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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Berta Broken am 20.11.2017 | 12:40

Titel: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Berta Broken am 20.11.2017 | 12:40
Meine Plots und Szenarien verwässern stets nach wenigen Minuten zu an den Haaren herbeigezogenen, melodramatischen, kunstfilmartigen, SL-zentrierten Impro-Theater-Stücken. Das muss nun ein möglichst schnelles Ende nehmen.

Wie erzeuge ich das Gefühl von weitläufigen offenen Spielwelten?
Wie mache ich meine Spieler neugierig und rege sie zu eigenen Handlungsimpulsen an?
Wie baue ich Inhalte, die weder irrelevant sind, noch Railroading-Epos sein müssen?
Wie schaffe ich es, dass das Spiel so gespielt wird, dass die Regeln es bereichern und unterstützen können?
Woher nehme ich dieses kindliche Gefühl von ewigen Weiten voller geheimnisvoller Orte und spannenden Herausforderungen?
Wie bleibt meine Welt auch ohne Plot-Gleise konsistent, aber auch ansprechend?
Und wie gewöhne ich meinen Spielern ab, dass nur melodramatisch-deepes Charakterspiel "echtes Rollenspiel" sei?

Ich würde gerne mal erleben, dass mit einer aufgebauten Welt interagiert wird, und sich einerseits vorhergesehene unterhaltsame Encounter daraus ergeben, andererseits aber auch eine emergente, nicht-SL-initiierte Eigendynamik innerhalb der Spielwelt entsteht, die jedoch auf den Gegebenheiten von Welt, Setting und Regeln fußt, und nicht mit all dem zugunsten irgend eines drehbuchartigen Plots bricht.

Ich würde einfach mal gerne DnD so spielen, wie es gedacht ist, glaub ich. Aber irgendwie wird immer eine Mischung aus Cthuloidem Mystery-Plot, Fate-artigem Player-Exmpowerment und DSA-artiger Hotzenplotzigkeit draus. Hilfe, bitte macht mich zum tauglichen Gamisten-SL! :D
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Grimtooth's Little Sister am 20.11.2017 | 13:02
D&D ist so gedacht, wie die Gruppe es will - da gibts viele Möglichkeiten.

Hast du mal ein Beispiel, wie das bei dir schief geht?
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Sir Markfest am 20.11.2017 | 13:03
Du stellst hier nicht genügend Fakten für Ratschläge zur Verfügung.
Daher:
Welches System? System matters!
Welche Spieler? Spieler mattern auch!
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Skyrock am 20.11.2017 | 13:13
Karten sind ganz wichtig, mit vielen coolen Orten die man überhaupt besuchen will, und dazu haufenweise Gerüchte.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: alexandro am 20.11.2017 | 13:20
Wichtig ist eine übersichtliche Organisation von Informationen - eine offene Spielwelt ist wertlos, wenn wesentliche Informationen in einem dicken Ordner vergraben sind oder man eine Excel-Tabelle braucht, um den Überblick zu behalten. An diesem Punkt scheitern leider 99% aller Systeme, da sie viel zu kleinteilig für echte Exploration sind (oD&D gehört da auch dazu - die Exploration ist da eher narrativ, denn gamistisch oder gar simulationistisch).

Ich würde mir mal Make you Kingdom! (https://faustusnotes.wordpress.com/2010/10/04/gormenghast-meets-final-fantasy-playing-the-make-you-kingdom-japanese-rpg/) oder Ryuutama (https://www.sphaerenmeisters-spiele.de/epages/15455106.sf/de_DE/?ObjectID=127288816) anschauen, da kann man einige Ideen draus mitnehmen, ebenso aus explorativen Brettspielen.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: KhornedBeef am 20.11.2017 | 13:58
Intuitiv glaube ich, dass du dafür einen ganze Latte von für dich funktionierenden SL-Werkzeugen brauchst, und auch die Spieler ihre Gewohnheiten ändern müssen.
Also, 1. Kommunizier ihnen, was dir fehlt, und dass du das mit ihnen zusammen ändern willst. In all dem Charakterspiel und Geheimnisgetue verliert man leicht aus den Augen, dass man auf der meta-Ebene am besten an einem Strang zieht.
2. Geh einen deiner "Wunschpunkte" nach dem anderen an. Mach mal einen Oneshot, der eine bestimmte Art voN Charakterspiel vorgibt, um die Spieler aufzurütteln. Denk dir mal eine kleine Kampagne aus, bei der du den Spielern sagst "Hier passiert vielleicht oft nix, und ihr müsste auch wenig Melodrama ausspielen, ich will einfach ein bisschen Entdeckungsreise machen um zu sehen was gut klappt und was nicht".
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: DaveInc am 20.11.2017 | 14:00
Hast Du es schon mit Hexcrawl versucht? Da kann man recht improvisiert sich für einzelne Felder was ausdenken - oder gehe den BtW Weg und lass die Gruppe entscheiden, was sie dort findet.

Du kannst zB einfach ein leeres Hexgitter hernehmen und dort die "Felder" aufdecken, oder Du nimmst eine schöne Karte in passender Größe her und legst ein Hexgitter darüber ...
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: KhornedBeef am 20.11.2017 | 14:09
Oh, und wenn du willst, dass sich die Spieler Fragen stellen, und diesen durch ihre Charaktere nachgehen wollen, sei nicht zu subtil. Nix mit "im dritten Halbsatz mit Bauer Seppel verstecken", außer jetzt bei den bereits genannten Cthulhu-artigen Ermittlungsabenteuern. Es stimmt was nicht mit dem Dorf? Beschreib wenige Auffälligkeiten, aber in jeder Szene wenigstens einmal, und gerne auch zunehmend. Denk an Hitchcocks "Die Vögel" :) . Ein mystischer Gegenstand ist voll wichtig? Vielleicht kannst du eine einfache Requisite basteln, vielleicht nur einen Pappaufsteller, und flichte ihn in jeder Session irgendwie in einen Dialog ein, oder beschreib wie er nach einer Rast an einem Ort liegt, wo ihn kein SC hingelegt hat...
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Derjayger am 20.11.2017 | 14:10
Wie mache ich meine Spieler neugierig und rege sie zu eigenen Handlungsimpulsen an?

