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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspieltheorien => Thema gestartet von: Alexander Kalinowski am 22.08.2019 | 11:23

Titel: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationistischen RPGs
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 22.08.2019 | 11:23
Grundannahme ist hier natürlich: Es gibt RPGs, die besonderen Wert auf die Nachahmung eines bestimmten Settings/einer bestimmten Welt legen. Das setzen wir der Einfachheit halber mal in diesem Thread als gegeben voraus.
Ferner müsste es vielleicht besser "Versuch einer Kategorisierung von emulationistischen RPGs" heißen, denn wir wissen natürlich nicht genau wie zB die Macht in Star Wars (Original Trilogie) funktioniert (oder ganz allgemein Heldenglück), wohl aber können wir ihre Wirkungsweise nachahmen. Da GNS jedoch den Begriff simulationistisch etabliert hat, verwenden wir das jetzt hier einfach mal so weiter.

Die erste Einteilung, die wir machen können richtet sich danach, was wir emulieren: Versuchen wir realistisch zu sein oder simulieren wir eine fiktionale Welt, die auf Plausibilität nicht durchgehend Wert legt?

1. RealSim (Realistische Simulation)
Hier wird entweder versucht der Wirklichkeit selbst treu zu bleiben oder aber einer fiktionalen Welt, die selbst wiederum versucht weitestgehend realistisch (oder vllt. besser: plausibel) zu sein. Im letzteren Fall gibt es 2 weitere Unterkategorien: Die fiktionale Welt enthält fantastische Elemente (Magie, Monster, Psi, etc.) oder sie enthält keine fantastischen Elemente. Gedanken zur Namensgebung dieser Unterkategorien habe ich mir bisher noch keine gemacht (Vorschläge?). Hârnmaster wäre ein prominentes Beispiel für RealSim mit fantastischen Elementen: Es gibt zwar Magie, etc., aber der nicht-fantastische Teil versucht ziemlich klar realistisch abgebildet zu werden.

2. GenreSim (Genre-Simulation)
Hier sehe ich bis hierher drei Unterkategorien, basierend auf der Annahme, dass Genre aus einer Kombination von Setting-Tropes und Story-Tropes basiert. (Mehr dazu in diesem Thread (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,111676.0.html).)
a. Genresetting-Simulation
In Prinzip eine Art unvollständige (kein Perjorativum!) Genrewelt-Simulation. Die Genrewelt und all ihre Elemente sind zwar da, aber es wird nicht versucht, die "Physik", die diese Welt bestimmt, möglichst umfassend abzubilden. So mögen bspw. Spielercharaktere zwar gewisse Vorteile gegenüber NSCs haben, aber es wird vielleicht gar nicht versucht das genretypische Heldenglück zu übernehmen. Spielercharaktere können dann genre-untypisch scheitern, zB in dem sie in einem Dungeon einfach nicht weiterkommen und sodann halt weiterziehen müssen. Beispiele sind zB viele Old-School-Rollenspiele wie D&D oder Traveller.
b. Genrewelt-Simulation
Erweitern Genresetting-Simulation eben um Elemente, die eine detailgenauere Nachahmung eines Genres ermöglichen und nicht nur die Weltgegebenheiten wie in einem Sandkasten dahinstellen. Wenn die SCs Helden sind und nur selten scheitern können dürfen, dann macht dies uU den Einsatz von Fail-Forward und Success-at-a-Cost erforderlich um Spannung aufrechtzuerhalten. Genrewelt-Simulationen addressieren damit mehr den Story-Aspekt von Genre, sie büßen aber im Vergleich zu Genresetting-Simulation spielerische Elemente ein, da einfach weniger auf dem Spiel steht (oder Alles-steht-WIRKLICH-auf-dem-Spiel nur seltener im Gameplay vorkommt).
c. Genrestory-Simulation
Adressiert genretypische Handlungsvorkomnisse und Komplikationen. Es wird nicht länger versucht eine Spielwelt durch die Regeln zu simulieren, sondern kooperativ und kreativ einen Plot zu erzeugen, dem Weltgegebenheiten untergeordnet sind. Dh, es können, im Rahmen der erforderlichen Plausibilität, Gegebenheiten erzeugt oder fallengelassen werden, ganz danach wie es der Plot erfordert. Damit ist es, naturgemäß, deutlich storylastiger als Genrewelt-Simulation. Beispiel: Apocalypse World/PbtA.

Ergänzungen? Verbesserungen? Gegenvorschläge? Um Feedback wird gebeten.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Suro am 22.08.2019 | 11:32
Hmm, vielen Dank erstmal für deine Ausführungen. Hier erstmal nur ein Gedanke: Ich bin ja überhaupt nicht gegen den Grundgedanken, dass es Systeme gibt, die besonderen Wert auf Simulation legen. Bei manchen deiner Beispiele bin ich mir da aber nicht so sicher.

Nimm:

Zitat
Beispiele sind zB viele Old-School-Rollenspiele wie D&D oder Traveller.

Sind das wirklich überhaupt Genresims? Um die Frage zu präzisieren: Will z.B. D&D irgendein Genre simulieren? Ist D&D die Simulation eines vorher etablierten Buch- Film- oder Spiel-Genres? Oder etabliert es selbst ein Genre, sodass die Idee des "genre-untypischen Scheiterns" gar nicht anwendbar ist?

Nur weil - in deinen Worten - ein Setting simuliert wird, ist nicht zwingend ein Genre gesetzt, das man treffen oder verfehlen kann, oder?
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: tartex am 22.08.2019 | 11:40
Eine Grundsatzfrage für mich ist: soll die Perspektive eines Charakters in einer Genre-Welt simuliert werden, oder soll das Narrativ "von außen" simuliert werden?

Z.B. Charaktere in Zombiefilmen kennen normalerweise Zombiefilme nicht, obwohl es davon hunderte in ihrer Welt geben sollte.

Indiana Jones selbst ist sich nicht bewusst, dass er im Kampf gegen ein Handvoll Nazischergen nicht sterben wird oder kann. Er erkennt auch einen Cliffhanger nicht als solchen.

Mich reizen Spiele, wo ich einerseits noch den Adrenalinschub durch die Möglichkeit des Scheiterns/Draufgehen habe, die daneben aber das Genre gut simulieren.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 22.08.2019 | 12:10
Ich würde das folgendermaßen sehen udn Simulation und Emulation gegeneinander stellen:

Simulation setzt den Fokus auf den Vorgang und ist das Aufstellen von Regeln für die Spielwelt und konsistentes Ableiten der Ergebnisse genau davon. Wen Setzungen aus anderen Medien also nicht durchdacht sind, kann es sein, dass das Spiel dann deutlich anders aussieht als deren Geschichten. Insbesondere sicherer Erfolg ist kein Element von Simulation. 

Bei der Emulation ist der Fokus auf das Ergebnis gerichtet und liegt vor, wenn die Ergebnisse spezifisch nacheditiert oder direkt von außen gesetzt werden, damit das Ergebnis auch "stimmt", bzw. eigentlich geltende Regeln zur Zielerreichung passend ignoriert/ausgesetzt werden. 

Simulationsvarianten:
RealSim orientiert sich an den irdischen Gegebenheiten und ist die Basis für alle Simvarianten - außer eben da, wo es bewußt und ausdrücklich Abweichungen geben soll. 
SettingSim erweitert die realweltlichen Bedingungen mit "lokalen" Besonderheiten, welche aber weiterhin als Naturgesetz grundlegend gesehen werden.
GenreSim setzt gewisse externe Genreeffekte als Naturgesetz, hinterfragt diese in ihrer Herkunft nicht mehr, benutzt sie danach aber in ihrer Auswirkung als ob sie Naturgesetze wären.

Abstraktionen sind als meist notwendige Vereinfachungen zwar Abschwächungen des Simulationsideals, aber kein Widerspruch dazu, solange keine bewußten "Unwahrheiten" mit reingebracht werden.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: First Orko am 22.08.2019 | 12:18
Ein Gedanke zu RealSim: Wir sind ja geneigt, dort besonders die Systeme einzuordnen, deren Regelkern eine kleinteilige Abbildung mehr oder weniger willkürlich ausgewählter Aspekte der (Spiel-)Wirklichkeit ausgelegt ist. Dabei brechen diese System zwar meist schon am Detailgrad (bspw: Es gibt "Kochen" als Fertigkeit, aber die Abhandlung ist lange nicht so detailiert wie "Magie") unterschiedlich runter, aber das erzwingt oftmal der Spielfokus.
Was keines der mir bekannten, üblicherweise als "Simulierend" bezeichneten Spiele bisher leistet: Die Simulation der Handlung an sich. Es wird zwar viel Fokus darauf gelegt, Fähigkeiten von Charakteren besonders detailiert zu betrachten und ggf. mit Subsystemen zu versorgen - sobald es aber an die Handlung der Welt (NSC, Gegner, Fraktionen, Länder, Reiche usw) habe ich als SL meist keinerlei regelseitige Unerstützung. Dann ist bei aller Simulation doch am Ende wieder die reine Abwägung des SL gefragt.
Ideal wären Mechaniken, die NSC-Motivationen durch Aktionen, die sich auf die Spielwelt auswirken in  die Fiktion tragen.
Bsp: Ein NSC mit Motivation "Machterhalt" wird in einer wichtigen Ressource beschnitten (SC haben "seinen" Drachen getötet. Jetzt kann der SL entscheiden, dass er es einfach ignoriert (weil der SL einen anderen Plot im Blick hat und/oder die Motivation einfach vergessen. Dass eine solche Person nicht reagiert dürfte allgemein als "unrealistisch" gelten. Hätte ich hier ein System, was mich zwingt, bei Verlust einer Ressource bspw. eine Probe des NSC zu würfeln oder direkt eine Aktion abzuleiten, käme ich dem simulationistischen Ideal deutlich näher.
Frage: Wie "real" kann Simulation sein, wenn dieser Aspekt faktisch gar nicht berücksichtigt wird?
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: YY am 22.08.2019 | 12:30
Gegenfrage: Wo ist der tatsächliche Mehrwert der angedachten Regelung, wenn sich der SL nicht ohnehin dazu "verpflichtet" fühlt, den NSC entsprechend handeln zu lassen?
Schließlich gibt es ständig große und kleine Entschedungen zu treffen, wo die Vorstellungen von SL und Spielern auseinandergehen bzw. kollidieren können, was denn nun "realistisch" wäre.

Wenn man nicht ausreichend auf einer Linie ist, hilft auch kein noch so ausgeklügeltes Regelwerk, welches das abfedern soll - es sei denn, man zieht das so weit durch, dass man den SL weitestgehend oder sogar komplett rausnimmt.

MMn ist das Weglassen von ausufernden Regelungen in dieser Richtung (also über Verhaltenshinweise u.Ä. hinaus) nur folgerichtig. Je nach Konstellation SL-Spieler sind sie überflüssig oder unzureichend; eine echte Hilfe sind sie dagegen sehr selten.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 22.08.2019 | 12:44
...
Frage: Wie "real" kann Simulation sein, wenn dieser Aspekt faktisch gar nicht berücksichtigt wird?

Das ist einfach ein noch unterbetrachteter Fokus, kein Fehler von Simulationen mit anderen Foki.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: 1of3 am 22.08.2019 | 12:49
c. Genrestory-Simulation
Adressiert genretypische Handlungsvorkomnisse und Komplikationen. Es wird nicht länger versucht eine Spielwelt durch die Regeln zu simulieren, sondern kooperativ und kreativ einen Plot zu erzeugen, dem Weltgegebenheiten untergeordnet sind. Dh, es können, im Rahmen der erforderlichen Plausibilität, Gegebenheiten erzeugt oder fallengelassen werden, ganz danach wie es der Plot erfordert. Damit ist es, naturgemäß, deutlich storylastiger als Genrewelt-Simulation. Beispiel: Apocalypse World/PbtA.

Ich bin nicht sicher, ob das augenfälligste Punkt oder auch nur ein richtiger ist, wenn du über PbtA-Spiele redest. Nehmen wir mal den Vampir. Vampire: The Masquerade macht da Regeln darüber, was Vampire können und nicht können. Also bei Sonnenlicht nehmen sie so und so viel schwerheilbaren Schaden. Sie sind aber z.B. besonders stark, wenn sie Blut verbrauchen usw. Der Vampir bei Urban Shadows hat ein Kontaktnetzwerk, um dass sich alles dreht. Über an sich vampirische Eigenschaften steht da gar nicht viel, nur dass der Vampir halt irgendwie Hunger hat. Die hat man ansonsten zu wissen. Es geht bei US also nicht darum, die Gattung Vampir zu simulieren. Der Vampir ist nur die Maske für die Rolle des süchtigen Manipulators.

Plausibel sollte das aber ansonsten schon alles sein; d.h. Dinge die etabliert wurden, bleiben bitte schön etabliert. Das ist ein ganz entscheidender Grundsatz für alle Rollenspiele. (Natürlich kann es zuweilen Gründe geben, Ereignisse zu retconnen.) Und natürlich nimmt auch PbtA seine Kolorierung ernst. Der Vampir ist eben keine Meerjungfrau.

