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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspiel- & Weltenbau => Thema gestartet von: Sashael am 13.12.2017 | 12:31

Titel: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Sashael am 13.12.2017 | 12:31
Ich komme häufig an das gleiche Problem, wenn ich Beschreibungen von Dörfern und Städten in Fantasysettings lese:
Die Einwohnerzahlen sind nahe am Lächerlichen. Und zwar nach unten hin.
Der aktuellste Anlass war jetzt der Städtebauer im DS-Kalender, bei dem dann gesagt wird, der Autor hätte nicht so Wert auf irdischen Realismus gelegt.

Aber das hat ja gar nichts mit irdischem Realismus zu tun. Zum Einen gibt es eine Definition von "Stadt" und eine Reihe Faktoren, die eine Siedlung zu einer Stadt machen. Diese Faktoren können mit z.B. 250 Leuten (angeblich Kleinstadt) nicht mal im Ansatz erfüllt werden. Rein faktisch IST das dann einfach keine Stadt.
Wichtiger jedoch sind Bilder. Wenn mir jemand was von einer Kleinstadt erzählt, habe ich auf gar keinen Fall SOWAS im Kopf:
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

DAS ist ein Dorf, mit 350 Einwohnern, also bereits 100 Leute mehr, als die angebliche Kleinstadt.
Die "Metropole" im Städtebauer kann maximal 7.000 Einwohner haben. Das ist ein Witz. Bereits 100 A.D. gabs Städte mit mehreren 100k Einwohnern und Rom hatte zu dem Zeitpunkt rund ne Million Menschen in seinen Mauern. Und an Bilder zu diesen Städten denke ich, wenn jemand in einem mittelalterlichen Setting eine Stadt, Großstadt oder Metropole beschreibt.

Jetzt könnte man einwerfen, naja, Fanprojekt, kostenlos, ist doch egal, WENN das nicht in nahezu dem gleichen Umfang auch in sehr offiziellen Publikationen auftreten würde.

Ich frage mich, wieso die Einwohnerzahlen von mittelalterlichen und antiken Städten immer so maßlos unterschätzt werden. Dabei führt eine 1 minütige Recherche bereits Dutzende Riesenstädte im Altertum zu tage.

Woran liegt das?
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: trendyhanky am 13.12.2017 | 12:34
Kann ich jetzt für die meistens Settings nicht bestätigen

Negativ auffällig war zB Aventurien mit seinen Großstädten

Scheint tatsächlich ein Problem deines DS-Spiels zu sein
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Supersöldner am 13.12.2017 | 12:35
Gute Frage .
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Infernal Teddy am 13.12.2017 | 12:36
Hinweis: Im Mittelalter sind die Städte deutlich kleiner als zu 100 AD...
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: KhornedBeef am 13.12.2017 | 12:46
Ich habe mal die 1-Minuten-Terrine-Recherche gemacht, bei leben-im-mittelalter.de :
"Deutsches Reich

Gegen Ende des Spätmittelalters existierten in Deutschland etwa 3500 Städte, die im Vergleich mit antiken Städten relativ klein waren. 90 bis 95 Prozent der Städte zählten zu den Zwerg- (bis 500 Einwohner) und Kleinstädten (bis 2000 Einwohner). Der Rest verteilt sich auf kleine Mittelstädte mit 2000 bis 10.000 Einwohnern, große Mittelstädte mit bis zu 20.000 Einwohnern und die wenigen Städte, die mit mehr als 20.000 Einwohnern die Großstädte bildeten. Die Städte, die eine Einwohnerzahl jenseits der 50.000 erreichten und zu den Weltstädten des Mittelalters gezählt werden können, lagen alle in anderen europäischen Ländern.

Also, das Dorf mit 350 Seelen könnte eine Stadt sein. Z.B. wenn sie für einen bestimmten Zweck gegründet wurde, die das Stadtrecht begründet.
Aber das Bild von dem Dorf oben würde flächenmäßig im Mittelalter eine deutlich größere Stadt wiedergeben. Damals hatte nicht jeder 2-Personen-Haushalt 110qm mit Flatscreen und Whirlpool, Sharon.
(bitte nicht persönlich nehmen, der spitze Ton ist für den Effekt ;) )

Edit: Davon abgesehen stimme ich völlig zu, das passt vor allem auch mit den ganzen Konflikten und Supermagiern nicht zusammen.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: +12vsMentalDamage am 13.12.2017 | 12:50
Stimmt, das ist eine Sache, an der nicht allein Aventurien ein wenig krankt.

Aber wenn sich die jeweiligen Autoren an der Geschichet orientieren, dann liegen sie für das Mittelalter gar nicht falsch, denn da hat die Definition Stadt nichts mit der Einwohnerzahl zu tun. Und im Mittelalter waren auch die Großstädte eher klein; auf 100.000 Einwohner kommt dabei kaum eine Stadt in Europa.

Wenn sich also "die Fantasy-Autoren" an mittelalterlichen Zahlen orienterien, passt das eigentlich

Edit: KhornedBeef hat es besser beantwortet und war schneller
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Pyromancer am 13.12.2017 | 12:52
DAS ist ein Dorf, mit 350 Einwohnern, also bereits 100 Leute mehr, als die angebliche Kleinstadt.
Die "Metropole" im Städtebauer kann maximal 7.000 Einwohner haben. Das ist ein Witz. Bereits 100 A.D. gabs Städte mit mehreren 100k Einwohnern und Rom hatte zu dem Zeitpunkt rund ne Million Menschen in seinen Mauern. Und an Bilder zu diesen Städten denke ich, wenn jemand in einem mittelalterlichen Setting eine Stadt, Großstadt oder Metropole beschreibt.

Jetzt könnte man einwerfen, naja, Fanprojekt, kostenlos, ist doch egal, WENN das nicht in nahezu dem gleichen Umfang auch in sehr offiziellen Publikationen auftreten würde.

Ich frage mich, wieso die Einwohnerzahlen von mittelalterlichen und antiken Städten immer so maßlos unterschätzt werden. Dabei führt eine 1 minütige Recherche bereits Dutzende Riesenstädte im Altertum zu tage.

Woran liegt das?

Für eine vor-neuzeitliche Millionenstadt brauchst du ein Imperium. Rom hat aus 1000 Kilometer Umkreis Nahrung importiert. Das bedeutet aber im Umkehrschluss: In diesem Einzugsbereich kann es keine zweite Millionenstadt geben. Diese Großstädte MÜSSEN deswegen die Ausnahme sein, und nicht die Regel. Mit guter Organisation und fruchtbaren Böden können "normale" Großstädte aber schon zehntausende Einwohner haben, und da darf man meiner Meinung nach dann auch gerne "Metropole" dazu sagen.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Der Nârr am 13.12.2017 | 12:53
Ich komme häufig an das gleiche Problem, wenn ich Beschreibungen von Dörfern und Städten in Fantasysettings lese:
Die Einwohnerzahlen sind nahe am Lächerlichen. Und zwar nach unten hin.
Meiner Meinung nach gibt es dafür drei Gründe:

1. Der Autor kennt sich nicht aus und orientiert sich an nicht realen Vorbildern, wie z.B. anderen Rollenspielen, statt an Original-Quellen.
2. Kleine Orte sollen ein bestimmtes Flair unterstützen. Das kann etwa sein wie in alten Märchenfilmen (ein König gebietet über eine Burg mit 5 Häusern und drum herum ist Wildnis) oder auch ein Frontier-Setting, das sehr feindselig ist und keine größeren Orte erlaubt etc.
3. Große Orte werden als schwer zu leiten betrachtet, kleine Orte leichter darstellbar. Das gilt auch bei den Beschreibungen: 5 Häuser sind schneller beschrieben als 500.

Wo schon DSA erwähnt wurde, spannend wird es dann noch, wenn man sich die Stadtkarten anschaut, mit der Einwohnerzahl vergleicht und die Bevölkerungsdichte mit einbezieht. Ich hatte dazu auch mal gebloggt: http://buntesrollenspiel.blogspot.de/2014/09/das-domesday-book-und-die-stadte-des.html und auch ein paar andere Städte einbezogen.

