir hier nicht um die Definition anhand des einen, wahren Merkmals; aber ist die Offenheit der Regeln zur Fiktion hin ein Merkmal, das irgendwie typisch für Rollenspiele ist? Hat diese Aussage einen Erkenntniswert? Oder liege ich ganz falsch?
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Pyromancer am 17.02.2016 | 18:32
Da hat Vincent Baker vor 10 Jahren einen guten Artikel dazu geschrieben (und auch ein paar schöne Bilder dazu gemalt). Kurzfassung: Ja, kann man so sehen.

http://www.lumpley.com/archive/156.html
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Forlorn am 17.02.2016 | 18:35
aber ist die Offenheit der Regeln zur Fiktion hin ein Merkmal, das irgendwie typisch für Rollenspiele ist?

Ja klar. Man muss sich nur die Wurzeln des Rollenspiels ansehen, die stark mit dem Tabletop verbunden sind. Gygax und Konsorten wollten ihrem Figürchenspiel eine etwas tiefere, fiktionale Ebene verleihen und somit haben die Regeln immer stärker den imaginativen Erzählraum als Spieloberfläche etabliert.

Je weniger offen die Regeln zur Fiktion hin sind, desto stärker wird aus dem Rollenspiel wieder ein Tabletop. Das kann zwar auch detaillierte Charaktere mit unzähligen Sonderfähigkeiten und Inventar abbilden, ist aber per se zur Fiktion hin eher geschlossen und die Interaktion mit der Spieloberfläche beschränkt sich meist auf Bewegung.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Isegrim am 17.02.2016 | 19:01
In den ersten Warhammer FB-Editionen war meiner Einnerungen noch ein Spielleiter vorgesehen, der als Schiedsrichter fungieren sollte, aber auch bei solchen Fragen (wie bei Rollenspielen) "über" den geschriebenen Regeln gestanden hätte. Hat sich aber offensichtlich nicht durchgesetzt. Mit passenden Mitspielern geht das vermutlich auch ohne SL (wie wohl auch Rollenspiel, auch wenn ichs noch nicht gepsielt hab und mir nu auch schwer vorstellen kann). In einem WH-Turnier nach K.O.-Methode wird es aber nicht leicht, dem Gegner einen Bonus zuzugestehen, nur weil das gerade InGame logisch wäre...

Wenn dieses Merkmal signifikant für Rollenspiele sein soll könnte man sich noch fragen, wie das mit anderen, als Rollenspiel gekennzeichneten Tätigkeitenist: Rollenspiele als dikatisches Mittel, Kinder-Rollenspiele wie "Vater, Mutter, Kind".

Hm, und es gibt Gesellschaftsspiele, in denen zwar die Regeln fest stehen, aber ein großer Teil des Spiels aus regellosem Rollenspiel besteht; namentlich aus Abmachungen unter den Spielern, die gebrochen werden können. In dem Sinne ist Diplomacy mehr Rollenspiel als Miniaturengeschubse mit [hierbeliebigesSystemmitFigureeinsetzen], auch wenn man da mit einer guten Beschreibung einen Angriffbonus aushandeln kann, der so nicht in den Regeln steht.

Ich bezweifle, dass man "Rollenspiel" hinreichend exakt definieren kann, um "alle" (woauchimmer) zufrieden zu stellen. Aber gut, da mir das mit fast allen Definitionen jenseits der Mathematik so geht, spricht da vermutlich nur der advocatus diaboli aus mir...  :muharhar:

EDIT
Je weniger offen die Regeln zur Fiktion hin sind, desto stärker wird aus dem Rollenspiel wieder ein Tabletop. Das kann zwar auch detaillierte Charaktere mit unzähligen Sonderfähigkeiten und Inventar abbilden, ist aber per se zur Fiktion hin eher geschlossen und die Interaktion mit der Spieloberfläche beschränkt sich meist auf Bewegung.
Womit du erfolgreich bewiesen hast, dass es keine Computer-Rollenspiele gibt. Respekt. ;)
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Eulenspiegel am 17.02.2016 | 19:09
Bei Diplomacy wird zwar extrem viel außerhalb der Regeln geredet. Aber zum einen findet dieses Gerede außerhalb der Fiktion statt. Und zum anderen hat dieses Gerede keinen Einfluss auf die Regeln.

Ich würde nicht sagen, dass Rollenspiel sich dadurch auszeichnet, dass Aktionen außerhalb der Regeln stattfinden. Ich würde sagen, Rollenspiel zeichnet sich dadurch aus, dass die Fiktion im Mittelpunkt steht. Und dass die Fiktion Einfluss auf die Regeln hat.

Wenn man bei Diplomacy also tatsächlich Feldherren spielen würde, würde die Fiktion im Mittelpunkt stehen. Und wenn man sich dann sagt: "Wieso sollte ich mit meinen Panzern angreifen? Ich vergifte einfach den anderen Feldherren." und diese Fiktion dann Einfluss auf die Regeln hätte (z.B. darf der Spieler seine Panzer nicht bewegen, weil sein SC vergiftet wurde), DANN wäre Diplomacy auch ein Rollenspiel. (Disclaimer: Man beachte den Konjunktiv.)
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 1of3 am 17.02.2016 | 20:44
Wir müssen da glaube ich verschiedene Formen von Offenheit unterscheiden. Ziemlich eindeutig ist, dass der Fortgang der Fiktion, den Einsatz der Regeln informiert. Das ist selbst bei Spielen wie Pool oder Polaris der Fall. Man würfelt eben nur in "dramatischen" Momenten, was immer das auch genau heißen mag.

Das ist aber eine deutlich andere Offenheit, als wenn z.B. Windrichtung, Sonnenstand und die Mondphase eine Fernkampfprobe modifiziert. Hier löst die Fiktion nicht nur eine Mechanik aus, sondern modifiziert die innere Abwicklung der Mechanik. Bzw. die Fiktion wird deutlich häufiger abgefragt; in einem Design-Pattern-Diagramm wären deutlich mehr Wölkchen.

Insofern stimmt Forlorns These nicht so ganz: Wenn ich die Zahl der Wölkchen runter fahre, komme ich nicht bei Tabletop an, sondern bei Wirf-ab-und-zu-ne-Münze-wie-es-weiter-geht.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Luxferre am 17.02.2016 | 20:52
Da hat Vincent Baker vor 10 Jahren einen guten Artikel dazu geschrieben (und auch ein paar schöne Bilder dazu gemalt). Kurzfassung: Ja, kann man so sehen.

http://www.lumpley.com/archive/156.html

Danke für den Link  :d
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: D. Athair am 17.02.2016 | 22:37
Das ist eigentlich das, was ich am ehesten als eindeutiges Rollenspielmerkmal empfinde; und als ich zu meiner Überraschung erfahren habe, dass viele Tabletopspieler es ebenfalls so handhaben, dass man beispielsweise auf der Erzählebene regeltechnische Vorteile erlangen kann, hatte ich sofort den Eindruck, dass man das als Rollenspielelement in einem Tabletop bezeichnen müsste.
Eigentlich ist dieses "Rollenspiel-Element" ebenfalls ganz typisch für "Tabletops" alter Schule. Wobei mit alter Schule Spiele gemeint sind, die nicht primär für den Turnier-Modus gedacht sind und auch entsprechend keine oder höchstens eine kleine Turnier-Szene aufweisen. ("Alte Schule" bedeutet hier nicht, dass das alles alte oder Nostalgie-Spiele sind, sondern bezieht sich mehr auf Spielweisen, die heute weniger verbreitet sind - abgesehen vom Umfeld des [pseudo-]historischen Tabletops.)

