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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: 8t88 am 5.08.2019 | 00:42

Titel: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 8t88 am 5.08.2019 | 00:42
Disclaimer
Alle Systemnamen sind Semi zufällig gewählt.
Ich bestehe nicht auf die letzt gültige Wahrheit, es ist nur meine Meinung.
Sachverhalte und Entwicklungen (von meiner Wahrnehmung) der letzten ca. 15 Jahre von RPG/Systemen/Verlagen/Regeln und Hobbys im allgemeinen sind sehr simplifiziert, um nicht die Zeichengrenze von Beiträgen mehrfach zu sprengen.
Also bitte die Goldwaage im Schrank lassen. ;)

Inhaltlicher Disclaimer
Die Spiele der Forge kamen damals zusammen mit besseren und kostengünstigen Veröffentlichungswegen, Web2.0 und so zusammen. Es ist schwer zu sagen, was hete noch indie ist, abgesehen davon dass es im eigentlichen Sinne von "Selbstpublikation" herrührt. Damals waren indie-Games vor allem diejenigen die "Sich anders spielten" und eben auch in eigenregie mit Print on Demand etc. verlegt wurden.
Wie angemerkt ist das alles etwas schwammig und nur aus meiner Perspektive angeschaut.
Ich spreche also eher von den Spielen die "Andere" Mechaniken nutzen, wie zB. Dread, Prime time Adventures, Wushu, uvm.


TL;DR:
Alles was ich an Indie-Game mechaniken cool fand, aber den Leuten schwer zu erklären war, ist nun in "großen" Systemen angekommen und teils noch besser geworden.
Diese Symbiose stimmt mich fröhlich.



Hallo zusammen,

bei mir im Spielumfeld hat sich in letzter Zeit einiges getan.
Seit 2004/2006 war ich sehr gerne mit dabei, mir neue Systeme anzuschauen, die heilige Kühe schlachten und Dinge anders versuchen.

Gerade der Unterschied zwischen auf Themen fokussierte Spiele (zB. Western City, Dread, Breaking the Ice, Prme Time Adventures)
und Spielzeuge die eine Weltsimulationsengine waren (D&D 3, Shadowrun, DSA) war mir sehr bewusst.

In meinen Eigenenkreisen, und auch sonst fehlte mir aber das Vokabular genau herauszustellen was ich meine wenn ich sagte: "Ich mag es wenn Regeln für den Plot da sind".

Nun, selbst D&D 5 führt das Alignment leise zum sterben hinter den Schuppen und bietet mit den Backgrounds, Flaws/Bonds/Ideals eine verquickung von Regeln und Charakterstory.
Zusammen mit dem eher (in den Regeln neu/expliziter formulierten) generellen Verständnis, dass die D&D5 Regeln dafür da sind den Spielern eine Herausforderung zu geben, anstatt eine Welt zu simulieren,
kommt mir zB. diese Edition sehr nahe.

Schon um 2008 herum sagte ich zu meinen nWoD-Hunter-Spielern, sie sollen alles vergessen was die Regeln zu Monstern sagen (Size und Stamina kommt halt eher nur auf 10 Gesundheitsstufen).
Ohne 40 gesundheitsstufen hätten die Monster keine 2 Kampfrunden gegen 4 Spieler mit Shotguns gehalten. Das ist aber dann nicht Furchteinflößend.

Schon Savage Worlds (und andere Spiele wie 7te See vor Ihnen) haben das in Teilen schon verstanden: Balancing gehört unter die Spieler. Das Setting und Spielstil beeinflussen die Regeln, zu gunsten der passenden Atmosphäre.

Was bei meinen Hunter-Runden also noch eine Erwähnenswerte Kampagnenregel war, kommt nun mit zB. Powered by the Apocalypse, The One Ring, den Aktuellen und sehr spielbaren Versionen von Fate, und selbst bei/durch D&D5 richtig an.

Das erklären und die Vorteile von Conflict Resolution zu erklären fiel mir immer schwer und war ein ziemlicher Kampf, auch gegen mich selbst teilweise.
In meinen Runden nennen wir dies so ungefähr "4te Generations Regelsysteme" (wobei wir uns da auch noch uneinig sind).
Nun, kann ich einfach the Sprawl oder Fate auspacken und zeigen was ich meine.

Das macht andere Systeme nicht schlechter, nur weniger passend für das was ich gerne am Spieltisch mache.

Auch extrem fokussierte Spiele wie Breaking the ice und Fiasko mag ich sehr gerne.
Aber Moderner Horror wird zunehmend bei uns weniger mit nWoD, denn mehr mit Urban Shadows und Kult 4th Edition gemacht.
Auch Action wird mehr und mehr gerne mit narrative Dice gemacht (L5R, Star Wars/Genesys). Obwohl diese Art von Spiel mit Warhammer 3rd erst hart gefloppt ist.

Alles in allem freue ich mich, und es macht mir wieder Spaß "normale" Rollenspielbücher zu kaufen, weil die mittlerweile mehr Kram machen der mir gefällt als früher.

Edit: Und ich damit auch mehr Leute erreiche als früher, ohne den Disclaimer eines "Das spiel ist etwas komisch" vorran zu schicken.
Edit2: Zudem stelle ich fest dass totale Anfänger mit PbtA und Barbarians of Lemuria viel weniger Probleme haben als alteingefahrene.
Edit3: Formatierung und Rechtschreibung.
Edit4: Inhaltlicher Disclaimer zum Begriff "indie" angefügt
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Hotzenplot am 5.08.2019 | 09:03
Alles was ich an Indie-Game mechaniken cool fand, aber den Leuten schwer zu erklären war, ist nun in "großen" Systemen angekommen und teils noch besser geworden.

Ja, zum Teil teile ich diese Einstellung (selbst DSA 5 hat Gummipunkte - vorgeschlagen waren die sogar schon ab Wege des Meisters bei DSA 4.1). Wobei es "Indie" ja irgendwie noch gibt. Wäre diese Entwicklung (Mainstream hat Indie-Mechaniken vollständig übernommen) abgeschlossen, gäbe es ja vermutlich kein Indie mehr. ;)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 5.08.2019 | 09:10
Gummipunkte waren doch schon in grauer Vorzeit in einigen Mainstream-Systemen vertreten - da war DSA einfach 10-15 Jahre hintendran.
Viel eher würde ich sagen, dass z.B. Perspektiven wie fail forward oder der Gumshoe-Ansatz zu Ermittlungen in den Mainstream eingesickert sind.
Also konkrete Mechaniken nur mittelbar, sondern vielmehr Erfahrungen aus sehr fokussierten Bereichen, die dann verallgemeinert werden; natürlich müssen die sich am Ende in irgendeiner Form in Regeln niederschlagen.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Rhylthar am 5.08.2019 | 09:11
Zitat
Gummipunkte waren doch schon in grauer Vorzeit in einigen Mainstream-Systemen vertreten - da war DSA einfach 10-15 Jahre hintendran.
Selbst D&D 3 hatte sie schon eingeführt.  ;D
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Sir Mythos am 5.08.2019 | 09:15
8t, du fasst mit dem Punkt ziemlich genau das Gefühl zusammen, dass ich habe, wenn ich aktuelle Regelsysteme lese.  :d
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Grubentroll am 5.08.2019 | 09:26
Findet ihr Gummipunkte echt "indie"?

Ich empfand die schon zu Shadowrun1-Zeiten eher als "unser system ist zu swingy, deswegen habt ihr hier was um das ein wenig auszugleichen".

Und zum Thread: Ja, voll meine Meinung auch. Indie hat dem Mainstream viel Gutes gebracht.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: KhornedBeef am 5.08.2019 | 09:33
Gummipunkte sind nicht Indie, nein. Gummipunkt zurückbekommen für "bunten Storyverwicklungsknopf drücken" vielleicht :)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: HEXer am 5.08.2019 | 09:34
Aber "Indies" wollen doch immer irgendwas "ausgleichen", was in "traditionelleren" RPGs subjektiv nicht passt. Von da her passt das schon. Und ich finde, Gummipunkte waren zumindest mal indie.

Abgesehen davon teile ich die Auffassung von 8T88. Dazu kommt bei mir aber, dass mir Indies zu fokussiert sind und mir dann zu wenig bieten, was klassisches Rollenspiel angeht. Die Indie-Ansätze sind häufig toll, aber das Regelwerk dann eher mau. Wenn ich die Wahl zwischen einem Indie Spiel habe oder einem traditionellen mit Indie Elementen (und sei es, dass ich entsprechende SL Techniken einfach darin umsetze), dann wähle ich das traditionelle und mach es mir so indie wie es mir gefällt. So rum geht es meiner Meinung nach einfacher als anders herum.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Sir Mythos am 5.08.2019 | 09:38
Wenn ich die Wahl zwischen einem Indie Spiel habe oder einem traditionellen mit Indie Elementen (und sei es, dass ich entsprechende SL Techniken einfach darin umsetze), dann wähle ich das traditionelle und mach es mir so indie wie es mir gefällt. So rum geht es meiner Meinung nach einfacher als anders herum.

Da bin ich zum Teil dabei. Meine Feststellung (und damit Meinung) ist, dass das fokussierte von Indies sehr gut bei One-Shots funktioniert. Für lange Kampagnen wäre mir das aber zu fokussiert, so dass ich in dem Fall eher etwas traditionelleres nehmen würde.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Hotzenplot am 5.08.2019 | 09:57
Pfff, klar sind Gummipunkte Indie. Ihr seid nur zu jung!  :korvin:

Da bin ich zum Teil dabei. Meine Feststellung (und damit Meinung) ist, dass das fokussierte von Indies sehr gut bei One-Shots funktioniert. Für lange Kampagnen wäre mir das aber zu fokussiert, so dass ich in dem Fall eher etwas traditionelleres nehmen würde.

Je fokussierter sie sind, desto eher gehe ich mit der Einschätzung mit.

Kampagnenspiel und Indie scheint sich nicht so ideal zu vertragen.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: tartex am 5.08.2019 | 10:22
Klar, wenn TSRs Marvel Super Heroes FASERIP Indie war, dann sind Gummipunkte auch Indie.  ~;D

Indie hat gezeigt, dass man nicht ein System für alles und als Lebensbegleitung designen muss, sondern, dass jede Stimmung was anderes verdienen darf.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Hotzenplot am 5.08.2019 | 10:26
Haben die Indie-Einflüsse auch die OSR berührt? Ich habe von beidem zu wenig Ahnung, aber man könnte ja vermuten, dass der Einfluss der Indies in Mainstream-RPGs dafür sorgt, dass einige Leute wieder old School spielen wollen?
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Infernal Teddy am 5.08.2019 | 10:27
Klar, wenn TSRs Marvel Super Heroes FASERIP Indie war, dann sind Gummipunkte auch Indie.  ~;D

Oder WEGs Ghostbusters, Inc. ...
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: takti der blonde? am 5.08.2019 | 10:30
Haben die Indie-Einflüsse auch die OSR berührt? Ich habe von beidem zu wenig Ahnung, aber man könnte ja vermuten, dass der Einfluss der Indies in Mainstream-RPGs dafür sorgt, dass einige Leute wieder old School spielen wollen?

Wenn mit Indie vor allem Forge gemeint ist...ja, zumindest in der Abgrenzung. Ansonsten sind die meisten OSR Spiele qua definitionem "Indie".

Die Verquickung zwischen "indie" und "mainstream" scheint mir beim Rollenspiel übrigens nicht wesentlich anders als bei anderen Medien.

Grüße

Hasran
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: HEXer am 5.08.2019 | 10:30
Haben die Indie-Einflüsse auch die OSR berührt? Ich habe von beidem zu wenig Ahnung, aber man könnte ja vermuten, dass der Einfluss der Indies in Mainstream-RPGs dafür sorgt, dass einige Leute wieder old School spielen wollen?

Mag sein. Wobei ich den großen unterschied darin sehe, dass Indies tendenziell Dinge verregeln, die die OSR tendenziell eher den jeweiligen Spielgruppen individuell überlassen. Also überspitzt OSR so: "Hier sind die Grundregeln, für alles andere siehe Aleister Crowley." Und Indies so: "Hier haste was um den coolen ScheißTM umzusetzen, für den langweiligen normalen RPG-Kram haben wir hier noch Stiefmutters Marginalregeln."
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Megavolt am 5.08.2019 | 10:35
Stiefmutters Marginalregeln
~;D ~;D
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Sir Mythos am 5.08.2019 | 10:40
Ansonsten sind die meisten OSR Spiele qua definitionem "Indie".

