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Medien & Phantastik => Sehen, Lesen, Hören => Thema gestartet von: Mentor am 5.06.2017 | 07:09

Titel: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Mentor am 5.06.2017 | 07:09
Ich hab dieses Thema ins Medien-Board getan, weil es mir hier nicht um Rollenspiel-Charaktere geht, sondern um jene aus Film+Literatur.

Warum ist Charakterentwicklung in einem Film oder in einem Buch so wichtig, vor allem den Rezensenten? Warum liest und hört man oft, Film X oder Buch Y sei schlecht, weil die Charaktere seicht bleiben, sich nicht weiter entwickeln? Ist überhaupt "seicht" das Gegenteil eines nicht weiterentwickelnden Charakters?

Ich finde einen Charakter durchaus interessant, wenn er einen Film lang das selbe macht - solange das spannend ist, was er tut, er interessante Macken hat oder man "nur" langsam mehr über den Charakter erfährt und das Warum versteht, ohne dass sich die Einstellung des Charakters ändert. Ein Charakter ist für mich nicht besser, nur weil er einen inneren Schweinehund überwindet und am Ende einer Geschichte etwas anderes tut, als am Anfang. Oder sich gar für das größere Gut opfert. Die angepriesene Entwicklung finde ich zudem aufgesetzt, wenn die Handlung in einer relativ kurzen Zeitspanne spielt, und sich da jemand in einem Tag von Feigling zu Superheld mausert. Ist das dann eben eine schlechte Charakterentwicklung?

Ist Entwicklung evtl. gar nicht mit Veränderung gleichzusetzen? Entwickelt sich ein Mörder eines Krimis, in dem langsam aufgedeckt wird, was sein Motiv ist, auch ohne dass er aus Reue gegen Ende der Handlung was unerwartetes tut?

Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Wandler am 5.06.2017 | 07:39
Hat für mich was mit der Dauer zu tun. Je länger ich das Medium konsumiere um so schneller benötige ich eine Veränderung. 90 Minuten Spielfilme kommen so gut wie immer ohne Charakterentwicklung aus. Nur wenige machen hier eine drastische Veränderung durch.

Im Sinne des Heldenepos findet sich diese dort natürlich häufiger. Matrix, Harry Potter, etc. Dies hat viel mit der Entwicklung des Underdogs zum Helden zu tun. Ich persönlich denke, die Leute mögen dies weil sie sich selbst mit dem Underdog identifizieren können. Wenn der Underdog dann zum Helden wird, hat man das Gefühl auch man selbst könnte diese Reise Schaffen.

Vom Handy, daher Tippfehler, sry
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 07:59
Entwicklung ist wichtig- weil da was passiert.
Im Prinzip identifiziert sich der Zuschauer mit dem Hauptcharakter. Durch ihn erlebt er den Film mit. Wenn die aeusseren Einflüsse des Films den Charakter beeinflussen und berühren, berühren sie damit auch den Zuschauer.
Der Hauptcharakter ist quasi das Gefühls Vehikel worüber der Zuschauer den Film miterlebt.
Ein emotionsloser immer souveräner Charakter, wie wir ihn meist aus Action Filmen kennen,  ist daher für uns oft nicht sehr spannend.(Das gleiche gilt für solche Art von Superhelden im Rollenspiel)   Immer cool,  Immer überlegen, Immer souverän ist langweilig.
Je breiter das Gefuehlsspektrum  des Hauptdarstellers, desto breiter wird die Projektionsflaeche für das Publikum.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Mentor am 5.06.2017 | 08:48
Ein emotionsloser immer souveräner Charakter, ...
Das ist glaub ich, was ich meine. Warum wird "keine Charakterentwicklung" oft mit "emotionslos" gleichgesetzt? Wenn ein Charakter stärken und schwächen zeigt, ist das für mich noch keine "Entwicklung". Das ist dann eben ein Reagieren auf Situationen aus dessen Sicht. "Entwicklung" ist es für mich hingegen, wenn z.B. der Charakter im Verlauf der Handlung fähig wird, was zu tun, dass anfangs nicht möglich/denkbar war.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Chiungalla am 5.06.2017 | 09:18
Die Geschichten die wir konsumieren versetzen den Hauptcharakter in außergewöhnliche Situationen. Lebensgefährliche, romantische, überraschende, übernatürliche, ... und solche Situationen verändern Menschen. Schon völlig normale Situationen verändern Menschen und ihr Verhalten. Wenn ein Charakter so etwas außergewöhnliches erlebt und sich nicht verändert, dann ist das unrealistisch und wenig plausibel. Jeder depperte Idiot kann sich einen spannenden Plot ausdenken. Die Charaktere plausibel auf das erlebte reagieren zu lassen ist die Kunst. Deshalb ist das Kritikern wichtig.

Und das gilt umso mehr bei den Genres die die Kritiker besonders mögen, in denen der besondere Fokus auf der Entwicklung der Charaktere liegt.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Sashael am 5.06.2017 | 09:34
Und das gilt umso mehr bei den Genres die die Kritiker besonders mögen, in denen der besondere Fokus auf der Entwicklung der Charaktere liegt.
Wenn ich mir einige von Kritikern hochgelobte Filme mit gaaaanz viel Charakterentwicklung so angucke, dann merke ich aber auch, dass Charakterentwicklung durchaus =/= spannende/unterhaltsame Geschichte bedeuten kann. Was zu den für mich zum Teil unverständlichen Kritiken führt. Langweilige Geschichten mit Charakterentwicklung werden besser bewertet als geile Geschichten mit einem bereits am Anfang ausdefinierten Protagonisten.

Naja, jedem Tierchen sein Pläsierchen. ;)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 09:51
Das ist glaub ich, was ich meine. Warum wird "keine Charakterentwicklung" oft mit "emotionslos" gleichgesetzt? Wenn ein Charakter stärken und schwächen zeigt, ist das für mich noch keine "Entwicklung". Das ist dann eben ein Reagieren auf Situationen aus dessen Sicht. "Entwicklung" ist es für mich hingegen, wenn z.B. der Charakter im Verlauf der Handlung fähig wird, was zu tun, dass anfangs nicht möglich/denkbar war.
Ich stimme mit Deiner Definition (fast)überein.
Die Entwicklung muss aber zwingend nicht durch die Story gepusht sein.
"Vom Tellerwaescher zum Millionär " oder "vom Aschenputtel zur Prinzessin,"ist nicht nötig, solange die Emotionen der Charakters greifbar bleiben.
Der Zuschauer muss mMn.  einen Draht zum Charakter haben und das,  was mit ihm innerlich geschieht nachvollziehen können.
Damit er lebendig wirkt.
Dass etwas mit ihm geschieht, innerlich, nennt man Charakter Entwicklung.

Edit: Beispiel 1: Ein Charakter lebt in einem abgeschiedenen Dorf in dem absolut gar nichts passiert. Der Hauptcharakter dreht deshalb langsam durch. Am Ende tötet er sich selbst.
Beispiel 2: Das Dorf wird vom dunklen König  überfallen. Er überlebt als einziger und widmet sein Leben fortan dem Ziel den dunklen König zu toeten. Dafür sucht er sich einen Kampflehrer, trainiert hart,  Wird vom Bauern zum super Kämpfer, findet Verbündete, dringt durch einen ausgfeilten Plan in den Palast ein und stellt den König dann am Ende des Films im Zweikampf.

Beides sind Charakter Entwicklungen.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Chiungalla am 5.06.2017 | 10:09
Wenn einen der Charakter nicht interessiert, und dadurch auch seine Entwicklung nicht, dann sind Geschichten die sich vor allem um die Entwicklung des Charakters drehen natürlich verdammt langweilig. Been there, suffered that.

Das angestrebte künstlerische Ideal beinhaltet halt mehr als Spannung sondern auch "plausible" Charakterentwicklung.
So wie in der Malerei nicht photorealistischer Naturalismus das künstlerische Ziel ist.

Ob das sinnvolle Kriterien sind... kann man drüber streiten. Ins besondere, wenn man als Endverbraucher die Kritiken liest.
Aber tatsächlich schafft es kaum ein Film ohne Charakterentwicklung über Popcorn-Kino hinaus.
Oft schaffen das aber auch Filme mit Charakterentwicklung nicht.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: alexandro am 5.06.2017 | 10:23
Charakterentwicklung ist selten ein Selbstzweck, sondern immer ein Motor, welcher die Geschichte in Gang hält. Bei guten Filmen liefert sie die "...,deshalb..."-Begründung (welche erstrebenswerter als die "und dann..."-Begründung ist) für Szenenabfolge und Dramaturgie.

Schlecht wäre z.B.:
Edit: Beispiel 1: Ein Charakter lebt in einem abgeschiedenen Dorf in dem absolut gar nichts passiert. Der Hauptcharakter dreht deshalb langsam durch. Am Ende tötet er sich selbst.

Besser wäre z.B.:
"Es gibt NSC A, bei dem sich der Charakter immer über die Langeweile im Dorf ausheult und der dessen emotionale Stütze ist. Es gibt NSC B und C, welche den Charakter immer wieder hart angehen, weil er sich weigert die notwendigen (aber langweiligen) Arbeiten im Dorf zu verrichten. Irgendwann findet der Charakter heraus, dass NSC A eine romantische Beziehung mit NSC C hat - der Charakter macht A deswegen Vorwürfe und es kommt zum Bruch zwischen den beiden. Der Charakter versucht seinen Fluchtplan überstürzt umzusetzen, scheitert aber dabei. Am Ende kommt es zu der Hochzeitsfeier zwischen A und C und während dieser nimmt sich der Charakter das Leben."