Indem Du ihre Versuche aufgreifst und ausarbeitest. Dazu noch grinsen und "gute Idee!" sagen wirkt manchmal Wunder. Und schau mal, ob's für die Spieler vielleicht momentan zu anstrengend ist, etwa weil jemand sagt "hmm nee" oder ihre Ideen nach 5min wieder verschwunden sind, weil der SL nicht damit umgehen konnte (alles schon erlebt). Oder fällt Dir keine gute Ausarbeitung ein? Dann sind Zufallsgeneratoren und Einlesen in's Stichwort "Schere im Kopf" super.

Kannst auch gern mal ein konkretes Beispiel geben, wo etwas nicht funktioniert hat.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Daheon am 20.11.2017 | 14:11
Das Index Card RPG (eine D&D Variante) nutzt folgende Technik, um Tempo ins Spiel zu bringen:

a) Das Spiel läuft immer in Runden, nicht nur im Kampf.
b) In fast jeder Situation werden "Timer" genutzt: Der SL wirft einen oder mehrere W4, die dann die Runden herunterzählen. Erreicht ein Timer den Wert 0, passiert etwas.

Möchte ich in einer meiner nächsten Runden gerne selbst mal ausprobieren!  ;)
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Buddz am 20.11.2017 | 15:17
Hm, mir kommt gerade so der Gedanke, dass ein wenig mehr "cuteness" der SL erlaubt die härteren Konsequenzen auch wirklich durch zuziehen. Oder umgekehrt, zu viel Realismus birgt durch die Nähe und "Hineinversetzbarkeit" die Gefahr als SL (zu sehr) mit den Spielern zu sympathisieren und dann in letzter Konsequenz die Spieler zu verschonen. Sachen, die man bei Munchkin macht würde man bei Shadowrun, DSA oder Vampire nicht machen.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: KhornedBeef am 20.11.2017 | 15:21
Hm, mir kommt gerade so der Gedanke, dass ein wenig mehr "cuteness" der SL erlaubt die härteren Konsequenzen auch wirklich durch zuziehen. Oder umgekehrt, zu viel Realismus birgt durch die Nähe und "Hineinversetzbarkeit" die Gefahr als SL (zu sehr) mit den Spielern zu sympathisieren und dann in letzter Konsequenz die Spieler zu verschonen. Sachen, die man bei Munchkin macht würde man bei Shadowrun, DSA oder Vampire nicht machen.
Oh ich bin sicher, da haben viele der Mitlesenden so oder so keine Skrupel, mich eingeschlossen.
Aber "Bring sie in Schwierigkeiten" ist ohnehin nicht die Lösung, die auch aus dem Threadstart herauslese.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Buddz am 20.11.2017 | 15:29
Aber "Bring sie in Schwierigkeiten" ist ohnehin nicht die Lösung, die auch aus dem Threadstart herauslese.

Mag sein, der TE müsste sich dahingehend äußern. Aber lass mich mein Statement noch durch die Spielerseite ergänzen: auch als Spieler macht es einen Unterschied ob ich den Ork als missverstandene und sozial benachteiligte Kreatur und Produkt einer unfairen Gesellschaft ansehe oder ob es ein GEGNER! (mit roter Umrandung) ist. Ersteres für mEn zu dem von TE geposteten Dilemma, letzteres zu seiner Wunschvorstellung.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Crimson King am 20.11.2017 | 15:29
Hast Du es schon mit Hexcrawl versucht? Da kann man recht improvisiert sich für einzelne Felder was ausdenken - oder gehe den BtW Weg und lass die Gruppe entscheiden, was sie dort findet.

Du kannst zB einfach ein leeres Hexgitter hernehmen und dort die "Felder" aufdecken, oder Du nimmst eine schöne Karte in passender Größe her und legst ein Hexgitter darüber ...

Es muss nicht gleich Hexcrawl sein, aber der Sandbox-Ansatz würde Antworten auf den allergrößten Teil der Fragen liefern. Lediglich die Frage nach der Relevanz lässt sich nicht so einfach beantworten. Für den sollen die Inhalte Relevanz haben? Welcher Art soll die Relevanz sein?
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Bildpunkt am 20.11.2017 | 20:18

Wie erzeuge ich das Gefühl von weitläufigen offenen Spielwelten?
Wie mache ich meine Spieler neugierig und rege sie zu eigenen Handlungsimpulsen an?
Wie baue ich Inhalte, die weder irrelevant sind, noch Railroading-Epos sein müssen?
Wie schaffe ich es, dass das Spiel so gespielt wird, dass die Regeln es bereichern und unterstützen können?
Woher nehme ich dieses kindliche Gefühl von ewigen Weiten voller geheimnisvoller Orte und spannenden Herausforderungen?
Wie bleibt meine Welt auch ohne Plot-Gleise konsistent, aber auch ansprechend?
Und wie gewöhne ich meinen Spielern ab, dass nur melodramatisch-deepes Charakterspiel "echtes Rollenspiel" sei?

Ich würde gerne mal erleben, dass mit einer aufgebauten Welt interagiert wird, und sich einerseits vorhergesehene unterhaltsame Encounter daraus ergeben, andererseits aber auch eine emergente, nicht-SL-initiierte Eigendynamik innerhalb der Spielwelt entsteht, die jedoch auf den Gegebenheiten von Welt, Setting und Regeln fußt, und nicht mit all dem zugunsten irgend eines drehbuchartigen Plots bricht.


