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Pen & Paper - Spielsysteme => Systemübergreifende Themen => Thema gestartet von: Weltengeist am 14.12.2019 | 09:22

Titel: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 14.12.2019 | 09:22
So, jetzt ist es also endlich soweit - ich habe die Schnauze voll.

Im Sommer 2012 habe ich wutentbrannt DSA4 in die Ecke geschmissen, weil ich diese furchtbaren Regeln nicht mehr ertragen habe, die irgendwie immer den Eindruck erweckten, die Kompromisslösung einer Kommission der deutschen Ministerialbürokratie zu sein: Umständlich, unverständlich, aufgeblasen, voller Verbote und vor allem: völlig unpraktikabel.

Ich machte mich also auf die Suche nach einem Regelwerk, das meinen Vorstellungen entspricht. Und was habe ich gesucht! Geschätzte 50 Regelwerke habe ich seither in der Hand gehabt und zumindest angelesen, mindestens 20 davon habe ich probegespielt. Aber immer wieder bin ich nach ziemlich kurzer Zeit an dem Punkt, an dem ich mich frage, ob es eigentlich eine Voraussetzung fürs Regelschreiben ist, dass man (1) keine Ahnung von Wahrscheinlichkeiten hat, (2) keine Ahnung, welche Ziele dieses Regelwerk eigentlich verfolgen soll, (3) keine Ahnung, was der Unterschied zwischen "läuft irgendwie" und "erreicht seine Ziele auf elegante Weise" ist und (4) keine Ahnung, wie man die eigenen Gedanken strukturiert zu Papier bringt.

Vielleicht bricht hier mein innerer Informatiker durch, aber was ich da für gewöhnlich in Händen halte, erinnert mich an nichts so sehr wie an die Ergebnisse eines Erstsemesterkurses im Programmieren. Da wird die Aufgabenstellung nur so halb gelesen, dann wird so lange rumgedoktert, bis irgendwas irgendwie läuft. Notwendige aber anfangs vergessene Features werden einfach irgendwie drangeklatscht, eigene Heartbreaker-Features werden auch irgendwie drangeklatscht ("because I can!"). Auf Tests kann man ohnehin verzichten (es lief für meine zwei Probeeingaben, jetzt aber ab in die Mensa!), und vernünftige Kommentierung und Dokumentation ist ohnehin was für Weicheier.

Hauptsache wir haben (hey, Geek Economy!) coole Bilder und ein abstruses Layout, das sonst noch keiner hatte. Und später machen wir dann Kohle mit coolen Follow-Up-Publikationen, die den letzten Rest an Spielbalance auch noch in den Orcus schießen.

Ich könnte jetzt Seiten um Seiten mit Beispielen füllen. Solche Sachen wie dass Runequest / BRP / Mythras es in all seinen Generationen nicht geschafft hat, sich davon zu lösen, dass bestimmte Attribute einen andere Wertebereich haben als andere. Dass ich immer wieder über Systeme stolpere, bei denen in der Erschaffung Baukasten mit Auswürfeln gemischt wird. Dass man im Probenmechanismus SOWOHL verschiedene Zielwerte ALS AUCH Zuschläge/Abzüge ALS AUCH Vor- und Nachteilswürfel verwendet. Dass zentrale Mechanismen wie Initiative oder das Sterben von Charakteren nicht sauber verregelt sind, sondern dem Spielleiter zum Händewedeln überlassen werden. Dass Kämpfe mit 3 gegen 3 auf Stufe 1 noch wunderbar funktionieren, aber das System komplett kollabiert, wenn man auf Stufe 10 ist und/oder zehn Orks gegenübersteht. Dass auf höheren Stufen alle dermaßen viele Health Points haben (ohne kompensierenden höheren Schaden), dass Kämpfe auf stundenlanges, DSA1-mäßiges Runterwürfeln rauslaufen. Dass man seltsame Wahrscheinlichkeitsverteilungen kriegt, bei denen auch die richtig guten Leute völlig selbstverständliche Sachen bei jedem zehnten Wurf verkacken. Oder dass die seltsamen Wahrscheinlichkeitsverteilungen dann durch aufwändige Nachbearbeitung (Tabellen-Lookups, Gummipunkte,...) wieder korrigiert werden müssen.

Oder dass mir (einer meiner All-Time-Favorites) immer wieder Fähigkeiten als Talente / Feats / Meisterschaften / whatever verkauft werden, die im wirklichen Leben jeder kann, der die zugehörige Fertigkeit besitzt. Sowas wie "du kannst zwar kämpfen, aber du brauchst eine Sonderfertigkeit, jemanden zurückzudrängen, zu entwaffnen, zwischen die Beine zu treten oder schlicht: um dich zu verteidigen oder nach einem Sturz wieder aufzustehen". Was für ein Bullshit! Das kann JEDER, der wirklich kämpfen gelernt hat! So etwas ist doch keine Sonderfertigkeit - es ist eine Selbstverständlichkeit, die man allen weggenommen hat und jetzt einigen wenigen für teure XP zurückgibt!

Und von solch tollen, immer wiederkehrenden Disbalancen wie "ab Stufe 7 hat ohnehin keiner mehr eine Chance gegen den Martial Artist bzw. den Magier" will ich mal gar nicht anfangen.

Manchmal scheinen auch wirklich solch obskure Designkriterien wie "wir wollen möglichst viele bunte Würfel", "wir wollen unbedingt mal alles ganz anders machen, egal wie und warum" oder "wir wollen unbedingt viel Geld mit Companion-Bänden machen" das Design zu beeinflussen. Urks.

Ich versuche ja, sachlich zu sein und zu sagen: Manche meiner Unzufriedenheiten resultieren natürlich auch daraus, dass ich ganz bestimmte Vorstellungen habe, wie ich spielen will, und dass erschreckend wenige Systeme dazu passen. Aber ganz viele meiner Unzufriedenheiten resultieren mMn schlicht daraus, dass das Regeldesign bei der überwältigenden Mehrzahl der Systeme, die ich kenne, Murks ist. Objektiver Murks im Sinne von "Regeldesign weiß nicht was es will oder wie es das elegant hinkriegen soll". Und zwar auch bei Systemen, die schon in die dritte, vierte, fünfte... Auflage gehen.