Ich würde also sagen, PbtA ist zumeist allegorisch.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: First Orko am 22.08.2019 | 12:55
MMn ist das Weglassen von ausufernden Regelungen in dieser Richtung (also über Verhaltenshinweise u.Ä. hinaus) nur folgerichtig. Je nach Konstellation SL-Spieler sind sie überflüssig oder unzureichend; eine echte Hilfe sind sie dagegen sehr selten.

Ich bin überzeugt, das kann man genauso funktional machen, wie viele andere, kleinteilige Subsysteme ;)
Wenn ich aber hier kürze und mich auf das reine Simulieren von "Was können Figuren machen" ohne zu simulieren, WARUM Figuren (außer SC) etwas machen, dann ist Simulation doch nur reiner Selbstzweck. Weil ich aus der Simulation der Werte keine Simulation des Verhaltens ableite, täusche ich eine (teil)simulierte Welt vor, wo keine ist  :think:
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Blechpirat am 22.08.2019 | 13:02
Ich würde das folgendermaßen sehen udn Simulation und Emulation gegeneinander stellen:

Simulation setzt den Fokus auf den Vorgang und ist das Aufstellen von Regeln für die Spielwelt und konsistentes Ableiten der Ergebnisse genau davon. Wen Setzungen aus anderen Medien also nicht durchdacht sind, kann es sein, dass das Spiel dann deutlich anders aussieht als deren Geschichten. Insbesondere sicherer Erfolg ist kein Element von Simulation. 

Bei der Emulation ist der Fokus auf das Ergebnis gerichtet und liegt vor, wenn die Ergebnisse spezifisch nacheditiert oder direkt von außen gesetzt werden, damit das Ergebnis auch "stimmt", bzw. eigentlich geltende Regeln zur Zielerreichung passend ignoriert/ausgesetzt werden. 

Nach meinem ersten Eindruck ist das was du mit Simulation benennst gerade keine Simulation. Simulieren können wir nicht, da die Regeln eine entsprechende Komplexität nicht erreichen können. Wikipedia definiert Simulation als: "Die Simulation oder Simulierung ist eine Vorgehensweise zur Analyse von Systemen, die für die theoretische oder formelmäßige Behandlung zu komplex sind. " - Regeln sind aber genau dieses Formeln.

Evtl. ist Gurps daher eine Emulation?Wir emulieren eine (mehr oder minder realweltliche) Physik in der Spielwelt. (aka: Wir fummeln was hin, bis ähnliche Ergebnisse herauskommen könnten).
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: YY am 22.08.2019 | 13:34
Wenn ich aber hier kürze und mich auf das reine Simulieren von "Was können Figuren machen" ohne zu simulieren, WARUM Figuren (außer SC) etwas machen, dann ist Simulation doch nur reiner Selbstzweck.

Witzig - das sehe ich genau umgekehrt.

(Sim-)Regeln sollen mir sagen, was passiert, wenn ich selbst keine eindeutige Intuition dazu habe bzw. wenn ich das Ergebnis für ausreichend offen halte, um einen Zufallsgenerator bemühen zu wollen.
Für das Handeln von NSCs ist das eher selten, wenn ich diese ausreichend gut kenne (da, wo ich sie nicht ausreichend kenne, würde ich auch ein aus einer passenden Auswahl zufällig bestimmtes Verhalten akzeptieren (müssen)). 

Für mich wäre gerade die Simulation von NSC-Verhalten überflüssiger Selbstzweck.


(aka: Wir fummeln was hin, bis ähnliche Ergebnisse herauskommen könnten).

Diese Hürde ist zu schnell genommen.

Die Zielsetzung ist eher: Wir schrauben so lange daran rum, bis die Regeln für vergleichbare Situationen keine deutlich unplausiblen Ergebnisse mehr liefern (aber nicht so lange, bis sie alle plausiblen Ergebnisse in guter Annäherung der tatsächlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten liefern).


Und grundsätzlich zur Simulation:
Doch, genau das können wir mit Regeln tun.
Als klassisches Beispiel liefern Kampfregeln einen tatsächlichen Verlauf, den wir nicht a priori/theoretisch vorhersehen können. Und auch mit einer allgemeineren mathematischen Betrachtung erhalten wir Erwartungswerte & Co., aber nicht das konkrete Einzelergebnis eines Anwendungsfalles.

Dass Rollenspielregeln für eine Simulation nicht komplex genug sein können, ist schlicht falsch. Wir wählen im Vorfeld den gewünschten Detailgrad und alles unterhalb dieser Auflösung geht im Rauschen des Zufallsgenerators unter. Die Frage ist dabei nur, ob der Detailgrad für den gewünschten Zweck ausreichend ist und nicht, ob die Simulation absolut perfekt ist. Eine perfekte Simulation gibt es nämlich auch am Rechner nicht und das hält niemanden davon ab, mit passend konstruierten Modellen erfolgreich zu simulieren.

Jedes Modell ist in seiner Leistungsfähigkeit begrenzt, aber das ist keine Grundlage dafür, sich hinzustellen und zu sagen, dass genau deswegen alle Modelle zwingend völlig untauglich wären und man daher den Versuch gar nicht erst unternehmen sollte.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 22.08.2019 | 13:40
Sind das wirklich überhaupt Genresims? Um die Frage zu präzisieren: Will z.B. D&D irgendein Genre simulieren? Ist D&D die Simulation eines vorher etablierten Buch- Film- oder Spiel-Genres? Oder etabliert es selbst ein Genre, sodass die Idee des "genre-untypischen Scheiterns" gar nicht anwendbar ist?

Die Frage ist absolut berechtigt. Man könnte natürlich anführen, dass der Appendix N Hinweis darauf ist, dass D&D das Genre emulieren will. Und das Traveller schon das damalige Science-Fiction-Genre emulieren will, das glaube ich schon. Deswegen ist Traveller meiner Meinung nach auch etwas zeitlos.
Aber ich will darüber gar nicht streiten, denn ich glaube, dass es auch einige Gründe, gerade bei D&D, gibt, das anders zu sehen.
Bei Emulation ist es natürlich auch immer die Frage: Wie genretrue muss ein Spiel sein, damit man es auch Emulation wahrnimmt? Zudem: Die Ansprüche an die genauigkeit der Emulation sind mit Sicherheit seit 1974 gewachsen.
Aber die Frage halt ich schon deshalb für berechtigt, weill ich ja Genresetting-EMulation näher am Gamismus verorte.

Also ungefähr so:
Gamismus | Genresetting-Emulation | Genreworld-Emulation | Genrestory-Emulation | Narrativismus

(Das Ganze ist vermutlich komplexer, aber für dieses Argument sollte die Darstellung erst einmal ausreichen.)

Indiana Jones selbst ist sich nicht bewusst, dass er im Kampf gegen ein Handvoll Nazischergen nicht sterben wird oder kann. Er erkennt auch einen Cliffhanger nicht als solchen.
Aber wie wichtig ist das wirklich? Das Publikum identifiziert ich mit "Indy", weiß aber genau, dass er nicht sterben kann. Man kann also Spannnung spüren, ohne dass alles auf dem Spiel steht. Das ist ja auch das Prinzip hinter Success-at-a-Cost.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 22.08.2019 | 14:16
Außerdem muss man bei Simulationen und Emulationen die Fragen stellen: Was soll simuliert werden? Ab welche Güte kann ich es überhaupt erst als Simulation/Emulation erkennen? Und ab wann wird es dann eine gute Simulation? Wieviel Genauigkeit ist erforderlich?
Wenn man davon ausgeht, dass ein Spiel ein angestrebtes Komplexitätsbudget hat, dann muss man sich eben auf das Wesentliche konzentrieren.

Ich persönlich grenze Emulation von Simulation folgendermaßen ab: Emulation sieht einen bestimmten Sachverhalt als Black Box und ahmt das Verhalten der Black Box auf äußere Stimuli nach. Simulation modlliert auch innere Prozesse. Aber ist keine Duden-Definition, also mit Sicherheit strittig.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: unicum am 22.08.2019 | 14:18
Nach meinem ersten Eindruck ist das was du mit Simulation benennst gerade keine Simulation. Simulieren können wir nicht, da die Regeln eine entsprechende Komplexität nicht erreichen können. Wikipedia definiert Simulation als: "Die Simulation oder Simulierung ist eine Vorgehensweise zur Analyse von Systemen, die für die theoretische oder formelmäßige Behandlung zu komplex sind. " - Regeln sind aber genau dieses Formeln.

Wir können schon Simulieren. Ich glaube in meiner Edition von "Phoenix Command"
https://en.wikipedia.org/wiki/Phoenix_Command
Stand das es eigentlich NICHT als Rollenspiel geschrieben wurde, sondern als CoSim auf Personenbasis - mit den üblichen Folgen. Will sagen: Wird eine Figur getroffen so ist sie häufig genug "ausgeschaltet" oder gleich tod.

Also Nein - ich denke das man sehr wohl von einer Spielwelt simualtion ausgehen kann. Die Angriffswürfe von Spielsystemen "siumlieren" durchaus die Fähigkeiten der Figur, auch eine Simulation kann die Realität nicht immer vorraussagen (ansosnten wäre die Firma in welcher ich arbeite nicht so groß). Ich denke was Simulationisten eher wollen ist das RSP Systeme "glaubwürdig" sind.

Wenn ich ein reines Storytellersystem benutze - am besten eines ohne jede Würfellei oder Kartenziehen bin ich weit weg von einer Simulation. Je Regellastiger es wird umso näher kann ich an einer Simulation dran sein.

Schliesslich sehen die meisten Siumlationsprogramme im innern (ich möchte an der Stelle eher sagen "komm jezt nicht mit Randproblemen") ziemlich einfach das d(x1)=d(x0)+dz erinnert das vieleicht etwas an w20+x = THAC0 ?

Ich möchte jedenfalls im Rollenspiel keine wirkliche Simulation spielen.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: tartex am 22.08.2019 | 14:22
Aber wie wichtig ist das wirklich? Das Publikum identifiziert ich mit "Indy", weiß aber genau, dass er nicht sterben kann. Man kann also Spannnung spüren, ohne dass alles auf dem Spiel steht. Das ist ja auch das Prinzip hinter Success-at-a-Cost.

Tja, aber ich kann genresimulationistisch spielen und trotzdem noch Immersion erleben. Das ist für mich der Sweet Spot.

Ansonsten wäre eine Prämise für Genresimulationismus ja: Genresimulationismus steht Immersion diametral entgegen und schließt sie aus.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexandro am 22.08.2019 | 14:41
Ich persönlich grenze Emulation von Simulation folgendermaßen ab: Emulation sieht einen bestimmten Sachverhalt als Black Box und ahmt das Verhalten der Black Box auf äußere Stimuli nach. Simulation modlliert auch innere Prozesse. Aber ist keine Duden-Definition, also mit Sicherheit strittig.

Diese Abgrenzung ist problematisch, da man praktisch immer noch weiter reinzoomen und das ganze feingranularer betrachten kann. Ebenso wie man immer sagen kann "Ja, ich lege halt einen Ergebnisraum fest, aber innerhalb dieses Ergebnisraums ist alles offen - deswegen ist es Simulation und keine Emulation", wie es Maarzan tut. Ich denke dass man die beiden Sachen nicht trennsauber abgrenzen kann (was auch damit zusammenhängt, dass "Emulation" in der deutschen Sprache sowieso nur eine spezialisierte Form der Simulation ist).

Persönlich denke ich, dass "Simulationismus" und "Simulation" zwei verschiedene Paar Schuhe sind, die nur zufällig ähnlich klingen. Vermi hat das recht gut geklärt, als er SIM als "Erlebnisrollenspiel" (in Abgrenzung zum "Gestaltungsrollenspiel" NAR und dem "Spielrollenspiel" GAM) bezeichnet hat - es geht primär darum, zu sehen was als nächstes passiert. Wie man entscheidet, was als nächstes passiert (hochkomplexe Regeln, die den Ergebnisraum möglichst genau definieren; ein starker Erzähl-SL; ein einfaches System, welches den wesentlichen Handlungsrahmen vorgibt (z.B. die Winter-Events bei Pendragon); etc.) kann dabei unterschiedlich sein. SIM setzt darauf, dass der GMV möglichst detailliert ausgestaltet wird (während dieser bei NAR zwar auch wichtig ist, aber nachrangig hinter der Struktur der Geschichte, und bei GAM hinter der Struktur der Regeln, kommt).
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Blechpirat am 22.08.2019 | 14:50
Diese Hürde ist zu schnell genommen.

Die Zielsetzung ist eher: Wir schrauben so lange daran rum, bis die Regeln für vergleichbare Situationen keine deutlich unplausiblen Ergebnisse mehr liefern (aber nicht so lange, bis sie alle plausiblen Ergebnisse in guter Annäherung der tatsächlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten liefern).

