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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspiel- & Weltenbau => Thema gestartet von: YY am 3.11.2018 | 02:51

Titel: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 3.11.2018 | 02:51
(Achtung, Mammutbeitrag - war ja irgendwie klar ;))

Aus halbwegs aktuellem Anlass wird es mal wieder Zeit für eine Grundsatzbetrachtung eines althergebrachten Elementes des "klassischen", konventionellen Rollenspiels.

Wie in anderen Beiträgen aus dieser lockeren Betrachtungsreihe geht es mir hauptsächlich um Systeme, die eher verlaufsorientiert und nicht gar zu abstrakt sind.
In diesem Kontext ist das ziemlich selbsterklärend, weil man das Thema in abstrakteren und/oder narrativ geprägten Systemen sowieso nicht sinnvoll spielmechanisch verwursten kann.
Das geht bis hin zu abstrakten Systemen, die zwar eine eigene Kampfmechanik haben, aber z.B. nach einer vergleichenden Probe eine Liste von allgemeinen Effekten zur Wahl stellen - wenn in dieser Liste Dinge auftauchen, die in weniger abstrakten Systemen strukturell zum Grappling gehören (müssen*), dann ist Grappling sowieso nur Farbe.
Wer ab hier noch einige Schritte weiter vom Abstrakten weg hin zum Konkreten geht, kommt irgendwann in die Verlegenheit, sich für oder gegen Grappling-Regeln entscheiden zu müssen.


Gehen wir erst mal die Frage an, wegen der die meisten wahrscheinlich überhaupt hier rein schauen:
Wie und warum ist Grappling in so vielen Systemen dermaßen daneben?

Grundlage der üblichen Fehler ist der, dass Grappling eine nachgeschobene Randüberlegung ist, i.d.R. weil man das unbestimmte Gefühl hat, dass man es unbedingt drin haben müsste - weil...öhm...weil...ach ja, weils das in echt™  auch irgendwie gibt ;)

Von dieser Grundlage ausgehend lässt sich die Problematik mit absteigendem Schweregrad in folgende vier Kategorien einteilen (von denen oftmals die höherwertigen die anderen mit einschließen):

1) Die Grappling-Regeln produzieren Unsinn.
Geschickte Halblinge ringen mühelos Elefanten zu Boden und erwürgen Drachen. Bei zwei gleich großen, gleich starken Ringern kann niemals einer gewinnen - oder jedenfalls nicht in wenigen Kampfrunden. Ein Punkt Stärkeunterschied macht alles Würfeln überflüssig. Grappling ignoriert Levelboni. Uvm.
 
Das wiederum lässt sich aufteilen in
- Unsinn, von dem die Autoren meinen, er wäre völlig in Ordnung (weil sie falsche Vorstellungen davon haben, was da passiert bzw. passieren sollte),
- Unsinn, von dem einfach keiner merkt, wie blödsinnig er ist, weil die Randerscheinung Grappling nicht mal ansatzweise so intensiv getestet wird wie der Rest des Kampfsystems. Das können dann allgemeine Fehler sein oder solche, die nur in speziellen Konstellationen auftreten (z.B. durch ungewollte Talentsynergien u.Ä.).

Gar nicht mal so relevant ist in der Spielpraxis die Unterscheidung, ob Grappling durch solche Fehlkonstruktionen viel zu gut oder viel zu schlecht wird.
Ist es zu schlecht, wird es einfach nicht genutzt.
Ist es dagegen zu gut, wird es kurzerhand gestrichen, weil keiner Bock auf Grappling: The Neck-Cranking anstelle von gar heroischem Schwertgeklapper hat. Sprich, es wird ebenso nicht genutzt.


2) Die Grappling-Regeln sind konzept- und ziellos.
Das geht in eine sehr ähnliche Richtung wie 1), nur dass nicht ganz so schlimmer Blödsinn verzapft wird.
Grappling hat dann "nur" keine relevante Anwendung, weil man nur so weit gedacht hat, dass es Grappling in echt™ gibt und es daher auch irgendwie im Kampfsystem auftauchen muss.
Wenn man sich aber nicht fragt, welche Rolle es im Gesamtbild spielt, kann man es auch nicht sinnvoll gestalten.
Das führt i.d.R. zu Grappling-Regeln, die einfach deswegen nicht genutzt werden, weil ihre erfolgreiche Anwendung keinen relevanten taktischen Zweck erfüllt - entweder gibt es gar keine sinnvolle und praxistaugliche Wirkung oder sie kann auch anders (und dann i.d.R. zuverlässiger und/oder schneller) erreicht werden.


3) Die Grappling-Regeln sind umständlich, unnötig komplex, schlecht erklärt bis unverständlich und/oder OT wie IT zeitraubend.
Das ist eher das Ergebnis, wenn sich die Autoren zu viele Gedanken machen statt zu wenig. Dann kommen jede Menge Detailbetrachtungen auf, die a) im "normalen" Kampfsystem kein Gegenstück haben bzw. viel komplexer sind als jenes und gleichzeitig b) keine relevant größere Ergebnisbreite produzieren.
Sprich: Grappling ist in solchen Fällen viel mehr Aufwand für gleiche oder schlimmstenfalls sogar schlechtere Ergebnisse.
Ganz plakativ: Wenn man einen Gegner in durchschnittlich zwei Runden wahlweise erschlagen oder kampfunfähig machen kann, grappelt man nicht durchschnittlich vier Runden an ihm rum ;)

Wer ein Beispiel für eine schlechte, weil umständliche und wenig intuitive Erklärung will, betrachte sich das D&D Grappling-Flowchart :)


4) Grappling ist unvollständig.
Bedeutet: Die Grappling-Regeln tun zwar, was sie sollen, aber decken manche Anwendungen überhaupt nicht ab.
I.d.R. liegt das daran, dass die Autoren einen zu engen Blickwinkel auf das Thema haben und am Ende stehen Regeln, die nicht alles umsetzen können, was die Spieler beim Thema Grappling suchen.

In weniger schlimmen Fällen gibt es diese Möglichkeiten anderswo im Kampfsystem (Klassiker: Entwaffnen). Das ist dann "nur" noch in eher detaillierten Systemen problematisch, wo man sich auf Grappling spezialisieren bzw. ordentlich Punkte dort versenken kann und am Ende nicht das kann, was man davon erwarten könnte.
Da kommt aber recht schnell der Punkt, wo man sich überlegen sollte, entweder Grappling spielmechanisch zu streichen (also auf Farbe zu reduzieren) oder die betreffenden Optionen/Manöver beim Grappling (und nur da) zu verankern.



Aus diesen Fehlern ergeben sich folgende Anforderungen:

Grappling-Regeln müssen sich sinnvoll ins Kampfsystem einfügen, d.h. einen klar umrissenen Anwendungsbereich haben und den auch ausfüllen können.
Sie sollen den selben Detailgrad und die selbe Grundmechanik haben wie der Rest des (Kampf-)Systems.
Und sie sollen vollständig sein in dem Sinne, dass sie alles liefern, was man von Grappling erwarten würde - speziell dann, wenn es diese Möglichkeiten nicht anderswo im System gibt.

Dementsprechend gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, warum Grappling radikal von der üblichen Spielmechanik abweichen sollte.
Egal, wie "normale" Angriffe abgehandelt werden (vergleichende Fertigkeitswürfe, Wurf gegen Schwellenwert etc. pp.) - warum sollte man das beim Grappling auf einmal groß anders aufziehen?
Ebenso hat man sich hoffentlich auch anderswo schon Gedanken gemacht, was passiert, wenn Fertigkeiten nicht vorhanden sind; entsprechend läuft das beim Grappling genau so.


Der "optimale" Detailgrad hängt vom restlichen System ab.

Als Beispiel für das untere Limit ziehe ich MongoTraveller 2nd heran - auch, weil hier in Sachen Verständlichkeit und Kürze der Präsentation kaum noch Verbesserungspotential besteht.
Dort wird eine vergleichende Nahkampfprobe gewürfelt und der Sieger sucht sich einen Effekt aus einer Liste aus (* (ja, das wird das selbe Sternchen wie oben ;) )).
Diese Effekte lassen sich nicht ohne Weiteres abseits von Grappling erreichen.
Man wird also nach kurzer Übung mit dem System meist vor der Probe schon wissen, welchen Effekt man erreichen will. Der große Vorteil dieser  Methode ist die einfache Notation - andernfalls müsste man alle Effekte einzeln als Manöver aufführen, die aber alle nach dem gleichen Muster funktionieren.

Als oberes Limit halbwegs sinnvollen Detailreichtums sehe ich Systeme wie GURPS 4 an.
Hier verteilt sich Grappling möglicherweise auf mehrere Runden und wird recht kleinteilig nach ziemlich konkreten Einzelhandlungen aufgeschlüsselt - aber das gilt für andere Nahkampfbetrachtungen auch.

Interessant ist GURPS 4 hier vor Allem für die Obergrenze der Darstellung:
GURPS (und AFAIK sogar Technical Grappling als detailreichste, grapplingspezifische Erweiterung) teilt Techniken "nur" in Kategorien und listet entschieden nicht einzelne, konkrete Techniken auf, die dann auch noch spielmechanisch unterschieden werden.
Natürlich könnte man das theoretisch tun, aber es liefert je nach Regelkonstrukt entweder keinerlei Mehrwert oder es schiebt das Ganze enorm in Richtung Spielerwissen/-fähigkeiten, also sozusagen "Grappling - Das Brettspiel" ;)

Weiterhin spräche man hier schnell über Feinheiten, die ohnehin im "Würfelrauschen" der 3d6-Probe untergehen und damit sowieso nur narrative Bedeutung haben können.
Andersrum will auch bei d100-Systemen niemand detailliert und zeitraubend Entscheidungen treffen, die dann einzelne Punkte auf der 100er-Skala ausmachen.


*Welche Anwendungen bzw. Effekte gehören jetzt zum Thema Grappling, sprich wann ist das Ganze halbwegs vollständig?
Die zwei offensichtlichen Maßstäbe sind wie so oft Genre und die Realität.

Genre hat je nach Blickwinkel den Vor- oder den Nachteil, schnell so beliebig zu werden, dass ordentlich strukturierte Grappling-Regeln verzichtbar werden - weil wie schon erwähnt die "normalen" Kampfoptionen abseits des Grappling große Teile von dessen Nützlichkeit ebenfalls abdecken können, wenn man bereit ist, das eine oder andere Hühnerauge zuzukneifen.
Dann reicht der normale Grundmechanismus des Kampfsystems und der Rest ist Farbe.


Bleibt als "Lieferant" also erst mal nur die schnöde Realität und von dort ausgehend schaut man dann, was möglicherweise verzichtbar ist oder (auch) woanders verwurstet werden kann**.

1:1 von MongoTraveller 2nd geklaut (aber umsortiert):

- den Gegner zu Boden bringen (mit allem, was je nach System damit zusammen hängt)
- den Gegner werfen (und sich dabei von ihm trennen - als Abgrenzung zum Takedown)
- den Gegner entwaffnen
- unbewaffnet Schaden anrichten (über Schläge, Hebel etc. - muss je nach System feiner aufgeschlüsselt werden)
- kleine Waffen einsetzen (Messer/Dolche, Pistolen u.Ä.)
- sich vom Gegner lösen
- den Gegner bewegen
- ohne Effekt aus dieser Liste weiter grappeln (was zusammen mit den allgemeinen Effekten Festhalten inklusiver aller zugeordneten Zustände abdecken kann)

Dazu kommen noch die allgemeinen Effekte, die alle Teilnehmer automatisch erleiden, wenn sie grappeln. Das können Auswirkungen auf die Initiative sein, auf Bewegungsmöglichkeiten, auf Angriffe abseits des anstehenden Grapplings usw.
Als einfachen und radikalen Ansatz hat MongoTraveller 2nd hier schlicht: Du darfst nichts anderes tun als zurückgrappeln.

Und schon sieht das mit einem winzig kleinen Abschnitt im Regelwerk ziemlich rund und vollständig aus.
Was jetzt noch fehlt (i.d.R. in eher speziellen Situationen), lässt sich problemlos in die bestehende Grundmechanik einfügen (gewinne den vergleichenden Wurf, dann darfst du - Beispiele für die zulässige "Größenordnung" der betreffenden Aktion gibt es ja genug).

Wenn man das komplexer macht und dabei in eine der oben genannten Fehlerkategorien stolpert - zurück ans Reißbrett.



**Und umgekehrt, was nicht woanders verwurstet werden sollte, weil man sich damit jede Menge Unsinn und aus der Luft gegriffene Folgeregeln einfängt, die keinem nachvollziehbaren realen oder IT-Sachverhalt entsprechen.