Meines Erachtens fehlt vielen Spielern und Autoren ein Verhältnis für Größen und es fehlen die Hilfslinien, Richtlinien und Werkzeuge, mit großen Städten umzugehen. Und wenn man eine große Stadt hat muss man mal ehrlich sagen, dass man die wichtigen Sehenswürdigkeiten auch in 1-2 Tagen abklappern kann.

Noch interessanter wird es bei Settings hinsichtlich der allgemeinen Besiedlungsdichte. Bei Fantasy-Reichen die seit 1000 Jahren und mehr bestehen sollte man erwarten, dass die dicht besiedelt sind, also dass man in landwirtschaftlich gut geeigneten Länder (also Länder die in ihrer Geographie Deutschland oder Frankreich ähneln) alle paar Kilometer auf ein Dorf stößt. Aber irgendwie würfelt man stattdessen auf Zufallsmonster :P.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Vargy72 am 13.12.2017 | 12:54
Tja, man kann halt nicht heute mit damals vergleichen.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Feuersänger am 13.12.2017 | 13:00
Das Phänomen ist bekannt.

Zu den extrem entvölkerten Settings zählen beispielsweise : Mittelerde, Aventurien, 2E Forgotten Realms
Das "Gesetz der kleinen Zahlen" zieht sich ja dann entsprechend auch zum Militär durch, weshalb man es dann mit 50-Mann-Kompanien und 200-Mann-Bataillonen zu tun hat usw.

Hypothese 1: die Einwohnerzahlen sind so niedrig, weil sich der Mensch große Zahlen sehr schlecht vorstellen kann.

Hypothese 2: die Zahlen sind so klein, damit der Einzelne, also der Held, nicht völlig in einer riesigen, gesichtslosen Masse untergeht bzw von ihr überschwemmt wird.
Dass ein einzelner Ritter sich außerordentlich hervortut, wenn 6.000 auf 10.000 Truppen treffen, das kann man sich gut vorstellen. Aber wo ist die Relevanz, wenn 100.000 auf 150.000 Kämpfer treffen, oder gar Millionen? Dann ist man zwangsläufig nur einer von Vielen. Selbst wenn man zu den Top 0,01% gehört, wäre man im 100-Millionenvolk doch nur einer von 10.000 Siegfrieds / Raidris / Eomers.

Ich hab das Problem ein bißchen bei meinem Heartbreaker-Fantasysetting, weil der Kerngedanke da eben mal nicht "...in den Ruinen einer niedergegangenen Hochkultur" sein soll sondern "ebendiese Hochkultur in der Blüte ihrer Jahre". Da habe ich ein Großreich à la Byzanz mit zig Millionen Einwohnern und einem Berufsheer aus ca 100.000 Elitekriegern. Die SCs passen da gut rein -- aber stechen dafür nicht besonders heraus. Wirklich aufgelöst habe ich dieses Problem bisher nicht.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Sashael am 13.12.2017 | 13:03
Hier nochmal ein Link auf die Einwohnerzahlen 100 A.D., weil hier schon wieder mit "Heute ist nicht damals" und "Große Städte sind nicht so ohne weiteres zu unterhalten" argumentiert wird:
*Behold the Giant Cities 100 A.D.!* (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_gr%C3%B6%C3%9Ften_St%C3%A4dte_der_Welt_(historisch)#Gr%C3%B6%C3%9Fte_St%C3%A4dte_der_Welt_um_das_Jahr_100)
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Quaint am 13.12.2017 | 13:04
Naja, so krass habe ich das nie empfunden. Aber vielleicht spiele ich dafür auch die falschen Sachen. Waterdeep in den Forgotten Realms beispielsweise fand ich fast ein bißchen zu groß.

Bei Aventurien muss man halt noch dazu sagen, dass es relativ klein ist von der Gesamtfläche her, da hat man dann natürlich auch nicht soviele Megastädte.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: aingeasil am 13.12.2017 | 13:08
nur mal so am Rande - Heidelberg hatte im Spätmittelalter (Ende 15. Jahrhundert) mit ca. 5300 Einwohnern weniger Einwohner als mein derzeitiger Wohnort (Gemeinde, keine Stadt!). Und wenn man die größten deutschen Städte in Wikipedia sucht, dann sind die mittelalterlichen Zahlen für heutige Verhältnisse auch nur Kleinstädte.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: KhornedBeef am 13.12.2017 | 13:14
Hier nochmal ein Link auf die Einwohnerzahlen 100 A.D., weil hier schon wieder mit "Heute ist nicht damals" und "Große Städte sind nicht so ohne weiteres zu unterhalten" argumentiert wird:
*Behold the Giant Cities 100 A.D.!* (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_gr%C3%B6%C3%9Ften_St%C3%A4dte_der_Welt_(historisch)#Gr%C3%B6%C3%9Fte_St%C3%A4dte_der_Welt_um_das_Jahr_100)
Coole Übersicht. Man bemerke übrigens, wie um 100 Rom 11 von 15 Plätzen hält, 3 in Europa, und um 1000 (also Mittelalter, glaube ich) gar nichts mehr in Europa über 100000 liegt. Da gab es auf jeden Fall einen Rückschritt, und dann muss man den jeweiligen Background der Autoren betrachten und an wessen Schriften die sich orientieren. Kein Wunder :)
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Sashael am 13.12.2017 | 13:19
Und wenn man die größten deutschen Städte in Wikipedia sucht, dann sind die mittelalterlichen Zahlen für heutige Verhältnisse auch nur Kleinstädte.
Kölln - 1430 - 40.000 pax
Trier - 1363 - 10.000 pax (hat stark abgenommen bis dahin)
Nürnberg - 1485 - 36.000 pax
Hamburg - 1430 - 16.000 pax
usw.

Wenn ich mir dann ansehe, dass die "Großstädte" in diversen Setting nicht mal an die 9k pax kommen (im DS-Kalender liegt die maximale Einwohnerzahl der "Metropole" übrigens bei rund 7k pax), dann passen die kolportierten Bilder von überfüllten Straßen und Gassen, dicht besuchten Märkten und breiten Alleen, auf denen die Herrscher ihre Prunkparaden abhalten, überhaupt nicht mehr zu den logisch überhaupt möglichen Menschenaufläufen. ;)
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Feuersänger am 13.12.2017 | 13:20
Bei Aventurien muss man halt noch dazu sagen, dass es relativ klein ist von der Gesamtfläche her, da hat man dann natürlich auch nicht soviele Megastädte.

Aber Aventurien ist nicht nur lediglich so klitzeklein wie ein Bierfilzchen, es hat _obendrein_ auch noch eine extrem niedrige Bevölkerungsdichte. Soweit ich mich erinnere, hat etwa das Mittelreich sagenhafte _4_ Ew/km², und zwar auf seinem Höhepunkt _vor_ Borbels Rückkehr. Der Landstrich mit der höchsten Bevölkerungsdichte, das LF, liegt mit 15/km² immer noch weit unter jeglichen historischen Durchschnittswerten.
[Ich beziehe mich auf die Zahlen aus DLdSA und dergleichen, die eben offiziell waren als ich mich noch mit DSA befasst habe - vor ca 20 Jahren.]
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Vargy72 am 13.12.2017 | 13:29
Wenn schon kleinteilig Diskutiert wird.
Also geht es bei DS um mittelalterische Städte oder Antike, denn auch da gibt es beträchtiliche Größen Unterschiede.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Anro am 13.12.2017 | 13:29
Ich glaube, es gibt in Worldbuilderkreisen folgende Grundgedanken von diesem S. John Ross:
http://www222.pair.com/sjohn/blueroom/demog.htm (http://www222.pair.com/sjohn/blueroom/demog.htm)
Ich glaube, das hat eine semi-wissenschaftliche Dichte, oder zumindest etwas GruppenKonsens.

Hier ist ein Städtegenerator, der darauf aufbaut (Siehe Link unten).
https://donjon.bin.sh/fantasy/demographics/ (https://donjon.bin.sh/fantasy/demographics/)

edit:
Ich nehme das mit der semi-Wissenschaftlichkeit zurück. Ist wohl nur ein enthusiast und der Artikel wurde schon öfter verlinkt. Schienen viele von überzeugt zu sein, ich mag nur die Gedanken und spiele gerne mit dem Generator rum.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: bobibob bobsen am 13.12.2017 | 13:40
Zitat
Woran liegt das?