Das ist im wesentlichen dieselbe Geschichte wie in deinem Beispiel, aber hier ist die Charakterentwicklung für den Zuschauer deutlich greifbarer, als das abstrakte "Er langweilt sich und dann bringt er sich um".
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 10:34
@
Alexandro
Ich habe dieses Beispiel nicht zufällig genauso gewählt. ;)
Es gibt nichts Schlimmeres als Ignoranz. Wenn,  egal was man tut,  Nichts eine Wirkung zeigt. Das macht einen Selbstmord wesentlich wahrscheinlicher.
Wenn das Leben für alle anderen gut funktioniert, ausser für einen selbst. Kommt man auch ohne große Dramen von außen automatisch in eine Außenseiter Rolle. Mit den entsprechend möglichen Folgen.  ;)
Hier wäre die Charakter Entwicklungen eine reine Innenschau  im Kontrast zum gleichgültigen Außen.
Der Antrieb käme vom Charakter selbst.

Edit: Wenn ein Mensch keine positive Aufmerksamkeit bekommen kann,  nimmt er lieber negative, als gar keine.
Mir ist bewusst, dass das ein Extrem Beispiel ist.
Ein Kontrast zur Story gepushten Entwicklung. Oder einer Entwicklung die von äusseren Geschehnissen und Personen ausgelöst wird.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: KhornedBeef am 5.06.2017 | 10:38
Ich sehe das grundsätzlich wie Chiungalla: Meist geht es ja grundsätzlich um den Umgang von Charakteren mit interessanten/ spannenden Situationen. In den meisten Fällen rechne ich da mit einer Entwicklung.
Es gibt aber auf jeden Fall hochgelobte Filme, bei denen das anders ist, vielleicht weil sie sich um etwas anderes drehen.
Ich dachte dabei zuerst an Forrest Gump. Stimmt auf den zweiten Blick nicht ganz, hätte aber werden können  Gumps Rolle in diesem Film ist ja auch die eines Kommentators amerikanischer Gesellschaft, was zum Teil durch seine eigene Integrität geschieht, die sich nie ändert. Allerdings ändern sich natürlich die Charaktere um ihn herum drastisch.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 11:00
@
KhornedBeef

Bei der "fabelhaften Welt der Amelie," hat man mMn.  eine ähnliche  "Kamera -Perspektive" als Zuschauer. Die sich stark auf das bewegte Umfeld des Hauptcharakters fokussiert.
Die Augen der Hauptfigur werden hier zur "Kameralinse" die Interessantes aufschnappen und mitverfolgen.(extrospektiv)

Im Gegensatz dazu liegt der Fokus der meisten Filme darauf die Gefühle des Hauptcharakters einzufangen (introspektiv)

Aber beide Formen brauchen Charaktere deren Emotionen für den Zuschauer interessant genug sind. Und die er deshalb verfolgen möchte. (Figuren Entwicklungen)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Chiungalla am 5.06.2017 | 11:53
Kennt ihr einen wirklich guten Film der ohne Charakterentwicklung auskommt und mehr ist als "nur" Popcornkino? Beispiele? Oder gibt es was vergleichbares im Bereich Literatur?
Ich frage deshalb, weil ich gerade mal so im Kopf alle meine persönlichen Favoriten durchgegangen bin. Und die haben alle ein erhebliches Maß an Charakterentwicklung.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: alexandro am 5.06.2017 | 12:11
@
Alexandro
Ich habe dieses Beispiel nicht zufällig genauso gewählt. ;)
Es gibt nichts Schlimmeres als Ignoranz. Wenn,  egal was man tut,  Nichts eine Wirkung zeigt. Das macht einen Selbstmord wesentlich wahrscheinlicher.
Wenn das Leben für alle anderen gut funktioniert, ausser für einen selbst. Kommt man auch ohne große Dramen von außen automatisch in eine Außenseiter Rolle. Mit den entsprechend möglichen Folgen.  ;)
Hier wäre die Charakter Entwicklungen eine reine Innenschau  im Kontrast zum gleichgültigen Außen.
Der Antrieb käme vom Charakter selbst.

Trotzdem muss man das irgendwie ZEIGEN, damit der Zuschauer das nachvollziehen kann. Irgendwas konkretes braucht man, damit die Entwicklung (welche schließlich zur Entscheidung des Selbstmordes führt) nachvollziehen kann und sie nicht komplett beliebig wirkt.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 5.06.2017 | 12:13
Je nachdem was man als Charakterentwicklung ansieht fällt mir da "Die zwölf Geschworenen" ein.
Die Geschorenen lenken zwar ein oder werden davon überzeugt, das es berechtigte Zweifel an der Schuld gibt, aber ich habe nicht das Gefühl, das die Geschworenen danach andere Menschen wären.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Mentor am 5.06.2017 | 12:27
Kennt ihr einen wirklich guten Film der ohne Charakterentwicklung auskommt und mehr ist als "nur" Popcornkino?
Ich finde, das ist die falsche Fragestellung. Weil das dem Popcornkino unterstellt, ein schlechtes Kino zu sein.

Nehmen wir mal Alien 1. Ist das jetzt Popcorn-Kino weil dumpfe Action? Ist das großartige Charakterentwicklung, dass sich da eine starke Frau den Monstern entgegen stellt und eine Katze rettet?
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 12:34
Trotzdem muss man das irgendwie ZEIGEN, damit der Zuschauer das nachvollziehen kann. Irgendwas konkretes braucht man, damit die Entwicklung (welche schließlich zur Entscheidung des Selbstmordes führt) nachvollziehen kann und sie nicht komplett beliebig wirkt.
Klar. Stell Dir vor,  der Charakter möchte etwas bewegen, etwas verändern. Aber das stösst auf Taube Ohren. Vielleicht hat er eine besondere Begabung,  die niemand zu schätzen weiß. Er fühlt sich nicht gesehen,  fuehlt  sich fehl am Platz,verzweifelt. Zweifelt an sich selbst.  Spricht mit sich selbst. Wird  verrückt und begeht dann Selbstmord.
Vielleicht hat er von kleinauf eine labile Persönlichkeit.
Vermisst seine Großmutter die schon tot ist und will wieder zu ihr.
Kann man alles mögliche konstruieren.

Edit: In der Regel gibt es besondere Auslöser die gezielt negativ auf eine Figur einwirken. Aber es muss nicht so sein.
Die Figur kann auch einen eigenen kranken Film abspielen, den sie nach aussen projiziert.

-
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 12:35
Ich finde, das ist die falsche Fragestellung. Weil das dem Popcornkino unterstellt, ein schlechtes Kino zu sein.

Nehmen wir mal Alien 1. Ist das jetzt Popcorn-Kino weil dumpfe Action? Ist das großartige Charakterentwicklung, dass sich da eine starke Frau den Monstern entgegen stellt und eine Katze rettet?
Ja
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Chiungalla am 5.06.2017 | 12:44
... , aber ich habe nicht das Gefühl, das die Geschworenen danach andere Menschen wären.

Das ist ja auch nicht zwingend nötig um Charakterentwicklung abzubilden. Es ist lange lange her, dass ich den Film gesehen habe. Aber ich würde sogar behaupten, meiner Erinnerung nach, dass der Film kaum etwas anderes abbildet als Charakterentwicklung.

Ich finde, das ist die falsche Fragestellung. Weil das dem Popcornkino unterstellt, ein schlechtes Kino zu sein.

Tut es so wie dort steht eigentlich nicht. Vielleicht so wie Du es liest. Ist Dir bewusst, dass das "nur" in "" steht?
Und die Frage ist bewusst so formuliert, weil sie durchaus offen lässt, ob Filme die Popcornkino sind nicht zeitgleich auch mehr als das sein können.

Nehmen wir mal Alien 1. Ist das jetzt Popcorn-Kino weil dumpfe Action? Ist das großartige Charakterentwicklung, dass sich da eine starke Frau den Monstern entgegen stellt und eine Katze rettet?

Alien ist ein Horrorfilm kein Actionfilm und er hat eine Charakterentwicklung. Ob die gut gemacht ist kann ich nicht mehr sagen. Aber wenn Du eine Charakterentwicklung mittels einer Zusammenfassung in einem Satz banalisieren möchtest wird Dir das für fast jeden Film gelingen der jemals gemacht wurde.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: KhornedBeef am 5.06.2017 | 12:49
Ich finde, das ist die falsche Fragestellung. Weil das dem Popcornkino unterstellt, ein schlechtes Kino zu sein.

Nehmen wir mal Alien 1. Ist das jetzt Popcorn-Kino weil dumpfe Action? Ist das großartige Charakterentwicklung, dass sich da eine starke Frau den Monstern entgegen stellt und eine Katze rettet?
Naja, aus Sicht vieler Kritiker gehören eben Popcorn-Filme nicht gerade zum Kulturschatz, an dem man in 200 jahren unsere Epoche misst ;) und diese Kritikerperspektive war ja der Aufhänger des Threads.