Ich glaube, dass nach der Definition kein System mehr übrig bleibt, dass deine Definition erfüllt. Aber vielleicht kannst du ja eines benennen, um den Gegenbeweis zu erbringen? Ich tippe mal, dass spätestens bei "Waffenschaden" fast alle Systeme rausfliegen.

Und grundsätzlich zur Simulation:
Doch, genau das können wir mit Regeln tun.
Als klassisches Beispiel liefern Kampfregeln einen tatsächlichen Verlauf, den wir nicht a priori/theoretisch vorhersehen können. Und auch mit einer allgemeineren mathematischen Betrachtung erhalten wir Erwartungswerte & Co., aber nicht das konkrete Einzelergebnis eines Anwendungsfalles.

Dass Rollenspielregeln für eine Simulation nicht komplex genug sein können, ist schlicht falsch. Wir wählen im Vorfeld den gewünschten Detailgrad und alles unterhalb dieser Auflösung geht im Rauschen des Zufallsgenerators unter. Die Frage ist dabei nur, ob der Detailgrad für den gewünschten Zweck ausreichend ist und nicht, ob die Simulation absolut perfekt ist. Eine perfekte Simulation gibt es nämlich auch am Rechner nicht und das hält niemanden davon ab, mit passend konstruierten Modellen erfolgreich zu simulieren.

Jedes Modell ist in seiner Leistungsfähigkeit begrenzt, aber das ist keine Grundlage dafür, sich hinzustellen und zu sagen, dass genau deswegen alle Modelle zwingend völlig untauglich wären und man daher den Versuch gar nicht erst unternehmen sollte.
Deshalb stellte ich ja die Definition von Wikipedia voran: Simulation ist, wenn nicht mit Formeln beschreibbar. Du so: "Aber ich hab ja eine Formel!".

In deinem Beispiel auch nicht ein Kampf simuliert, sondern der Einfluss der Spielweltphysik (ggf. inkl. Magie) auf den Kampf "abgebildet". Das ist aber von einer Simulation weit weg. Es werden nur ausgewählte Aspekte betrachtet, und diese auch noch sehr grob. Zudem mit einer Verschiebung, die die PCs normalerweise gewinnen lässt.

Insofern wäre es - und jetzt kommt die Kurve zum OP (endlich!) - sehr spannend mal zu untersuchen, welche Tendenzen denn in ein konkretes "simulationistisches" System eingebaut wurden, die von einer realweltlichen Physik abweichen. Guckt man sich frühes D&D an, dann wäre das z.B. die Abstaktion Waffenschaden und Hitpoints, die es praktisch (ja, ich weiß, dass früher Hitpoints auf Level 1 ausgewürfelt wurden) ausschließen, dass jemand von einem Dolchstoß sterben kann, ein Schwert hingegen zumindest in den niederen Leveln tödlich bleibt. Dann stellt sich ja die Frage, welche Implikationen es für das entstehende Spiel hat. Wenn ich z.B. weiß, dass ich mindestens zwei erfolgreiche Angriffe des Gegners aushalte, handle ich in einer Kampfsituation anders, als in einer realistischen, wo ich schon durch einen Kratzer mit einer rostigen Klinge an Wundbrand versterben könnte.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: unicum am 22.08.2019 | 15:50
Deshalb stellte ich ja die Definition von Wikipedia voran: Simulation ist, wenn nicht mit Formeln beschreibbar. Du so: "Aber ich hab ja eine Formel!".

Du klebst etwas zu sehr an der Wikipedia,... Für alles was Simuliert wird brauchst du eine Formel, sonst kannst garnicht erst anfangen. Die Sache mit der Simulation, hauptsächlich der Computersimulation ist der Rechenaufwand. Hier insbesondere die immense anzahl von, eigentlich meist sehr, sehr einfachen, berechnungen.
Am Beispiel: es gibt keine Formel was passiert wenn ein Auto mit 50 kmh auf einen Betonpfeiler mit 0 kmh knallt. Aber es gibt die Formeln für Energieerhaltung (hier kinetische Energie) und mechanische Spannungen im Material - und den ersten Hauptsatz der Konstruktion: Wo ein Teil ist, kann kein anderes sein. Ich hab also alle Formeln die ich brauche, aber so ein Auto ist verdammt komplex,... es besteht aus 12 Millionen Punkten für die ich jede 1/10 MilliSekunde die Position, die geschwindigkeit in relation zu seinen Nachbarn berechnen muss.
Also nicht die Formeln machen eine Simulation aus sondern die Komplexität der Systeme. (das auto fährt also etwa 1m in 12 Stunden bei 64 Pentium-133 Prozuessoren (war Stand 2000 rum oder so)

Insofern wenn ich ein System vereinfache (was ich in der Simulation durchaus darf, etwa den tankdeckel am Auto weglassen der immerhin auch 2.500 Punkte hat) kann ich durchaus es in eine einfachere Formel bringen. Prinzipilell sind viele der Formeln der klassischen newtonschen Mechanik genau das - Simulationsgleichungen für einafche Dinge. Insofern vereinafche ich einen Menschen mit seinen Knochen und Organen zu "Trefferpunkten", seine fertigkeit Schaden auszuteilen zu einer "Fertigkeit-Schwert" und seine Fertigkeit schaden auszuweichen/zu wiederstehen in "Rüstung" - oder wie auch immer.

Das nur am Rande. Jedenfalls denke ich das eine Simulation was Rollenspiele betrifft nicht unbedingt etwas mit einer Simulation aus der technik zu tun haben muss.

Ps: Phoenix Command hat auf seinr Schadenstabelle für einen "Streifschuss am Herzen" etwa 100.000 Schadenspunkte - wie schade das der normale Mensch gerade mal einen Teiler von 60 oder so haben kann (normal ist 23 oder so - ist aber Jahre her das ich PhoenixCommand in den Keller geräumt habe). Direkt daneben steht beim Treffer übrigens "Instant Death"
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Blechpirat am 22.08.2019 | 16:16
Naja, ich hab mir immerhin die Mühe gemacht, den Begriff der Simulation zu definieren. Du eher nicht :)

Aber der Duden hat auch eine schöne Erklärung der Herkunft:

Zitat
lateinisch simulatio = Vorspiegelung, zu: simulare, simulieren
(Duden (https://www.duden.de/rechtschreibung/Simulation#herkunft))

Und dann passt es ja wieder...
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: YY am 22.08.2019 | 16:21
Das ist aber von einer Simulation weit weg. Es werden nur ausgewählte Aspekte betrachtet, und diese auch noch sehr grob.

Wenn du schon so hartnäckig auf den Wikipedia-Artikel verweist, tue ich das hiermit auch :)

Dort ist explizit die Rede davon, dass ein Modell bzw. eine Simulation notwendigerweise begrenzt ist, manches grob vereinfacht/vereinfachen muss und daher auf den jeweiligen Zweck zugeschnitten sein muss.

Man kann ohne Weiteres z.B. bei Crashtests, medizinischen Simulatoren, Fahrsimulationen, AGSHP (https://de.wikipedia.org/wiki/AGSHP) oder AGDUS (https://de.wikipedia.org/wiki/Ausbildungsger%C3%A4t_Duellsimulator) Aspekte finden, die nicht oder nicht ausreichend dargestellt werden (können) und so die Simulation in ihrer Leistungsfähigkeit begrenzen. Das heißt aber wie gesagt nicht, dass sie nutzlos wären.
Man muss sich nur bewusst sein, was man damit erreicht und was eben nicht - und das "Verpasste" auf anderen Wegen vermitteln.

Aber vielleicht kannst du ja eines benennen, um den Gegenbeweis zu erbringen? Ich tippe mal, dass spätestens bei "Waffenschaden" fast alle Systeme rausfliegen.

GURPS ist insofern ein mittelprächtiges Beispiel, weil man das in Eigenleistung in diesen Zustand versetzen muss (auch wenn es einem dabei brauchbare Hilfestellungen gibt) - es hat ja keinen "Urzustand".
Millennium's End kann es mit kleinen Änderungen - ohne kompliziert zu sein.
Twilight 2013 kann das (bei Nutzung bestimmter Optionen, die aber eindeutig erläutert sind).
Und nach unten raus gibt es z.B. MongoTraveller 2nd, wo man schon ziemlich in den Krümeln suchen muss, um grobe Unstimmigkeiten zu entdecken. Dabei ist das wohlgemerkt eine extrem minimalistische Konstruktion*, was der Erfüllung der Anforderung aber eher hilft als ihr zu schaden.

Zahlreiche andere Systeme kann man mit kleinen Änderungen so weit bringen, dass sie meine obige Anforderung erfüllen (die ich nebenbei als nicht sonderlich hoch gesteckt empfinde). Sobald es etwas abstrakter und grobkörniger wird, ist man da ja fast automatisch auf der sicheren Seite.
Selbst wenn man sehr kleinteilige Kritik hinsichtlich der Wahrscheinlichkeitsverteilungen anstellen will, merkt man schnell, dass es für vieles gar keine dafür brauchbare reale Datenlage gibt.

Was "Waffenschaden" angeht, können wir uns gerne per PN eine Weile im Kreis drehen. Die Bewertung "alles voll doof und unrealistisch" oder gar "Waffenschaden gibts in echt gar nicht!" ist jedenfalls zu weit verkürzt und zäumt das Pferd oftmals von hinten auf.

Davon ab können selbst Hitpoints, die es tatsächlich nicht gibt, richtig aufgezogen ein taugliches Modell sein: Wenn ich ausgehend von einem bestimmten Input ein plausibles Ergebnis bekommen will, muss ein Modell nicht mal den "echten" Weg gehen, solange es mir zur tatsächlichen Erfahrung passende Ergebnisse liefert. Das ist nicht nur im Spieldesign gang und gäbe. 


*Deswegen geht es mir auch so ein bisschen auf den Keks, dass beim Stichwort Simulation immer reflexartig auf Phoenix Command verwiesen wird - weder ist dieser Komplexitätsgrad notwendig noch ist Phoenix Command ein gutes Modell sowohl was die konkrete Gestaltung als auch den Output angeht.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Blechpirat am 22.08.2019 | 16:34
So langsam scheinst du da anzukommen, wo ich diskutieren möchte. Denn wenn man erstmal
Davon ab können selbst Hitpoints, die es tatsächlich nicht gibt, richtig aufgezogen ein taugliches Modell sein: Wenn ich ausgehend von einem bestimmten Input ein plausibles Ergebnis bekommen will, muss ein Modell nicht mal den "echten" Weg gehen, solange es mir zur tatsächlichen Erfahrung passende Ergebnisse liefert. Das ist nicht nur im Spieldesign gang und gäbe. 

akzeptiert hat, dann ist ja klar, dass man nicht einfach "Realität" simuliert. Sondern "Simulation" ist in unserem Fall ein Ablauf, der Ergebnisse produziert, die bestimmte Bedingungen erfüllen, die wir für unser Spiel brauchen. Diese Ergebnisse müssen und können nicht dem Entsprechen, was in der Realität passieren würde, sondern sie erfüllen bestimmte Anforderungen an die Plausibilität der Ergebnisse (wobei umfangreiche Formeln den Anschein der Plausibilität vermitteln können) aber auch der Spielbarkeit und anderer Ziele, die sich ein Designer gesetzt haben mag.

Und welche das sind, ist eigentlich die spannendere Frage, aber das ist jetzt eher so meine Meinung.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: YY am 22.08.2019 | 16:45
An dem Punkt war ich von Anfang an wtf?

Man kann nicht einfach hergehen und sagen: "Ich bilde die gesamte Realität möglichst gut ab." Das wird ein Haufen Schrott, weil ich für ein gutes Modell zuerst meine Anforderungen definieren muss.
Genau deswegen ist die Kritik "Das ist ja aber gar keine perfekte Abbildung der Realität" völlig daneben. Das erzähle ich doch die ganze Zeit.


Ansonsten:
Es gibt eine Gruppe von Simulationen, deren Ergebnisse (nicht deren Verläufe) explizit dem entsprechen sollen, was in der Realität passieren würde - das gehört da zu den Anforderungen.
Und doch, das können sie liefern. Nicht perfekt, aber in ausreichender Näherung.


Und welche das sind, ist eigentlich die spannendere Frage, aber das ist jetzt eher so meine Meinung.

Da gibt es leider nicht viel zu diskutieren oder zu ergründen. Sonderlich weit über "kommt drauf an" bzw. "ihr müsst selber wissen, was euch wichtig ist" kommt man da nicht hinaus.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Lord Verminaard am 22.08.2019 | 16:59
Die Klassifizierung von pbtA als simulationistisch (ausgerechnet! Vincent Baker würde sich im Grabe umdrehen, wenn er schon tot wäre ;D) zeigt an dieser Stelle recht schön das Dilemma und auch die Unzulänglichkeit der GNS-Kategorien insbesondere im Grenzbereich zwischen High Concept Simulationism und Vanilla Narrativism. Natürlich kann man jetzt durch die hochabstrakten Abgrenzungskriterien hecheln (adressiere ich die Prämisse? Mache ich ein Statement?) aber in concreto am Spieltisch ist der Unterschied dann kaum an irgendwas greifbarem festzumachen, Instance of Play hin oder her.