Nur eine Vermutung: Kleine Städte erleichtern der SL das ausarbeiten. Schon ein Stdtplan von einer Millionenmetropole würde mich überfordern. Macht auch für die Mitspieler vieles einfacher. Der Besuch eines Freundes auf der andern Seite einer Milionenmetropole dauert wohl mehr als einen ganzen Tag. In Hamburg wären das im Extremfall 40 km und im mittelalter wäre die Stadt aufgrund ihrer bauweise wohl noch deutlich großflächiger.
In kleinen Städten kommt schneller ein Gefühl des "Vertraut sein" auf.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: KhornedBeef am 13.12.2017 | 13:47
Thema vertraut: Das kann man natürlich auch über Kiezbildung hinbekommen. Und zwischen "Freund auf der anderen Seite der Megastadt" und "Freund in der nächsten Stadt" gibt es keinen großen Unterschied, bloß die Szenerie unterwegs ist anders. Kann also sein, dass das mal Begründung war, ist aber irgendwie faul.
So wenig wie man jetzt selbst für Aventurien jeden Feldweg aufzeichnet, so wenig muss man jedes Mietshaus in Rom skizzieren.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Grey am 13.12.2017 | 13:49
Ich habe mal die 1-Minuten-Terrine-Recherche gemacht, bei leben-im-mittelalter.de :
"Deutsches Reich

Gegen Ende des Spätmittelalters existierten in Deutschland etwa 3500 Städte, die im Vergleich mit antiken Städten relativ klein waren. 90 bis 95 Prozent der Städte zählten zu den Zwerg- (bis 500 Einwohner) und Kleinstädten (bis 2000 Einwohner). Der Rest verteilt sich auf kleine Mittelstädte mit 2000 bis 10.000 Einwohnern, große Mittelstädte mit bis zu 20.000 Einwohnern und die wenigen Städte, die mit mehr als 20.000 Einwohnern die Großstädte bildeten. Die Städte, die eine Einwohnerzahl jenseits der 50.000 erreichten und zu den Weltstädten des Mittelalters gezählt werden können, lagen alle in anderen europäischen Ländern.

Dank an Khorned Beef für dieses Sück Recherche! :d
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: nobody@home am 13.12.2017 | 13:54
Zum Teil mag's daran liegen, daß viele ihre Ideen in Bezug auf die Größe von Fantasystädten zumindest mit aus Film und Fernsehen beziehen -- und da setzen dann Setgröße und Anzahl der verfügbaren Schauspieler natürliche Grenzen, die tatsächliche Siedlungen so in der Regel nicht haben.

(Umgekehrt kann man natürlich argumentieren, daß es ab einer bestimmten Kopfzahl auf die genaue Stärke der örtlichen Bevölkerung eh nicht mehr so sehr ankommt, weil die SC ohnehin nie alle treffen werden. "Hier ist 'ne Metropole mit zweihunderttausend Bewohnern...von denen im Lauf unserer Kampagne, die hauptsächlich hier spielt, vielleicht drei oder vier Dutzend so wichtig sein werden, daß wir sie uns länger als für die Dauer eines einzigen Abenteuers namentlich merken müssen.")
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Maischen am 13.12.2017 | 13:56
Ich glaube, dass sich kleine Orte besser für das Rollenspiel eignen. Es bleibt überschaubar und kann trotzdem alles geben, was der Spielleiter und die Spieler in einem Ort vorfinden wollen. Irgendwann wäre eine Stadt ansonsten halt so groß wie eine ganze Rolllenspielwelt - und dann wäre der Spielansatz ggf. ein anderer, zB ein immer fortdauerndes Erkunden und Entwickeln der Stadt. Das passt wohl nicht dem Mainstream . . .
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: bobibob bobsen am 13.12.2017 | 13:57
Zitat
So wenig wie man jetzt selbst für Aventurien jeden Feldweg aufzeichnet, so wenig muss man jedes Mietshaus in Rom skizzieren.

Gibt aber wohl Leute die das gern machen. Auch wenn ich mich nicht dazu zähle.
Wenn ich also ein setting Plane erlaube ich das dieser Gruppe ohne der anderen was weg zu nehmen. Umgekehrt geht das halt nicht.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Arldwulf am 13.12.2017 | 13:59
Was sind denn überhaupt die größten angegebenen Bevölkerungszahlen in den einzelnen Settings? In den vergessenen Reichen kommt man durchaus schon in den Bereich 6 bis 7-stelliger Bevölkerungen für die größten Städte.

Generell sehe ich das Hauptproblem aber eher bei der Anzahl Städte, nicht ihrer Größe.

Die Distanz zwischen zwei Städten auf typischen Rollenspielkarten ist mehrere Tagesreisen, erwartbar wäre eigentlich eine Reisezeit von einigen (eher wenigen) Stunden. Gerade dann wenn die Einwohner eher auf viele kleine Städte verteilt sind als auf ein großes Zentrum sollten die Abstände geringer sein.

Liegt aber auch daran, dass häufig Weltkarten verwendet werden - und dabei große Lücken entstehen.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Pyromancer am 13.12.2017 | 14:00
Hier nochmal ein Link auf die Einwohnerzahlen 100 A.D., weil hier schon wieder mit "Heute ist nicht damals" und "Große Städte sind nicht so ohne weiteres zu unterhalten" argumentiert wird:
*Behold the Giant Cities 100 A.D.!* (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_gr%C3%B6%C3%9Ften_St%C3%A4dte_der_Welt_(historisch)#Gr%C3%B6%C3%9Fte_St%C3%A4dte_der_Welt_um_das_Jahr_100)

Ja. Das unterstreicht das doch. Nur große Imperien haben große Städte, weil nur große Imperien die Logistik gestemmt kriegen. Das muss man beim Weltenbau bedenken, und viele Weltenbauer machen das auch richtig. Mir ist da zumindest nie ein Trend aufgefallen, dass alle Fantasy-Settings zu kleine Städte hätten. Bei Midgard und Warhammer z.B. erschienen mir das immer gut getroffen.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: KhornedBeef am 13.12.2017 | 14:05
Ich glaube, dass sich kleine Orte besser für das Rollenspiel eignen. Es bleibt überschaubar und kann trotzdem alles geben, was der Spielleiter und die Spieler in einem Ort vorfinden wollen. Irgendwann wäre eine Stadt ansonsten halt so groß wie eine ganze Rolllenspielwelt - und dann wäre der Spielansatz ggf. ein anderer, zB ein immer fortdauerndes Erkunden und Entwickeln der Stadt. Das passt wohl nicht dem Mainstream . . .
Hm. Wieso? Also mal ganz unvoreingenommen gefragt. Auch die Leute in den antiken Megastädten haben ja irgendwie ihr Leben überschaut. Vermutlich, indem sie den Großteil ihrer Stadt nie gesehen haben. UNd "Fortlaufendes Erkunden und Entwickeln" ja, klingt gut. Sehe keine Unterschied zwischen "Megapolis" und einer dicht besiedelten Grafschaft Pusemuckel.
Der Haken ist halt dass man unter Umständen mehr Improvisieren muss, weil da implizit etwas ist unterwegs. Auf einem Weg durch die Stadt kann ein Spieler sagen "Ich hüpfe inden nächsten Ramen-Stand un jongliere Suppenschüsseln!". Auf dem Weg übers Land geht man halt davon aus, dass da nur ein paar Bäume und Felsen sind...
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Crimson King am 13.12.2017 | 14:14
Hier nochmal ein Link auf die Einwohnerzahlen 100 A.D., weil hier schon wieder mit "Heute ist nicht damals" und "Große Städte sind nicht so ohne weiteres zu unterhalten" argumentiert wird:
*Behold the Giant Cities 100 A.D.!* (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_gr%C3%B6%C3%9Ften_St%C3%A4dte_der_Welt_(historisch)#Gr%C3%B6%C3%9Fte_St%C3%A4dte_der_Welt_um_das_Jahr_100)

Du kannst in der 1000 AD-Tabelle darunter aber auch gut sehen, dass es 900 Jahre später in Europa keine Stadt mit über 100.000 Einwohnern gab.