@Alien: What. Hast du den Film mal gesehen? Dumpfe Action ist für mich was anderes. Abgesehen davon dass die Spannung mehr auf das Spiel mit Urängsten zurückgeht, gibt es auch den allmählich aufgedeckten Handlungsfaden, der überhaupt zur Entdeckung des Notsignals führt. Aber hey, wenn du meinst.
Und ja, Ripleys Stärke ist ihre Charakterentwicklung. Am Anfang ist sie bloß ein sprödes Crewmitglied, aber im Angesicht des Horrors entwickelt sie einen fast ähnlich unheimlichen Überlebenswillen.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 13:34
Popcorn Kino- ist neutral gesehen weder gut noch schlecht.
Nur weil die Story leicht vorhersehbar ist,  oder ganz speziellen Mustern folgt,  kann auch Popcorn Kino eine brauchbare Charakter Entwicklung haben.
Kurz -wenn der Charakter nachvollziehbar bleibt und die Zuschauer fesselt, kann dass durchaus unterhalten.
Auch mittels bewährter Strickmuster lässt sich eine funktionierende Geschichte erzählen. Und das ist in der Regel das wofür die Zuschauer bezahlen.
Ein bewährter Spannungsbogen mit großem Showdown am Ende.Ein cooler Held,  der man auch gerne sein würde. Fürs Herz ein bisschen Lovestory. (Damit auch die Mädels mitreingehen) Einen Bösewicht, den es noch nicht gab.  Alles geschüttelt. Fertig.
Wenn die Charaktere Zeit bekommen, dass man sich in sie einfuehlen kann,  ist auch Charakter Entwicklung möglich. In der Regel ist die bei Blockbustern stark an die Story geknüpft.
Und leider wird viel zu viel Zeit von den Special Effekten gefressen.- was auch die Leinwandzeit für die Charaktere verkürzt. Es bleibt oft wenig Zeit zum Verweilen.(Bei Serien ist das anders)
Wenn das passiert kann einem der Charakter auch bis zum Ende des Films fremd bleiben. Das Mitfühlen fehlte.
Oder man wird einfach von der Handlung nebenbei überholt. Das Nachvollziehen fehlte. Beides kann mMn.  einen Popcorn Film hohl machen.

Im Grunde kaufen wir ein Illusion wenn wir ins Kino gehen. Und wir wollen, dass sie gut ist.
Um sie gut zu finden muessen wir uns in die Charaktere einfuehlen können. Und wir müssen die Welt in der sie Leben Ernst nehmen, damit wir uns für die Geschichte interessieren, die darin spielt.



Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Pyromancer am 5.06.2017 | 13:59
Alien ist ein Horrorfilm kein Actionfilm und er hat eine Charakterentwicklung. Ob die gut gemacht ist kann ich nicht mehr sagen. Aber wenn Du eine Charakterentwicklung mittels einer Zusammenfassung in einem Satz banalisieren möchtest wird Dir das für fast jeden Film gelingen der jemals gemacht wurde.

Rein Interessehalber: Wie entwickelt sich denn Ripley?
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 14:17
Rein Interessehalber: Wie entwickelt sich denn Ripley?
Ließ mal #19.
KornedBeef hat das mMn. gut zusammen gefasst.
Sie wird zu einer knallharten Ueberlebenskaempferin.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Pyromancer am 5.06.2017 | 14:20
Ließ mal #19.
KornedBeef hat das mMn. gut zusammen gefasst.

Ah. Ripley ist am Anfang kein "sprödes Crewmitglied". Sie handelt von Anfang an, übernimmt Verantwortung, auch wenn es menschlich schwer fällt (die Luftschleusen-Szene!), und gibt Vorgesetzten wie Untergebenen kontra, genau wie später dem Alien.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Mentor am 5.06.2017 | 14:20
Aber hey, wenn du meinst.
Ich meine hier nix, ich stelle nur eine Frage ;)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 14:29
Ah. Ripley ist am Anfang kein "sprödes Crewmitglied". Sie handelt von Anfang an, übernimmt Verantwortung, auch wenn es menschlich schwer fällt (die Luftschleusen-Szene!), und gibt Vorgesetzten wie Untergebenen kontra, genau wie später dem Alien.
Wenn Du meinst,  dass ihre Persönlichkeit ein Ueberleben begünstigt. Dann ja. Sonst hätte sie wohl auch nicht überlebt.  In den weiteren Teilen mausert sie sich dann immer mehr von den Gejagten zur Jägerin.
Und zur Alienexpertin.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: YY am 5.06.2017 | 14:42
Warum ist Charakterentwicklung in einem Film oder in einem Buch so wichtig, vor allem den Rezensenten?

Weil sich das so gehört :P

Wie man z.B. anhand dieser recht wahllos rausgegriffenen (Teil-)Gegenstimme (http://www.bang2write.com/2013/12/is-good-characterisation-really-about-change.html) sehen kann, lässt sich das durchaus diskutieren.

Charakterentwicklung wird mMn deutlich überschätzt.
Wenn man unbedingt will, kann man an vielen Stellen eine Entwicklung herbeireden, aber unterm Strich gibt es auch gute Geschichten mit "statischen" Protagonisten.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Pyromancer am 5.06.2017 | 15:17
Wenn Du meinst,  dass ihre Persönlichkeit ein Ueberleben begünstigt. Dann ja. Sonst hätte sie wohl auch nicht überlebt.  In den weiteren Teilen mausert sie sich dann immer mehr von den Gejagten zur Jägerin.
Und zur Alienexpertin.

MOOOOMENT!Wir reden hier explizit nur vom ersten Teil. Wo siehst du da die Charakterentwicklung?

Nehmen wir mal Alien 1.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 16:57
MOOOOMENT!Wir reden hier explizit nur vom ersten Teil. Wo siehst du da die Charakterentwicklung?
Ach herrje. Wo willst Du sie denn nicht sehen? :D
Es geht hier um den knallharten Überlebenskampf einer Austronautin. Da sind Gefühle da. Das macht was mit dem Charakter.
Das ist für den Zuschauer spürbar. Ridley Scott fängt Stimmung ein. Nicht umsonst fesselt dieser Film.
Das darfst Du aber auch gerne anders sehen. ;)

Edit: Der Ausblick auf die weiteren Teile zeigt, dass diese Entwicklung weitergeht.
Hier wurde mMn. etwas verstanden.

Edit 2: Der Film sollte ursprünglich einen männlichen Hauptdarsteller haben. Doch Ridley Scott setzte sich gegen die Produzenten durch und besetzte den Posten mit einer Frau.
Die grauenvolle Situation auf dem Raumschiff versetzt die Figur in eine absolute Ausnahme Situation. Wo es ums nackte Überleben geht. Und der Zuschauer fiebert mit ihr.




Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Sashael am 5.06.2017 | 17:05
Ach herrje. Wo willst Du sie denn nicht sehen? :D
Lies dir mal den Beitrag durch, den YY verlinkt hat. Der hat Ripley explizit als Gegenbeispiel für Charakterentwicklung und ich stimme dieser Einschätzung dieser Figur zu. Eine Entwicklung macht die Figur nicht durch. Sie erlebt etwas sehr Beeindruckendes, aber innerhalb des Films passiert mit ihrer Persönlichkeit nichts. Das kommt erst später in den Fortsetzungen.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Pyromancer am 5.06.2017 | 17:09
Ach herrje. Wo willst Du sie denn nicht sehen? :D
Ja, wenn das für dich so offensichtlich ist, dann schreib doch einfach, wie diese Charakterentwicklung aussieht. :)
"Am Anfang hat Ripley die Charaktereigenschaften X, Y und Z. Am Ende hat sich X zu A entwickelt, Y zu B und Z zu C. Sehen kann man das z.B. in den Szenen ..."

Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 17:18
Zitat
Lies dir mal den Beitrag durch, den YY verlinkt hat. Der hat Ripley explizit als Gegenbeispiel für Charakterentwicklung und ich stimme dieser Einschätzung dieser Figur zu. Eine Entwicklung macht die Figur nicht durch. Sie erlebt etwas sehr Beeindruckendes, aber innerhalb des Films passiert mit ihrer Persönlichkeit nichts. Das kommt erst später in den Fortsetzungen.
Sehe ich anders.
Ich finde den Shockzustand- mit "Überlebensmodus", den wohl jeder Mensch in einer solchen Situation haben würde, sehr plausibel.
Und damit nachvollziehbar.
Shock - ist statisch- In der Akut-Phase funktioniert der Mensch oft wie ein Roboter. Da er zur Verarbeitung der Situation im Moment nicht fähig ist und unbedingt weiter funktionieren muß.
In dieser Phase befindet sich Ripley.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Pyromancer am 5.06.2017 | 17:20
Sehe ich anders.
Was siehst du anders?

Zitat
Ich finde den Shockzustand- mit "Überlebensmodus", den wohl jeder Mensch in einer solchen Situation haben würde, sehr plausibel.
Und damit nachvollziehbar.
Diesem Standpunkt widerspricht hier doch keiner.  wtf?
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: YY am 5.06.2017 | 17:22
Ich finde den Shockzustand- mit "Überlebensmodus", den wohl jeder Mensch in einer solchen Situation haben würde, sehr plausibel.

Ausnahmesituationen und -zustände sowie die zugehörigen Entscheidungen haben nicht zwingend etwas mit Charakterentwicklung zu tun.

Im Gegenteil erschwert es die Betrachtung enorm, wenn man alles mit der Brechstange unter die Überschrift "Charakterentwicklung" zwingt. Dann gibt es zwar ganz schnell keine Geschichte ohne Charakterentwicklung mehr, dafür ist der Begriff aber auch völlig inhaltsleer geworden.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 17:31
Zitat
Ausnahmesituationen und -zustände sowie die zugehörigen Entscheidungen haben nicht zwingend etwas mit Charakterentwicklung zu tun.
Doch sogar enorm. Nur ein Charakter der plausibel(realitätsnah) dargestellt wird, ist auch nachvollziehbar.