Ebenso zeigst du auf, wie absolut grundverschiedene und miteinander unvereinbare Spielstile von GNS unter Sim zusammengefasst werden. (Edit: Am Rande sei hingewiesen auf den anderen Grenzbereich, eben zu Gam, wo gerade im Wargaming-nahen Bereich ja auch sehr rigoros simuliert wird.)

Die einzige Frage, die sich mir dabei stellt, ist, warum du an Simulationismus als Katergorie überhaupt festhältst?
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 22.08.2019 | 17:01
Nach meinem ersten Eindruck ist das was du mit Simulation benennst gerade keine Simulation. Simulieren können wir nicht, da die Regeln eine entsprechende Komplexität nicht erreichen können. Wikipedia definiert Simulation als: "Die Simulation oder Simulierung ist eine Vorgehensweise zur Analyse von Systemen, die für die theoretische oder formelmäßige Behandlung zu komplex sind. " - Regeln sind aber genau dieses Formeln.

Evtl. ist Gurps daher eine Emulation?Wir emulieren eine (mehr oder minder realweltliche) Physik in der Spielwelt. (aka: Wir fummeln was hin, bis ähnliche Ergebnisse herauskommen könnten).

Du hast den Artikel missverstanden.
Wenn man die Realität, d.h. ein system nicht direkt in einer übergreifenden großen Erklärung oder Formel beschreiben kann, dann baut man ein vereinfachtes Modell und zerlegt das Problem in kleinere beherrschbare Elemente und damit Regeln.
Ziel ist es aber weiterhin das entsprechende Verhhalten des Originalsystem bestmöglich nach zu bilden - im Rahmen des möglichen Aufwands und den eigenen Fähigkeiten das passend zu bauen. Eine (notwendige) Simulation hat also immer Fehler aber das Ziel ist möglichst wenige davon im Rahmen der Möglichkeiten.

Die Emulation interessiert sich hier nicht wirklich für die Hintergründe, Funktionen und Fehler, sondern lediglich für eine passende Erscheinung nach außen.

Diese Abgrenzung ist problematisch, da man praktisch immer noch weiter reinzoomen und das ganze feingranularer betrachten kann. Ebenso wie man immer sagen kann "Ja, ich lege halt einen Ergebnisraum fest, aber innerhalb dieses Ergebnisraums ist alles offen - deswegen ist es Simulation und keine Emulation", wie es Maarzan tut. Ich denke dass man die beiden Sachen nicht trennsauber abgrenzen kann (was auch damit zusammenhängt, dass "Emulation" in der deutschen Sprache sowieso nur eine spezialisierte Form der Simulation ist).

Persönlich denke ich, dass "Simulationismus" und "Simulation" zwei verschiedene Paar Schuhe sind, die nur zufällig ähnlich klingen. Vermi hat das recht gut geklärt, als er SIM als "Erlebnisrollenspiel" (in Abgrenzung zum "Gestaltungsrollenspiel" NAR und dem "Spielrollenspiel" GAM) bezeichnet hat - es geht primär darum, zu sehen was als nächstes passiert. Wie man entscheidet, was als nächstes passiert (hochkomplexe Regeln, die den Ergebnisraum möglichst genau definieren; ein starker Erzähl-SL; ein einfaches System, welches den wesentlichen Handlungsrahmen vorgibt (z.B. die Winter-Events bei Pendragon); etc.) kann dabei unterschiedlich sein. SIM setzt darauf, dass der GMV möglichst detailliert ausgestaltet wird (während dieser bei NAR zwar auch wichtig ist, aber nachrangig hinter der Struktur der Geschichte, und bei GAM hinter der Struktur der Regeln, kommt).

Die Emulation kann und will eben nicht hineinzoomen, denn sie hat da nichts hinter der Kullisse, außer einem Männchen, das passende Fäden innerhalb des gewünschten Ergebnsiraums nach ggf eigenen Verteilungsvorstellungen zieht.
Der angestrebte Ergebnisraum der Simulation wäre idealerweise derjenige des Originalsystem, welches man modelieren will mit möglichst gleicher Verteilung.
Eine Simulation bedarf also auf jedenfall ausreichender Regeln (enstprechend managebaren Aufwand zu akzeptiertem Fehler) aber immer mit entsprechender Zielsetzung Setting = modelliertes System hat Priorität.

Ich glaube, dass nach der Definition kein System mehr übrig bleibt, dass deine Definition erfüllt. Aber vielleicht kannst du ja eines benennen, um den Gegenbeweis zu erbringen? Ich tippe mal, dass spätestens bei "Waffenschaden" fast alle Systeme rausfliegen.
Deshalb stellte ich ja die Definition von Wikipedia voran: Simulation ist, wenn nicht mit Formeln beschreibbar. Du so: "Aber ich hab ja eine Formel!".

In deinem Beispiel auch nicht ein Kampf simuliert, sondern der Einfluss der Spielweltphysik (ggf. inkl. Magie) auf den Kampf "abgebildet". Das ist aber von einer Simulation weit weg. Es werden nur ausgewählte Aspekte betrachtet, und diese auch noch sehr grob. Zudem mit einer Verschiebung, die die PCs normalerweise gewinnen lässt.

Insofern wäre es - und jetzt kommt die Kurve zum OP (endlich!) - sehr spannend mal zu untersuchen, welche Tendenzen denn in ein konkretes "simulationistisches" System eingebaut wurden, die von einer realweltlichen Physik abweichen. Guckt man sich frühes D&D an, dann wäre das z.B. die Abstaktion Waffenschaden und Hitpoints, die es praktisch (ja, ich weiß, dass früher Hitpoints auf Level 1 ausgewürfelt wurden) ausschließen, dass jemand von einem Dolchstoß sterben kann, ein Schwert hingegen zumindest in den niederen Leveln tödlich bleibt. Dann stellt sich ja die Frage, welche Implikationen es für das entstehende Spiel hat. Wenn ich z.B. weiß, dass ich mindestens zwei erfolgreiche Angriffe des Gegners aushalte, handle ich in einer Kampfsituation anders, als in einer realistischen, wo ich schon durch einen Kratzer mit einer rostigen Klinge an Wundbrand versterben könnte.

Nicht mit einer geschlossenen Formel beschreibbar.
Entsprechend ist alles, was genau darauf abzielt das System zu modellieren Simulation.  Mit dem unerreichbarten Limit Fehler = 0 für die Simulation zeigt sich mit dem abnehmenden Fehler lediglich noch die Güte der Simulation ... was "sehr schlecht" leider mit einschließt, aber auch viele Fälle von "als Abstraktion für Spielzwecke meinen Geschmacks ausreichend".


Und in GNS war S sowieso die Müllhalde für den ungeliebten Rest, also musste da auch alles andere mit reingepresst werden.

Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: KhornedBeef am 22.08.2019 | 17:07
Korrekt erklärt. Die Bewegung eines Sandkorns kannst du direkt formelmäßig beschreiben, einen Sandkasten kannst du entweder ganz abstrakt beschreiben, durch so etwas wie Zustandsgrößen, oder simulieren. Das Ergebnis der Stimulation (wo ist weiches Korn) lässt sich dann aber nicht durch Gesetze beschreiben.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: tartex am 22.08.2019 | 17:20
Ebenso zeigst du auf, wie absolut grundverschiedene und miteinander unvereinbare Spielstile von GNS unter Sim zusammengefasst werden.

Die einzige Frage, die sich mir dabei stellt, ist, warum du an Simulationismus als Katergorie überhaupt festhältst?

Tja, es liegt halt an der Worthülse.

Genresimulation als Simulationismus ist ja unabhänngig davon, ob es Writer/Director Stance der Spieler mit gibt. Das wird oft gleichgesetzt.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexandro am 22.08.2019 | 17:24
Zitat
Die Emulation kann und will eben nicht hineinzoomen, denn sie hat da nichts hinter der Kullisse, außer einem Männchen, das passende Fäden innerhalb des gewünschten Ergebnsiraums nach ggf eigenen Verteilungsvorstellungen zieht.
Der angestrebte Ergebnisraum der Simulation wäre idealerweise derjenige des Originalsystem, welches man modelieren will mit möglichst gleicher Verteilung.
Eine Simulation bedarf also auf jedenfall ausreichender Regeln (enstprechend managebaren Aufwand zu akzeptiertem Fehler) aber immer mit entsprechender Zielsetzung Setting = modelliertes System hat Priorität.

Dann gibt es keine Emulation, denn reingezoomt wird quasi immer. Nehmen wir als Beispiel mal die Situation "Intrigen und militärischer Machtkampf in einem Fäntelalter-Königreich" - abhängig vom Spielstil kann das unterschiedlich aussehen.

Hardcore-Sim
Core: Wen gibt es im Königreich, wie stehen diese Fraktionen zueinander, wie ist ihr grundlegendes Verhalten?
Ausgestaltung: An welche Informationen können sie kommen, wer gewinnt militärische Auseinandersetzungen, etc. ?

Hardcore-Nar
Core: Was ist der Kernkonflikt im Königreich, in welche Richtungen lässt sich dieser beeinflussen, welche Story entsteht daraus?
Ausgestaltung: Wer sind die Fraktionen, was für Ressourcen haben diese zur Verfügung, sind Bündnisse möglich, etc.?

Hardcore-Gam
Core: Wie ist das Kräfteverhältnis zwischen den Fraktionen, was sind ihre Stärken/Schwächen?
Ausgestaltung: Wer sind die Fraktionen, wie können sie ihre Stärken/Schwächen zu ihrem Vorteil nutzen, was sind ihre Ziele, etc. ?

Bei allen drei Varianten kommt man hinterher bei einem recht ähnlichen Setting raus, aber die "Kernpräferenz" des Spielstils schimmert halt immer durch.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 22.08.2019 | 17:27
Dann gibt es keine Emulation, denn reingezoomt wird quasi immer. Nehmen wir als Beispiel mal die Situation "Intrigen und militärischer Machtkampf in einem Fäntelalter-Königreich" - abhängig vom Spielstil kann das unterschiedlich aussehen.

Hardcore-Sim
Core: Wen gibt es im Königreich, wie stehen diese Fraktionen zueinander, wie ist ihr grundlegendes Verhalten?
Ausgestaltung: An welche Informationen können sie kommen, wer gewinnt militärische Auseinandersetzungen, etc. ?

Hardcore-Nar
Core: Was ist der Kernkonflikt im Königreich, in welche Richtungen lässt sich dieser beeinflussen, welche Story entsteht daraus?
Ausgestaltung: Wer sind die Fraktionen, was für Ressourcen haben diese zur Verfügung, sind Bündnisse möglich, etc.?

Hardcore-Gam
Core: Wie ist das Kräfteverhältnis zwischen den Fraktionen, was sind ihre Stärken/Schwächen?
Ausgestaltung: Wer sind die Fraktionen, wie können sie ihre Stärken/Schwächen zu ihrem Vorteil nutzen, was sind ihre Ziele, etc. ?

Bei allen drei Varianten kommt man hinterher bei einem recht ähnlichen Setting raus, aber die "Kernpräferenz" des Spielstils schimmert halt immer durch.

Und was sollte mir das jetzt sagen, insbesondere zum Thema Zoomen?
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexandro am 22.08.2019 | 17:40
Wenn man reinzoomt dann sieht man in allen drei Beispielen das Gleiche. Und reinzoomen ist in jedem Spiel möglich - es gibt keine Rollenspiele (oder Erzählspiele oder Forge-Spiele oder wie-auch-immer-man-die-jetzt-nennt), wo reinzoomen nicht möglich ist.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 22.08.2019 | 18:03
Wenn man reinzoomt dann sieht man in allen drei Beispielen das Gleiche. Und reinzoomen ist in jedem Spiel möglich - es gibt keine Rollenspiele (oder Erzählspiele oder Forge-Spiele oder wie-auch-immer-man-die-jetzt-nennt), wo reinzoomen nicht möglich ist.

Ah, OK.