Ich glaube, ich bin jetzt endlich soweit: bevor ich noch mehr Geld und Zeit in die nächste Frustration stecke, schreibe ich es vielleicht wirklich endlich selbst. Mal sehen, was meine Tischgruppe dazu sagt. Aber nerviger, zeit- und geldaufwändiger kann es eigentlich langsam nicht mehr werden.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Der Nârr am 14.12.2019 | 09:42
Jo, so sieht's aus, aber die Hype-Maschine des nächsten Regelwerks rollt schon an. Und das wird genauso fehlerbehaftet und problematisch sein.

Darum bevorzuge ich schlanke Systeme. Wenn die Regeln eh kacke sind, will ich wenigstens nicht viel damit zu tun haben. Und solche, die vielleicht nicht innovativ sind, aber dafür handwerklich gut gemacht. Also über eine gute, klare Regelsprache verfügen usw.

Und ja, die eigenen Ansprüche die man an das Regelwerk stellt haben natürlich damit etwas zu tun.

Tausch dich mal mit Falcon aus, der kann ja von all dem ein Liedchen singen und hat ja auch sein eigenes Regelwerk u.a. aus diesen Gründen geschrieben. Auch wenn die Lösung letzten Endes für ihn OSR zu sein scheint, was ich wiederum absolut absurd finde ~;D.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Maarzan am 14.12.2019 | 09:47
Dem Grundtenor kann ich nur begeistert zustimmen - einigen Details nicht.

a) DSA4 krankt unter Schizophrenie, wo sich Leute mit scheinbar exakt gegensätzlichen Interessem beim Design gegenseitig zu torpedieren scheinen.

b) wenn die Designer vonRollenspielen gezwungen wären ihre Regeln auch mal zu programmieren und damit auf den Schnellhackzustand von solchen Programmierarbeiten kämen, sähe es denke ich bereits viel besser aus ...  8)

c) Bunte Bilder udn Desigbn als Primärfokus - ja, diesen Schmerz kann ich teilen.

d) Die Attrinbute sind ja aus gutem Grund unterschiedlich, weil die Attribute in Relation zu ihren Vergleichspartnern aus dem setting anders streuen.

e) bezgl. Handwedeln und Auslassungen  - d`accord. Genauso für seltsame Wahrscheinlichkeiten oder Feats "fürs Atmen" oder Hauptsache "neu und anders".

f) du willst an meine Würfel ...  d:)  my precious

g) letztlich bleibt nur: selber Schreiben. (seit 1985 dran, allerdings hat es mit einer Vorabedition schon einige Dutzend Runden gegeben, bevor es dann zur grundlegenden Restrukurierung kam - also nicht ganz ein Berliner Flughafen  ~;D )
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Aedin Madasohn am 14.12.2019 | 09:50
(1) keine Ahnung von Wahrscheinlichkeiten hat,

wer hat das schon? Treffer- und (Ausweich/Schild/Waffen)Parade im echten Blankwaffenkampf? Trefferwahrscheinlichkeiten von Massenware Pfeilen und Naturholzbogen im laufenden Waldlichtungsgefecht?

selbst bei "Klettere den Baum hoch" wirds doch schon vage.

(2) keine Ahnung, welche Ziele dieses Regelwerk eigentlich verfolgen soll,

 :d was soll DAS Spiel bringen?
Superhelden gegen Minions im Schnetzelmodus?
D!hard Arenamodus mit hohem Charverschleiß?
Tagesrationenabzählspiel?  >;D

 (3) keine Ahnung, was der Unterschied zwischen "läuft irgendwie" und "erreicht seine Ziele auf elegante Weise" ist und

es bedient aber charakterlich angekrängte Besserspieler und Finstermeister, wenn sie mit erhobenen Oberlehererzeigefinger von "so wird aber der Malus gerechnet!" die tumben "wir wollen doch nur Spaß beim Spielen haben"-Massen mal so richtig belehren können.
Würde die Engine "laufen", dann kann ja niemand sich als Obermaschinist aufplustern noch Sand ins Getriebe streuen.

Je abstruser und unrunder die Regeln, desto mehr können "Durchsetzer" den letzten Blödsinn ihren Runden vor den Latz knallen und sich daran erfreuen, das die konsenswilligen Weicheier sich so herumschubsen lassen.
Mit klarer Regel Engine ginge das so nicht

(4) keine Ahnung, wie man die eigenen Gedanken strukturiert zu Papier bringt

von rund 45 Millionen Arbeitnehmern in diesem Land schaffen das genau wieviele 100.000?
Und genau einer dieser 1%enter schreibt jetzt in Vollzeit Spieleregelwerke (für lau), statt als Projektleiter für 85 k Jahresgehalt eine Industriehalle(nerweiterung samt Maschine) zum Laufen zu kriegen? Oder kassiert 43 Euro die Schulstunde als Dozent*in in der beruflichen Weiterqualifikation (da muss dann aber auch "geliefert" werden)

kurzum, wieviele Regelwerke beruhen auf
- studentischen Schnaps- und Kiffideen?
- kommen ganz tief unten aus dem lichtlosen Nerdkeller ans Tageslicht gequollen? ist doch klar, dass die unter Praios kritischen Sonnenblicke zu qualmen anfangen  ~;D
- werden von spielbegeisterten Studenten voller Elan angekündigt und angesichts von Zweitjobs, Klausurstress und Partyleben dann nur "notfertiggestellt"?
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Achamanian am 14.12.2019 | 10:03
Ich habe vollstes Verständnis für deinen Ärger, wobei ich zugeben muss, dass ich die Probleme weniger durchdenke und mehr aus dem Bauch heraus finde, dass das nicht das richtige ist ...
Da ich weiß, dass du ganz ähnliche Systeme aus ganz ähnlichen Gründen wie ich wieder liegengelassen hast, hab ich auf jeden Fall nichts dagegen, wenn du einen eigenen Versuch unternimmst - von der Zielrichtung her sollte das zumindest etwas sein, das mich dann auch interessiert!