Zitat
Im Gegenteil erschwert es die Betrachtung enorm, wenn man alles mit der Brechstange unter die Überschrift "Charakterentwicklung" zwingt. Dann gibt es zwar ganz schnell keine Geschichte ohne Charakterentwicklung mehr, dafür ist der Begriff aber auch völlig inhaltsleer geworden.
Charakterentwicklung bedeutet mMn. , dass man seine Handlungen und Gefühle während des Films nachvollziehen kann, weil sie echt wirken.
Ripley befindet sich zwar während des Films in der "Akutphase". Denn um in die "Verarbeitungsphase" zu kommen, muß die Gefahr vorbei und etwas Zeit vergangen sein.
Doch während des gesammten Films bleibt ihr Charakter mMn. nachvollziehbar.
Was dennoch passiert, ist, dass sie aufgrund der "Akutphase" über sich hinaus wächst. Sie tut Dinge oder muß Dinge tun, die über alles hinaus gehen, was sie sich bisher zugetraut hat oder vorstellen konnte. Hier haben wir mMn. eindeutig eine Charakterentwicklung.

Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Pyromancer am 5.06.2017 | 17:35
Charakterentwicklung bedeutet mMn. , dass man seine Handlungen und Gefühle während des Films nachvollziehen kann, weil sie echt wirken.

Ah ja. Ich glaube, für den Rest hier bedeutet Charakterentwicklung, dass sich der Charakter entwickelt, d.h. er hat am Ende des Filmes andere Charaktereigenschaften als am Anfang.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 17:42
Ah ja. Ich glaube, für den Rest hier bedeutet Charakterentwicklung, dass sich der Charakter entwickelt, d.h. er hat am Ende des Filmes andere Charaktereigenschaften als am Anfang.

Ich würde sagen Charakter Entwicklung bedeutet, dass sich der Charakter-Entwickelt. ;)
Edit: Entwickeln bedeutet auch wachsen. -Und die Figur ist mMn. in jedem Fall gewachsen.

Wie ich weiter unten ergänzend schrieb.
Zitat
Sie tut Dinge oder muß Dinge tun, die über alles hinaus gehen, was sie sich bisher zugetraut hat oder vorstellen konnte. Hier haben wir mMn. eindeutig eine Charakterentwicklung.


Edit2:
Es gibt mMn. nach zwei Merkmale von Charakter Entwicklung.
1. Die Figur wird möglichst "echt" bzw. plausibel dargestellt.
2. Die Figur hat sich während des Films "nachvollziehbar" verändert. Sie hat etwas erlebt. Und der Zuschauer mit ihr.

Beides sehe ich als gegeben.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Ucalegon am 5.06.2017 | 17:55
Warum ist Charakterentwicklung in einem Film oder in einem Buch so wichtig, vor allem den Rezensenten? Warum liest und hört man oft, Film X oder Buch Y sei schlecht, weil die Charaktere seicht bleiben, sich nicht weiter entwickeln?

Eine gute Kritik wird eine fehlende innere Entwicklung wohl dann bemängeln, wenn sie vielleicht nur in Ansätzen vorhanden ist, wo das Buch oder der Film eindeutig mehr verlangt hätten. Einem Action- oder Horrorfilm vorzuwerfen, kein feinfühliges Drama zu sein, macht dagegen natürlich wenig Sinn.

 


 
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 5.06.2017 | 17:57
Das ist ja auch nicht zwingend nötig um Charakterentwicklung abzubilden. Es ist lange lange her, dass ich den Film gesehen habe. Aber ich würde sogar behaupten, meiner Erinnerung nach, dass der Film kaum etwas anderes abbildet als Charakterentwicklung.
Wenn Du Entscheidungsfindung und -wechsel auf Grund vorher etablierter Charaktereigenschaften und -werte ohne deren Änderung vor dem Entscheidungswechsel  (Jury Nr. 7: Schuldig oder Nichtschuldig, je nachdem was ihn früher zum Baseballspiel bringt. Besonders Jury Nr.4: Nichtschuldig, wenn Zweifel an der Schuldigkeit bestehen. Schuldig solange es keine Zweifel gibt.) als Charakterentwicklung ansiehst, dann hast Du natürlich Recht.
Allerdings kenne ich dann überhaupt keinen Film (auch im B- und C-Movie-Bereich oder schlechter), der keine Charakterentwicklung zeigt.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Pyromancer am 5.06.2017 | 18:04
2. Die Figur hat sich während des Films "nachvollziehbar" verändert. Sie hat etwas erlebt. Und der Zuschauer mit ihr.

Für mich ist das schon die Definition von Charakterentwicklung: Würde man die Figur, wie sie am Anfang des Filmes gezeigt wird, direkt ans Ende des Filmes versetzen, würde sie dort genau so handeln wie gezeigt?

Faust-aufs-Auge-Beispiel: Wenn man Phil aus "Und täglich grüßt das Murmeltier" vom Anfang des Filmes direkt ans Ende schmeißen, dann würde er NICHT so handeln wie der Phil Connors vom Ende des Filmes. Ergo: Im Film gibt es Charakterentwicklung!

Gegenspiel: Was würde die Ripley vom Anfang des Filmes denn groß anders machen (auf Grund ihres veränderten Charakters, nicht auf Grund von fehlendem Wissen), wenn man sie direkt ans Ende setzte?
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 18:13
@
6
Ich würde sagen, die meisten Filme wollen Charakter Entwicklung darstellen. Aber es gelingt nicht immer.

Ein Charakter der z.B. nicht glaubwürdig, "unecht, profillos etc." dargestellt wird, taugt auch nicht für eine Charakterentwicklung.
Weil der Zuschauer z.B. gar keinen Draht bekommt.

Die Illusion kann mMn. auch platzen, wenn der Charakter sich nicht plausibel entwickelt. Oder der Zuschauer diese Entwicklungen als unpassend empfindet.

Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 18:19
Zitat
Gegenspiel: Was würde die Ripley vom Anfang des Filmes denn groß anders machen (auf Grund ihres veränderten Charakters, nicht auf Grund von fehlendem Wissen), wenn man sie direkt ans Ende setzte?
Ich denke die Angst, die Brutaltität und Entschlossenheit von ihr nimmt deutlich während des Films zu. Und das ist mMn. nicht vom Wissen trennbar.
Entwicklung hat auch i. d. Regel mit Wissenszuwachs zu tun. (Entwicklung- bedeutet auch lernen) Das zu trennen, halte ich deshalb für alles andere als zielführend. ;)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 5.06.2017 | 18:19
@
6
Ich würde sagen, die meisten Filme wollen Charakter Entwicklung darstellen. Aber es gelingt nicht immer.

Ein Charakter der z.B. nicht glaubwürdig, "unecht, profillos etc." dargestellt wird, taugt auch nicht für eine Charakterentwicklung.
Weil der Zuschauer z.B. gar keinen Draht bekommt.

Die Illusion kann mMn. auch platzen, wenn der Charakter sich nicht plausibel entwickelt. Oder der Zuschauer diese Entwicklungen als unpassend empfindet.
Das hat doch dann nichts mit einer Entwicklung sondern mit Plausibilität oder Glaubhaftigkeit des Charakters zu tun. Der Charakter selber ändert sich ja nicht. Er hat sich dann ja nur nach seinen Wertemassstäben glaubhaft entschieden.
Also ich sehe da schon einen ziemlichen Unterschied zumal eine Charakterentwicklung ja meistens eine Message des Autors an den Zuschauer enthält.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 18:39
Das hat doch dann nichts mit einer Entwicklung sondern mit Plausibilität oder Glaubhaftigkeit des Charakters zu tun. Der Charakter selber ändert sich ja nicht. Er hat sich dann ja nur nach seinen Wertemassstäben glaubhaft entschieden.
Also ich sehe da schon einen ziemlichen Unterschied zumal eine Charakterentwicklung ja meistens eine Message des Autors an den Zuschauer enthält.

Die Glaubwürdigkeit ist mMn. im Prinzip die Grundvorraussetzung für die Identifikation mit dem Charakter.
Ob wir ihn quasi "kaufen." - Wenn der Charakter das nötige Interesse weckt, möchte der Zuschauer wissen, wie es mit ihm weitergeht.
Und ist bereit die Entwicklung zu verfolgen. -
 
Es kann natürlich auch eine interessante Story oder Rahmenhandlung geben, durch die auch ein farbloser Charakter plötzlich interessant wird.
Aber die funktioniert auch nur solange sich der Charakter plausibel verhält.

Welche Entwicklung der Charakter durchmacht wird klar vom Autor bestimmt, aber die Reaktionen und Veränderungen des Charakters müssen ja trotzdem nachvollziehbar bleiben. Wenn der schüchterne Johnny auf einmal von jetzt auf gleich zum furchtlosen Superstar wird, wird ihm dass der Zuschauer nicht mehr abkaufen.

Der Autor muß mMn. seine Pläne für die Figuren mit den Figuren selbst...deshalb abgleichen.....ob die auch funktionieren.


Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 5.06.2017 | 18:46
Die Glaubwürdigkeit ist mMn. im Prinzip die Grundvorraussetzung für die Identifikation mit dem Charakter.
Ob wir ihn quasi "kaufen." - Wenn der Charakter das nötige Interesse weckt, möchte der Zuschauer wissen, wie es mit ihm weitergeht.
Also bereit ist die Entwicklung zu verfolgen. -
 
Es kann natürlich auch eine interessante Story oder Rahmenhandlung geben, durch die auch ein farbloser Charakter plötzlich interessant wird.
Aber die funktioniert auch nur solange sich der Charakter plausibel verhält.