Die Bevölkerungsdichte korrelliert stark mit dem Maß an Kontrolle durch eine militärisch starke Zentralmacht und die für die Kontrolle notwendige Infrastruktur. Ist diese nicht gegeben und sind die durch Zivilisation erschlossenen und kontrollierten Gebiete entsprechend klein, können große Städte nicht versorgt werden.

Spiele, die sich das europäische Mittelalter als Vorbild nehmen, dürfen deshalb realistischerweise von Aventurien-typischen Zwergstädten mit ein paar größeren Städten dazwischen ausgehen, ggf etwas dichter als im aventurischen Setting. Points of Light-Konzepte bedingen aber im Grunde genommen eine noch geringere Bevölkerungsdichte. Schließlich hatte das europäische Mittelalter keine marodierenden Ork-Banden, Drachen etc. Auch Aventurien hat Landstriche, in denen kein Mensch lebt. Zählt man dagegen Orks, Goblins, Oger und andere Spezies mit grundlegenden kulturschaffenden Fähigkeiten hinzu, sieht es ggf. ein bisschen anders aus.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: CK am 13.12.2017 | 14:17
Der aktuellste Anlass war jetzt der Städtebauer im DS-Kalender, bei dem dann gesagt wird, der Autor hätte nicht so Wert auf irdischen Realismus gelegt.

Aber das hat ja gar nichts mit irdischem Realismus zu tun. Zum Einen gibt es eine Definition von "Stadt" und eine Reihe Faktoren, die eine Siedlung zu einer Stadt machen. Diese Faktoren können mit z.B. 250 Leuten (angeblich Kleinstadt) nicht mal im Ansatz erfüllt werden. Rein faktisch IST das dann einfach keine Stadt.

Also hierzu muss ich sagen, dass habe ICH behauptet, ich bin aber nicht der Autor des Stadtbaukastens.
War also nur eine Vermutung meinerseits.

Was irgendwelche Definitionsstandards behaupten ist da auch gar nicht der Punkt:
Es geht hier um ein 4free-Give-a-away, da muss man nicht zu viel reininterpretieren, problematisieren und durchdiskutieren mMn.
Mir ist klar, dass das jeder anders sieht und das Städte laut Lehrbuch erst ab Größe X anfangen, aber lasst doch die Leute einfach ihre Gratissachen anbieten ohne kommerzielle Standards darauf anzuwenden und so krampfig an die zweitschönste Nebensache zu gehen ;)
Wer mehr Einwohner für sinnvoll hält, haut halt den Faktor x10 oder x100 rein - ist doch an sich aber erstmal scheissegal.

@topic:
Ich selbst habe mich bezüglich der Größe Caeras recht ausführlich mal dazu geäußert, warum ich Realismus nicht für so förderlich in dieser Hinsicht halte - Fakten und Definitionen unserer Welt sind mir da recht latte, für das Rollenspiel messe ich schon lange mit gaaaaanz anderem Maaß, bei solch einer kleinen Welt ähnlich wie bei nem "Disney"film (was nicht heisst, dass es nicht auch viel ernsthaftere Setting- und Runden-Ansätze gibt).

"Wer die Maße Caeras mit unserer eigenen Welt vergleicht, wird feststellen, dass die Länder rund um die Innersee weitaus kleiner ausfallen und man innerhalb weniger Tagesmärsche die Klimazonen wechseln kann. Zwar entfallen dadurch langatmige, monatelange Märsche von A nach B und wer seine Charaktere schon immer einmal in der Wüste verdursten lassen wollte, wird hier ebenfalls  enttäuscht, doch abgesehen davon haben diese kleinen Ausmaße - gerade für das Rollenspiel - entscheidende Vorteile:

Zum Einen ist da der Umstand, dass Hintergrundkulissen und das umgebende Flair schnell ausgetauscht werden können - letztes Mal untersuchte man eine alte Zwergenbinge auf den verschneiten Gipfeln der Schimmerberge, heute erforscht man die Ruinen nahe einer alten Pyramide im Reich der Mumienfürsten von Shan’Zasar, während man das nächste Mal vielleicht schon im Piratennest Campiliona anlegt oder im Schattengrund von Sturmklippe Spione aus Schwarzwall jagt.

Dennoch versperren Meer und Berge noch häufig genug den direkten Weg, weshalb man immer wieder zeitaufwendige und dazu noch oft gefährliche Umwege in Kauf nehmen muss, ohne dass die Charaktere (und Handlung) dafür gleich monatelang Tausende von Kilometern zurücklegen müssen.

Zum Anderen ist die Kampagnenwelt dadurch kompakt und überschaubar - Charaktere können vielerorts Bekanntheit erlangen, ohne dafür gleich die ganze Welt vor dem Untergang retten zu müssen.

Damit einher geht die Möglichkeit, auf Caera wirklich noch etwas bewirken zu können, Einfluss zu nehmen und Veränderungen zu erreichen - und das auch schon im Kleinen. Die anderenAkteure und Darsteller neben den Charakteren sind in einer kleineren
Welt einfach weniger zahlreich, was den Helden auf der Bühne mehr Spielraum und Platz verschafft.

Und wer dennoch nicht darauf verzichten will, seine Charaktere ab und an verdursten zu lassen, schickt sie einfach in die staubigen Ascheweiten mit ihren verdorbenen Flüssen."


Wie gesagt - alles nur meine Meinung einer möglichen Vorgehensweise und daher nicht wirklich der Belehrung nötig.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Maischen am 13.12.2017 | 14:17
@kbeef: Genau wegen des Improvisierens - es macht halt einen Unterschied, ob man zB in Havena herumläuft oder - frei nach  Dungeon World - Lücken lässt und spielt um eine Stadt überhaupt erst aufzubauen.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: KhornedBeef am 13.12.2017 | 14:30
@kbeef: Genau wegen des Improvisierens - es macht halt einen Unterschied, ob man zB in Havena herumläuft oder - frei nach  Dungeon World - Lücken lässt und spielt um eine Stadt überhaupt erst aufzubauen.
Jo, stimmt.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Sashael am 13.12.2017 | 15:01
Du kannst in der 1000 AD-Tabelle darunter aber auch gut sehen, dass es 900 Jahre später in Europa keine Stadt mit über 100.000 Einwohnern gab.
Bereits die von mir weiter oben angegebenen Einwohnerzahlen im 12. und 13. Jhd in deutschen Städten sprengen die Zahlen, die von diversen Settings für die prosperierenden Hauptstädte angegeben werden. ;)

Mir ist klar, dass nicht jede Stadt mit 100k+ lebt, aber wenn die größte Stadt nicht mal 10k Einwohner hat, dann passt das einfach nicht. ;)
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Supersöldner am 13.12.2017 | 15:04
wenn du sie Größer machen willst musst du halt auch die Gesellschaft darum herum an passen .
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Crimson King am 13.12.2017 | 15:14
Bereits die von mir weiter oben angegebenen Einwohnerzahlen im 12. und 13. Jhd in deutschen Städten sprengen die Zahlen, die von diversen Settings für die prosperierenden Hauptstädte angegeben werden. ;)

Mir ist klar, dass nicht jede Stadt mit 100k+ lebt, aber wenn die größte Stadt nicht mal 10k Einwohner hat, dann passt das einfach nicht. ;)

Zumindest Gareth und Havena in Aventurien haben schon ordentliche Größen.

Dass man Fäntelalter-Settings finden wird, die es in dieser Hinsicht etwas untertreiben, ist sicher korrekt. Dass das jetzt ein flächendeckendes Problem ist, glaube ich nicht. Wie gesagt, in Fantasy-Settings gibt es üblicherweise wesentlich mehr echte Wildnis und gefährliche Kreaturen, die die Bevölkerungsentwicklung hemmen.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Grimtooth's Little Sister am 13.12.2017 | 16:23
Einige Settings nehmen durchaus eher die antiken Stdädte als Vorbild.

Bei Kingdoms of Kalamar, was ich grad aktuell wieder lese, sind Städte mit 12.000+ Einwohner normal, es sei denn, ein Krieg hat die entvölkert. Die Hauptstadt hat 300.000 Bewohner. Mehr gibt die Versorgung nicht her. Das ganze ist aber auch mehr an Rom orientiert.