Ich habe solche Tendenzenauch  in meinen Sitzungen als SL festgestellt, liegt aber auch an meiner Vorliebe für geheimnisvolle Plots.
Um dem abzuhelfen habe ich folgende Elemente vorgesehen, ggf helfen die Dir ja zumindest als Inspiration.

- mehr Exploration durch Sandbox/Hexcrawl (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,104206.0.html)
- Es werden mehrere  Plotziele vorgeben, die sich widersprechen, und zwischen denen sich die SC entscheiden sollen (Eine-Nichtentscheidung ist auch eine Entscheidung die Konsequenzen hat), aber keinen Weg festgelegt der gegangen werden muß -> Sandboxelemete müssen deswegen ein bisl mehr vorbereitet werden damit die Sc daran andocken können
- Zeitdruck, getriggerte Ereignisse entweder durch Zeit (am zweiten Tag passiert das)oder wenn SC durch gewisse kumulative Aktionen eine Grenze überschreiten, die Ereignisse auslösen hinter die man nicht mehr zurück kann
- echter Zeitdruck durch Sanduhr am Spieltisch bei Entscheidungen
- Episoden einbauen die von den Regeln her gedacht sind, (zB Verfolgung auf Pferd, Evakuierung brennender Burg etc  welche regeln Eigenschaften können da alle abgerufen werden, ggf gerne mit Spielbrett)
- vielmehr haptische Elemente/Handouts  für die SC die mehr Indizien enthalten die für die eigentliche Story wichtig sind(auch ab und an einen roten Heringe (wenn der SL dieses Karte extra gebastelt muss sich ja wichtig sein)...

etc..

Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: fivebucks am 20.11.2017 | 20:26
Ich mag Hotzenplotzigkeit.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Berta Broken am 20.11.2017 | 22:03
Erstmal vielen Dank für die vielen konstruktiven Antworten! Es wurden ja einige Rückfragen gestellt, daher möchte ich mal antworten soweit ich kann:

Zitat
Hast du mal ein Beispiel, wie das bei dir schief geht?
Ich hatte neulich ein offenes Szenario vorbereitet, in dem ich mir ein Geflecht verschiedenartiger Gilden ausgedacht habe, die sich Einfluss in einem neu besiedelten Landstrich sichern wollen. Die Spielergruppe sollte dabei ihre (selbsterschaffene) Gilde repräsentieren.
Ich hab dann verschiedene Anlaufpunkte für SC-Interaktion eingeplant, also Vertreter der Gilden, die sie kennenlernen können, habe sie Sabotage durch andere Gilden spüren lassen, habe die Möglichkeit aufgezeigt, durch die Eroberung bestimmter Resourcen ihre Machtposition zu stärken etc.
All das blieb ungenutzt, stattdessen wurde im Endeffekt versessen kleinkörnig am eigenen Charakterspiel, am Mitleiden, am moralischen Urteilen, und an der SC-internen Intrigenspinnerei festgebissen. Da kein großer Wert auf das Gildenpolitische Geschehen gelegt wurde, habe ich die dort angedachten Ereignisse ablaufen lassen, die ohne Eingreifen der Helden schnell im Blutbad geendet haben. Die Spieler haben daraufhin angefangen Informationen über die verheerenden Attentate zu sammeln, und um das ganze spätestens dann etwas anzuheizen habe ich sie handwedelnd zu den Hauptverdächtigen der Attentate gemacht. Daraufhin erfolgte dann eine herrschaftskritische Protesthaltung der SCs gegen die "bevormundende Exekutive"... so Dinge, die wenn man PARANOIA spielt vielleicht ganz witzig sein mögen, wenn man in der Soziologie-Vorlesung sitzt vielleicht ganz interessant sind, aber mit Spielwelt und Spielsystem erstmal nichts am Hut haben.

Zitat
Du stellst hier nicht genügend Fakten für Ratschläge zur Verfügung.
Daher:
Welches System? System matters!
Welche Spieler? Spieler mattern auch!
System: Größtenteils Eigenbau, ich würde sagen eine halbwegs gut gelungene Mischung aus Shadowrun und Savage Worlds in Fantasy. Aber ab und an leite ich auch DSA, SaWo, DnD-Ableger und so.
Spieler: Ja das ist schwer zu beschreiben. Wir sind alle mitte/ende 20, teils aus der Informatiker-, teils aus der Geisteswissenschafts-Ecke. Wenn wir uns über Rollenspiel unterhalten (primär über Systembau, damit einhergehend aber auch über gewünschten Spiefluss), wird stets ein proaktiver Spielstil bevorzugt, und da wir uns auch teils mit Videospiele-Design auseinandersetzen sollte eigentlich auch das Bewusstsein über "Zum Spielstil passende Mechanismen" da sein, aber irgendwie schaffen diese ganzen theoretischen Grundlagen es nicht ins Spiel. Dort ist dann gefühlt eher - ich sag mal ganz dreist: pseudokooperatives Charakterspiel der im Prinzip einzige Fokus.


Zitat
Hm, mir kommt gerade so der Gedanke, dass ein wenig mehr "cuteness" der SL erlaubt die härteren Konsequenzen auch wirklich durch zuziehen. Oder umgekehrt, zu viel Realismus birgt durch die Nähe und "Hineinversetzbarkeit" die Gefahr als SL (zu sehr) mit den Spielern zu sympathisieren und dann in letzter Konsequenz die Spieler zu verschonen. Sachen, die man bei Munchkin macht würde man bei Shadowrun, DSA oder Vampire nicht machen.