Welche Entwicklung der Charakter durchmacht wird klar vom Autor bestimmt, aber die Reaktionen und Veränderungen des Charakters müssen ja trotzdem nachvollziehbar bleiben. Wenn der schüchterne Johnny auf einmal von jetzt auf gleich zum furchtlosen Superstar wird, wird ihm dass der Zuschauer nicht mehr abkaufen.
Der Autor muß mMn. seine Pläne für die Figuren mit den Figuren selbst...deshalb abgleichen.....ob die auch funktionieren.
Das mag ja alles korrekt sein, geht aber hier komplett am Thema vorbei.
Wir waren immer noch bei der Frage warum eine Charakterentwicklung so wichtig für Filme und/oder Literatur sein soll.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 18:56
Zitat
Wir waren immer noch bei der Frage warum eine Charakterentwicklung so wichtig für Filme und/oder Literatur sein soll.

Falls Du das noch nicht klar beantwortet findest, kann ich das aus meiner Sicht gerne nochmal wiederholen.

Stichworte sind vorallem: "Mitfiebern mit den Charakteren, dadurch in der Geschichte sein"   - Macht mMn. ein intensiveres Kinoerlebnis und auch Leseerlebnis.  :)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Pyromancer am 5.06.2017 | 18:58
@6: Issi verwendet den Begriff anders als wir, von daher führt eine weitere Diskussion zu nix, weil die Gesprächsgrundlage fehlt.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Mentor am 5.06.2017 | 18:59
Wir waren immer noch bei der Frage warum eine Charakterentwicklung so wichtig für Filme und/oder Literatur sein soll.
Da möchte ich kurz einhaken. Ich bin nicht sicher, ob ich den Begriff der Charakterentwicklung "richtig" verwende. Für mich persönlich ist das mit "Veränderung" behaftet und unterstelle das den Rezensierenden auch. Man kann es aber auch mit "näher kennen lernen" verstehen, a la Foto entwickeln: erst blass, dann stärker, aber immer das selbe Bild. Den näher-kennen-lernen Aspekt gibt es beim 1. Mal ansehen zwangsweise. So hätte ich aber nicht die Leute verstanden, die Rezensieren und sich beschweren, dass die Charaktere nicht wachsen, also den Veränderungsaspekt der Entwicklung enthalten.

Ich für meinen Teil bin mit dem plausibel näher-kennen-lernen eines Charakters in Form von Film oder Buch zufrieden. Insofern brauche ich keine Charakterentwicklung, um eine Handlung zu genießen. Schaden tut die natürlich nicht - wenn sie ebenfalls plausibel ist.

Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 5.06.2017 | 19:04
Falls Du das noch nicht klar beantwortet findest, kann ich das aus meiner Sicht gerne nochmal wiederholen.

Stichworte sind vorallem: "Mitfiebern mit den Charakteren, dadurch in der Geschichte sein"   - Macht mMn. ein intensiveres Kinoerlebnis und auch Leseerlebnis.
Wie ich schon schrieb: Du beschreibst Plausbiliät und nicht Charakterentwicklung. Klar ist Plausbilität durchaus wichtig für einen guten Film. (ich kann mir allerdings auch gute Filme vorstellen, die mit der Plausibilität spielen, aber das ist dann auch wieder Off-Topic. Und dadurch ist natürlich die Plausibiltät für Charakterentwicklungen genauso wichtig.
Aber Deine Beschreibungen und Deine Argumentation hat nichts mit Charakterentwicklung zu tun.

Oder kurz:
Du argumentierst für Plausibilität obwohl wir hier von Charakterentwicklungen reden.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 5.06.2017 | 19:09
@6: Issi verwendet den Begriff anders als wir, von daher führt eine weitere Diskussion zu nix, weil die Gesprächsgrundlage fehlt.
Dann frage ich mich aber, wieso ihre Argumentation mir gegenüber vollständig auf Plausbilität basiert und sie sogar entsprechend zwischen dieser Plausibilität und Charakterentwicklung unterscheidet. Sie sagt ja nicht: "Ist das Gleiche" sondern "Ohne Plausibilität keine gute Charakterentwicklung".
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: YY am 5.06.2017 | 19:12
Für mich persönlich ist das mit "Veränderung" behaftet und unterstelle das den Rezensierenden auch.

Ja, das ist schon richtig so.
Z.B. in meinem obigen Link ist explizit von Veränderung die Rede und nicht (allein) von tiefgründiger bzw. gelungener Darstellung.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 19:26
Zitat
Du argumentierst für Plausibilität obwohl wir hier von Charakterentwicklungen reden.

Wenn ich ersteres unter den Tisch fallen lasse, sind die Veränderungen mMn. bei den meisten Filmen nicht nachvollziehbar.
Es gibt Filme die damit spielen, und jegliche Plausibilitäten außer Kraft setzen, auch die zeitliche und logische Abfolge und am Schluß darf der Zuschauer dann zusammen puzzeln. Aber ich denke nicht, dass die Mentors Thema waren.
Sondern eher klassische Filme, wo sich die Kritiker mal wieder aufregen, warum keine "Entwicklung" stattfindet.


@
Mentor
Ich finde immer näher Beleuchten wäre bei vielen Filmen schon ein Fortschritt. Wirklich fade finde ich es nur, wenn Charaktere kurz angeleuchtet werden. Und diese Kurzaufnahme muß dann für den ganzen Film reichen.
Das ist schätze ich auch einer der Hauptkritik Punkte.- Veränderung- auch die von Dir beschriebene, verändert ja zumindest die Ansicht auf den Charakter. Und macht den Zuschauer neugierig.

Im Prinzip ist es immer Neugier, die den Zuschauer zum Schauen antreibt.

Wie geht es mit dem Charakter weiter? Wer ist dieser Charakter wirklich? usw.

Oder bei alternativen Filmen auch: Wie setzt sich die Geschichte am Ende sinnvoll zusammen?




Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 5.06.2017 | 19:33
Wenn ich ersteres unter den Tisch fallen lasse, sind die Veränderungen mMn. bei den meisten Filmen nicht nachvollziehbar.
Nein, Issi. Niemand will die Plausibilität "unter den Tisch fallen lassen", sondern es ist hier einfach nicht das Thema.
Zitat
Es gibt Filme die damit spielen, und jegliche Plausibilitäten außer Kraft setzen, auch die zeitliche und logische Abfolge und am Schluß darf der Zuschauer dann zusammen puzzeln. Aber ich denke nicht, dass die Mentors Thema waren.
Richtig. Deshalb von mir ja der Hinweis, dass das Off-Topic wäre.
Ich zitiere mich mal: "ich kann mir allerdings auch gute Filme vorstellen, die mit der Plausibilität spielen, aber das ist dann auch wieder Off-Topic."
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 5.06.2017 | 19:45
Zitat
Nein, Issy. Niemand will die Plausibilität "unter den Tisch fallen lassen"
Hab ich niemandem unterstellt.
Zitat
sondern es ist hier einfach nicht das Thema.
Jein. Ich finde, es ist direkt damit verknüpft. (Off-Topic-Filme ausgenommen).
Sonst hätte ich es nicht erwähnt.

Aber ich lese mir auch gerne andere Definitionen durch, die dem widersprechen. ;)





Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Irian am 5.06.2017 | 19:54
Charakterentwicklung ist was nettes und kann auch ein interessantes Thema sein, aber für eine unterhaltsame Geschichte ist sie absolut nicht zwingend erforderlich. Wenn vier Helden in einen Dungeon gehen und den leer machen, kann das spannend und lustig sein, ohne dass dabei der Dieb seine tiefsitzenden Vaterkomplexe mit dem Paladin ausdiskutiert und die Beziehung zu seiner Schwester, der Heilerin, wieder gerade biegt. Genauso kann ein Film/Buch/etc. gut sein, auch ohne dass der Hauptcharakter irgendeine Form der charakterlichen Veränderung durchmacht. Natürlich, so eine Veränderung KANN interessant sein, wenn sie plausibel und nachvollziehbar ist, aber es ist halt nicht das einzige, was interessant sein kann. Soweit, so banal.

Die Frage ist, wovon hängt es ab, ob eine fehlende Wandlung eines Charakters die Geschichte stört? Vermutlich schwer allgemein zu sagen, aber mal ein paar Möglichkeiten...


Ist halt imho so eine typische "Kommt darauf an" Frage, die imho am besten am Einzelfall entschieden werden sollte. Stört es, dass Captain Jack nach 5 Filmen effektiv immer noch Johnny Depp auf Humortrip ist? Hat sich da viel geändert? Ist das wichtig?
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 6.06.2017 | 07:42
Ich finde, es ist direkt damit verknüpft. (Off-Topic-Filme ausgenommen).
Sonst hätte ich es nicht erwähnt.

Aber ich lese mir auch gerne andere Definitionen durch, die dem widersprechen. ;)
Ich habe da ein gutes Zitat:
Nicht Sieg sollte der Zweck der Diskussion sein, sondern Gewinn. (Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist)

Glückwunsch zum Sieg. :)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Issi am 6.06.2017 | 10:25
Zitat
Glückwunsch zum Sieg. :)
Darum ging es mir ganz bestimmt nicht, 6.
Mich beschäftigt dieses Strang Thema auch nicht erst seit gestern.

Wünsche eine gute Zeit! Und vor Allem gute Filme !
(Bin im Urlaub mal  -Handy und Computer frei-) :)




Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Chiungalla am 6.06.2017 | 10:49
Wie ja schon geschrieben wurde, bedeutet Charakterentwicklung nicht in allen Fällen, dass ein Charakter danach ein anderer sein muss. Es muss für die Kritiker ja gar nicht immer gleich die Entwicklung vom einen Extrem ins andere sein. Und man muss sie auch nicht immer völlig offensichtlich präsentiert bekommen. Meiner Wahrnehmung nach meckern die Kritiker fast immer nur dort, wo ihrer Meinung nach eine Entwicklung nicht stattfindet obwohl sie sie erwarten oder die Entwicklung völlig unplausibel verläuft.