Ein bisschen wundere ich mich aber auch, dass du mit einem der modernen BRPs nicht glücklich wirst ... besonders bei Mythras hast du sicher schon sehr viel von dem, was du willst (einheitliches Probensystem, kein Featism, und dass die Attribute auf einer anderen Skala sind, ist ja eher ein ästhetisches Problem, da man deren Verwendung ja aus dem eigentlichen Regelablauf komplett entfernt hat). Aber da hast du dich ja eingehend mit befasst und wirst wissen, warum es nicht ganzu passt.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: KyoshiroKami am 14.12.2019 | 10:13
Dann bleibt wohl nur noch die Option "Selbermachen", wenn alles so schlimm ist.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Megavolt am 14.12.2019 | 10:19
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Ich hab nix gesagt!
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: 1of3 am 14.12.2019 | 10:27
Ich kann dir unumwunden in jedem Punkt zustimmen. Meine Reaktion war dann möglichst keine Spiele mehr zu spielen, die jene Dinge überhaupt erst versuchen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Marduk am 14.12.2019 | 10:27
Ich habe manchmal auch das Gefühl, daß die Macher der Systeme immer vergessen ein ordentliches Lastenheft anzufertigen, mit klaren Zielsetzungen. Aber da ein großer Prozentsatz der Rollenspieler ja scheinbar eh die Regeln lieber handwedelt, sieht man vielleicht auch die Notwendigkeit nicht. Ich mein: schaut euch doch mal zum Beispiel DSA an, ich habe manchmal das Gefühl, daß die DSA Gruppe, die die Regeln as written anwendet, echt selten bis nicht existent ist.
Oder wieviele Gruppen gibt es, die sagen: "Wir wollen System XY spielen!" und wenn man dan nachhakt, wollen sie ein Spielerlebnis, daß den Zielsetzungen des Systems diametral gegenüber stehen, was dann entweder zu Frust oder Handwedelorgie führt. Regelsysteme sind Werkzeuge und wann sich das klarmacht und sein REgelwerk entsprechend dem auswählt, was ich suche dann sollte das klappen.
Schaut man sich zum Beispiel ein gut gemachtes PbtA an (ich weiß, nicht jeder mag das System), wird man ganz schnell feststellen, daß sie für ein bestimmtes Spielerlebnis geschrieben sind und wenn man was anderes damit machen will, wird es ein Trainwreck. Will ich schnelle knackige und kurze Kämpfe, nehme ich zum Beispiel kein Splittermond, da ich da zwar recht viel Dynamik erreichen kann, aber leider dafür mit einem erhöhten Zeitaufwand bezahlen muss und Massenkämpfe nicht einfach darzustellen sind. Dafür muss ich bei Savage Wolrds wiederum Spaß am Figurenschubsen haben und auf gewisse Detail verzichten bekomme aber eine verdammt schnelle Engine, mit der auch Massenkämpfe möglich sind.

Der (verworrenen) langer Rede Sinn: Mach dir erst einmal klar, was du damit machen willst, bevor du dich ans Reißbrett setzt. Eine One-Size-Fits-all-Lösung wird es wahrscheinllich nicht geben.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Marduk am 14.12.2019 | 10:30
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Ich hab nix gesagt!

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Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Gunthar am 14.12.2019 | 10:39
Abo.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: HEXer am 14.12.2019 | 10:49
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Fixed that for you.  8)

Aber ja, ich kann das gut nachvollziehen in so ziemlich allen Punkten. Was mich zusätzlich aufregt (und das geht ein Bisschen in die "Dieses 'Feat' kann eigentlich jeder" Richtung) ist, wenn der Aufwand am Spieltisch zur Umsetzung einer Regel in keinem ansatzweise sinnvollen Verhältnis zum Ergebnis steht.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Maarzan am 14.12.2019 | 10:51
Fixed that for you.  8)

Aber ja, ich kann das gut nachvollziehen in so ziemlich allen Punkten. Was mich zusätzlich aufregt (und das geht ein Bisschen in die "Dieses 'Feat' kann eigentlich jeder" Richtung) ist, wenn der Aufwand am Spieltisch zur Umsetzung einer Regel in keinem ansatzweise sinnvollen Verhältnis zum Ergebnis steht.

Unterschiedliche Spielziele erfordern aber auch unterschiedlichen Aufwand, bzw. was dem einen unnützer Aufwand ist, ist beim anderen Teil des Spaßes.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: HEXer am 14.12.2019 | 10:53
Ja, unbenommen. Aber bei manchen Systemen sind Genre/Setting/Spielweise und Regeldesign aber auch einfach diametral.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Megavolt am 14.12.2019 | 10:56
Wie ist denn eigentlich Shadowrun 6, nur mal so gefragt? Sind Magie / Rigging / Hacking am Spieltisch überhaupt irgendwie spielbar, oder ist es wieder der übliche Clusterfuck?

Ich liebe Shadowrun, aber darum gehts bei der Frage nicht.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Maarzan am 14.12.2019 | 10:59
Ja, unbenommen. Aber bei manchen Systemen sind Genre/Setting/Spielweise und Regeldesign aber auch einfach diametral.

Ja, zu dem eigenen propaagierten Stil bzw. Spielziel sollte es schon passen.

Bezgl. Pflichtenheft:
Ich vermute bei DSA4 hätten sie sich mit der stildiversen Mannschaft überhaupt nicht auf ein solches einigen können.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Megavolt am 14.12.2019 | 11:01
Aber da ein großer Prozentsatz der Rollenspieler ja scheinbar eh die Regeln lieber handwedelt, sieht man vielleicht auch die Notwendigkeit nicht. Ich mein: schaut euch doch mal zum Beispiel DSA an, ich habe manchmal das Gefühl, daß die DSA Gruppe, die die Regeln as written anwendet, echt selten bis nicht existent ist.

Irgendwie ist das doch auch ein lustiges Henne und Ei - Problem. Was war zuerst da? Die hiesige DSA-Regelkultur oder die hiesige Handwedelei-Kultur?
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Maarzan am 14.12.2019 | 11:07
Irgendwie ist das doch auch ein lustiges Henne und Ei - Problem. Was war zuerst da? Die hiesige DSA-Regelkultur oder die hiesige Handwedelei-Kultur?

Ich glaube nicht, dass die "hiesige DSA-Kultur", wenn das auf die späteren DSA-Entwicklungen bezogen ist, überhaupt hiesig war: Eher habe ich den Eindruck, dass man am Anfang redaktionell eher auch regelleicht-handwedelnd eingestellt war, aber dann trotzdem doch auch den Schatten von D&D bzw. den Druck neues Material herausbringen zu wollen gespürt hat und man sich dann an den in englischen Markt entablierten Werken orientiert hat - auch wenn man selbst damit nie ganz warm geworden ist und das Einarbeiten dieser Einflüsse entsprechend auch eher mangelhaft und oberflächlich, weil eben unüberzeugt und eigenstilfremd erfolgt ist.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Orlock am 14.12.2019 | 11:07
Wie ist denn eigentlich Shadowrun 6, nur mal so gefragt? Sind Magie / Rigging / Hacking am Spieltisch überhaupt irgendwie spielbar, oder ist es wieder der übliche Clusterfuck?