Das ist eine interessante These. Könntest du die ggf. weiter ausführen, denn nach meinem Verständnis waren Indie und OSR bisher zwei völlig unterschiedliche Dinge.
Vielleicht ist meins Verständnis von OSR oder Indie aber auch falsch.

Und btw.: Stiefmutters Marginalregeln ist ein super begriff. Können wir den allgemein Etablieren.  ~;D :d
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: takti der blonde? am 5.08.2019 | 10:47
Das ist eine interessante These. Könntest du die ggf. weiter ausführen, denn nach meinem Verständnis waren Indie und OSR bisher zwei völlig unterschiedliche Dinge.
Vielleicht ist meins Verständnis von OSR oder Indie aber auch falsch.

Und btw.: Stiefmutters Marginalregeln ist ein super begriff. Können wir den allgemein Etablieren.  ~;D :d

Ich vermute, hier ist mit "Indie-Welle" vor allem "Forge-adjacent" gemeint, das passt dann tatsächlich nicht zusammen. Aber parallel zu Musik oder Filmen, sind OSR Spiele häufig von wenigen Leuten mit relativ viel "creativ control" erstellt und eben nicht im Rahmen des großen Verlagswesens. Ebenfalls parallel zu Musik oder Film, ist "indie" vielleicht auch einfach kein besonders hilfreicher Begriff, weil er wenig Aussagekraft besitzt. Ich vermute OP sieht die Gemeinsamkeit der Spiele, die er als "indie" bezeichnet ebenfalls nicht (nur?) darin, dass sie unabhängig ("indie") verlegt sind. Soll jetzt auch kein Tanelorn-Definitions-Rummel werden, aber die Diskussion darum was "indie" ist oder nicht wurde für viele andere Medien schon geführt und ich zumindest sehe keine wesentlichen Unterschiede strukturell zu Rollenspielen.

Grüße

Hasran
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Sir Mythos am 5.08.2019 | 11:00
Dem kann ich inhaltlich folgen. Ich hatte bisher kein entsprechendes OSR Verständnis, weswegen ich das eher in Richtung Mainstream-Systeme verortet hatte. Insofern ist das hier durchaus ein Erkenntnisgewinn.

Wobei "Indie" und "Forge-Adjacent" auch nicht unbedingt gleichsetzbar ist. Es gibt durchaus nicht OSR und nicht Forge-Adjacent Spiele, die m.E. unter Indie gehören (z.B. Itras By).

Wobei natürlich die spannende Frage ist, wo hört Indie auf und wo fängt Mainstream an?
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: takti der blonde? am 5.08.2019 | 11:02
Wobei "Indie" und "Forge-Adjacent" auch nicht unbedingt gleichsetzbar ist. Es gibt durchaus nicht OSR und nicht Forge-Adjacent Spiele, die m.E. unter Indie gehören (z.B. Itras By).

Sehe ich ähnlich, war jetzt erstmal nur eine Vermutung, um den OP besser für mich einordnen zu können.

Grüße

Hasran
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Rhylthar am 5.08.2019 | 11:08
Zitat
Wobei natürlich die spannende Frage ist, wo hört Indie auf und wo fängt Mainstream an?
Kann ich für mich schon gar nicht mehr beantworten.

Im Zweifel mache ich es mir ganz einfach: Hat Roland es im Programm und ist es sonst kaum erhältlich (oder nur mit großer Mühe), ist es wahrscheinlich Indie.  ~;D
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 8t88 am 5.08.2019 | 11:08
Ja, ich sollte noch einen Disclaimer anhängen, dass Forge/indie/OSR etc. ein wenig Schwammig ist...  :think: :'(
Darum ja auch die Ansage dass so eine zusammenfassung in allen details schwierig ist ;)

Die Forge, und die Systeme die da rausfielen und nun in Sowas wie Ten Candles und Fiasko endeten, kamen halt einfach zusammen mit der Möglichkeit des Internets:
PDF, Print on Demand, bessere/kostengünstiges erstellen und lernen von Layout und online Publikationen, Web 2.0 und und und, das war einfach genau der richtige Mix damals.
Deren Einfluss in den Mainstream, D&D5 / Rollenspiel allgemein und Youtube, entstigmatisierung von Nerd Kram durch Herr der Ringe, Harry Potter, Buffy und Marvel-Filme / game of thrones etc. etc.

Das alles ist eben ein sehr komplexes, und sich über Lange Zeit entwickelndes Thema... (das ich hier auch nur mit meiner Wahrnehmung darstellen kann).
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 8t88 am 5.08.2019 | 11:15
@Gummipunkte sind Indie/Forgy
Nein, sind sie nicht. Auch die Ansage vom sehr sehr alten Pendragon, dass Ritter mit schwert und Schild die Norm sind, und alles andere dann modifikatoren gibt, So wie deren "Downtime mechanik" sind heute wiedermal im mainstream angekommen. aber waren einfach nicht so sehr verbreitet.
Auch das Monster und Spielercharaktere unterschiedliche Wertesätze haben weil "ist so" ist "nicht neu".
Und die kampagnen-Gruppen Skillpakete von Traveller sind auch nicht neu. Aber sehr cool, schon damals.

Ich hatte halt nur das Gefühl, dass mit PbtA und Fate, One Ring und D&D5, tales From the loop, zumindest für mich (in jeweils unterschiedlichen Ausprägungen je System) eben diese "Forgy/Indie" Mechaniken, nun "salonfähig" geworden sind, und eben auch in Kampagnen funktionieren, oder sogar eine Menge dazu beitragen können.
(Ich spiele gerade "the sprawl" im Kampagnenmodus... und das kommende ALIEN Rollenspiel hat eine Kampagnen und eine One-Shot Variante, mit wenigen Handgriffen).

 :)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: nobody@home am 5.08.2019 | 11:16
Wobei natürlich die spannende Frage ist, wo hört Indie auf und wo fängt Mainstream an?

Hmja. Ist beispielsweise Fate nun "noch Indie" oder "schon Mainstream"? ;) Es mag ja bis heute kein Verkaufskoloß wie D&D oder DSA sein (andererseits its das z.B. Midgard auch nicht unbedingt), aber die "reiner Hinterzimmer-Geheimtipp für Liebhaber"-Stufe hat es auf jeden Fall auch schon seit spätestens dem Sprung über den großen Teich mit der eigenen deutschen Übersetzung und weiterem Zusatzmaterial hinter sich gelassen...
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 8t88 am 5.08.2019 | 11:18
Hmja. Ist beispielsweise Fate nun "noch Indie" oder "schon Mainstream"? ;) Es mag ja bis heute kein Verkaufskoloß wie D&D oder DSA sein (andererseits its das z.B. Midgard auch nicht unbedingt), aber die "reiner Hinterzimmer-Geheimtipp für Liebhaber"-Stufe hat es auf jeden Fall auch schon seit spätestens dem Sprung über den großen Teich mit der eigenen deutschen Übersetzung und weiterem Zusatzmaterial hinter sich gelassen...
Das ist das Problem: Ich hätte gestern Abend noch schreiben sollen dass ich den aaaaalten "Indie" Begriff meine, also eher "Forge Adjacent" spiele.
Und nicht einfach nur Spiele die in Eigenregie verlegt werden. :(
Tut mir leid für die Verwirrung.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Lord Verminaard am 5.08.2019 | 11:24
Hey 8t, schön mal wieder von dir zu lesen! :)

Ich bin ja so was von raus, beschäftige mich ja so gut wie gar nicht mit aktuellen Regelwerken. Ausnahmen in letzter Zeit waren nur der RQG Quickstarter und Coriolis, bei beiden kann ich den Trend erkennen, den du beschreibst, auch wenn man sich jeweils fragen kann, ob die Umsetzung geglückt ist.

Was "Indie" angeht, so ist die offizielle Forge-Definition von "Indie" tatsächlich immer "creator owned" gewesen, Punkt. Natürlich, in der Forge-Disapora, zu der das Tanelorn ja zumindest in Teilen irgendwie zählt, wird "Indie" schon stark mit thematischen Spielen verbunden. Gummipunkte sind von ihrer Entstehungsgeschichte her wohl in keinem dieser Wortsinne Indie, letztendlich gab es die schon in Star Wars d6 von 1987, was in jeder Hinsicht ziemlich Mainstream ist. Trotzdem gehören sie irgendwie im weitesten Sinne zu jenem ketzerischen Gedankengut, welches das Hobby aus seinem traditionellen, im Wargaming verwurzelten Urzustand in etwas Neues, Anderes (tm) transformiert hat. ;)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Crimson King am 5.08.2019 | 11:51
Ich muss ja zugeben, dass gerade Hybridspiele, die in starkem Maße Indie-Mechaniken integrieren, für mich im Kampagnenspiel nicht besonders gut funktionieren. Fokussierte Indies können für One Shots phänomenale Ergebnisse liefern. Im Kampagnenspiel hätte ich gerne etwas weniger formelhaftes, als es PbtA mit seiner Fokussierung auf Moves oder FATE mit seiner FATE-Point-Mechanik liefern.

Zum Indie-Begriff wurde an sich schon alles gesagt. Der wird hier mit bestimmten Erzählmechaniken übersetzt, bedeutet aber eigentlich etwas anderes. Nicht dass Rollenspiel jenseits einer Handvoll Systeme nicht generell independent wäre.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 5.08.2019 | 11:56
Trotzdem gehören sie irgendwie im weitesten Sinne zu jenem ketzerischen Gedankengut, welches das Hobby aus seinem traditionellen, im Wargaming verwurzelten Urzustand in etwas Neues, Anderes (tm) transformiert hat. ;)

Das ist aber so früh passiert, dass es zeitlich fast* mit der Feststellung zusammenfällt, dass dieser komische Rollenspielkram nicht nur eine kurzlebige Modeerscheinung ist und bald alle wieder richtige Wargames spielen.


*jedenfalls aus heutiger Perspektive in die graue Vorzeit zurückblickend... :)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: D. Athair am 5.08.2019 | 12:05
Mag sein. Wobei ich den großen unterschied darin sehe, dass Indies tendenziell Dinge verregeln, die die OSR tendenziell eher den jeweiligen Spielgruppen individuell überlassen. Also überspitzt OSR so: "Hier sind die Grundregeln, für alles andere siehe Aleister Crowley." Und Indies so: "Hier haste was um den coolen ScheißTM umzusetzen, für den langweiligen normalen RPG-Kram haben wir hier noch Stiefmutters Marginalregeln."
Und beide verregeln Dinge nicht, welche bei den großen Mainstream-Spielen (Pathfinder, DSA, Shadowrun, FFG Star Wars) den Hauptbestand der Regeln und des damit verbundenen Spielerlebnisses ausmachen.


Indie-OSR-Hybride wie "The Cthulhu Hack", "The Indie Hack", ... zeigen das ganz gut.
Und das sind wiederum Spiele, die auch Freiformer ansprechen können.


Ich finde auch, dass man zwar Forge-Einflüsse als "indie" bezeichnen kann, aber die Dynamiken sind doch älter. Die Forge hat zum ersten Mal versucht "indie-Prinzipien" designtheoretisch zu sortieren und kohärente Erklärmodelle anzubieten.
Das britische Magazin Interactive Fantasy (von James Wallis) hat einiges vorweggenommen. Puppetland (1997) von John Tynes gehört in den Hogshead-Wallis-Indie-Kontext. Auch das von Teddy schon erwähnte Ghostbusters von 1986 (das die Regelbasis für Star Wars d6 lieferte) oder Prince Valiant Storytelling (1989) oder Everway oder, oder, oder ... sind älter und haben "forgy" Elemente.


Post-Forge-Konzepte in konventionellen RPG ... finde ich eher bäh.
Aber das liegt mehr daran, wie Mainstream-Spiele - im Gegensatz zu Indie, OSR, Freiform, W100 und Abenteuer-Erzählspielen funktionieren. (Das ist auch ein Grund, warum ich den Begriff "Trad Game" schwierig finde. Old School und OSR sind für mich - gerade nicht mit Dingen wie 3.X, Arcane Codex, Deadlands Classic, WoD, ... in einen Topf zu werfen.)



