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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspiel- & Weltenbau => Thema gestartet von: Eadee am 4.10.2018 | 15:39

Titel: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Eadee am 4.10.2018 | 15:39
Seit einiger Zeit arbeite ich an einem Rollenspiel und nun ist mir die Frage gekommen wie die Gewichtung zwischen Spielertaktik, Charakterwerten und Würfelglück aussehen sollte.

Bitte schreibt mir ein paar Zeilen wie diese Gewichtung in einem idealen Kampfsystem sein sollte und warum ihr das so seht und was ihr allgemein noch als Ansprüche an ein Kampfsystem habt.







Mehr Details für alle die interessiert wie ich auf diese Fragestellung gekommen bin:

Mein Plan war ursprünglich ein initiativelastiges Kampfsystem zu entwerfen ähnlich zu Splittermond wo jede Aktion unterschiedlich viele Ticks benötigt etc...

In einem Gespräch mit einem Freund stellte ich dann fest dass dies nicht die Art von Kämpfen abbilden würde wie ich sie für glaubhaft halte. In einem (zwei)Kampf führt üblicherweise derjenige der die Initiative hat eine ganze Reihe Schläge aus bevor beide Kämpfer wieder auf Distanz zueinander sind und ein paar Sekunden den Gegner nach einer Deckungslücke absuchen, anschließend kommt es wieder zu einem Schlagabtausch, in dem wieder ein Kämpfer klar in der Offensive und der andere in der Defensive ist. Der beständige Wechsel von Attacke zu Parade und umgekehrt, wie er in DSA üblich ist, stellt eher die absolute Ausnahme dar.

Also kamen wir auf die Idee eine Kampfrunde in 30 Ticks einzuteilen, jeder Spieler plant für diese 30 Ticks verdeckt seine Aktionen und kann sich Ticks aufsparen um besser reagieren zu können wenn er nicht die Initiative gewinnt. Dann würfeln die Kontrahenten wer die Initiative gewinnt und dessen Aktionsliste wird dann abgearbeitet.

Was mir daran nicht gefiel ist, dass der Verlierer der Initiative eine ganze Kampfrunde aufwendig geplant hat und diese dann komplett verworfen wird. Was sich einfach wie unnötigen Aufwand anfühlt.

Als ich dann auf dieses Video gestoßen bin:
https://youtu.be/WCtFkIpOCYs
war ich erstmal begeistert und habe überlegt ob ich mit dem Konzept "Roll and Move" ein besseres System finde.

Das Konzept des verdeckten Ansagens blieb erhalten, aber statt 30 Ticks habe ich das System auf ~3 Aktionen je Kampfrunde reduziert, vor den verdeckten Ansagen machen beide Kämpfer einen verdeckten Wurf und der Sieger erhält eine 4. Aktion für seine Planung.

Die Aktionen beider Spieler werden gleichzeitig ausgeführt, keine verfällt. Stattdessen funktionieren sie grob nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip.
Es gab folgende Aktionen: Offensive, Defensive, Finte, Riposte(nur möglich wenn zuvor eine Verteidigung gelungen ist)

Offensive vs Offensive - Funken fliegen, landet in der nächsten Aktion einer einen Treffer wird der Schaden verdoppelt.
Defensive vs Defensive - Die Kontrahenten starren sich gegenseitig an - kein Treffer
Offensive vs Defensive - Angriff ist abgewehrt, der Verteidiger kann in der nächsten Aktion eine Riposte nutzen.

Finte vs Finte - wildes Gefuchtel - kein Treffer
Offensive vs Finte - der Kämpfer in der Offensive landet einen Treffer
Finte vs Defensive - die Finte lockt den Verteidiger in eine ungünstige Lage, der Angreifer trifft nächste Aktion auch dann wenn Offensive vs Offensive angesagt ist.
Riposte vs Defensive - Angriff ist abgewehrt
Riposte vs alles andere - Treffer

Das habe ich eine weile durchgerechnet und bin zu der Erkenntnis gelangt dass das System dazu führt dass beide Kämpfer Offensive, Defensive, Defensive ansagen, denn so ist das Risiko getroffen zu werden gleich Null. Die vierte Aktion ist damit die einzig relevante, da diese nicht abgewehrt werden kann. So ist am Ende doch wieder nur der erste Würfelwurf relevant und nichts anderes.

Da steh ich nun ich armer Tor, und bin so.... ihr wisst schon.

Jedenfalls habe ich parallel dazu eine  Thread im DSAForum gelesen: https://dsaforum.de/viewtopic.php?f=182&t=48940
in dem von manche einem es sogar bei gesellschaftlichen Proben verteufelt war dass die Spieler genau ansagen was sie tun und abhängig von ihrer Spielerentscheidung dann die Schwierigkeit der Probe abhängt.

Aus diesem (extremen) Standpunkt dürfte ein Spieler auch im Kampf keine taktischen Entscheidungen treffen die den Kampfausgang beeinflussen sondern man müsste den gesamten Kampf auf einen oder eine Reihe von vergleichenden Kampftalentproben reduzieren.

Das wiederum fände ich unheimlich langweilig und daher bin ich nun auf der Suche nach dem richtigen Gleichgewicht zwischen Taktieren, Würfelglück und Talentwerten für mein System und bin über jeden Input dankbar. Nachdem es hier darum geht was "gefällt" dürft/sollt ihr vollkommen subjektiv antworten. Rollenspieltheoretische oder Stochastische Anregungen nehme ich aber auch gerne an :)
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Pyromancer am 4.10.2018 | 15:49
Ich persönlich würde mich nicht so sehr auf den 1:1-Aspekt konzentrieren. Rollenspiel ist in erster Linie ein Gruppenspiel, daher würde ich die Taktik-Komponente in das Zusammenspiel der Gruppe verlagern: Positionierung, wer steht wo, wer greift wen an, welche Synergie-Effekte ergeben sich, wie kann man sich gegenseitig schützen oder unterstützen usw.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Derjayger am 4.10.2018 | 15:51
Mindestens ein bisschen Glück sollte dabei sein. Stellt euch mal eine Runde Mario Kart mit euren Freunden vor, bei der ihr im Mittelfeld herumkrepelt und nur Bananen kriegt. Man erfährt zwar, wer der Geschickteste ist, Spaß macht es aber trotzdem nicht.

Taktik und Charwerte würde ich erstmal nicht trennen wollen. Lieber Charwerte als eines von vielen Mitteln betrachten, die Taktiküberlegungen möglich machen.

Programmierbare Aktionen (das mit den "ticks") gehören für mich übrigens zu den spaßigsten Mechaniken überhaupt (Robo Rally lässt grüßen) :d Die Ansagen sollten halt schnell und übersichtlich sein. Spielkarten, die man in einer Reihenfolge auslegt, können da sehr hilfreich sein. Einfach nur ansagen und der SL schreibt mit hat sich für meine Spieler jedenfalls gar nicht gut angefühlt.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Feuersänger am 4.10.2018 | 16:30
Sehr schöne Umfrage! Sage ich, weil mich das Thema in der Tat auch umtreibt, spätestens wieder seit dem PF2 Playtest.

Ich habe gewählt: Taktik und Level.
Oder andersrum, wie ich schon seit vielen Jahren sage: Luck is the Enemy.
Ich will, dass meine strategischen (welche Fähigkeiten gebe ich meinem Charakter) und taktischen (wann und wie setze ich diese Fähigkeiten ein) Entscheidungen wichtiger sind als die Launen eines widerspenstigen Plastikklötzchens. Das ist auch der Grund, warum ich bis jetzt kein System gefunden habe, dass D&D 3E/PF vom Thron gestoßen hätte -- weil ich da viele solche Entscheidungen treffen kann, und indem ich diese Entscheidungen treffe, den Einfluss des Plastikklötzchens a.k.a. Glück minimieren kann.

Man könnte freilich die Drei Faktoren Taktik / Level / Zufall in einem Dreieck gewichten, um Systeme zu klassifizieren. Also z.B. "40% Taktik, 40% Level, 20% Zufall". (Mein Problem mit PF2 beispielsweise ist, dass es vielleicht 15% Taktik, 35% Level und 50% Zufall ist -- alle deine strategischen und taktischen Entscheidungen sind null und nichtig, wenn dein Plastikklötzchen <10 zeigt.)

Außerdem: danke für den Video-Link. Und ich hätte fast nicht draufgeklickt. Dabei fasst der Mann mein Problem mit Gott Zufall besser zusammen, als ich es bisher konnte.

Jetzt müsste man sich halt noch überlegen, wie gut bspw Pathfinder mit Roll&Move laufen würde. ^^ Die erste Frage wäre da beispielsweise, ob der SL seine Monster und NSCs auch so führen darf. Meines Erachtens ist das nicht nötig, da der Sinn der ganzen Mechanik ja ist, dass sich die Spieler nicht aufgrund von verlorenen Zügen langweilen oder frustriert werden (und in Konsequenz anderweitig beschäftigen wollen).
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: felixs am 4.10.2018 | 16:45
Ich kann mich mit verschiedenen Spielstilen anfreunden, in denen das dann alles jeweils unterschiedlich wichtig ist.

Da ich normalerweise nicht vorwiegend taktisch spielen möchte, sind es dann halt die Fähigkeiten der Figur (bei deren Bau ich mir meist keine großen strategischen Herausforderungen wünsche) und Glück, welche den Kampf entscheiden.

Insgesamt würde ich mir für die meisten Spiele wünschen, dass Kampf etwas ist, was man am besten vermeidet. Das erreicht man am besten über Tödlichkeit des Kampfsystems.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Hotzenplot am 4.10.2018 | 17:06
Tolles Thema, aber auch schwierig.

Zunächst: Ich schließe mal Regelleichtgewichte wie PDQ#, FATE und Co. aus, die machen (mir) zwar auch Spaß, aber ich verstehe dich so, dass du ein komplexes Kampfsystem aufbauen willst.
Des Weiteren: Ein Kampfsystem als mitunter anders funktionierender Teil eines Regelsystems finde ich zunehmend uneleganter. Eigentlich sollte der Kampf genauso ablaufen, wie der Rest. Ansonsten wird immer dieses "Spiel im Spiel"-Gefühl auftreten, wo sich plötzlich alle auf etwas ganz anderes fokussieren und wild Pömpel hin und her schieben.

Nun zu meinen Präferenzen
Ich persönlich möchte, dass meine strategische (Bau des SC; Ausstattung des SC) sowie taktische (Manöver, Bewegung etc.) Entscheidungen im Kampf mit zunehmender Erfahrung des Charakters und des Spielers (!) den Zufall verringern.

Idealerweise sollte ein gutes Kampfsystem möglichst eingängig und auch für die casual Gamer am Tisch spielbar sein. Daran scheitern m. E. gerade die "großen" Regelschwergewichte.

Die Entscheidungsvielfalt sollte nicht durch die eine optimale Aktion ausgebremst werden.

Des Weiteren bin ich ganz bei Pyromancer: Der Zweikampf sollte gar nicht unbedingt im Fokus stehen, sondern der Gruppenkampf. Also müssten auch Kämpfe mit vielen Beteiligten zügig abbildbar sein.

Insgesamt m. E. eine schwere Aufgabe, ein komplexes und zugleich gutes Kampfsystem zu bauen.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Pyromancer am 4.10.2018 | 17:18
Bezüglich Zufall ist die grundlegende Frage für mich: Was BRINGT der Zufall denn? Wenn ich einfach mein "Spiel runterspiele", egal, was die Würfel ergeben, und hoffe, dass es am Ende halt für den Sieg reicht, dann ist das langweilig. Das klassische "Hit-Points runterklopfen" oder "Attacke-Parade-Attacke-Parade-...": Langweilig!

Der Zufall muss zu einer Lage-Änderung führen, die Entscheidungen nach sich zieht!
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Supersöldner am 4.10.2018 | 17:19
aufgrund von zb Würfel wird es auch einen gewissen Zufalls Faktor geben .
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: felixs am 4.10.2018 | 17:20
Das klassische "Hit-Points runterklopfen" oder "Attacke-Parade-Attacke-Parade-...": Langweilig!