Ein paar Zitate von Shotte & Pike (Warlord Games, 2012)
Zitat
Our aim is to provide an adaptable framework, plus a suggested "kit" of extra rules that can be altered or expanded at will. (S.17)
Zitat
Although it is not a strict requirement, where possible we play with the benefit of a neutral third party, or umpire, whose job is to interpret the rules where necessary, impose his own should he feel the need, and otherwise help out to ensure the game proceeds at a pace. (S.17)


Mortheim operierte z.T. schon mit speziellen Szenarien, welche die fiktionale Seite zu einem wesentlichen Element des Spiels erhoben.
... und spätestens, wenn wir das erzählerische Tabletop "Inquisitor" betrachten, verwischen vollends die Grenzen zum Rollenspiel. (Obligatorische Spielleitung, Abenteuer, starke fiktionale Ebene, ad-hoc Regeln.)


Edit/Addendum: blut_und_glas hat meines Wissens Inquisitor direkt als Rollenspiel-Regelwerk genutzt.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 6 am 17.02.2016 | 23:29
Eigentlich ist dieses "Rollenspiel-Element" ebenfalls ganz typisch für "Tabletops" alter Schule. Wobei mit alter Schule Spiele gemeint sind, die nicht primär für den Turnier-Modus gedacht sind und auch entsprechend keine oder höchstens eine kleine Turnier-Szene aufweisen. ("Alte Schule" bedeutet hier nicht, dass das alles alte oder Nostalgie-Spiele sind, sondern bezieht sich mehr auf Spielweisen, die heute weniger verbreitet sind - abgesehen vom Umfeld des [pseudo-]historischen Tabletops.)
Und auch bei Wargames an sich finden sich diese "Rollenspiel-Elemente" mit den aus Rollenspielbüchern bekannten Hinweisen, dass das Spiel schliesslich das eigene Spiel ist und deshalb natürlich auch an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden könne (allerdings mit der Warnung dass das er gemacht werden soll, wenn man die normalen Regeln verstanden hat). Deshalb gibt es ähnlich wie beim Rollenspiel jede Menge Hausregeln dafür.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 07:50
Mortheim operierte z.T. schon mit speziellen Szenarien, welche die fiktionale Seite zu einem wesentlichen Element des Spiels erhoben.
... und spätestens, wenn wir das erzählerische Tabletop "Inquisitor" betrachten, verwischen vollends die Grenzen zum Rollenspiel. (Obligatorische Spielleitung, Abenteuer, starke fiktionale Ebene, ad-hoc Regeln.)

Mir geht es allerdings nicht um Hausregeln (sind immer denkbar) oder um die Frage, ob die fiktionale Ebene als relevant betrachtet wird, sondern darum, ob du fiktionale Ebene während des Spiels auf den Regeleinsatz rückwirken kann. Wahrscheinlich fällt das in deiner Aufzählung unter ad-hoc-Regeln.
Du kannst auch eine starke fiktione Ebene haben (in spielen wie Descent oder Arkham Horror z.B.), und trotzdem ist klar, dass du bei deinen Spielzügen immer an die Auswahl von Möglichkeiten gebunden bist, die in den Regeln konkret aufgeführt und in der entsprechenden (streng durch Regeleinsatz entstandenen) Situation erlaubt sind. Anders ausgedrückt: Wenn es keine Regeln dafür gibt, kannst du den gegnerischen General nicht vergiften, egal, wie plausibel du das in der Fiktion machst.
Im Rollenspiel gilt dagegen typischerweise: Wenn du in der Fiktion plausibel machst, dass du den gegnerischen General vergiftest, dann werden die Regeln, mit denen das abgewickelt werden kann, angewendet oder ad hoc entwickelt.

Womit ich wie gesagt gar nicht behaupten will, dass im klassischen Tabletop keine Rollenspielelemente enthalten wären; nur bedeutet das Existieren einer starken fiktionalen Ebene eben nicht zwangsläufig, dass die Regeln zu dieser fiktionalen Ebene hin offen sind.


Ach ja, danke für den Baker-Link, die Grafiken machen das tatsächlich sehr viel verständlicher!
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Luxferre am 18.02.2016 | 08:00
Anders ausgedrückt: Wenn es keine Regeln dafür gibt, kannst du den gegnerischen General nicht vergiften, egal, wie plausibel du das in der Fiktion machst.
Im Rollenspiel gilt dagegen typischerweise: Wenn du in der Fiktion plausibel machst, dass du den gegnerischen General vergiftest, dann werden die Regeln, mit denen das abgewickelt werden kann, angewendet oder ad hoc entwickelt.

Womit ich wie gesagt gar nicht behaupten will, dass im klassischen Tabletop keine Rollenspielelemente enthalten wären; nur bedeutet das Existieren einer starken fiktionalen Ebene eben nicht zwangsläufig, dass die Regeln zu dieser fiktionalen Ebene hin offen sind.

Zu Deinem ersten Punkt: es gibt diese offene fiktionale Ebene ja schon nicht. Ich denke dort ist schon der Bruch. Die Fiktion reduziert sich auf den Moment des Kriegsschauplatzes. Und wenn der Gegner einen Ghost in seiner Infanterieeinheit hat, dann könnte man sogar Attentäter abbilden. Aber dann gibt es das Regelset für die Momentaufnahme einer Schlacht.

Ein klassisches Rollenspiel hat eine bedeutend offenere fiktionale Ebene. Hier hast Du weder als SL, noch als Spieler (so das getrennt wird) die Einschränkung Deiner Handlungsweisen. Mal völlig davon ab, ob das Regelwerk denn auch Gifte und Co bereit hält.
Es bleibt bei der Ebene, unabhängig davon ob die Regeln dafür offen sind.

Daher würde ich in der Betrachtung einen Schritt weniger weit gehen. Ich hoffe, ich konnte das nachvollziehbar abbilden ;) Mein Erkältungskopf will heute früh noch nicht so richtig ...
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 1of3 am 18.02.2016 | 08:29
Im Rollenspiel gilt dagegen typischerweise: Wenn du in der Fiktion plausibel machst, dass du den gegnerischen General vergiftest, dann werden die Regeln, mit denen das abgewickelt werden kann, angewendet oder ad hoc entwickelt.

Naja, wenn du dir Bakers Apocalypse World & Co. anguckst, dann ist das noch ein bisschen anders. Wenn es nämlich keinen Move gibt, um Generäle zu vergiften, wird da nicht gewürfelt. Punkt. Du kannst Generäle vergiften, so viel du kannst, aber darüber werden nie die mechanischen Spielregeln anspringen.

PbtA fehlt gewissermaßen die allgemeine "Dramatisch?"-Abfrage.


Bei den meisten anderen Storygames könnte man zwar vielleicht würfeln, aber würde eben auch keine ad-hoc-Regeln verwenden, sondern die Regeln, wie sie sind.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: KhornedBeef am 18.02.2016 | 08:42
Ich sehe das im Grunde wie Rumpel.
+1
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 09:06
Naja, wenn du dir Bakers Apocalypse World & Co. anguckst, dann ist das noch ein bisschen anders. Wenn es nämlich keinen Move gibt, um Generäle zu vergiften, wird da nicht gewürfelt. Punkt. Du kannst Generäle vergiften, so viel du kannst, aber darüber werden nie die mechanischen Spielregeln anspringen.

PbtA fehlt gewissermaßen die allgemeine "Dramatisch?"-Abfrage.