Dann vergleich einmal ein System (nicht das, was ggf ein in die eine oder andere richtungneigender Spieler oder spieleliter dann selber noch draus urstelt), wo der Würfelwurf quasi nur ein grober Hinweis zum Erzählen ist mit einem, welches Details , aber mit Sicht auf ein mehr oder weniger hoffentlich ausgewogenes Spiel und nicht zwingend auf Spielweltsinn anbietet mit einem, welches zu simulieren versucht, also z.B. was ein Aufbauspiel angeht REIGN vs. Kingmaker vs. Harnmanor (aber in anderen Bereichen gibt es ähnliches).
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexandro am 22.08.2019 | 18:36
Kingmaker kenne ich nicht, aber REIGN und Harnmanor - gerne:
-bei Reign hat man den kontextuellen Rahmen ("Was kann ich mit meinen Ressourcen erreichen?") durch die Regeln vorgegeben und gestaltet dann die Details ("Welche Ressourcen sind das jetzt genau?") aus.
-bei Harnmanor hat man die Details ("Welche Ressourcen sind das jetzt genau?") durch die Regeln (mehr oder weniger) vorgegeben, damit man das im Spiel benutzen kann, muss man diese aber noch kontextualisieren (i.e. "Was kann ich mit meinen Ressourcen erreichen?").
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 22.08.2019 | 18:40
Kingmaker kenne ich nicht, aber REIGN und Harnmanor - gerne:
-bei Reign hat man den kontextuellen Rahmen ("Was kann ich mit meinen Ressourcen erreichen?") durch die Regeln vorgegeben und gestaltet dann die Details ("Welche Ressourcen sind das jetzt genau?") aus.
-bei Harnmanor hat man die Details ("Welche Ressourcen sind das jetzt genau?") durch die Regeln (mehr oder weniger) vorgegeben, damit man das im Spiel benutzen kann, muss man diese aber noch kontextualisieren (i.e. "Was kann ich mit meinen Ressourcen erreichen?").
Eben, ersteres ist Emulation. Es werden einpaar Werte gesetzt und der Rest dann nach Lust und Laune  "ausgestaltet", beim anderen beginnt man simulatorisch beim Bodenertrag und auf der Basis setzt sich das dann Stück für Stück weiter aufeinander aufbauend nach oben fort. 
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexandro am 22.08.2019 | 18:42
Ähm, nein. Reign stellt Regeln auf und leitet aus diesen Regeln Ergebnisse ab. Das Ergebnis steht nicht vorher fest, sondern ergibt sich aus der Regelanwendung. Dass es etwas grobkörniger ist ändert nichts an dieser Tatsache.

Ansonsten könnte man auch sagen: "Harnmanor setzt willkürliche Werte (Bodenertrag, Arbeitskräfte, Anbaufläche, etc.) und damit steht das Ergebnis (rechnerisch) fest - der Rest ist nur die Ausgestaltung dieses Ergebnisses in der Spielwelt. Emulation!"
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 22.08.2019 | 18:46
Ich würde das folgendermaßen sehen udn Simulation und Emulation gegeneinander stellen:

Simulation setzt den Fokus auf den Vorgang und ist das Aufstellen von Regeln für die Spielwelt und konsistentes Ableiten der Ergebnisse genau davon. Wen Setzungen aus anderen Medien also nicht durchdacht sind, kann es sein, dass das Spiel dann deutlich anders aussieht als deren Geschichten. Insbesondere sicherer Erfolg ist kein Element von Simulation. 

Bei der Emulation ist der Fokus auf das Ergebnis gerichtet und liegt vor, wenn die Ergebnisse spezifisch nacheditiert oder direkt von außen gesetzt werden, damit das Ergebnis auch "stimmt", bzw. eigentlich geltende Regeln zur Zielerreichung passend ignoriert/ausgesetzt werden. 

Halte ich für weitgehend kompatibel mit meiner Black Box-Definition.

Simulationsvarianten:
RealSim orientiert sich an den irdischen Gegebenheiten und ist die Basis für alle Simvarianten - außer eben da, wo es bewußt und ausdrücklich Abweichungen geben soll. 
SettingSim erweitert die realweltlichen Bedingungen mit "lokalen" Besonderheiten, welche aber weiterhin als Naturgesetz grundlegend gesehen werden.
GenreSim setzt gewisse externe Genreeffekte als Naturgesetz, hinterfragt diese in ihrer Herkunft nicht mehr, benutzt sie danach aber in ihrer Auswirkung als ob sie Naturgesetze wären.

Könntest du das etwas näher erläutern?


Abstraktionen sind als meist notwendige Vereinfachungen zwar Abschwächungen des Simulationsideals, aber kein Widerspruch dazu, solange keine bewußten "Unwahrheiten" mit reingebracht werden.

Eine Definition von Modellen in der Modelltheorie ist: zielgerichtete (sprachliche) Abstraktion. (Emphasis mine.)
Man abstrahiert also nicht einfach drauflos, sondern überlegt sich vorher Sinn und Zweck und blendet dann alles unwesentliche aus.
Rollenspielsysteme können als probabilistische Modelle von Spielwelten betrachtet werden - daher lautet dann wohl die Frage, was für ein jeweiliges System wesentlich ist.

Von daher glaube ich nicht, dass es ein Simulationsideal gibt, sondern verschiedene Interpretationen innerhalb eines Komplexitätsbudgets. Es mag zwar Lieblingsinterpretationen geben, aber es wird eben auch immer wieder neue Star Wars RPGs geben. Und mit Fug und Recht, nicht nur aus ökonomischen Gründen.


Ich würde also sagen, PbtA ist zumeist allegorisch.

Die Grundmechanik von PbtA ist die Verkettung von genretypischen Moves via genretypischer Komplikationen (Snowballing). Daraus ergibt sich dann eine genretypische Geschichte, die Simulation der Welt verläuft in weiten Teilen in der Narration des GM anstatt in den Regeln. Deswegen muss man die Vampirkräfte in PbtA auch nicht unbedingt genau definieren.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 22.08.2019 | 19:18
Ähm, nein. Reign stellt Regeln auf und leitet aus diesen Regeln Ergebnisse ab. Das Ergebnis steht nicht vorher fest, sondern ergibt sich aus der Regelanwendung. Dass es etwas grobkörniger ist ändert nichts an dieser Tatsache.

Ansonsten könnte man auch sagen: "Harnmanor setzt willkürliche Werte (Bodenertrag, Arbeitskräfte, Anbaufläche, etc.) und damit steht das Ergebnis (rechnerisch) fest - der Rest ist nur die Ausgestaltung dieses Ergebnisses in der Spielwelt. Emulation!"

Reign versucht nicht einmal auf das Setting zu schauen. Aber mit jemandem der das nicht erkennt oder erkennen will zu diskutieren ist wohl hoffnungslos.

@ Alexander Kalinowski:

Bei den Simulationsvarianten ging es mir um die jeweils unterschiedlichen Basisebenen, auf welchen die jeweilige Simulation aufsetzt, üblicherweise danach gestaffelt angetroffen (und in manchen Diskussionen dann kollidierend) in wie weit das Ganze dann irdischen Grundlagen entspricht oder ob/wo man sich zunehmend schwächer im Setting gegründeten Elementen bedient.

"Zielgerichtet" hätte ich in "notwendig" mit untergebracht gesehen. Man will ja eigentlich ideal simulieren, aber man ist mit der Komplexität des Systems wie auch dem Aufwand eine Lösung umzusetzen in der Praxis dann begrenzt und wählt dann danach zielgerichtet zum Einsatzzweck die notwendigen Beschnitte in Form des eingeengten Folkus wie auch des als noch erträglich empfundenen Grad an Abstraktion.
 Und je nach Fokus des Spiels und Investitionssbereitschaft/-fähigkeit der Spieler kommt natürlich jeweils eine andere dazu passende Lösungsvariante bei raus. Das von mir erwähnte Simulationsideal war der theoretische Horizont, an der sich dann die anderen Lösungen als rein theoretisches Limit ohne Budgetgrenze orientieren, um danach Kosten und Nutzen für die passende Lösung zur eigenen Lage abzuschätzen. Die letzten paar Prozent sind eben immer die teuersten. 
 
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 22.08.2019 | 19:30
Die Zielsetzung ist eher: Wir schrauben so lange daran rum, bis die Regeln für vergleichbare Situationen keine deutlich unplausiblen Ergebnisse mehr liefern (aber nicht so lange, bis sie alle plausiblen Ergebnisse in guter Annäherung der tatsächlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten liefern).

Ich finde es sollte nicht untergehen, dass Simulationismus vor allem auf negativen Forderungen basiert - die Absenz von unplausiblen oder untypischen Resultaten. Klar, Simulationismus kann auch Mechanismen umfassen, die die Immersion gezielt erhöhen - aber die Grundforderung ist das Fehlen von Artefakten, die die Immersion brechen.

Tja, aber ich kann genresimulationistisch spielen und trotzdem noch Immersion erleben. Das ist für mich der Sweet Spot.

Ansonsten wäre eine Prämise für Genresimulationismus ja: Genresimulationismus steht Immersion diametral entgegen und schließt sie aus.

Nur unter der Vorprämisse, dass das kurzzeitige Heraustreten aus einer Figur die Immersion zerstört. Oder den Fluss/Flow (der Begriff gefällt mir, je länger ich darüber nachdenke). Das ist bei mir nicht der Fall. Bei mir sind's die untypischen/unplausiblen Resultate.

Diese Abgrenzung ist problematisch, da man praktisch immer noch weiter reinzoomen und das ganze feingranularer betrachten kann.

Ich muss wieder auf mein Spiel und den Entwurf des Kampfsystems zurückkommen. Ich hab mir dafür zig Filmkämpfe angeschaut und sie analysiert. Mein Kampfsystem äfft das nach was ich da auf dem Bildschirm gesehen habe. Ich habe aber keine Formeln, die die innere Logik beschreiben, die den Filmkämpfen zugrundeliegt. (Es gibt ja wohl auch keine gemeinsame innere Logik, es ist ja letztlich alles nur Show.) Man kann aber von außen statistisch auswerten und nachbilden was passiert.

Persönlich denke ich, dass "Simulationismus" und "Simulation" zwei verschiedene Paar Schuhe sind, die nur zufällig ähnlich klingen.

Zur Erinnerung: Bei Simulationismus, etc. geht es um Präferenzen.

Die Klassifizierung von pbtA als simulationistisch (ausgerechnet! Vincent Baker würde sich im Grabe umdrehen, wenn er schon tot wäre ;D) zeigt an dieser Stelle recht schön das Dilemma und auch die Unzulänglichkeit der GNS-Kategorien insbesondere im Grenzbereich zwischen High Concept Simulationism und Vanilla Narrativism.


Vincent Baker muss ja nicht immer recht haben. ;) Und GNS/Big Model mössen ja auch nicht wohldefiniert sein.
Es ist mMn relativ unstrittig, dass Apocalypse World signifikant auf existierende Genre Tropes rekuriert. Typische Moves, typische Komplikationen. Das wäre im GNS-Jargon wohl "Pastiche". Ich interpretiere das allerdings als Genre-Nachahmung.

(Nebenbei bemerkt lehnt Baker mittlerweile alle 3 Spielmodi ab.)

Ebenso zeigst du auf, wie absolut grundverschiedene und miteinander unvereinbare Spielstile von GNS unter Sim zusammengefasst werden. (Edit: Am Rande sei hingewiesen auf den anderen Grenzbereich, eben zu Gam, wo gerade im Wargaming-nahen Bereich ja auch sehr rigoros simuliert wird.)

Ich sage ja: Der Gegensatz zwischen Gamismus und Simulationismus ist älter als unser Hobby und es finden sich Beispiele dafür aus den 1960ern. Er ist kein reines Rollenspielphänomen.
Und die Spielstile müssen ja auch nicht miteinander vereinbar sein - sie haben aber gemeinsam, dass man in ein Genre oder in eine bestimmte Welt eintaucht. Sich dem Genre oder der Welt auf verschiedene Art und Weisen nähert.

Die einzige Frage, die sich mir dabei stellt, ist, warum du an Simulationismus als Katergorie überhaupt festhältst?

Weil es glasklar Rollenspieler gibt, die verschiedene Präferenzen haben und mir persönlich Dinge wie Genretreue wichtiger sind als anderen Gamern. Andere bevorzugen kreatives Erzählen oder Hack & Slash. Damit ist Simulationismus weiterhin im Spiel, egal was Ron Edwards sagt.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexandro am 22.08.2019 | 19:53
Reign versucht nicht einmal auf das Setting zu schauen.

Ach deswegen hat Reign langschweifige Abhandlungen darüber, was die Werte innerhalb des Settings bedeuten und wie man die Companies von Heluso & Milonda am besten in Spielwerten abbilden kann... weil es nicht versucht aufs Setting zu schauen.  ::)

Wenn du weniger versuchen würdest eine Agenda zu pushen (die mir suspekt ist, weil sie mit kriminellen Subjekten wie dem Pundit in Verbindung steht) könnten wir evtll. diskutieren, bis dahin:
Zitat
Aber mit jemandem der das nicht erkennt oder erkennen will zu diskutieren ist wohl hoffnungslos.

@Alexander:
Zitat
Ich muss wieder auf mein Spiel und den Entwurf des Kampfsystems zurückkommen. Ich hab mir dafür zig Filmkämpfe angeschaut und sie analysiert. Mein Kampfsystem äfft das nach was ich da auf dem Bildschirm gesehen habe. Ich habe aber keine Formeln, die die innere Logik beschreiben, die den Filmkämpfen zugrundeliegt. (Es gibt ja wohl auch keine gemeinsame innere Logik, es ist ja letztlich alles nur Show.) Man kann aber von außen statistisch auswerten und nachbilden was passiert.