Wenn man dann noch Taktieren im Rollenspiel langweilig (oder zumindest unimmersiv) findet, dann kommt dabei raus: Kämpfe (meist) langweilig.

So geht es mir.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Ninkasi am 4.10.2018 | 18:00
Tolles Thema, aber auch schwierig.

Zunächst: Ich schließe mal Regelleichtgewichte wie PDQ#, FATE und Co. aus, die machen (mir) zwar auch Spaß, aber ich verstehe dich so, dass du ein komplexes Kampfsystem aufbauen willst.
Des Weiteren: Ein Kampfsystem als mitunter anders funktionierender Teil eines Regelsystems finde ich zunehmend uneleganter. Eigentlich sollte der Kampf genauso ablaufen, wie der Rest. Ansonsten wird immer dieses "Spiel im Spiel"-Gefühl auftreten, wo sich plötzlich alle auf etwas ganz anderes fokussieren und wild Pömpel hin und her schieben.

Nun zu meinen Präferenzen
Ich persönlich möchte, dass meine strategische (Bau des SC; Ausstattung des SC) sowie taktische (Manöver, Bewegung etc.) Entscheidungen im Kampf mit zunehmender Erfahrung des Charakters und des Spielers (!) den Zufall verringern.

Idealerweise sollte ein gutes Kampfsystem möglichst eingängig und auch für die casual Gamer am Tisch spielbar sein. Daran scheitern m. E. gerade die "großen" Regelschwergewichte.

Die Entscheidungsvielfalt sollte nicht durch die eine optimale Aktion ausgebremst werden.

Des Weiteren bin ich ganz bei Pyromancer: Der Zweikampf sollte gar nicht unbedingt im Fokus stehen, sondern der Gruppenkampf. Also müssten auch Kämpfe mit vielen Beteiligten zügig abbildbar sein.

Insgesamt m. E. eine schwere Aufgabe, ein komplexes und zugleich gutes Kampfsystem zu bauen.

Zustimmung.

Auch bei einem "komplexen" System würde ich als SL gerne improvisieren können.
Meinetwegen kann der Spieler es auch etwas komplexer haben als der SL.
Systeme in der die Initiative enorm wichtig ist, weil der erste Angreifer meist auch gewinnt, mag ich nicht mehr.

Mousegard/BurningWheel und ForbiddenLands haben so eine kleine Taktikspielerei mit verdeckten Karten, könnte für dich vielleicht von Interesse sein, da mal reinzuschnuppern.

Kampf (oder auch andere Konflikte) sollten einen ungewissen Ausgang haben, also auch wenn eigentlich klar ist, dass die Spielercharktere gewinnen (Erfolg haben), sollten ungewisse Konsequenzen enstehen können. Ansonsten brauche ich erst garnicht die Würfel auspacken. Deswegen muss der Zufall eine Rolle spielen. Die Entscheidungen des Spielers und die Fähigkeiten des Charakters sollten allerdings natürlich die Chancen beeinflussen.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Olibino am 4.10.2018 | 18:01
Ich habe für Würfel und Werte gestimmt. Meine Erfahrung ist bisher, je mehr taktische Optionen ein Spiel zuläßt, desto mehr wird es ein Mathematikoptimierungsspiel, desto schwieriger ist es für den Spielleiter vorzubereiten und desto länger ziehen sich die Kämpfe hin, was ich alles drei nicht mag.

Der Spaß in Kämpfen kommt für mich aus den Beschreibungen aller Beteiligten sowie wenn das Würfelsystem nicht nur getroffen/nicht getroffen liefert sondern noch andere interessantere Ergebnisse.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: nobody@home am 4.10.2018 | 18:07
Bezüglich Zufall ist die grundlegende Frage für mich: Was BRINGT der Zufall denn? Wenn ich einfach mein "Spiel runterspiele", egal, was die Würfel ergeben, und hoffe, dass es am Ende halt für den Sieg reicht, dann ist das langweilig. Das klassische "Hit-Points runterklopfen" oder "Attacke-Parade-Attacke-Parade-...": Langweilig!

Der Zufall muss zu einer Lage-Änderung führen, die Entscheidungen nach sich zieht!

Grundsätzlich modelliert der Faktor Zufall einfach die ganzen Kleinigkeiten, die man nicht alle einzeln und strikt deterministisch abhandeln will. Nehmen wir mal an, ich will einen Pfeil auf einen Gegner abfeuern -- schnell, wie sind Windgeschwindigkeit und -richtung? Die Lichtverhältnisse? Guckt mein Ziel gerade zu mir oder ist es anderweitig abgelenkt? Ein Computerspiel könnte diese und noch andere Aspekte möglicherweise tatsächlich in Echtzeit erfassen und auswerten und dadurch zu einer klaren Feststellung kommen, wo mein Pfeil zwangsläufig landen muß, wenn ich genau jetzt und keine halbe Sekunde früher oder später die Sehne loslasse, aber eine menschliche Pappnase am Tisch, die erst mal mühsam alle Regeln und Modifikatoren zusammenklamüsern und auch garantiert richtig auswerten soll, kriegt das in diesem Tempo einfach nicht hin. Also bastelt man sich statt dessen der Einfachheit und des besseren Spielflusses halber eine einigermaßen passend aussehende Zufallsverteilung und arbeitet mit der; wenn man sie gut genug anlegt, wird der Unterschied in der Praxis nicht mal auffallen...
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: SeldomFound am 4.10.2018 | 18:10
Ich haben "anderes" angeklickt, weil für mich auf den ersten Blick der Storytelling-Aspekt bei den Angeboten zu kurz kam...

Dann kam ich darauf, dass es irgendwie außerhalb von dieser Problematik steht und ich besser "alle drei sind wichtig" hätte auswählen sollen, wobei ich auch "Glück" etwas geringer bewerte.

Sagen wir, ich möchte zwar einen Zufallsfaktor im Spiel haben, der verhindert, dass der Ausgang allzu offensichtlich wird, aber es sollte nicht alle Investitionen oder gute Ideen der Spieler/des SLs aufheben. Sagen wir es mal so: Wenn Fähigkeit und Taktik stimmen, sollen sie das Glück übertrumpfen können. Vielleicht kann man es sich als eine Art Schere-Stein-Papier-System vorstellen:

- Die Fähigkeiten/Level des SCs sollen durch gute Taktik ausmanövriert werden können.
- Die Taktik kann durch Glück oder Pech durcheinander gebracht werden.
- Die Auswirkung von Glück/Pech werden durch die Fähigkeiten/Level des SCs eingeschränkt.


In Splittermond ist es ja so, dass ein Charakter mit hohen Werten sich für eine Würfeloption entscheiden kann, bei der er nicht mehr Patzen kann. Allerdings kann er auch in Situationen gebracht werden, wo seine hohe Werte keine oder nur eingeschränkt Wirkung haben, zum Beispiel wenn er als Krieger mit einem Feenherrscher um einen Ausgang aus der Feenwelt verhandeln muss.

Aber was es in Splittermond durchaus gibt, ist das Vergeuden von Aktion aufgrund von Würfelpech. Der Angreifer riskiert mehr, um etwas treffen zu können, als der Verteidiger, um nicht getroffen zu werden. Taktisch gesehen sollte der Angriff mir einen gewissen Vorteil bringen, doch durch Würfelpech kommt es nicht zu diesem Vorteil. Doch der Kampf kann (meistens) nur gewonnen werden, wenn man erfolgreiche Angriffe ausführt.

Aus diesem Grund tendiere ich bei meinen Bosskämpfen in Splittermond eher dazu, den Gegner viele LP zu geben als hohe Verteidigung. Es soll nicht schwer sein sie zu treffen, es soll nur schwer sein, sie schnell los zu werden.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Pyromancer am 4.10.2018 | 18:15
Grundsätzlich modelliert der Faktor Zufall einfach die ganzen Kleinigkeiten, die man nicht alle einzeln und strikt deterministisch abhandeln will.

Aber das ist doch genau der Knackpunkt: WARUM will man sie nicht deterministisch abhandeln? Man könnte ja auch sagen: "Dein Fernkämpfer hat einen Wert von +15 in Bogenschießen, die situationsbedingten Zuschläge und Abzüge summieren sich auf -3, also machst du mit deinem Langbogen *in Tabelle nachguck* 5 Punkte Schaden pro Runde."

Was für einen Vorteil hat es denn, den Schaden durch einen länglichen Zufallsprozess zu bestimmen, dessen Ergebnis über die Länge des Kampfes gemittelt wieder genau die 5 Punkte Schaden pro Runde ergibt?
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: nobody@home am 4.10.2018 | 18:24
Aber das ist doch genau der Knackpunkt: WARUM will man sie nicht deterministisch abhandeln? Man könnte ja auch sagen: "Dein Fernkämpfer hat einen Wert von +15 in Bogenschießen, die situationsbedingten Zuschläge und Abzüge summieren sich auf -3, also machst du mit deinem Langbogen *in Tabelle nachguck* 5 Punkte Schaden pro Runde."

Was für einen Vorteil hat es denn, den Schaden durch einen länglichen Zufallsprozess zu bestimmen, dessen Ergebnis über die Länge des Kampfes gemittelt wieder genau die 5 Punkte Schaden pro Runde ergibt?

Erstens kann der Zufallsprozeß gerade dazu dienen, den Vorgang abzukürzen, indem man eben nicht in X Tabellen erst mal nachblättern muß, um sicherzugehen, daß man auch jaaa nichts übersehen hat.

Und zweitens könnte man genausogut fragen, welchen Vorteil man bei Kartenspielen eigentlich vom Mischen hat. Über hinreichend viele Partien mitteln sich die dadurch erzeugten Unterschiede doch sicher auch wieder einigermaßen heraus, wer sollte sich also schon daran stören, wenn die einzelne Partie potentiell komplett vorhersehbar ist? >;D
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: felixs am 4.10.2018 | 18:26
Was für einen Vorteil hat es denn, den Schaden durch einen länglichen Zufallsprozess zu bestimmen, dessen Ergebnis über die Länge des Kampfes gemittelt wieder genau die 5 Punkte Schaden pro Runde ergibt?

Das hat nur Sinn, wenn es sich über die Länge des Kampfes eben nicht mittelt.

Was es in den meisten (mir bekannten) Kampfsystemen auch nicht tut.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Pyromancer am 4.10.2018 | 18:45
Erstens kann der Zufallsprozeß gerade dazu dienen, den Vorgang abzukürzen, indem man eben nicht in X Tabellen erst mal nachblättern muß, um sicherzugehen, daß man auch jaaa nichts übersehen hat.

Und zweitens könnte man genausogut fragen, welchen Vorteil man bei Kartenspielen eigentlich vom Mischen hat. Über hinreichend viele Partien mitteln sich die dadurch erzeugten Unterschiede doch sicher auch wieder einigermaßen heraus, wer sollte sich also schon daran stören, wenn die einzelne Partie potentiell komplett vorhersehbar ist? >;D

Das ist genau das, was ich meinte, als ich sagte: Der Zufall muss zu einer Lageänderung führen, die Entscheidungen erzwingt.

Wenn ich den Bogenschützen spiele, und ich mach in Runde 1 4 Punkte Schaden, in Runde 2 gar keine Punkte, in Runde 3 10 Punkte, und in Runde 4 nochmal 2 Punkte, und dann ist der Gegner tot, was ändert sich denn da für mich gegenüber dem Fall, dass es 8 Punkte, 2 Punkte, 0 Punkte, 9 Punkte sind?

Beim Kartenspiel macht es nämlich einen Unterschied ob ich vier Buben und eine Kreuz-Flöte ausgeteilt bekomme, oder eine wilde Mischung aus 7ern und 8ern mit ein bisschen Kroppzeug. Das muss ich ANDERS spielen. Bei vielen Rollenspielen ist es aber so, dass man bei Würfelpech einfach nächste Runde nochmal würfelt und auf ein besseres Ergebnis hofft.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: nobody@home am 4.10.2018 | 19:09
Das ist genau das, was ich meinte, als ich sagte: Der Zufall muss zu einer Lageänderung führen, die Entscheidungen erzwingt.