Zitat
Oh ich bin sicher, da haben viele der Mitlesenden so oder so keine Skrupel, mich eingeschlossen.
Aber "Bring sie in Schwierigkeiten" ist ohnehin nicht die Lösung, die auch aus dem Threadstart herauslese.

Meine "bring sie in Schwierigkeiten"-Versuche (Warhammer 2nd Ashes of Middenheim und Cthuluh) sind meistens durch viel Charakterspiel und wenig Szenariointeraktion entweder zu sachten Seifenopern verkümmert (in den Fällen war das tatsächlich die angesprochene Art von Rücksicht), oder aber sie haben durch Untätigkeit zu TPKs geführt, die zwar konsequent aber im Endeffekt dann auch ziemlich unspaßig waren.

Zitat
Es muss nicht gleich Hexcrawl sein, aber der Sandbox-Ansatz würde Antworten auf den allergrößten Teil der Fragen liefern. Lediglich die Frage nach der Relevanz lässt sich nicht so einfach beantworten. Für den sollen die Inhalte Relevanz haben? Welcher Art soll die Relevanz sein?
Ich bin nicht übermäßig improvisationssicher, weshalb ich ausgearbeitete Szenarien gegenüber Sandboxes vorziehe, aber beides funktioniert ja eher schlecht, wenn die Gruppe sich davon abkapselt. Also ich bräuchte Hooks, die für die Spieler/SCs relevant sind, und gleichzeitig so in die Spielwelt verankert sind, dass man sich nicht abseits der Spielfeld in seinen Charakter reinsteigert.

Zitat
Ich mag Hotzenplotzigkeit.

Banause :P
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Crimson King am 20.11.2017 | 22:48
Erstmal vielen Dank für die vielen konstruktiven Antworten! Es wurden ja einige Rückfragen gestellt, daher möchte ich mal antworten soweit ich kann:
Ich hatte neulich ein offenes Szenario vorbereitet, in dem ich mir ein Geflecht verschiedenartiger Gilden ausgedacht habe, die sich Einfluss in einem neu besiedelten Landstrich sichern wollen. Die Spielergruppe sollte dabei ihre (selbsterschaffene) Gilde repräsentieren.
Ich hab dann verschiedene Anlaufpunkte für SC-Interaktion eingeplant, also Vertreter der Gilden, die sie kennenlernen können, habe sie Sabotage durch andere Gilden spüren lassen, habe die Möglichkeit aufgezeigt, durch die Eroberung bestimmter Resourcen ihre Machtposition zu stärken etc.
All das blieb ungenutzt, stattdessen wurde im Endeffekt versessen kleinkörnig am eigenen Charakterspiel, am Mitleiden, am moralischen Urteilen, und an der SC-internen Intrigenspinnerei festgebissen. Da kein großer Wert auf das Gildenpolitische Geschehen gelegt wurde, habe ich die dort angedachten Ereignisse ablaufen lassen, die ohne Eingreifen der Helden schnell im Blutbad geendet haben. Die Spieler haben daraufhin angefangen Informationen über die verheerenden Attentate zu sammeln, und um das ganze spätestens dann etwas anzuheizen habe ich sie handwedelnd zu den Hauptverdächtigen der Attentate gemacht. Daraufhin erfolgte dann eine herrschaftskritische Protesthaltung der SCs gegen die "bevormundende Exekutive"... so Dinge, die wenn man PARANOIA spielt vielleicht ganz witzig sein mögen, wenn man in der Soziologie-Vorlesung sitzt vielleicht ganz interessant sind, aber mit Spielwelt und Spielsystem erstmal nichts am Hut haben.

Hast du mal daran gedacht, das zu leiten, was die Spieler spielen wollen? Also, wenn sie schon Charakterspiel, moralisches Urteilen und Intrigenspinnen mögen, warum willst du dann explorativ-gamistisches Spiel durchsetzen?
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Grimtooth's Little Sister am 20.11.2017 | 22:54
Ja, sieht so aus als ob das was die Spieler spielen möchten nicht das ist was du leitest.

Die Sache mit den Gilden z.B. bewegt sich wohl zu weit vom Umgang mit ihren Charakteren weg, ist zu abstrakt, fordert zuviel Resourcenkrämerei. Lass sie doch an dieser Stelle in ihrer Gilde (ausser sie haben keine NPC-Mitglieder) doch einen Verräter in den eigenen Reihen suchen, das liegt ihnen vermutlich mehr.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Berta Broken am 20.11.2017 | 23:09
Zitat
Hast du mal daran gedacht, das zu leiten, was die Spieler spielen wollen? Also, wenn sie schon Charakterspiel, moralisches Urteilen und Intrigenspinnen mögen, warum willst du dann explorativ-gamistisches Spiel durchsetzen?

Ja, hab ich auch schon öfter mal gemacht, aber ich hab keinen Spaß dran. Ich hab nichts gegen implizit moralisch relevante Inhalte in Rollenspielsitzungen, aber ich will sie nicht explizit zum Thema machen, mir schmeckt der Abstraktionsgrad einfach nicht.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Crimson King am 20.11.2017 | 23:22
Ja, hab ich auch schon öfter mal gemacht, aber ich hab keinen Spaß dran. Ich hab nichts gegen implizit moralisch relevante Inhalte in Rollenspielsitzungen, aber ich will sie nicht explizit zum Thema machen, mir schmeckt der Abstraktionsgrad einfach nicht.

Dann passt die Gruppe so wohl nicht zusammen.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Berta Broken am 21.11.2017 | 00:20
Dann passt die Gruppe so wohl nicht zusammen.