Paradebeispiel: der abstrakte Zustand "Im Nahkampf". Der ist nämlich bei Licht betrachtet nur ein schiefes Hilfskonstrukt für andere Regeln, die selbst wieder nur Krücken (weil sich niemand ganz am Anfang überlegt hat, was genau das Kampfsystem überhaupt in welcher Form darstellt) oder "das haben wir schon immer so gemacht" sind, insbesondere der elende Gelegenheitsangriff.
Man "braucht" diesen Zustand nur, wenn man bei der Runden- bzw. Aktionsstruktur geschlampt hat und/oder mit seiner Hilfe verpeilterweise Sachen abbilden will, die zu Grappling, nicht aber zu allgemeinem Nahkampf gehören.

Als kleines Gedankenexperiment nehme man sich mal ein beliebiges Kampfsystem und schaue nach, was es zu Langwaffen "im Nahkampf" sagt.
Oft darf man diese im Nahkampf nicht einsetzen, weil...ja weil halt. Ist ja alles zu hektisch und da fuchtelt ja einer mit einer Klinge und so...
Ein aufgepflanztes Bajonett darf man aber sehr wohl einsetzen, weil...ist ja eine Nahkampfwaffe. Oder so.
Distanz, Hektik oder sonst irgendwas kann hier offensichtlich kein schlüssiges Argument sein, weil die Voraussetzungen für den Bajonetteinsatz umfangreicher sind als die Voraussetzungen für die Schussabgabe und letztere komplett mit einschließen.

Der Zustand "Im Nahkampf" ist also keine glaubwürdige Methode, um (u.A.) Schusswaffen einzuschränken und Nahkampfwaffen auf diesem Wege konkurrenzfähig zu halten.
Will man den Schusswaffeneinsatz verhindern, hilft es nicht, mit einer Nahkampfwaffe anzugreifen - da hilft nur Grappling und das verhindert bei Erfolg auch den Gebrauch größerer Nahkampfwaffen, was wiederum für den Zustand "im Nahkampf" mal so gar keinen Sinn ergibt ;)


Das ist so eine Stelle, wo Grappling sich "natürlich" ins Gesamtbild einfügen könnte - aber Grappling verliert einen großen Teil seiner Existenzberechtigung in dem Moment, wo man diese ganzen Effekte schon großteils bei der buckligen Hilfskonstruktion "im Nahkampf" untergebracht hat (und damit nebenbei noch ganz andere Zwecke verfolgt wie die Einschränkung von Schusswaffen im Vergleich zu Nahkampfwaffen, was gerade keine inhaltlich schlüssige Begründung hat, sondern Atmosphäre-/Genrezwecken u.Ä. dient - und das sollte man dann auch offen an geeigneterer Stelle ansprechen, anstatt es unter diesem fadenscheinigen Deckmäntelchen der Plausibilität ins Kampfsystem zu schmuggeln).

Angesichts dieser Überlegung muss ich für meinen Teil nicht lange hadern, an welcher Stelle ich ausmiste, wenn ein System - wie das erwähnte MongoTraveller 2nd - verpeilterweise sowohl recht gelungene Grappling-Regeln als auch den überflüssigen Zustand "im Nahkampf" mit zugehörigen Sonderregeln nebeneinander postuliert ;)


Anderes Beispiel:

Bekanntlich sind Messer und Dolche im richtigen Kontext ja gar nicht mal so schlechte Waffen. Nur versuchen viele Systeme, nicht den tatsächlichen, sondern irgendeinen günstigen Kontext über absurd hohe Angriffsgeschwindigkeiten, Präzisionsboni und sonstige Irrungen und Wirrungen künstlich herzustellen, um Messer und Dolche im offenen Schlagabtausch konkurrenzfähig zu bekommen.
Der Knackpunkt ist aber, dass diese Waffen in einer Konfrontation mit anderen Nahkampfwaffen einen enorm schlechten Stand haben, solange man nicht über den Grappling-Bereich spricht.
Will heißen: Im Grappling-Kontext lassen sich größere Waffen wie besprochen nicht sinnvoll einsetzen und nur deswegen sind Messer und Dolche dort so gut - weil man sie überhaupt nutzen kann.

Das ist derart offensichtlich und spielmechanisch so einfach abzuhandeln, dass mir nicht in den Kopf will, warum sich so viele Systeme hier dermaßen schwer tun - abgesehen von der schon angesprochenen Fehlzuordnung vieler Faktoren zum überflüssigen Zustand "im Nahkampf" und der resultierenden Ratlosigkeit, was man mit Grappling eigentlich noch groß anfangen will.



Wollte ich nur mal gesagt haben ;D
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Tegres am 3.11.2018 | 08:37
Ich mus gestehen, ich musste das Wort erstmal googeln :D

Ich weiß nicht, ob du diesbezüglich die Cthulhu-Regeln kennst. Dort wird das ganze meiner Meinung nach sehr simpel und schön behandelt, ohne dass das man den Großen Cthulhu zu Boden werfen könnte.
Es gibt im Nahkampf die Option ganz normal anzugreifen und versuchen Schaden zu verursachen. Die geschieht entweder über "Handgemenge" (waffenloser Kampf oder kleine sowie improvisierte Waffen wie Messer, kleine Keulen, Bierflaschen, Stuhlbeine etc.) oder bei einer Waffe, bei der man Übung benötigt, um sie sinnvoll nutzen zu können wie Schwerter, Degen etc. über die entsprechende Fertigkeit.
Neben den Angriff mit dem Ziel, Schaden zu verursachen, gibt es noch sogenannte Kampfmanöver. Dies kann relativ viel sein. Den Gegner zu Boden ringen, entwaffnen, in den Schwitzkasten nehmen, aus den Fenster stoßen und optional, wenn man es etwas pulpiger mag, bewusstlos schlagen. Kampfmanöver funktionieren auch über die Fertigkeit "Handgemenge". Man bekommt eines Bonuswürfel, wenn die eigene Statur größer ist, als die des Gegners, und Maluswürfel, wenn die eigene kleiner ist. Gegen Gegner, die mehr als zwei Staturpunkte größer sind, kann man keine Kampfmanöver anwenden.
Angriff mit Schaden und Kampfmanöver funktionieren beide nach dem gleichen Prinzip. Der Angreifer würfelt auf seine entsprechende Fertigkeit und der Verteidiger würfelt entweder auf "Ausweichen" oder seinerseits auf seine Nahkampffertigkeit. Wenn er ersteres wählt, werden die Würfe verglichen. Hat der Verteidiger mindestens die gleiche Erfolgsstufe, wie der Angreifer, weicht er erfolgreich aus. Bei letzterem muss der Verteidiger eine bessere Erfolgsstufe erzielen, macht dann aber statt des Angreifers Schaden oder darf ein Kampfmanöver durchführen. Ausweichen ist also leichter als ein erfolgreicher Gegenangriff.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Oberkampf am 3.11.2018 | 09:49
Zu seligen Midgardzeiten (M2) war das Handgemenge zwar eine etwas umständlich geregelte, aber absolut spielbare Option, die einigen Wesen (Schlangen, Trolle, Bären & Großaffen) und spezialisierten Charakteren (waffenloser Kämpfer, Dolchkämpfer) nützliche taktische Optionen eröffnete. Wenn ich eigene Rollenspielregeln schreiben würde, würde ich mich in der Beziehung stark an Midgard orientieren (wie es aktuell in M5 verregelt ist, weiß ich nicht): Aus primär Stärke und sekundär Geschicklichkeit ergibt sich ein Handgemengewert, der das Einleiten eines Handgemenges, das Lösen vom Gegner bzw. das Festhalten beeinflusst. Mit waffenlosen Angriffen und Dolchen erhält man einen Angriffsbonus, mit anderen kurzen Nahkampfwaffen einen Malus, lange Nahkampfwaffen und Fernkampfaffen können im Handgemenge nicht eingesetzt werden.


Wer von außen mit einer Zweihandwaffe ins Handgemenge schlägt oder mit einer Fernkampfwaffe angreift, trifft einen zufällig Beteiligten (abhängig von Größenstufe). Wer mit einer normalgroßen Nahkampfwaffe angreift, erhält einen Malus. Mit einer kleinen Nahkampfwaffe kann man nicht von außen angreifen, ohne am Handgemenge teilzunehmen.


Ein Handgemenge einleiten ist tatsächlich riskant und löst einen Gegenangriff aus (Gegenangriffsregeln nach Vorbild D&D 5e kosten die Reaktion). Spezialfähigkeiten einer Klasse/eines Monsters können die Regel trumpfen.

Zugegeben, ein eigener Handgemengewert macht das Handgemenge etwas komplizierter als das normale Kampfsystem. Vielleicht kann man stattdessen einigen Handgemengespezialisten (z.B. Würgeschlangen) einen pauschalen Bonus zusprechen und evtl. noch die Größenkategorie berücksichtigen?
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Grimtooth's Little Sister am 3.11.2018 | 10:25
In welchem System kann denn bitte ein Halbling einen Elefanten umschmeißen?  >;D

Für mich ist die Lösung so oder so einfach - Hausregeln. Prompt klettern kleinere Wesen an größeren höchstens hoch.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: JS am 3.11.2018 | 13:30
YY hat es leider auf den Punkt gebracht. Die Ringenregeln aus viele Systemen haben uns allgemein so genervt, daß Handgemenge und Ringen im Kampf seit Jahren keine beachteten Optionen mehr sind. Meinen Leuten fielen vor Schreck wohl die Würfel aus den Händen, wenn ein Gegner plötzlich mit ihnen ringen oder sie "grapplen" würde.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 3.11.2018 | 14:40
Gegen Gegner, die mehr als zwei Staturpunkte größer sind, kann man keine Kampfmanöver anwenden.

Konsequent :d
Ich stelle mir oft die Frage nach dem Zweck, wenn an solche Dinge mit großem Zinnober derartige Mali gehängt werden, dass man es sowieso schlicht nicht probiert.

Angriff mit Schaden und Kampfmanöver funktionieren beide nach dem gleichen Prinzip. Der Angreifer würfelt auf seine entsprechende Fertigkeit und der Verteidiger würfelt entweder auf "Ausweichen" oder seinerseits auf seine Nahkampffertigkeit. Wenn er ersteres wählt, werden die Würfe verglichen. Hat der Verteidiger mindestens die gleiche Erfolgsstufe, wie der Angreifer, weicht er erfolgreich aus. Bei letzterem muss der Verteidiger eine bessere Erfolgsstufe erzielen, macht dann aber statt des Angreifers Schaden oder darf ein Kampfmanöver durchführen. Ausweichen ist also leichter als ein erfolgreicher Gegenangriff.

Ist denn der "reguläre" Nahkampf auch eine vergleichende Probe ähnlicher Art?
Könnte man ja grundsätzlich identisch regeln und dann gäbe es immerhin noch den Angreifervorteil für die vergleichende Probe - anders als z.B. in SR 2 oder 3, wo es grad bei Adepten sogar fette Boni für den Verteidiger geben konnte und man sich allein deswegen gar nicht mehr gegenseitig angreifen wollte  ;D

Wer von außen mit einer Zweihandwaffe ins Handgemenge schlägt oder mit einer Fernkampfwaffe angreift, trifft einen zufällig Beteiligten (abhängig von Größenstufe).

Das wäre mir dann doch zu restriktiv, zumindest als pauschale Regel - so schwer ist das dann auch wieder nicht oder jedenfalls nicht in allen Fällen. Erst recht nicht, wenn der "eigene" Grappler weiß, was man vor hat.

Zugegeben, ein eigener Handgemengewert macht das Handgemenge etwas komplizierter als das normale Kampfsystem. Vielleicht kann man stattdessen einigen Handgemengespezialisten (z.B. Würgeschlangen) einen pauschalen Bonus zusprechen und evtl. noch die Größenkategorie berücksichtigen?

Normaler Fertigkeitswert plus Bonus fürs Grappling und Einbeziehen der Größenkategorie klingt gut.

Bei Würgeschlangen ist man da mMn zwar schon deutlich im Genre-Bereich, aber das gilt bei Fantasy ja im Grunde für jedes Viehzeug.
Will heißen: Alles mögliche Getier kommt meistens ohnehin viel zu gut weg, weil die typische Abenteurergruppe sonst einfach Kleinholz draus machen würde.