DAS Frage ich mich bei Shadowrun dauernd. Ich liebe das Setting. Aber irgendwie traue ich mich da als Spielleiter einfach nicht ran.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: nobody@home am 14.12.2019 | 11:19
Irgendwie ist das doch auch ein lustiges Henne und Ei - Problem. Was war zuerst da? Die hiesige DSA-Regelkultur oder die hiesige Handwedelei-Kultur?

Also, DSA1 hatte in der Basis-Box nicht mal Bewegungsregeln, die über "Benutzt euren gesunden Menschenverstand und handwedelt das gefälligst!" hinausgingen. Das sagt, glaube ich, schon alles. ~;D

(Und ja, da haben sie dann vergleichsweise schnell -- spätestens mit dem Ausbau-Set -- nachgeschoben und verkompliziert. Aber das Handwedeln war zumindest in Sachen Erscheinungsreihenfolge definitiv zuerst da. ;))
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Kalimar am 14.12.2019 | 11:36
@Weltengeist: ich verstehe Dich ja sowas von gut. Ich habe über 25 Jahre gebraucht und tausende von Euros umgesetzt. Regelwerke gekauft, probegespielt, gesammelt, dann wieder verkauft und in einigen Fällen später noch einmal gekauft. Es ist unvernünftig, irrational und frustrierend, aber es passiert mir doch immer wieder. Ich habe aktuell noch nicht einmal eine regelmäßige Rollenspielrunde und mache dennoch genauso weiter. Irgendwas fehlt immer. Irgendwas macht das andere System besser. Irgendwas könnte man mit dem neuen Regelwerk ja noch viel besser bespielen als mit dem alten...

Ich habe 2019 endlich meinen Frieden gemacht. Alles weg (naja, ein Klappkorb muss noch abgearbeitet werden) bis auf 2 Systeme: Midgard 5 und Cthulhu 7. Die sind beide nicht wirklich "sexy", aber eben solide. Kein Schnickschnack. Keine tausende Spezialfertigkeiten. Beide haben so ihre Fehler, aber die sind mir vertraut. Ich kann ein bisschen sammeln, aber der Produktausstoß ist eher gemäßigt. Passt für mich. Es juckt mich zwar immer mal wieder in den Fingern. Ich habe auch in einem schwachen Moment mal was bestellt (und dann gleich wieder verkauft). Es wird besser, glaube ich...  ;)

Einfach mehr spielen. Kompromisse finden. Regelfehler akzeptieren oder hausregeln. Das andere Regelwerk ist eben auch nicht besser (oder an einer anderen Stelle schlecht).

Du schaffst das!!!  :)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 14.12.2019 | 11:46
Wie ist denn eigentlich Shadowrun 6, nur mal so gefragt? Sind Magie / Rigging / Hacking am Spieltisch überhaupt irgendwie spielbar, oder ist es wieder der übliche Clusterfuck?

Ich liebe Shadowrun, aber darum gehts bei der Frage nicht.

Bist du so gut und machst dazu einen eigenen Thread auf? Wir müssen den hier wirklich nicht schon auf der ersten Seite dermaßen sidetracken...
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Kaskantor am 14.12.2019 | 11:48
Ich glaube das grundsätzliche Problem ist unter anderem hier im Forum, dass aus jedem System eine mords Wissenschaft gemacht wird.

Die letzten Jahre war ich auch nur auf der Suche und habe mich durch ziemlich jedes „heiße“ System gelesen.

Manchmal war ich echt begeistert, dann habe ich ein paar Diskussionen drüber mitverfolgt und plötzlich war das System dann nicht mehr so super.

Letztens habe ich mir noch gedacht, Mensch mit 12 haben die Spiele mehr Spaß gemacht. Als ich drüber nachgedacht habe, ist mir aufgefallen warum.
Wir haben uns damals einfach keine Gedanken gemacht, die Systeme nicht nach jedem Kleinscheiss hinterfragt, es hat entweder gefühlt Spaß gemacht, oder eben nicht.

An dem Punkt bin ich nun wieder.

Z.B. Sadowrun 6.

Das Spiel wird hier komplett zerrissen, aber wenn ich dieses ganze Punktezählen usw. einfach mal beiseite lasse, ist es für mich die spielbarste Version seit Jahren und das ist alles was für mich zählt.

Und auch wenn der Magier 10mal besser ist als der Sam, wenn ich den ikonischen Sam spielen will, dann mach ich das einfach und fertig.

Das die Designer ständig was neues versuchen, ist doch klar. Sonst kauft ja keiner mehr was neues.

Und es gibt auch Moden und zur Zeit sind scheinbar Gimmicks, Steinchen, Karten und sonstiges Zubehör eben solche. Wird vermutlich auch wieder andere Zeiten geben.

Ich habe mich jetzt auf 2 Spiele eingeschossen. Sind beide Up to Date, haben natürlich auch ihre Problemchen, aber die sind für mich absolut akzeptabel.

Namentlich Warhammer Fantasy 4, wo sogar die deutsche Übersetzung durchaus taugt und für mein SiFi/ Cyberpunk ist es SR6, wo die deutsche Übersetzung eh immer besser ist, als das Original  ~;D .

Vielleicht hilft einfach mal spielen besser, als alles wissentlich zu betrachten und zu diskutieren.

Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 14.12.2019 | 11:57
@ Topic: Mir geht es ausdrücklich nicht darum, dass ein System nicht meinen Spielgeschmack trifft. Das kann ich schon unterscheiden. Ich weiß selbst, dass Cypher, pbtA, Fate oder D&D andere Nischen bedienen als meine. Mir geht es darum, dass ein System entweder gar nicht erst weiß, wo es hinwill, oder dieses Ziel dermaßen schlecht umsetzt.