Bei Scarred Lands sieht es ähnlich aus, ich hab zumindest Burok Torn mit um die 200.000 Zwergen in Erinnerung. Bei Mithril ist die genaue Zahl glaub ich nicht angegeben, aber auch die waren in dieser Größenordnung.

Sharn in Eberron hat auch über 200.000 Einwohner.

Dagegen ist in der Tat Waterdeep in Faerun mit glaub weniger als 150.000 Leuten ein wenig untervölkert. Vor allem für die Häuserdichte. Bei Greyhawk macht die niedrige Bewohnerzahl eher Sinn, weil da deutlich mehr Grünflächen sind.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: ghoul am 13.12.2017 | 18:41
Die Frage nach der Größe von Städten habe ich mir auch gestellt, als ich mein Fantasy-Setting Tarnowo 1277 entworfen habe - Bulgarien im Jahr 1277 halt. Dazu habe ich u.a. eine Dissertation über die Wirtschaft Bulgariens im 13. Jahdt ausgewertet.
Schwierig ist es offenbar, Bevölkerungszahlen der Städte in der Zeit vor 1348 (Pestepidemie) zu finden.
Für zwei Städte in meinem Setting konnte ich Berechnungen verwenden, in welche Ausgrabungsergebnisse bez. Bebauungsdichte und Stadtfläche eingingen. So kam ich ziemlich zuverlässig auf 10'000 Einwohner für die größte Stadt Bulgariens im Jahr 1277: Tarnowo, die Zarenstadt. Für Tscherwen 4000 Einwohner, das war die zweitgrößte bulgarische Stadt in meinem Setting. Für die auf meiner Hexkarte (klick mich) (https://ghoultunnel.files.wordpress.com/2013/03/bulgarien13.png) eingezeichneten Städte habe ich 1000 bis 4000 Einwohner festgelegt, wobei im Flachland, besonders an den Straßen und Flüssen, nicht verzeichnete Zwergstädte und Dörfer sind (1 Hex = 20 km, da passt auch bei einer geringen Bevölkerungsdichte viel hinein).

Kopfzerbrechen hat mir Konstantinopel im Jahr 1277 bereitet, irgendetwas im Bereich von 20'000 bis 200'000 Einwohnern könnte korrekt sein - ich bin einfach mal von 40'000 ausgegangen (2. Byzantinisches Reich in seinen Anfängen, nach dem Lateinischen Reich).
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Aedin Madasohn am 13.12.2017 | 19:44
wenn du sie Größer machen willst musst du halt auch die Gesellschaft darum herum an passen .

ich würde die Aussage von Supersöldner noch um die Form der Nahrungs-Wirtschaft erweitern.

bei so klitzekleinen Städten (die rechtlich nur das Stadtrecht verliehen bekommen haben; ist keine echte Aussage über Größe) kann die Frage nach der Lebensmittelversorgung im Vorbeigehen mit umliegenden Feldern und fertig beschrieben werden.

verlässt man diese 350 Seelen-Ansiedlungen und geht gleich einen großen Schritt zur 100.000, so ist eine ausgeklügelte Logistik nötig, um den benötigten Vorrat herbeizuschaffen.
Außerdem der Flächenbedarf, so dass gewaltige Räume mit Feldern und Weiden benötigt werden.
Kurzum, 100 k Städte drehen gleich alles in einem Spiel, da sie nicht einfach 100 k Leute innerhalb einer Mauer sind, sondern auch noch zehntausende Landarbeiter in einer ganz klar durchstrukturierten Plantagenlandwirtschaft (punisches und später römisches Karthago in Tunesien; Ägypten mit Bewässerung etc.pp.) benötigen.
Ohne klare Struktur brechen diese System ezusammen - gleichzeitig wird eine straffe Staatsverwaltung wider zu etwas, was jetzt zwingend ins Setting gehört.
Also auch dort Beschreibungsaufwand.
Nehme ich eine gering-produktive Landwirtschaft mit wenig Verwaltung an, so brauche ich plötzlich eine Millionen auf dem Land, damit in der Metropole 100 k genug zu essen haben. Also schon mal 1,1 Millionen in einem Reich oder Provinz. Will man das wirklich schon so groß?
wenn ja, dann ist Antike mit seinen Strukturen der richtige Rahmen
bei kleineren Strukturen der Verwaltung und Logistik halt auch gleich klitzekleine Siedlungseinheiten wie im Frühmittelalter.

was die angenommene lineare Leistungssteigerung der Landwirtschaft angeht. Ägyptische Anbauerträge waren immer abhängig von dem Instandhaltungslevel der Bewässerung.
Verschlammt und verkommen gab es plötzlich nicht mehr die Möglichkeit, hundertausende Scheffel zu exportieren.
In der Wikipedia gibt es dazu Berechnungen (geh über die Staudammprojekte rein).
Persien ist ebenfalls ein gutes Beispiel, weil dort nach diversen Zerstörungsorgien durchreisender Turanier/Türken/Mongolen die in diesem Klima unverzichtbaren Bewässerunsganlagen verfielen und damit nach dem Schwert der Hunger wütete.

Europaisches Regelfeldbau-Fäntelalter mit geringen Erträgen und klitzekleinen Fitzelstädten ist da um Längen leichter zu händeln und ein Einstieg in die Materie.
aber nur zu. Bau dir deine SettingStädte größer und mit mehr Abhängigkeiten aus dem Wirtschaftsraum heraus und schon gibt es neue Aufhänger für das Spiel  :)
 
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Huhn am 13.12.2017 | 21:28
Vielleicht hat ne Bibliothek in der Nähe ja das Buch von Herrn Isenmann zur mittelalterlichen Stadt, da dürften solche Fragen für Rollenspielbelange ausreichend beantwortet werden: Eberhard Isenmann, Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150–1550. Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Köln 2012. (https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-19809)

Davon ab hab ich mich vor Jahren mal im Rahmen einer Hausarbeit unter anderem in die Bevölkerungszahlen bestimmter mittelalterlicher (Hanse-)Städte eingelesen. Tatsächlich werden die Zahlen immer ungenauer, je weiter zurück der betrachtete Zeitraum liegt. Während für Frühe Neuzeit und Spätmittelalter im Bestfall die städtische Verwaltungsbuchhaltung (die ja wiederum mit der heutigen absolut nicht vergleichbar ist) überliefert ist, wird's für die Zeit davor wirklich schwierig. Da läuft es am Ende auf Schätzungen aufgrund archäologischer Grabungen oder sonstiger Hinweise hinaus, die zum Teil stark auseinandergehen.

Für Novgorod etwa, den Sitz des Hansekontors in der Rus', wird die EW-Zahl vom Hanseforscher Rolf Hammel-Kiesow gegen Ende des 10. Jahrhunderts auf 2.000 geschätzt, in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts dann auf ca. 15.000 (das entspricht etwa der Lübecks um 1300). Für die Hochzeiten Novgorods im späten Mittelalter geht Stephan Selzer von 20.000 - 25.000 EW aus, sein Kollege Norbert Angermann von 30.000.  Andrzej Poppe kommt sogar auf 70.000 - 80.000 EW für das 14./15. Jahrhundert (für den gesamten Stadtstaat Novgorod, der immerhin 1,5 Mio qkm umfasste, schätzt Poppe die EW-Zahl auf 700.000 Menschen). Die Zahlen von Poppe sind aber die mit Abstand höchsten, die ich finden konnte und da das ein Lexikonartikel (Art. "Novgorod" im Lexikon des Mittelalters) war und ich mich nicht zu sehr reinvertieft habe, hab ich keine Ahnung, wie Poppe auf diese im Vergleich zu den anderen Forschern so hohen Zahlen kam.

Für Riga im heutigen Lettland habe ich für 1500 Bevölkerungsschätzungen von 6.000 - 10.000 Personen gefunden (Andris Šnē) und allgemein für das 16. Jahrhundert eine Angabe von 12.000 Personen (Heinrich von zur Mühlen im LexMA).
Für Reval, das heutige Tallinn in Estland, wird die EW-Zahl für 1600 mit 5.000 (unter Einbeziehung von Fischermy und Dom 6.500) angegeben (auch Heinrich von zur Mühlen im Artikel zu Reval).
Zugegebenermaßen lagen Riga wie Reval wohl auch eher im von uns aus betrachtet peripheren Bereich  - nichtsdestotrotz waren das zwei wirtschaftlich wie politisch einflussreiche und bedeutende Städte. Riga kontrollierte den Inlandhandel über die Düna, während Reval im Spätmittelalter Lübeck aus seiner Führungsrolle am Novgoroder Hansekontor verdrängte. Beide Städte, Riga und Reval, hatten großen Einfluss im gesamten livländischen Bereich.