Ich kenne mich mit PbtA nicht so gut aus, meine aber, in DungeonWorld gelesen zu haben, dass, wenn etwas, das in der Fiktion geschieht, offenbar ein Move ist, man den Move würfeln soll. Da hast du dann ja wieder die Wirkung der Fiktion in die Regelabläufe: Ein Move wird ausgelöst, weil die Spieler beim gemeinsamen entwickeln der Fiktion die Situation dafür hergestellt haben. Und ich nehme mal stark an, dass der Versuch in der Fiktion, den General zu vergiften, in den allermeisten PbtA-Spielen einen (oder mehrere) Moves auslösen würde, währen bei Risiko eine entsprechende Idee, die in der Fiktion auftaucht, auf Regelebene genau nichts zur Folge hätte.


Bei den meisten anderen Storygames könnte man zwar vielleicht würfeln, aber würde eben auch keine ad-hoc-Regeln verwenden, sondern die Regeln, wie sie sind.

Ad-hoc-Regeln sind auch nicht unbedingt entscheidend; es macht ja bereits einenUnterschied zum herkömmlichen Gesellschafstspiel (bei dem die Interaktion zwischen den Spielern über die Regeln im Prinzip ein geschlossenes System ist), dass man durch Vorgänge in der Fiktion eine bereits bestehende Regel abrufen kann bzw. dass Vorgänge in der Fiktion den Einsatz von bestehenden Regeln verhindern können. In der Fiktion hat dir jemand die Schnürsenkel zusammengebunden, während du geschlafen hast? Mach eine Probe, um nicht hinzufallen. Und solange du die Dinger nicht wieder entknotest, die Schuhe ausziehst oder irgendwelche anderen Gegenmaßnahmen ergreifst, kannst du nicht rennen, obwohl deine Figur nach Regeln eine bestimmte Bewegungsweite hat.

Das größte Problem bereitet mir nach wie vor Fiasco. Da hast du zwar auch eine Wirkung der Fiktion auf die Regeln (anhand der Fiktion entscheiden die Spieler, ob eine Szene "schwarz" oder "weiß" ausgeht, wovon abhängt, welche Würfelfarbe jemand erhält), aber das ist ganz theoretisch auch ohne die Fiktionsebene als geschlossenes System denkbar - die Spieler könnten einfach unabhängig von der Fiktion abstimmen, ob jemand jetzt den schwarzen oder den weißen Würfel bekommt. Das wäre aber ziemlich unsinnig und langweilig ... von daher würde ich auch hier behaupten: Die Vorgänge in der Fiktion lösen eine entweder/oder-Entscheidung auf Regelebene aus, die Fiktionsebene wirkt damit auf die Regelebene. Allerdings ist das bei diesem Beispiel echt wackelig ...
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 1of3 am 18.02.2016 | 09:33
Richtig. Deshalb finde ich es so wichtig hier genau zu sein. Im Grunde hast du das Problem bei jedem Spiel. Du kannst auch bei so ziemlich allen Spielen das Kampfsystem anmachen und trocken würfeln. Ist halt nicht so spannend.

Und nein. Ich kenne kein PbtA-Spiel, wo vergiften an sich einen Move auslöst. Vielleicht je nach Situation das Drumherum. Vielleicht ist das sogar wahrscheinlich, aber eben nicht sicher. Das ist der entscheidende Unterschied zu praktisch allen anderen Spielen. Es gibt zwar häufig Dinge, die immer automatisch gewürfelt werden (Angriffe...), aber dazu dann eine Art Catch-All-Abfrage. Die hat PbtA nicht.

Wenn du PtA oder Pool spielst, hast du dagegen nichts außer dieser einen Frage.

Bei Fiasko, Kingdom oder Durance passiert was Anderes. Hier wird die Mechanik nicht angeworfen, sondern gewissermaßen nachgehalten. Die Spieler*innen protokollieren mittels der Mechanik, was sie erspielt haben, was dann langfristig wieder auf Fiktion wirkt.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Crimson King am 18.02.2016 | 10:20
Der entscheidende Punkt bei dem General-Vergiften-Beispiel in PbtA ist doch eher, dass die Handlung grundsätzlich möglich ist, während sie bei einem Tabletop eben nicht möglich ist, wenn sie nicht in den Regeln festgelegt ist.

Im Tabletop oder Brettspiel geben die Spielregeln die Handlungsoptionen vor, im Rollenspiel die Fiktion.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Praion am 18.02.2016 | 10:21
Von wegen vergiften:

Zitat von: AW Maestro'D
Just give me a motive:
Name somebody who might conceivably eat, drink, or otherwise ingest something you’ve touched.
If it’s an NPC, roll+hard; a PC, roll+Hx.
On a 10+, they do, and suffer 4-harm (ap) sometime during the next 24 hours.
 On a 7-9, it’s 2-harm (ap).
On a miss, some several people of the MC’s choice, maybe including your guy maybe not, get it, and all suffer 3-harm (ap).

Übrigens nicht heißt, dass man ohne diesen Move niemanden vergiften kann. Wenn man den Move hat wird es allerdings einfacher und vor allem vorhersagbarer. Ansonsten kannst du natürlich Gift kaufen, zu deinem Opfer hingehen und dann versuchen das Gift irgendwo unterzubringen. Welche Moves dabei getriggert werden hängt von der Fiktion ab.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 10:27
Der entscheidende Punkt bei dem General-Vergiften-Beispiel in PbtA ist doch eher, dass die Handlung grundsätzlich möglich ist, während sie bei einem Tabletop eben nicht möglich ist, wenn sie nicht in den Regeln festgelegt ist.

Im Tabletop oder Brettspiel geben die Spielregeln die Handlungsoptionen vor, im Rollenspiel die Fiktion.

Eben das.
Ich vermute, auch bei PtbA gilt zumindest soweit Fiction First, dass im Handlungsraum der Fiktion schlüssige Verhaltensweisen zugelassen und dann das gerade passendste Regelinstrumentarium dafür aus dem bereitstehenden herausgepickt wird. Auch bei einem PbtA-Spiel heißt es doch sicher nicht: "Generäle vergiften geht nicht, dafür gibt es keinen Move!", und auch nicht "Generäle vergiften geht, das kann aber keine Auswirkungen auf Regelebene haben, weil es dafür keinen Move gibt!", sondern wahrscheinlich eher: "Der passendste Move, um das zu Regeln, heißt zu und so, also würfeln wir den und sehen, wohin uns das führt."
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: D. Athair am 18.02.2016 | 10:31
Mir geht es allerdings nicht um Hausregeln (sind immer denkbar) oder um die Frage, ob die fiktionale Ebene als relevant betrachtet wird, sondern darum, ob du fiktionale Ebene während des Spiels auf den Regeleinsatz rückwirken kann.
Ganz klares: JA! Unbedingt und zweifelsfrei spielt das eine erhebliche Rolle! Und genau das ist wiederum der Grund, warum Tabletops, die das stark nutzen, sowas wie eine "SL" einsetzen. Damit soll sichergestellt werden, dass die fiktionale Ebene unpateiisch moderiert wird. (Bei Inquisitor kommen noch abenteuerliche Herausforderungen dazu. Unter Leuten (https://boardgamegeek.com/collection/items/boardgame/17807?comment=1), die nicht "Wargame"-sozialisiert sind, kommt u.a. deswegen auch immer die Frage auf: Ist das noch ein Skirmisher oder schon ein RPG? Zumal es auch ein extra SL-Kapitel gibt.)