Kurzum: Ich teile die Ausgangsthesen und -beobachtungen, wenn man die Entwicklungen in der Breite betrachtet.
Wenn man in die Tiefe schaut (bzw. auf die Vielfalt jenseits der kommerziell erfolgreichen Sachen), bietet sich ein sehr anderes Bild.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 5.08.2019 | 13:45
Gummipunkte sind von ihrer Entstehungsgeschichte her wohl in keinem dieser Wortsinne Indie, letztendlich gab es die schon in Star Wars d6 von 1987, was in jeder Hinsicht ziemlich Mainstream ist. Trotzdem gehören sie irgendwie im weitesten Sinne zu jenem ketzerischen Gedankengut, welches das Hobby aus seinem traditionellen, im Wargaming verwurzelten Urzustand in etwas Neues, Anderes (tm) transformiert hat. ;)

Das ist natürlich genau die Phase in der Spiele immer simulationistischer wurden. Genrewelten-Simulation, genauer gesagt, und damit eben ganz anders als zB PbtA.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 5.08.2019 | 13:59
Aber das liegt mehr daran, wie Mainstream-Spiele - im Gegensatz zu Indie, OSR, Freiform, W100 und Abenteuer-Erzählspielen funktionieren. (Das ist auch ein Grund, warum ich den Begriff "Trad Game" schwierig finde. Old School und OSR sind für mich - gerade nicht mit Dingen wie 3.X, Arcane Codex, Deadlands Classic, WoD, ... in einen Topf zu werfen.)

Als jemand der mit DSA 1 angefangen hat und die Entwicklung weg von den Old School-Rollenspielen mitgemacht hat, ist dies für mich schwer nachzuvollziehen. Sowohl DSA 1 als auch DSA 4 emulieren Fantasy-Welten, woraus dann Fantasygeschichten entstehen. DSA 4 überlässt die Simulation allerdings weniger dem GM, sondern mehr den Regeln. Dungeon World hingegen emuliert Fantasygeschichten, woraus dann bei Bedarf Weltenelemente entstehen.

Es bleibt für mich bei dem Dreieck Old-School (Gamismus), New-School (Welten-Simulationismus), Storygame (Narrativismus/Story-Simulationismus, von mir aus auch "Indie"). In der chronologischen Reihenfolge.

Es wird Zeit, dass die New School mal etwas offensiver Eigenwerbung macht.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 5.08.2019 | 14:15
Es wird Zeit, dass die New School mal etwas offensiver Eigenwerbung macht.

Wieso?
Die hockt doch auf einem riesigen Marktanteil, ohne sich überhaupt irgendwie nach außen definieren oder nach innen reflektieren zu müssen.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: ArneBab am 5.08.2019 | 15:29
Es bleibt für mich bei dem Dreieck Old-School (Gamismus), New-School (Welten-Simulationismus), Storygame (Narrativismus/Story-Simulationismus, von mir aus auch "Indie"). In der chronologischen Reihenfolge.

Es wird Zeit, dass die New School mal etwas offensiver Eigenwerbung macht.
Die hockt doch auf einem riesigen Marktanteil, ohne sich überhaupt irgendwie nach außen definieren oder nach innen reflektieren zu müssen.
Findest du? Mit dem EWS ist eine konsistente Realisierung der Welt eine meiner Hauptzielsetzungen (wenn alle Interaktionen von NSCs gewürfelt würden, soll das der Beschreibung der Spielwelt entsprechen; mit Schnittstellen für Weltenspezifische Regelanpassungen), und ich finde, dass die großen Rollenspiele das nicht wirklich gut erfüllen. Oft sind den Regeln nach normale Leute nichtmal (Welten-)plausibel spielbar.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Faras Damion am 5.08.2019 | 15:46
(...)
Es wird Zeit, dass die New School mal etwas offensiver Eigenwerbung macht.

+1 :)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 5.08.2019 | 15:58
@Arnebab: Dass die meisten Rollenspielsysteme Welten simulieren wollen, sehe ich als evident an. Ob sie es können ist eine komplett andere Frage. :)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: nobody@home am 5.08.2019 | 16:20
@Arnebab: Dass die meisten Rollenspielsysteme Welten simulieren wollen, sehe ich als evident an. Ob sie es können ist eine komplett andere Frage. :)

Und ob der Versuch an sich schon überhaupt so sinnvoll ist, gegebenenfalls noch mal eine dritte. ;)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Crimson King am 5.08.2019 | 16:32
Als jemand der mit DSA 1 angefangen hat und die Entwicklung weg von den Old School-Rollenspielen mitgemacht hat, ist dies für mich schwer nachzuvollziehen.

Echt? Sowohl OS als auch Storygaming steht für sehr fokussierte Spielformen mit wenigen, auf den Bedarf zugeschnittenen Regeln. Ich sehe da auch massive Unterschiede speziell im jeweiligen Fokus, Umgang mit Erzählrechten und der generellen Rollenteilung zwischen SL und Spielern, aber beide haben den wesentlichen Unterschied zu dem was du New School nennst, nämlich dass dort eine recht hohe Beliebigkeit herrscht. Die New School will es möglichst allen irgendwie recht machen. Die braucht meines Erachtens auch echt keine Werbung.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 5.08.2019 | 16:42
@Arnebab:

Ja, finde ich - und ich verweise auf den Beitrag von 6.

Wollen tun das viele Regelwerke. Ob sie es gut machen, ist eine andere Frage und weitgehend von der Frage getrennt, ob sie am Markt erfolgreich sind.

Daher: Der Markterfolg und die breite Spielerschaft sind eh schon da.
Jetzt gibt es innerhalb dieser Spielerschaft eine vergleichsweise kleine Gruppe, die gerne bessere Umsetzungen hätte und als Sahnehäubchen das Ganze entweder von einem schon erfolgreichen System oder umgekehrt in der Weise, dass ein neues System mit guter Umsetzung auch erfolgreich und in der Fläche präsent wird.
Ich wüsste nicht, wie Werbung da helfen würde - allerhöchstens extrem langfristig und über Umwege, indem neue Leute ins Hobby und zu diesem Stil gebracht werden, die dann irgendwann mal den Anstoß für eine bessere Umsetzung geben.
Aber das geht auch deutlich direkter.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Faras Damion am 5.08.2019 | 16:56
Und ob der Versuch an sich schon überhaupt so sinnvoll ist, gegebenenfalls noch mal eine dritte. ;)

Es gibt tolle Systeme, die perfekt sind, um eine coole Geschichte zu erzählen oder spannende Kämpfe zu bieten oder einen weirden Dungeon zu erschaffen oder endlose Exploration zu bieten. Dabei wird oft bewusst auf Weltkonstistenz verzichtet. Ist ja auch okay, wenn der Fokus woanders liegt.

Aber es gibt Leute, denen das wichtig wäre. 

Für mich geht es dabei nicht darum, dass detailreich jedes Dorf beschrieben wird oder der Rübenhandel simuliert wird. Aber die Weltregeln sollten sich nicht ständig ändern und einer gewisse Logik folgen.

Es gibt Systeme, bei denen die Welt für mich gut funktioniert, z.B. Kagematsu.  Aber es gibt kaum Hilfe, wie man solch ein Setting erschaffen und bei den Improvisationen während des Spiel bewahren kann.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: nobody@home am 5.08.2019 | 17:15
Es gibt tolle Systeme, die perfekt sind, um eine coole Geschichte zu erzählen oder spannende Kämpfe zu bieten oder einen weirden Dungeon zu erschaffen oder endlose Exploration zu bieten. Dabei wird oft bewusst auf Weltkonstistenz verzichtet. Ist ja auch okay, wenn der Fokus woanders liegt.

Aber es gibt Leute, denen das wichtig wäre.

Mag sein. Aber für mich ist "Weltsimulation" zumindest, soweit's das Thema Rollenspiel tangiert (eine imaginäre Welt primär als Selbstzweck "simulieren" zu wollen, wäre eine andere Baustelle, aber auch schon ein anderes Hobby), nun mal nur ein möglicherweise brauchbares, aber nicht zwingend nötiges Hilfsmittel zum Hilfsmittel -- nämlich einfach zur groben Aufrechterhaltung der Plausibilität des Settings in den Köpfen der Spieler, wobei es bei der (dank der individuellen Unterschiede darin, worauf der Einzelne nun genau achtet und was ihn in welcher Stimmung und Situation zu stark "herausreißt" und was nicht) ihrerseits auch schon gar keinen standardisierbaren Universalanspruch geben kann.

Insofern wird die Wichtigkeit der Simulation aus meiner Sicht gerne mal -- woran die "Tradition" bestimmter Systeme ihren Anteil haben mag -- stark überbewertet.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 5.08.2019 | 17:19
Kagematsu ist doch das Rollenspiel, bei dem die Damen einen Ronin bezirzen müssen oder? Wenn ja dann meint Alexander glaube ich eine andere Art von Weltensimulation. :)
(Kennst Du Montsegur 1244?)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: ArneBab am 5.08.2019 | 17:34
Daher: Der Markterfolg und die breite Spielerschaft sind eh schon da.
Die Aussage gab es ja für Erzählspiele mit der WoD doch auch schon. Bis dann neue Systeme kamen und gezeigt haben, dass es doch einen Unterschied macht, ob die Regeln den geflufften Spielstil wirklich unterstützen.

D&D simuliert die Welt v.a. über harte Klassensysteme. Im Kampf gibt es aber nicht mehr viel von der Welt. Das gilt für Splittermond ähnlich.

DSA simuliert die Welt darüber, dass die Bezeichnungen in den Regeln zur Welt passen, und dass bei Regeln mitgedacht wird, was sie für Bauern bedeuten. Seit DSA 4 durch die Kampfmanöver allerdings eher weniger. Und es braucht viel Verwaltung.

Die WoD widerspricht den Beschreibungen der Welt mit den Regeln.

Bei Gurps folgt die Welt über kurz oder lang den Regeln (auch wenn es Anpassungen gibt). Hier ist die Marktdurchdringung in Deutschland eher mau. Vielleicht auch weil DSA behauptet zu tun, was Gurps recht gut kann (allerdings mit zu viel Aufwand und in dem recht engen Korsett der riesigen Vielfalt dort existierender Regeln, die die Latte für Regeln sich anders anfühlender Welten extrem hoch legen).

Mechanical Dream hat die Welt sehr gut simuliert. Da hat jeder Würfelwurf ein Gefühl der Welt vermittelt — nicht nur ein Gefühl für den Charakter, sondern auch für die Welt.

Shadowrun 3 hat das auch gut geschafft, SR 2 sogar noch besser — trotz der Balancingprobleme. Es hat Geschichten erzählt von Leuten, die sich so schnell bewegen, dass das Auge kaum noch folgen kann, und so fühlte es sich auch an.

Vielleicht versuche ich auch nur zu beschreiben, was mich an Regelsystemen packt. Was dieses Gefühl vermittelt, in eine gemeinsame Welt einzutauchen.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Faras Damion am 5.08.2019 | 17:46
Kagematsu ist doch das Rollenspiel, bei dem die Damen einen Ronin bezirzen müssen oder? Wenn ja dann meint Alexander glaube ich eine andere Art von Weltensimulation. :)
(Kennst Du Montsegur 1244?)

Kagematsu war auch nur ein Beispiel. :) Es gibt auch andere für mich positive Beispiele. Chtulhu. Geh nicht in den Winterwald. Entweder recht nah an der echten Welt mit mystischen Aufbau, bei dem man nicht so viel vermasseln kann. Oder "kleine" Settings, bei dem nicht viel definiert werden muss.

Ich habe in letzter Zeit nur zu viel Zeug gespielt mit dem typischen Zeugs: Es leben Räuber, Skelett, Hund und Megabösewicht im Dungeon nebeneinander. Man begegnet in jeder Taverne dramatisch seinem Erzfeind unter dem schwankenden Kronleuchter. Die Nichtspielercharaktere sind inkompentete Oneliner ohne eigenes Leben.  Ächz.

Montsegur 1244: Kenne ich nur vom Hörensagen. :)

Und ich möchte ja gar nicht sagen, dass Simulation über allem stehen soll. Auf gar keinen Fall. Aber ich habe das Gefühl, dass viele Fortschritte in Narration, Spielablauf, Spannung und Sense of Wonder gemacht wurden, aber wenig in Simulation.
   