Schon ein einzelner halbwegs kompetenter Mensch mit passender Ausrüstung ist den meisten Tieren deutlich überlegen.
Aber das ist eben für Rollenspielzwecke zu langweilig und umgekehrt will man nicht immer größte und/oder abstruseste Monster am Start haben ;)
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Tegres am 3.11.2018 | 15:10
Ist denn der "reguläre" Nahkampf auch eine vergleichende Probe ähnlicher Art?
Ja. Ein "richtiger" Angriff und ein Kampfmanöver laufen nach dem genau gleichen Schema ab. Lediglich Bonus- oder Maluswürfel werden zum Teil nach anderen Kriterien verteilt (Statur speilt bei einem normalen Angriff erstmal keine Rolle) und die Auswirkungen sind natürlicj andere.
Aber prinzipiell läuft Nahkampf bei Cthulhu immer so ab: Der Angreifer würfelt auf Handgemenge (oder ggf. auf "Schwert" etc.) und der Verteidiger kann sich entscheiden ob er versucht, auszuweichen, einen Gegenangriff durchzuführen oder ein Kampfmanöver zu probieren. Der Standard für NSCs und Monster ist der Gegenangriff.
Monster haben übrigens auch spezielle Kampfmanöver, wie "Festbeißen", "Umschlingen" etc. Das kann alles über den gleichen Würfelmechanismus abgebildet werden. lediglich die Konsequenzen sind jeweils andere.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 3.11.2018 | 15:40
Das sieht erst mal ziemlich gut aus :)

Nur der Vollständigkeit halber:
Wir sprechen da von CoC 7. Ed.?

Ich blicke bei den ca. zehntausend Chtulhu-Rollenspielen nicht mehr durch  ;D
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Tegres am 3.11.2018 | 16:01
Ja, exakt. Ich hab erst mit der 7. angefangen, deswegen kann ich nicht zu 100% sagen, wie es vorher war. Ich glaube aber, so etwas wie Kampfmanöver gab es nicht. Was es definitv nicht gab sind Bonus- und Maluswürfel (die analog zu Vorteil-/Nachteilswürfeln bei D&D5 funktionieren, sich aber nur auf die 10er-Stelle beim W100 beziehen). Ich muss sagen, dass sie mir als Regelelement recht gut gefallen.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 3.11.2018 | 22:32
Ich finde den Eingangspost schlüssig ⇒ gefällt mir, überlege, wie ich das verwenden kann. Das könnte das Problem lösen, dass Messer wenig sinnvoll sind. Wobei es mir eigentlich nicht gefällt, Sonderzustände zu haben … vielleicht finde ich dazu noch etwas anderes.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: fivebucks am 3.11.2018 | 23:10
Ein Problem was wohl öfter mal vor kommt: Überzahlsituation -
Gruppe gegen Einzelgegner. Einer aus der Gruppe hält den im Zweifel stärkeren Gegner fest der Rest der Gruppe haut drauf.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: General Kong am 3.11.2018 | 23:25
In welchem System kann denn bitte ein Halbling einen Elefanten umschmeißen?  >;D


Bei CHAMPIONS/ HERO System: Gegen Superhobbit (Strength 60) hat Jumbo keine Chance!

"Da- im Garten neben dem Maulwurfshügel! -  Ist es ein Gartenzwerg?!? Ist es ein Heinzelmann!?! NEIN - Es ist SUPERHOBBIT!"

Und schon gibt's wieder was auf den Rüssel!
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: JS am 4.11.2018 | 00:24
In D&D mit Stärke 20 und Ogerkrafthandschuhen und Gigantengürtel kann der Halbling mit Elephanten jonglieren.
:D
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 4.11.2018 | 07:39
In D&D mit Stärke 20 und Ogerkrafthandschuhen und Gigantengürtel kann der Halbling mit Elephanten jonglieren.
:D

Das ist dann halt das Gleiche wie beim kampfpanzerwerfenden Hulk:
Entweder ist das ganz explizit so gewollt oder jemand hat seine Spielmechanik nicht zu Ende gedacht - oder verlässt sich diesbezüglich auf die SL-Notbremse.


Wobei es mir eigentlich nicht gefällt, Sonderzustände zu haben … vielleicht finde ich dazu noch etwas anderes.

Ich sag mal so: Wenn schon (Sonder-)Zustände, dann wenigstens welche, die halbwegs Sinn ergeben ;D

Und ganz ohne Zustände oder sehr nah verwandte Konstruktionen kommt man einfach nicht aus, egal welchen Namen man dem Ganzen letztlich gibt.
Die Existenzberechtigung für Grappling-Regeln ist ja gerade die Überlegung, dass hier etwas deutlich anderes passieren soll als im Rest des Kampfsystems.

Sind alle angedachten Grappling-Effekte sowieso über die sonstige Spiel- bzw. Kampfmechanik zugänglich, kann das auch Farbe bleiben.
Aber gerade bei bestimmten Einschränkungen der gegnerischen Handlungsfähigkeit (und den zugehörigen Auswirkungen auf einen selbst) wird es für mich schnell schwer vorstellbar, das über die allgemeinen Kampfregeln abzuhandeln und obendrauf als "Nicht-Grappling" zu beschreiben.


Ein Problem was wohl öfter mal vor kommt: Überzahlsituation -
Gruppe gegen Einzelgegner. Einer aus der Gruppe hält den im Zweifel stärkeren Gegner fest der Rest der Gruppe haut drauf.

Jo, das wird z.B. dann schnell zum Ärgernis, wenn Grappling zeitlich zu stark gestreckt ist.
Etwa in der Form, dass der Angreifer mit seinem Wurf nur das Grappling erfolgreich einleitet und der Verteidiger sich erst in seiner Handlung befreien kann.
Selbst wenn er das ziemlich sicher schafft, gelten in der Zwischenzeit die allgemeinen Grappling-Effekte und seine Handlung ist obendrauf auch weg.

Ist Grappling aber z.B. eine vergleichende Probe mit Effektwahl durch den Sieger, überlegt man sich das zwei mal - und wenn es klappt, hat man es mit dem zugehörigen Risiko erkauft.

Blöd ist es natürlich auch, wenn Grappling grundsätzlich Dinge ignoriert, die für das Balancing im "normalen" Kampf essentiell sind. Das geht fast immer daneben - und fängt mit schnöden Fertigkeitswerten an. Wenn jeder irgendwie hauen kann, aber Grappling teuer gelernt werden muss (oder schlimmer: gar nicht von allen gelernt werden kann), hat man entweder auf SC- oder auf NSC-Seite schnell ein Problem.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: KhornedBeef am 4.11.2018 | 09:47
Grappling ist ja letztendlich so ein Zugeständnis an Action-haltige Medien, in denen das Kämpfe nicht nur streckt, sondern auch noch mal Dialoge und Allegorie erlaubt. Realistischer ist es ja vermutlich so, dass moderne Nahkampfsysteme immer auch Griffe nutzen.  Insofern ist es für mich auch ok, wenn ich ansage, ob ich verletzten, außer Gefecht setzen oder fixieren will, weil ich taktisch nicht mehr brauche.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Eadee am 4.11.2018 | 10:12
Danke für diesen Thread, er kommt mir bei der Entwicklung meines eigenen Spielsystems zu gute.

Ich habe mich ertappt Dolche und andere Kurzwaffen wie andere Nahkampfwaffen abzuhandeln (etwas schwächer, dafür schneller) und werde das wohl deutlich ändern.

Mein derzeitiger Gedanke ist es Dolche im Normalen Kampf mit einem signifikanten Abzug zu versehen und im Waffenlosen Kampf mit einem signifikanten Bonus zu versehen.

Also danke für den Input!
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 4.11.2018 | 13:27
Grappling ist ja letztendlich so ein Zugeständnis an Action-haltige Medien, in denen das Kämpfe nicht nur streckt, sondern auch noch mal Dialoge und Allegorie erlaubt.

Wird das so häufig gemacht? Kommt mir nicht so vor - und umgekehrt sind sich Filme (und alle Medien, die das stumpf nachmachen) ja auch nicht zu schade, Charaktere mit gekreuzten Klingen und Nasenspitze an Nasenspitze ewige Dialoge runterleiern zu lassen.

Und wenn man das tatsächlich aus diesem Grund macht, sollte man es um Himmels Willen auch eindeutig kommunizieren. Dann taugt Grappling nämlich für nichts anderes.
Kämpfe aus Genreüberlegungen heraus unkommentiert spielmechanisch zu strecken (egal wo und wie genau) ist mMn ganz schlechter Stil. 

Realistischer ist es ja vermutlich so, dass moderne Nahkampfsysteme immer auch Griffe nutzen.  Insofern ist es für mich auch ok, wenn ich ansage, ob ich verletzten, außer Gefecht setzen oder fixieren will, weil ich taktisch nicht mehr brauche.

Ich würde "modern" vielleicht noch durch "tauglich" ersetzen, aber ja ;D
Da sind viele Regelwerke zu schnell mit einer scharfen Trennung durch Fertigkeiten, Talente u.Ä. bei der Hand.

Beim Fixieren und verwandten Aktionen wirds dann eben ggf. knifflig, unabhängig davon, ob ich das explizit als Grappling verregle oder ob es sonstwie im Kampfsystem auftaucht.
Wenn es zu effektiv ist, wird nichts anderes mehr gemacht und wenn es nichts taugt, wird sich viel eher gegenseitig bewusstlos* oder tot gehauen.
Je nach Spiel ist zumindest letzteres gar nicht so schlimm, aber wenn das ein rundes Gesamtbild werden soll, muss man schon zusehen, hier das richtige Maß zu treffen.


*Was ja auch so ein medial völlig überstrapaziertes Ding ist *grmpf*

Mein derzeitiger Gedanke ist es Dolche im Normalen Kampf mit einem signifikanten Abzug zu versehen und im Waffenlosen Kampf mit einem signifikanten Bonus zu versehen.

Ja, kann man so machen.
Im Duell, Scharmützel oder gar auf dem Schlachtfeld mit dem Dolch der letzte Arsch, aber als einziger mit Dolch bei der Schlägerei ein kleiner König  ~;D
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: OldSam am 4.11.2018 | 23:43
@YY: Was vermutlich spannend für Dich ist bei dem Thema, hattest Du schon Gelegenheit Dir mal das ganz neue Fantastic Dungeon Grappling von Douglas Cole ansehen? (Ist aktuell glaube ich nur in dem Kickstarter drin AFAIK)

https://www.kickstarter.com/projects/2101297466/dungeon-grappling-rpg-supplement/posts/1732924 (D&D)
https://www.kickstarter.com/projects/2101297466/hall-of-judgment-a-dungeon-fantasy-rpg-supplement?lang=de (hier für Dungeon Fantasy mit integriert)

Das Feedback der Fans sieht gut aus bisher, ich habe es noch nicht selbst spielerisch getestet, aber schon durchgelesen. Von der Idee her gefällt es mir auf jeden Fall sehr gut, es ist regeltechnisch relativ einfach. Das "volle" Grappling-Addon von ihm scheint mir dagegen für Nicht-Martial-Arts-Kampagnen ja meist etwas überladen zu sein.

Mit den "control points" kommt dabei jedenfalls eine coole taktische Neuerung ins Spiel, die dramaturgisch recht nice zu passen scheint. Man kann sich insbesondere positionstechnisch über mehrere Runde etwas erarbeiten (via Grappling) und dann z.B. einen sehr schweren (finalen?) Treffer anbringen...

Hier ein Self-Review von ihm: https://gamingballistic.com/2018/09/11/fantastic-dungeon-grappling-a-self-review/

Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 5.11.2018 | 17:53
Nein, FDG kenne ich noch nicht.

Ich habe mir auch Technical Grappling nicht angeschafft, weil ich mit dem ganzen control points-Konzept ein Stück weit auf Kriegsfuß stehe.
Für mich funktioniert das reguläre GURPS-Grappling mit den impliziten/teilformalisierten "Zuständen" wunderbar.
Das finde ich intuitiver als ein abstraktes control point-System, das ich gerade für GURPS an irgendeiner Stelle mittendrin doch wieder in konkrete Technikkategorien "übersetzen" muss; da entsteht bei mir schnell eine gewisse Dissonanz (weil aus den abstrakten control points eben schlagartig alles mögliche Konkrete werden kann).
 
Entweder bleibt alles komplett abstrakt und ich fülle die Lücken ad hoc/frei Schnauze oder ich mache es von Anfang an konkret (oder wenigstens in einem einzigen abstrakten, vorgeschalteten Schritt, nach dem ich das Ganze direkt mit narrativem Inhalt füllen kann wie z.B. bei MongoTraveller 2nd), aber möglichst einfach.

Und mit control points hat man das Problem der Fallunterscheidung, ob sich der zunächst Unterlegene in winzigen Schritten rausarbeitet, auf einen Schlag alles zunichte macht oder sogar die Vorzeichen umkehrt. Das finde ich wie gesagt mit konkreten Teilschritten oder (Para-)Zuständen und Ergebnissen deutlich "organischer" und besser vorstellbar.


Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Woodman am 5.11.2018 | 19:08
@YY: Was vermutlich spannend für Dich ist bei dem Thema, hattest Du schon Gelegenheit Dir mal das ganz neue Fantastic Dungeon Grappling von Douglas Cole ansehen? (Ist aktuell glaube ich nur in dem Kickstarter drin AFAIK)
seit die KS Bücher ausgeliefert sind, ist das ganz regulär im Shop bestellbar http://www.warehouse23.com/products/dungeon-fantasy-hall-of-judgment , die Regen gibts aber halt nur mit dem Abenteuer/mini Setting zusammen.

Das System selber sieht im Gegensatz zu Technical Grappling schön simpel aus, grappling funktioniert dann genauso wie andere Angriffe auch und es gibt nur CP als zusätzlichen Track neben HP und FP, der bei Schwellwerten DX Abzüge gibt.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: OldSam am 5.11.2018 | 21:58
Das System selber sieht im Gegensatz zu Technical Grappling schön simpel aus, grappling funktioniert dann genauso wie andere Angriffe auch und es gibt nur CP als zusätzlichen Track neben HP und FP, der bei Schwellwerten DX Abzüge gibt.

Jo, mir gefällt es deswegen auch bisher :) Ich fand technical grappling zwar auf jeden Fall interessant, aber irgendwie war es dann doch immer "zuviel", um es in irgendeiner Runde wirklich einbauen zu können, dafür habe ich das Zeug selber auch nicht gut genug drauf, geschweige denn das die Spieler das lernen wollen (abseits einer reinen MA Runde, wo vielleicht Interesse bestünde, die ich bisher aber sowieso auch noch nie in der Form hatte).

Das Dungeon Grappling sollte recht schnell zu fassen sein, das werde ich auf jeden Fall mal playtesten, ich glaube auch, dass man das ganz gut "konkret" hinkriegen müsste die einzelnen Angriffe und Effekte zu beschreiben, aber eben in Begriffen von "Kontrolle" statt Schaden... Sowas wie: "Es gelingt Dir mit dem Ellbogen seinen rechten Arm weg zu drücken, Dich dabei ein Stück Richtung Kopf zu robben und eine bessere Position schräg hinter ihm zu erlangen..."

Soweit ich das überblicke bisher sollte es theoretisch durchaus gehen das "normale" Grappling nicht einfach zu ersetzen sondern trotzdem parallel zu nutzen, um für manche Situationen auch klassische "Einzelmanöver" zu nutzen, aber das muss ich mir nochmal ansehen, ob da nicht vielleicht doch Einschränkungen sind.


Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Grey am 20.06.2021 | 13:56
*raise thread*

@YY: Nachdem ich in diesem Thread (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,119616.msg134998252.html#msg134998252) auf das Thema aufmerksam wurde, wäre ich sehr gespannt, ob die Regeln für "Festhalten", "Umwerfen" etc. im Heroen (http://heroen.gerwinski.de)-Regelwerk deinen Anforderungen an Grappling entgegenkommen.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: BBB am 20.06.2021 | 14:05
erstmal abo...
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 20.06.2021 | 15:09
@YY: Nachdem ich in diesem Thread (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,119616.msg134998252.html#msg134998252) auf das Thema aufmerksam wurde, wäre ich sehr gespannt, ob die Regeln für "Festhalten", "Umwerfen" etc. im Heroen (http://heroen.gerwinski.de)-Regelwerk deinen Anforderungen an Grappling entgegenkommen.

Großteils ja.

Teils wildern Waffenmanöver ein bisschen bei klassischem Grappling-Zeug (Entwaffnen, Umwerfen), aber das ist dem Spagat zur Cinematik hin geschuldet, oder?
Da müsste ich also "meine" Messlatte anders anlegen.

Und hier und da fehlen mir Kleinigkeiten wie die Verortung von Messern und Dolchen im Grappling oder Positionsverbesserung grad im Zusammenspiel mit Festhalten. Das lässt sich ja aber analog zum Würgen umsetzen.

Das Fundament passt auf jeden Fall - es fehlt keine wichtige Anwendung, es dauert nicht ewig und hat keine völlig andere Spielmechanik :d
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Grey am 20.06.2021 | 15:51
Nanu, war hier nicht gerade noch eine Rückfrage von JS? :think: Egal, ich beantworte sie trotzdem. ;)

Wir haben bei Heroen verschiedene Sonderkampfaktionen wie z.B. "Festhalten", das über einen direkten Vergleich mit St-Würfen geregelt wird, oder "Umwerfen", das nach dem Prinzip läuft: "Wenn du normalerweise mindestens leichten Schaden verursacht hättest, dann hast du den Gegner jetzt stattdessen unverletzt von den Füßen geholt." Beides setzt voraus, dass man vorher einen gezielten Treffer gesetzt hat.

Eine stichwortartige Beschreibung der genauen Regelmechanismen findet sich hier (http://heroen.gerwinski.de/topic_shop/Heroen_Kurzanleitung.pdf). (Kampfregeln ab Tafel VII, besondere Kampfsituationen auf Tafel IX.)

Teils wildern Waffenmanöver ein bisschen bei klassischem Grappling-Zeug (Entwaffnen, Umwerfen), aber das ist dem Spagat zur Cinematik hin geschuldet, oder?
Stimmt. Beim Entwaffnen konnte ich einfach nicht widerstehen, den üblichen d'Artagnan-Streich zu berücksichtigen ("guck mal, deine Waffe kann fliegen"). ;) Was allerdings das Umwerfen betrifft, habe ich beim Kampftraining im LARP tatsächlich schon Techniken kennengelernt, um z.B. mit der Axt einen Gegner unverletzt zu Fall zu bringen.

Bei Heroen ist aber der unbewaffnete Kämpfer schon dadurch beim Grappling im Vorteil, dass er es gegenüber den meisten Waffen leichter hat, einen gezielten Treffer zu setzen und so die Voraussetzungen für ein Grappling-Manöver zu schaffen. Das wird über den Grobheits-Wert der Bewaffnung geregelt: Die meisten Waffen haben ab Grobh.=3 aufwärts, unbewaffnet oder mit "Feinarbeits"-Waffen wie dem Dolch hast du Grobh.=2. Das gleicht es wieder ein wenig in Richtung "Realismus"TM aus. ;)

Zitat
Und hier und da fehlen mir Kleinigkeiten wie die Verortung von Messern und Dolchen im Grappling oder Positionsverbesserung grad im Zusammenspiel mit Festhalten. Das lässt sich ja aber analog zum Würgen umsetzen.
Kannst du das vielleicht anhand von Beispielen illustrieren? Was wäre z.B. eine spezifische Grappling-Situation mit Dolch? Und was meinst du hier mit Positionsverbesserung?

Zitat
Das Fundament passt auf jeden Fall - es fehlt keine wichtige Anwendung, es dauert nicht ewig und hat keine völlig andere Spielmechanik :d
:) Super, das freut mich schon mal sehr. Vielen Dank!
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: JS am 20.06.2021 | 16:06
Nanu, war hier nicht gerade noch eine Rückfrage von JS?

Ja, zu den Regeln im Detail, aber es stellte sich dann heraus, daß YY sie wohl kennt. Somit war mein Posting nichtig.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 20.06.2021 | 16:56
Bei Heroen ist aber der unbewaffnete Kämpfer schon dadurch beim Grappling im Vorteil, dass er es gegenüber den meisten Waffen leichter hat, einen gezielten Treffer zu setzen und so die Voraussetzungen für ein Grappling-Manöver zu schaffen.

Jetzt wo ich das so lese, erinnere ich mich dunkel, dass mir das beim Testspiel auf dem :T: reffen aufgefallen war, aber ich hatte es echt gar nicht mehr auf dem Schirm.
Stimmiges Detail :d


Kannst du das vielleicht anhand von Beispielen illustrieren? Was wäre z.B. eine spezifische Grappling-Situation mit Dolch? Und was meinst du hier mit Positionsverbesserung?

Mit Positionsverbesserung meine ich primär, sich aus dem "normalen" Festhalten da hin zu arbeiten, dass es der Gegner schwerer hat, aus der Nummer wieder rauszukommen.
Das geht RAW über (zuerst) Umwerfen und ohne größere Verrenkungen, indem man hinterrücks angreifen aus dem Festhalten mit gezieltem Treffer zugänglich macht.
Aber ganz abstrakt würde ich es tendentiell am Ehesten mit einer Art "Festhalten+" abbilden, bei dem eine Seite einfach eine deutlich bessere Position hat.
Wenn man aus dem Festhalten(+) zum (dann leichteren) Umwerfen, Entwaffnen und hinterrücks angreifen kommt, ist es noch etwas eleganter - und nutzt die schon bestehenden Möglichkeiten.


Was den Dolch angeht: Generell kommen kleine Klingenwaffen im Grunde nur im Grappling-Kontext richtig zur Geltung, weil man dort den gegnerischen Waffeneinsatz einschränken kann - und die Alternative, eine offene Duellsituation gegen eine andere Waffe ist ja regelmäßig die Stelle, wo man mit Messer und Dolch schnell mal doof da steht.
Die eher kleinen Klingen müsste man also im Grappling zugänglich und nutzbar machen; wenn das nur dem "Festhalter" möglich ist, ist das kein Schaden - wäre also kein großer Regelaufwand.

Als Beispiel für beides - also Waffeneinsatz und Positionsverbesserung (nicht nur auf den Rücken kommen, sondern auch beide Hände des Gegners mit einer Hand brauchbar fixieren) - mal die paar Sekunden ab hier (https://youtu.be/CTwH-PS9ydM?t=362); es ist zwar eine Trainingspistole, aber die Transferleistung zum Messer hält sich in Grenzen :)


Das ist dann aber wirklich die ganz hohe Schule in Sachen Grappling-Spielmechanik - auf vertretbarem oder sogar angenehmem Komplexitätsniveau das alles unter einen Hut kriegen...viel besser gehts dann nicht mehr.
Wie gesagt: Das würde ich analog zu den regelseitig schon vorhandenen Sachen, also quasi mit Bordmitteln, abbilden. 

Und außer mir hat gefühlt niemand Bedarf an so einem obskuren Nischenkram ;D
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Tele am 20.06.2021 | 17:19
Früher war ich auch ganz begeistert, wenn Systeme Kämpfe versuchen realistisch abzubilden. Fandcda die DSA 4 Ansätze total toll. Besonders da ich damals ganz viel Kampfsporr betrieben habe, war das für mich ein wichtiger Aspekt.

Früher halt...heute brauchts wenige Manöver und Aktionsmöglichkeiten und ne hohe Tödlichkeit.

Kämpfen ist so komplex und hat sooo viele Faktoren, dass man nichtmal nahe rankommt.

Gerade macht mir das Vorteilssystem bei Warhammer Freude. Da geht mein Adrenalin hoch, ich zittere bei jedem Wurf mit.

Okay, das war mal wieder am Thema vorbei...also DSA 4 waffenloser Kampf: mega komplex, aber hat Manöver, Größenvorteil und Positionen.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Grey am 20.06.2021 | 17:20
Mit Positionsverbesserung meine ich primär, sich aus dem "normalen" Festhalten da hin zu arbeiten, dass es der Gegner schwerer hat, aus der Nummer wieder rauszukommen.
Hmm OK, eine solche Nickeligkeit haben wir tatsächlich noch nicht berücksichtigt. "Festhalten" endet bei Heroen im Wesentlichen damit, dass der festgehaltene Gegner zwar bewegungsunfähig ist, aber der andere seine (Offensiv-)Aktion darauf beschränkt, ihn weiter im Griff zu halten. Allerdings macht er den immobilisierten Gegner damit zum leichten Ziel für die Aktionen seiner Kameraden. Und es sollte tatsächlich kein Problem darstellen, eine Hausregel für die Überleitung aus dem Festhalten zu anderen Aktionen aufzustellen.

Zitat
Was den Dolch angeht: Generell kommen kleine Klingenwaffen im Grunde nur im Grappling-Kontext richtig zur Geltung, weil man dort den gegnerischen Waffeneinsatz einschränken kann - und die Alternative, eine offene Duellsituation gegen eine andere Waffe ist ja regelmäßig die Stelle, wo man mit Messer und Dolch schnell mal doof da steht.
Die eher kleinen Klingen müsste man also im Grappling zugänglich und nutzbar machen; wenn das nur dem "Festhalter" möglich ist, ist das kein Schaden - wäre also kein großer Regelaufwand.
Das wiederum haben wir schon drin, nämlich über die Regeln für Reichweite und Druck. 8)  Sowohl im waffenlosen Kampf als auch mit dem Dolch hast du Reichw.=0, d.h. du kannst nur dann angreifen, wenn du mit dem Gegner praktisch schon im Infight bist. Dann aber ist jede Waffe mit höherer Reichweite effektiv blockiert. Ich zitiere aus dem Regelwerk, S.100:

"Hat deine Bewaffnung Reichw.=0 und es gelingt dir, einen Treffer zu setzen, dann hast du die Möglichkeit, den Gegner ins Handgemenge zu verwickeln. Du hältst ihn mit der freien Hand fest, raufst dich mit ihm am Boden u. ä. Auf diese Weise hinderst du ihn daran, zurückzuweichen. Waffen mit Reichw.=1 oder mehr sind in diesem Gerangel nicht mehr einsetzbar. Ist der Messerstecher dem Schwertkämpfer erst einmal dicht genug auf die Pelle gerückt, dann ist das Schwert nutzlos."