Wenn ich den Bogenschützen spiele, und ich mach in Runde 1 4 Punkte Schaden, in Runde 2 gar keine Punkte, in Runde 3 10 Punkte, und in Runde 4 nochmal 2 Punkte, und dann ist der Gegner tot, was ändert sich denn da für mich gegenüber dem Fall, dass es 8 Punkte, 2 Punkte, 0 Punkte, 9 Punkte sind?

Beim Kartenspiel macht es nämlich einen Unterschied ob ich vier Buben und eine Kreuz-Flöte ausgeteilt bekomme, oder eine wilde Mischung aus 7ern und 8ern mit ein bisschen Kroppzeug. Das muss ich ANDERS spielen. Bei vielen Rollenspielen ist es aber so, dass man bei Würfelpech einfach nächste Runde nochmal würfelt und auf ein besseres Ergebnis hofft.

Na -- wenn du natürlich nur Zufall im Spiel hast und andere Einflüsse nicht zum Tragen kommen, dann spielst du aber sinngemäß die ganze Zeit auch nur Leben und Tod (https://de.wikipedia.org/wiki/Bataille_royale#Das_Kinderspiel) und nicht etwa Skat oder Poker. Das ist dann aber wirklich der (schon etwas konstruiert wirkende) Extremfall und nicht automatisch ein Argument dafür, das Mischen beim Kartenspiel einfach allgemein abzuschaffen. ;)
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Feuersänger am 4.10.2018 | 19:14
Bei vielen Rollenspielen ist es aber so, dass man bei Würfelpech einfach nächste Runde nochmal würfelt und auf ein besseres Ergebnis hofft.

Interessante Analogie.
Beim Kartenspielen (womit ich mich nicht besonders auskenne) kann man also aus einem schlechten Zufallsergebnis (mieses Blatt erwischt) noch einigermaßen was machen, wenn man das Spiel gut genug beherrscht.
Beim (typischen) RPG hingegen sagt das Zufallsergebnis Ja oder Nein, und wenn es Nein sagt kannst du im Nachhinein eben nichts mehr draus machen. Das ist schon ein wichtiger Unterschied.
Aber mehr noch: je nach System und Umständen kann es doch auch locker sein, dass du nach einem Anfall von Würfelpech eben nächste Runde nicht mehr würfeln darfst. Weil du raus bist aus dem Spiel. Weil dein Char in Panik, bewusstlos, gecharmt oder tot ist.

Da bringt dieses Roll & Move das Spiel in der Tat etwas näher ans Kartenspiel heran: wenn ich einmal schlecht würfle, mach ich in der Runde eben keinen Angriff, sondern wirke einen Stärkungszauber, für den ich den Wurf nicht brauche. So habe ich noch das beste aus meinem miesen Blatt gemacht. Die Gefahr, von RNGesus aus dem Spiel getrollt zu werden, ist da schon merklich geringer.

--

Edit: heh, danke für den Vergleich mit "Leben und Tod". Das kannte ich gar nicht. Ich nenne so rein zufallsbasiertes Glückspiel ja immer "Snakes and Ladders".
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Crimson King am 4.10.2018 | 19:37
Mir fehlt da ehrlich gesagt die Option des erzählerischen Ansatzes in der Auswahl.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Feuersänger am 4.10.2018 | 19:42
Mir fehlt da ehrlich gesagt die Option des erzählerischen Ansatzes in der Auswahl.

Steht doch da: "Ganz anders". Dieser Ansatz ist aber offenbar für den TE und seine schöpferischen Bemühungen uninteressant und wird daher nicht näher beleuchtet.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Pyromancer am 4.10.2018 | 19:58
Na -- wenn du natürlich nur Zufall im Spiel hast und andere Einflüsse nicht zum Tragen kommen, dann spielst du aber sinngemäß die ganze Zeit auch nur Leben und Tod (https://de.wikipedia.org/wiki/Bataille_royale#Das_Kinderspiel) und nicht etwa Skat oder Poker. Das ist dann aber wirklich der (schon etwas konstruiert wirkende) Extremfall und nicht automatisch ein Argument dafür, das Mischen beim Kartenspiel einfach allgemein abzuschaffen. ;)

Das ist nicht konstruiert, das ist erlebte Praxis am Spieltisch. Bei vielen Rollenspiel-Systemen generiert der Zufall im Kampf kaum Mehrwert, weil er über weite Strecken die Situation nicht ändert. Ob der Endgegner nach Runde drei jetzt noch 121 oder 139 Hitpoints hat ändert an der Situation nichts. Auch wenn der Bogenschütze in Runde fünf mal sehr gut würfelt und Maximalschaden macht: Es ändert sich nichts. Interessant wird es erst in Runde neun, wenn die Frage lautet: Lebt er noch oder ist er schon tot?

Und das halte ich auch für ein grundlegendes Problem vieler Rollenspiel-Kampfsysteme: Oft ist die einzige Lageänderung, die passiert, dass ein Kampfteilnehmer "ausscheidet" - das ist aber, wenn es auf Spielerseite passiert, nicht erwünscht, weil es den Spieler aus dem Spiel nimmt. (In der abgeschwächten Form gibt's dann noch Wundabzüge und Todesspirale, das ist aber das gleiche, nur anders).
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: felixs am 4.10.2018 | 20:13
Oft ist die einzige Lageänderung, die passiert, dass ein Kampfteilnehmer "ausscheidet" - das ist aber, wenn es auf Spielerseite passiert, nicht erwünscht, weil es den Spieler aus dem Spiel nimmt. (In der abgeschwächten Form gibt's dann noch Wundabzüge und Todesspirale, das ist aber das gleiche, nur anders).

Aber was soll denn sonst noch passieren?
Man kämpft, bis eine oder beide Seiten sich ergeben, fliehen, oder schwer verwundet oder tot sind. Was in der Zeit passieren kann, sind entweder besonders glückliche Treffer, oder entsprechend unglückliche Patzer, Verletzungen aller Art, möglicherweise veränderte Umweltfaktoren.

Ich verstehe nicht recht, worauf Du hinaus möchtest.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Samael am 4.10.2018 | 20:21
Ich habe eine große Abneigung gegen Charakter-"Building", was Feuersänger oben "strategische Spielerentscheidungen" genannt hat. Sowas kann ich nur in sehr moderater Dosis vertragen - ganz sicher nicht in dem Maße wie es DnD 3E oder 4E bieten.

Ansonsten finde ich, dass sich Taktik und Glück gerne die Waage halten dürfen.   
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Pyromancer am 4.10.2018 | 20:22
Aber was soll denn sonst noch passieren?
Man kämpft, bis eine oder beide Seiten sich ergeben, fliehen, oder schwer verwundet oder tot sind. Was in der Zeit passieren kann, sind entweder besonders glückliche Treffer, oder entsprechend unglückliche Patzer, Verletzungen aller Art, möglicherweise veränderte Umweltfaktoren.

Ich verstehe nicht recht, worauf Du hinaus möchtest.

Ich stelle erst einmal fest, was (für mich) nicht wünschenswert ist: Zufallsprozesse, die nicht (oder nur sehr, sehr selten) zu einer Lageänderung führen.

Jetzt kann man sich natürlich überlegen, wie man das behebt. Eine Möglichkeit ist, das System so zu gestalten, DASS (fast) jeder Zufallsprozess zu einer Lageänderung führt. Mit einem sehr tödlichen Kampfsystem ginge das z.B. Oder mit einem taktischen Bewegungssystem, wo sich die Lage eben doch ändert. Oder mit Statuseffekten. Es wird noch mehr Möglichkeiten geben.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ArneBab am 4.10.2018 | 20:27
Der beständige Wechsel von Attacke zu Parade und umgekehrt, wie er in DSA üblich ist, stellt eher die absolute Ausnahme dar.
Kurzer Einwurf: Bei uns waren in DSA3 Attacke-Serien beliebt. Das bricht das auch schon auf. Dazu gab es Finten (geben einen Bonus für die nächste Aktion) und gezielte Angriffe (geben dem Gegner einen Malus auf die Verteidigung). Irgendwie ist es komisch, dass sich das wohl nicht durchgesetzt hat.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: felixs am 4.10.2018 | 20:32
Jetzt kann man sich natürlich überlegen, wie man das behebt. Eine Möglichkeit ist, das System so zu gestalten, DASS (fast) jeder Zufallsprozess zu einer Lageänderung führt. Mit einem sehr tödlichen Kampfsystem ginge das z.B. Oder mit einem taktischen Bewegungssystem, wo sich die Lage eben doch ändert. Oder mit Statuseffekten. Es wird noch mehr Möglichkeiten geben.

Eine Verletzung wäre dann also eine Lageänderung in Deinem Sinn?
Dann habe ich einfach Deine Terminologie nicht verstanden.

Ich habe eine große Abneigung gegen Charakter-"Building", was Feuersänger oben "strategische Spielerentscheidungen" genannt hat.

Ich auch. Aber das sollte - wenn überhaupt - in einer separaten Diskussion durchgenudelt werden.
Wahrscheinlich hatten wir das auch schon mal.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ChristmasFrog am 4.10.2018 | 20:57
Jetzt kann man sich natürlich überlegen, wie man das behebt. Eine Möglichkeit ist, das System so zu gestalten, DASS (fast) jeder Zufallsprozess zu einer Lageänderung führt. Mit einem sehr tödlichen Kampfsystem ginge das z.B. Oder mit einem taktischen Bewegungssystem, wo sich die Lage eben doch ändert. Oder mit Statuseffekten. Es wird noch mehr Möglichkeiten geben.

An sowas bin ich auch gerade dran - wobei ich es mir nach der Designphase doch relativ langweilig vorstelle. Mein Ziel war hierbei, dass jeder Gegner in ca. 2 Aktionen erledigt werden kann. Dadurch gibt es leider eine recht offensichtliche "optimale" Strategie, wodurch mir das System erstmal recht eintönig vorkommt (an dieser Stelle vielen Dank an 1of3, dessen Star Trek pbta hier die Erleuchtung brachte).

Als ich nach einer langen Designpause nochmal darüber nachgedacht hatte, begann ich an Alternativen zum "HP runterkloppen" rumzudoktorn - leider hat das nicht viel gebracht, weil alle meine Versuche zunächst wieder auf eine Art "Zähle deinen Fortschritt, den Gegner zu überwinden" hinausliefen, nur unter anderem Namen. Ich wollte aber genau, dass die Möglichkeiten je Aktion in irgendeiner Weise die Lage ändern. Hierbei stellte sich unter anderem heraus, dass auch Zustände/Effekte nicht so cool sind: Eine Überlegung war z.B. einen Gegner dann aus dem Kampf nehmen zu dürfen, wenn er den Zustand "verwundbar" hat. Das werde ich wahrscheinlich beibehalten, aber es ist trotzdem sehr nah an einem groben HP-System. Also ob ich 2 HP runterkloppe und jede Runde 1 Schaden mache, oder einen Zustand X und dann Zustand Y ist halt doch dasselbe.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: nobody@home am 4.10.2018 | 21:01
Generell würde ich sagen, alle drei sind grob gleich wichtig. Die Charakterwerte müssen natürlich mit hineinspielen, schließlich ist es ja auch der Charakter, der überhaupt kämpft. Der Spieler braucht andererseits genügend taktische Optionen, um den Ausgang merkbar beeinflussen zu können, damit er interessiert und dabei bleibt (und meiner Ansicht nach krankt ein stumpfes Trefferpunkte-Runterkloppen mehr an einem Mangel an genau diesen als an eventuell daneben auch noch beteiligten Zufallselementen an sich). Und während ein guter Schuß reines Glück vielleicht noch am ehesten der Teil wäre, auf den man notfalls verzichten könnte -- Schach ist ja auch nach wie vor populär, auch wenn es mir persönlich nicht mehr viel bringt --, wäre das meiner Meinung nach weder besonders glaubwürdig (dafür gibt's auch in realen Kämpfen etwas zu oft für beide Seiten unvorhersehbare Ausgänge) noch wirklich interessant (denn wenn zu viele Kämpfe von vornherein absehbar nur nach Schema F ablaufen, wird das auch irgendwann fade); also paßt das auf jeden Fall auch noch mit in die Mischung.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: 6 am 4.10.2018 | 21:28
Als ich nach einer langen Designpause nochmal darüber nachgedacht hatte, begann ich an Alternativen zum "HP runterkloppen" rumzudoktorn - leider hat das nicht viel gebracht, weil alle meine Versuche zunächst wieder auf eine Art "Zähle deinen Fortschritt, den Gegner zu überwinden" hinausliefen, nur unter anderem Namen. Ich wollte aber genau, dass die Möglichkeiten je Aktion in irgendeiner Weise die Lage ändern. Hierbei stellte sich unter anderem heraus, dass auch Zustände/Effekte nicht so cool sind: Eine Überlegung war z.B. einen Gegner dann aus dem Kampf nehmen zu dürfen, wenn er den Zustand "verwundbar" hat. Das werde ich wahrscheinlich beibehalten, aber es ist trotzdem sehr nah an einem groben HP-System. Also ob ich 2 HP runterkloppe und jede Runde 1 Schaden mache, oder einen Zustand X und dann Zustand Y ist halt doch dasselbe.
Ich hatte mal vor einiger Zeit die Idee, mich von der Deckmechanik des Pathfinder Adventurecardgame inspirieren zu lassen. Dein Charakter besteht aus einem Kartenstapel mit verschiedenen Karten. Am Anfang Deines Zuges nutzt Du Deine Karten, die Du auf der Hand hast, um damit zu agieren. Wenn Du Schaden bekommst, werden Status- und einfache Wundkarten in das Deck reingemischt. Diese Karten haben, wenn sie auf der Hand sind negative Effekte. Sie können nicht als Aktionen verwendet werden.
So das grobe Konzept. Problem dabei: Das könnte sich schnell sehr brettspielig anfühlen.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: felixs am 4.10.2018 | 21:35
Etwas ähnlich ist vielleicht auch das Kartensystem von Castle Falkenstein. Es wird mit einem normalen 52-Karten-Blatt gespielt. Die vier Farben sind verschiedenen Bereichen zugeordnet und man kann bei jeder Probe entscheiden, ob und welche Karten man einsetzt. Entsprechend kann man das ganze Spiel über taktisch entscheiden, ob man bestimmte Karten für entsprechende Aufgaben behält, oder nicht.
Man könnte also z.B. eine Probe auf Reiten vergeigen und sich damit blamieren, hätte dafür dann aber die guten Karten noch für den Kampf.