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: ArneBab am 5.08.2019 | 18:51
Und ich möchte ja gar nicht sagen, dass Simulation über allem stehen soll. Auf gar keinen Fall. Aber ich habe das Gefühl, dass viele Fortschritte in Narration, Spielablauf, Spannung und Sense of Wonder gemacht wurden, aber wenig in Simulation.
Das ist auch mein Eindruck. Und es ist auch plausibel: Bei dem, was ich von Forge GNS mitbekommen habe, war Simulation immer "das andere". Es gibt Gamismus und Narrativismus, die wurden inzwischen immer und immer wieder bedient. Aber Simulationismus wurde beiseitegelassen. Das war das andere. Das uninteressante. Das es ja für manche Welten schon gab (Traveller, DSA). Entsprechend ging es da nicht sehr voran.

Entsprechend spielen wirkt manches heute wie ein Abziehbild der immer gleichen Repräsentation Gamistischer und Narrativistischer Ideen. Beispiel: Splittermond macht Spaß. Aber es hat sich für mich beim Spielen nicht wie eine eigene Welt angefühlt. Seefahrt war halt spielen auf einem Schiff. In der Stadt war halt spielen in einer Stadt. Magie gab es, aber sie war weniger Teil der Welt als in Shadowrun (wo Megacons ihre Wände mit lebenden Pflanzen vor Spionen schützen). Und was die Herkunft der Charaktere ausmachte, haben wir v.a. über nicht-verregelte Erzählungen reingebracht. Im Vergleich zu DSA ist das ein Rückschritt, und ich wüsste nicht, wie ich Besonderheiten der Welt sauber ins Regelwerk integrieren könnte.

Also die Welt als gleichberechtigten Anteil im Spiel.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: D. Athair am 5.08.2019 | 19:08
Es bleibt für mich bei dem Dreieck Old-School (Gamismus), New-School (Welten-Simulationismus), Storygame (Narrativismus/Story-Simulationismus, von mir aus auch "Indie").
Die Zuordnungen finde ich ziemlich panne. Kann ich überhaupt kein Stück weit nachvollziehen. Gamismus im Sinn von "Magic Combo Play" ist Pathfinder, ist auch FFG Star Wars, ist D&D 4 ... aber ganz sicher nicht cD&D & AD&D, Maelstrom, Advanced Fighting Fantasy, Dragon Warriors, ...

Welten-Simulation sind Traveller, RuneQuest, Pendragon, Legend of the Five Rings ... also Spiele, bei denen Spielwelt-Konventionen ZWANG auf die SC ausüben. Wo die Spielwelt selbt ein Wert an sich ist und gerade eben keine Bühne für die SC und auch eher keine Bühne für Autoren-Geschichten. Bei V:tM, Shadowrun, DSA ... war das recht bald nicht mehr der Fall. Weil ein redaktionell kontrollierter Metaplot erzählt wurde und die Spielwelt eben doch Bühne wurde. Also "Spielwelt als Wert an sich" ... sehe ich in der New School nicht.
(Ohnehin kenne ich "New School" als Begriff für D&D 3.X+, FFG Star Wars, ... also Spiele, die Gamismus mit Narrativismus kombinieren oder Gamismus mit Simulationismus, ... und die auf MMO- oder Forge-Mechanismus setzen.)

Auch deine Storygame-Bescheibung passt für mich auch nicht - aber immerhin noch mit am besten.


Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 5.08.2019 | 19:08
Das ist auch mein Eindruck. Und es ist auch plausibel: Bei dem, was ich von Forge GNS mitbekommen habe, war Simulation immer "das andere". Es gibt Gamismus und Narrativismus, die wurden inzwischen immer und immer wieder bedient. Aber Simulationismus wurde beiseitegelassen. Das war das andere. Das uninteressante. Das es ja für manche Welten schon gab (Traveller, DSA). Entsprechend ging es da nicht sehr voran.
Und eben an dieser Stelle werdet Ihr wieder 20 Seiten Kreisel drehen, weil Ron Edward selber nicht mal richtig den Finger drauf legen konnte, was denn Simulationsmus genau ist. Also kann jeder für sich den Simulationismus-Begriff so definieren wie er lustig ist und dann mit voller Leidenschaft gegen Andere, die den Begriff anders für sich definiert haben, anstreiten...

(Habe ich eigentlich schonmal geschrieben, dass GNS doof ist?)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 5.08.2019 | 19:11
Die Zuordnungen finde ich ziemlich panne. Kann ich überhaupt kein Stück weit nachvollziehen. Gamismus im Sinn von "Magic Combo Play" ist Pathfinder, ist auch FFG Star Wars, ist D&D 4 ... aber ganz sicher nicht cD&D & AD&D, Maelstrom, Advanced Fighting Fantasy, Dragon Warriors, ...
Und dafür passt dann die Zuordnung wieder, wenn man Gamismus im Sinne von Herausforderung für die Spieler definiert... da gehört dann die komplette D&D-Schiene wieder rein...
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: ArneBab am 5.08.2019 | 19:16
Und eben an dieser Stelle werdet Ihr wieder 20 Seiten Kreisel drehen, weil Ron Edward selber nicht mal richtig den Finger drauf legen konnte, was denn Simulationsmus genau ist. Also kann jeder für sich den Simulationismus-Begriff so definieren wie er lustig ist und dann mit voller Leidenschaft gegen Andere, die den Begriff anders für sich definiert haben, anstreiten...
Können wir uns auch einfach einigen, dass in die Forge nie richtig definieren konnte, was denn nun Simulationismus ist, und deswegen nicht gut damit experimentieren konnte?
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: D. Athair am 5.08.2019 | 19:17
wenn man Gamismus im Sinne von Herausforderung für die Spieler definiert
... dann findet eine Reduktion des Gamismus-Begriffs statt ... und der extra erweiterte old school Begriff passt immer noch nicht auf die simulationslastigeren Sachen wie Traveller oder Maelstrom.


... und der ganze Bereich der "attitude games" sowie das beliebe "style over substance action kino" haben immer noch keine Heimat.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 5.08.2019 | 19:23
Können wir uns auch einfach einigen, dass in die Forge nie richtig definieren konnte, was denn nun Simulationismus ist, und deswegen nicht gut damit experimentieren konnte?
Von mir aus gerne.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 5.08.2019 | 19:31
... dann findet eine Reduktion des Gamismus-Begriffs statt ...
Interessanterweise weniger als bei Deiner Definition  Immer daran denken, dass Alexander aus Ron Edwards Definitionen heraus arbeitet.
Ansonsten: GNS ist doof. Daher werde ich nicht im Traum versuchen da weitere Einteilungen der Systeme in das System vornehmen.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Lord Verminaard am 5.08.2019 | 19:43
Können wir uns auch einfach einigen, dass in die Forge nie richtig definieren konnte, was denn nun Simulationismus ist, und deswegen nicht gut damit experimentieren konnte?

Sie wollte es ja auch gar nicht, Sim war ja das Stiefkind. In den frühen Jahren war sogar umstritten, ob das überhaupt eine "echte" Creative Agenda ist. Später gab es dann abwertende Begriffe wie "Simulationism by Habit".
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: D. Athair am 5.08.2019 | 20:12
Interessanterweise weniger als bei Deiner Definition
  :o  :o  :o  Meine Definition? Ich hab nur von Gamismus-Aspekten geschrieben, die mir fehlen. "Magic Combo Play", "Spielerherausforderung", "Regelprozess-Spiel (wie bei Savage Worlds) ... sind alles Varianten von gamistischen Ansätzen (die sich untereinander auch gar nicht so gut vertragen).

Ich find schon wichtig, dass man Definitionen und Kategorisierungen - wenn man sie unbedingt vornehmen will (oder muss) - nicht zu eng setzt. Scorp hasst zum Beispiel Old School UND spielt sehr gern herausforderungsorientierte Action. Mit Simulation hat das aber auch nix zu tun.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 5.08.2019 | 20:14
Wieso?
Die hockt doch auf einem riesigen Marktanteil, ohne sich überhaupt irgendwie nach außen definieren oder nach innen reflektieren zu müssen.

Und ist zum Teil auf dem Rückzug: siehe zB die neuesten Versionen von D&D oder Shadowrun. Man vergleiche auch Savage Worlds mit GURPS.
Das liegt daran, dass sowohl die gamistische Old School als auch die narrativistischen Indiegames sich sehr erfolgreich als Trend inszeniert haben und aus beiden Lagern nicht mit Kritik gespart wird.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 5.08.2019 | 20:24
  :o  :o  :o  Meine Definition? Ich hab nur von Gamismus-Aspekten geschrieben, die mir fehlen. "Magic Combo Play", "Spielerherausforderung", "Regelprozess-Spiel (wie bei Savage Worlds) ... sind alles Varianten von gamistischen Ansätzen (die sich untereinander auch gar nicht so gut vertragen).
Ah. Dann nicht weiter auf mich achten und weiter machen. :)
Zitat
Ich find schon wichtig, dass man Definitionen und Kategorisierungen - wenn man sie unbedingt vornehmen will (oder muss) - nicht zu eng setzt. Scorp hasst zum Beispiel Old School UND spielt sehr gern herausforderungsorientierte Action. Mit Simulation hat das aber auch nix zu tun.
Jupp. Sehe ich ähnlich. Besonders sollte klar sein, welche Aufgabe diese Kategorisierung hat und es sollte ein Erkenntnisgewinn dadurch geschafft werden. (Also neben: "Die Kategorien bringen nix.")
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 5.08.2019 | 20:37
Also man kann ab Mitte/Ende der 80er ausmachen, wie Spiele komplexer wurden und versuchten die (Pseudo-)Realität genauer abzubilden. Man vergleiche einmal einen OSR-Retroclone mit Shadowrun oder Cyberpunk 2020 und beachte die Schusswaffenmodifkatoren in diesen beiden Spielen. Man lasse mal die ellenlangen Skill-Listen in den typischen 90er-Spielen Revue passieren oder deren Listen mit Vor- und Nachteilen. Die OSR wendet sich ja in weiten Teilen sehr explizit gegen diese Entwicklung. Und Indiegames ebenso, nur halt auf andere Art und Weise. Beide Bewegungen bestehen je selbst geradezu auf einen Unterschied zu diesen 90er-Spielen.

Und insofern die einen oder anderen über die simulationistische Konkurrenz herziehen, ist es durchaus geboten hier und da mal dagegenzuhalten.


PS Wie bereits in einem anderen Thread angemerkt: Ron Edwards verleugnet mittlerweile die Existenz des Simulationismus.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: D. Athair am 5.08.2019 | 20:51
Man vergleiche einmal einen OSR-Retroclone mit Shadowrun oder Cyberpunk 2020 und beachte die Schusswaffenmodifkatoren in diesen beiden Spielen. Man lasse mal die ellenlangen Skill-Listen in den typischen 90er-Spielen Revue passieren oder deren Listen mit Vor- und Nachteilen. [...]

Und insofern die einen oder anderen über die simulationistische Konkurrenz herziehen, ist es durchaus geboten hier und da mal dagegenzuhalten.
Stimmt! Und gleichzeitig ich finde diese 90er-Spiele ganz furchtbar. Für mich hat deren Metaplot-Kram, deren Regelspielereien, der Barbiespiel-Kram um Vor- und Nachteile, das Erschaffen von "geilen Spielfiguren" ...  nicht viel mit dem Simulationismus der Runequest-Schule oder anderen Simulations-Arten zu tun. Für mich ist bei Simulationsspielen wichtig:
Die Spielwelt hat einen Eigenwert, der nicht zulässt, dass sie bloß oder vorwiegend SC-Bühne oder Projektionsfläche für Autoren-Geschichten ist.
... aber es gibt noch andere valide Simulationsspiel-Arten.


Erzählonkelspiel oder Barbiespiel mit Simulationsanteilen jedoch ... ist für mich gerade nicht Simulationsspiel.
80er Einzelteil-Simulationismus (Phoenix Command) mag ich auch nicht besonders, weil er die prozesshafte Dynamik, die sich durch SC-Handlungen ergibt, im Blick auf die Details erstickt.