... grundsätzlich kann man schon versuchen dennoch einen Unterschied in der Offenheit der Fiktion auszumachen. Ich denke, dass der auch da ist. Aber sauber abgrenzen lässt sich das eben überhaupt nicht.


Anders formuliert:
Wenn es keine Regeln dafür gibt, kannst du den gegnerischen General nicht vergiften, egal, wie plausibel du das in der Fiktion machst.
Genau das wirst du in der Konsequenz nicht überall feststellen können.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Praion am 18.02.2016 | 10:38
Eben das.
Ich vermute, auch bei PtbA gilt zumindest soweit Fiction First, dass im Handlungsraum der Fiktion schlüssige Verhaltensweisen zugelassen und dann das gerade passendste Regelinstrumentarium dafür aus dem bereitstehenden herausgepickt wird.

Nicht wirklich. Dieses "das fühlt sich an als ob man hier würfeln sollte also nehmen wir mal Move X, der ist dich genug" ist im Grunde falsch. Nur wenn ganz klar die Trigger-Bedingung eines Moves in der Fiktion vorkommt wird der auch gewürfelt. Ein "wir suchen mal bis wir was passendes finden" passiert eigentlich nicht.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Kriegsklinge am 18.02.2016 | 10:42
Sehr, sehr fokussierte "Story Now!"-Spiele wie Primetime Adventures oder My Life with Master kehren das Verhältnis tendenziell um, indem sie es belohen, wenn man das "Game gamet", also Szenen und die Figuren so führt, so baut, dass auch die Konflikte der Figuren angespielt werden bzw. dei Stakes so setzt, dass die Fiktion in eine bestimmte Richtung läuft. Das ist tatsächlich eine der größten Verständnishürden für Menschen, die vom "traditionellen Rollenspiel" kommen und einer der häufigsten Gründe, warum diese Spiele nicht gemocht werden. Man kann sie auch "traditionell" spielen (also darauf warten, dass die Fiktion die Mechanismen triggert), aber das funktioniert nur eingeschränkt und führt auch oft zu Unzufriedenheit. Es gibt noch andere forgige Spiele (Polaris, Dogs in the Vineyard), die diese Umkehr zumindest gestatten. Förderlich für eine solche Spielhaltung ist es, wenn das Spiel ein Element von "gewinnen" enthält, das aber durch die Fiktion vermittelt ist, wie etwa das "Endgame" von My Life with Master, das man durch Ansammeln günstiger Ressourcen im Spielverlauf beeinflussen muss. PtA hat das nicht so deutlich ausformuliert, es gibt dort aber ein sehr starkes Bewusstsein von zugespitztem Konflikt als Wert an sich, als Metaressource so zu sagen, und die Mechanismen (entweder-oder-Issues, die es zu verhandeln gilt zB) unterstützen dies auch.

Bestimmte Spielweisen von "herausforderungsorientiertem" Spiel können auch in diese Richtung gehen, ich denke etwa an eine bei D&D4 recht stark vertetene Spielkultur, bei der die Fiktion gegenüber dem Einsatz der Mechanismen zumindest deutlich nachrangig ist -- was auch ein Grund für viele Leute ist, diese Spielweise nicht zu mögen. Auch hier geht es ja ums "Gewinnen" (als Team), und dieses Gewinnen ist durch Fiktion vermittelt, d.h. die Ressourcen, die über Sieg und Niederlage entscheiden, werden im Raum der Fiktion eingesetzt und verloren oder vergrößert und müssen dafür vorübergehend und oft nur notdürftig in Begriffe der Fiktion "übersetzt" werden. "Hitpoints" zB haben keine direkte Entsprechung in der Fiktion, sonderm geben vage den "allgemeinen Gesundheitszustand!" an.

Meine These wäre, dass die Gewinnorientierung der Knackpunkt ist: Es gäbe also Sonderformen von Rollenspiel, bei denen die Regelmechanismen tatsächlich bestimmen, was in der Fiktion zur Anwendung kommt, weil diese Spiele Gewinnbedingungen kennen (qua narrativem, sozialem Punktegewinn [soll heißen: die Punkte bei D&D4 etwa sind letztendlich auch nur was wert, weil sie einen Zuwachs an Handlungsmöglichkeiten und Prestige darstellen, sie haben ja keinen Wert an sich; bei der Story Now-Familie ist der Ressourcengewinn häufig direkt an Einflussmöglichkeiten aufs Fiktionsergebnis gekoppelt])

Oder?
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 11:06
@Kriegsklinge:

Für das, was du unter Story-Now-Spiele anführst, war ja Fiasco mein Beispiel, weil mir das am vertrautesten ist ... da spielt man tatsächlich sehr stark die Regeln (bei PtA auch, oder?), dafür ist die Fiktion dann wieder sehr frei, weil die Regeln eben als ganz lockeres Korsett, das auf der Fiktionsebene unglaublich viel erlaubt, fungieren (Polaris wurde ja auch immer wieder ehrfürchtig-ungläubig als das Rollenspiel bezeichnet, wo ich als Spieler: "sagen darf, dass etwas passiert, und dann passiert es !?!?")

Trotzdem würde ich bei all diesen Spielen sagen: Fiktion triggert an irgendwelchen Punkten Regelanwendung. Wenn du bei Polaris in den Entscheidungsbaum gehst oder würfelst, dann tust du das meistens, weil das in der Fiktion ausgelöst wurde, auch, wenn du dich eventuell mit Blick auf die Spielmechanik dazu entschieden hast, genau das jetzt über die Fikton auszulösen. Das geht bei Risiko oder Monopoly eben nicht. Wenn du da eine bestimmte Regelanwendung auslösen willst, kannst du keine Entwicklung erzählen, die ihren Einsatz erfordert, du musst innerhalb der Regelanwendung die entsprechende Situation erschaffen.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: D. Athair am 18.02.2016 | 11:31
Wenn du da eine bestimmte Regelanwendung auslösen willst, kannst du keine Entwicklung erzählen, die ihren Einsatz erfordert, du musst innerhalb der Regelanwendung die entsprechende Situation erschaffen.
Ich verstehe, was du damit sagen willst. Nur: Da bist du schon wieder bei einer typischen Funktionsweise von OSR-Spielen. (Das betrifft insbesondere den Bereich "skills".)
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Crimson King am 18.02.2016 | 11:34
Ich sehe das wie Rumpel. Klar, Storygaming-Systeme belohnen einen dafür, dass man die Fiktion in eine bestimmte Richtung lenkt, in der die storygetriebenen Mechanismen zur Anwendung kommen. Sie führen, was ich anekdotisch belegen kann, auch zu unbefriedigenden Ergebnissen, wenn man sie nicht wie vom Designer geplant verwendet. Aber sie erzwingen diesen Weg nicht.

Das gilt im Übrigen auch für DnD 4, wo klar angesagt wird, dass improvisierte, also nicht durch Powers direkt vorgegebene Handlungen grundsätzlich möglich sind, wozu das DMG auch Bewertungskriterien bereit stellt. Gemacht wird so etwas trotzdem recht selten, weil die Konstruktion des Spiels einen dazu verleitet, sich auf seine Powers zu konzentrieren.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: KhornedBeef am 18.02.2016 | 11:34
Ich verstehe, was du damit sagen willst. Nur: Da bist du schon wieder bei einer typischen Funktionsweise von OSR-Spielen.
Hä?
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 11:37
Ich verstehe, was du damit sagen willst. Nur: Da bist du schon wieder bei einer typischen Funktionsweise von OSR-Spielen. (Das betrifft insbesondere den Bereich "skills".)