Das ist insbesondere unabhängig von der ausdrücklichen Situation "Festhalten", in der du ja (regeltechnisch) allein das Ziel verfolgst, den Gegner bewegungsunfähig zu machen. Im Handgemenge bewegen sich beide weiter, aber du hinderst den Gegner daran, sich wieder Freiraum für ausholendere Manöver zu verschaffen.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 20.06.2021 | 17:26
"Hat deine Bewaffnung Reichw.=0 und es gelingt dir, einen Treffer zu setzen, dann hast du die Möglichkeit, den Gegner ins Handgemenge zu verwickeln. Du hältst ihn mit der freien Hand fest, raufst dich mit ihm am Boden u. ä. Auf diese Weise hinderst du ihn daran, zurückzuweichen. Waffen mit Reichw.=1 oder mehr sind in diesem Gerangel nicht mehr einsetzbar. Ist der Messerstecher dem Schwertkämpfer erst einmal dicht genug auf die Pelle gerückt, dann ist das Schwert nutzlos."

Dann hab ich nichts gesagt 8) :d


Und ja, bei typischen Heldengruppen sind 1-2 Runden Festhalten i.d.R. ausreichend - da kommt das Thema Weitermachen aus dem Festhalten gar nicht auf, weil man eh zu mehreren ist.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Grey am 20.06.2021 | 17:36
Wow! Heißt das, Red Baron und ich haben ein Kampfsystem entwickelt, das den Ansprüchen von YY genügt?!

Den Post müssen wir uns einrahmen! :D
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Maarzan am 20.06.2021 | 17:56
Gesetzt ein Messerstecher HAT einen Schwertschwinger unterlaufen und im Griff. Angenommen wegen Rüstung findet er nicht sofort eine weiche Stelle um den Kampf zu entscheiden, sonst ist das wohl gegessen, oder? 

Wie hätte man sich da den Haltegriff vermutlich vorzustellen?
(Ich hätte jetzt so als erstes Bild vor Augen ein zu lässiger Stoß wird dann doch zur Seite abgewehrt/ausgewichen und der Messerstecher hat mit seiner linken den Schwertarm ergriffen. Passt das so? )
Wie würde man annehmen kann der Schwertbenutzer da dann sich wieder aus der Bredouille zu ziehen versuchen? 
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Grey am 20.06.2021 | 18:12
(Ich hätte jetzt so als erstes Bild vor Augen ein zu lässiger Stoß wird dann doch zur Seite abgewehrt/ausgewichen und der Messerstecher hat mit seiner linken den Schwertarm ergriffen. Passt das so? )
Das wäre ein denkbares Szenario, ja.

Bei einem schwer gerüsteten Gegner gäbe es laut Heroen-Regelwerk für den Dolchkämpfer nun mehrere Möglichkeiten: Wenn er stark genug ist, kann er den Dolch einfach mit roher Gewalt durch die Rüstung rammen. (Historisch gab es tatsächlich Dolche, die für genau diesen Zweck mit quer angebrachten Stegen o.ä. verstärkt waren.) Aber das erfordert bereits bei einem Kettenhemd einen ziemlichen Muskelberg von Messerstecher.

Die andere Variante bestünde darin, mit einem gezielten Treffer eine Schwachstelle in der Rüstung anzuvisieren. Hier böte das Regelwerk dem Messerstecher den Vorteil, dass gezielte Treffer mit dem Dolch relativ leicht zu bewerkstelligen sind (sobald man erst mal nah genug ran ist). Der Messerstecher hält dann mit links den gerüsteten Gegner am Arm fest und stochert mit rechts an Gelenkstellen der Rüstung herum.

Für den Schwertkämpfer seinerseits wäre die sinnvollste Aktion, das Schwert fallenzulassen und entweder waffenlos anzugreifen oder eine Kampfrunde zu opfern, um (sofern vorhanden) einen eigenen Dolch zu ziehen. Die Rüstung bietet ihm immer noch Schutz und erkauft ihm mindestens Zeit. Ist der Messerstecher selbst ungerüstet, dann ist der Schwertkämpfer spätestens ab dem Moment wieder im Vorteil, in dem er selbst einen Dolch in der Hand hält.

Das wären die Handlungsoptionen, die mir für dieses Szenario spontan für einen Kampf nach Heroen einfallen.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Aedin Madasohn am 21.06.2021 | 08:13

Die andere Variante bestünde darin, mit einem gezielten Treffer eine Schwachstelle in der Rüstung anzuvisieren.

Hier böte das Regelwerk dem Messerstecher den Vorteil, dass gezielte Treffer mit dem Dolch relativ leicht zu bewerkstelligen sind (sobald man erst mal nah genug ran ist).


als Vorschlag, um so etwas wie pauschaler Treffer/gezielter Treffer zu einem einheitlichen Kampfsystem zusammenzuhalten wäre:

- am Ende "des Kampfwurfes" hat man ja (YY ging ja schon drauf ein) einen "Überblick", wie "knapp geschafft" - wie "überlegen an Punkten geschafft" der "Treffer" nun war 

vergleichbar der Qualitätszahl aus DSA 5 (bzw. ja schon aus DSA 4.1 Alchemieprobe) gibt es jetzt eine Tabelle der "Steigerungs"Optionen für diese Attacke, skaliert halt nach dem Faktor, in dem der Attackierende dem Getroffenen "Uber" war.

bin ich "X Puoints Uber", dann kaufe ich mir (und vielleicht sogar mehrere kleine Effekte bei großem Konto)
 
- schlage ich ihm seinen Schwert mit meiner Waffe aus der Hand bzw. entwinde es ihm im Grappling.
- hebel ich ihn mit dem Stiel meiner Mordaxt auf den Panzerrücken bzw. nutze ich dafür Grappling
- stoße ihm mit der Lanze empfindlich in den Visierspalt seines Helmes bzw. stoße an selbige Stelle mit dem Dreikantdolch
- Haue ihm mit Conan-Gedächnis-Schlag die ganze Panzerrübe (-final- so viele Trefferpunkte-Boni, dass der Gegner einfach nur noch tot ist) vom Halsberge bzw. findet der Dolch den Weg in die Kehle.

in wie weit jedes mal diese Uber-Points auch so (mortal) genutzt werden, sollte dann auch noch in die Hände des Spielers gelegt werden, damit sie ihren Meisterkämpfer auch besser als "Kontrolleur der Situation" darstellen können (oder schafft das Vorteil/Sonderfertigkeit)

Hat Uber-Points für finalen Kill,
- haut ausdrücklich aber nur mit der flachen Seite auf bewusstlos bzw. statt Meuchelschnitt in die Kehle würgt er bewusstlos.



Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Grey am 21.06.2021 | 08:57
@Aedin Madasohn: Im Prinzip haben wir diesen Mechanismus schon in Heroen drin.

Ob ein Treffer "ungezielt", "gezielt" oder "kritisch" war, wird nach Ausführen der Aktionswürfe anhand der Differenz und dem Grobheits-Wert der Waffe bestimmt. Bei den standardmäßigen Sondermoves ist jeweils schon festgelegt, welche Trefferklasse du erzielt haben musst, um sie anwenden zu können. Und ansonsten gibt es dafür, wie weit ein gezielter bzw. kritischer Treffer den Gegner beeinträchtigen darf, recht allgemein formulierte Grundsätze für deinen kreativen Freiraum als Spieler.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: flaschengeist am 21.06.2021 | 11:33
Toller Faden  :d. Ich hätte für Vanguard auch gerne den YY TÜV ;) (Feedback von euch allen ist natürlich ebenso willkommen). Hier also die entsprechenden Regeln (in Vanguard gibt es neben "Standardangriffen" verschiedene Manöver, der Ringkampfangriff ist eines davon):

Ringkampfangriff

Mit der Fertigkeit Waffenloser Kampf können Gegner gleicher oder geringerer Größenklasse (bei Angriffen auf Reiter zählt die Größenklasse des Reittiers) in einen Ringkampf verwickelt werden. Der Einsatz des Manövers setzt voraus, dass der Angreifer mindestens eine Hand frei hat und in der anderen Hand maximal eine Waffe mit Behinderung 0 führt.
Der Ringkampfangriff provoziert zunächst einen Gelegenheitsangriff des Ziels und muss zudem dessen Verteidigung übertreffen, um den Ringkampf einzuleiten. Gelingt dies, bewegt der Angreifer sich in das Feld seines Gegners. Hierbei handelt es sich um die Ausnahme zur Regel, dass zwei Kämpfer der Größenklasse ≥ -1 nicht dasselbe Feld besetzen dürfen. Nach erfolgreichen Einleiten kann der Angreifer versuchen, das Ziel zu verletzen (dies ist Teil des Ringkampfangriffs, erfordert also keine Zusatzaktionen oder -angriffe), wobei im Ringkampf folgende Sonderregeln gelten:

   Keine Aktionen außer normalen Angriffen, Zaubern und Verteidigungen
   Nur waffenlose Angriffe und Nahkampfwaffen mit Behinderung 0 können eingesetzt werden (Waffen fallen lassen ist eine freie Aktion, siehe Tabelle 35: Wichtige Aktionen im Kampf)
   Keine Angriffe gegen Gegner außerhalb des Ringkampfs
   Nur passive Verteidigung gegen Angriffe von außerhalb. Nahkampfangriffe von außerhalb unterliegen Erschwernis, Fernkampfangriffe doppelter Erschwernis
   Spielfiguren im Ringkampf haben keine Kontrollzone

Eine Spielfigur mit mehreren Angriffen kann diese auch im Ringkampf verwenden. Wer waffenlos kämpft und kritische Erfolge erzielt, darf zusätzlich zum erhöhten Schaden einen der folgenden Effekte auslösen:

   Den Gegner zu Boden bringen
   Den Gegner Entwaffnen
   Den Gegner in ein angrenzendes Feld werfen (beendet den Ringkampf)
   sich mit dem Gegner im Schlepptau bewegen (nur einmal pro Zug)
   Den Gegner in seiner nächsten Kampfrunde am sprechen (und damit auch Zaubern) hindern

Kritische Misserfolge erlauben dem Gegner einen Gelegenheitsangriff, der nicht durch Akrobatik vermieden werden kann. Wer den Ringkampf gegen den Willen des Gegners verlassen will, muss eine Komplexaktion aufwenden und eine vergleichende Probe in Waffenloser Kampf, Akrobatik oder Athletik gewinnen (wobei jede Spielfigur selbst entscheidet, welche Fertigkeit sie im Vergleich verwendet).


Für die taktische Relevanz dieses Manövers ist wichtig zu wissen, dass in Vanguard Gegner nicht einfach per Ansage bewusstlos geschlagen werden können. Man kann allenfalls, wenn der Gegner stark angeschlagen ist, auf Schadenserhöhungen durch kritische Erfolge verzichten und hoffen, dass dies den Gegner auschaltet, ohne ihn gleich zu töten. Präzise kalkulierbar ist es aber nicht. Daher ist der Ringkampfangriff die sicherste Methode, Gefangene zu machen.
Edit: Waffen haben Behinderungswerte von 0-2, die u.a. die Größe abbilden. Ein Dolch hat z.B. 0, ein Schwert 1 und ein Zweihänder 2.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Grey am 21.06.2021 | 12:09
@flaschengeist: Gibt es zu dem System eine Projektseite? :) Wenn ja, würde mich der Link interessieren.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: flaschengeist am 21.06.2021 | 12:14
@flaschengeist: Gibt es zu dem System eine Projektseite? :) Wenn ja, würde mich der Link interessieren.