Eine statische Auswertung in diesem Rahmen bleibt, glaube ich, deutlich unter dem Signifikanzwert. Aber jeder wie er mag.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 23.08.2019 | 13:36
1) Nur unter der Vorprämisse, dass das kurzzeitige Heraustreten aus einer Figur die Immersion zerstört. Oder den Fluss/Flow (der Begriff gefällt mir, je länger ich darüber nachdenke). Das ist bei mir nicht der Fall. Bei mir sind's die untypischen/unplausiblen Resultate.

2) Ich muss wieder auf mein Spiel und den Entwurf des Kampfsystems zurückkommen. Ich hab mir dafür zig Filmkämpfe angeschaut und sie analysiert. Mein Kampfsystem äfft das nach was ich da auf dem Bildschirm gesehen habe. Ich habe aber keine Formeln, die die innere Logik beschreiben, die den Filmkämpfen zugrundeliegt. (Es gibt ja wohl auch keine gemeinsame innere Logik, es ist ja letztlich alles nur Show.) Man kann aber von außen statistisch auswerten und nachbilden was passiert.

3) Ich sage ja: Der Gegensatz zwischen Gamismus und Simulationismus ist älter als unser Hobby und es finden sich Beispiele dafür aus den 1960ern. Er ist kein reines Rollenspielphänomen.
Und die Spielstile müssen ja auch nicht miteinander vereinbar sein - sie haben aber gemeinsam, dass man in ein Genre oder in eine bestimmte Welt eintaucht. Sich dem Genre oder der Welt auf verschiedene Art und Weisen nähert.


1) Bei der Genresimulation wären die Effekt ja Teil der Spielwelt, also denFiguren auch möglicherweise bekannt , ich denke da an die Scheibenwelt. In dem Falle muss man nicht aus der Immersion heraus um passend reagieren zu können.

"Raus" muss man erst, wenn die Effekte selektiv nach externen Belangen eintreten und die Figur trotzdem für die externen Belange passend handeln soll, sich also letztlich innerweltlich falsch verhalten müsste.

2) Emulation setzt halt "außen" auf, auch wenn es für den bewußt oder unbewußt unbedarften dann erst einmal gleich aussehen mag. Es ist letztlich nicht die Antwort darauf, was wohl (aus Spielweltsicht) passieren würde als was (aus Spielerebenensicht) passieren sollte udn ggf. in manchen Fällen von möglichen simulierten Ereignissen sprachlich nicht mehr zu unterscheiden ist.

3) Die Spielstiel habe ich in dem Moment als weitgehend kompatibel erlebt, wo die Gamisten die Beschränkungen aus der Spielwelt selbst als Teil der Herausforderung akzeptiert und der Rest der Spieler das nicht hinterrücks torpediert haben. Auch die Bewohner in einer Spielwelt wollen ja in der Regel gewinnen.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: unicum am 23.08.2019 | 14:04
Naja, ich hab mir immerhin die Mühe gemacht, den Begriff der Simulation zu definieren. Du eher nicht :)

Aber der Duden hat auch eine schöne Erklärung der Herkunft:
(Duden (https://www.duden.de/rechtschreibung/Simulation#herkunft))

Und dann passt es ja wieder...

Tut mir leid, meine lezte Klausur im Studium war "Nummerische Simulation",... ich konnt nicht anderst.  >;D und in meiner Abschlussarbeit musste ich auch simulieren - nur um festzustellen das in der Realität das gleiche rauskommt  ~;D

Ich hab mich eben nur an dem Passus "Formeln" gestoßen.

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Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 23.08.2019 | 15:35
Eine statische Auswertung in diesem Rahmen bleibt, glaube ich, deutlich unter dem Signifikanzwert. Aber jeder wie er mag.

Darum geht's ja auch nicht, sondern um Wiedererkennungswert. Und das ist sehr wohl im Bereich des Möglichen.

Bei der Genresimulation wären die Effekt ja Teil der Spielwelt, also denFiguren auch möglicherweise bekannt , ich denke da an die Scheibenwelt. In dem Falle muss man nicht aus der Immersion heraus um passend reagieren zu können.

Ich habe festgestellt, dass es halt Spieler gibt, die sich dagegen sträuben Metaentscheidungen treffen zu müssen, da das kurzzeitige Aus-dem-Charakter-treten ihre Immersion zerstört. Das ist natürlich sehr subjektiv, aber ich persönlich kann das nicht so ganz nachvollziehen. Ich gehe ja nicht mit der Erwartung zum Rollenspiel möglichst lange durchgehend im Charakter zu bleiben, sondern gehe von dem beständigen Wechsel zwischen Spielelementen, Charakterdarstellung, Plausibilitätsanliegen und Geschichtenentwicklung, etc aus.
Ansonsten wäre das "Taschenlampen fallenlassen" ja kein Problem (ist es mMn sowieso nicht), denn es kann ja aus der Rolle heraus Sinn machen - aber ein Spieler sollte eben auch andere Konsequenzen seiner Entscheidungen in Betracht ziehen.

Generell denke ich wir sehen hier die Dinge hier weitgehend ähnlich. Die Tagline meines Systems ist ja auch "Challenge within Genre Bounds", gibt also eigentlich auch das wieder, was du über Gamismus gesagt hast.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: D. Athair am 23.08.2019 | 17:35
Ich denke was Simulationisten eher wollen ist das RSP Systeme "glaubwürdig" sind.
Würde ich auch so sehen. Die Frage ist nur, ob überhaupt oder besser oder besonders gut durch komplexen Crunch erreicht werden kann. 1of3 schrieb mal was ziemlich Schlaues zu Spielweltfakten = Regeln.

Entsprechend ist die Frage, ob man nicht mit super simplem Crunch und durchdeklinierten fiktionalen Regeln (vgl. Hard Science Fiction, Hard Fantasy/Magical Fiction) die bessere Simulation hinbekommt.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 23.08.2019 | 18:00

Ich habe festgestellt, dass es halt Spieler gibt, die sich dagegen sträuben Metaentscheidungen treffen zu müssen, da das kurzzeitige Aus-dem-Charakter-treten ihre Immersion zerstört. Das ist natürlich sehr subjektiv, aber ich persönlich kann das nicht so ganz nachvollziehen. Ich gehe ja nicht mit der Erwartung zum Rollenspiel möglichst lange durchgehend im Charakter zu bleiben, sondern gehe von dem beständigen Wechsel zwischen Spielelementen, Charakterdarstellung, Plausibilitätsanliegen und Geschichtenentwicklung, etc aus.
Ansonsten wäre das "Taschenlampen fallenlassen" ja kein Problem (ist es mMn sowieso nicht), denn es kann ja aus der Rolle heraus Sinn machen - aber ein Spieler sollte eben auch andere Konsequenzen seiner Entscheidungen in Betracht ziehen.

Ich bin einer davon und bevorzuge es idealerweise in der Immersion zu bleiben. Mir ist klar, dass das nciht durchgehend sein kann, aber mehr ist besser und absichtliches Rausreißen stört da entsprechend.

Und Taschenlampenfallenlassen ist nur für denjenigen, der fallen lässt und ggf. weitere "Dramatiker" in der Gruppe "problemlos", für die anderen hingegen nicht. Und die Immersion nehme ich ihm im Üblichen als Grund auch nicht ab, da das ebenso üblicherweise vom Überraschungsmoment und der übelstmöglichen Stelle hängt.
Mit konsequentem Charakterspiel ist die Gruppe in der Regel vorgewarnt und kann sich darauf einstellen. Wobei noch ein Punkt dazu kommt: Inklusion, üblicherweise wird bei einer planmäßigen Gruppenzusammenfindung ein Auge bezgl. SC zugedrückt bzw. auch das mögliche Pvp begrenzt. Es ist in solchen Fällen genau diese unterdrückte Sicherheitsstufe, welche dann dem Taschenlampenfallenlasser in vielen Fällen sein Handeln erst ermöglicht.

Würde ich auch so sehen. Die Frage ist nur, ob überhaupt oder besser oder besonders gut durch komplexen Crunch erreicht werden kann. 1of3 schrieb mal was ziemlich Schlaues zu Spielweltfakten = Regeln.

Entsprechend ist die Frage, ob man nicht mit super simplem Crunch und durchdeklinierten fiktionalen Regeln (vgl. Hard Science Fiction, Hard Fantasy/Magical Fiction) nicht die bessere Simulation hinbekommt.

Ich denke zum Reiz der Simulation gehört das letztlich "Testen durch Erleben" der Simulation. Und das macht dann für die jenigen so tickenden deutlich weniger Spaß, wenn es aus Detailmangel nicht viel zu erkunden und Rädchen zu drehen gibt.
Und auf einen "guten SL" kann man sich "als System" eben auch nicht verlassen, denn die sind entsprechend selten und nicht mit dem dünnen System zusamemn zu kaufen.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: YY am 23.08.2019 | 18:48
Die Frage ist nur, ob überhaupt oder besser oder besonders gut durch komplexen Crunch erreicht werden kann.

Da ist Alexander K. mit dem Gedanken von den negativen Forderungen auf der richtigen Spur:
Wer viel Crunch erstellt, hat viel mehr Gelegenheiten/läuft deutlich stärker Gefahr, Regelartefakte bzw. -elemente einzubringen, welche die Immersion oder Glaubwürdigkeit beschädigen.

Daran hängen noch Randaspekte wie das Setzen zu hoher Erwartungen, wenn bestimmte Bereiche sehr detailreich und stimmig verregelt werden, aber man dann woanders gefühlt patzt - das geht aber oft auf mangelnde Kommunikation zurück, was wo warum modelliert wird und was nicht; außerdem ist der Bewertungsmaßstab des Betrachters oftmals ziemlich unreflektiert.

Allgemein ist es meine Erfahrung, dass man sich leichter tut, wenn man etwas mehr Freiräume lässt (und als Autor erläutert, warum man das an welcher Stelle macht).
Das kann sogar bedeuten, dass ein SL sich weitgehend auf die "lückenhafte" Spielmechanik beschränkt und der Spieler den Rest für sich auffüllt - nur so bekommt man SL und Spieler unter einen Hut, wenn der SL nicht so weit in einem bestimmten Thema drin ist oder etwas deutlich anders sieht.

Und auf einen "guten SL" kann man sich "als System" eben auch nicht verlassen, denn die sind entsprechend selten und nicht mit dem dünnen System zusamemn zu kaufen.

Wie gerade angeführt kann es reichen, wenn der SL sich da etwas zurück nimmt. Andersrum gehört es auch ziemlich definitionsgemäß zu einem guten SL, dass der verstanden hat, was das System warum wie macht.
Ein "SL-sicheres" System gibt es nicht und ich erlebe es gefühlt deutlich öfter, dass ein SL ein komplexes System nicht so nutzt, wie es gedacht ist und dadurch Immersions- und Glaubwürdigkeitsbrüche produziert, als dass ein SL mit einem schlankeren System jenseits der Spielmechanik so weit in die falsche Richtung geht, dass es die Glaubwüridgkeit beschädigt.

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Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 23.08.2019 | 21:46
Ich bin einer davon und bevorzuge es idealerweise in der Immersion zu bleiben. Mir ist klar, dass das nciht durchgehend sein kann, aber mehr ist besser und absichtliches Rausreißen stört da entsprechend.

Und Taschenlampenfallenlassen ist nur für denjenigen, der fallen lässt und ggf. weitere "Dramatiker" in der Gruppe "problemlos", für die anderen hingegen nicht.

Was die Immersion angeht - da gibt's eben verschiedene Spielertypen, das muss man akzeptieren. Meine Immersion wird dann gestört wenn Fiktion produziert wird, die meinen Spielwelt-Erwartungen nicht entspricht (Lieblingsbeispiel: Hitpoints in D&D). Die Spielwelt macht mir dann weniger Freude. In den Spielrhythmus komme ich eigentlich ganz schnell wieder rein, wenn ich erst einmal drin war.

Zu dem TLFL - das ist doch lediglich ein GM-Problem: "Ah, die Gruppe handelt sich freiwillig Nachteile ein! Na dann, muss ich mal aufpassen, dass es jetzt nicht kippt und falls doch, dann lasse ich ihnen eben entsprechende Hilfe zu kommen." Bei FATE wäre es ein Aspekt und man würde einen Fatepunkt dafür bekommen! Also, ich sehe das Problem nicht, wenn der GM auf Zack ist.


Da ist Alexander K. mit dem Gedanken von den negativen Forderungen auf der richtigen Spur:
Wer viel Crunch erstellt, hat viel mehr Gelegenheiten/läuft deutlich stärker Gefahr, Regelartefakte bzw. -elemente einzubringen, welche die Immersion oder Glaubwürdigkeit beschädigen.