Kannst du das noch mal genauer erklären?
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: D. Athair am 18.02.2016 | 11:51
Ne anders rum. Ich glaube ich habe doch nicht verstanden, was du damit sagen wolltest:
Zitat
Wenn du da eine bestimmte Regelanwendung auslösen willst, kannst du keine Entwicklung erzählen, die ihren Einsatz erfordert, du musst innerhalb der Regelanwendung die entsprechende Situation erschaffen.


Woran ich gedacht hatte:
In OSR-Spielen gibt es üblicherweise keine Skills. Situationen in denen andere Spiele Skills nutzen, brauchen die Erschaffung von "resolve rules/rulings" - seien das erzählerische oder mechanische - um im Spiel wirksam zu werden.
Fiktion => Generieren von "Regeln" => Auflösung.

Wahrscheinlich ist das genau das Umgekehrte zu dem, was du sagen wolltest: 
Regel- [<=> Situationserschaffung <=>] anwendung => Menchanismus benutzen => Auflösung.


Kommt das in etwa hin?
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 11:56
Ne anders rum. Ich glaube ich habe doch nicht verstanden, was du damit sagen wolltest:

Woran ich gedacht hatte:
In OSR-Spielen gibt es üblicherweise keine Skills. Situationen in denen andere Spiele Skills nutzen, brauchen die Erschaffung von "resolve rules/rulings" - seien das erzählerische oder mechanische - um im Spiel wirksam zu werden.
Fiktion => Generieren von Regeln => Auflösung.

Wahrscheinlich ist das genau das Umgekehrte zu dem, was du sagen wolltest: 
Regel- [<=> Situationserschaffung <=>] anwendung => Menchanismus benutzen => Auflösung.


Kommt das in etwa hin?

Aber meintest du das jetzt als Einwand? Du hast dich ja gerade auf eine Aussage von mir über Spiele bezogen, die eher keine Rollenspiele sind, also Risiko oder Monopoly.

Was du über die OSR beschreibst, fiele für mich genau unter Rollenspieltypisch: Du erschaffst in der Fiktion eine Situation, was eventuell Rulings zur Folge hat. Also auch hier: Die Fiktion wirkt ganz massiv in die Anwendung der Spielregeln hinein bzw. führt zur Erzeugung neuer Spielregeln.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Chruschtschow am 18.02.2016 | 12:09
Das ist doch vor allem ausgeprägt bei OSR und Indies. "Ich versuche den Ork mit meinem Schild in den Abgrund zu stoßen." OSR / Indie: "Ok, das können wir so machen."

Irgendwas aus der Zeit zwischen "Altvorderenzeit" und heutiger OSR bzw. Indies, was heute gerne klassisches Rollenspiel genannt wird? "Hm, das ist ein Shield Bash." - "Aber damit kann ich doch gar nicht schubsen." - "Dann musst du einen Bull Rush machen." - "Ok, dann den." - "Geht nicht. Du stehst zu nahe dran. Und ohne Improved Bull Rush bekommst du eine Attack of Opportunity." Und so weiter... ;)

Nur würde niemand zugeben, dass Indies und OSR da nahe beieinander sind, auch wenn sich die Formulierung der Folgen der Konflktresolution unterscheiden. ;)
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 12:12

Nur würde niemand zugeben, dass Indies und OSR da nahe beieinander sind, auch wenn sich die Formulierung der Folgen der Konflktresolution unterscheiden.

Nicht? Für mich gehören Indies und OSR eigentlich schon länger gefühlsmäßig dicht zusammen, weil sie beide diese leicht künstlerische "Konzepthaftigkeit" verströmen.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Chruschtschow am 18.02.2016 | 12:16
Nicht?

Sorry, hatte einen Ironiesmiley vergessen. Aber schau ruhig noch mal in den Thread über dieses Artikel im Alexandrinian-Blog. Der beruht doch im Prinzip darauf, dass da jemand auf Teufel komm raus eine Trennlinie ziehen möchte.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 12:19

Sorry, hatte einen Ironiesmiley vergessen. Aber schau ruhig noch mal in den Thread über dieses Artikel im Alexandrinian-Blog. Der beruht doch im Prinzip darauf, dass da jemand auf Teufel komm raus eine Trendlinie ziehen möchte.

Ja, das stimmt.
Wegen dem Thread bin ich ja auch darauf gekommen, hier noch mal ein Merkmal auszugraben, das m.E. die "klassischen Rollenspiele" und all dieses neumodische Zeig verbindet und gleichzeitig eine halbwegs zuverlässige Abgrenzung zu anderen Arten von Gesellschaftsspielen liefert.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: D. Athair am 18.02.2016 | 12:43
Aber meintest du das jetzt als Einwand? Du hast dich ja gerade auf eine Aussage von mir über Spiele bezogen, die eher keine Rollenspiele sind, also Risiko oder Monopoly.
Wie gesagt: An der Stelle hatte ich dich missverstanden.

Was aber bleibt sind die "rollenspieltypischen Elemente" (Offenheit der Regeln zur Fiktion und umgekehrt) bei Wargames bzw. "Tabletops alter Schule". Oder anders: Wo siehst du da Abgrenzungsmöglichkeiten?
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 12:48
Was aber bleibt sind die "rollenspieltypischen Elemente" (Offenheit der Regeln zur Fiktion und umgekehrt) bei Wargames bzw. "Tabletops alter Schule". Oder anders: Wo siehst du da Abgrenzungsmöglichkeiten?

Ich glaube, die gibt's anhand dieses einen Merkmals einfach nicht ... bin aber auch ganz zufrieden damit, an dieser Stelle eine "fuzzy border" zum Rollenspiel zu postulieren.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: KhornedBeef am 18.02.2016 | 12:50
Wie gesagt: An der Stelle hatte ich dich missverstanden.

Was aber bleibt sind die "rollenspieltypischen Elemente" (Offenheit der Regeln zur Fiktion und umgekehrt) bei Wargames bzw. "Tabletops alter Schule". Oder anders: Wo siehst du da Abgrenzungsmöglichkeiten?
Also die Tabletops alter Schule (https://en.wikipedia.org/wiki/Wargaming#Early_years_to_Kriegspiel) hatten in der Tat Schiedsrichter mit Expertise, die sozusagen entschieden "ok, wenn du das machst führen die Schlachtfeldumstände zu dem und dem", insofern stimmt das auch. Auf der anderen Seite sind die bekanntesten Vetreter von war games und skirmish war games (Warhammer, Warmachine, Infinity kenne ich z.B.) soweit ich weiß fast alle anders gestrickt, d.h. du kannst genau nur die Spielwelthandlungen machen, die explizit in den Regeln genannt sind, ohne Fiktion. Wie hieß nochmal der Thread in dem genau das schonmal durchgekaut wurd letztes Jahr? Das spar ich mir nämlich.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: D. Athair am 18.02.2016 | 13:24
Auf der anderen Seite sind die bekanntesten Vetreter von war games und skirmish war games (Warhammer, Warmachine, Infinity kenne ich z.B.) soweit ich weiß fast alle anders gestrickt, d.h. du kannst genau nur die Spielwelthandlungen machen, die explizit in den Regeln genannt sind, ohne Fiktion.
Wie gesagt: Die Pinzipien des "alten Wargames" finden sich auch zu Hauf in neueren Spielen. Nur halt mehr im (pseudo-)historischen Tabletop und nicht im Science-Fantasy-Bereich. Black Powder und seine Abkömmlinge und einige der abgesetzten "specialist games" von GW sind weder besonders alt noch besonders "nischig". Dass das hierzulande vielleicht anders wahrgenommen wird als in UK oder den US, liegt mMn daran, dass es in Dtld & Co. keine Tradition jenseits von WFB/40K gibt.