Und ja, mir ist schon klar, dass das nicht jeder kann. Aber ich rede ja hier nicht von irgendwelchen Heartbreakern mit 200 Downloads (wobei die in Sachen "klare Kante" teilweise sogar besser sind als so manches etabliertes System), ich rede von wirklich großen Systemen. Die (gerade im englischsprachigen Bereich) durchaus von Leuten geschrieben werden, die keinen anderen Dayjob haben als "Rollenspielkram schreiben". Ist das echt zuviel verlangt, dass die ihren Job nicht nur künstlerisch ("Ich hab ja sooo viele coole Ideen"), sondern auch handwerklich beherrschen?

Man muss sich mal vorstellen, wir würden Haushaltsgegenstände so produzieren wie Rollenspiele. Dann hätten wir Stühle mit unterschiedlich langen Beinen und wackeligen Schrauben, aber einer total coolen Bemalung. Die Leute hätten unterschiedliche Life Hacks, wie man den Stuhl dazu kriegt, weniger zu wackeln. Und nach ein paar Jahren käme die neue Version - sie würde immer noch wackeln, aber sie wäre jetzt in anderen Farben angemalt (und die Fanboys würden sich aufregen, dass ja jetzt das andere Bein wackelt und dass der neue Stuhl deshalb total scheiße ist).
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Maarzan am 14.12.2019 | 12:02
von rund 45 Millionen Arbeitnehmern in diesem Land schaffen das genau wieviele 100.000?
Und genau einer dieser 1%enter schreibt jetzt in Vollzeit Spieleregelwerke (für lau), statt als Projektleiter für 85 k Jahresgehalt eine Industriehalle(nerweiterung samt Maschine) zum Laufen zu kriegen? Oder kassiert 43 Euro die Schulstunde als Dozent*in in der beruflichen Weiterqualifikation (da muss dann aber auch "geliefert" werden)

Da ist wohl auch noch etwas dran.
Jeder, der ein "richtiges" Rollenspiel schreiben könnte, kann in einem anderen Job erheblich mehr als das bisschen verdienen, was mit Rollenspiel zu verdienen wäre. Aber zu "richtig" gehört auchnoch so viel Arbeit, dass es eben auch von diesen imNormalfall nicht in ihrer Freizeit nebenbei zu schaffen wäre.

Dabei reicht für die Praxis den allermeisten Leuten  - auch wenn sie meckern - ein deutlich geringerer Vollendungsgrad (sagen wir pauschal "80%") um zu spielen - gerade als Spieler, der noch auf Schadensdämpfung durch einen hoffentlich guten SL hoffen kann.
Entsprechend niedrig liegt der Leidensdruck bzw. Anreiz irgendwem für die theoretisch vielleicht möglichen (und dabei stark nischenspezifischen und zielgruppenreduzierenden ) "95%" die dafür anfallenden Kosten zu bezahlen, also gibt es keinen Anreiz solche professionell anzubieten.

Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: CAA am 14.12.2019 | 12:05
Irgendwie freut es ich zu sehen, dass ich mit der Meinung dass es keine guten Systeme gibt, nicht alleine bin.


Ein "Entwicklertagebuch" wäre sehr cool, wo gelegentlich mal Fragmente, wie die Anforderungen, Überlegungen zu Statistik, etc pp veröffentlicht werden.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: tartex am 14.12.2019 | 12:06
Ich glaube, ich bin jetzt endlich soweit: bevor ich noch mehr Geld und Zeit in die nächste Frustration stecke, schreibe ich es vielleicht wirklich endlich selbst. Mal sehen, was meine Tischgruppe dazu sagt. Aber nerviger, zeit- und geldaufwändiger kann es eigentlich langsam nicht mehr werden.

Nach 45 Jahren mit schlechtem Regelwerken ist dann endlich eine Lösung in Sicht. ;D Ich würde aber vorschlagen du teilst das Regelwerk dann auch mit uns, damit wir von Beginn an Teil haben können.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: General Kong am 14.12.2019 | 12:06
Ein schlechtes Regelwerk ist für mich eins, das angegeben Genre und/ oder Spielstil nicht oder nicht gut (genug) abbildet (besser geht irgendwie immer ... okay, manchmal auch nicht) oder die Erwartungen der Spieler nicht erfüllt.

Dabei kann sich das SPiel verändern, wenn sich die Erwartungen der Spieler ändern.

So war D&D 4 KEIN gutes D&D: Ja, es hat seine Käufer gefunden und ohne den D&D-Aufkleber wäre es als "Advance! Against the Monsters!" oder so auch prima gewesen, aber die meisten Fans von D&D fanden es nicht gut. Daher der Siegeszig von Pathfinder.
D&D 4 IST ein gutes Spiel für alle, die gerne  Dungeonabenteuer wie am Computer nun aber mit Freunden am Tisch spielen wollen - und das meine ich GANZ positiv!

Palladium Fantasy
ist DAS Spiel für Fans von Palladium. Ansonsten ist das System totaler Schrott und wird auch nicht besser, wenn man es Megaverse-mäßig auch noch bei RIFTS, After the Bomb usw. vernudelt. Es bildet die Genre praktisch kaum ab, das Kmapfsystem hakt überall und man spiel es TROTZ des Regelwerks.

Cthulhu Dark ist DAS Spiel für puristischen Lovecraft-Horror und hat Charaktererschaffungs- und Kmapf- und Wahnsinnsegeln von der Länge einer doppletbeschriebenen Din-A-4 Seite. Wenn man wie LOvecraft-Protagonisten durch dei Gegend gruseln will auf der Suche nach dem kosmischen Bösen, um am Ende MIT GARANTIE zu sterben oder Wahnsinnig zu werden und unterdessen jedem Kmapf ausweicht, WEIL man dem UNTER GARANTIE verlieren wird: BINGO!
Alle anderen (nicht Horror-!) Lovecraft-Spielarten: Bitte weitergehen! Hier gibt es nichts zu sehen!

ICONS ist ein sehr gutes Superheldenrollenspiel, insbesondere für luet, die mal eben eine Charakterauswürfeln wollen umd dann ALS GRUPPE eine halbe Stunde später (okay, bei 4 Spielern mit Chipswerfen und Regelnerklären eine Stunde ..) schon Dr Evil auf die Nase hauen wollen.
Soll es eine wenig detaillierter sein - da sien Mutants & masterminds und Champiosn besser!

