Mich fasziniert an lovecraftschem Horror (bzw. der Art von lovecraftschem Horror, die ich mag) vor allem die Durchmischung von Alltäglichem, Normalem und von gesichertem Bestandswissen (historisch, wissenschaftlich, sprachlich, mythisch) mit einem unfassbaren (im Sinne von "intangible"), übermenschlichen Grauen. Also ein unerwartetes, erst unverstandenes, dann unaufhaltsames Versinken normaler Menschen in Ereignissen und Erkenntnissen, die für Menschen nicht zu verarbeiten sind.
This. Ich habe genau einmal Cthulhu geleitet und zwar für meine Freundin und damit 1zu1. Das ist für Horror ja nochmal zusätzlicher Luxus aber trotzdem habe ich quasi ohne "Spezialeffekte" eine solche gruselige und bedrohliche Stimmung geschaffen, dass sie mit ihrer Figur noch vor dem Showdown (einem ganz speziellen "Erntedankfest") das Weite gesucht hat (nachdem sie ihre Freundin befreien konnte).
Die konkreten Elemente waren:
* Ein Dorf voller Leute, die eine seltsame, urtümliche Glaubensvorstellung pflegen (Menschenopfer zu Erntedank)
* als Verbindung zum "Normalen" eine Gruppe Wandergesellen, die plötzlich verschwinden (keiner weiß mehr von ihnen)
* Ein vertrauenswürdiger Pfarrer, neu im Ort, der hilfsbereit auftritt aber doch am Ende die Leute dabei unterstützt
* die klassische "Person, die etwas herausgefunden hat aber im Irrenhaus gelandet ist"
* Eine kauziger Freigeist, der in einer Scheune wohnt und der sich am Ende als reines Produkt ihrer Fantasie herausgestellt hat (der Gesichtsausdruck, als sie die Scheune plötzlich seit Jahrzehnten verlassen und verfallen vorfand war unbezahlbar!)
* seltsame, lebende Bäume im Wald
* Eine unterirdische, gigantische Sierpinski-Pyramide (https://de.wikipedia.org/wiki/Sierpinski-Dreieck) (=Raumschiff) im Wald mit gut erhaltenen Menschenopfer der letzten 600 Jahren (Treibstoff) darin.
* das Ganze gewürzt mit ein paar zufälligen Ereignissen wie eine Horde Ziegen, die sie angucken und gleichzeitig meckern
Man kann sich dabei auch sehr gut bei S. King orientieren was das Phantastisch-Groteske im Normalen angeht. Und es sollte nicht ZU zufällig und beliebig sein und die WTF-Momente muss man sehr vorsichtig dosieren.
Außerdem sollte man bedenken, dass gerade der Aspekt "kosmischer Horror" heutzutage anders funktioniert als die Rezipienten früher. Dementsprechend muss man mMn den Horroraspekt von Lovecraft auch modernisieren. Als Buchvorlage kann ich dazu nur "Lovecraft Country" von Matt Ruff empfehlen, der macht das dort ganz hervorragend und stimmig.
Ich glaube aber mittlerweile, dass das eigentliche Problem bei den Spielern liegt, die nicht mit der offenen Welt umgehen können und heillos überfordert sind, wenn sie eben alles machen können, vor lauter Möglichkeiten aber nicht wissen was und wohin.[/size]
Gerade Lovecraft gibt mit seinen Einstiegen zu Geschichten ja sehr gute Aufhänger vor. Sei es, dass die Spielfigur etwas geerbt hat (Haus, Bild, Artefakt) oder ein Brief sie irgendwo hinführt. Oder dass eine liebe nahestehende Person plötzlich verschwindet. All das sind sehr funktionale Aufhänger. Man muss sich nur darauf einigen, dass die Spieler diese akzeptieren - sonst kann man es halt auch gleich lassen ;)