Ich glaube, die gibt's anhand dieses einen Merkmals einfach nicht ... bin aber auch ganz zufrieden damit, an dieser Stelle eine "fuzzy border" zum Rollenspiel zu postulieren.
Ok. Kein Problem. Ich hatte nur deswegen nachgefragt, weil laut 1of3 im Alexandrinian(sic!)-Thema ein Unterscheidungsmerkmal, das vielfach auch jenseits der postulierten Grenze wahrnehmbar ist, als "nicht zur Differenzierung geeignet" ist.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: KhornedBeef am 18.02.2016 | 13:31
Black Powder und seine Abkömmlinge und einige der abgesetzten "specialist games" von GW sind weder besonders alt noch besonders "nischig". Dass das hierzulande vielleicht anders wahrgenommen wird als in UK oder den US, liegt mMn daran, dass es in Dtld & Co. keine Tradition jenseits von WFB/40K gibt.
Ich fühle mich in meinem Erfahrungsschatz auch ziemlich auf meine nähere Region begrenzt, insofern guter Punkt, danke :).
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 1of3 am 18.02.2016 | 14:43
Ich häng mich ja noch an dem Begriff "offen" auf.

Unter "offen" würde ich die Erwartung von spontanen Anbauten verstehen. Das man eben, das Regelwerk der Situation anpasst, wozu es eben günstig ist einen Referee zu haben. Gerade das braucht es aber nicht, um Rollenspiel zu betreiben. Das kann man mit einem relativ geschlossenen Regelwerk betreiben, wenn es sich nicht all zu sehr für den genauen Inhalt der Fiktion interessiert.

Weiter fällt mir auf, dass die Offenheit der Regeln bei einer (Kampf-)Simulation einen ganz bestimmten Zweck hat: Die Vorstellung der dargestellten Situation, soll die Regeln verbessern. Sie sollen durch einen gelegentlichen Abgleich mit der Vorstellung plausibilisiert werden.

Es ist aber nicht so, dass die Anwendung der Regeln per se arbiträr wäre. Wie weit sich eine Einheit bewegen darf und wie gut sie trifft, wird nicht der freien Würdigung der Teilnehmenden überlassen. Das ist gänzlich anders, als wenn ein Rollenspiel sagt: "Würfelt, wenn ein Charakter etwas Schwieriges versucht!"

Hier ist das Verhältnis umgekehrt. Man nimmt sich nicht die Vorstellung als Korrektiv für die Regeln, sondern die Mechanismen als Hilfestellung für die Fiktion. Wenn wir also im Rollenspiel Mechanismen, die sich auf die Fiktion beziehen explizieren wollen, so haben sie etwa die Form:

"Wenn es dir, $AktiverSpieler, erscheint, dass $FiktivesEreignis eingetreten ist, vollziehe $Mechanismus."

Regeln dieser Form wird man in einem Tabletop nicht finden. Wir können uns die Regeln in einem Tabletop modifizierbar denken, wenn es also um eine neue Situation geht, können wir überlegen, wie wir das umsetzen. Das ist aber ein Ergänzen der Regeln, nicht die reguläre Verwendung.

Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 14:50
Ich häng mich ja noch an dem Begriff "offen" auf.

Unter "offen" würde ich die Erwartung von spontanen Anbauten verstehen. Das man eben, das Regelwerk der Situation anpasst, wozu es eben günstig ist einen Referee zu haben. Gerade das braucht es aber nicht, um Rollenspiel zu betreiben. Das kann man mit einem relativ geschlossenen Regelwerk betreiben, wenn es sich nicht all zu sehr für den genauen Inhalt der Fiktion interessiert.

Dann hängst du dich aber überflüssigerweise daran auf - ich habe ja schon erklärt, was mich mit "offen zur Fiktion" meine; es geht mir hier um eine Durchlässigkeit von der Fiktion her in den Regelgebrauch. Damit, ob man spontan Regeln "anbaut" oder ob man einfach die vorhandenen Regeln von der Fiktion triggern lässt, hat das erst mal gar nichts zu tun.


Ansonsten kann ich mit

Zitat
"Wenn es dir, $AktiverSpieler, erscheint, dass $FiktivesEreignis eingetreten ist, vollziehe $Mechanismus."

gut leben, weil es das von mir beschriebene (Mechanismus wird durch Fiktion getriggert) ausdrückt und dabaei schönerweise auch noch mal die Rolle der Spieler als derjenigen, die über dieses Triggern entscheiden, einbindet.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Chruschtschow am 18.02.2016 | 15:57
Das halte ich auf jeden Fall für ein wichtiges Attribut von Rollenspiel (neben so nebensächlichen Details wie "geregelte soziale Interaktion zwischen den Spielern im Rahmen eines fiktiven Raumes" oder so).

Interessant finde ich, dass viele populäre Rollenspiele das so ein bisschen auf den Kopf stellen. Shadowrun mit seiner detaillierten Aufzählung, was man so an Aktionen im Kampf als Sammy / Decker / Rigger treiben kann. DSA hat(te) Regeln für Durchfall und andere weniger heroische... uhm... Tätigkeiten. D&D 3.5 bzw. Pathfinder (spätere D&Ds kenne ich nicht genug für ein Urteil) mit seiner Fülle an Feats, den sehr genau auseinander klamüserten Kampfaktionen auf Battlemap. Und da gibt es sicher noch mehr. Durch die detaillierte umfangreiche Regelung von allerhand Situationen wird nach meinem Empfinden der umgekehrte Eindruck erweckt, dass nicht die Welt vorgibt, was geschieht und dies durch Regeln quantifiziert wird, Konfliktresolutionen bei Unklarheiten angeboten werden etc. Statt dessen bekommen Spieler ein umfangreiches Bouquet an Optionen angeboten, die oft ausreichen. Wird dieser Regelrahmen jedoch überschritten, so entsteht Unsicherheit bis zum Fanal, dass nur erlaubt ist, was geregelt ist.

[EDIT]
Wobei ich damit kein Werturteil zu diesen Systemen abgeben möchte (das sähe eher so aus: "3W20? LOL!") Dafür ist das zu sehr Geschmackssache. Ich habe die selbst lang genug und mit Spaß gespielt. Aber Fiction first ist für mich so wirklich ein bisschen vor die Hunde gegangen. Meine persönliche Lösung habe ja gefunden: Fate ist meine DSA1-OSR. ;)
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 1of3 am 18.02.2016 | 17:10
Ja, aber D&D hat die Regel:

"Wenn dir, SL, erscheint, dass ein Kampf sich anbahnt, rollt die Battlemap aus, positioniert einen Pömpel für jeden Charakter und würfelt Initiative."

Ab diesem Zeitpunkt gibt es keine fiktiv getriggerten Regeln mehr, bis das Kampfsystem seinen Gang gemacht hat. Aber das ist ja kein Problem. Es hat ja niemand behauptet, dass fiktiv getriggerte die einzigen Regeln sein dürfen.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Chruschtschow am 18.02.2016 | 17:22
Es geht mir nicht darum, dass ich diese Form von Kampf ablehne. Wie gesagt, das War lange Zeit auch mir Ding. Ich fand nur die Beobachtung interessant, dass gerade Systeme recht weit verbreitet sind, die durch ihre Regelfülle durchaus auch anders herum interpretiert werden können als Fiktion -> Regeln -> Resolution.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 17:27

"Wenn dir, SL, erscheint, dass ein Kampf sich anbahnt, rollt die Battlemap aus, positioniert einen Pömpel für jeden Charakter und würfelt Initiative."