Ich kann das Gemecker einserseits gut verstehen, insbesondere wenn ich auf der SPIEL Leute an Ständen sehe, die mir ihr neuestes System vorstellen und ich mir schon nach kurzem (3 Minuten) drüberschauen denke:

Aha! "Cooler" Hintergrund, (häufig) ansprechende Grafik - aber  chon der Charakterbogen ist in seiner Detailliertheit völlig unangemessen, da es ja ein post-apokalytisches Action-Setting der Sonderdunkelheitsstufe sein soll.
Und dann kommt der Probenmechanismus und ich frage dann an, ob man denn nicht XXX kenne, das das wie folgt löse und mich Unverständnis mit leeren Augen anblickt.
Nicht, weil ich es wagen konnte das zu sagen, da man ja XXX kenne und vor allem auch XXX.1 und ZZZ.2, die aber blabla und blublu völlig falsch machen, weshalb man ja gerade den 3W12 minus 2W6-Mechanismus erfunden habe - DIE KENNEN NUR DREI SYSTEME! SACHKUNDE MANGELHAFT!

Tja, und dann spielt man den Mist nur mit der eigenen Gruppe und Hausregeln und viel Handwedeln Probe (wenn überhaupt) und heraus kommt so ein Monster aus der Lagune!
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Isegrim am 14.12.2019 | 12:08
Ist das echt zuviel verlangt, dass die ihren Job nicht nur künstlerisch ("Ich hab ja sooo viele coole Ideen"), sondern auch handwerklich beherrschen?

Man muss sich mal vorstellen, wir würden Haushaltsgegenstände so produzieren wie Rollenspiele.

Wenn es kein System gibt, was die gewünschten handwerklichen Qualitätsstandards aufweist, würde ich mal behaupten, es liegt daran, dass du dir schlicht etwas unmögliches wünschst. Das handwerklich gut gearbeitete perpetuum mobile, sozusagen...
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Achamanian am 14.12.2019 | 12:09
@Weltengeist: ich verstehe Dich ja sowas von gut. Ich habe über 25 Jahre gebraucht und tausende von Euros umgesetzt. Regelwerke gekauft, probegespielt, gesammelt, dann wieder verkauft und in einigen Fällen später noch einmal gekauft. Es ist unvernünftig, irrational und frustrierend, aber es passiert mir doch immer wieder. Ich habe aktuell noch nicht einmal eine regelmäßige Rollenspielrunde und mache dennoch genauso weiter. Irgendwas fehlt immer. Irgendwas macht das andere System besser. Irgendwas könnte man mit dem neuen Regelwerk ja noch viel besser bespielen als mit dem alten...


Genau so ist es bei mir ...
Und ich merke auch immer, dass ich teilweise absurd empfindlich bin, wenn mir ein Detail auf Regelebene nicht passt. Wenn ein System die "falsche" Haltung zum Thema NSC-Reaktionswürfe vermittelt (indem es z.B. soziale Konflikte mit runterwürfelbaren Hitpoints anbietet, so eine aktuelle Mode, die mir sehr missfällt), dann ist es plötzlich unten durch bei mir - obwohl man so was so leicht weglassen/anpassen kann. Da komme ich irgendwie im Gedanken mittlerweile viel zu wenig von der Spielpraxis her und viel zu sehr von der Suche nach dem "wahren System", in dem alles gut ist.
Gerade setze ich übrigens auch ein paar Hoffnungen in Cthulhu 7 ...
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: tartex am 14.12.2019 | 12:11
Tja, Spieler wollen halt weniger perfekte Regelwerke kaufen, als Versprechen von großartigen Spielesessions.

Das Regelwerk kann noch so toll sein, wenn es nicht inspiriert oder gar langweilt, wird es keiner spielen. Ausnahme: die ansprechende Präsentation findet statt in den Seiten des Buches durch einen begeisternden Designer statt, der vor dir auf- und abspringt.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Derjayger am 14.12.2019 | 12:14
Hm, was wäre denn, wenn man die Unzufriedenheit als Rocket Fuel nimmt, um sein Lieblingssystem aufzubohren und den Entwicklern konkrete Verbesserungen anzubieten?
Ich war damals total inspiriert von NickNack, der "einfach mal" seine DSA Erzählregeln rausgehauen hat.

Ist natürlich etwas doof, weil man Geld für ein Regelwerk bezahlt hat, um direkt losspielen zu können, aber da es offenbar kein entsprechendes Angebot gibt, kann man das wohl nicht erwarten.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: tartex am 14.12.2019 | 12:19
total inspiriert von NickNack, der "einfach mal" seine DSA Erzählregeln rausgehauen hat.

Also "seine Erzählregeln" sind Dungeon World mit W20 statt 2W6 und einer dünnen Schicht Aventurien drüber. Aber es ist auf jeden Fall eine umfangreiche Dungeon-World-Mod.  :)

Nachtrag, weil ich nicht den Thread zumüllen will: ich will damit nicht seine Leistung schmälern. Ich bin ein großer Fan der Modkultur. Ich wollte nur sagen, es ist eher Dungeon-World-Mod als ein DSA-Mod. Das kam im ursprünglichen Posting nicht so raus.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Derjayger am 14.12.2019 | 12:20
Also "seine Erzählregeln" sind Dungeon World mit W20 statt 2W6 und einer dünnen Schicht Aventurien drüber. Aber es ist auf jeden Fall eine umfangreiche Dungeon-World-Mod.  :)

Soll das jetzt seine Leistung irgendwie schmälern? Was haben denn die anderen hier anzubieten außer Gemecker? :P

[edit als Antwort auf tartex' edit] Ok, sorry, da war ich voreilig!
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Lord Verminaard am 14.12.2019 | 12:24
Ja, Qualität ist schwer zu finden. Das gilt in gleicher Weise auch für Kaufabenteuer. I blame Kickstarter! ;D

Ein paar Indies machen es gut, aber bei so einem eng fokussierten, kleinen Spielchen ist es halt auch viel einfacher, als bei einem "richtigen" Rollenspiel. ;)

Das Spiel, das in Sachen Qualität Maßstäbe setzt, ist D&D5. Wie präzise die Regeln formuliert sind, wie gut präsentiert und strukturiert, wie reflektiert und sprachlich sauber die Texte, wie komplett und elegant das Design... man muss halt das wollen, was es bietet (Nur-diese-Klasse-Features hat es reichlich), aber in Sachen Qualität ist es dem typischen hingefrickelten Kickstarter-Regelwerk um Lichtjahre voraus.