Die Mechanik selbst bietet aber für den Kampf bei Castle Falkenstein überhaupt nichts interessantes. Das soll dort explizit über dramatisch erzählte Ausschmückungen erreicht werden. (Was nicht weiter stört - es geht normalerweise eh nicht um Leben und Tod).
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: 6 am 4.10.2018 | 21:38
Etwas ähnlich ist vielleicht auch das Kartensystem von Castle Falkenstein. Es wird mit einem normalen 52-Karten-Blatt gespielt. Die vier Farben sind verschiedenen Bereichen zugeordnet und man kann bei jeder Probe entscheiden, ob und welche Karten man einsetzt. Entsprechend kann man das ganze Spiel über taktisch entscheiden, ob man bestimmte Karten für entsprechende Aufgaben behält, oder nicht.
Man könnte also z.B. eine Probe auf Reiten vergeigen und sich damit blamieren, hätte dafür dann aber die guten Karten noch für den Kampf.

Die Mechanik selbst bietet aber für den Kampf bei Castle Falkenstein überhaupt nichts interessantes. Das soll dort explizit über dramatisch erzählte Ausschmückungen erreicht werden. (Was nicht weiter stört - es geht normalerweise eh nicht um Leben und Tod).
Hat was von Twillight Struggle ;)
Hört sich auf alle Fälle interessant an :)
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ArneBab am 4.10.2018 | 21:55
Aber was soll denn sonst noch passieren?
Man kämpft, bis eine oder beide Seiten sich ergeben, fliehen, oder schwer verwundet oder tot sind. Was in der Zeit passieren kann, sind entweder besonders glückliche Treffer, oder entsprechend unglückliche Patzer, Verletzungen aller Art, möglicherweise veränderte Umweltfaktoren.
Gegner können aufgeben (z.B. nach kritischem Treffer) oder sogar die Seite wechseln, ein verwundeter Charakter kann sich zurückziehen, um nicht noch mehr Wunden einzustecken, und stattdessen über Fernkampf, Magie o.ä. mithelfen, Charaktere können sich entscheiden, bleibende Schäden in Kauf zu nehmen, dafür aber diese Runde weitermachen, die SCs können einen geschwächten Gegner in die Zange nehmen, um ihn schnell auszuschalten, ein SC kann entführt werden, wenn die anderen weit genug weggetrieben wurden, eine starke Waffe mit extrem begrenzter Munition kann genutzt werden, …
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ArneBab am 4.10.2018 | 21:55
Bezüglich Zufall ist die grundlegende Frage für mich: Was BRINGT der Zufall denn?
Wenn jede Handlung etwas verändert, bringt der Zufall mehr Variation ins Spiel, reduziert aber die Ahängigkeit von einer einzelnen Handlung. Wenn du beim Schach einen falschen Zug machst, hast du oft schon verloren. Das wäre im Rollenspiel langweilig, weil es üblicherweise nicht einfach das nächste Spiel ohne Konsequenzen aus dem letzten gibt — es sei denn, alle sind so gut, dass diese Fehler extrem selten sind, UND alle wollen extrem taktisch spielen.

Zusätzlich vergrößert Zufall den Raum für Charakterspiel: Die Taktiker und Wertoptimierer mögen etwas besser sein, aber der Ausgang des Spiels hängt nicht *nur* an Taktik und werten. Wer imperfekt spielt kann also so trotzdem noch etwas beitragen, weil jeder zusätzliche gewürfelte Würfel eine weitere Chance auf Erfolg bietet.

Meine Erfahrung ist, dass Leute dann regelmäßig bereit sind, Risiken einzugehen, wenn die Erfolgswahrscheinlichkeit über 80% liegt.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ChristmasFrog am 4.10.2018 | 22:18
Ich hatte mal vor einiger Zeit die Idee, ...
Dazu gibt es auch noch eine interessante Mechanik aus dem Brettspiel Pandemic (hier abstrahiert dargestellt, als eine Art Wundsystem): Es gibt einen Kartenstapel mit negativen Effekten. Von diesem wird jede Runde gezogen, zu Anfang 2 Karten je Runde. Es gibt einen zweiten Stapel mit Ereignissen, darunter Epidemien (diese wären in einem Kampfsystem eher sowas wie Treffer oder kritische Treffer). Tritt diese auf, so werden die bereits gezogenen Effekt-Karten neu gemischt und wieder oben auf den Stapel gelegt, sodass die bereits aufgetretenen Effekte erneut eintreten können. Außerdem erhöht sich in gewissen Abständen die Anzahl der Karten, die man ziehen muss, sodass eine spannende Todesspirale einsetzt. Das Spiel hat noch andere Mechaniken, die ineinandergreifen um das ganze spannender zu machen.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: 6 am 4.10.2018 | 22:37
Ja, Pandemic kenne ich. Aber danke für den Reminder. Mal schauen, was sich da machen lässt. :)
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: YY am 4.10.2018 | 23:20
Ich habe mich für die goldene Mitte entschieden: Alle drei sollten relativ gleichwertig sein.

Die beste Taktik hilft nichts, wenn man nicht die Fähigkeiten hat, sie auch umzusetzen.
Umgekehrt muss man die verfügbaren Mittel und Fähigkeiten sinnvoll anwenden.
Und das alles hilft nichts, wenn das Universum einen Eimer Scheiße über mir auskippt... ;D

Natürlich ist das nicht immer ideal verteilt.
Manchmal gibt es eine alles überschattende Zielsetzung, die es erforderlich macht, große Risiken einzugehen.
Oder man hat es wirklich geschafft, die Rahmenbedingungen so weit zu beeinflussen, dass wirklich so gut wie nichts mehr schief gehen kann.


Andersrum betrachtet:
Wäre der Zufall der mit Abstand wichtigste Faktor, gäbe es keine interessanten Entscheidungen zu treffen (da bin ich ganz bei Pyromancer) - langweilig und ggf. frustrierend.
Wären Charakterfähigkeiten u.Ä. das Wichtigste, wird das Spiel zu einer strategischen Angelegenheit, bei der die jeweiligen taktischen Anwendungen eher Pflichtübung und/oder Kür sind als der Kern des Ganzen - kann mir am Rechner mal Spaß machen, aber im P&P taugt mir das eher nicht.
Und wenn Taktik fast allein entscheidet, sind damit Spielerfähigkeiten überbewertet und der Charakter bzw. dessen Werte treten mir zu weit in den Hintergrund. Dann spiele ich lieber gleich ein "richtiges" Wargame oder ein anderes Brettspiel.


Charakterfähigkeiten und Taktik sind dann so gesehen 2/3 des Gesamtbildes - find ich ok.


Randgelaber:
Also kamen wir auf die Idee eine Kampfrunde in 30 Ticks einzuteilen, jeder Spieler plant für diese 30 Ticks verdeckt seine Aktionen und kann sich Ticks aufsparen um besser reagieren zu können wenn er nicht die Initiative gewinnt. Dann würfeln die Kontrahenten wer die Initiative gewinnt und dessen Aktionsliste wird dann abgearbeitet.

Uah, bloß nicht  :'(

Mit solchen blinden Ansagen kann man mich jagen. Vor allem, weil da erst mal nur der Spieler anstelle des Charakters gefordert ist und der dann auch noch aufgrund unzureichender Informationen entscheiden muss.
Das läuft erst dann halbwegs rund, wenn man den Gegner in einen recht dichten Kontext stellt - und in dem Moment brauche ich diese Art der Spielmechanik gar nicht mehr, weil das Verhalten schon mehr oder weniger festgelegt ist.



In einem Gespräch mit einem Freund stellte ich dann fest dass dies nicht die Art von Kämpfen abbilden würde wie ich sie für glaubhaft halte. In einem (zwei)Kampf führt üblicherweise derjenige der die Initiative hat eine ganze Reihe Schläge aus bevor beide Kämpfer wieder auf Distanz zueinander sind und ein paar Sekunden den Gegner nach einer Deckungslücke absuchen, anschließend kommt es wieder zu einem Schlagabtausch, in dem wieder ein Kämpfer klar in der Offensive und der andere in der Defensive ist.

Da wird für meinen Geschmack eine bestimmte (auch medial geprägte) Vorstellung zu weit verallgemeinert.
Wenn man die ganze Spielmechanik auf diese Grundlage stellt, gibt es leicht recht große Verwerfungen - es sei denn, man bewegt sich in einem Genre, wo das in den meisten Fällen gut hin kommt. Das ist dann aber im Grunde nur Mantel & Degen und mit etwas gutem Willen generische(re) Hollywood-ähnliche Kämpfe. 

An der Stelle würde ich mental erst mal wieder einen großen Schritt zurück treten und mir überlegen, was ich warum wie haben will. "Glaubhafte Kämpfe" als Ausgangspunkt steigt mitten im Prozess ein und wirft Überlegungen wie Genre, Spielgefühl u.Ä. über Bord. Und obendrauf muss man dann zuerst mal klären, was man warum für glaubhaft hält - ohne ausführlichen Kommentar kann das nur für Leute funktionieren, die das mehr oder weniger zufällig genau so sehen.

Und wo ich gerade schon zum großen Reflektieren anrege, hier (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,103018.msg134505444.html#msg134505444) (auch um den verlinkten Beitrag herum) mal was zum Begriff der Initiative.

Wie gesagt: Man tut sich einen großen Gefallen, wenn man erst mal die Begriffe und althergebrachten Konzepte hinterfragt und sich darüber klar wird, was man überhaupt warum wie verregeln will.

In ähnliche Richtung:
Aus diesem (extremen) Standpunkt dürfte ein Spieler auch im Kampf keine taktischen Entscheidungen treffen die den Kampfausgang beeinflussen sondern man müsste den gesamten Kampf auf einen oder eine Reihe von vergleichenden Kampftalentproben reduzieren.

Tatsächlich interessiere ich mich grundsätzlich nicht sonderlich für konkrete Kampfmanöver - es sei denn, das System ist sehr detailliert, dann lasse ich mir das gefallen und dann geht es ja auch nicht anders.