Subtile Veränderungen freuen die Kritiker oft alleine deshalb, weil sie nur denjenigen auffallen die darauf achten (also vor allem ihnen selbst).  >;D
Und die Messlatte für Umfang, Thematisierung und Plausibilität der Entwicklung hängt meiner Wahrnehmung nach auch je nach Genre unterschiedlich hoch.

Actionfilme haben da ganz andere Messlatten als Dramen. Und man mag sich darüber ärgern, dass die Messlatte für Actionfilme nicht gleich im Boden vergraben wird. Aber wenn man die Messlatten in diesem und anderen Bereichen für dieses Genre zu niedrig hängt dann bliebe am Ende für die Kritiker wenig zu kritisieren.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 6.06.2017 | 13:41
Ich habe mal im Kopf die Grundthese von Mentor ("Für gute Medien ist eine Charakterentwicklung nicht notwendig.") mal zugespitzt zu:
"Es gibt gute Medien (deren Qualität auch von Kritikern als gut oder hervorragend bewertet werden), bei denen eine Charakterentwicklung stören würde oder gar den Inhalt des Mediums komplett widersprechen würde" (Also fehlende Charakterentwicklung kein Bug, sondern Feature)(@Mentor: Wenn Du das als Off-Topic ansiehst, bitte schreiben. Ich werde dann nichts mehr dazu schreiben)

Da bin ich dann ziemlich flott auf ein komplettes Genre gekommen. Nämlich die Tragödie. Dort ist ja eines der Grundpfeiler, dass der Protagonist eine tödliche, charakterliche Schwäche hat, die ihn in den Untergang reisst. Würde der Charakter eine Entwicklung vollführen, würde die ganze Idee hinter der Tagödie in sich zusammen fallen.
Also ja: Es gibt gute Medien, bei denen eine fehlende Charakterentwicklung Feature und nicht Bug ist.

Disclaimer:
Wenn ein Charakter umgebracht wird, sehe ich das nicht als Charakterentwicklung an. Sonst wären Actionfilme, die Filme mit der größten Anzahl an Charakterentwicklungen (Hot Shots: Body Count 240, EQUAL TO ROBO COP!). ;)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Chiungalla am 6.06.2017 | 14:57
@ 6:
Fehlschluss.

Da bin ich dann ziemlich flott auf ein komplettes Genre gekommen. Nämlich die Tragödie. Dort ist ja eines der Grundpfeiler, dass der Protagonist eine tödliche, charakterliche Schwäche hat, die ihn in den Untergang reisst. Würde der Charakter eine Entwicklung vollführen, würde die ganze Idee hinter der Tagödie in sich zusammen fallen.
Also ja: Es gibt gute Medien, bei denen eine fehlende Charakterentwicklung Feature und nicht Bug ist.

Das eine bestimmte Richtung der Charakterentwicklung ausgeschlossen ist bedeutet nicht, dass Charakterentwicklung im allgemeinen ausgeschlossen ist. Und letzteres bräuchtest Du damit Deine Argumentation auch nur im geringsten valide ist.

Beispiel:
Romeo und Julia
Viel Charakterentwicklung, trotzdem (oder sogar gerade deswegen) eine Tragödie.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Ucalegon am 6.06.2017 | 15:18
Da bin ich dann ziemlich flott auf ein komplettes Genre gekommen. Nämlich die Tragödie. Dort ist ja eines der Grundpfeiler, dass der Protagonist eine tödliche, charakterliche Schwäche hat, die ihn in den Untergang reisst. Würde der Charakter eine Entwicklung vollführen, würde die ganze Idee hinter der Tagödie in sich zusammen fallen.
Also ja: Es gibt gute Medien, bei denen eine fehlende Charakterentwicklung Feature und nicht Bug ist.

Was ist denn "Charakterentwicklung" überhaupt? Wenn aus der bösen am Ende eine gute Figur wird? Wenn Ödipus erkennt, dass seine Taten unausweichlich waren und sich die Augen aussticht? Wenn Medea verraten wird und ihre Kinder umbringt?

Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 6.06.2017 | 19:15
Okay. Dann fangen wir mal an (@Mentor: Mein Angebot gilt immer noch. Allerdings können wir diesen Teil auch gerne alternativ aus dem Thread abteilen).

Zuerst mal eine Definition "Charakterentwicklung". Mir gefällt die von TV-Tropes ziemlich gut:

Character Development is, by definition, the change in characterization of a Dynamic Character, who changes over the course of a narrative. At its core, it shows a character changing.

Das eine bestimmte Richtung der Charakterentwicklung ausgeschlossen ist bedeutet nicht, dass Charakterentwicklung im allgemeinen ausgeschlossen ist. Und letzteres bräuchtest Du damit Deine Argumentation auch nur im geringsten valide ist.
Mir ging es jetzt eigentlich nur um einzelne Charaktere oder hier um die Protagonisten. Aber da natürlich dann den kompletten Charakter.
Zitat
Beispiel:
Romeo und Julia
Meinst Du Shakespeares Version? Wenn dann 2 Punkte:
1. Ich bin jetzt schon mehrere Male drüber gestolpert, dass bei "Romeo und Julia" von Shakespeare gerne mal drüber debattiert wird, ob Romeo and Juliet nicht eher eine schwarze Komödie im Tragödiengewand wäre. Darüber kann man sicherlicher debattieren, aber die Argumente dafür hörten sich für mich als Laien zumindest als nicht aus der Luft gegriffen an. Aber davon mal ab:
2. Wo verändern sich denn Romeo und Julia? Ich sehe da im gesamten Stück bei den Beiden keine Charakterentwicklung.

==============================================================
Wenn Ödipus erkennt, dass seine Taten unausweichlich waren und sich die Augen aussticht?
Über beide Stücke kannst Du sicherlich mehr erzählen als ich.
Was zu Ödipus gelesen habe war folgendes:
Oedipus is a man of swift action and great insight. At the opening of Oedipus the King, we see that these qualities make him an excellent ruler who anticipates his subjects’ needs. ... The final scene of the play has the haste and drive of the beginning of Oedipus the King, but this haste, for Oedipus at least, is toward peace rather than horror.
Klingt für mich nach einer logischen Handlung ohne Charakterentwicklung.
Zitat
Wenn Medea verraten wird und ihre Kinder umbringt?
Hm. Ich habe da mal folgende Analyse von Medea gelesen: Medea is a straight up serial killer. Let's take a look at her bloody career. Back in her and Jason's Golden Fleece days, she killed her own brother and chopped him into pieces. Later on, she tricked King Pelias' daughters into chopping him into pieces. During Euripides's play, she incinerates King Creon and his daughter, Glauke. She concludes this bloody rampage by slaughtering her own two sons. Medea, what in the name of Zeus is wrong with you?
Ich seh da jetzt keine Charakterentwicklung von vor dem Verrat zu danach.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Ucalegon am 6.06.2017 | 22:13
Mein Punkt ist: Zuerst sollte man fragen, ob die grundlegende charakterliche Veränderung einer Figur - die die TVTropes Definition meint, obwohl sie ziemlich vage formuliert ist -  überhaupt ein sinnvolles Kriterium ist, nach dem man sortieren möchte.

Damit kommt man nämlich in die merkwürdige Situation, dass zwei tragische Figuren, die Unvorstellbares durchmachen - Ödipus, der sich erkennend, dass er seinen Vater getötet und mit seiner Mutter geschlafen hat, die Augen aussticht bzw. Medea, die entscheidet, ihre eigenen Kinder zu töten - in derselben Schublade landen können wie Homer Simpson oder der Dude [oder die festen Figurentypen aus antiken Komödien].

Aber wie gesagt: Ich denke, Mentors Problem liegt bei den Kritiken. Wobei ich für die insoweit eine Lanze brechen würde, als es in Film und Literatur logischerweise viel Schrott mit flachen und langweiligen Figuren gibt. Sturgeon's Law. (https://en.wikipedia.org/wiki/Sturgeon%27s_law)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Mentor am 6.06.2017 | 23:56
@Mentor: Mein Angebot gilt immer noch.
Passt schon so, ich lese hier gern mit :)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 7.06.2017 | 00:31
Mein Punkt ist: Zuerst sollte man fragen, ob die grundlegende charakterliche Veränderung einer Figur - die die TVTropes Definition meint, obwohl sie ziemlich vage formuliert ist -  überhaupt ein sinnvolles Kriterium ist, nach dem man sortieren möchte.
Klar ist es ein sinnvolles Kriterium. Wie ich ja schon sagte, gibt es ganze Genres, die mit einer Art dieser Kategorisierung funktioniert (Tragödie + statischer Charakter). Genauso gibt es auf der anderen Seite die Heldenreise, die nur mit der anderen Art funktioniert (Heldenreise + dynamischer Charakter).
Eigentlich sollte genau das ja meine These zeigen.
Zitat
Damit kommt man nämlich in die merkwürdige Situation, dass zwei tragische Figuren, die Unvorstellbares durchmachen - Ödipus, der sich erkennend, dass er seinen Vater getötet und mit seiner Mutter geschlafen hat, die Augen aussticht bzw. Medea, die entscheidet, ihre eigenen Kinder zu töten - in derselben Schublade landen können wie Homer Simpson oder der Dude [oder die festen Figurentypen aus antiken Komödien].
Wo ist das eine merkwürdige Situation? Du setzt ja nicht die Charaktere und deren Geschichte gleich, sondern nur einen Aspekt dieser Charaktere. Das soll als Hilfsmittel und als Beispiel für den Einsatz des Tropes dienen.
Zitat
Aber wie gesagt: Ich denke, Mentors Problem liegt bei den Kritiken. Wobei ich für die insoweit eine Lanze brechen würde, als es in Film und Literatur logischerweise viel Schrott mit flachen und langweiligen Figuren gibt. Sturgeon's Law. (https://en.wikipedia.org/wiki/Sturgeon%27s_law)
Moment! Flache und langweilige Charaktere sind nicht deckungsgleich mit Charakteren ohne Charakterentwicklung. Mentor hatte ja schon mehrmals relativ ausführlich erklärt, dass er nicht versteht, warum Charaktere ohne Charakterentwicklung automatisch als flach und langweilig abgestempelt werden.
Sturgeon's Law gilt halt auch für die Heldenreise.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Ucalegon am 7.06.2017 | 02:06
Klar ist es ein sinnvolles Kriterium. Wie ich ja schon sagte, gibt es ganze Genres, die mit einer Art dieser Kategorisierung funktioniert (Tragödie + statischer Charakter). Genauso gibt es auf der anderen Seite die Heldenreise, die nur mit der anderen Art funktioniert (Heldenreise + dynamischer Charakter).