Leider find ich die genauen Zahlen und die Literatur dazu gerade nicht mehr - aber als es darum ging, dass die livländischen Städte (neben Riga und Reval gabs da ja noch mehr) sich finanziell und personell an kriegerischen Auseinandersetzungen der Hanse beteiligen sollten, konnte man anhand der Summen, die aus den Städten gegeben wurden, deutlich sehen, dass Riga und Reval mit irgendwas um die 200 deutlich mehr gaben als die nächst-kleinere livländische Stadt, bei der die Summe einstellig war. Klar, hat auch was mit Wirtschaftsmacht, nicht nur Bevölkerungsmenge zu tun, aber ich denke, solche Zahlen veranschaulichen schon auch Größenunterschiede. Und nachdem wir jetzt wissen, dass schon Reval aus heutiger Sicht keine Metropole war, können wir uns vielleicht vorstellen, wie es in Städt(ch)en wie Narva oder Fellin aussah.

So große Städte wie wir sie uns heute unter einer mittelalterlichen Stadt vorstellen (Lübeck etwa, Nürnberg, Brügge oder eben auch Novgorod) sind wirklich die Ausnahme. Dass die unser Bild vom Mittelalter so dominieren, liegt vermutlich an der Überlieferungslage, die es uns schwerlich erlaubt, uns mit kleineren Siedlungen in solcher Ausführlichkeit zu befassen.  (Zu dem Thema gibt es einen tollen Artikel von Arnold Esch: Überlieferungschance und Überlieferungszufall als methodisches Problem des Historikers (http://www.digizeitschriften.de/dms/img/?PPN=PPN331411849_0240&DMDID=DMDLOG_0026) (aufbrufbar von manchen Bibliotheksnetzwerken aus)).

Insofern find ich es jetzt nicht unrealistisch, wenn Städte nur ein paar hundert Einwohner haben. Stadt bedeutete im Mittelalter ja primär (zumindest für das Hl. Röm. Reich), dass das Stadtrecht erwirkt wurde, nicht, dass die Siedlung eine bestimmte Größe gehabt hätte.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Olibino am 13.12.2017 | 22:06
Fantasy orientiert sich doch eher an Märchen als am echten Mittelalter. Man braucht Platz für finstere Wälder, vergessene Ruinen, Riesen usw..
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: KhornedBeef am 13.12.2017 | 22:18
Fantasy orientiert sich doch eher an Märchen als am echten Mittelalter. Man braucht Platz für finstere Wälder, vergessene Ruinen, Riesen usw..
+1
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: nobody@home am 13.12.2017 | 22:25
Wie gesagt, in Fantasy-Settings gibt es üblicherweise wesentlich mehr echte Wildnis und gefährliche Kreaturen, die die Bevölkerungsentwicklung hemmen.

Wobei man mit denen auch aufpassen muß, sonst stellt sich irgendwann ein schlauer Leser bzw. Spieler die Frage, wie die Menschen in dem gegebenen Setting überhaupt jemals über das nomadische Jäger-und-Sammlerdasein hinausgekommen sind. ;) Nicht, daß sich das nicht auch begründen ließe (vielleicht hatten sie dabei Hilfe, vielleicht ganz einfach nur völlig unverschämtes Glück, oder vielleicht waren die Monster auch am Anfang schlicht noch gar nicht da und sind erst später in eine dann schon halbwegs zivilisierte Menschenwelt einmarschiert...), aber es ist halt wieder ein Stück Mehrarbeit, zumal die Begründung ja auch "stimmungsmäßig" einigermaßen zum Setting passen soll.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Saftkraftscherge am 13.12.2017 | 22:30
Fantasy orientiert sich doch eher an Märchen als am echten Mittelalter. Man braucht Platz für finstere Wälder, vergessene Ruinen, Riesen usw..
im Prinzip +1 aaaber
Fantasy braucht Türme, die sich absurd hoch schrauben, dazu Katakomben, gerne viele Etagen, die einer statischen Betrachtung niemals standhalten (Gruß nach NRW) würden. Ebenso Meisterhandwerker, die von irgendwem ja leben müssen und weitere Spezialisten in großer Zahl, die eben nicht jeden Tag die Hasenschlinge auslegen können. Brauche ich dafür logische Erklärungen? Im Leben nicht.

Ich bin da ganz beim Threadersteller. Warum immer zurückhalten bei schierer Größe? Metropolen haben den Charme, dass da alles möglich ist, solange keiner von mir als SL erwartet, dass ich das dann gleich abrufen kann.

Interessanterweise hat mir die DSA Box über Al Anfa die Augen früh geöffnet. Da wird man (offizieller Text im bösen DSA) aufgefordert seine Spieler zu fragen, was sie gerade sehen, hören, riechen. Mit einer aktiven Spielerschaft kommt man da mit Minimalaufwand zu neuen Aufhängern.
Ansonsten haben wir unsere Städte praktisch nur noch in klein, groß, sehr groß, übergroß unterteilt. Hat irgendwie nie einer gefragt, ob das jetzt 5000 oder 11000 EW waren.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: KhornedBeef am 13.12.2017 | 22:35
Wobei man mit denen auch aufpassen muß, sonst stellt sich irgendwann ein schlauer Leser bzw. Spieler die Frage, wie die Menschen in dem gegebenen Setting überhaupt jemals über das nomadische Jäger-und-Sammlerdasein hinausgekommen sind. ;) Nicht, daß sich das nicht auch begründen ließe (vielleicht hatten sie dabei Hilfe, vielleicht ganz einfach nur völlig unverschämtes Glück, oder vielleicht waren die Monster auch am Anfang schlicht noch gar nicht da und sind erst später in eine dann schon halbwegs zivilisierte Menschenwelt einmarschiert...), aber es ist halt wieder ein Stück Mehrarbeit, zumal die Begründung ja auch "stimmungsmäßig" einigermaßen zum Setting passen soll.
Ach da bietet sich doch immer eine Erlösergeschichte oder so etwas an.

Bei Warhammer40k z.B. litt die Heimatwelt der Dark Angels (Supersoldatenmönchskreuzzügler) immer unter unnatürlichen Monstern ( so in der Liga "Job für antike Heroen"), und dagegen wurden Ritterorden gegründet, die zumindest um menschliche Siedlungen herum die übelsten Viecher jagten. Und dann kam der unvermeidliche Primarch und hat einen Vernichtungskreuzzug geführt.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Huhn am 13.12.2017 | 23:36
Ansonsten haben wir unsere Städte praktisch nur noch in klein, groß, sehr groß, übergroß unterteilt. Hat irgendwie nie einer gefragt, ob das jetzt 5000 oder 11000 EW waren.
Das find ich auch sinnvoller. Letztendlich geht es ja gar nicht drum, wie viele Leute nun da wohnen - sondern wie die Siedlung im Kontext der Spielwelt auf die Charaktere wirkt. Soll sie wie eine Großstadt wirken, hat aber nur 1.000 EW? Naja, dann wirkt sie vielleicht trotzdem im Vergleich zu den umliegenden Flecken und vor allem auf die eher ländlich geprägten Charaktere wie der Nabel der Welt! Ist ja alles relativ, hm?  :)

Außerdem hängt der "städtische" Eindruck nicht nur von der Anzahl an Menschen ab, sondern auch von urbanen Strukturen - was krieg ich da für Waren, wie gut ist die Infrastruktur, wie gut ist die Siedlung an andere angebunden, gibt es eine Ummauerung etc.