Davon ab will ich als Spieler aber eigentlich nur die "großen" Entscheidungen treffen*. Sprich: Grundsatzentscheidung weiterkämpfen oder fliehen/aufgeben u.Ä., Zielauswahl (ggf. ist das schon grenzwertig kleinteilig...), Abstimmung mit anderen usw.
Ob der Angriff jetzt ein Stich oder ein Schnitt ist, in welchem Feuermodus eine Schusswaffe verwendet wird, welche Deckung beim Vorrücken für einige Sekunden genutzt wird usw. - das interessiert mich i.d.R. nicht und bei dem eher groben Detailgrad der meisten Systeme wäre ich allemal damit zufrieden, diese "Mikroentscheidungen" meinem Charakter zu überlassen und sie OOC in die Erzählung zu schieben, anstatt mich damit spielmechanisch auseinanderzusetzen.
Zu meinem Leidwesen belästigen mich aber viele Systeme damit, die diesen Detailgrad gar nicht durchgehend bedienen (können).


*z.B. Pendragon macht das ganz konsequent:
Da bestimmt der vergleichende Kampfwurf keinen Kleinkram wie Angriff bzw. Manöver XYZ gelungen, sondern auf welcher Seite der Wirkungstreffer erfolgt (!) - und die darauf aufbauenden bzw. daraus resultierenden Entscheidungen treffe ich als Spieler zwischen den Würfen (sprich: ohne konkreten spielmechanischen Bezug zu den Würfen).
Das ist natürlich was ganz anderes als sich in einem feinkörnigen Ticksystem mit 25 verschiedenen Manövern und 48 Konteroptionen zu beharken, aber alles andere als langweilig. Im Gegenteil könnten sich da viele komplexere Systeme mal ein Beispiel dran nehmen. Deren enorme Optionsvielfalt trägt nämlich meistens unterm Strich nichts zum Spiel bei und lenkt bei entsprechend ausgerichteter Spielmechanik mMn sogar vom eigentlichen Kern ab. 



Und noch mal etwas grundsätzlicher:
Grobes Vorgehen ansagen/Voraussetzungen schaffen/Modifikatoren ermitteln, würfeln, interpretieren und erst dann ausufernd erzählen. Sonst kommt da mMn ganz schnell riesiger Mist raus, egal ob im Kampf, bei sozialen Konflikten oder sonstwo.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ArneBab am 5.10.2018 | 00:04
In einem Gespräch mit einem Freund stellte ich dann fest dass dies nicht die Art von Kämpfen abbilden würde wie ich sie für glaubhaft halte. In einem (zwei)Kampf führt üblicherweise derjenige der die Initiative hat eine ganze Reihe Schläge aus bevor beide Kämpfer wieder auf Distanz zueinander sind und ein paar Sekunden den Gegner nach einer Deckungslücke absuchen, anschließend kommt es wieder zu einem Schlagabtausch, in dem wieder ein Kämpfer klar in der Offensive und der andere in der Defensive ist.
Ich habe für das EWS eine andere Szene als Vorlage genutzt: Die Schlacht um Osgiliath: https://youtu.be/POmdxFrb6kE?t=180 — ein typischer Kampf geht ein bis drei Kampfhandlungen, danach liegt einer von beiden am Boden. Gute Kämpfer haben bessere Chancen zu gewinnen, aber nichts ist wirklich garantiert. Initiative gibt es nur in Sonderfällen, meist handelt zuerst, wer zuerst ansagt zu handeln — auch wenn das "ich bereite mich darauf vor, zurückzuschlagen" ist.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ArneBab am 5.10.2018 | 00:31
Und wo ich gerade schon zum großen Reflektieren anrege, hier (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,103018.msg134505444.html#msg134505444) (auch um den verlinkten Beitrag herum) mal was zum Begriff der Initiative.
Das ist übrigens sehr lesenswert — und die Videos sind starke Beispiele. Danke!
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Eadee am 5.10.2018 | 09:11
Sehr interessante Links, danke dafür ich werde das in meine Überlegungen einbeziehen.

Um das Thema erzählerischen Kampf nicht zu ignorieren. Ich hatte erzählerisches deshalb kategorisch ausgeschlossen weil ich, wenn ich einen Kampf erzählerisch abhandle, das regeltechnische Kampfsystem vollkommen verlasse. Zumindest vermute ich dass das mein unbewusster Entscheidungsgang war.

Tatsächlich habe ich aber durch diese Frage (danke dafür) mich daran erinnert dass zB Fate ja tatsächlich erzählerische Aspekte in den Kampf einbringt die Regeltechnische Auswirkungen haben, ohne dass der Kampf auf Handwedeln und Meisterwillkür reduziert wird.

Vielleicht ist das auch das fehlende Puzzlestück um meine persönliche Problematik mit de Kampf zu lösen.






Was ich vorläufig aus der Argumentation der verschiedenen Sichtweisen ziehe ist eine klarere Erkenntnis dessen welche Aspekte in meinem Kampfsystem wichtig sein sollen und vor allem auch wieso:

Das Setting besteht aus einer weitgehend antik anmutenden Fantasywelt in die Menschen aus unserer nahen Zukunft hinein geraten. Da dies bedeutet, dass moderne Schusswaffen in dem Setting vorhanden (aber in begrenzter Anzahl ohne Aussicht auf neue Munition) sind, sollte der Fernkampf ziemlich tödlich sein. Im Nahkampf soll ein Treffer auch schwere Folgen nach sich ziehen (oder gar Kampfentscheidend sein) weshalb man tunlichst vermeiden wird zu kämpfen wenn man nicht meint einen entscheidenden Vorteil zu haben.
Da solche Vorteile nicht nur Überzahl sondern zB auch Moral, Vertrautheit mit der Umgebung und Positionierung in der Umgebung beinhalten bin ich fast gezwungen dazu narrative Elementen eine regeltechnische Auswirkung im Kampf zu geben.

Grundsätzlich ist mir ein "glaubhaftes" (nicht realistisch, das wäre übertrieben, aber glaubhaft) Kampfsystem wichtig in dem üblicherweise nur eine Partei das Ziel hat den Feind zu besiegen während die andere eher das Ziel hat unbeschadet aus dem Kampf zu entkommen um zu einem späteren Zeitpunkt zu den eigenen (siegverheißenden) Konditionen den Kampf suchen kann. Dabei soll es trotzdem möglich sein (nicht wahrscheinlich, aber möglich, sagen wir 20%) das Blatt mit taktischem Geschick und Würfelglück zu wenden.

Die Regeln sollen vor allem den Gruppenkampf gut abdecken. Kriege zwischen Armeen stehen nicht im Fokus des Spielgeschehens (auch wenn es Kriege in dieser Welt gibt).

Formale Duelle zwischen Einzelkämpfern sollten dagegen Situationen sein bei denen beide Parteien auf Sieg spielen statt nur auf Überleben. Wenn das Kampfsystem in der Lage ist Gruppenkampf und Duelle gleich gut abzubilden, toll, aber wichtiger ist dass es den Gruppenkampf so abbildet wie gewünscht.


Nachdem hier schon viel neuer Input gekommen ist der mich inspiriert hat freue ich mich schon auf weitere Beiträge!
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: YY am 5.10.2018 | 12:35
(Hoffentlich anregende) Gedankenfragmente:

Da dies bedeutet, dass moderne Schusswaffen in dem Setting vorhanden (aber in begrenzter Anzahl ohne Aussicht auf neue Munition) sind, sollte der Fernkampf ziemlich tödlich sein.

Fernkampf generell oder nur die modernen Waffen? ;)

Es gibt ja noch genug andere Fernkampfwaffen, mit denen man sich langfristig befassen kann/muss.

Im Nahkampf soll ein Treffer auch schwere Folgen nach sich ziehen (oder gar Kampfentscheidend sein) weshalb man tunlichst vermeiden wird zu kämpfen wenn man nicht meint einen entscheidenden Vorteil zu haben.

Jeder Treffer oder "echte" Wirkungstreffer?
Im Rollenspiel wird nämlich recht oft unterschlagen, wie gut Rüstung funktioniert - das betrifft auch wieder die modernen Feuerwaffen, die sich über antike Rüstungen kaputt lachen. Genau da würde ich regelseitig ansetzen, weil das die geringsten Umstände macht. So kann die "antike" Technik in sich geschlossen sein und die Feuerwaffen kommen als Fremdkörper hinzu, der eben einen Teil der Gleichung ignoriert.
Da wären dann ingame-Auswirkung und spielmechanische Abbildung weitgehend deckungsgleich, was mMn selten verkehrt ist :)


Aber generell muss man eben schauen, über welchen Kontext man spricht (siehe unten).
Oft wird von militärischen Waffen, aber ziviler Schutzausstattung (sprich: so gut wie keine) sowie Volltreffern ausgegangen und davon die Tödlichkeit abgeleitet. Rüstungen sind dann ein lieblos nachgeschobener, meist zu klein geratender Faktor*.
Das ist ungefähr so, als würde ich den Sturmgewehrschützen, der unbewaffnete und ungepanzerte Zivilisten zusammenschießt, als Grundlage meines Kampfsystems hernehmen. Das wird dann offensichtlich zu tödlich.


*Problematisch ist dabei oft die Suche nach einem Weg, Rüstungen (sehr) nützlich, aber nicht übermächtig zu machen und sich trotzdem nicht in verschiedenen Schadensarten u.Ä. zu verrennen.
Da lohnt sich mMn der Blick zu abstrakten Ansätzen wie in Der Eine Ring.

Wenn man z.B. Rüstung als binäre Frage betrachtet (also: trägt man eine gegen die angreifende Waffe grundsätzlich geeignete Rüstung - ja/nein?) und darüber die maximalen (nicht aber die minimalen!) Auswirkungen eines Angriffs bewertet, hat man grundsätzlich eine einfache und funktionale Methode.
Geht freilich nur, wenn das System ausreichend abstrakt ist - mit Trefferzonen u.Ä. ist man schnell in einem Bereich, wo man das so nicht mehr machen kann.

Da solche Vorteile nicht nur Überzahl sondern zB auch Moral, Vertrautheit mit der Umgebung und Positionierung in der Umgebung beinhalten bin ich fast gezwungen dazu narrative Elementen eine regeltechnische Auswirkung im Kampf zu geben.

Das sind ja nicht per se narrative Elemente - aber das ist eher eine Frage der Formulierung bzw. der Perspektive.
Sprich: Was gieße ich in "harte" oder vielmehr detaillierte Spielmechanik und was schmeiße ich in einen großen Trichter?

Man kann solche Dinge mit wenig Aufwand über eine Vor- und Nachteilsmechanik wie in D&D5 oder Mongoose Traveller 2nd abbilden. Bei Vorteil wirft man dann z.B. keinen einzelnen d20, sondern zwei und nimmt den besseren. Bei Nachteil umgekehrt.
Damit hat man vieles abgedeckt, ohne sich groß mit relativen Kleinigkeiten abgeben oder sehr schwammige Elemente spielmechanisch wirklich "greifbar" machen zu müssen.
Kernfrage ist da die Form der Aufrechnung - Traveller rechnet Vor- und Nachteile "echt" auf, während bei D&D5 beliebig viele Nachteile von einem einzelnen Vorteil aufgehoben werden und man dann normal würfelt (was ich nicht sehr intuitiv und auch sonst wenig gelungen finde).

Grundsätzlich ist mir ein "glaubhaftes" (nicht realistisch, das wäre übertrieben, aber glaubhaft) Kampfsystem wichtig in dem üblicherweise nur eine Partei das Ziel hat den Feind zu besiegen während die andere eher das Ziel hat unbeschadet aus dem Kampf zu entkommen um zu einem späteren Zeitpunkt zu den eigenen (siegverheißenden) Konditionen den Kampf suchen kann.

Da muss ich die Frage nach dem ingame-Kontext stellen.

Wenn Kriege nicht im Fokus stehen, warum und unter welchen Umständen kämpft man dann i.d.R.?
Das betrifft vor Allem die Frage nach der zum Einsatz kommenden Ausrüstung - gibt es typische Abenteurer, die schwer gerüstet umherziehen? Oder sprechen wir da von einem eher bodenständigen Setting, in dem im Alltag niemand mit kriegsähnlicher Ausrüstung unterwegs ist?