Mir gibt das Kriterium jedenfalls nichts. Für die einzelne Figur (und die Geschichte) macht es natürlich einen Unterschied, ob sie am Ende im Wesentlichen dieselbe geblieben ist oder sich aufgrund der Ereignisse verändert hat, aber ich wüsste nicht, was es mir nützt z.B. ein Filmdrama mit und eines ohne, eine Tragödie mit und eine ohne zu unterscheiden.

Zur Tragödie gibt es übrigens andere Meinungen: "In der Komödie finden sich allgemein mehr statische Figuren, während in der Tragödie eher dynamische Figuren vertreten sind." Handbuch Drama, hrsg. von Peter Marx., S. 108.

Eigentlich sollte genau das ja meine These zeigen.Wo ist das eine merkwürdige Situation? Du setzt ja nicht die Charaktere und deren Geschichte gleich, sondern nur einen Aspekt dieser Charaktere. Das soll als Hilfsmittel und als Beispiel für den Einsatz des Tropes dienen.

Ich finde, das irritiert eher als das es weiterhilft. Es verdeckt den wirklich relevanten Unterschied, was die Komplexität der Figuren angeht. Der Dude ist der Dude und geht an alles als der Dude heran, weil das witzig ist und unsere "verückte" Welt um ihn herum kontrastiert. Darüber, warum Medea so handelt, wie sie handelt und warum sie so ist wie sie ist und wie sie überhaupt ist, kann man viele kluge Aufsätze lesen.

Moment! Flache und langweilige Charaktere sind nicht deckungsgleich mit Charakteren ohne Charakterentwicklung. Mentor hatte ja schon mehrmals relativ ausführlich erklärt, dass er nicht versteht, warum Charaktere ohne Charakterentwicklung automatisch als flach und langweilig abgestempelt werden.
Sturgeon's Law gilt halt auch für die Heldenreise.

Absolut. Was ich sagen wollte ist: Ich glaube, dass der Vorwurf einer flachen Figur schnell bei der Hand ist, weil es so viele davon gibt. Und dann schmeißt man eben noch "keine Entwicklung" dazu, weil es schlau klingt, egal ob es Werk und Figur was gebracht hätte oder nicht.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 7.06.2017 | 02:15
@Ucalegon:
Okay. Ich denke ich verstehe.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Chiungalla am 7.06.2017 | 08:53
@ 6:
Das sich Charaktere im Tragödien nicht verändern ist immer noch nicht richtig. Auch nicht, wenn Du es nur auf die Protagonisten beziehen willst. Oft ist es ja gerade die Veränderung der Charaktere welche zur Tragödie führt.

Was gilt ist nur folgendes: Die Charaktere dürfen sich nicht in einer Art und Weise verändern, die dazu führt, dass es keine Tragödie mehr ist.

Du brauchst für Deine Argumentation (keine Veränderungen bei Charakteren in diesem Genre) aber immer noch, wie schon oben geschrieben, das sie sich überhaupt nicht verändern dürfen.

Was Deine Definition angeht: Ich lese da gar nicht heraus, dass es ein tiefgreifender alles verändernder Wandel sein muss. Aber selbst wenn das nur meiner subjektiven Wahrnehmung geschuldet wäre, dann wäre die Definition trotzdem nicht die richtige für diesen Thread. Denn in diesem Thread geht es ja darum warum Kritikern die Charakterentwicklung wichtig ist und kritisieren, wenn sie fehlt. Und gerade in Genres in denen Charakterentwicklung nicht zum Pflichtprogramm gehört reicht den meisten Kritikern ein Mindestmaß an Charakterentwicklung. Da bringt uns eine Definition nicht weiter, die nur dann Charakterentwicklung ist, wenn der Protagonist am Ende ein ganz anderer ist. Denn das ist nicht der Maßstab den Kritiker anlegen.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 7.06.2017 | 18:46
@Chiungalla:
Ich sehe hier mittlerweile unser Problem:
Du siehst eine spätere Charakterisierung eines vorher feststehenden Charaktermerkmal als Charakterentwicklung an und ich nicht.
An Hand eines Beispieles:
Du hast ein Film mit einem Krieger. Für Dich ist es eine Charakterentwicklung, wenn vom Film etwa in der Mitte erklärt wird, dass der Krieger auch ein gelernter Koch ist. Für mich ist das immer noch Teil der normalen Charakterisierung. Diese Charakterisierung ändert nichts am Wesen des Charakters sondern präzisiert ihn nur. Für Dich ist der Standpunkt des Zuschauers dagegen wichtig.
Da müssen wir uns auf Agree to Disagree einigen. Ich verstehe von wo Du kommst, aber für mich ist diese Ansicht falsch.

Ist aber eigentlich eh egal, weil da Ucalegons Standpunkt viel besser passt: Die Bestimmuing ob etwas eine Charakterentwicklung ist oder nicht ist vollkommen pupsegal. Wichtig ist nur der Kontext im Film oder im Stück. Und eigentlich dürfte es bei den guten Kritikern genau darauf hinauslaufen. Sie werden das preisen, was den Film oder das Stück stärkt und das kritisieren, was den Film oder das Stück schwächt und das sollte auf garkeinen Fall für alle Filme die gleichen Kriterien sein.
(Ich habe mal spasseshalber alte Reviews von Roger Ebert angeschaut. Zumindest bei ihm passt das. Bei Chris Stuckmann passt das auch.)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Chiungalla am 7.06.2017 | 21:38
Da liegst Du völlig falsch was die Einschätzung meines Standpunktes angeht. Und ich habe ehrlich keine Ahnung wie Du darauf kommst. Wäre super, falls Du mich auf die Stelle aufmerksam machen würdest aus der das Deiner Meinung nach ersichtlich sein soll.

Aber um das nochmal ganz deutlich zu schreiben:
Für mich ist es keine Charakterentwicklung, wenn der Zuschauer später etwas über den Charakter erfährt was schon vorher feststand.
(Auch) Für mich ist es Charakterentwicklung, wenn der Charakter sich aufgrund der Geschehnisse der Geschichte verändert.

Und zu einer glaubwürdigen und interessanten Geschichte gehört in fast allen Fällen, dass sich der Charakter entwickelt. Weil interessante Geschichten die an ihnen beteiligten Menschen nun einmal verändern. Und das zu berücksichtigen gehört halt zu den Aufgaben von Drehbuchautor und Regisseur.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 7.06.2017 | 22:39
@Chiungalla: Dann macht Dein vorheriges Posting wenig bis garkeinen Sinn.
Ich zeig es mal:
Das sich Charaktere im Tragödien nicht verändern ist immer noch nicht richtig. Auch nicht, wenn Du es nur auf die Protagonisten beziehen willst. Oft ist es ja gerade die Veränderung der Charaktere welche zur Tragödie führt.
Es ist egal ob eine Aktion "in eine Tragödie führt" oder nicht. Wir reden hier von dem Genre der Tragödie. Und gibt es typische Kriterien. Eines davon zitiere ich mal aus der Wiki:
"Das Schicksal oder die Götter bringen den Akteur in eine unauflösliche Situation, den für die griechische Tragödie typischen Konflikt, welcher den inneren und äußeren Zusammenbruch einer Person zur Folge hat. Es gibt keinen Weg, nicht schuldig zu werden, ohne seine Werte aufzugeben (was einem tragischen Akteur nicht möglich ist). Ein gutes Beispiel ist König Ödipus von Sophokles."
Also nein. Eine Charakterveränderung führt gerade nicht in den Ruin. Im Gegenteil!
(Zur fehlenden Charakterentwicklung von König Ödipus habe ich weiter oben schonmal was geschrieben)
Zitat
Was Deine Definition angeht: Ich lese da gar nicht heraus, dass es ein tiefgreifender alles verändernder Wandel sein muss.
(Zur nicht vorhandenen Charakterentwicklung habe ich ja schon weiter oben was geschrieben)
Wer redet denn von einem "tiefgreifenden, alles verändernden Wandel"??? Also ich rede von einem charakterlichen Wandel oder auch Lerneffekt. Der Protagonist hat z.B. sein Weltbild angepasst und würde deshalb vorherige Situationen anders interpretieren und logischerweise anders handhaben. 
Zitat
Aber selbst wenn das nur meiner subjektiven Wahrnehmung geschuldet wäre, dann wäre die Definition trotzdem nicht die richtige für diesen Thread. Denn in diesem Thread geht es ja darum warum Kritikern die Charakterentwicklung wichtig ist und kritisieren, wenn sie fehlt. Und gerade in Genres in denen Charakterentwicklung nicht zum Pflichtprogramm gehört reicht den meisten Kritikern ein Mindestmaß an Charakterentwicklung.
Nur am Rande: Also Roger Ebert hatte keine Probleme damit, dass der Dude aus Big Lebowsky keine (also wirklich überhaupt keine) Charakterentwicklung durch macht ("The Dude abides"). Im Gegenteil! (Mit Connerys James Bond hatte er auch keine Probleme. Goldfinger sah er als den besten James Bond-Film an.)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: YY am 7.06.2017 | 23:20
Weil interessante Geschichten die an ihnen beteiligten Menschen nun einmal verändern.