Würde ich so nicht notwendigerweise sagen, ich glaube durchaus, dass die Spieler auch Spaß am Gamistisch-explorativen Spielstil hätten, wenn sie mal reinfinden würden bzw meine Herangehensweise als SL besser wäre.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: KhornedBeef am 21.11.2017 | 00:33
Tja, sieht nicht gut aus. Natürlich kann man jetzt noch einige Cthulhu-Abenteuer nehmen, bei denen es nicht so um die Überlebenssicherung geht, und mehr um Schaurigkeit. Aber ansonsten ist eure Schnittmenge echt klein.
Interessant ist, dass vorher "proaktiv " besprochen ist und dann nonsense kommt. Siehst du irgendeine Möglichkeit, wo du eine Spieleraktion, die vielleicht so gemeint war, anders interpretiert oder aus Plausibilität vereitelt hast? Was sie dann als Dämpfer wahrgenommen haben könnten?
Ansonsten könnten die Experten hier vielleicht ein paar Sachen vorschlagen, die wesentlich deutlicher bestimmte Reaktionen auf Ereignisse verregeln. Ich denke da an eher narrative Spiele. Fate ist jetzt ein doofes Beispiel, aber wenn da die Gilde als Charakter den Aspekt "Angeschwärzt als Attentäter! " bekommt, dann sieht das System recht offensichtlich vor, den zu überwinden, einfach weil er da liegt. Und das Überwinden selbst ist recht fest definiert. Gleichzeitig ist das zügig abhandelbar, wenn die Spieler keine Charakterspielzeit verlieren wollen.
Allerdings klingt dieses SC vs SC eher nach Spielwiese.  Dann ist man zumindest bei Fate auch nicht so ganz richtig. Aber vielleicht woanders? 
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: ghoul am 21.11.2017 | 09:21
Um auf den Tips meiner Vorredner aufzubauen, die Karten mit verlockenden Orten oder haptische Elemente empfehlen:
Kennst Du das Al-Qadim-Setting (fuer AD&D2)? Da gibt es bunte Karten mit verheissungsvollen Orten, die geradezu nach Erforschungsabenteuern schreien. Das Setting laesst dem Spielleiter genuegend Freiraeume zum Ausfuellen.
Es gibt ein paar Plot-Abenteuer mit interessanten NSCs, es gibt Charakterklassenkonzepte speziell fuer das Setting, wodurch die Interaktion der Spieler mit der Kampagnenwelt quasi vorprogrammiert ist.
Falls das Deine Loesung sein koennte, hier gibt es meine Uebersicht zu den einzelnen Al-Qadim-Boxen und -Buecher:
https://ghoultunnel.wordpress.com/2011/09/21/ghouls-rundreise-durch-zakhara-ein-einkaufsfuhrer-zu-al-qadim/ (https://ghoultunnel.wordpress.com/2011/09/21/ghouls-rundreise-durch-zakhara-ein-einkaufsfuhrer-zu-al-qadim/)
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: 1of3 am 21.11.2017 | 10:20
Zitat
Wie erzeuge ich das Gefühl von weitläufigen offenen Spielwelten?
Wie mache ich meine Spieler neugierig und rege sie zu eigenen Handlungsimpulsen an?
Wie baue ich Inhalte, die weder irrelevant sind, noch Railroading-Epos sein müssen?

Hier gibt es zwei Möglichkeiten:

A) Du bereitest mehr vor als du brauchst. Und du präsentierst den Spieler mehr als sie auf einmal tun können. Das ist was Skyrock meint: Wenn du z.B. eine Karte hast, können die Spieler in mehrere Richtungen laufen. Du kannst ihnen auch mehrere "Auftraggeber" präsentieren. Sei dir bewusst, dass die Spieler nicht alles tun müssen. Auch muss nicht alles abendfüllend sein. Es ist völlig in Ordnung, wenn es gelegentlich - ich sag mal - nur die Katze vom Baum zu holen gibt. Du musst nicht alles im Voraus ausstaffieren. Nur so viel, dass sie mit allem erst mal anfangen können.

B) Du bittest Spieler dir Content zu liefern. Also du fragst: "Wen kennst du hier in der Stadt?" Usw. Du kannst sie auch selber an der Karte mitzeichnen lassen. Oder ihre könnte eine Relationship Map zusammen bauen. - Da du Exploration möchtest, muss es dann natürlich Teile geben, die die Spieler nicht mitgebaut haben. Aber du kannst auf ihren Eingaben aufbauen.


Zitat
Wie schaffe ich es, dass das Spiel so gespielt wird, dass die Regeln es bereichern und unterstützen können?

Kommt auf das Spiel an. Was du auf alle Fälle machen kannst, ist ad hoc kleine Abenteuersysteme einzubauen. Also:

Zitat
Die angreifende Armee hat Stärke 7. Die folgenden Handlungen können eurer Seite Stärke bringen. Probiert möglichst viel davon zu bekommen.
- Die Stadt befestigen (+2).
- Die Elfen rekrutieren (+3).
...
- Natürlich könnt ihr auch eigene Ideen vorbringen.


Aber ansonsten: Wenn du mit deiner Gruppe wirklich nicht harmonierst, dann solltest du überlegen die Gruppe zu tauschen. Wie Crimson King bemerkt: Du wirst sie nicht dazu bringen, völlig andere Sachen zu tun.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Berta Broken am 21.11.2017 | 21:23
Danke nochmals für die neuerlichen Beiträge!

Ich werde mir bis Weihnachten mal Zeit für eine gewissenhafte Vorbereitung nehmen, und wie ihr empfohlen habt Karten, vielfältige offensichtliche "Quests"/"Events", vermutlich mit Timeline schreiben.
 