Das ist ja gerade die Crux mit etlichen Trad-Games ... dass sie auf den Simulationszug der 80er aufgesprungen sind und das als Standard angenommen haben und dann Regeln für Dramaturgen, Autoren-Erzählungen, Attitudes, ... draufgesetzt haben und ganz oft sich nicht darüber klar waren, dass sie simulatorisch ans Rollenspiel rangehen wollen und welche Bereiche sie simulatorisch verregeln wollen und welche Freiräume sie lassen wollen.
Gute Simulationsspiele, die mMn auch noch mehr Erläuterung brauchen könnten sind Mythras (das einen Regelbaukasten anbietet und des dann der Gruppe überlässt, wie sie am Spieltisch simulatorische Prozesse aus der Spielweltlogik heraus lösen will). Renaissance macht das ähnlich - aber mit einerseits weniger Regelfülle und gleichzeitig mit mehr fixen Teilen. Life-Path-Systeme finde ich bei Sim-Spielen ebenfalls hilfreich. Da sind Traveller und Maelstrom Gothic meine Paradebeispiele. WFRP 2nd ist zumindest halbwegs klar ... und bietet immerhin passende SL-Prinzipien. Schon bei den BI/FFG-40K-Spielen verheddern sich die Regeln dann aber.


Kurz: Viele Trad-Games, die vorgeben Simulationsspiele zu sein, kranken daran, dass sie sich nicht für simulatorische Kernthematiken entscheiden und dass die alles mögliche Ergänzen (auch um die Zielgruppe zu erweitern). Deswegen funktionieren sie mMn auch so schlecht. Und deswegen sind Teile der Kritik durch OSR und Indie/Story-Games und Freiform-Spiele einfach nur valide.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 5.08.2019 | 21:35
Stimmt! Und gleichzeitig ich finde diese 90er-Spiele ganz furchtbar. Für mich hat deren Metaplot-Kram,


Keine Regelfrage und auch nur auf eine Untermenge an Titeln begrenzt.

deren Regelspielereien,

Vage.

der Barbiespiel-Kram um Vor- und Nachteile,

Zusätzliche Charakterisierung und Spielvielfalt, unter den Kosten höherer Komplexität.

das Erschaffen von "geilen Spielfiguren" ...

Auch vage.

nicht viel mit dem Simulationismus der Runequest-Schule oder anderen Simulations-Arten zu tun. Für mich ist bei Simulationsspielen wichtig:
Die Spielwelt hat einen Eigenwert, der nicht zulässt, dass sie bloß oder vorwiegend SC-Bühne oder Projektionsfläche für Autoren-Geschichten ist.
... aber es gibt noch andere valide Simulationsspiel-Arten.

Die Spiele der New School zeichnen sich, grob über den Daumen gepeilt, dadurch aus, dass sie mindestens 2 der folgenden 3 Kriterien erfüllen:
Dazu eine weitestgehende Freiheit von narrativen Regeln. Mit anderen Worten: signifikanter Komplexitätszuwachs gegenüber der ersten Generation, aber die Forge hat noch nicht angeklopft. Erst spätere Weiterentwicklungen ergänzen dies dann um narrative Elemente (FFG Star Wars? 2d20?)

Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 6.08.2019 | 00:53
Die Aussage gab es ja für Erzählspiele mit der WoD doch auch schon. Bis dann neue Systeme kamen und gezeigt haben, dass es doch einen Unterschied macht, ob die Regeln den geflufften Spielstil wirklich unterstützen.

Bei der WoD sieht man jetzt mit einigem Abstand aber auch ohne den Vergleich mit erfolgreicheren späteren Versuchen, dass das Ganze strukturell bedingt ein Strohfeuer bleiben musste.
Wenn sich Regelwerk und angepeilter, auch von den Spielern gewünschter Spielstil derart beißen, fliegt irgendwann das Regelwerk weg.
Deswegen hat sich da auch die LARP-Strömung viel besser gehalten.

Bei V:tM, Shadowrun, DSA ... war das recht bald nicht mehr der Fall. Weil ein redaktionell kontrollierter Metaplot erzählt wurde und die Spielwelt eben doch Bühne wurde.

Das war allerdings ein Stück weit bei DSA und ganz besonders bei SR etwas, das man mitmachen konnte, aber nicht musste - und man konnte jederzeit zwischen diesen Modi wechseln, was mMn nicht unwichtig für den Markterfolg war. 

Das ist auch mein Eindruck. Und es ist auch plausibel: Bei dem, was ich von Forge GNS mitbekommen habe, war Simulation immer "das andere".

Wie Vermi schon sagte: Man wollte sich damit auch gar nicht befassen. Das war selbst zu Hochzeiten des Modells schon der offensichtliche blinde Fleck von GNS.

Was natürlich (nur) heißt, dass man für eine Weiterentwicklung in diesem Bereich erst gar nicht zur Forge schauen muss. Es heißt aber nicht, dass da gar nichts passiert wäre - nur eben deutlich dezentraler.


Also man kann ab Mitte/Ende der 80er ausmachen, wie Spiele komplexer wurden und versuchten die (Pseudo-)Realität genauer abzubilden. Man vergleiche einmal einen OSR-Retroclone mit Shadowrun oder Cyberpunk 2020 und beachte die Schusswaffenmodifkatoren in diesen beiden Spielen. Man lasse mal die ellenlangen Skill-Listen in den typischen 90er-Spielen Revue passieren oder deren Listen mit Vor- und Nachteilen.

Man sieht allerdings vielen auch an, wie sie an diesem Abbildungsanspruch scheitern. Manch ein Exot wie Phoenix Command, weil man es ganz besonders "richtig" machen wollte und sich hoffnungslos verrannt hat.

Die meisten aber aus dem recht banalen Grund, dass man entweder im Ansatz schon keine genaue Vorstellung bzw. kein Wissen über das hatte, was man da abbilden wollte oder dass man es im zweiten Schritt nicht geschafft hat, das in elegante Spielmechanik zu gießen.
So verlor diese Art Crunch schnell die Bodenhaftung und und wurde Selbstzweck.

Positive Gegenbeispiele sind Millennium's End oder Twilight 2013. Bei ersterem verstand es der Autor auffallend gut, sich "trotz" seines umfangreichen Hintergrundwissens auf das Wesentliche zu beschränken. Letzteres glänzt vor Allem durch hervorragend kommunizierte Designentscheidungen.

Dazu muss man sagen: ME ist so alt, das ist schon gar nicht mehr wahr...das kam damals in der Hochphase der genannten Entwicklung als Kontrapunkt genau richtig, konnte sich aber gegen die Crunch-Dealer nicht durchsetzen.

T2013 ist wesentlich jünger, hat aber mMn hauptsächlich deswegen keine Resonanz gefunden, weil der Leidensdruck bei der potentiellen Zielgruppe längst nicht groß genug war, um sich solche Newcomer allein im Hinblick auf die Spielmechanik genauer anzuschauen.


Für beide gilt, dass sie in Sachen Simulation ein gutes Stück weit "lightning in a bottle" sind.
Die Designziele sind die altbekannten, aber man hat einen anderen Weg zur Erfüllung gefunden: Nicht immer mehr Crunch, dessen eventuelle Korrektur nach Spieltests oder in der Folgeedition noch mehr Crunch nach sich zieht. Stattdessen hat man es verstanden, auf der Grundlage von viel Recherche, Fachwissen und Spieltests recht schlanke und trotzdem simulativ sehr leistungsfähige Spielmechanik zu machen.
Das geht aber nur mit einem Team, das nicht nur hervorragend zueinander passt und früh eine stringente Designperspektive findet, sondern auch das entsprechende Wissen mitbringt oder sich zielführend aneignen kann.
Da wird es ganz schnell dünn mit Kandidaten und entsprechend selten sind wirklich gelungene Versuche. "Macht eure Sache einfach sehr gut" ist keine taugliche Handlungsanweisung für Spieldesigner und selbst wenn es eine wäre, würde es sich nicht in der Fläche umsetzen lassen.

Und ist zum Teil auf dem Rückzug: siehe zB die neuesten Versionen von D&D oder Shadowrun. Man vergleiche auch Savage Worlds mit GURPS.
Das liegt daran, dass sowohl die gamistische Old School als auch die narrativistischen Indiegames sich sehr erfolgreich als Trend inszeniert haben und aus beiden Lagern nicht mit Kritik gespart wird.

D&D hat sich von der alten Crunch-Orgie gelöst und ist sicher auch deswegen erfolgreich; das ist aber nicht deckungsgleich mit der (totalen) Abkehr von Simulation. Im Grunde geht D&D da einen ganz guten Weg.

Shadowrun dagegen hat ein massives Umsetzungsproblem. Die 5. Edition ist ein völlig ausgeufertes, unhandliches Crunch-Monster alter Schule analog zu D&D 3 oder 3.5 - das ist nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern einfach grundsätzlich nicht zu gebrauchen.
Anarchy hat die Verschlankung dagegen zu weit getrieben und sich von der Simulation völlig verabschiedet. Bei der 6. Edition wird das wohl struktruell ähnlich sein, aber das müssen wir abwarten.


Grundsätzlich meine ich aber zu erkennen, dass die Kritik aus den beiden genannten Ecken zwar recht laut ist, aber die beiden Trends ihren jeweiligen Höhepunkt erreicht haben. Eine Ablösung der althergebrachten Mischformen von Gamismus und Simulation hat in der Fläche nicht stattgefunden und wird auch weiterhin nicht stattfinden - das sind alles Randerscheinungen und Nebenschauplätze.
Dementsprechend ist die Diskussion und das Position beziehen für den Simulationismus zwar gefühlt hier und da mal nötig, aber bewegt sich auch in der Peripherie.

Die breite Masse spielt die o.g. Mischform und bekommt weder von den "Angriffen" auf diese Spielform noch von der "Verteidigung" etwas mit. Die Mehrzahl der Spieler kann ja noch nicht mal die Probleme nachvollziehen, die OSR oder Indies lösen woll(t)en.   
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 6.08.2019 | 07:39
Da stellt sich für mich immer wieder die Frage, ob diese Simulation (von was auch immer) selber die Creative Agenda ist oder ob sie "nur" das Werkzeug oder das mechanische System ist, mit Hilfe dessen die eigentlichen creative Agendas erreicht werden sollen.
Also Simulation (von was auch immer) nicht als Ziel sondern nur als Weg zum eigentlichen Ziel.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Lord Verminaard am 6.08.2019 | 09:15
Ich finde es bei der WoD immer ein bisschen unfair, wie sehr sich auf die Fehler / das Nicht-Weit-Genug-Gehen konzentriert wird in der Rückschau. In vielerlei Hinsicht ist die WoD und insbesondere Vampire ja schon bahnbrechend gewesen, als das eingeschlagen ist, hat es das Hobby erschüttert wie kaum je was. Und da steckt schon auch ne Menge drin an Innovation.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: nobody@home am 6.08.2019 | 11:30
Da stellt sich für mich immer wieder die Frage, ob diese Simulation (von was auch immer) selber die Creative Agenda ist oder ob sie "nur" das Werkzeug oder das mechanische System ist, mit Hilfe dessen die eigentlichen creative Agendas erreicht werden sollen.
Also Simulation (von was auch immer) nicht als Ziel sondern nur als Weg zum eigentlichen Ziel.

Also, persönlich kann ich mir "ich will eine toll simulierte Welt, in der ich was erleben kann" als Ziel prinzipiell zumindest vorstellen. Von irgendwoher müssen beispielsweise die ganzen Fantasien über VR, Holodecks und so weiter, die in diversen Medien so auftauchen, ja auch kommen. ;) Nur: wenn die Welt gar zu sehr zum Selbstzweck wird, dann bin ich mMn irgendwann schlicht nicht mehr beim "eigentlichen" Rollenspiel, sondern eher bei so was wie den Sims...
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 6.08.2019 | 11:41
@Vermi:

Spielmechanisch sehe ich da wenig bis gar keine Innovation - und das nicht nur heute, sondern damals auch schon.

Ja, die WoD hat es geschafft, mit Fluff/Atmosphäre und dazu passenden Absichtserklärungen eine neue Strömung im damals leicht verknöcherten Hobby zu etablieren. Und das hat auch ordentlich Neuspieler gezogen.
Das muss man im Grunde sogar noch höher bewerten, weil es mindestens ohne große Hilfe der Spielmechanik, stellenweise sogar gegen die zugehörigen Regelwerke gelungen ist.