Eigentlich wollte ich kürzlich die aktuelle Version "öffentlich" zugänglich machen. Leider hat sich aber heraus gestellt, dass einige der laut DeviantArt und CC-NC Lizent stehenden Abbildungen, die ich verwendet habe, doch nicht CC-NC sind (habe alle Künstler einzeln angeschrieben, von ca. 20 haben nach zwei Wochen vier geantwortet und bei zwei davon lag bereits dieser Fehler vor). Daher muss das noch bissel warten.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 22.06.2021 | 09:28
Eigentlich wollte ich kürzlich die aktuelle Version "öffentlich" zugänglich machen. Leider hat sich aber heraus gestellt, dass einige der laut DeviantArt und CC-NC Lizent stehenden Abbildungen, die ich verwendet habe, doch nicht CC-NC sind (habe alle Künstler einzeln angeschrieben, von ca. 20 haben nach zwei Wochen vier geantwortet und bei zwei davon lag bereits dieser Fehler vor). Daher muss das noch bissel warten.
:d
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 22.06.2021 | 20:20
Ich hätte für Vanguard auch gerne den YY TÜV ;)

(Waaah, Gelegenheitsangriff +O) Ist aber eine andere Baustelle 8))



Fällt sehr ähnlich aus wie bei Grey:

Passt schon ziemlich gut und ich sehe da höchstens die Frage nach der Positionsverbesserung - wenn das im System an anderer Stelle abgedeckt ist mit z.B. Angriff von hinten oder wenn am Boden liegen ein ausreichender Nachteil ist, kann man es sich vielleicht auch sparen und nur darüber laufen lassen.


Bei dem sich in dem Auszug abzeichnenden Komplexitätsgrad könnte man überlegen, ob man Chokes (Würgegriffe) gesondert abbildet, aber dazu packe ich jetzt einfach mal eine Grundsatzüberlegung in den Spoiler :)

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Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: flaschengeist am 22.06.2021 | 21:07
(Waaah, Gelegenheitsangriff +O) Ist aber eine andere Baustelle 8))



Fällt sehr ähnlich aus wie bei Grey:

Passt schon ziemlich gut und ich sehe da höchstens die Frage nach der Positionsverbesserung - wenn das im System an anderer Stelle abgedeckt ist mit z.B. Angriff von hinten oder wenn am Boden liegen ein ausreichender Nachteil ist, kann man es sich vielleicht auch sparen und nur darüber laufen lassen.


Bei dem sich in dem Auszug abzeichnenden Komplexitätsgrad könnte man überlegen, ob man Chokes (Würgegriffe) gesondert abbildet, aber dazu packe ich jetzt einfach mal eine Grundsatzüberlegung in den Spoiler :)

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Besten Dank :d. Der Komplexitätsgrad ist beim diesem Manöver schon deutlich über dem "Mittel" des Systems. Die gesamten Kampfregeln (beinhalten auch Moralregeln und Regeneration) inklusive einiger Bilder, Tabellen und Boxen mit Designer-Notes sowie vieler Überschriften (also eher wenige Zeichen pro Seite) sind 12 Seiten. Falls du eine Idee hast, wie ich das Manöver vereinfachen kann, ohne viel einzubüßen, nur her damit.

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Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 23.06.2021 | 00:22
Falls du eine Idee hast, wie ich das Manöver vereinfachen kann, ohne viel einzubüßen, nur her damit.

Hm, höchstens bei der Formulierung, inhaltlich nicht.
Ist das mit den kritischen Misserfolgen im "normalen" Nahkampf auch so und braucht man dort auch eine vergleichende Probe, wenn man den Nahkampf verlassen will?


Zum Gelegenheitsangriff:

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Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: flaschengeist am 24.06.2021 | 00:11
Hm, höchstens bei der Formulierung, inhaltlich nicht.
Ist das mit den kritischen Misserfolgen im "normalen" Nahkampf auch so und braucht man dort auch eine vergleichende Probe, wenn man den Nahkampf verlassen will?

Im normalen Nahkampf wird auf eine Tabelle gewürfelt, wenn der Angreifer einen kritischen Misserfolg erzielt (aktiv verteidigte Angriffe sind übrigens vergleichende Proben). Für das "Lösen" braucht es keine Probe, um das zu "bestrafen" gibt es ja die Gelegenheitsangriffe (von denen eine Spielfigur in aller Regel auch nur einen pro Runde hat).

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Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Gemeiner am 7.07.2021 | 00:16
Ein tiefgründiger Artikel und eine feine Diskussion -- bin froh dank Nekromantie darauf aufmerksam geworden zu sein...

Eine grundsätzliche Frage ist, ob es durch Ringen, auf bestimmte Körperpartien zielende Angriffe, Gifteinsatz und andere Manöver möglich sein sollte, die Lebensenergie/Trefferpunkte usw. zu umgehen (einmal vorausgesetzt, das System basiert auf etwas derartigem). Je stärker man das Geschehen konkretisiert, desto mehr drängt sich die Frage auf, was dieser oft zentrale Wert überhaupt bedeutet (Ausdauer? Kompetenz? Glück? Mut? Eine Kombination? Usw.).

Wenn wir wollen oder zulassen, dass ein Pfeilschuss auf den Hals oder ein Doppelnelson als Kampfmanöver regeltechnisch möglich sind (und nicht etwa ausschmückende Worte, um den Zustand LE=0 o.Ä. zu beschreiben!), kommen wir ganz schnell in Erklärungsnot, wenn Raidri Conchobair mit seinen verbliebenenen 80 LE jetzt doch noch nicht erledigt ist...

(Ich schätze mal, er zieht sich den Pfeil aus dem Hals... "Ist nur eine Fleischwunde...")

...oder wir lassen es zu, dass LE ausgehebelt werden können (was allerlei Vor- und Nachteile hat).
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 7.07.2021 | 14:48
Da sage ich ganz faul wie zu ähnlich gelagerten Fragen auch:

Eigentlich sollte der Blick auf das restliche (Kampf-)System schon zeigen, wie man das fürs Ringen so umsetzen kann, dass es sich halbwegs "organisch" ins Gesamtbild einfügt.


Ich sehe da zwei große Strömungen:
Entweder verregelt man alles einzeln bzw. konkret, dann kommt man schnell an den Punkt, wo man gar keine Lebenspunkte mehr braucht oder nur noch ganz am Rande.
Oder man verbindet diese Sondereffekte in sinnvoller Weise mit den Lebenspunkten - so wie man es bei kritischen Treffern u.Ä. auch macht. Das kann dazu führen, dass die HP im Einzelfall zwar noch nominell von der Spielmechanik verarbeitet werden, aber im Grunde irrelevant sind.


Man könnte als anderes Extrem im Gegensatz zum ersten Ansatz auch alles über HP laufen lassen, aber da verwischt mMn schnell alles so weit ins Abstrakte, dass auch Ringen & Co. unter den normalen Angriffswurf fallen und es statt konkreten Manövern eher grobe Taktikentscheidungen gibt (rücksichtsloses oder vorsichtiges Vorgehen usw.).

Und generell schätze ich es sehr, wenn ein System eine entschiedene Perspektive auf seine HP hat. Das kann dann auch mal dazu führen, dass z.B. ein Warpstar! konsequenterweise sagt: Bei vollständiger Überraschung werden die HP umgangen (bzw. sofort auf Null gesetzt!) und es setzt direkt einen kritischen Treffer.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Heinzelgaenger am 26.07.2021 | 23:59
Mal wieder ein Super Post, YY.

Sehe das sehr ähnlich- man lernt entweder damit umzugehen, dass Grappling in 0815 Fantasy praktisch nicht existiert.  Oder man ist gezwungen, ein bischen zu hausregeln sofern sich allgemeiner Bedarf reckt.
Midgard hatte, so weit ich mich erinnern kann, für die damalige Zeit vernünftige Ansätze bei welchen man mit grossem Risiko verbunden einen Ringerangriff starten konnte, der bei Erfolg aber recht lohnenswert und dominant war.

Ich glaube der Knackpunkt bei vielen RPGs ist die Erkenntnis, dass auch nur semi realistisches Grappling zur Dominanz grösserer Gruppen führen könnte. Das empfinden viele als zu unschön.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Erbschwein am 27.07.2021 | 00:10
??
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 27.07.2021 | 08:29
Ich glaube der Knackpunkt bei vielen RPGs ist die Erkenntnis, dass auch nur semi realistisches Grappling zur Dominanz grösserer Gruppen führen könnte. Das empfinden viele als zu unschön.

Das gilt ja eigentlich für den "normalen" Nahkampf auch - aber die Befindlichkeiten sind da manchmal etwas schräg.


Was ich einigermaßen nachvollziehen kann ist der Eindruck, dass Grappling etwas ist, was gefühlt unnötig Punkte frisst, weil man sich ja zumindest einigermaßen dagegen verteidigen können muss.

Freilich nur da, wo es eine eigene Fertigkeit o.Ä. dafür gibt. Da haben etwas gröbere Systeme einen Vorteil, weil man alles unter dem Dach "Nahkampf" zusammenfassen kann und so automatisch abgedeckt hat, dass ein "runder" Kämpfer auch grappeln kann (während man bei kleinteiligeren Systemen daran denken muss, sich keinen großen blinden Fleck einzuhandeln).
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Heinzelgaenger am 27.07.2021 | 09:22
Richtig, im Prinzip gälte das auch für den Nahkampf. Ich denke aber, dass Spieler normalerweise von der Pike auf eine bestimmte ästhetische Auffassung gleichsam trainiert werden.
Beispielsweise gibt es genügend Spiele, in denen die Flurpläne komplett mit Monstern zugeparkt werden. Ich erinnere mich an Warhammer Quest mit seinen winzigen Räumen, vor denen die Orks Schlange stehen mussten um in der nächsten Runde ihre wie Schlachtvieh entsorgten Kameraden zu ersetzen. Das Kopfkino gewöhnt sich an die Prämisse. Jemanden zu packen existiert da einfach nicht.
Das Ringen als martialer Grundlagensport ist schliesslich auch deswegen verkannt, weil er oft mit Längen verbunden ist.

Dabei würden sich für viele Gruppen durchaus interessante Optionen ergeben:
-Nicht jedem gefällt es, Tonnen von Gegnern bemühen zu müssen. Eine grosse Gruppe bliebe durch kombinierte Grappling Gefahr eine veritable Streitmacht.
-Kämpfer Charaktere könnten uU einzelne Gegner gezielter und eleganter festsetzen
-Genauso würden Charaktere seltener den Regeln nach totgekloppt, schliesslich war allen bewusst, dass ein reicher Gefangener ein hübsches Lösegeld mit sich bringt

Wichtig wäre halt, dass solcherlei Regeln sich zackig spielen und Tiefe aufweisen.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: flaschengeist am 27.07.2021 | 09:35
Richtig, im Prinzip gälte das auch für den Nahkampf. Ich denke aber, dass Spieler normalerweise von der Pike auf eine bestimmte ästhetische Auffassung gleichsam trainiert werden.
Beispielsweise gibt es genügend Spiele, in denen die Flurpläne komplett mit Monstern zugeparkt werden. Ich erinnere mich an Warhammer Quest mit seinen winzigen Räumen, vor denen die Orks Schlange stehen mussten um in der nächsten Runde ihre wie Schlachtvieh entsorgten Kameraden zu ersetzen. Das Kopfkino gewöhnt sich an die Prämisse. Jemanden zu packen existiert da einfach nicht.
Das Ringen als martialer Grundlagensport ist schliesslich auch deswegen verkannt, weil er oft mit Längen verbunden ist.

Dabei würden sich für viele Gruppen durchaus interessante Optionen ergeben:
-Nicht jedem gefällt es, Tonnen von Gegnern bemühen zu müssen. Eine grosse Gruppe bliebe durch kombinierte Grappling Gefahr eine veritable Streitmacht.
-Kämpfer Charaktere könnten uU einzelne Gegner gezielter und eleganter festsetzen
-Genauso würden Charaktere seltener den Regeln nach totgekloppt, schliesslich war allen bewusst, dass ein reicher Gefangener ein hübsches Lösegeld mit sich bringt

Wichtig wäre halt, dass solcherlei Regeln sich zackig spielen und Tiefe aufweisen.

Gute Gedanken. Beim letzten Punkt (zackig spielen und Tiefe aufweisen) bezweifle ich allerdings, dass sich beides gleichzeitig mit dem "Durchschnittspieler" realisieren lässt. Klar kann man Tiefe auch unötig kompliziert machen aber mehr Tiefe (im Sinne von mehr regelseitigen Optionen) ist immer relativ komplizierter als weniger Tiefe. Und mehr Komplizierzheit bedeutet wiederum tendenziell weniger zackiges Spiel. Viel Tiefe und sehr zackiges Spiel geht aus meiner Sicht nur, wenn du extrem erfahrene Spieler hast, die sich gut Regeln merken können, und die Runde auch so oft spielt, dass man "im Training" bleibt.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Arldwulf am 27.07.2021 | 09:53
Generell halte ich es für den falschen Weg Grappling mit einer einzelnen Fertigkeit oder einem einzelnem Wert umzusetzen, genauso wie es falsch ist dies für Waffenkampf oder dergleichen im System nur einfach ein "du haust halt irgendwie zu, hier ist dein Trefferbonus" zu machen.
 