Zitat
B) Du bittest Spieler dir Content zu liefern. Also du fragst: "Wen kennst du hier in der Stadt?" Usw. Du kannst sie auch selber an der Karte mitzeichnen lassen. Oder ihre könnte eine Relationship Map zusammen bauen. - Da du Exploration möchtest, muss es dann natürlich Teile geben, die die Spieler nicht mitgebaut haben. Aber du kannst auf ihren Eingaben aufbauen.

Vielleicht sollte ich auch einfach die Spieler - sobald das System steht - bitten ihre Charaktere zu bauen, damit ich die Welt auf die Interessen der Charaktere anpassen kann. Wenn für den Charakterhintergrund was dabei rumkommt ist vielleicht mehr intrinsischer Wille da, auf den Content zuzugehen.


Ich werd wohl erstmal damit anfangen, ein passendes System zu schreiben.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Bildpunkt am 21.11.2017 | 21:29
Erstmal vielen Dank für die vielen konstruktiven Antworten! Es wurden ja einige Rückfragen gestellt, daher möchte ich mal antworten soweit ich kann:
Ich hatte neulich ein offenes Szenario vorbereitet, in dem ich mir ein Geflecht verschiedenartiger Gilden ausgedacht habe, die sich Einfluss in einem neu besiedelten Landstrich sichern wollen. Die Spielergruppe sollte dabei ihre (selbsterschaffene) Gilde repräsentieren.
Ich hab dann verschiedene Anlaufpunkte für SC-Interaktion eingeplant, also Vertreter der Gilden, die sie kennenlernen können, habe sie Sabotage durch andere Gilden spüren lassen, habe die Möglichkeit aufgezeigt, durch die Eroberung bestimmter Resourcen ihre Machtposition zu stärken etc.
All das blieb ungenutzt, stattdessen wurde im Endeffekt versessen kleinkörnig am eigenen Charakterspiel, am Mitleiden, am moralischen Urteilen, und an der SC-internen Intrigenspinnerei festgebissen. Da kein großer Wert auf das Gildenpolitische Geschehen gelegt wurde, habe ich die dort angedachten Ereignisse ablaufen lassen, die ohne Eingreifen der Helden schnell im Blutbad geendet haben. Die Spieler haben daraufhin angefangen Informationen über die verheerenden Attentate zu sammeln, und um das ganze spätestens dann etwas anzuheizen habe ich sie handwedelnd zu den Hauptverdächtigen der Attentate gemacht. Daraufhin erfolgte dann eine herrschaftskritische Protesthaltung der SCs gegen die "bevormundende Exekutive"... so Dinge, die wenn man PARANOIA spielt vielleicht ganz witzig sein mögen, wenn man in der Soziologie-

ohje..Du hast handwerklich alles versucht. es liegt nicht bei Dir...um bei der Soziologie zu bleiben: ggf das (Spieler)System irritieren indem Du es überlädst und kleinkörniges Charakterspiel extrem forcierst???
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: KhornedBeef am 21.11.2017 | 21:31
Öh, brenn dich nicht aus, ja? Das klingt als würdest du massiv in Vorleistung gehen ohne dass klar ist ob die Spieler mitziehen. Warum ein eigenes System, wenn es deinen Spielern allem Anschein nach Wurst ist? Nimm etwas mit dem sie zurecht kommen, und klau ein paar Mechaniken woanders, für deinen spezifischen Zweck.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Berta Broken am 22.11.2017 | 00:24
Öh, brenn dich nicht aus, ja? Das klingt als würdest du massiv in Vorleistung gehen ohne dass klar ist ob die Spieler mitziehen. Warum ein eigenes System, wenn es deinen Spielern allem Anschein nach Wurst ist? Nimm etwas mit dem sie zurecht kommen, und klau ein paar Mechaniken woanders, für deinen spezifischen Zweck.

Ich verstehe was du meinst, aber trotz dem charakterspiel-getriebenen Spielstil sind Spielmechaniken in der Gruppe immer ein heissdiskutiertes Thema.
Die meisten Spieler haben durchaus ein Grundverständnis für Spieltheorie und Stochastik und das kommt für den Fall, dass Regeln Anwendung finden auch tatsächlich beim Taktieren zur Anwendung.
Leider führt das bei allzu langatmigen Proben-Orgien (feingranularen Kämpfen) schnell zu Unzufriedenheit, weil es irgendwann mühevoll wird. Ich glaube die Gruppe hätte mehr Spaß an klassischen Action-Encountern, wenn die Spieler einerseits ihre taktische Expertise gefordert sehen, andererseits der Encounter aber auch innerhalb von wenigen Runden erledigt ist, um Spielfluss zu gewährleisten.