Eng am Regelwerk haben wir seinerzeit "Shadowrun with fangs" gespielt und wenn man mal das machen wollte, was einem aus den Flufftexten usw. entgegensprang, dann flog das Regelwerk zu 95% über Bord. Den Widerspruch haben wir also auch damals schon deutlich vor Augen gehabt.


Also, persönlich kann ich mir "ich will eine toll simulierte Welt, in der ich was erleben kann" als Ziel prinzipiell zumindest vorstellen.

Es ist eine recht feine Unterscheidung, aber das Ziel ist nicht die Welt selbst, sondern das Erlebnis in dieser Welt.
Sie ist also Mittel zum Zweck, aber so eng mit der Zielsetzung verbunden, dass man das leicht als Selbstzweck betrachten kann.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Lord Verminaard am 6.08.2019 | 11:57
@YY:
Die Problematik ist ja bekannt, eben insbesondere, dass bei taktischem Spiel die gewaltsame Lösung zu tragfähig war. Trotzdem sehe ich wie gesagt Innovation, im Stellenwert der sozialen Attribute, Skills und Backgrounds, in den Archetypen, Nature und Demeanor, in den Virtues und Humanity, in Willpower, Frenzy usw. Und auf der Setting-Seite und im Spielleiter-Teil sowieso.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Lord Verminaard am 6.08.2019 | 12:06
Da stellt sich für mich immer wieder die Frage, ob diese Simulation (von was auch immer) selber die Creative Agenda ist oder ob sie "nur" das Werkzeug oder das mechanische System ist, mit Hilfe dessen die eigentlichen creative Agendas erreicht werden sollen.
Also Simulation (von was auch immer) nicht als Ziel sondern nur als Weg zum eigentlichen Ziel.

Das ist ja fairerweise im Big Model auch anerkannt, das nennt sich in Forge-Sprech Exploration, das ist schlicht und ergreifend Rollenspiel. Simulationism als Creative Agenda wurde dann ursprünglich über "Exploration als Selbstzweck" definiert, es wurde dann aber erkannt, dass dies unzulänglich war, und es wurde dann von "The Right To Dream" und "Constructive Denial" gesprochen, aber die meisten Einlassungen dazu klingen eben wie jemand, der stock-hetero ist und versucht, über die Vorzüge von schwulem Sex zu schreiben. ;D
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 6.08.2019 | 12:09
@nobody@home: "was erleben" ist doch als Spielziel oder Creative Agenda zu wage. Gehst Du in die simulierte Welt, um dort Hindernisse zu überwinden? Möchtest Du einfach nur das Innenleben Deines Charakters erleben? Möchtest Du Geschichten in dieser Welt erzählen oder erleben? Geht es Dir vor allem um das gemeinsame Erleben als Gruppe? Usw.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 6.08.2019 | 12:14
Und auf der Setting-Seite und im Spielleiter-Teil sowieso.

Da gehe ich mit. Beim Rest ziehe ich eher meine übliche "Hatte doch [obskures Spiel X] 10 Jahre vorher schon!"-Karte ;D
Womit ich hier insbesondere Pendragon meinen würde.
Aber die Frage ist wohl weniger, wer etwas zuerst gemacht hat, sondern wer damit zuerst in der Breite erfolgreich war.


Und ein Brocken Spieldesign ist mir doch noch eingefallen, der mich seinerzeit beeindruckt hat und von dem sich heute immer noch einige mal eine Scheibe abschneiden könnten:
Wenn man das System einigermaßen kannte, konnte man fast die komplette Charaktererschaffung in kürzester Zeit und nur mit dem Charakterbogen als Referenz bewältigen.
Einzig bei Vor- und Nachteilen sowie den Disziplinen u.Ä. musste man dann ggf. doch noch mal ins Buch schauen, aber auch darauf konnte man als erfahrener Spieler i.d.R. verzichten.


"was erleben" ist doch als Spielziel oder Creative Agenda zu wage.

Es geht um das Erleben einer bzw. Erlebnisse in einer möglichst glaubwürdig/authentisch wirkenden Welt.
Als eigene Agenda da zu erkennen, wo diese Absicht gamistische oder narrative Überlegungen aussticht - quasi die SL-/Settingvariante von "Mein Charakter ist halt so!" ;)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 6.08.2019 | 12:16
Das ist ja fairerweise im Big Model auch anerkannt, das nennt sich in Forge-Sprech Exploration, das ist schlicht und ergreifend Rollenspiel. Simulationism als Creative Agenda wurde dann ursprünglich über "Exploration als Selbstzweck" definiert, es wurde dann aber erkannt, dass dies unzulänglich war, und es wurde dann von "The Right To Dream" und "Constructive Denial" gesprochen, aber die meisten Einlassungen dazu klingen eben wie jemand, der stock-hetero ist und versucht, über die Vorzüge von schwulem Sex zu schreiben. ;D
Jupp. ;D
Ich hatte hier im Thread aber das Gefühl, dass die Simulation innerhalb des Spiels mit Simulationismus gleich gesetzt wird. Also überall wo etwas simuliert wird ist Simulationismus drin
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 1of3 am 6.08.2019 | 12:20
@nobody@home: "was erleben" ist doch als Spielziel oder Creative Agenda zu wage. Gehst Du in die simulierte Welt, um dort Hindernisse zu überwinden? Möchtest Du einfach nur das Innenleben Deines Charakters erleben? Möchtest Du Geschichten in dieser Welt erzählen oder erleben? Geht es Dir vor allem um das gemeinsame Erleben als Gruppe? Usw.
Spielziel ist da, glaube ich, kein guter Begriff. (Und was ne kreative Agenda ist weiß ja niemand.) Ziel klingt jedenfalls ausschließlich und endgültig. Vielleicht müsste man eher von Anreizen sprechen. Man kann nämlich viele Dinge gleichzeitig reizend finden.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: takti der blonde? am 6.08.2019 | 12:21
@nobody@home: "was erleben" ist doch als Spielziel oder Creative Agenda zu wage. Gehst Du in die simulierte Welt, um dort Hindernisse zu überwinden? Möchtest Du einfach nur das Innenleben Deines Charakters erleben? Möchtest Du Geschichten in dieser Welt erzählen oder erleben? Geht es Dir vor allem um das gemeinsame Erleben als Gruppe? Usw.

All of the above! ;) Die Behauptung, meine creative agenda ließe sich derart atomar aufteilen, halte ich immer noch für eine der Schwächen von Edwards' Model.

Grüße

Hasran
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 6.08.2019 | 12:48
Es geht um das Erleben einer bzw. Erlebnisse in einer möglichst glaubwürdig/authentisch wirkenden Welt.
Als eigene Agenda da zu erkennen, wo diese Absicht gamistische oder narrative Überlegungen aussticht - quasi die SL-/Settingvariante von "Mein Charakter ist halt so!" ;)

Und was ist mit denen, bei dem das glaubwürdige oder authentische Ausspielen des Charakters als Teil der Herausforderung angesehen wird. "Klar könnte ich jetzt skrupellos reagieren, aber ich habe doch extra einen standhaften Charakter gebaut..."?
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 6.08.2019 | 12:51
Spielziel ist da, glaube ich, kein guter Begriff. (Und was ne kreative Agenda ist weiß ja niemand.) Ziel klingt jedenfalls ausschließlich und endgültig. Vielleicht müsste man eher von Anreizen sprechen. Man kann nämlich viele Dinge gleichzeitig reizend finden.
Ich persönlich mag den Begriff Aesthetics, aber der könnte noch unverständlicher sein, während Creative Agenda Teil des Big Models ist und wir hier ja davon reden.
Aber Anreize gefällt mir auch gut. :)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 6.08.2019 | 12:53
All of the above! ;) Die Behauptung, meine creative agenda ließe sich derart atomar aufteilen, halte ich immer noch für eine der Schwächen von Edwards' Model.

Grüße

Hasran
Kein Widerspruch. :)
Allerdings glaube ich schon, dass man Spielanreize aufschlüsseln kann und davon natürlich mehrere gleichzeitig bedient.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Crimson King am 6.08.2019 | 12:58
All of the above! ;) Die Behauptung, meine creative agenda ließe sich derart atomar aufteilen, halte ich immer noch für eine der Schwächen von Edwards' Model.

Grüße

Hasran

Das hat er tatsächlich auch nicht behauptet, sondern für die Praxis konstatiert, dass üblicherweise Mischformen vorliegen.

Trotzdem ist der Einwand völlig berechtigt, dass die drei definierten CAs ein bisschen dünne und nicht sinnvoll definiert sind.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: takti der blonde? am 6.08.2019 | 13:06
Kein Widerspruch. :)
Allerdings glaube ich schon, dass man Spielanreize aufschlüsseln kann und davon natürlich mehrere gleichzeitig bedient.

Vermutlich richtig. Meiner Erfahrung nach zumindest waren meine Mitspielenden derart heterogen, dass ohnehin nur Mischformen wirklich sinnvoll waren.

Das hat er tatsächlich auch nicht behauptet, sondern für die Praxis konstatiert, dass üblicherweise Mischformen vorliegen.

Trotzdem ist der Einwand völlig berechtigt, dass die drei definierten CAs ein bisschen dünne und nicht sinnvoll definiert sind.

Danke für den Einwand. Es ist schon länger her, dass ich schwitzend vor der Schmiede stand.

Grüße

Hasran
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Hewisa (gone for good) am 6.08.2019 | 13:17
Soweit ich das in Erinnerung habe, waren zu Anfang tatsächlich Mischformen ausgeschlossen, höchstens ein Wechsel der Cretiven Agenda innerhalb einer Spielrunde war vorstellbar, aber man spielte - so die Lehre - nur eine CA zur gleichen Zeit.
Wenn Mischformen in das Modell aufgenommen wurden, dann nachträglich. Aber natürlich war Edwards auch immer groß darin, im Nachhinein zu behaupten, das immer schon genau so gemeint zu haben.

Aber da begebe ich mich zugegebenermaßen auf dünnes Eis, so rein erinnerungstechnisch.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 6.08.2019 | 13:38
Und was ist mit denen, bei dem das glaubwürdige oder authentische Ausspielen des Charakters als Teil der Herausforderung angesehen wird.

Ich bin nicht sicher, ob ich die Frage verstehe - das gehört doch zum authentischen Erleben.
Dabei von "Herausforderung" zu sprechen, ist aber recht wacklig; es gibt ja keine greifbare Methode, den Erfolg zu bestimmen. Also jenseits davon, die Herausforderung darin zu sehen, Spaß am Spiel zu haben, aber das ist dann völlig inhaltsleer.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 6.08.2019 | 13:51
Ich bin nicht sicher, ob ich die Frage verstehe - das gehört doch zum authentischen Erleben.
Dabei von "Herausforderung" zu sprechen, ist aber recht wacklig; es gibt ja keine greifbare Methode, den Erfolg zu bestimmen. Also jenseits davon, die Herausforderung darin zu sehen, Spaß am Spiel zu haben, aber das ist dann völlig inhaltsleer.
Schon Mal drüber nachgedacht mit ner "Normalo"Truppe eine Herausforderung zu bestehen, die eigentlich zu schwer für die Truppe sein sollte? Klar hätte man auch ne stärkere Truppe bauen können, aber das Erhöhen des Schwierigkeitslevel war vielleicht gerade der Reiz dieser Runde.
Sowas kann auch andere Einschränkungen beinhalten. Nachteilige Charaktereigenschaften, fehlende Ressourcen, besonders realistisches Ausspielen der Naturgesetze usw.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Crimson King am 6.08.2019 | 13:51
Ich bin nicht sicher, ob ich die Frage verstehe - das gehört doch zum authentischen Erleben.

Die Kernaussage ist, dass das Ausspielen der Besonderheiten des Charakters Auswirkungen auf die Herangehensweisen und Lösungsoptionen für Herausforderungen mit sich bringt.

Ich kann einen besonders ehrenhaften Charakter spielen, weil ich das per se interessant finde, oder ich kann so einen Charakter spielen, weil damit viele einfache Optionen zur Überwindung von Herausforderungen wegfallen, da der Charakter unehrenhaftes Vorgehen nicht akzeptieren wird. Persönlichkeitseigenschaften wirken hier quasi als kreative Einschränkungen auf die möglichen zum Erfolg führenden Handlungsoptionen.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 6.08.2019 | 13:54
Also mehr oder weniger stark gamistisch geprägte Mischform.