Es gibt zu viele verschiedene Techniken welche auch sehr unterschiedliche Voraussetzungen und Auswirkungen haben können. Besser ist es diese auch mit mechanisch unterschiedlichen Aktionen abzubilden.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Heinzelgaenger am 27.07.2021 | 09:54
Ah ok, hier haben wir unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Terminologie.

Für mich ergibt sich Spieltiefe ohne ein mehr an Regeln, vielmehr werden durch die Verschachtelung der Regelbasis viele Entscheidungsmöglichkeiten und unterschiedliche Ergebnisse produziert.
Viele Regeloptionen nebeneinander dagegen nenne ich Spielbreite.

Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: August der Schäfer am 27.07.2021 | 10:05
ich fand Savage Worlds hat relativ gute Grappling-Regeln. Wir haben die manchmal benutzt, um beispielsweise gegnerische Zauberinnen niederzuringen. Für solche Anwendungsfälle (großer Unterschied in körperlichen Attributen) war das sehr sinnvoll  :d

 Umgedreht gibt es in SW einige Monster, für die sich Grappling gegen die Spielercharaktere lohnt.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: flaschengeist am 27.07.2021 | 10:42
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 27.07.2021 | 10:52
Ich denke aber, dass Spieler normalerweise von der Pike auf eine bestimmte ästhetische Auffassung gleichsam trainiert werden.

Ja, das ist ein riesiges Konglomerat an teils widersprüchlichen, aber trotzdem wirkmächtigen Seh- und Spielgewohnheiten.
Angefangen bei Mooks/Schlachtvieh insbesondere in Brett- und Videospielen, aber auch im Film, über relative Nutzlosigkeit von Rüstungen und abstruse Tödlichkeit von Waffen (gut, gegen Mooks...aber trotzdem) und oft genug eher verhaltene Grappling-Elemente als Rahmen für Dialoge statt als hoch dynamischer Schlüsselmoment usw. usf.

Daraus ergibt sich ein eher diffuses Gesamtbild, das dann oft genug dazu führt, dass authentische(re) Umsetzungen als unpassend oder gar falsch einsortiert werden.

Wenn ich so drüber nachdenke, wäre ich fast geneigt, zu sagen: Das ist tatsächlich ein Bereich, in dem die Leute flächendeckend von verschiedenen Unterhaltungsmedien verzogen werden.
Aber eine umfassende Änderung wird es da nicht geben.


Vielleicht wäre es eine Idee, mal eine recht allgemeine Einführung zu schreiben...ist nur die Frage, wer sich das dann durchliest und es beherzigt, auch wenn er keinerlei Vorwissen hat :think:

Das würde dann so oder so auf eine "Vollversion" mit Erklärung und eine minimalistische Ausgabe nur mit den Ergebnissen/Grundsätzen rauslaufen.
Auf Terminalballistik eingegrenzt habe ich das vor ein paar Jahren mal gemacht und das waren schon fünf Seiten - die dann auch meines Wissens genau der eine gelesen hat, der danach gefragt hatte.


Das Ringen als martialer Grundlagensport ist schliesslich auch deswegen verkannt, weil er oft mit Längen verbunden ist.

Ganz anders als z.B. Boxen über die volle Distanz ;D

Also ja, ein BJJ- oder LL-Wettkampf auf hohem Niveau sieht für den unbedarften Zuschauer gerne mal so aus, als würde da ewig nichts passieren. Aber das ist dann auch recht deutlich der falsche Vergleich.
Außerhalb der Wettkampfsituation mit verschiedenen Zielsetzungen der Beteiligten sind es oft genug eher Sekunden als Minuten - oder es dauert lange, weil sich eine Seite zurückhalten will.

Wo geworfen und geschlagen werden kann, geht es selbst im Wettkampf meistens ziemlich flott.

-Genauso würden Charaktere seltener den Regeln nach totgekloppt, schliesslich war allen bewusst, dass ein reicher Gefangener ein hübsches Lösegeld mit sich bringt

Da haben wir wieder eine recht umfassende Fehlprägung in der Hinsicht, dass Kampfunfähigkeit und Tod in vielen "klassischen" Systemen so eng beisammen liegen, dass die Unterscheidung oft irrelevant ist.
Wenn man kaum unfreiwillig kampfunfähig werden kann, fällt schon mal ein großer Teil weg, der zu einer Gefanngenahme führen kann. Und die Probleme, wenn sich Spieler freiwillig gefangen nehmen lassen sollen, füllen ganze Forenthreads...das muss man schon sehr dezidiert vorbereiten und im Setting verankern, damit es funktioniert.

FWIW: Gut funktioniert hat das bei mir vor einiger Zeit in einer zeitgenössischen Polizeirunde - da war dermaßen klar, dass man nicht einfach alles und jeden totprügeln oder -schießen kann, dass die Spieler von Anfang an passend agiert haben.
Und da war dann auch erfrischenderweise klar, dass beide Seiten sehr unterschiedliche Ziele und Vorgehensweisen haben (ich stehe ja eh auf Kriegsfuß mit "Wenn die SC das (nicht) machen/dürfen, dann machen die NSC das auch (nicht)").


Generell halte ich es für den falschen Weg Grappling mit einer einzelnen Fertigkeit oder einem einzelnem Wert umzusetzen, genauso wie es falsch ist dies für Waffenkampf oder dergleichen im System nur einfach ein "du haust halt irgendwie zu, hier ist dein Trefferbonus" zu machen.
 
Es gibt zu viele verschiedene Techniken welche auch sehr unterschiedliche Voraussetzungen und Auswirkungen haben können. Besser ist es diese auch mit mechanisch unterschiedlichen Aktionen abzubilden.

Das kommt zum Einen auf das System an - wenn das zu grob ist für solche Unterscheidungen, hat sichs eh erledigt*.

Zum Anderen tritt dann gerne mal oben angerissener Effekt ein, dass ein guter Kämpfer zig Fertigkeiten, Talente etc. braucht und für sonst nichts mehr Punkte hat (so es denn ein Kaufsystem ist, aber das ist bei hoher Komplexität ja gerne mal der Fall).

Andersrum: Wenn sowieso jeder Nahkämpfer eine ganze Handvoll Fertigkeiten haben muss, weil er sonst untragbare Lücken hat, kann man die auch zu passenden Kosten auf einen Haufen schmeißen.


*Mir stellt sich in dem Kontext auch oft die Frage, ob eine komplexere Abbildung wirklich einen spielerischen Mehrwert bringt oder ob das letztlich nur Atmosphäre für die Spieler schafft, die sich mit dem komplexer dargestellten Feld auskennen. Wobei gerade die doch auch in der Lage wären, eine grobe/unspezifische Abbildung passend mit Leben zu füllen :think:

Gut, ich weiß das auch zu schätzen, wenn sich ein Autor erkennbar eingelesen und ein Thema durchdrungen hat und das Ganze dann in brauchbare, wenn auch komplexe Spielregeln gießt. Aber ich tue mir schwer damit, das als Königsklasse oder einzig richtige Methode zu bezeichnen.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: August der Schäfer am 27.07.2021 | 11:11
Ja, das ist ein riesiges Konglomerat an teils widersprüchlichen, aber trotzdem wirkmächtigen Seh- und Spielgewohnheiten.
Angefangen bei Mooks/Schlachtvieh insbesondere in Brett- und Videospielen, aber auch im Film, über relative Nutzlosigkeit von Rüstungen und abstruse Tödlichkeit von Waffen (gut, gegen Mooks...aber trotzdem) und oft genug eher verhaltene Grappling-Elemente als Rahmen für Dialoge statt als hoch dynamischer Schlüsselmoment usw. usf.

Daraus ergibt sich ein eher diffuses Gesamtbild, das dann oft genug dazu führt, dass authentische(re) Umsetzungen als unpassend oder gar falsch einsortiert werden.

Wenn ich so drüber nachdenke, wäre ich fast geneigt, zu sagen: Das ist tatsächlich ein Bereich, in dem die Leute flächendeckend von verschiedenen Unterhaltungsmedien verzogen werden.
ja, absolut. Erst die eigene Erfahrung mit Kampfsport (insb. HEMA) haben mir die Augen geöffnet.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: nobody@home am 27.07.2021 | 11:28
Ja, das ist ein riesiges Konglomerat an teils widersprüchlichen, aber trotzdem wirkmächtigen Seh- und Spielgewohnheiten.
Angefangen bei Mooks/Schlachtvieh insbesondere in Brett- und Videospielen, aber auch im Film, über relative Nutzlosigkeit von Rüstungen und abstruse Tödlichkeit von Waffen (gut, gegen Mooks...aber trotzdem) und oft genug eher verhaltene Grappling-Elemente als Rahmen für Dialoge statt als hoch dynamischer Schlüsselmoment usw. usf.

Die Schaukämpfe im Film (und schon vor dessen Erfindung im Theater) sind ja auch absichtlich so choreographiert, daß sich möglichst keiner der Beteiligten tatsächlich verletzt -- Werbung der Art "Total authentische Kämpfe! Siebenundsiebzig Komparsen, sechs Stuntleute, und zwei Stars während der Produktion verreckt!" kann sich niemand leisten. Also wird man da als Publikum eben mit streng genommen dem genauen Gegenteil von echten "Ich mach dich alle, bevor du mich erwischst!"-Kampftechniken gefüttert...verdenken kann ich's den Leuten trotzdem nicht so recht. ;)
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Heinzelgaenger am 27.07.2021 | 12:12
@flaschengeist
Genau so könnte das aussehen
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: flaschengeist am 27.07.2021 | 12:37
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Arldwulf am 27.07.2021 | 13:10
Das kommt zum Einen auf das System an - wenn das zu grob ist für solche Unterscheidungen, hat sichs eh erledigt*.

Natürlich, aber eigentlich ist genau dies der Punkt. Ein System welches versucht solche komplexen, verschiedenen Aktionen welche eigentlich verschiedene Voraussetzungen und Auswirkungen haben können in ein ansonsten grob geschnittenes Framework zu packen wird stets eines von zwei Problemen bekommen. Entweder die Umsetzung ist selbst grob, dann entstehen Ungenauigkeiten wie die oben genannten. Oder man versucht Komplexität in dieses "Subsystem" Grappling zu stecken dann ist dieses plötzlich wesentlich komplexer als andere Regelelemente oder passt nicht dazu.

Besser ist es von vornherein zu sagen: Wenn ich solche Detailgrade und Aktionen im Spiel will müssen diese auch eigene Voraussetzungen und Auswirkungen haben. Das muss auch gar nicht per Kaufsystem geschehen, in erster Linie ist so etwas ja eine Designentscheidung wie viele verschiedene Aktionen man mit einer einzelnen Mechanik abzudecken versucht.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 27.07.2021 | 13:22
Die Schaukämpfe im Film (und schon vor dessen Erfindung im Theater) sind ja auch absichtlich so choreographiert, daß sich möglichst keiner der Beteiligten tatsächlich verletzt -- Werbung der Art "Total authentische Kämpfe! Siebenundsiebzig Komparsen, sechs Stuntleute, und zwei Stars während der Produktion verreckt!" kann sich niemand leisten. Also wird man da als Publikum eben mit streng genommen dem genauen Gegenteil von echten "Ich mach dich alle, bevor du mich erwischst!"-Kampftechniken gefüttert...verdenken kann ich's den Leuten trotzdem nicht so recht. ;)

Das hat damit nur sehr bedingt zu tun.

Man könnte durchaus sehr viel echter wirkende Kämpfe aufziehen, auch im Theater. Das scheitert aber schon daran, dass die Zuschauer auch mitbekommen sollen, was da überhaupt passiert und dass sich das Ganze in die Geschichte einfügen und diese möglichst auch im Kampf weiter erzählt werden soll.
Und dann ist den Machern auch bekannt, welche lang etablierten Darstellungs- und damit Sehgewohnheiten es gibt. Da wissen die Profis oft genug schon recht genau, was korrekt wäre, aber beim Zuschauer nicht gut ankommt oder aus übergeordneten Überlegungen des Regisseurs u.Ä. anders umgesetzt werden sollte.


Als Gegenbeispiel kann man schauen, was im Bereich Szenariotraining alles gemacht wird und möglich ist. Gut aufgezogen ist das auch nach Bewertung von Teilnehmern mit Realerfahrung so "echt" wie es nur geht und dort wird trotzdem sehr selten jemand ernsthaft verletzt.
Das ist dann aber auch keine taugliche leichte Unterhaltung für Zuschauer, weil es so gar nicht für diese aufbereitet wird. 