Ich persönlich mag es übrigens gar nicht, wenn irgendwelche Sachen im Rollenspiel damit rechtfertigt werden, dass es "in Wirklichkeit" so und so gewesen sein müsse. Wenn ich Wirklichkeit will, fahr ich Straßenbahn oder so - hier will ich ja spielen. ^^ Insofern war mein Beitrag oben auch kein Plädoyer für historische Korrektheit (tm) im RPG sondern einfach bloß ein kurzer Input dazu, dass wir einfach vieles nicht so genau wissen können und Aussagen dazu vorsichtig getroffen werden müssen.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Sashael am 14.12.2017 | 00:13
Eigentlich bestätigen mich so ziemlich alle hier, dass die Zahlen in so manchen Rollenspielen viel zu tief gegriffen sind. ;D

Die Einwohnerzahlen von den Metropolen in der Antike sind ja wirklich Ausnahmefälle von Imperien.
Aber Einwohnerzahlen von 10-40k Leuten waren eben zu keiner Zeit Exoten, sondern relativ normale Zahlen für große Städte. Wenn dann in manchen Settings für die echten großen Städte Einwohnerzahlen von unter 10k angegeben werden, dann merkt man halt, dass der/die Autor/en keine echte Vorstellung davon haben, wieviele Leute man auf wieviel Stadtfläche bringen kann und wie das aussieht.

"Ja! In dieser großen Hauptstadt gibt es alles zu kaufen, was man sich vorstellen kann und jede Dienstleistung gleich drei bis vier mal! Und hier leben 9.546 Menschen, Elfen, Zwerge, Halblinge und Goblins."

Äh ... nein. ;D
Da fehlt es eindeutig an Verständnis dafür, wieviel Infrastruktur und Versorgung eben benötigt wird, um jede Dienstleistung tatsächlich mehr als einmal anzubieten oder ein derartiges Handelsangebot zu unterhalten. Da zieht das Eine das Andere automatisch nach sich. Je mehr Angebot, desto mehr Versorgung der Anbieter wird auch benötigt.
Und spätestens wenn jemand das Wort Metropole in den Mund nimmt, sehe ich im Kopf nur noch eine 100k+ Stadt, die von umliegenden Dörfer und Städten versorgt wird. :D
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Huhn am 14.12.2017 | 08:22
Aber Einwohnerzahlen von 10-40k Leuten waren eben zu keiner Zeit Exoten, sondern relativ normale Zahlen für große Städte.
Doch, waren sie - wenn du ins europäische Frühmittelalter (= bis ca. 1000) gehst, bin ich mir relativ sicher, dass du solche großen Städte nur äußerst selten finden wirst. Und noch im Hochmittelalter (= bis 1250) dürften sie eher die Ausnahme als die Regel sein. Nicht so verallgemeinern.
(Edit: 100k+ ist übrigens wirklich Humbug. Lübeck, als Handelsmetropole hatte *zitiert Tante Wiki* 1642 mehr als 30.000 Menschen. Das ist nicht mal nahe an 100k. Wie ich schon sagte, halte ich Poppes Schätzungen bezüglich Novgorod auch für zu hoch gegriffen - ich weiß nicht, inwiefern er das direkte Umland der Stadt mit hineinzählte. Rom hatte um 800 noch 20.000 EW, wobei das im Verlauf des MAs wieder mehr geworden sein dürfte.)
Ich gehe aber mit dir mit, dass für das Spätmittelalter wohl schon angenommen werden kann, dass große politische und wirtschaftliche Zentren mit überregionaler Ausstrahlung üblicherweise mehr als 300 EW hatten.
Ein gutes Angebot an Waren und Dienstleistungen in Städten hing aber nicht nur mit den dort lebenden Leuten zusammen, sondern auch mit dem großen Einzugsbereich und relativ vielen Gästen. Ich denke schon, dass eine Stadt mit <10.000 EW für mittelalterliche Verhältnisse ein sehr gutes Angebot haben konnte, wenn sie zum Beispiel verkehrsgünstig lag (Reval war so ein Fall, Dorpat wohl auch). Ob es da immer alles zu kaufen gab, ist ne andere Frage - bestimmte Luxusgüter wurden importiert - und da etwa in Novgorod nur alles halbe Jahr Kaufleute mit neuen Waren kamen, kann ich mir vorstellen, dass dort auch mal ein halbes Jahr auf etwas gewartet werden musste. Von den ständigen Handelsblockaden mal ganz abgesehen.

Und die hier im Thread geäußerte Idee, es wäre möglich gewesen, von einer Großstadt in die nächste in wenigen Stunden zu laufen... schonmal in wenigen Stunden von Lübeck nach Hamburg spaziert? Also so dicht mit kleineren und größeren Städten wie heute war das MA nun wirklich nicht besiedelt. o.O

So bei Lichte betrachtet ergeben doch voll viele Sachen in Rollenspielen wenig Sinn. Ein Kumpel von mir hat mal ausgerechnet, dass es in Pathfinder wirtschaftlich möglich und sinnvoll wäre, eine große Franchise-Wirtshauskette aufzumachen, weil Immobilien dort so komisch berechnet werden und die Abenteurer so viel Loot aus den Dungeons schleppten. Andersherum kenne ich nen Eigenbau von einem Waffenfanatiker, der auf ungefähr 200 Seiten Regeln und Werte für jedes nur erdenkliche Schussgerät bietet, weil er alles andere unrealistisch fand. Spaß macht beides nicht.

Ich glaube, wenn du wirklich Realismus willst, dann brauchst du einen Wirtschaftssimulator und kein Rollenspiel. Ich verstehe das Bedürfnis, auch mal größere Städte im Rollenspiel einzubauen - wieso das unbedingt historisch begründbar sein muss, verstehe ich hingegen nicht so ganz.  (Außer dem "Ich habs euch ja gesagt!"-Effekt) Warum dort plötzlich auf Realismus pochen und an anderen Stellen beide Augen zudrücken? An welchen Stellen wird überhaupt recherchiert und welche werden halt irgendwie so hingebogen?
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: KhornedBeef am 14.12.2017 | 08:27
Es ist halt eine Frage der willentlichen Aussetzung der Ungläubigkeit: Völlig irreales Ding, zu dem ich kein Erfahrungswerte habe, ist komisch - Okidoki!; reales Ding, zu dem ich Erfahrungswerte habe, ist komisch - Nope; Kurz gesagt, diejenigen, die sich gut mit Siedlungsstrukturen des Mittelalters auskennen, sind damit selbst schuld ;)
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Crimson King am 14.12.2017 | 08:46
Aber Einwohnerzahlen von 10-40k Leuten waren eben zu keiner Zeit Exoten, sondern relativ normale Zahlen für große Städte.

Ich weiß jetzt nicht, was du unter Exoten verstehst. In D gab es um 1000 keine 10 Städte dieser Größe. Die korrekte Formulierung wäre wohl, 10-40k Leute waren relativ normale Zahlen für große Städte, aber große Städte waren Exoten. Und du musst dann wie gesagt noch einberechnen, dass Fantasy-Welten und teilweise erschwerten Bedingungen funktionieren.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Infernal Teddy am 14.12.2017 | 08:50
Was aber durch Heilmagie und Zauber welche Lebensmittel und Wasser erzeugen können ausgeglichen werden.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: KhornedBeef am 14.12.2017 | 08:51
Was aber durch Heilmagie und Zauber welche Lebensmittel und Wasser erzeugen können ausgeglichen werden.
Also meiner Erfahrung nach sind Magier in Rollenspielen mehr damit beschäftigt Sachen kaputt zu machen und cool auszusehen als der darbenden Bevölkerung zu helfen.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Infernal Teddy am 14.12.2017 | 08:52
Also meiner Erfahrung nach sind Magier in Rollenspielen mehr damit beschäftigt Sachen kaputt zu machen und cool auszusehen als der darbenden Bevölkerung zu helfen.

Meiner Erfahrung nach trifft das hauptsächlich auf die Spielertrottelcharaktere zu, welche ja wohl nicht die einzigen Magier sind...
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Crimson King am 14.12.2017 | 09:12
Was aber durch Heilmagie und Zauber welche Lebensmittel und Wasser erzeugen können ausgeglichen werden.

Wenn diese Magie problemlos in der Fläche zur Verfügung steht und dem nicht destruktive magische Effekte entgegen stehen.

Für Welten mit hohem Maß an Magie müsstest du im Normalfall komplett eigene Sozialstrukturen entwickeln.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Sashael am 14.12.2017 | 09:20
Ich scheine mich wirklich wirklich schwer verständlich auszudrücken. Das tut mir leid.