Edit: P.S.: Hatte letztes Jahr mal ein altes Hârnmaster-Quellenbuch in der Hand, da fand ich es auch extrem auffällig, wie viel Substanz das hatte im Vergleich zu dem üblichen Rumgeschwafel heute.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Vash the stampede am 14.12.2019 | 12:40
@Vermi und DnD 5. Aber das Layout hilft nicht immer. Wir haben noch immer Blocksatz, ohne zielgerichtete Hervorhebung. Ich muss nachwievor den gesamten Block/Absatz überfliegen, um zum Ziel zu kommen.

@Thread. Ich mag den Programmieransatz, würde ihn aber gerne um ein paar Aspekte ergänzen:
- Anpassungen/Module/Optionale Erweiterungen (z.B. Add-ons, Opt In)
- Veränderungen/Hacks/Mods
- Schnittstellen/Andockoptionen (aka API)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Der Läuterer am 14.12.2019 | 12:41
Ich kann Deinen Frust voll und ganz nachvollziehen.

Und mal ehrlich; neue Regelsysteme braucht bereits seit den 90ern niemand mehr.

Aber sie finden ihre Käufer, weil sie hübsch ansprechend aufgemacht sind, tolle Bilder haben und weil sie jedem Käufer vorgaukeln, man könnte damit am Tisch, das in Büchern gelesene oder in Filmen gesehene, 1:1 übertragen und nachspielen.
Doch damit verarscht sich der Käufer regelmässig selbst.

Primär kaufen Du und ich schliesslich nur das Artwork und nicht das Regelwerk. Und je lückenhafter und fehlerhafter, desto schneller kann man als Verlag mit Erweiterungen und aufgefrischten Editionen erneut die Kohle abgreifen.

Ich stehe persönlich auf schlanke Regelwerke ohne jeden Firlefanz, der ja besonders gerne bei den Kämpfen zum Tragen kommt.
Realistisch betrachtet dauert ein Kampf zw. 0815 Leuten, die nicht kämpfen können, viel viel länger als bei kamferprobten Profis. Interessanterweise ist das im RPG genau andersrum.
Entweder kratzt man mühsam einen HP nach dem anderen runter, oder man hofft auf einen eigenen kritischen Angriff, der dann vielleicht nicht gleichzeitig kritisch pariert wird.

Will ich etwas Einfaches, dann wird es grob aber schnell sein. Soll es dagegen detailliert und 'realistisch' werden, dann wird es kompliziert und unhandlich, mit viel Regelwerk Herumgeblättere, vonstatten gehen.

Prinzipiell ist es m.M.n. wichtig, ein schlankes System zu finden, das einem generell zusagt, um dann selbst an einigen Schrauben und Schräubchen zu drehen.

Man hat doch eigentlich immer nur die Wahl zw. zwei Extremen.
Will ich z.B. schnelle Kämpfe? Oder will ich doch lieber Kämpfe mit möglichst vielen Varianten und Modifikationen.
Beschreibe ich detailliert das, was ich tue? Oder benutze ich dazu lieber viele Tabellen mit Boni und Mali?

Was bleibt ist immer die Frage nach dem eigenen Geschmack und in gewisser Weise auch ein Achselzucken.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: YY am 14.12.2019 | 12:46
(1) keine Ahnung von Wahrscheinlichkeiten hat,

wer hat das schon? Treffer- und (Ausweich/Schild/Waffen)Parade im echten Blankwaffenkampf? Trefferwahrscheinlichkeiten von Massenware Pfeilen und Naturholzbogen im laufenden Waldlichtungsgefecht?

Das ist mindestens einen Schritt zu weit im Detail.

Die Probleme fangen ja schon vorher an, wenn z.B. ein Poolsystem wilde Behauptungen aufstellt, was irgendein Fertigkeitswert bedeuten soll und man dann schon beim groben Überschlagen merkt, dass etwa ein Unterschied von zwei Fertigkeitspunkten so gut wie nichts ausmacht, einem aber als Unterschied zwischen Anfänger und angehendem Großmeister verkauft wird.

Irgendwie ist das doch auch ein lustiges Henne und Ei - Problem. Was war zuerst da? Die hiesige DSA-Regelkultur oder die hiesige Handwedelei-Kultur?

Ich behaupte zumindest:
Ohne die schon bei DSA3 recht breit etablierte Handwedel- und Regelignorier-Kultur wäre DSA4 krachend gescheitert.
Das ganze Ding hat doch durchgehend davon gelebt, dass man große Teile des Regelwerks einfach ignoriert.


Letztens habe ich mir noch gedacht, Mensch mit 12 haben die Spiele mehr Spaß gemacht. Als ich drüber nachgedacht habe, ist mir aufgefallen warum.
Wir haben uns damals einfach keine Gedanken gemacht, die Systeme nicht nach jedem Kleinscheiss hinterfragt, es hat entweder gefühlt Spaß gemacht, oder eben nicht.

Und genau um das "oder eben nicht" gehts.
Wer Spaß hat, braucht ja auch keinen Problemlösungsapparat anwerfen.

Aber mit einer etwas bewussteren (nicht: wissenschaftlicheren) Herangehensweise habe ich es über die Jahre ein paar mal recht erfolgreich geschafft, ein "oder eben nicht" zu vermeiden.
Und das waren zu einem recht ansehnlichen Anteil Sachen im Stile "Angel Summoner and BMX Bandit", die teils beiden (!) betroffenen Seiten den Spaß an der Sache genommen haben und einzig auf schlecht durchdachte Regeln zurückzuführen waren.


Ist das echt zuviel verlangt, dass die ihren Job nicht nur künstlerisch ("Ich hab ja sooo viele coole Ideen"), sondern auch handwerklich beherrschen?

Das ist doch überall und in allen Kontexten so - der Großteil ist bestenfalls ok und man wurstelt damit irgendwie herum, und der richtig gute Kram bzw. die guten Leute werden dann auch noch oft genug verkannt oder sind aus völlig anderen Gründen nicht bekannt bzw. erfolgreich.

Wie ich so oft feststelle: Die handwerkliche Qualität des Regelwerks ist kein zentraler Erfolgsfaktor für ein Rollenspiel und dementsprechend lässt sich auch umgekehrt vom Erfolg nicht auf die Qualität des Regelwerks schließen.