Das macht schnell etwa den Unterschied aus, ob man über keine oder sehr leichte Rüstung spricht und sich mit Dolchen, Kurzschwertern, Knüppeln, Schleudern und Kurzbögen beharkt oder ob man in schwerer Rüstung mit Helm und großem Schild unterwegs ist und dem Gegner mit langen Speeren u.Ä. zu Leibe rückt.
Für letzteres gibt es eben kaum einen nachvollziehbaren zivilen Anlass - Monster u.Ä. mal außen vor, gegen die das ggf. sinnvoll wäre.


Andere relevante Fragen sind die verfügbare medizinische Versorgung und die "übliche" Zielsetzung der Beteiligten. Wird z.B. bei gewonnen Kämpfen bzw. erlangtem Vorteil in fiesester Form nachgetreten?

Wie wichtig ist den Kämpfern die eigene Unversehrtheit? Das ist spielmechanisch selten wirklich greifbar, aber stellt den größten Einzelposten, warum reale Kämpfe selten so brutale, kompromisslose Frontalzusammenstöße sind wie im Rollenspiel. An der Stelle ist Zufall bzw. Unwägbarkeit wieder schwer relevant: Man sollte eben selten ganz genau wissen können, was in der nächsten Runde passiert und sich daher gut überlegen müssen, ob man wirklich noch eine Runde geht oder es lieber beim herausgeholten Vorteil belässt und seine Ziele erreicht, ohne die Gegenseite total ausradieren zu wollen (das ist dann übrigens auch im Krieg wieder so und einer der Faktoren, warum das seinerzeit vergleichsweise unblutig war).
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Eadee am 5.10.2018 | 15:32
Das Setting nimmt den "Antiken" Technologiestand schon relativ ernst. D.h. außerhalb von Armeen der größeren Reiche sind Rüstungen quasi nur bei irgendwelchen Stammeskulturen zu finden. Im Alltag gibt es einfach keinen Grund für ein Mitglied eines Reiches eine Rüstung zu tragen.

Waffen (vA Speere, Wurfspeere) sind verbreitet und für die Jagd oder Verteidigung gegen wilde Tiere genutzt. Schwertklingen sind eher kurz und Seitenwaffen. Selbst militärische Rüstungen bedecken selten den gesamten Körper sondern schützen vor allem Kopf und Torso vor tödlichen Treffern.

Und ein Treffer mit dem Bogen ist meiner Einschätzung nach nicht weniger verheerend als ein Treffer mit einer Kugel, weshalb die Aussage "Fernkampf ist ziemlich tödlich" sich nicht auf Feuerwaffen beschränkt.

Der Spielfokus soll auf Mysterien, Geheimnissen und Intrigen liegen und Kampf ein notwendiges Übel sein aber nichts was man leichtfertig provoziert. Ich gehe davon aus, dass eine Durchschnittliche Spielrunde zwar ein, zwei begabten Kämpfer haben wird, aber nur selten in einer Position ist in der sie schwerbewaffnet und gerüstet durch die Städte eines Reiches ziehen kann (schon allein das freie Umherziehen könnte in manchen Kulturen Missmut bei der Obrigkeit erzeugen). Dabei dürfen die Charaktere gerne hohe Positionen erreichen, aber je höher ihr Status desto mehr sind sie eben mit Verplichtungen eingedeckt. So können sie in größerem Rahmen Einfluss auf die Spielwelt nehmen, opfern dafür aber etwas der Handlungsfreiheit ihrer Charaktere.

Ich habe so das Gefühl das ich mit dieser Beschreibung etwas off-topic wandere, vielleicht mache ich demnächst lieber ein neues Thema auf damit hier weitere Leute ihre Meinung zum idealen Kampfsystem kundtun können.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: YY am 5.10.2018 | 16:29
Im Alltag gibt es einfach keinen Grund für ein Mitglied eines Reiches eine Rüstung zu tragen.

Joah - da ist die Frage, was man so vor hat und in welchen Kreisen man sich bewegt.
Über "zivile" Rüstungen analog zu heutigen Unterziehschutzwesten findet man so gut wie nichts. Die Vermutung liegt nahe, dass man da zumindest auf "dual use"-Kleidung zurück griff, sprich schwere Kleidung, die vielleicht nicht als Rüstung gedacht war, aber zumindest vor kleineren Waffen halbwegs Schutz bot.

Mit mehr Geld und Mitteln kann man sich da wieder einiges aus den Fingern saugen, aber das steht dann endgültig auf keiner verbrieften historischen Grundlage mehr und geht eher in Richtung "denkbar und nicht technisch unmöglich".

Und ein Treffer mit dem Bogen ist meiner Einschätzung nach nicht weniger verheerend als ein Treffer mit einer Kugel, weshalb die Aussage "Fernkampf ist ziemlich tödlich" sich nicht auf Feuerwaffen beschränkt.

Das ist zumindest für Langwaffen entschieden falsch, auch abseits vom Thema Rüstung.
Kommt natürlich drauf an, wie sehr man überhaupt simulieren will, aber wenn man das in den selben Topf wirft, sind entweder die antiken Fernkampfwaffen viel zu gefährlich oder die modernen (Lang-)Waffen zu harmlos.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ArneBab am 5.10.2018 | 23:15
Da solche Vorteile nicht nur Überzahl sondern zB auch Moral, Vertrautheit mit der Umgebung und Positionierung in der Umgebung beinhalten bin ich fast gezwungen dazu narrative Elementen eine regeltechnische Auswirkung im Kampf zu geben.
Dazu ein Erfahrungswert: Oft reicht es hier schon, Beispiele und eine Spannbreite der Boni und Mali anzugeben. Z.B. "für Überlegene Moral einen Bonus von 1 (aufmunternder Rede) bis 6 (Beweise, dass die Feinde Kinder fressen zusammen mit uneingeschränktem Vertrauen in ein Wunder)".
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Holycleric5 am 5.10.2018 | 23:20
Ich persönlich bevorzuge Charakterwerte und Würfelglück bei den Kämpfen.

Warum keine Taktik?
Andere Poster haben es bereits gesagt: Wenn ich mich rein auf Spielerentscheidungen im Kampf verlassen würde, könnte ich auch gleich Tabletop oder Schach spielen.

In einem guten Kampfsystem schätze ich, dass sich einerseits die Werte des Charakters im Kampf auswirken (Ein Magier ist meistens nicht so geschickt mit seinem Dolch wie ein Meuchelmörder), andererseits soll der Würfel eine gewisse Unberechenbarkeit in den Kampf bringen, damit Kämpfe nicht wie im Schachspiel nach Schema F ablaufen.

Warum Charakterwerte?
Auch Attribute und Fertigkeiten sollen sich auf den Kampf auswirken, z.B. auf die Trefferchance, den verursachten Schaden oder die Menge des Schadens, den man einstecken kann.
Anhand meiner Werte möchte ich sagen können: "Ich halte mich lieber aus den Kämpfen raus", "Ich stelle mich dem Ork im Nahkampf" oder "Ich bewege mich auf den feindlichen Bogenschützen zu und greife ihn mit meiner eigenen Fernkampfwaffe an." o.ä.


Auch die Werte der Ausrüstung sind für mich wichtig, wobei ich mit der Zeit gemerkt habe, dass ich dort einen etwas höheren Komplexitätsgrad bevorzuge.

1. Beispiel "niedrigerer" Komplexität:

Pathfinder
Waffen haben als einheitliche Grundwerte nur den Schadenswürfel, den Krit-Breich, den Krit-Multiplikator und die Schadensart. Einige Waffen haben noch Zusatzeigenschaften wie Reichweite und zu-Fall-bringen.

2. Beispiel "höherer" Komplexität:

Warhammer 4
Waffen haben als einheitliche Grundwerte Schaden, Spezialeffekte (wie z.B. "Verringerter Schaden gegen Rüstungsträger" oder "Mehr Möglichkeiten auf kritische Treffer") und die Reichweite, die es in mehreren Abstufungen von "Personal" (Faustkampf) bis "Massive" (Pike) gibt.
Neben dem verursachten Schaden ist es also auch wichtig zu schauen, ob man nicht vielleicht eine Waffe mit Reichweite verwendet, um die Attacken des Gegners zu erschweren oder sogar "hinter" einem Verbündeten stehend zuzuschlagen.

Warum Würfelglück:
Wie oben schon erwähnt, möchte ich kein "Schachspiel". Und in Verbindung mit variablen kritischen Treffern und verschiedenen Trefferzonen fühlen sich die Kämpfe realistischer an. Die getroffenen Zonen sind nicht nur reine Erzählung (wie z.B. in Pathfinder), sondern haben auch noch unterschiedliche Krit-Wirkungen.
(Beispiel für Kritische Treffer aus Warhammer 4:
- Körpertreffer "Stunned 1, halbe Bewegung für 1W10 Runden. Zusätzlich: Endurance-Probe oder Zustand liegend"
- Beintreffer "Prone, Bleeding 2, Broken Bone (Minor). Zusätzlich: Endurance-Probe oder Stunned 1")

Und auch wenn einige Charakterklassen Wertetechnisch "schlechter" im Kampf sind, können sie so trotzdem mal einen "Glückstreffer" landen.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ArneBab am 5.10.2018 | 23:24
Noch etwas, das für Taktik interessant sein könnte: Ich habe praktisch berechnet, welche Auswirkungen bestimmte Kampftaktiken im EWS bedeuten, mit Beispielen für entsprechende Situationen: http://www.1w6.org/deutsch/sl-tipps/herausforderungen-taktik

Außerdem ein Vergleich von Kampf-Verläufen in verschiedenen Systemen: http://www.1w6.org/blog/drak/2009-05-04-das-regelwerk-beeinflusst-das-setting — DSA, Shadowrun, Gurps und natürlich das EWS (1w6)
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Berta Broken am 6.10.2018 | 02:17
Ich bemerke gerade folgende Spannung:

Die Planungsphase halte ich für besonder spannend: Welche Charakter-Konstellation hat die Spielergruppe, welche Ausrüstung? Welche Taktischen Manöver? Unter welchen Bedingungen wollen wir einen Kampf starten? Wie können wir das Schlachtfeld zu unseren Gunsten modifizieren?

Das eigentliche taktische Klein-Klein im tatsächlichen Kampf macht mir dann nichtmehr allzu viel Spaß, meistens einfach ein bisschen langweilig und un-immersiv.

Aber meinem Eindruck nach, scheint ersteres nicht zu funktionieren, wenn es nicht auch einen entsprechend komplexen und dynamischen Kampf gibt, oder? Bin ich jetzt für taktische Kämpfe, oder nicht?
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: YY am 6.10.2018 | 08:04
Aber meinem Eindruck nach, scheint ersteres nicht zu funktionieren, wenn es nicht auch einen entsprechend komplexen und dynamischen Kampf gibt, oder?

Wieso sollte es nicht?
Solange die genannten Rahmenbedingungen und Einflüsse ihre Wirkung zeigen, ist doch egal, wie komplex der "eigentliche" Kampf ist.


Taktisches Klein-Klein im Sinne von relativ stumpfer Fleißarbeit liegt mir auch nicht. Fein verregelt keine groben Fehler zu machen, ohne echte Entscheidungen zu treffen, finde ich meist langweilig.
Damit darf man mich gerne in Ruhe lassen und das alles an geeigneter Stelle grob gehäckselt in die Spielmechanik pressen.

Dazu gehört auch, mich an ein paar Stellen für das jeweils richtige Manöver o.Ä. "entscheiden" zu müssen, was dann auf mittlere und lange Sicht ggf. massive Auswirkungen hat - aber eben in der Form, ob ich den Kampf mit 80 oder 20 HP Rest gewinne und nicht so, dass man das unmittelbar im Kampfverlauf merkt. Brauch ich nicht.
 