Vielleicht ist es ganz reizvoll mal einen Einblick in einen (meinen) realen simulationistischen Entwurfsprozess zu bekommen:
Eigentlich ist es eher so, dass man simpel anfängt und dann Komplexität aufbaut bis man die besonders störenden Artefakte eliminiert hat. Insbesondere Dinge, die einen an anderen Spielen stören oder fehlen. Dann hat man aber wohl eher ein zu komplexes System, dass überhaupt nicht vermarktbar ist. Eine Art von Simulationsideal (nicht DAS eine Ideal, sondern das Ideal einer spezifischen Interpretation). Und dann beginnt die Arbeit der gezielten Komplexitätsreduktion.

Ich hatte zB für die Angriffsauflösung ursprünglich eine 2-dimensionale 4x4-Matrix drin, ähnlich wie hei Hârnmaster, nur mit ganz anderen Einträgen. Bis ich dann merkte, dass die Diagonalen sehr ähnlich waren und die Matrix auf eine 1-dimensionale Tabelle mit 5 Einträgen reduzieren konnte. Viel "vermarktbarer" und vor allem viel leichter einzuprägen. Ein oder zwei Kämpfe und dann haben alle Beteiligten sie drinne. Aber: Ich habe dadurch Einträge/Kampfergebnisse verloren (und damit an Genauigkeit!). Das war aber verkraftbar.

An anderer Stelle entscheidet man sich aber vielleicht gegen die Vereinfachung, weil man von den Vorteilen der Komplexität hinreichend überzeugt ist. In meinem Falle wäre das die Task Resolution Chart. Ich weiß natürlich, dass für einen Teil der Spielerschaft Tabellen mit vielen Zahlen ein sofortiges K.O.-Kriterium sind. Aber an dieser Stelle nehme ich das mal bewusst hin. Ich schreibe das Spiel ja zuerst einmal für mich selbst, alles andere ist ungewiss.

Das kann sogar bedeuten, dass ein SL sich weitgehend auf die "lückenhafte" Spielmechanik beschränkt und der Spieler den Rest für sich auffüllt - nur so bekommt man SL und Spieler unter einen Hut, wenn der SL nicht so weit in einem bestimmten Thema drin ist oder etwas deutlich anders sieht.

Ich denke das hängt vor allem am Komplexitätsbudget. Wieder ein Beispiel aus der Design-Praxis:
Wenn Angreifer und Verteidiger in KotBL den gleichen Erfolgslevel haben, dann ergibt sich ein "Stand-Off" Kampfergebnis. Das Spiel führt aber gar nicht aus was das konkret in der Fiktion bedeutet - es gibt lediglich Tipps zu den verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten (und demnächst auch Illustrationen zur Unterstützung): Parieren, Ausweichen, der Angreifer zögert oder wird abgelenkt, etc pp.
Aber hier wähle ich halt bewusst eine Abstraktionsebene aus, die ich nicht im Crunch unterschreite. Es entsteht eine Simulationslücke, die durch die Narration (ob GM oder Spieler) aufgefüllt werden muss.
Warum mache ich das? Einerseits, weil es mir vor allem darum geht die Kampfdynamik von Filmkämpfen abzubilden - und ich damit in meinem Budget bleibe. Andererseits natürlich auch, weil ich gezielt Spielraum für Kreativität lassen will - als Plug-In, sozusagen. Wenn ich hingegen im Detail bestimmen wollte, was für ein Stand-Off-Ergebnis resultiert, dann bräuchte eine Tabelle, die man sich nicht mehr einprägen kann und eine detailiertere Auflösungs-Mechanik. Oder einen zweiten Wurf auf einer anderen Tabelle. Zu viel!


Ein "SL-sicheres" System gibt es nicht

Ich glaube das ist vor allem dann relevant, wenn man Spiel-Anfänger und Casuals abgreifen will. Ansonsten geht man als Designer von einem halbwegs intelligenten, halbwegs erfahrenen GM aus, denke ich. Und falls man nicht entwirft um einen kommerziellen Erfolg zu produzieren, sondern vor allem ein Spiel, das man selbst mag, dann will man ein Spiel vielleicht auch gar nicht idiotensicher machen.

PS Nachsatz zur Taktik: Crunch ermöglicht berechenbare Taktiken zu fahren, anstatt auf das Wohlwollen des GMs zu hoffen.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: YY am 24.08.2019 | 01:24
Eigentlich ist es eher so, dass man simpel anfängt und dann Komplexität aufbaut bis man die besonders störenden Artefakte eliminiert hat.

Joah - ich hätte eher gesagt, man fängt unten an und schaufelt gezwungenermaßen da Komplexität drauf, wo man seine Anforderungen erfüllt sehen will. Und dabei muss man eben zusehen, dass man nicht versehentlich neue Macken einführt.
Läuft aber ziemlich aufs Gleiche raus.

PS Nachsatz zur Taktik: Crunch ermöglicht berechenbare Taktiken zu fahren, anstatt auf das Wohlwollen des GMs zu hoffen.

Da ist die Anforderung an die Komplexität allerdings mMn relativ gering, bis man das zufriedenstellend erreicht hat.
Jedenfalls muss man sich längst nicht in Höhen wie bei D&D 3.5 oder PF schrauben.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 25.08.2019 | 14:12
So, nach noch etwas mehr Nachdenken bin ich nicht mehr ganz so glücklich mit der Kategorisierung im OP.

Das Problem ist, dass RealSim mit fantastischen Elementen einerseits und Genresetting-Simulation andererseits überlappen, wenn nicht gar synonym sind. Nehmen wir ein realistisches System mit fantastisches Elementen wie Hârnmaster um in Westeros auf Abenteuerjagd zu gehen - wenn ich da so etwas wie Heldenglück und Attackenserien hinzufüge, dann wird's relativ schnell zur Genre(welten)simulation. Und umgekehrt: wenn ich einige Regeln weglasse, um es einfacher, aber weniger realistisch, zu machen, dann bewegen wir uns in Richtung Gamismus-Simulationismus-Hybrid.

Also eher:
RealSim - Fantastischer Realismus - Genre(welten)Sim - Genre(story)Sim - Narrativismus
Oder?

(Wie genau der Gamismus da jeweils hineinspielt, muss man dann im Einzelfall betrachten.)

Da ist die Anforderung an die Komplexität allerdings mMn relativ gering, bis man das zufriedenstellend erreicht hat.
Jedenfalls muss man sich längst nicht in Höhen wie bei D&D 3.5 oder PF schrauben.

Da hänge ich gerade bei mir, weil der Quickstart naturgemäß noch nicht sehr viele Optionen bietet - zum Einführungsabenteuer sollen's etwas mehr werden.
Welche Komplexität braucht man denn da? Wieviele Optionen und Situationsmodifikatoren sind gerade recht?
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 25.08.2019 | 15:16
Das Problem ist, dass RealSim mit fantastischen Elementen einerseits und Genresetting-Simulation andererseits überlappen, wenn nicht gar synonym sind. Nehmen wir ein realistisches System mit fantastisches Elementen wie Hârnmaster um in Westeros auf Abenteuerjagd zu gehen - wenn ich da so etwas wie Heldenglück und Attackenserien hinzufüge, dann wird's relativ schnell zur Genre(welten)simulation. Und umgekehrt: wenn ich einige Regeln weglasse, um es einfacher, aber weniger realistisch, zu machen, dann bewegen wir uns in Richtung Gamismus-Simulationismus-Hybrid.

Also eher:
RealSim - Fantastischer Realismus - Genre(welten)Sim - Genre(story)Sim - Narrativismus
Oder?


Der Unterschied liegt darin, dass fantastische Elemente erst einmal grundlegend aus dem Setting selbst heraus kämen, während für die Genresetting-Simulation eigentlich aus der Metaebene stammende Elemente erst "verweltlicht" und damit grob an die Settingphysik drangeflanscht und somit halbwegs simulierbar werden. Das ist aber eine andere Klasse an Eingriff und verändert merklich den Gesamtgeschmack.

Einfachere (Simulations-)Regeln machen das Spiel auch nicht direkt gamistischer, die Simulation wird einfach erst einmal nur gröber, wenn der Versuch der Detailierung vorher sehr schief gegangen sein sollte, ggf.  in solchen Fällen sogar realistischer.

Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: YY am 25.08.2019 | 16:10
Welche Komplexität braucht man denn da? Wieviele Optionen und Situationsmodifikatoren sind gerade recht?

Das hängt davon ab, was man an Taktik sehen bzw. drin haben und fördern will.

Vieles ergibt sich einfach aus der regulären Mechanik - Überzahl, Druck machen vs. defensiv bleiben, Ziele fokussieren uvm. wird durch gesonderten Crunch nur noch mehr begünstigt, aber grundsätzlich drin ist es eh fast zwingend.
Anderes fällt allein durch den Detailgrad schon weitgehend weg; wenn ich 6 Sekunden lange Kampfrunden habe, brauche ich keine einzelne Finte haarklein verregeln.

Nur eins sollte man nicht machen: Wild Talente usw. mit klangvollen Namen erfinden, irgendwelche Spielmechanik dranklatschen und dann schauen, welche Taktiken sich daraus "organisch" ergeben. Aber da sehe ich bei dir auch keine Gefahr  ;)
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 25.08.2019 | 20:03
Der Unterschied liegt darin, dass fantastische Elemente erst einmal grundlegend aus dem Setting selbst heraus kämen, während für die Genresetting-Simulation eigentlich aus der Metaebene stammende Elemente erst "verweltlicht" und damit grob an die Settingphysik drangeflanscht und somit halbwegs simulierbar werden. Das ist aber eine andere Klasse an Eingriff und verändert merklich den Gesamtgeschmack.

Ist das so? Es fällt mir schwer das zu diskutieren, ohne dass man konkrete Beispiele für Systeme hat die auf Genresetting-Simulation abzielen. Mein erster Gedanke war so etwas wie die Ultima-CRPG-Serie, obwohl das natürlich auch sehr gamistisch ist. Vielleicht das erste Aliens TTRPG? Jedes Film-Setting ohne besondere Physik ist ein Kandidat.

Vielleicht ist der Unterschied ja einfach wieviele fantastische Elemente es gibt (darunter zähle ich auch Technologie die zumindest derzeit nicht möglich ist).

Einfachere (Simulations-)Regeln machen das Spiel auch nicht direkt gamistischer, die Simulation wird einfach erst einmal nur gröber

Stimmt. Aber da ist auch wieder die Frage auf die es keine allgemeingültige Antwort gibt: Ab wann wird Simulation im Rollenspiel als solche überhaupt erst erkennbar? Und ab wann würde man sagen, dass es eine gute Simulation ist?


Druck machen vs. defensiv bleiben,

Ja, das ist auch die erste taktische Option, die ich reinbringen will. Grundsätzlich bin ich ja ein Freund von eher wenigen Option, weil sonst Tempo herausgenommen wird, wenn die Spieler alle möglichen Varianten im Kopf durchspielen. 

Nur eins sollte man nicht machen: Wild Talente usw. mit klangvollen Namen erfinden, irgendwelche Spielmechanik dranklatschen und dann schauen, welche Taktiken sich daraus "organisch" ergeben. Aber da sehe ich bei dir auch keine Gefahr  ;)

Ich bin halbwegs ein Fan von recht situativen Spezialtalenten, das sollte auch ganz gut funktionieren, weil mein System ja einige Situationen immer wieder produziert (zB hingefallen). Derzeit habe ich nämlich das Problem, dass ich eine Eskalationsmechanik einbauen will und verschiedene Traits/Zaubersprüche erst ab einer bestimmten Eskalationsstufe ausgelöst werden können. Wenn die nicht hinreichend situativ sind, dann gibt's jedes Mal ein Spezialfähigkeitsfeuerwerk, sobald eine neue Eskalationsstufe erreicht wird. Der Ansatz löst nämlich u.a. das Problem (und damit stellen wir den Bezug zur Genre-Simulation her), dass in vielen Spielen die besten Zauber am Anfang des Endkampfs eingesetzt werden und nicht wie in anderer Fiktion erst zum Höhepunkt des Kampfes.

Interessanterweise war der Auslöser aber kein simulatives Element, sondern ein spielerisches: Die (abgemilderte) Todesspirale des Spiels könnte ohne Eskalationsmechanik dazu führen, dass am Ende die Kämpfe zäh und langweilig werden, weil man durch die Wundmodifikatoren ständig daneben haut. An der Stelle hatte ich recht lange nachdenken müsssen, bis 13th Age mir das rettende Konzept präsentierte. Und es passt ja auch einigermaßen simulatorisch: ja, es gibt Kämpfe, da ist der erste Treffer die Vorentscheidungen. Aber es ist gibt eben auch Filmkämpfe, die dauern an bis der Protagonist und der Antagonist sich gegenseitig richtig mürbe gehauen haben. Die treffen sich aber auch dann immer noch gegenseitig!
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Crimson King am 25.08.2019 | 20:19
Ich finde es sollte nicht untergehen, dass Simulationismus vor allem auf negativen Forderungen basiert - die Absenz von unplausiblen oder untypischen Resultaten.