Edit: Da wird dann die "reine" gamistische Perspektive im Hinblick auf größtmögliche Effizienz oder größtmöglichen Spielerfolg durch Sim-Überlegungen aufgeweicht - was landläufig der rollenspielerische Normalfall sein dürfte.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Lord Verminaard am 6.08.2019 | 13:54
Letztendlich ist es müßig, GNS zu diskutieren. Ja, sie hatten am Ende alles so umgedeutet, dass die ursprünglichen Irrtümer dann nicht mehr galten. Und ja, dadurch war GNS im Wesentlichen hinfällig. ;)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Crimson King am 6.08.2019 | 14:05
Also mehr oder weniger stark gamistisch geprägte Mischform.

Edit: Da wird dann die "reine" gamistische Perspektive im Hinblick auf größtmögliche Effizienz oder größtmöglichen Spielerfolg durch Sim-Überlegungen aufgeweicht - was landläufig der rollenspielerische Normalfall sein dürfte.

Sehe ich anders. Ich kann mir ganz gamistisch Einschränkungen auferlegen, die mir das Leben schwerer machen, um zu zeigen, dass ich dann immer noch in der Lage bin, erfolgreich zu sein.

Ansonsten was der Vermi sagt. Kreative Agenda als Konzept ist sinnvoll, also zu sagen, alle Spieler sollten das Gleiche wollen, sonst wirds inkohärent und potenziell dysfunktional, aber GNS ist Murks.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 6.08.2019 | 14:07
Sehe ich genauso wie Crimson King.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Hewisa (gone for good) am 6.08.2019 | 14:16
Letztendlich ist es müßig, GNS zu diskutieren. Ja, sie hatten am Ende alles so umgedeutet, dass die ursprünglichen Irrtümer dann nicht mehr galten. Und ja, dadurch war GNS im Wesentlichen hinfällig. ;)
Na dann hab ich's ja richtig erinnert ;)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 6.08.2019 | 14:26
Ich kann mir ganz gamistisch Einschränkungen auferlegen, die mir das Leben schwerer machen, um zu zeigen, dass ich dann immer noch in der Lage bin, erfolgreich zu sein.

Klar kann ich das.
Wenn ich aber gezielt Einschränkungen wähle, die aus Charakter- oder Welteigenschaften erwachsen und die mich gerade aufgrund ihrer gefühlten Authentizität reizen, dann kratze ich zumindest daran, was die Spaßquelle an Weltsimulation ist. Davon hatten wir doch gesprochen*.

Dass der Gamist nicht um jeden Preis gewinnen will und erst recht nicht um den Preis, es sich im Vorfeld möglichst leicht zu machen, ist eine andere Baustelle - da möge man mir die hingerotzte Formulierung nachsehen und da brauchen wir uns nicht dran abarbeiten, das ist selbstverständlich so.


*Genau aus der Ecke kommt dann auch das diffuse "gute Rollenspiel", um das gerade DSA, aber auch andere klassische Systeme immer herumgeschlichen sind, ohne selbst den Finger drauf legen zu können.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 6.08.2019 | 14:36
Klar kann ich das.
Wenn ich aber gezielt Einschränkungen wähle, die aus Charakter- oder Welteigenschaften erwachsen und die mich gerade aufgrund ihrer gefühlten Authentizität reizen, dann kratze ich zumindest daran, was die Spaßquelle an Weltsimulation ist. Davon hatten wir doch gesprochen*.
Nein. Das möglichst authentische Ausspielen eines Charakters kann ein Bonus oder Nebeneffekt sein.
Ich weiss wovon ich rede. Mich bekommste nur mit Pistole auf der Schläfe in den Charakter rein. ;)
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Infernal Teddy am 6.08.2019 | 14:40
Mich bekommste nur mit Pistole auf der Schläfe in den Charakter rein. ;)

Ist das die Aufforderung am Wochenende die Nerf-Guns von der Arbeit mitzubringen?
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 6.08.2019 | 14:42
Ist das die Aufforderung am Wochenende die Nerf-Guns von der Arbeit mitzubringen?
Nein. Lass das. Ich meine das durchaus ernst, dass ich nicht in der Haut meines Charakters stecken will.
Darstellen gerne. Selber drin stecken nein danke.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Crimson King am 6.08.2019 | 14:49
Klar kann ich das.
Wenn ich aber gezielt Einschränkungen wähle, die aus Charakter- oder Welteigenschaften erwachsen und die mich gerade aufgrund ihrer gefühlten Authentizität reizen, dann kratze ich zumindest daran, was die Spaßquelle an Weltsimulation ist. Davon hatten wir doch gesprochen*.

Du vielleicht. Ich sehe potenziell noch andere Gründe für solche Entscheidungen als die angeführte gefühlte Authentizität.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 6.08.2019 | 14:57
Du vielleicht. Ich sehe potenziell noch andere Gründe für solche Entscheidungen als die angeführte gefühlte Authentizität.

Das habe ich doch auch geschrieben. Es gibt andere Gründe, aber im Simulationskontext ist das der Grund.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 6.08.2019 | 15:01
Die meisten aber aus dem recht banalen Grund, dass man entweder im Ansatz schon keine genaue Vorstellung bzw. kein Wissen über das hatte, was man da abbilden wollte oder dass man es im zweiten Schritt nicht geschafft hat, das in elegante Spielmechanik zu gießen.
So verlor diese Art Crunch schnell die Bodenhaftung und und wurde Selbstzweck.

Also wenn ich mich ein bisschen in die Zeit zurückversetze, dann glaube ich, dass man einfach immer detailliertere Systeme wollte, besonders im Vergleich zur Old School. "Realistisch" galt ja als vielbeworbenes Qualitätsmerkmal. Davon ist heute nur noch selten die Rede. Man wusste a priori ja auch nicht wieviel zu viel des Guten ist. Und was hinzukommt: Als alles neu war, war die die Toleranz für Komplexität auch viel größer. Jetzt ist das alles ein alter Hut und man fragt sich wieviel man davon auch WIRKLICH braucht.

D&D hat sich von der alten Crunch-Orgie gelöst und ist sicher auch deswegen erfolgreich; das ist aber nicht deckungsgleich mit der (totalen) Abkehr von Simulation. Im Grunde geht D&D da einen ganz guten Weg.

Shadowrun dagegen hat ein massives Umsetzungsproblem. Die 5. Edition ist ein völlig ausgeufertes, unhandliches Crunch-Monster alter Schule analog zu D&D 3 oder 3.5 - das ist nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern einfach grundsätzlich nicht zu gebrauchen.
Anarchy hat die Verschlankung dagegen zu weit getrieben und sich von der Simulation völlig verabschiedet. Bei der 6. Edition wird das wohl struktruell ähnlich sein, aber das müssen wir abwarten.

Ich persönlich gehe die Advantages nicht mit und auch was D&D 5E mit den Skills macht, ist mir nicht detailliert genug. Die Komplexität, die da herausgekürzt wird, ist mMn handhabbar und der Verlust an Spielwelt-Physik und Charakterisierung ist mir zu hoch.

Bei SR konnte ich mir die 5. Edition nicht antun - nicht gut präsentiert/editiert und kein signifikanter Vorteil gegenüber der mir bekannten 2E (ich bin ausgestiegen als es mit dem Metaplot so richtig losging). Ich finde aber auch weder SR 2E noch D&D 3E zu crunchig. Das Problem von D&D 3E ist für mich, dass für die Komplexität nicht genug an präziser Weltensimulation herumkommt. Man hat immer noch die alten HPs, keine aktive Verteidigung, AC ist immer noch AC, etc. Und die Skills sind von den Wahrscheinlichkeiten her nicht durchdacht. Feats sind nur Vorteile, keine Nachteile. Das funktioniert für mich nicht.

Dementsprechend ziele ich mit meinem eigenen Spiel auch auf Komplexität zwischen D&D 3E und 5E ab.  Und hoffentlich präziserer Simulation des Fantasygenres, die dieses Komplexitätsbudget auch rechtfertigt.


Da stellt sich für mich immer wieder die Frage, ob diese Simulation (von was auch immer) selber die Creative Agenda ist oder ob sie "nur" das Werkzeug oder das mechanische System ist, mit Hilfe dessen die eigentlichen creative Agendas erreicht werden sollen.
Also Simulation (von was auch immer) nicht als Ziel sondern nur als Weg zum eigentlichen Ziel.

Nur zur Erinnerung: Die drei Creative Agendas will eigentlich (fast) jeder. Es geht dabei aber um Priorisierung. Wenn mir egal ist, dass D&D Hitpoints das Fantasygenre nicht gerade sehr genau abbilden, hauptsache ich kann Monster metzeln und Schätze einsammeln, dann liegt meine Priorität eben nicht auf Simulation. Das heißt aber nicht, dass mir Simulation völlig egal ist - es soll halt nur nicht das beeinträchtigen (zB durch komplizierte Regeln) was mir persönlich Spaß macht.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: 6 am 6.08.2019 | 15:21
Nur zur Erinnerung: Die drei Creative Agendas will eigentlich (fast) jeder. Es geht dabei aber um Priorisierung. Wenn mir egal ist, dass D&D Hitpoints das Fantasygenre nicht gerade sehr genau abbilden, hauptsache ich kann Monster metzeln und Schätze einsammeln, dann liegt meine Priorität eben nicht auf Simulation. Das heißt aber nicht, dass mir Simulation völlig egal ist - es soll halt nur nicht das beeinträchtigen (zB durch komplizierte Regeln) was mir persönlich Spaß macht.
Wie Vermi aufgeschlüsselt hat bezeichnet das Big Model die von mir beschriebene Simulation als Exploration bzw. Teil der Exploration. Ohne irgendeine Art von Simulation (oder Exploration) geht Rollenspiel nicht, aber das hat eben mit den Creative Agendas nur sehr mittelbar zu tun.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 6.08.2019 | 15:58
Also wenn ich mich ein bisschen in die Zeit zurückversetze, dann glaube ich, dass man einfach immer detailliertere Systeme wollte, besonders im Vergleich zur Old School. "Realistisch" galt ja als vielbeworbenes Qualitätsmerkmal. Davon ist heute nur noch selten die Rede. Man wusste a priori ja auch nicht wieviel zu viel des Guten ist.

Von hinten angefangen:
Doch, eine subjektive Komplexitätsgrenze hatte man früher auch. Was schon in Ruhe nicht zu überblicken war oder auch nur am Spieltisch nicht praxistauglich umgesetzt werden konnte, war zu viel.
Da muss man kein Phoenix Command bemühen, das waren je nach Gruppe schon so banale Sachen wie Matrix- oder erweiterte Cyberware-(Schadens-)Regeln in SR oder Beschwörung und Artefaktmagie in DSA.

Dass Regeln Selbstzweck sind oder damals waren, halte ich für ziemlich wacklig. Sicher kommt es vor, dass man sich begeistert auf eine neue Erweiterung stürzt, weil man das Spiel mag und sich damit auch in Sachen Spielmechanik intensiver befassen will - was letztlich nur mit neuem "Futter" geht.
Dennoch findet auf Dauer nur das im Spiel Verwendung, bei dem man irgendeinen darüber hinausgehenden Mehrwert wahrnimmt.

Abgesehen von der "Benutzbarkeitsgrenze" ist dein Gedanke vom Komplexitätsbudget da sehr nützlich - was bekommt man für den zusätzlichen Aufwand?
Und auch wenn heute keiner mehr das böse R-Wort nutzt, ist das doch eine der dicksten Säulen, auf denen komplexe Systeme stehen.

DSA z.B. will nach wie vor mit einem dichten Regelwerk ein Gefühl von Authentizität erzeugen und eine "echte", greifbare Welt erschaffen. Und das steckt nicht nur im Design, das ist auch sehr oft der Maßstab, den die Fans dann tatsächlich an Regeln anlegen. Da ist mMn das größte Problem, dass das eher unreflektiert passiert und so eine diffuse Vorstellung herumgeistert, dass es eine "beste" Variante gäbe und viel grundlegender eine einzige Antwort auf die Frage, was für wen warum realistisch ist/wirkt (und das ist dann auch noch gefühlt eine lineare Sache, wo mehr Regeln zu mehr Realismus führen und umgekehrt); dabei ist das Ganze immer ein Kompromiss und ganz grundsätzlich gibt es da mehrere zielführende Modelle.