Erklärung: Es geht mir nicht darum, dass Metropolen mit über 100k Einwohnern die Welt sprengseln wie Akne, oder dass jede als "Stadt" bezeichnete Siedlung mindestens 10k Einwohner haben muss. Es geht darum, dass im Fantasybereich wirklich oft unterschätzt wird, wieviele Einwohner in einer Siedlung leben (können). Man kann sich nochmal die Liste der alten Städte, die ich weiter oben verlinkt habe, angucken. Und sollte sich da auch mal bewusst machen, dass Deutschland historisch gesehen einfach mal ein junges Land ist (ich sag nur Rom und die Germanen) und die wirklich großen Städte z.B. um 1500 halt ganz einfach woanders lagen.

Man stelle sich jetzt einfach mal eine normale kleine niedliche Stadt vor, hübsch und charmant. Dann google man mal "Luftaufnahme Dorf". Dann schaue man sich ein paar der Bilder an und google die dort genannten Dörfer und dann stellt man fest "Oops, in diesem Winzdorf wohnen bereits 700 Leute. Und in diesem hübschen Dörfchen, was optisch immer noch unterhalb von Kleinstadt rangiert, leben bereits über 1.000!"

In meinem Institut arbeiten bereits 300 Leute und das ist flächenmäßig auch nur so groß wie ne mittelgroße Ritterburg.
7-9.000 Einwohner ist natürlich nicht klein, aber als "größte Stadt des Königreiches" ist das einfach ein Witz, der mir die SoD zerschießt. ;)
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Infernal Teddy am 14.12.2017 | 09:27
In einer Ritterburg wohnten in der Regel keine 300 leute...
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Crimson King am 14.12.2017 | 09:31
Davon, dass die eigentliche Herausforderung darin liegt, die Infrastruktur und Logistik bereit zu stellen, um diesen Leuten alles aus dem Umland zu liefern, mal abzusehen.

Hat man ein Fantasyreich mit hohem Maß an Befriedung, gut ausgebauter Infrastruktur, fruchtbaren Ackerböden und hohem Organisationsgrad, dann sollten Städte mit 100.000 und mehr Einwohnern in der Tat häufiger vorkommen.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Grimtooth's Little Sister am 14.12.2017 | 09:32
So um die 100 auf den kleineren. Größere Burgen kamen durchaus mal an die 300.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Arldwulf am 14.12.2017 | 09:36
Interessant finde ich wie die typischen Eigenschaften des Genre sich auf Städte auswirken sollten. Zum einem gibt es oft große Gebiete die von feindlichen Kreaturen besetzt werden oder gefährlich sind. Zum anderem aber auch Magie mit der man Versorgungsengpässe ausgleichen kann. Lebensmittel leichter transportieren kann oder gar ganz erschaffen. Auch Zauber für bessere Ernten fallen mir da ein.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: nobody@home am 14.12.2017 | 12:23
Meiner Erfahrung nach trifft das hauptsächlich auf die Spielertrottelcharaktere zu, welche ja wohl nicht die einzigen Magier sind...

Das hängt nun wiederum auch mit von der Bevölkerungszahl und -zusammensetzung ab. ;) Der stereotype Fantasy-Magier ist ja auf seine Weise auch erst mal "nur" ein Superspezialist, der vom Rest der Bevölkerung mit durchgefüttert und mit allem möglichen Klimbim versorgt werden muß, damit seine Fähigkeiten dann im Bedarfsfall auch tatsächlich zur Verfügung stehen -- eventuell sind SC-Magier also beispielsweise tatsächlich so ziemlich die einzigen in weitem Umkreis, an die sich zumindest das "gemeine Volk" wenden kann, weil der Adel den spärlichen Rest schon mit tollen Posten bei Hof geködert und fest mit Beschlag belegt hat...
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Sashael am 14.12.2017 | 12:35
So um die 100 auf den kleineren. Größere Burgen kamen durchaus mal an die 300.
Je nach Größe und Quellenlage werden für manche Großburgen teils über 1.000 Bewohner angegeben (z.B. Crac des Chevaliers in Syrien).
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Crimson King am 14.12.2017 | 12:46
Die 1000 kann ich mir bei einem Koloss wie dem Crac gut vorstellen. Ich bin mir aber auch sicher, dass richtig kleine Burgen irgendwelcher Barone, die über gerade mal ein Dorf herrschten, nicht auf 100 Einwohner kamen.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Edvard Elch am 14.12.2017 | 12:47
Man kann die Frage theoretisch auch anders rum aufziehen: Wenn wir im Jahr 1000 ca. 300 Millionen Menschen auf dem Planeten haben (ca. 400 Mio. um 1200 und 1400), wie groß können einzelne Städte dann überhaupt werden, ohne dass uns für weite Landstriche oder ganze Kontinente die Menschen ausgehen?
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Supersöldner am 14.12.2017 | 12:49
vielleicht sind noch nicht alle Korntinte von Menschen besiedelt weil ,Meer,Monster, oder oder oder .
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Timo am 14.12.2017 | 12:54
Was ihr alle(soweit ich überflogen habe) außer acht lasst bisher sind die Gründe und Zusammenhänge, warum es Ortschaften/Städte mit bestimmten Einwohnerzahlen gibt.

In Europa des Mittelalters gab es ja zum einen die Pest (14tes Jahrhundert), dann gab es im 17ten Jahrhundert den 30 jährigen Krieg, Rom ist aus bestimmten Gründen Groß geworden (und wieder zusammengebrochen).
Gibt es Erze (material, Handel), Wälder(Bootsbau, Bogenbau fürs königliche Militär), Flüsse(Anbindung), andere Gründe für eine Stadt an dieser Position und ihre Größe und Wachstum?
Dann gab es ja das Stadtrecht und die Gründe warum man es als Ort erhalten möchte...

Ich habe mein Geschichte der Stadt Buch gerade verliehen, das ist ganz gut was Städte betrifft, aber auch ein tierischer Wälzer.
Prisoners of Geography, als neueres Buch gibt sehr viele schöne Grundlagen von der Abhängigkeit zur Geographie was politische Entwicklungen betrifft.
Und um bei der Zielgruppe zu bleiben: In den späteren Bänden des Lightnovels und/oder Manga "Spice&Wolf" dreht sich der Plot um die Entstehung einer Stadt. Generell ist diese Geschichte sehr gut um Ideen für Fantasymittelalter zu sammeln.

Also um zum Originalpost zurückzukommen:

statt zu sagen das es sounsoviele Einwohner gibt, weil es früher bei uns so war, sollte man Gründe finden warum es in dem Setting solche Einwohnerzahlen gibt.
Geographisch, Sozial, Politisch

Für England um 1000 haben wir ja das domesdaybook um mal nackte Zahlen ohne Gründe dahinter zu haben:
http://www.domesdaybook.co.uk/

und auf Basis dessen den Generator:
https://www.rpglibrary.org/utils/meddemog/
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Crimson King am 14.12.2017 | 19:54
Man kann die Frage theoretisch auch anders rum aufziehen: Wenn wir im Jahr 1000 ca. 300 Millionen Menschen auf dem Planeten haben (ca. 400 Mio. um 1200 und 1400), wie groß können einzelne Städte dann überhaupt werden, ohne dass uns für weite Landstriche oder ganze Kontinente die Menschen ausgehen?

Im Jahr 1000 waren tasächlich gigantische Gebiete nahezu unbesiedelt. Für ganz Sibirien nimmt man glaube ich an, dass dort vor der Kolonialisierung durch die Russen etwa 10.000 Menschen lebten. Wüsten, Steppen und Regenwälder geben auch nicht viele Möglichkeiten her, größere Mengen von Menschen zu ernähren.
Titel: Re: Wieso sind in Fantasysettings so oft so wenige Bewohner vorgesehen?
Beitrag von: Zed am 17.12.2017 | 00:44
Es schwankte. Rom hatte zu seiner antiken Hochzeit um 1 Millionen Einwohner, Haithabu im Frühmittelalter zwischen 1500 (Wikipedia) und 5000 (Erinnerung an Geschichtsvorlesung) Einwohner - und war zu der Zeit wohl eine der größten Städte nördlich der Alpen.

Im frühen Mittelalter lebten nur wenige % der Menschen in Städten, kleine Dörfer waren die normale Wohnform.