Das trifft aus meiner Sicht eher auf Emulation zu. Simulation akzeptiert unplausible oder untypische Resultate, solange sie auf entsprechend niedrigen Wahrscheinlichkeiten beruhen.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: YY am 25.08.2019 | 20:32
Die (abgemilderte) Todesspirale des Spiels könnte ohne Eskalationsmechanik dazu führen, dass am Ende die Kämpfe zäh und langweilig werden, weil man durch die Wundmodifikatoren ständig daneben haut.

Das ist eine Folge der gut gemeinten Herangehensweise, nur die offensiven Handlungen der Todesspirale zu unterwerfen, nicht aber die (ggf. passive) Verteidigung.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 25.08.2019 | 20:34
1) Ist das so? Es fällt mir schwer das zu diskutieren, ohne dass man konkrete Beispiele für Systeme hat die auf Genresetting-Simulation abzielen. Mein erster Gedanke war so etwas wie die Ultima-CRPG-Serie, obwohl das natürlich auch sehr gamistisch ist. Vielleicht das erste Aliens TTRPG? Jedes Film-Setting ohne besondere Physik ist ein Kandidat.

2) Vielleicht ist der Unterschied ja einfach wieviele fantastische Elemente es gibt (darunter zähle ich auch Technologie die zumindest derzeit nicht möglich ist).

3) Stimmt. Aber da ist auch wieder die Frage auf die es keine allgemeingültige Antwort gibt: Ab wann wird Simulation im Rollenspiel als solche überhaupt erst erkennbar? Und ab wann würde man sagen, dass es eine gute Simulation ist?


1) Mein Versuch mit Beispielen:

RealweltSim: irdische Physik
SettingSim: Es gibt FTL
GenreSim: Wenn sie Situation kritisch wird, fällt der Beamer erst einmal aus - und zwar recht zuverlässig und den Leuten bekannt - nur die Ursache ist einfach unfindbar.
Emulation: Es wird von außen nach Lage festgelegt, welche Situationen storybedingt als kritisch zählen und dann selektiv der Beamer rausgenommen. Die Bewohner der Welt haben da keinen Plan von.

2) Nein, kann ich keinerlei Zusammenhang bei erinnern. Es kommt meinem Empfinden nach auf die Art der Elemente an.

3) Ob Simulation oder nicht ist von außen (wie auch Railroading) abgesehen von ganz groben Fällen auf den ersten Blick oft gar nicht so direkt zu erkennen.
Im Prinzip kann man es sogar aus anderer Perspektive mit Fokus auf den Spieler bzw. SL als ein Treuebekenntnis zu einer bestimmten Vorhergehensweise sehen. Dann macht der ausdrückliche Wille zur simulativen Herangehensweise (also ein in der Regel interner Zustand des Betreffenden) etwas zu einer Simulation - über Qualität haben wir dann allerdings noch gar nichts gesagt.

Aber die Chance Fehler oder gar bewußte Verstöße zu erkennen, steigt mit zunehmender Zahl an Stichproben, insbesondere, wenn dann an fokusierten Stellen genauer hingeschaut oder gar experimentiert wird. Dann beginnen sich spätestens die Fehler abzuzeichnen, erst recht wenn da dann hastig udn oberflächlich geflickt wird.
Aus Spielersicht sind einem Simulator aber gerade die Details und das Experimentieren wichtig und damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass er solche Fehler entdeckt, entsprechend höher.

Gute Simulation im absoluten, theoretischen Sinne ist solche, welche höhere Deckung mit dem zu simulierenden System erzeugt, also mehr Details bei weniger Fehlern.
Gute Simulation für den Praxisfall ist eine Geschmacks-/Ressourcenfrage und damit nicht global beantwortbar. Alleine schon der Fokus/Bildausschnitt kann wechseln und damit eine für Bereich A als gut empfundene Simulation völlig unzureichend für Bereich B machen. Bewußte Manipulationen - insbesondere verdeckte, führen aber auf jeden Fall aus simulatorischer Sicht zur Abwertung.


Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 27.08.2019 | 11:15
Das trifft aus meiner Sicht eher auf Emulation zu. Simulation akzeptiert unplausible oder untypische Resultate, solange sie auf entsprechend niedrigen Wahrscheinlichkeiten beruhen.

Ich meinte allerdings Simulationismus, also die Präferenz von simulatorischen Aspekten über Spiel- oder Storyaspekten. Lieber kein Laserschwert für meinen PC in einer MERP-Kampagne als die Immersion zerstören, auch wenn das Schwert mächtige Werte hat. Und bitte auch keine dramatische Exploration der psychologischen Auswirkungen von Pfeiffenkraut-Abhängigkeit samt ihrer sozialen Konsequenzen. (Um es überspitzt zu verdeutlichen.)

Das ist eine Folge der gut gemeinten Herangehensweise, nur die offensiven Handlungen der Todesspirale zu unterwerfen, nicht aber die (ggf. passive) Verteidigung.

Ohne es zu weit auszuführen: Das Spiel hat ja Attacke und Paradewert, ähnlich wie bei DSA. Wundmodifikatoren wirken sich auf beide Werte gleichermaßen aus. Wenn jetzt zwei Charaktere aufeinandertreffen, die beide niedrige effektive AT/PA-Werte haben, dann besteht der Kampf idR aus einem Hin und Her von ineffektiven Schlägen, da häufig sowohl AT als auch PA scheitern. Die Eskalationsmechanik bildet in meine Augen stattdessen so etwas wie die wachsende Ungeduld der Kämpfenden ab.

Kurze Anmerkung: Aus simulationistischer Sicht müsste man eigentlich einen Opposed Test (AT vs PA) machen. Aber das würde einen ständigen AT/PA-Werteabgleich vor jedem Test nötig machen. Es spielt sich einfach flüssiger, wenn ich als Angreifer oder als Verteidiger nur meine eigenen Werte für meinen jeweiligen Wurf im Blick haben muss. (Ich will ja auch kein Phoenix Command der Fantasy-Genre-Emulation schreiben. Emulation ist für mich zwar der wichtigste Aspekt, aber eben nicht alles.)

1) Mein Versuch mit Beispielen:
[...]
2) Nein, kann ich keinerlei Zusammenhang bei erinnern. Es kommt meinem Empfinden nach auf die Art der Elemente an.

3) [...]
Aber die Chance Fehler oder gar bewußte Verstöße zu erkennen, steigt mit zunehmender Zahl an Stichproben, insbesondere, wenn dann an fokusierten Stellen genauer hingeschaut oder gar experimentiert wird. [...] Alleine schon der Fokus/Bildausschnitt kann wechseln und damit eine für Bereich A als gut empfundene Simulation völlig unzureichend für Bereich B machen. Bewußte Manipulationen - insbesondere verdeckte, führen aber auf jeden Fall aus simulatorischer Sicht zur Abwertung.

Ah, jetzt verstehe ich. Emulation ist für dich Simulation mit Exception Handling. Jedenfalls... der Zusammenhang ist der, dass sowohl meine "RealSim mit fiktiven Elementen" als auch meine Genresetting-Emulation bei dir wohl unter SettingSim fallen würden.

Wenn das betreffende Setting allerdings ein genretypisches Setting ist oder das einer festen IP, könnte man dann SettingSim als Teilsimulation eines Genres betrachten?
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 27.08.2019 | 18:48
Ich meinte allerdings Simulationismus, also die Präferenz von simulatorischen Aspekten über Spiel- oder Storyaspekten. Lieber kein Laserschwert für meinen PC in einer MERP-Kampagne als die Immersion zerstören, auch wenn das Schwert mächtige Werte hat. Und bitte auch keine dramatische Exploration der psychologischen Auswirkungen von Pfeiffenkraut-Abhängigkeit samt ihrer sozialen Konsequenzen. (Um es überspitzt zu verdeutlichen.)

Zu spät: Rolemaster Companion 1, Manafires (Arcane) Lvl8 fireblade ... 

Spaß beiseite. Die psychologische Auswirkung von Pfeifenkrautabhängigkeit wäre bei entsprechender Herangehensweise Simulation - halt ein ungewöhnlicher Fokus.


Ah, jetzt verstehe ich. Emulation ist für dich Simulation mit Exception Handling. Jedenfalls... der Zusammenhang ist der, dass sowohl meine "RealSim mit fiktiven Elementen" als auch meine Genresetting-Emulation bei dir wohl unter SettingSim fallen würden.

Wenn das betreffende Setting allerdings ein genretypisches Setting ist oder das einer festen IP, könnte man dann SettingSim als Teilsimulation eines Genres betrachten?
Emulation ist die Erzielung eines gewünschten Ergebnisses durch passende Eingriffe von außen, quasi Fassade anpinseln.

Vermutlich hinkend, aber vielleicht etwas einleuchtender:
Ein Auto auf einem Abgasteststand ist Simulation.
Die BMW-Variante mit der erklärten Ausnahmemechanik wegen Motorschutz ist Settingsim.
Die VW-Variante ist ganz grob noch Genre-SIM ...
Und Emulation ist die passenden gewünschten Prüfwerte direkt in den Auswertebogen zu schreiben.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationistischen RPGs
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 28.08.2019 | 17:52
Ja, ich denke damit kann ich leben.
Wenn man als Baseline RealSim nimmt, dann erweitert SettingSim den Realismus um fantastische Elemente. Da diese nicht in der Wirklichkeit gründen, kann niemand ernsthaft behaupten, dass deren Umsetzung in den Regeln unrealistisch wäre. Schlimmstenfalls sind sie halt nicht sehr settingtreu.
Das ist etwas anders bei GenreSim - wenn Autos idR beim ersten Treffer durch Schusswaffen explodieren oder es massives Heldenglück gibt, dann ist das nicht realistisch. Auch hier kann es Unterschiede in der Treue der Umsetzung geben. Diese Treue kann jeweils zwischen Teilen der Umsetzung fluktuieren.

Zu beachten ist, dass die obige Betrachtung von mir zunächst aus der Warte der Weltensimulation angestellt wurde. Wenn eine Regelwerk aber gar nicht versucht eine Welt durch die Regeln zu simulieren, sondern eher genretypische Geschichten und Gegebenheiten den Wendungen der erzeugten Geschichte unterworfen werden (vgl PbtA), dann simulieren Genre durch Story. Ich auch hier kann es RealSim, SettingSim und GenreSim geben - entsprechende PbtA-Hacks sind denkbar.

Zum Abschluss: man substituiere Simulation durch Emulation, wenn man die inneren Vorgänge nicht nachamt (BlackBox), sondern nur von außen reproduziert.

So ungefähr jedenfalls, denke ich.
Titel: Re: Versuch einer groben Kategorisierung von simulationistischen RPGs
Beitrag von: Maarzan am 28.08.2019 | 18:14
Ja, ich denke damit kann ich leben.
Wenn man als Baseline RealSim nimmt, dann erweitert SettingSim den Realismus um fantastische Elemente. Da diese nicht in der Wirklichkeit gründen, kann niemand ernsthaft behaupten, dass deren Umsetzung in den Regeln unrealistisch wäre. Schlimmstenfalls sind sie halt nicht sehr settingtreu.
Das ist etwas anders bei GenreSim - wenn Autos idR beim ersten Treffer durch Schusswaffen explodieren oder es massives Heldenglück gibt, dann ist das nicht realistisch. Auch hier kann es Unterschiede in der Treue der Umsetzung geben. Diese Treue kann jeweils zwischen Teilen der Umsetzung fluktuieren.

Zu beachten ist, dass die obige Betrachtung von mir zunächst aus der Warte der Weltensimulation angestellt wurde. Wenn eine Regelwerk aber gar nicht versucht eine Welt durch die Regeln zu simulieren, sondern eher genretypische Geschichten und Gegebenheiten den Wendungen der erzeugten Geschichte unterworfen werden (vgl PbtA), dann simulieren Genre durch Story. Ich auch hier kann es RealSim, SettingSim und GenreSim geben - entsprechende PbtA-Hacks sind denkbar.

Zum Abschluss: man substituiere Simulation durch Emulation, wenn man die inneren Vorgänge nicht nachamt (BlackBox), sondern nur von außen reproduziert.

So ungefähr jedenfalls, denke ich.

Ich hatte irgendwann noch gelesen, dass es ein "actionkinokonformes" Auto gibt - weil die dort den Tank und Auspuff wohl so verbaut haben, dass bei Löxchern im außen liegendne Tank das auch gleich noch entzündet wird ...

Die Umsetzung von Fantasyelementen wird da unrealistisch, wo die Folgen ihrer Existenz falsch extrapoliert (oder ignoriert) werden. Aber das ist dann nicht selten da auch ziemlich aufwändig und fehlerträchtig zu behandeln .