Nicht immer und oftmals auch "nur" nicht im Rahmen der Geschichte, sondern zu langfristig und/oder subtil, als dass es für diese Geschichte relevant wäre.

Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 8.06.2017 | 00:21
Da habe ich übrigens einen sehr lesenwerten Essay dazu vom Film Crit Hulk gefunden:

Film Crit Hulk Smash: NIGHTCRAWLER And Why Movies Don’t Need Character Arcs (http://birthmoviesdeath.com/2015/01/09/film-crit-hulk-smash-nightcrawler-and-why-movies-dont-need-character-arcs)

Ich glaube er spricht fast alle Themen hier aus dem Thread dabei an.

(Warum finde ich solche Perlen erst dann, wenn der Thread eigentlich schon über seinen "Horizont" schon fast hinaus ist... ::))
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Chiungalla am 8.06.2017 | 01:12
@ 6
Meine Argumentation ergibt jede Menge Sinn. Du scheinst nur nicht in der Lage zu sein den zu erkennen. Aber ich gebe nicht so schnell auf, daher noch ein Versuch.

Der Protagonist einer Tragödie darf sich nicht so weit verändern, die das tragische Ende der Tragödie verhindert.
Zum Beispiel darf in der griechischen Tragödie der Held seine Werte nicht verraten.

Daraus schließt Du, und das ist ein Fehlschluss, dass der Charakter sich gar nicht entwickeln darf.
Vielmehr sind ihm aber von den allen vielen Richtungen in die er sich entwickeln könnte nur sehr wenige genommen.
Andere Entwicklungen darf er aber sehr wohl durchmachen.

Er kann sich in vielen Aspekten seiner Persönlichkeit zum guten oder zum schlechteren verändern, solange dies die Tragödie begünstigt oder wenigstens nicht verhindert. Gerade das begünstigen der Tragödie ist ja auch kein all zu seltenes Motiv. Nicht selten finden wir in einer Tragödie einen Charakter der im Laufe des Werks nach und nach seiner Hybris erliegt. Und das ist dann auch Charakterentwicklung.

Zusammenfassung:
Das eine bestimmte Richtung der Charakterentwicklung ausgeschlossen ist erlaubt natürlich nicht den Schluss, dass alle anderen Richtungen der Charakterentwicklung ebenfalls ausgeschlossen sind. Das wäre ein Fehlschluss der vorschnellen Verallgemeinerung, dem Du sehr offensichtlich zum Opfer gefallen bist.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 8.06.2017 | 07:40
Meine Argumentation ergibt jede Menge Sinn. Du scheinst nur nicht in der Lage zu sein den zu erkennen.
Nee. Das gibt bei uns Beiden hier keine weitere Charakterentwicklung.
Lassen wir es bei Agree to Disagree und lies den Essay.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Mentor am 8.06.2017 | 07:43
Denn in diesem Thread geht es ja darum warum Kritikern die Charakterentwicklung wichtig ist und kritisieren, wenn sie fehlt.
Bitte "Kritiker" hier nicht überbewerten. Damit sind nicht nur jene aus Zeitungen und Blogs gemeint, sondern genauso Bürokollegen, die über Serien oder Filme fachsimpeln. Evtl. hat meine Wahrnehmung, auch damit zu tun, dass die s.g. Kritiker länger über schwache Charaktere reden, und so gegenüber jenen, die nur "Boah, der Film war schlecht." sagen, mehr auffallen ;)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Chiungalla am 8.06.2017 | 09:43
Nee. Das gibt bei uns Beiden hier keine weitere Charakterentwicklung.
Lassen wir es bei Agree to Disagree und lies den Essay.

Der Essay hat mit dem aktuellen Punkt an dem Du mich nicht verstehst rein garnichts zu tun.

Abgesehen von diesem Teil:
Zitat
THEY THEN EXPERIENCE CONFLICT, PAIN, LOSS, AND THROUGH THOSE THINGS THEY GROW AND REACT IN NEW WAYS. SOMETIMES THEY BECOME HEROES, SOMETIMES THEY BECOME FIGURES OF TRAGEDY.

Was irgendwie meinen Punkt zu 100% bestätigt.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: 6 am 8.06.2017 | 10:04
@Chiungalla:
Der Rat den Essay zu lesen kam nach dem Angebot die Diskussion zu beenden.
Also "lassen wir die Diskussion. Lies lieber den Essay!"
Ich hoffe Du hast den Essay nicht nur aus der Sicht unsere Diskussion durchgeschaut. Eigentlich geht es da mehr um Mentors Ausgangsfrage.

Ach ja. Wie ich schon schrieb hat das Wort Tragödie mehrere Bedeutungen. Häng Dich nicht so fest an diese Diskussion. Du wirst mich nicht überzeugen. Ich überzeuge Dich. Move on.
Lies lieber den Essay. :)
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Chiungalla am 8.06.2017 | 10:15
Angebote muss man nicht annehmen.  8)

Agree to disagree ist völlig in Ordnung bei unterschiedlichen Meinungen. Aber hier geht es nicht um Meinungen. Hier geht es um überprüfbare Tatsachen. Und Du liegst falsch. Basis Deiner Argumentation sind sehr offensichtliche Fehlschlüsse. Eine Tragödie in der sich der Charakter weiter entwickelt widerlegt Deinen Standpunkt. Ich werfe mal Goethes Faust in den Raum. Da sind ganze Bücherregale über das Thema Charakterentwicklung geschrieben worden.

Aber Du hast vermutlich recht, dass es sich für mich nicht lohnt weiter mit Dir zu diskutieren. Wenigstens in dieser Beziehung hast Du mich nun überzeugt.
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: Wulfhelm am 8.06.2017 | 11:00
Warum ist Charakterentwicklung in einem Film oder in einem Buch so wichtig, vor allem den Rezensenten? Warum liest und hört man oft, Film X oder Buch Y sei schlecht, weil die Charaktere seicht bleiben, sich nicht weiter entwickeln?
Weil die Rezensenten nicht besonders gut sind.

Zitat
Ist überhaupt "seicht" das Gegenteil eines nicht weiterentwickelnden Charakters?
Nein. "Statisch" ist das Gegenteil eines sich nicht weiterentwickelnden Charakters. "Seicht" oder "flach" ist das Gegenteil eines... mal einen deutschen Begriff ersinnen... tiefen Charakters, also einer Figur, deren Eigenschaften umfassend beschrieben werden. Das ist natürlich eine Skala und keine Dichotomie.

Cruff war ein böser Räuber, der die Armen ausraubte. Eines Tages kam ein weiser Mann zu ihm und sagte: "Das ist böse, was Du tust. Sei besser ein guter Räuber!" Cruff antwortete "Recht hast Du!" und raubte seitdem die Reichen aus, um den Armen zu geben.

Cruff ist ein dynamischer Charakter mit klarer Entwicklung, aber natürlich grotesk flach und uninteressant, zumal die Entwicklung lediglich zwischen zwei Stereotypen stattfindet. Man könnte auch Wrestler, die einen heel face turn vollziehen, als Beispiel nehmen.

Es kann also flache und dynamische Charaktere geben, genau so wie es tiefe und statische Charaktere geben kann.

Noch eine Anmerkung, weil das ja oft im Zusammenhang mit Filmen genannt wird: Ein character arc, wie er in diesem Geschäft gerne verwendet wird, ist
a.) nicht unbedingt deckungsgleich mit dem, was in der Literatur unter einem dynamischen Charakter verstanden wird (da die Entwicklung oft eher äußerlich ist) und
b.) nicht mit dem narrative arc zu verwechseln. Dass sich die Geschichte entwickelt, muss ja nicht im Mindesten heißen, dass sich die Figuren entwickeln.
 
Beispiele für gute Medien mit statischen Charakteren gibt es zuhauf - obwohl ich die Tragödie als Genre da nicht einordnen würde, aber das führt zu weit. Ich versuche mal, an einem einzelnen populären Beispiel alle Punkte deutlich zu machen: Columbo. Columbo selber ist ein relativ tiefer, aber völlig statischer Charakter. Gleiches gilt meistens für den Täter, der zwar nach manchen Maßstäben einen arc hat, aber in der Regel keine psychologische Entwicklung durchmacht. Natürlich gibt es jedoch eine klassische Entwicklung der Geschichte selbst. 
Titel: Re: Warum Charakterentwicklung?
Beitrag von: alexandro am 30.06.2017 | 15:17
Ich denke Charakterentwicklung muss nicht unbedingt mit einem "character arc" einher gehen. Das ist eine (sehr simple) Art von Charakterentwicklung, aber nicht die einzige Möglichkeit.

Eine andere Möglichkeit ist:
 "Charakter A hat Charakterzug B, welchen er bisher er immer in (kontrollierter) Situation C ausgelebt hat. Plötzlich kommt er in Grenzsituation Z und ist sich nicht sicher, ob er B unter diesen Bedingungen aufrecht erhalten sollte, weil eigentlich alles an Z dafür spricht, B aufzugeben oder zu verändern. Am Ende hält er aber doch an B fest und durchsteht Z (oder scheitert daran)."

Das ist (für mich) genauso befriedigend, auch wenn der Charakter sich nicht verändert.