Echte Entscheidungen müssen Eingang finden, den Rest können wir gerne flott runterwürfeln.
Deswegen störe ich mich auch daran, wenn komplexe Systeme mit dieser Art Fleißarbeit als besonders "taktisch" bezeichnet werden. Unterm Strich haben die nur mehr überflüssige Möglichkeiten, Fehler zu machen bzw. als Spieler an Stellen suboptimal zu handeln, die eigentlich Sache des Charakters bzw. der Charakterwerte sind. Es geht dann auch kein bisschen taktische Relevanz verloren, wenn ich diesen Krempel auf niedrigerem Detailgrad irgendwo in den Ritzen der Spielmechanik verschwinden lasse.

Und als kleiner Bonus ist das so für mich auch noch immersiver. Ab einem Punkt X ist es eben vorbei mit der hohen Taktiererei und es wird nur noch stumpf Gelerntes angewendet/SOPs runtergespult u.Ä. Eingreifen im Sinne einer (neuen) Richtungsentscheidung muss man dann erst wieder, wenn dabei irgendwas spürbar aus dem Ruder läuft oder diese Phase abgeschlossen ist.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Maarzan am 6.10.2018 | 10:14
Den Begriff "Taktik"/geschicktes Agieren "GA" kann man ja auf verschiedenen Ebenen  anwenden:

1) GA. am Setting, d.h. zu versuchen als Spieler/mit Spielerwissen aus den Settingsetzungen Vorteile zu erlangen.
2) GA. in den SIM-Regeln, d.h. durch geschicktes Anwenden von (dafür dann auch gemachten) Regeln im Rahmen der Charakterwerte und im Settingbezug Vorteile zu erlangen
3.) GA. in den GAM-Regeln, also geschicktes Agieren durch Anwendung von Regeln, welche nicht mehr unbedingt einen Bezug zum Setting haben oder gar direkt auf der Metaebene angesiedelt sind.

Ich bevorzuge dabei stark 2.) und halte auch einen der Settingsituation angemessen wirkenden Anteil Zufall für förderlich.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: nobody@home am 6.10.2018 | 10:29
Ich denke, wie detailliert das Kampfsystem am Ende ausfällt, ist noch mal eine ganz andere Frage, die mit der nach "welche Faktoren sind denn nun die entscheidenden?" eigentlich gar nichts zu tun hat. Man kann ein "taktisches" System ziemlich grob stricken, ohne daß es dadurch gleich aus der "Taktik zuerst"-Kategorie fliegt, und umgekehrt ein fast rein glücksbasiertes mit so vielen Zufallstabellen zuschmeißen, daß jedes Wimpernzucken eines Charakters mindestens dreimal Würfeln verlangt -- die reine Seitenzahl, die die Kampfregeln am Ende im vielleicht einmal fertig gedruckten Buch verbrauchen (wobei dann sowieso noch mal Formulierung und Layout hineinspielen...), ist also in dieser Hinsicht nicht besonders aussagekräftig.

Darüber, wieviel reine Fleißarbeit die Kampfabwicklung im Spiel verlangen wird, sagt sie uns dagegen meist schon eher etwas... >;D
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Oberkampf am 6.10.2018 | 11:06

Der Spielfokus soll auf Mysterien, Geheimnissen und Intrigen liegen und Kampf ein notwendiges Übel sein aber nichts was man leichtfertig provoziert. Ich gehe davon aus, dass eine Durchschnittliche Spielrunde zwar ein, zwei begabten Kämpfer haben wird, aber nur selten in einer Position ist in der sie schwerbewaffnet und gerüstet durch die Städte eines Reiches ziehen kann (schon allein das freie Umherziehen könnte in manchen Kulturen Missmut bei der Obrigkeit erzeugen). Dabei dürfen die Charaktere gerne hohe Positionen erreichen, aber je höher ihr Status desto mehr sind sie eben mit Verplichtungen eingedeckt. So können sie in größerem Rahmen Einfluss auf die Spielwelt nehmen, opfern dafür aber etwas der Handlungsfreiheit ihrer Charaktere.

Wenn ich das lese, würde ich sagen, mach dir mit dem Kampfsystem nicht so einen Kopf, andere Aspekte sind in deinem Spiel viel wichtiger. Überleg dir ein paar Regeln, wie Spieler sinnvoll einen Kampf vermeiden können, z.B. durch Schleichen, Täuschen, Herauslabern oder Weglaufen, und was passiert, wenn diese Versuche misslingen. Halte die mechanischen Aspekte klein und die Konsequenzen groß - du willst kein traditionellen Actionsystem wie D&D, Pathfinder oder das frühe DSA, sondern ein Spionage-, Ermittlungs- oder Intrigenspiel. Kämpfe sind in deinem Spiel nebensächlich.

Schau dir an, wie GUMSHOE oder Leverage Kämpfe regelt. Bei Gumshoe (Nights Black Agents) haben Kämpfe zwar noch eine gewisse Funktion in der Abenteuerwelt, sie sind aber nicht sonderlich tief verregelt (wenn man es z.B. mit PF vergleicht). Bei Leverage werden Kämpfe einfach wie jede andere Probe abgewickelt.

Zum Threadthema:
Persönlich bevorzuge ich mittelmäßig detaillierte Kampfsysteme (da mir Kämpfe im Rollenspiel SPASS machen!), in denen Taktik, Charakterentwicklung und Glück etwa gleich große Einflüsse auf den Verlauf haben. Charakterentwicklung vielleicht ein bisschen mehr als Taktik und Taktik ein bisschen mehr als Glück, aber Fortuna darf auf keinen Fall ausgeschlossen werden. Wenn nur Charakterentwicklung und Taktik den Kampf bestimmen, werden die Kämpfe schnell nur von den Optimierern und/oder Taktikern bestimmt und es geht nur noch um die Suche nach den besten Synergieeffekten und optimalen builds. Kämpfe werden (meinem Eindruck nach) dadurch relativ schnell eintönig, vorhersehbar und für den Spielverlauf langweilig.

Wenn die Kämpfe zu sehr auf Glück (Würfelglück) und Zufall basieren, tritt der entgegengesetzte Effekt ein, Optimierer und Taktiker haben das Gefühl, dass ihre Spielmotivationen ignoriert werden, Kämpfe werden zu riskant, zu unvorhersehbar und damit auch letzten Endes zu unwichtig für den Handlungsverlauf. Wenn du Kämpfe grundsätzlich unattraktiv in deinem Rollenspiel machen willst, bau ein schnelles, stark zufallsbasiertes System.

 
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: felixs am 6.10.2018 | 11:30
Bei Gumshoe (Nights Black Agents) haben Kämpfe zwar noch eine gewisse Funktion in der Abenteuerwelt, sie sind aber nicht sonderlich tief verregelt (wenn man es z.B. mit PF vergleicht). Bei Leverage werden Kämpfe einfach wie jede andere Probe abgewickelt.

Kannst Du das etwas näher erläutern?
PF ist auf einer Kampfsystemskomplexitätsskala von 1 bis 10 sicherlich mindestens eine 8. Es geht ja (überspitzt gesagt) um praktisch nichts anderes in dem Spiel...
Wie funktioniert das, wie lange dauern Kämpfe in Realzeit, wie tödlich ist das?

(Hoffe, das bringt uns nicht zu weit vom Thema weg - ich verspreche auch, dass ich wirklich nicht diskutieren will. Bin nur neugierig).
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Rhylthar am 6.10.2018 | 12:02
Zitat
Wie funktioniert das, wie lange dauern Kämpfe in Realzeit, wie tödlich ist das?
Kann man pauschal nicht beantworten, weil zu viele Faktoren mit drinhängen.

Über den Daumen gepeilt kann man sagen (Rocket Tag außen vor), dass auf höheren Stufen mit vielen Möglichkeiten auf beiden Seiten die Kämpfe auch mal Stunden dauern können.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Oberkampf am 6.10.2018 | 12:19
Kannst Du das etwas näher erläutern?
PF ist auf einer Kampfsystemskomplexitätsskala von 1 bis 10 sicherlich mindestens eine 8. Es geht ja (überspitzt gesagt) um praktisch nichts anderes in dem Spiel...
Wie funktioniert das, wie lange dauern Kämpfe in Realzeit, wie tödlich ist das?

(Hoffe, das bringt uns nicht zu weit vom Thema weg - ich verspreche auch, dass ich wirklich nicht diskutieren will. Bin nur neugierig).


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Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: felixs am 6.10.2018 | 12:32
Dankeschön!  :)
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Supersöldner am 6.10.2018 | 12:46
Taktischer Kampf in einem Pen and Paper wie geht das eigentlich ?
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ArneBab am 6.10.2018 | 13:03
Wenn ich das lese, würde ich sagen, mach dir mit dem Kampfsystem nicht so einen Kopf, andere Aspekte sind in deinem Spiel viel wichtiger. Überleg dir ein paar Regeln, wie Spieler sinnvoll einen Kampf vermeiden können, z.B. durch Schleichen, Täuschen, Herauslabern oder Weglaufen, und was passiert, wenn diese Versuche misslingen. Halte die mechanischen Aspekte klein und die Konsequenzen groß - du willst kein traditionellen Actionsystem wie D&D, Pathfinder oder das frühe DSA, sondern ein Spionage-, Ermittlungs- oder Intrigenspiel. Kämpfe sind in deinem Spiel nebensächlich.
Guter Punkt. Und gib Möglichkeiten, den Kampf ohne (weiteren) Schaden zu beenden: Aufgeben, Fliehen, Um Gnade Flehen, Verhandeln, … am Besten deutlich früher als tödliches.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Eadee am 7.10.2018 | 09:05
Wenn ich das lese, würde ich sagen, mach dir mit dem Kampfsystem nicht so einen Kopf, andere Aspekte sind in deinem Spiel viel wichtiger.

Keine Sorge,  während ich diesen Thread hier laufen lasse ruht meine Arbeit an anderen Aspekten des Spieles nicht.

Allerdings ist mir eine glaubhafte Regel/Spielwelt-Interaktion sehr wichtig, daher muss ich die Grundlagen des Kampfsystems und des Magiesystems fertigstellen bevor ich in die Details gehen kann wie die Kriegsführung aussieht und wie die genauen Machtverhältnisse gesichert werden.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ArneBab am 7.10.2018 | 23:44
Taktischer Kampf in einem Pen and Paper wie geht das eigentlich ?
In einer meiner Runden war jemand, der oft im richtigen Moment an der richtigen Stelle war und den Tag gerettet hat, meist ohne verletzt zu werden. Ansonsten gibt es Überzahl, mit Munition oder Astralpunkten haushalten, die Umgebung nutzen, usw.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Exar am 8.10.2018 | 11:37
Taktisch können viele Aspekte sein. Die Gegnerwahl, Position, Art der Attacken/Zauber/Skills, Rückzug, Flankierung, Ausnutzung des Geländes, usw.

Was die Umfrage angeht, habe ich auch "Alles drei ist gleich wichtig" gewählt.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Kampfsystem, bei dem es entweder keine Werte, kein Würfeln, oder keine Taktik gibt, zu meinem Lieblingskampfsystem werden könnte.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: Berta Broken am 8.10.2018 | 16:08
Wieso sollte es nicht?
Solange die genannten Rahmenbedingungen und Einflüsse ihre Wirkung zeigen, ist doch egal, wie komplex der "eigentliche" Kampf ist.


Taktisches Klein-Klein im Sinne von relativ stumpfer Fleißarbeit liegt mir auch nicht. Fein verregelt keine groben Fehler zu machen, ohne echte Entscheidungen zu treffen, finde ich meist langweilig.
Damit darf man mich gerne in Ruhe lassen und das alles an geeigneter Stelle grob gehäckselt in die Spielmechanik pressen.

[...]

Echte Entscheidungen müssen Eingang finden, den Rest können wir gerne flott runterwürfeln.
Deswegen störe ich mich auch daran, wenn komplexe Systeme mit dieser Art Fleißarbeit als besonders "taktisch" bezeichnet werden. Unterm Strich haben die nur mehr überflüssige Möglichkeiten, Fehler zu machen bzw. als Spieler an Stellen suboptimal zu handeln, die eigentlich Sache des Charakters bzw. der Charakterwerte sind. Es geht dann auch kein bisschen taktische Relevanz verloren, wenn ich diesen Krempel auf niedrigerem Detailgrad irgendwo in den Ritzen der Spielmechanik verschwinden lasse.