@Arldwulf:

Jep - deswegen ist es ja eine meiner Grundforderungen, dass Grappling-Regeln sich auf dem gleichen Komplexitätsgrad und der gleichen "Zoomstufe" bewegen wie der Rest des Kampfsystems. 
Es gibt z.B. Systeme, bei denen ich klar sage: Grappling ist da so wie alles andere Teil des "normalen" Nahkampfangriffs und eine genauere Aufschlüsselung einzig an dieser Stelle ergibt keinen Sinn.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: nobody@home am 27.07.2021 | 13:29
Natürlich, aber eigentlich ist genau dies der Punkt. Ein System welches versucht solche komplexen, verschiedenen Aktionen welche eigentlich verschiedene Voraussetzungen und Auswirkungen haben können in ein ansonsten grob geschnittenes Framework zu packen wird stets eines von zwei Problemen bekommen. Entweder die Umsetzung ist selbst grob, dann entstehen Ungenauigkeiten wie die oben genannten. Oder man versucht Komplexität in dieses "Subsystem" Grappling zu stecken dann ist dieses plötzlich wesentlich komplexer als andere Regelelemente oder passt nicht dazu.

Besser ist es von vornherein zu sagen: Wenn ich solche Detailgrade und Aktionen im Spiel will müssen diese auch eigene Voraussetzungen und Auswirkungen haben. Das muss auch gar nicht per Kaufsystem geschehen, in erster Linie ist so etwas ja eine Designentscheidung wie viele verschiedene Aktionen man mit einer einzelnen Mechanik abzudecken versucht.

Logisch fortgesetzt hieße das: Wenn ich solche Detailgrade und Aktionen im Spiel will, dann darf ich mich nicht nur auf den Kampf beschränken (denn sonst hätte ich ja nur wieder das zweite schon angeführte Problem in grün), sondern muß die auf allen Gebieten zumindest mit demselben Ernst einzuführen versuchen. Damit wächst natürlich das Regelwerk entsprechend an... :think:
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: nobody@home am 27.07.2021 | 13:37
Das hat damit nur sehr bedingt zu tun.

Man könnte durchaus sehr viel echter wirkende Kämpfe aufziehen, auch im Theater. Das scheitert aber schon daran, dass die Zuschauer auch mitbekommen sollen, was da überhaupt passiert und dass sich das Ganze in die Geschichte einfügen und diese möglichst auch im Kampf weiter erzählt werden soll.

Ist natürlich auch ein Grund, ja. Und jetzt stellen wir uns einen Ringkampf auf der Bühne vor, der nicht einfach nur nach Show im Ring mit Kayfabe und allem aussehen und trotzdem gut verfolgbar sein soll...geht im Film mit passender Kameraführung und Schnitten zwar etwas besser, bleibt aber eine Herausforderung. Also bringt man die nach Möglichkeit nur, wo die Geschichte absolut nach ihnen schreit...
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 27.07.2021 | 13:43
Und genau deswegen sind Film, Theater und sonstige nicht unbedingt die passenden Vergleiche oder gar Grundlagen für Kämpfe im Rollenspiel ;)

Es wäre aus meiner Warte schon gut was erreicht, wenn die Spieler ungefähr wissen, was in Film & Co. warum wie anders gemacht wird. Aber da ist man schon auf dem besten Weg zu einer umfassenden Einführung... :think:
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Arldwulf am 27.07.2021 | 14:11
Logisch fortgesetzt hieße das: Wenn ich solche Detailgrade und Aktionen im Spiel will, dann darf ich mich nicht nur auf den Kampf beschränken (denn sonst hätte ich ja nur wieder das zweite schon angeführte Problem in grün), sondern muß die auf allen Gebieten zumindest mit demselben Ernst einzuführen versuchen. Damit wächst natürlich das Regelwerk entsprechend an... :think:

Natürlich. Allerdings: Häufig ist es so, dass das System bereits einen solchen Detailgrad hat, nur nicht für alle Aktionen gleichermaßen sondern ungleich verteilt. Sehr üblich ist dabei sogar so etwas wie detaillierte Beschreibungen und Auswirkungen von Zaubern, allerdings kaum detaillierte Beschreibungen und gleichförmige Auswirkungen für kämpferische Aktionen.

Es muss also nicht zwingend zusätzliches dazu kommen was vorher nicht schon im Regelwerk war. Meist reicht es die Komplexität gleichmäßiger zu verteilen und bestehende Konzepte wieder zu verwenden.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Heinzelgaenger am 27.07.2021 | 14:14
Ja, die Frage ist schon, wieviel Edutainment will man (riskieren) und wie viel Spiel?
Wie gliedere ich in (m)ein System fast schon revolutionäre Regel Ansätze kurz und knackig?
Wie leicht lässt sich ein Mehrwert vermitteln wenn Kämpfe plötzlich viel bodenkämpfiger werden können?

(mein System bietet natürlich stufenloses Grappling mittels anders vermitteltem Abstraktionsgrad, Bewegungs- und Verwicklungssystem. Nein, es ist noch nicht fertig... :-\  )

Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: BBB am 27.07.2021 | 15:29
Das würde dann so oder so auf eine "Vollversion" mit Erklärung und eine minimalistische Ausgabe nur mit den Ergebnissen/Grundsätzen rauslaufen.
Auf Terminalballistik eingegrenzt habe ich das vor ein paar Jahren mal gemacht und das waren schon fünf Seiten - die dann auch meines Wissens genau der eine gelesen hat, der danach gefragt hatte.

Wenn du die Quoteverdoppeln willst... ich fände das sehr spannend!
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: nobody@home am 27.07.2021 | 16:07
Und genau deswegen sind Film, Theater und sonstige nicht unbedingt die passenden Vergleiche oder gar Grundlagen für Kämpfe im Rollenspiel ;)

Nicht unbedingt, nein. Andererseits kann ich mich natürlich als einsam-verkniffener "REALISMUS!!!"-Brüller an einem Tisch mit Leuten, die in einem verdammten Spiel auch ihre verdammte gewohnte Film-und-Fernseh-Schaukampfkost zur Unterhaltung erwarten, genauso gut in die Nesseln setzen wie im umgekehrten Fall. ;)
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Heinzelgaenger am 27.07.2021 | 16:10
Wenn du die Quoteverdoppeln willst... ich fände das sehr spannend!
dito
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 27.07.2021 | 18:14
Nicht unbedingt, nein. Andererseits kann ich mich natürlich als einsam-verkniffener "REALISMUS!!!"-Brüller an einem Tisch mit Leuten, die in einem verdammten Spiel auch ihre verdammte gewohnte Film-und-Fernseh-Schaukampfkost zur Unterhaltung erwarten, genauso gut in die Nesseln setzen wie im umgekehrten Fall. ;)

Klar ist das immer eine Gruppensache.
Aber in Film & Co. gibt es immerhin Gründe dafür, wie es gemacht wird und das reduziert sich am Tisch dann auf "Das haben wir (woanders!) schon immer so gemacht"...da braucht man sich dann auch nicht wundern, wenn es hier und da ein bisschen hakt.


Wenn du die Quoteverdoppeln willst... ich fände das sehr spannend!
dito

Hängt an diesem Beitrag ;)

War wie gesagt damals eine eher abstrakte Eingangsüberlegung für ein konkretes Bastelprojekt eines Dritten; entsprechend ist das nicht für eine allgemeine Leserschaft aufbereitet, aber das haltet ihr schon aus ;D

So in dem Stil müsste das dann "für alles" sein...einmal in Langform und einmal die Grundsätze stichpunktartig auf einer oder höchstens zwei Seiten.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: flaschengeist am 27.07.2021 | 21:18
Hängt an diesem Beitrag ;)

Prädikat lesenswert  :d. Wer sich entscheidet, eine Regelmechanik (primär) an der Realität auszurichten, der kann an YYs Beitrag exemplarisch sehen, auf welchem Niveau die erforderliche Fachkenntnisse liegen.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: Heinzelgaenger am 27.07.2021 | 21:49
(@YY - top Artikel!)

Ich bin zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt und eine meiner Systemfragen ist auch genau die: sollte ich einen Erklärbär Appendix schreiben, um das ungewöhnliche Schadenssystem ein bischen klarer zu umreissen?

"Normaler" Blankwaffenschaden könnte auch ähnlich eingeteilt werden. Beispielsweise kann man eine Menge Minitreffer kassieren, egal von welcher Waffe, die praktisch in einem Kampf überhaupt keine Auswirkungen zeigen und sich auch kumulativ kaum auswirken. Anders wiederum verhält es sich mit gewissen Schnitten, welche von einem Schwert nahezu mühelos verursacht werden können (der Grund warum die seit ca dreiundhalb tausend Jahren der King des individuellen Kampfes waren). Nicht unbedingt viel Trauma, aber rascher Blutverlust. Das bildet praktisch kein Kampfsystem gescheit ab.

Ironischerweise vertrat das uralte AD&D System einen guten Ansatz mit den zwei verschiedenen Schadenskategorien - eine gegen normale und kleine Gegner, die andere gegen Grosse und riesige Feinde. Gewisse Waffen wie zB eine Keule mag einem Menschen mit einem guten Hieb den Schädel eindreschen. Gegen ein massiveres Untier aber fehlt schlicht die Fähigkeit, zerstörerischen Schaden anzurichten- dessen Knochen sind einfach eine Spur zu massiv.
Solcherlei Komplexitäten wären doch mal was in einem anspruchsvollerem System!
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: YY am 27.07.2021 | 22:36
sollte ich einen Erklärbär Appendix schreiben, um das ungewöhnliche Schadenssystem ein bischen klarer zu umreissen?

Ich bin da sowohl bei Rollenspielen als auch im Wargame-Sektor ein großer Freund von.
Das erhellt nicht nur einzelne möglicherweise nicht gleich erkennbare Hintergründe, sondern erlaubt bei größerer Anzahl solcher Anmerkungen auch einen guten Eindruck von der allgemeinen Designphilosophie hinter dem Spiel. Das macht dann z.B. rulings passender und hilft, Hausregeln auszurichten. 

Von meiner Seite: Auf jeden Fall dafür.

Solcherlei Komplexitäten wären doch mal was in einem anspruchsvollerem System!

Ja, vor Allem in der Konstellation: Vorher lang und breit Gedanken machen und dann in eine griffige bis minimalistische Regel gießen.


Übrigens ganz am Rande: Weil ich mich gerade damit befasse, ist mir aufgefallen, dass die Neuauflage von Twilight: 2000 einiges recht nah an meinen Überlegungen handhabt - wenn auch hier und da sozusagen aus Versehen, aber hey, das Ergebnis zählt ;D
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: BBB am 28.07.2021 | 00:05
Hängt an diesem Beitrag ;)

Sehr cool, danke, wie lange hatte ich gehofft mal solche Gedanken in einem ROllenspiel zu lesen.
Hammer, sehr lesenswert, vielen vielen Dank!
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 28.07.2021 | 09:01
Hängt an diesem Beitrag ;)

Sehr cool, danke, wie lange hatte ich gehofft mal solche Gedanken in einem ROllenspiel zu lesen.
Hammer, sehr lesenswert, vielen vielen Dank!
Finde ich auch! Die Idee, bei Überraschung mehr Schaden zu machen, finde ich besonders spannend — und ich überlege gerade, ob ich sie direkt übernehme als „bei einem komplett überraschten Gegner beendet schon eine normale Wunde den Kampf, nicht nur eine kritische“.

Kannst du deinen Artikel auf einen stabilen Link stellen, damit ich ihn gut referenzieren kann? (ich würde dir auch anbieten, ihn für dich zu hosten).

Was du schreibst passt nämlich schon sehr gut auf die Schadenswirkung im 1w6-System/EWS: Trefferwurf bei dem die Qualität des Wurfes den Schaden bestimmt und drei Wundstufen (egal, Wunde, kritisch). Mali auf den Wurf durch Deckung, Boni durch Zeit/Ruhe. Normalerweise würfeln beide gegeneinander und es trifft, wer besser ist, wer aber stehen bleibt, um zu zielen, gibt den Gegenwurf auf. Was noch fehlt sind unterschiedliche Arten von Rüstungen (harte Rüstung ließe sich als Schild modellieren: wenn sie getroffen wird, gibt es keinen unmittelbar relevanten Schaden).

Deine Beschreibungen sollten durch 3-4 kurze Einschübe umsetzbar sein (Rüstungsarten: weich oder hart, Zielen als Taktik statt als generischer Bonus, mittelfristige Folgen kleiner Verletzungen, bei Überraschung ist jede Wunde kritisch), und ich würde gerne dazu auf deinen Text als Hintergrund verweisen.
Titel: Re: Grappling im Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 25.08.2021 | 11:13
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