Was den Aufwand angeht: Ich habe aber auch schon ein Sammelsrurium an System-Teilen in meinem Hinterkopf von bisherigen System-Fragmenten die ich geschrieben hab, und bin zuversichtlich, dass ich da mit recht großen Schritten vorankomme. Lediglich dort, wo reine Conflict-Resolution sich nicht befriedigend anfühlt (bspw weil es bei Survival-Proben tatsächlich einigen Spielern wichtig ist, welche Tasks im Detail gelingen, oder bei Kampf-Proben, wo man das Gefühl hat, dass ein Wegbstrahieren von Position etc die Kontrolle über gewichtige (taktische wie charakterliche) Entscheidungen raubt) fehlen mir noch ein paar einschlägige Ideen zum Beschleunigen.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Derjayger am 22.11.2017 | 01:34
Ich hatte neulich ein offenes Szenario vorbereitet, in dem ich mir ein Geflecht verschiedenartiger Gilden ausgedacht habe, die sich Einfluss in einem neu besiedelten Landstrich sichern wollen. Die Spielergruppe sollte dabei ihre (selbsterschaffene) Gilde repräsentieren.
Ich hab dann verschiedene Anlaufpunkte für SC-Interaktion eingeplant, also Vertreter der Gilden, die sie kennenlernen können, habe sie Sabotage durch andere Gilden spüren lassen, habe die Möglichkeit aufgezeigt, durch die Eroberung bestimmter Resourcen ihre Machtposition zu stärken etc.
All das blieb ungenutzt, stattdessen wurde im Endeffekt versessen kleinkörnig am eigenen Charakterspiel, am Mitleiden, am moralischen Urteilen, und an der SC-internen Intrigenspinnerei festgebissen. Da kein großer Wert auf das Gildenpolitische Geschehen gelegt wurde, habe ich die dort angedachten Ereignisse ablaufen lassen, die ohne Eingreifen der Helden schnell im Blutbad geendet haben. Die Spieler haben daraufhin angefangen Informationen über die verheerenden Attentate zu sammeln, und um das ganze spätestens dann etwas anzuheizen habe ich sie handwedelnd zu den Hauptverdächtigen der Attentate gemacht. Daraufhin erfolgte dann eine herrschaftskritische Protesthaltung der SCs gegen die "bevormundende Exekutive"... so Dinge, die wenn man PARANOIA spielt vielleicht ganz witzig sein mögen, wenn man in der Soziologie-Vorlesung sitzt vielleicht ganz interessant sind, aber mit Spielwelt und Spielsystem erstmal nichts am Hut haben.

Kenn' ich. Vorher jeden bitten, Motivationen für den Char festzulegen, mit den Gilden zu interagieren und sich 1-3 kurz- und mittelfristige Ziele setzen. Gildeninteraktion als Prämisse vereinbaren. Dann hast Du auch gleich ihr geliebtes Charakterspiel ein bisschen mit drin.

Meine "bring sie in Schwierigkeiten"-Versuche (Warhammer 2nd Ashes of Middenheim und Cthuluh) sind meistens durch viel Charakterspiel und wenig Szenariointeraktion entweder zu sachten Seifenopern verkümmert (in den Fällen war das tatsächlich die angesprochene Art von Rücksicht), oder aber sie haben durch Untätigkeit zu TPKs geführt, die zwar konsequent aber im Endeffekt dann auch ziemlich unspaßig waren.

Wie hast Du ihnen den drohenden TPK angekündigt und wie haben sie darauf reagiert?

Ich bin nicht übermäßig improvisationssicher, weshalb ich ausgearbeitete Szenarien gegenüber Sandboxes vorziehe, aber beides funktioniert ja eher schlecht, wenn die Gruppe sich davon abkapselt. Also ich bräuchte Hooks, die für die Spieler/SCs relevant sind, und gleichzeitig so in die Spielwelt verankert sind, dass man sich nicht abseits der Spielfeld in seinen Charakter reinsteigert.

Du brauchst die richtigen Hooks, aber um die zu bekommen, musst Du erstmal herausfinden, was die Spieler wollen. Das ist ja offenbar bisher nicht ganz klar (trotz Theoriegesprächen), sonst gäbe es kein Problem.

Karten, vielfältige offensichtliche "Quests"/"Events", vermutlich mit Timeline schreiben.

Timelines schaffen es meistens nicht an den Spieltisch und sind deshalb eher schlecht angelegte Vorbereitungszeit. Ich würde eher daran arbeiten, aus kurzen Hooks Abenteuer zu improvisieren. Das geht super "trocken", also ohne die Spieler.

Die meisten Spieler haben durchaus ein Grundverständnis für Spieltheorie und Stochastik und das kommt für den Fall, dass Regeln Anwendung finden auch tatsächlich beim Taktieren zur Anwendung.
Leider führt das bei allzu langatmigen Proben-Orgien (feingranularen Kämpfen) schnell zu Unzufriedenheit, weil es irgendwann mühevoll wird. Ich glaube die Gruppe hätte mehr Spaß an klassischen Action-Encountern, wenn die Spieler einerseits ihre taktische Expertise gefordert sehen, andererseits der Encounter aber auch innerhalb von wenigen Runden erledigt ist, um Spielfluss zu gewährleisten.

Ideale Voraussetzungen für großlächigere Taktik wie von 1of3 beschrieben Abenteuersystemen statt kleinkariertem HP-Gekloppe.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Settembrini am 22.11.2017 | 06:43
Ich weiß nicht wieviel ernses Interesse im OP steckt, aber:

Zitat
Wie erzeuge ich das Gefühl von weitläufigen offenen Spielwelten?
Wie mache ich meine Spieler neugierig und rege sie zu eigenen Handlungsimpulsen an?
Wie baue ich Inhalte, die weder irrelevant sind, noch Railroading-Epos sein müssen?
Wie schaffe ich es, dass das Spiel so gespielt wird, dass die Regeln es bereichern und unterstützen können?
Woher nehme ich dieses kindliche Gefühl von ewigen Weiten voller geheimnisvoller Orte und spannenden Herausforderungen?
Wie bleibt meine Welt auch ohne Plot-Gleise konsistent, aber auch ansprechend?
Und wie gewöhne ich meinen Spielern ab, dass nur melodramatisch-deepes Charakterspiel "echtes Rollenspiel" sei?