Ab diesem Zeitpunkt gibt es keine fiktiv getriggerten Regeln mehr, bis das Kampfsystem seinen Gang gemacht hat.

Wobei das nicht gesagt ist - kann sein, dass es oft so stattfindet, aber man würde m.E. weder gegen die Regeln (jetzt im weiteren Sinne, also nicht nur die Mechaniken umfassend) noch gegen den Geist des Spiels verstoßen, wenn man auch hier fiktionale Trigger mit Rulings zur Folge erlaubt.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 6 am 18.02.2016 | 18:03
Ab diesem Zeitpunkt gibt es keine fiktiv getriggerten Regeln mehr, bis das Kampfsystem seinen Gang gemacht hat.
Äh. Doch. D&D4 DMG, Seite 42


Habe ich lange nicht mehr geschrieben. ;)
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Maarzan am 18.02.2016 | 18:21
Das Problem mit Einbindung der Fiktion ist das Gleichgewicht zwischen Konsistenz, Spielbarkeit und Planbarkeit auf der einen Seite und der erreichbaren Tiefe der "Probebohrungen" bzw. Lernaufwand auf der anderen Seite.

Ein Spiel ohne formelle Regeln kann nominell alles an Fiktion direkt durch Ausdiskutieren berücksichtigen, aber das hat eben seine eigenen Probleme, dass eben dann auch ausdikutiert werden muss und ein erhebliches Unsicherheits- und Missverständnispotential da ist, welches sich ggf auch erst in mehreren Stufen zeigt.

Also hat man nach den ersten Grundgerüsterstellungen begonnen an dieses "Fleisch" zu hängen mit "vordiskutierten" und festgehaltenen Regeln, so dass jeder das schnell und alleine nachlesen kann und so das Spiel selbst entlastet wird.

Mit diesem Vordefinieren legt man aber auch den Abstraktionsgrad fest, auf dem man operieren will. Und dann entstehen Sachen wie z.B. Hitpoints, welche halt nur bis zu einer gewissen Limit dann tatsächlich mit den Details einer möglcihen Fikltion überainstimmen können.

Dazu hat man mit jedem "mehr" auch mehr Chancen ganz daneben zu liegen und Sachen so zu verregeln, dass es es zu echten Brüchen mit nominell vorhandenen Fiktionsoptionen kommt - besonders, wenn einem der Gaul mit irgendwelchen coolen Ideen durchgeht oder auch nicht fiktionspriorisierende Motivationen vorliegen (Spielbalance etc).

Und dann gibt es eben auch noch Fiktionen bzw. Vorlagen dazu, welche selbst ihre Probleme mit Logik und Konstistenz haben ...  .


Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 1of3 am 18.02.2016 | 18:43
Äh. Doch. D&D4 DMG, Seite 42

Habe ich lange nicht mehr geschrieben. ;)

Nein. Die Tatsache, dass du es wiederholt schreiben musst, heißt, das System tut nicht das, was du behauptest.

Es gibt da grundsätzlich folgende Möglichkeiten:

- Es werden Dinge benutzt, die auf der Battlemap verzeichnet sind. Wenn da ne Ballista aufgebaut ist, soll man wohl damit schießen. Wenn da ein Haufen Stroh ist, dürfte der brennbar sein. Diese sind aber keine freier Würdigung anheim gegebenen fiktiven Elemente mehr, sie sind bereits das, was lumpley in seinem Beitrag als "cues" bezeichnet hat, also quasi Spielwerte. Hätten sies nicht sein sollen, wären sie nicht eingezeichnet.

- Es kann auch vorkommen, dass ein Spieler fragt: "Ist da vielleicht was zum Anzünden?" oder "Liegt da vielleicht Stroh?" Das ist aber auch nicht fiktiv getriggert. Es erscheint ja gerade nicht so, als sei da was. Es wird also zunächst am Tisch geklärt, ob ein weiterer cue hinzugegeben werden soll. Dann wird der cue manipuliert.

- "Ich zünde den Haufen Stroh an!", ist dagegen wenig wahrscheinlich, wenn man noch nicht darüber gesprochen hat, dass da ein Haufen Stroh ist. Es gibt auch für SCs in D&D4 keine kodfizierte Möglichkeit einseitig Dinge hinzuzuerfinden. Bei Fate geht das sicher.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 18:46

- Es kann auch vorkommen, dass ein Spieler fragt: "Ist da vielleicht was zum Anzünden?" oder "Liegt da vielleicht Stroh?" Das ist aber auch nicht fiktiv getriggert. Es erscheint ja gerade nicht so, als sei da was. Es wird also zunächst am Tisch geklärt, ob ein weiterer cue hinzugegeben werden soll. Dann wird der cue manipuliert.

Da beschreibst du aber genau die offene Stelle zur Fiktion hin: Etwas wird von den Spielern gemeinsam herbeierzählt und ist von da an als regeltechnisch relevantes Element vorhanden. Wie gesagt: Gibt's bei Risiko oder Monopoly oder Schach oder Mensch ärgere dich nicht oder Arkham Horror oder Decent oder Talisman nicht.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Maarzan am 18.02.2016 | 18:50
- "Ich zünde den Haufen Stroh an!", ist dagegen wenig wahrscheinlich, wenn man noch nicht darüber gesprochen hat, dass da ein Haufen Stroh ist. Es gibt auch für SCs in D&D4 keine kodfizierte Möglichkeit einseitig Dinge hinzuzuerfinden. Bei Fate geht das sicher.
Das ist aber gerade keine Offenheit der Regeln für (so wie ich das hier verstanden habe Handlungen AUS gegebenen Situationen in der) Fiktion, sondern eine Frage der Gestaltungsrechte der Fiktion selbst.

Im traditionellen Fall ist das eben das Vorrecht des Spielleiters, bzw. der Spieler kann das vorschlagen und nach der Bewertung des Spielleiters wird das zur Fiktion zugefügt oder nicht.
Und dann steht es in der Fiktion für eine wiederum regeltriggernde und wo notwendig erweiternde Handlung der Beteiligten zur Verfügung.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 1of3 am 18.02.2016 | 18:56
@Maarzan: Freilich.

Da beschreibst du aber genau die offene Stelle zur Fiktion hin: Etwas wird von den Spielern gemeinsam herbeierzählt und ist von da an als regeltechnisch relevantes Element vorhanden.

Ja, das ist durchaus spannend. Solche Ist-da-ein-Fragen kommen ja auch vor, wenn nicht Battlemap gespielt wird. Die dann ggf. vorhandenen Teile erhalten aber eine ähnliche Qualität, als seien sie eben Spielwerte. Sie stehen dann zur Verfügung und zwar in anderer Weise, als wenn man ganz playerempowert sie dorthin erzählt. Dann sind sie nur hübsch oder aber Verpackung für einen Mechanismus.

Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Maarzan am 18.02.2016 | 19:02
@Maarzan: Freilich.

Ja, das ist durchaus spannend. Solche Ist-da-ein-Fragen kommen ja auch vor, wenn nicht Battlemap gespielt wird. Die dann ggf. vorhandenen Teile erhalten aber eine ähnliche Qualität, als seien sie eben Spielwerte. Sie stehen dann zur Verfügung und zwar in anderer Weise, als wenn man ganz playerempowert sie dorthin erzählt. Dann sind sie nur hübsch oder aber Verpackung für einen Mechanismus.

Die Battlemap kann ja auch nur eine Abstraktion sein und muss ggf nachgebessert werden.