[...]

Ich denke jetzt schon eine ganze Weile drüber nach, ob ich dich entweder falsch verstanden habe, oder woran es liegt, dass mir kein triviales Beispiel für ein Nicht-Komplexes Kampfsystem einfällt, welches strategische Rahmenentscheidungen so stark gewichtet, wie mir das lieb wäre.
Vielleicht liegt es auch daran (und das halte ich aktuell für am wahrscheinlichsten), dass so ein System garnicht allzu trivial ist, also von der Idee her. Hast du vielleicht ein System, das sowas beispielsweise hinkriegt? Oder "Pseudo-Spielmechanik", die deine Herangehensweise an so ein System skizzieren kann? Ich wäre sehr neugierig!
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: YY am 8.10.2018 | 17:39
woran es liegt, dass mir kein triviales Beispiel für ein Nicht-Komplexes Kampfsystem einfällt, welches strategische Rahmenentscheidungen so stark gewichtet, wie mir das lieb wäre.

Das hängt auch davon ab, welche strategischen Entscheidungen das genau sind.
In deiner Aufzählung sind da am Ehesten Charakterkonstellation und verfügbare "taktische" Manöver problematisch, weil man da ganz schnell bei starken Kampfrollen/-nischen sowie Talenten, Sonderfertigkeiten u.Ä. landet, was dann natürlich auch im eigentlichen Kampfverlauf spielmechanisch detailliert zur Geltung kommen muss.

Zum Rest:
Vielleicht liegt es auch daran (und das halte ich aktuell für am wahrscheinlichsten), dass so ein System garnicht allzu trivial ist, also von der Idee her. Hast du vielleicht ein System, das sowas beispielsweise hinkriegt? Oder "Pseudo-Spielmechanik", die deine Herangehensweise an so ein System skizzieren kann?

Millennium's End und MongoTraveller 2nd können das ganz gut, aahaaaber hauptsächlich, indem sie viel von der strategischen Arbeitslast (sprich die Beurteilung hinsichtlich der Effektivität und Auswirkungen) und auch einiges in Sachen Taktik kurzerhand beim SL abladen*.
Millennium's End macht sich da aber sehr viel Mühe, einem wenig bewanderten SL sauber zu erklären, was warum wichtig ist - deswegen erwähne ich den ollen Schinken in diesem Kontext sehr gerne, obwohl das Prinzip sich mit jedem relativ einfachen System umsetzen lässt.

Die Idee/das Prinzip ist tatsächlich trivial, aber für den einzelnen SL, der das so machen will, ist es trotzdem Lern- und Einarbeitungsaufwand. Und da reicht einem eben höchstens der Fluff eine helfende Hand, aber von Spielmechanik unterstützt wird man da so gut wie nicht - also jenseits von guten Beispielen und Hinweisen, wie man passende Modifikatoren gestalten kann.
In verwandter Weise gilt das auch für die Spielerseite. Da muss man schon mit dem SL weitgehend auf einer Linie sein.

*Beide haben z.B. keine Spielmechanik für Deckungsfeuer und ME erklärt auch ganz explizit, warum das völlig in SL-Hand gelegt wird (Traveller folgt den gleichen Gedanken, spricht die aber nicht so klar aus).
Obendrauf hat ME gar keine durchgehende Initiative, sondern funktioniert relativ freiformig (!) und Ini gewürfelt wird nur an den Stellen, wo es wirklich um Sekundenbruchteile geht - dafür ist der Ini-Wurf dann aber wieder ziemlich durchdacht und kein stumpfer Vergleichswurf von Reaktion o.Ä.

Das alles braucht eben wie gesagt ein bisschen Sachkunde, ähnliche Vorstellungen von taktischen Sachverhalten auf beiden Seiten des SL-Schirms und das daraus resultierende Vertrauensverhältnis - ist also bei Licht betrachtet keine Leistung des Systems über (im Falle von ME) das Ansprechen und die Lernhilfe hinaus.


Ein bisschen exotisch bzw. eine gewisse Hybridform wäre Corporation. Das hat zwar strategisch diverse Sonderfertigkeiten u.Ä., die aber a) weder inhaltlich noch in ihrer Anzahl so ausufern wie in anderen Systemen und b) entweder direkt eingerechnet werden oder so stark nach Einsatzgebiet getrennt sind, dass man den Überblick nicht verliert.
Taktisch gibt es eine sehr übersichtliche Anzahl an "Manövern" oder vielmehr eine kleine Handvoll an Grundmechanismen, die quasi wie teils verbundene Schieberegler funktionieren und so mit einer einzigen Regel eine große Bandbreite an taktischem Verhalten abdecken.
Z.B. kann man frei wählbar bis zur Attributshöhe des Reaktionsattributes sich und dem Gegner einen Angriffsmalus verpassen und bei Verzicht auf den eigenen Angriff bis zur Attributshöhe +2.
Ähnlich funktioniert es bei gezielten Angriffen, die einen Angriffsmalus bis zur Höhe der eigenen Fertigkeit 1:1 in zusätzlichen Schaden verwandeln - schnell erklärt, leicht verständlich und immer wieder eine relevante Entscheidung, die meist keine offensichtlich beste Lösung hat.


Immer noch zu abstrakt?
Dann brauche ich ein paar lenkende Fragen...  :)
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ChristmasFrog am 8.10.2018 | 19:22
Guter Punkt. Und gib Möglichkeiten, den Kampf ohne (weiteren) Schaden zu beenden: Aufgeben, Fliehen, Um Gnade Flehen, Verhandeln, … am Besten deutlich früher als tödliches.
Damit ist meine Erfahrung: Sobald man ein System mit HP ohne Todesspirale bzw. ohne langfristige Konsequenzen durch Schaden hat wird gekämpft bis knapp vor 0 HP, und selbst einige Verbündete die temporär außer Gefecht sind, gelten noch als akzeptabel um weiterzumachen.
Das betrifft die Spieler, die meistens irgendeine Heilungs-Option haben, genauso wie den Spielleiter, dessen Gegner/Monster sich meistens (freiwillig oder unfreiwillig) in einer "da dringt jemand in unser Habitat ein und wir kämpfen bis zum Tod"-Situation befinden, insbesondere weil die Spieler meistens keinen guten Grund haben sie am Leben zu lassen.
Kämpfe, die z.B. bei 50% HP für eine Partei in Flucht oder Gefangennahme enden, hatte ich eher selten. Auch bei der oben erwähnten Todesspirale + Konsequenzen wird aus Erfahrung eher weitergemacht solange es geht, als sich zurückzuziehen, falls die Spieler eine annähernd ausgeglichene Chance wittern noch zu gewinnen. Falls die Opposition deutlich mächtiger ist, kommt Flucht, etc. eher vor.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: nobody@home am 8.10.2018 | 20:08
Damit ist meine Erfahrung: Sobald man ein System mit HP ohne Todesspirale bzw. ohne langfristige Konsequenzen durch Schaden hat wird gekämpft bis knapp vor 0 HP, und selbst einige Verbündete die temporär außer Gefecht sind, gelten noch als akzeptabel um weiterzumachen.
Das betrifft die Spieler, die meistens irgendeine Heilungs-Option haben, genauso wie den Spielleiter, dessen Gegner/Monster sich meistens (freiwillig oder unfreiwillig) in einer "da dringt jemand in unser Habitat ein und wir kämpfen bis zum Tod"-Situation befinden, insbesondere weil die Spieler meistens keinen guten Grund haben sie am Leben zu lassen.
Kämpfe, die z.B. bei 50% HP für eine Partei in Flucht oder Gefangennahme enden, hatte ich eher selten. Auch bei der oben erwähnten Todesspirale + Konsequenzen wird aus Erfahrung eher weitergemacht solange es geht, als sich zurückzuziehen, falls die Spieler eine annähernd ausgeglichene Chance wittern noch zu gewinnen. Falls die Opposition deutlich mächtiger ist, kommt Flucht, etc. eher vor.

Das mag mit daran liegen, daß sich der Preis für Aufgeben/Flucht/Gefangennahme/wasauchimmer in der Wahrnehmung der meisten Spieler erst mal gar nicht wirklich so sehr von dem für Tod-durch-auf-Sieg-setzen unterscheidet. Verloren hat man dann schließlich so oder so, und ob die Spieler im Eifer des Gefechts so sehr speziell am nackten Überleben ihrer Spielweltavatare hängen, daß sie für eine möglicherweise ohnehin trügerische Aussicht darauf eine auch noch so theoretische letzte Chance sausen lassen, statt dessen doch noch irgendwie zu gewinnen, ist alles andere als sicher -- irgendwo mögen da im Hinterkopf ja durchaus noch Vorstellungen wie "ist ja eh nur ein Spiel" oder am Ende gar "die SL traut sich ja doch nicht" herumspuken, die die Charaktere selber aus Mangel an Kenntnis darüber, daß sie eigentlich "nur" Spielfiguren sind, zwangsläufig so gar nicht erst hätten.

Anders sieht's gegebenenfalls bei Systemen aus, die einen rechtzeitigen Rückzug aktiv zusätzlich belohnen, weil sich dadurch Kosten und Nutzen der jeweiligen Entscheidung tatsächlich fühlbar verändern können. Davon gibt's nur meines Wissens nicht so besonders viele; das einzige, das mir spontan einfällt und diesen Ansatz ausdrücklich aktiv verfolgt, ist Fate, aber vielleicht übersehe ich da ein noch paar Zwischentöne...
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ChristmasFrog am 8.10.2018 | 20:38
Anders sieht's gegebenenfalls bei Systemen aus, die einen rechtzeitigen Rückzug aktiv zusätzlich belohnen, ...

Stimmt, da gibt es auch noch so ein paar. (New?) World of Darkness macht das auch relativ interessant, da wird (grob aus der Erinnerung) es so gehandhabt:
1) Du hast Skrupel, andere Leute zu töten und musst Ressourcen (Willenskraft) bezahlen, um kampfunfähige zu Verletzen, wenn das nicht dein eigentliches Ziel ist
2) Du bekommst Zustände (Angst, Wut, was auch immer), für das Ausspielen derselben und Auflösen bekommst du Erfahrungspunkte. Hier wäre es also auch möglich, dass man ab einem gewissen Grad an Verletzung solche Zustände bekommt und z.B. wieder Ressourcen aufwenden muss, um weiterzukämpfen anstatt sein eigenes Leben zu retten.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ArneBab am 8.10.2018 | 23:10
Ich denke jetzt schon eine ganze Weile drüber nach, ob ich dich entweder falsch verstanden habe, oder woran es liegt, dass mir kein triviales Beispiel für ein Nicht-Komplexes Kampfsystem einfällt, welches strategische Rahmenentscheidungen so stark gewichtet, wie mir das lieb wäre.
Für ein Rollenspiel habe ich das nicht. Für ein Spiel habe ich es: Das Beispiel ist Go. Du setzt nur Steine. Die Komplexität entsteht durch die indirekte Interaktion zwischen Positionen.

Für das EWS kommt Taktik vor allem durch Überzahlregeln (was nahe an Positionierung ist) und Wundabzüge. Und halt durch gezielte Abzüge: Dein Malus im Wert gibt dir den dreifachen Bonus beim Schaden — falls du triffst und nicht etwa dein Gegner.
Titel: Re: Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Beitrag von: ArneBab am 8.10.2018 | 23:17
Anders sieht's gegebenenfalls bei Systemen aus, die einen rechtzeitigen Rückzug aktiv zusätzlich belohnen, weil sich dadurch Kosten und Nutzen der jeweiligen Entscheidung tatsächlich fühlbar verändern können. Davon gibt's nur meines Wissens nicht so besonders viele; das einzige, das mir spontan einfällt und diesen Ansatz ausdrücklich aktiv verfolgt, ist Fate, aber vielleicht übersehe ich da ein noch paar Zwischentöne...
Ich erinnere mich noch daran, wie eine Spielerin alleine durch die Erwähnung des Risikos "wenn du das übertreibst könntest du ausbrennen" angefangen hat, sich viel mehr zurückzuhalten und andere Wege zu suchen. Selbst sowas kann also schon viel bringen — ohne konkrete Regeln (war noch mit Gurps).