Du kannst mal prüfen, wie weit Du mit
a) Karten, detaillierten Karten, inspirierenden Karten, In-Welt-Karten kommst.
b) Dungeons. Habe einen guten Freund und Spieler, der seit Jahrzehnten total melo-dramatisch unterwegs ist, der kann immer nur jeweils eine Figur (d.h. nie mehrere) spielen, und der method-acted alles aus. Etwas erreichen ist im vor allem wichtig als Bühne für die Darstellung der Gefühle und mrolaischen Handlungen der jeweiligen Personnage. Im Dungeon aber, war er schnell bei indirekter Rede und im Abenteuerspielplatzmodus, hier sein testimonial:

https://hofrat.rsp-blogs.de/2017/02/21/deep-carbon-observatory-chasing-the-dragon/

Was nicht heißt das das nur so geht und daß Du nur noch mit viel Verräumlichung und Dungeons spiuelen sollst. Aber es ist ein ziemlich sicherer Weg. Wen man erstmal da ist, dann kann man auch wieder aus dem Dungeon rausklettern. Weil die Spielwelt dann anders aussieht, aus Spieleraugen.
Im Hintergrund läuft die Rückkopplung:
Wenn Du als Spielleiter nicht logistisch arbeitest, dann tun die Spieler es auch nicht. Wenn Problemlösung immer nur auf moralischer Ebene läuft, dann ist das bei den Spiuelern auch so. usw. usf.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: alexandro am 22.11.2017 | 06:50
Wenn Du als Spielleiter nicht logistisch arbeitest, dann tun die Spieler es auch nicht. Wenn Problemlösung immer nur auf moralischer Ebene läuft, dann ist das bei den Spiuelern auch so. usw. usf.

Da habe ich komplett gegenteilige Erfahrungen gemacht (und bin offensichtlich nicht der einzige, wenn man sich die Tropen aus dem RPG-Bereich so anschaut).
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Crimson King am 22.11.2017 | 09:11
Da habe ich komplett gegenteilige Erfahrungen gemacht (und bin offensichtlich nicht der einzige, wenn man sich die Tropen aus dem RPG-Bereich so anschaut).

das kann man sogar problemlos verallgemeinern. Man kann als SL Angebote machen, und die meisten Spieler werden darauf eingehen, insbesondere wenn vorher entsprechende Absprachen getroffen wurden. Wenn die Spieler aber partout ein anderes Spiel spielen wollen, als das, was die SL im Sinn hat, kann man sie nur mit der der SL-Sonderrolle üblicherweise innewohnenden Macht daran hindern. Und das führt praktisch immer zu Unfrieden.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Settembrini am 22.11.2017 | 09:12
Ja [wenn die Spieler nicht logistisch arbeiten wollen, dann tun sie es nicht], aber: wenn der SL nicht logistisch arbeitet, dann KÖNNEN die Spieler es ja gar nicht.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Viral am 22.11.2017 | 09:19
das kann man sogar problemlos verallgemeinern. Man kann als SL Angebote machen, und die meisten Spieler werden darauf eingehen, insbesondere wenn vorher entsprechende Absprachen getroffen wurden. Wenn die Spieler aber partout ein anderes Spiel spielen wollen, als das, was die SL im Sinn hat, kann man sie nur mit der der SL-Sonderrolle üblicherweise innewohnenden Macht daran hindern. Und das führt praktisch immer zu Unfrieden.

genau deshalb sollte man ganz klar vorher sagen, wie die Runde läuft. Ich leite zwei Runden die sehr unterschiedlich sind eine explorativ mit viel Logistik, eine zweite Storytelling wenig explorativ und so gut wie gar nicht logistisch.

Zum Thema: Wollen deine Spieler explorativ mit Logistik, dann biete Ihnen hierfür Möglichkeiten an. Wenn nicht, dann eben nicht. Im "Notfall" miteinander reden um die Eckpunkte und Erwartungen zu klären.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Settembrini am 22.11.2017 | 11:01
Naja, viele Spieler kennen das ja gar nicht. Da helfen Karten und Dungeons.
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: alexandro am 22.11.2017 | 15:02
Ja [wenn die Spieler nicht logistisch arbeiten wollen, dann tun sie es nicht], aber: wenn der SL nicht logistisch arbeitet, dann KÖNNEN die Spieler es ja gar nicht.

Barbiespiel und Ausrüstungsp0rn basieren eben auf diesem Prinzip. Wo muss der SL da logistisch arbeiten?

Zudem ein Großteil der logistischen Arbeit des SLs ohnehin nicht bei den Spielern ankommt, da die meisten Systeme (D&D und Traveller eingeschlossen) nur unterentwickelte Werkzeuge zur Visualisierung derselben besitzen, wenn überhaupt.

Und, um das nicht unter den Tisch fallen zu lassen:
Zitat
Wenn Problemlösung immer nur auf moralischer Ebene läuft, dann ist das bei den Spiuelern auch so.
SL: "Die machen euch ein Angebot, das ganze einvernehmlich zu lösen, welches ziemlich attraktiv ist, aber auch Zugeständnisse von eurer Seite erfordert. Wenn ihr nicht darauf eingeht, drohen sie euch Konsequenzen an, welche Unbeteiligte betreffen (und ihr wisst, dass sie die Möglichkeiten dazu haben und ihr nur geringe Chancen habt dass zu verhindern)."
Spieler: "Egal, wir hauen sie trotzdem um."
Titel: Re: Explorativ-Gamistische Grundstimmung schaffen.
Beitrag von: Crimson King am 22.11.2017 | 15:25
Ja [wenn die Spieler nicht logistisch arbeiten wollen, dann tun sie es nicht], aber: wenn der SL nicht logistisch arbeitet, dann KÖNNEN die Spieler es ja gar nicht.

Sie können es zumindest einfordern. Das scheint ja hier nicht zu geschehen.

Die von dir propagierte Spielweise dürfte den Teilnehmern ja bekannt sein, da sie nicht nur die ursprüngliche ist, sondern auch in vielen Computerspielen zur Anwendung kommt, wo Karten, konkrete Ausrüstungslisten und vergleichbare Dinge fast immer eine bedeutende Rolle spielen. Insofern darf man glaube ich annehmen, dass die Spieler an den logistischen Aspekten des Spiels wenig Interesse haben.