Wodurch unterscheiden sich einmal eingebrachte und akzeptierte Elemente denn dann noch, abhängig ob sie vom SL, per akzeptiertem Vorschlag oder per Playerempowerment reingekomemn sind?

Sie sind dann Teil der Fiktion und stehen dann zur Interaktion nach demselben Muster zur Verfügung.

Ich sehe den Punkt jetzt nicht.

Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Haukrinn am 18.02.2016 | 19:50
Trotzdem würde ich bei all diesen Spielen sagen: Fiktion triggert an irgendwelchen Punkten Regelanwendung.

Das wäre jetzt genau das wo ich sagen würde PtbA passt eben nicht. Zwar stimmt das bisher gesagte (Die Erzählung "erzwingt" quasi einen Move), die Regeln erlauben aber auch ganz explizit den umgekehrten Weg, also "Ich möchte diesen Move machen, was muss ich (als Erzählung) dafür der Fiktion hinzu fügen?. Und eigentlich ist das implizit auch in den meisten anderen Spielen so durchaus denkbar. Ich würde beim typischen Spiel sogar so weit gehen zu behaupten dass man als Spieler oft genug ganz gezielt Fiktion provoziert bzw. falls das Spiel dies erlaubt produziert damit man die Mechaniken in denen der eigene Charakter brilliert zur Anwendung bringen kann.

Ein ganz tolles Beispiel für deine Prämisse ist dagegen Fate Core. Hier wird etwas erzählt und die Regeln folgen. Sie folgen sogar soweit dass es nicht "den" festen Mechanismus für eine Situation gibt, sondern der verwendete Mechanismus ausgewählt wird der gerade ganz konkret die Fiktion am besten abbildet.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 1of3 am 18.02.2016 | 19:54
Das wäre jetzt genau das wo ich sagen würde PtbA passt eben nicht. Zwar stimmt das bisher gesagte (Die Erzählung "erzwingt" quasi einen Move), die Regeln erlauben aber auch ganz explizit den umgekehrten Weg, also "Ich möchte diesen Move machen, was muss ich (als Erzählung) dafür der Fiktion hinzu fügen?

Stimmt in der Tat. Allerdings bewegen wir uns da ein Stück von den Regeln weg zur Strategie. Die Abseitsregel sagt ja entsprechend auch nicht, dass man Abseitsfallen stellen soll. Das ist nur clever.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 6 am 18.02.2016 | 20:06
Nein. Die Tatsache, dass du es wiederholt schreiben musst, heißt, das System tut nicht das, was du behauptest.
Oder aber sie heisst, dass das Regelwerk mitunter schlecht bis sehr schlecht beschrieben wurde.
Beim Nachschlagen der Skillchallenge tendiere ich ziemlich stark zu meiner These.
Zitat
- Es werden Dinge benutzt, die auf der Battlemap verzeichnet sind. Wenn da ne Ballista aufgebaut ist, soll man wohl damit schießen.
"Ich klettere die Ballista hoch."
Und jetzt komm ja nicht damit, dass das ein cue wäre, der schon regeltechnisch abgedeckt wäre, sonst will ich von Dir genau die Seitenangabe der Regel auf der steht, wie hoch die Schwierigkeit ist eine Ballista hochzuklettern (und zwar mit genauer Angabe, dass sich diese Schwierigkeit auf die Ballista bezieht).
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 1of3 am 18.02.2016 | 21:16
Du missverstehst. Selbstverständlich darfst du auf die Ballista steigen. Jedoch, dein Handeln ist nicht mehr allein auf die Fiktion bezogen, sondern auf das, was da aufgemalt bzw. hingestellt ist.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Achamanian am 18.02.2016 | 21:24
Das wäre jetzt genau das wo ich sagen würde PtbA passt eben nicht. Zwar stimmt das bisher gesagte (Die Erzählung "erzwingt" quasi einen Move), die Regeln erlauben aber auch ganz explizit den umgekehrten Weg, also "Ich möchte diesen Move machen, was muss ich (als Erzählung) dafür der Fiktion hinzu fügen?. Und eigentlich ist das implizit auch in den meisten anderen Spielen so durchaus denkbar. Ich würde beim typischen Spiel sogar so weit gehen zu behaupten dass man als Spieler oft genug ganz gezielt Fiktion provoziert bzw. falls das Spiel dies erlaubt produziert damit man die Mechaniken in denen der eigene Charakter brilliert zur Anwendung bringen kann.

Ein ganz tolles Beispiel für deine Prämisse ist dagegen Fate Core. Hier wird etwas erzählt und die Regeln folgen. Sie folgen sogar soweit dass es nicht "den" festen Mechanismus für eine Situation gibt, sondern der verwendete Mechanismus ausgewählt wird der gerade ganz konkret die Fiktion am besten abbildet.

Das auch die Gegenrichtung erlaubt und sogar absolut üblich ist, würde ich nie abstreiten. Der Punkt ist, dass Rollenspiele eben mehr oder weniger die einzigen sind, die die Richtung "Fiktion triggert Regeln" (oder, wie mir gerade klar wird, vielleicht besser: Mechanismen) erlaubt.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: Eulenspiegel am 18.02.2016 | 21:26
Ich würde beim typischen Spiel sogar so weit gehen zu behaupten dass man als Spieler oft genug ganz gezielt Fiktion provoziert bzw. falls das Spiel dies erlaubt produziert damit man die Mechaniken in denen der eigene Charakter brilliert zur Anwendung bringen kann.
Richtig. Aber dennoch machst du den "Umweg" über die Fiktion. Du versuchst ja extra, eine Fiktion zu erzählen, damit die Regel triggern kann.

Bei Brettspielen ist das nicht so:
"Ich schlage mit meinem Turm deine Dame." --> Keinerlei ingame Begründung, wieso beim Schach jetzt mein Turm die Dame umbringt.
Oder wenn ich meinen Bauern nach vorne ziehe, damit die Regel triggert "Ich darf den Bauern gegen eine Dame tasuchen." Auch hier gibt es keinerlei Umweg über eine Fiktion, damit die Regel triggert.

Oder nehmen wir Descent:
Wenn ich auf eine Schatztruhe ziehe, bekommt JEDER Spieler einen Schatz. Vollkommen gleichgültig, ob er sich im gleichen Raum wie ich befindet oder in einem anderen Raum. Auch hier gibt es keinerlei Umweg über die Fiktion, um diese Regel zu triggern.

Beim RPG provoziert man jedoch ganz gezielt die Fiktion, damit die gewünschten Regeln triggern.
Titel: Re: Offenheit der Regeln zur Fiktion
Beitrag von: 6 am 18.02.2016 | 21:55
Du missverstehst. Selbstverständlich darfst du auf die Ballista steigen. Jedoch, dein Handeln ist nicht mehr allein auf die Fiktion bezogen, sondern auf das, was da aufgemalt bzw. hingestellt ist.
Nur nochmal aus Verständnisgründen: Das heisst sobald ich als SL sage: "Da steht eine Ballista im Raum" (unabhängig davon ob ich jetzt D&D, Fate oder sonstwas spiele und unabhängig davon, ob ich eine Battlemap verwende) bezieht sich Dein Handeln mit dieser Ballista nicht mehr auf die Fiktion.
Oder anders: Sobald ich als SL etwas beschreibe, kannst Du durch diese Beschreibung nicht mehr von der Fiktion getriggert werden.

Wenn das der Fall ist, dürften ein ganzer Haufen Rollenspiele aus Deiner Definition rausfliegen...