Jedenfalls kann man festhalten: Dort will man das immer noch so.

Andere haben sich von dem Bestreben weitgehend bis völlig gelöst und sind genau deswegen nicht mehr komplex.

Und noch mal andere, wie z.B. SR5, haben sich von dem Bestreben gelöst, sind trotzdem immer noch komplex und können selbst gar nicht mehr sagen, warum eigentlich - das ist mit Abstand die schlechteste Variante.


Als alles neu war, war die die Toleranz für Komplexität auch viel größer. Jetzt ist das alles ein alter Hut und man fragt sich wieviel man davon auch WIRKLICH braucht.

In der breiten Masse hat sich das mMn nicht groß geändert.
Die immer dicker werdenden Brocken haben damals schon genug Spieler mit ihrem Umfang vergrault und umgekehrt gibt es heute immer noch (teils die gleichen) Systeme, die mit ihrem Komplexitätsbudget nicht gut umgehen, aber trotzdem sehr erfolgreich sind.

Auf der persönlichen Ebene bin ich heute gefühlt wesentlich anspruchsvoller, was "sinnvollen" oder "nützlichen" Crunch angeht, aber unterm Strich sind meine Systeme heute nicht mehr oder weniger komplex als früher. Es sind jedoch vor genau diesem Hintergrund andere Systeme als früher.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 7.08.2019 | 15:20
Von hinten angefangen:
Doch, eine subjektive Komplexitätsgrenze hatte man früher auch. Was schon in Ruhe nicht zu überblicken war oder auch nur am Spieltisch nicht praxistauglich umgesetzt werden konnte, war zu viel.
Da muss man kein Phoenix Command bemühen, das waren je nach Gruppe schon so banale Sachen wie Matrix- oder erweiterte Cyberware-(Schadens-)Regeln in SR oder Beschwörung und Artefaktmagie in DSA.

Kann ich aus meinem eigenen Gamerkreis heraus nicht bestätigen.

Dass Regeln Selbstzweck sind oder damals waren, halte ich für ziemlich wacklig. Sicher kommt es vor, dass man sich begeistert auf eine neue Erweiterung stürzt, weil man das Spiel mag und sich damit auch in Sachen Spielmechanik intensiver befassen will - was letztlich nur mit neuem "Futter" geht.
Dennoch findet auf Dauer nur das im Spiel Verwendung, bei dem man irgendeinen darüber hinausgehenden Mehrwert wahrnimmt.

Ja, das ist mein Problem mit neuerem Shadowrun oder, aktuell, Cyberpunk Red. Übrigens, so weit ich es erkennen kann, auch nur eine verschlankte Version von CP 2020. Man muss mal die Vollversion abwarten, ob das intelligent verschlankt ist oder nur um Casual Gamers anzusprechen.

In der breiten Masse hat sich das mMn nicht groß geändert.

Ich finde den Trend zum Verschlanken relativ offensichtlich. Und idR in der Implementation ebenso wenig durchdacht wie das Aufbohren in der New School-Ära.

Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 7.08.2019 | 15:52
Ich finde den Trend zum Verschlanken relativ offensichtlich. Und idR in der Implementation ebenso wenig durchdacht wie das Aufbohren in der New School-Ära.

Da muss man mMn genauer hinschauen.

Eine Vielzahl komplett neu erscheinender Systeme sind schlank, ja.
Die laufen aber nicht in einem Maß den etablierten, umfangreichen Systemen den Rang ab, dass man da von einer strukturellen Veränderung sprechen könnte.

Als "Brocken" neu anzufangen, ist per se schon nicht einfach und dann muss man sich auch erst mal gegen jene behaupten, die in der Ecke schon seit Jahrzehnten sitzen.
Da ist tatsächlich ein Stück weit Flaute, aber mMn vor Allem deswegen, weil die Einstiegshürde dermaßen hoch ist.
Heute kann eben keiner mehr als Klitschenprodukt mit einem geklammerten Heftchen anfangen und dann über Jahrzehnte wachsen. Wer heute als "Brocken" erfolgreich sein will, muss fix und fertig voll konkurrenzfähig antreten.
Was nicht heißt, dass das gar nicht geht, siehe z.B. Splittermond.


Bei den Großen Alten sind für mich vor Allem die Lippenbekenntnisse zur (radikalen) Verschlankung offensichtlich. Umgesetzt wird das dann teilweise so gut wie gar nicht (DSA5) oder nur insofern, dass man nicht die schlimmsten Auswüchse an Supplement-Wucherung alter Editionen wiederholt (D&D5).
Daneben gibt es noch welche, die sich schlicht selbst in die Tasche lügen (das angeblich ach so schlanke FFG Star Wars) und ganz zuletzt jene, die ziemlich genau überlegen, was sie warum wie umsetzen.
Und bei Letzterem bin ich voll bei dir: Diese Reflexion findet viel zu wenig statt; da gibt es bei einigen wohl wirklich die Fehlwahrnehmung, dass Verschlankung ein Wert in sich ist, so wie es früher bei möglichst "vollständigen" Regeln war.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 7.08.2019 | 17:36
Da muss man mMn genauer hinschauen.

Da hast du recht.

Eine Vielzahl komplett neu erscheinender Systeme sind schlank, ja.
Die laufen aber nicht in einem Maß den etablierten, umfangreichen Systemen den Rang ab, dass man da von einer strukturellen Veränderung sprechen könnte.

Aber zB als D&D-Designer muss man ja nur die aktuellen Trends adressieren (ohne Mist zu bauen) um den marktanteil zu halten. Von daher ist auch relevant, was bei den Kleinen passiert.

Bei den Großen Alten sind für mich vor Allem die Lippenbekenntnisse zur (radikalen) Verschlankung offensichtlich. Umgesetzt wird das dann teilweise so gut wie gar nicht (DSA5) oder nur insofern, dass man nicht die schlimmsten Auswüchse an Supplement-Wucherung alter Editionen wiederholt (D&D5).

Schauen wir uns doch mal im Einzelfall an was D&D5 so verändert hat, verglichen mit D&D3, bzgl der drei Punkte, die ich als relativ charakteristisch für die New School bezeichnet hatte:
Aus meiner Sicht eine signifikante Rückabwicklung der New School durch den Marktführer.

Und bei Letzterem bin ich voll bei dir: Diese Reflexion findet viel zu wenig statt; da gibt es bei einigen wohl wirklich die Fehlwahrnehmung, dass Verschlankung ein Wert in sich ist, so wie es früher bei möglichst "vollständigen" Regeln war.

Es sind Trends, die man einfach glaubt bedienen zu müssen. Mein eigenes Rollenspiel hingegen hat eine relativ lange Fernkampfmodifikatoren-Liste - damit gehe ich bewusst das Risiko ein als "nicht mehr zeitgemäß" deklariert zu werden. (Halte ich aber dagegen. ;) )
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: felixs am 7.08.2019 | 18:10
"Verschlankung" ist ein Euphemismus, keineswegs jedenfalls eine neutrale Beschreibung.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Rhylthar am 7.08.2019 | 18:13
Zitat
Feats sind nur noch ein Schatten ihrer selbst
What?  :o
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 7.08.2019 | 19:05
What?  :o

Nur noch eine optionale Regel. Statt zusätzlich zu ASIs, entweder-oder. Alleine von der Seitenzahl, die sich das Grundregelwerk dieser Mechanik widmet, ist das schon offensichtlich. Gibt's in den vorgefertigten Abenteuern überhaupt NPCs mit Feat?
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Thaddeus am 7.08.2019 | 19:17
Die ganze Entwicklung ist jetzt aber auch nicht so übertrieben neu. Insgesamt lässt sich wohl sagen, dass sich sehr vieles, was wir vielleicht früher als Indy bezeichnet hätten, sicher den Weg in den Mainstream gebahnt hat. In den neunzigern erschufen wir in Berlin den Odyssee-Con, auf welchem nur Runden zugelassen waren, welche nicht dem Mainstream angehörten. Die Abgrenzung erfolgte damals recht willkürlich danach zu sagen: Kein D&D, Kein SR, Kein DSA. WoD-Systeme waren da schon Grenzfälle.

Ende der 00er Jahre fand dann leider die bislang letzte Odyssee statt, was ich sehr bedaure. Anfang der 00er hatte die Odyssee gegenüber allen anderen Cons schon einen sehr speziellen Flair. Einfach aufregend, mal auf einer Convention völlig andere Systeme kennen zu lernen, von denen man sonst nur mal gehört hatte. (Man bedenke: es war auch die Anfangszeit des Internet).

Gegen Ende der 00er Jahre starb die Odyssee dann traurigerweise einen schleppenden Tod. Als eine der Hauptursachen haben wir damals ausgemacht, dass das Feature eine Con für spezielle Rollenspiele nicht mehr wirklich zog, da plötzlich der Mainstream soweit verbreitert worden war, dass eine klare Abgrenzung kaum noch möglich wurde. Das sture Kein D&D, kein SR, kein DSA zog dann einfach nicht mehr.

Interessant finde ich, dass sich nach der Newschool zwei (ich sage jetzt mal) Gegenbewegungen in unterschiedliche Richtungen ergeben haben: OSR und Rollenspiele der neuen Generation, insb. was so aus der Forge kam. Es sind aber auch interessante Hybriden entstanden wie beispielsweise SW, welches sich weder in die eine noch in die andere Gruppierung eindeutig einsortieren lässt.

Für mich ist ganz klar: ohne die Indie-Entwicklungen würde ich heute sicherlich kein Rollenspiel mehr spielen.


Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: YY am 7.08.2019 | 21:12
"Verschlankung" ist ein Euphemismus, keineswegs jedenfalls eine neutrale Beschreibung.

Hm, ich weiß nicht.
Neutral ist es tatsächlich meist nicht, aber mir begegnet es sowohl als Buzzword wie auch deutlich negativ konnotiert (analog zum "für die Konsole gemacht/von der Konsole portiert" im Videospielbereich).
Kommt schwer auf den Kontext an.

Gibt's in den vorgefertigten Abenteuern überhaupt NPCs mit Feat?

Da Feats zum allergrößten Teil auf den Bastel- und Optimiertrieb der Spieler abzielen, erscheint mir das schon recht folgerichtig.
Das wird z.B. da problematisch, wo Feats mit Manövern verbunden sind, die dadurch erst sinnvoll oder sogar überhaupt möglich werden - aber das kann ich für D&D5 nicht bewerten.

Es sind Trends, die man einfach glaubt bedienen zu müssen. Mein eigenes Rollenspiel hingegen hat eine relativ lange Fernkampfmodifikatoren-Liste - damit gehe ich bewusst das Risiko ein als "nicht mehr zeitgemäß" deklariert zu werden. (Halte ich aber dagegen. ;) )

Joah, diese Bewertung wird sicher von irgendjemandem kommen, aber wie gesagt: Die breite Masse spielt nach wie vor Systeme, die das genau so machen.

Mit aller Gewalt könnte man vielleicht versuchen, in der New School eine Hochphase und eine Spätphase mit schlankeren Systemen bzw. Editionen auszumachen, aber das wäre wohl eher eine willkürliche Zuordnung als eine deutlich erkennbare Entwicklung.
Titel: Re: ca 15 Jahre Indie-Welle. Meine Retrospektive/Stand heute
Beitrag von: Rhylthar am 7.08.2019 | 22:16
Nur noch eine optionale Regel. Statt zusätzlich zu ASIs, entweder-oder. Alleine von der Seitenzahl, die sich das Grundregelwerk dieser Mechanik widmet, ist das schon offensichtlich. Gibt's in den vorgefertigten Abenteuern überhaupt NPCs mit Feat?
Da NPC nicht mehr nach denselben Regeln wie SC gebaut werden, eher nicht. Ab und an als optionale Regel für Gegner.

Feats in 5E sind dafür teilweise auch um ein vielfaches besser als es die in 3E waren. Ist ja klar, ist ein Trade-off. Dinge wie Sharpshooter, Elven Accuracy, etc. sind schon deutlich besser als vieles von damals.