Jeder, der ein "richtiges" Rollenspiel schreiben könnte, kann in einem anderen Job erheblich mehr als das bisschen verdienen, was mit Rollenspiel zu verdienen wäre. Aber zu "richtig" gehört auchnoch so viel Arbeit, dass es eben auch von diesen imNormalfall nicht in ihrer Freizeit nebenbei zu schaffen wäre.

Joah, so ist das auch etwas verkürzt.
Der Vorteil des modernen, nicht oder "halb" kommerziellen Bereichs ist es ja gerade, dass man sich ab Punkt X an eine breitere Öffentlichkeit* wenden und sich da Input holen kann.

Wenn man eine solide Grundlage schafft, können das durchaus auch andere hobbymäßig fertigstellen, aufpolieren und sonstwie die letzten 15% leisten. Oder sagen wir 10% und 5% verbleiben dann doch beim SL.

Je nach Sektor darf man auch den Aufwand nicht überbewerten - manch ein Indie-Rollenspiel braucht nur die spielmechanische Grundidee und ist in wenigen Stunden grundsätzlich spielfertig, wenn auch noch nicht 100% sauber formuliert und hübsch aufbereitet. 

Heute ein großes, konventionelles System zu erstellen, ist natürlich eine recht große Fleißarbeit. Aber es ist nicht so, dass es das nicht (mehr) gäbe.
Und gerüchteweise machen Leute ja auch mal Sachen hauptsächlich deswegen, weil sie ihnen Spaß machen ;)


*Wobei man das nicht als riesige Massen verstehen braucht oder sollte. Aber es ist einfach unbezahlbar, wenn man die paar richtigen Anstöße bekommt und das geht außerhalb des eigenen Bekanntenkreises nur, wenn man viele Leute erreicht.
Filtern muss man dann natürlich immer noch selbst, aber das geht sowohl im Vorfeld durch klare Kommunikation, was man erreichen will, als auch im Nachgang bei den aufgelaufenen Anregungen.

Ich habe z.B. hier auch schon Basteleien oder recht abstrakte Gedanken reingestellt, die von hunderten Leuten gelesen wurden und wo ich am Ende von einer kleinen Handvoll, teils von einer einzigen Person, den richtigen Impuls bekommen habe.

Wenn es kein System gibt, was die gewünschten handwerklichen Qualitätsstandards aufweist, würde ich mal behaupten, es liegt daran, dass du dir schlicht etwas unmögliches wünschst. Das handwerklich gut gearbeitete perpetuum mobile, sozusagen...

Hm...wenn ich mal auf eins meiner anderen Hobbies schaue, stelle ich schon fest: Das "perfekte" Produkt gibt es da auch nicht, auch wenn einige sehr nahe dran kommen.
Theoretisch wäre es kein Problem, die letzten paar Problemchen zu beseitigen, aber daran besteht kein Interesse, weil z.B. die Problemwahrnehmung des Herstellers und meine deutlich auseinander gehen. Oder es gibt taugliche Lösungen von Drittherstellern (die dann quasi das Gegenstück zu Hausregeln sind).

Und oft genug gibt es hier und da bessere Produkte, die aber gegen die etablierten Hersteller und die über Jahrzehnte gewachsenen Zuliefererstrukturen in Sachen Zubehör kein Land sehen - auch das wieder analog zum Rollenspiel.

Es gibt selbst für eine meiner eher exotischen Nischen im Rollenspiel ein paar Systeme, denen "nur" ein paar Jahre mehr Laufzeit und eine aufgeräumte zweite Edition gefehlt hätten, um ein richtig rundes Ding zu werden. Hat nicht sein sollen, aber unmöglich oder undenkbar ist das beileibe nicht.


Das Spiel, das in Sachen Qualität Maßstäbe setzt, ist D&D5. Wie präzise die Regeln formuliert sind, wie gut präsentiert und strukturiert, wie reflektiert und sprachlich sauber die Texte, wie komplett und elegant das Design...

Das nehme ich deutlich anders wahr, aber da geht es dann auch schnell um Lese- und Denkgewohnheiten usw.
Ärgerlich wird das nur da, wo man sich mit dem Autor voll auf einer Linie wähnt, alles total klar scheint und man Jahre später im direkten Kontakt oder über wenige Ecken erfährt, dass das komplett anders gemeint war.


Ich kann aber nur gebetsmühlenartig wiederholen - auch in Bezug auf deine Hârnmaster-Anmerkung:
Es gibt keinen flächendeckenden Fortschritt bei diesen Dingen. 
Da muss man die richtigen Leute ihr Ding machen lassen und am Ende im richtigen Maß nachkorrigieren und aufpolieren.
Das kann heute genau so klappen oder schiefgehen wie vor 30 oder 40 Jahren und hängt nur zu einem verschwindend geringen Teil an irgendwelchen technischen Rahmenbedingungen.


Ich glaube, ich bin jetzt endlich soweit: bevor ich noch mehr Geld und Zeit in die nächste Frustration stecke, schreibe ich es vielleicht wirklich endlich selbst. Mal sehen, was meine Tischgruppe dazu sagt. Aber nerviger, zeit- und geldaufwändiger kann es eigentlich langsam nicht mehr werden.

Willst du komplett selbst erstellen oder nimmst du eine weitgehend genehme Grundlage?
Anpassen ist ja selbst bei größeren Umbauten meist leichter als komplett neu zu machen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: 1of3 am 14.12.2019 | 12:58
Und mal ehrlich; neue Regelsysteme braucht bereits seit den 90ern niemand mehr.

Doch. Ich bitte. Danke sehr.

Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: JS am 14.12.2019 | 13:03
Ich ebenso. Einige meiner liebsten Favoriten kamen erst in den letzten Jahren heraus.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Vash the stampede am 14.12.2019 | 13:03
Doch. Ich bitte. Danke sehr.

Ich sekundiere dies.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Huhn am 14.12.2019 | 13:10
Weltengeist hat den Beweis erbracht: Es macht schlechte Laune, sich zu lange mit Regeln zu behängen.  ~;D
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: nobody@home am 14.12.2019 | 13:13
Also, ich zumindest habe "mein" System einstweilen(*) gefunden. Das ist allerdings auch nicht mit einem einzigen Donnerschlag perfekt vom Himmel gefallen, sondern hat ein paar Versionen gebraucht, bis es endlich "klick" gemacht hat -- und einige der Vorgänger hatten dabei durchaus auch ihre handwerklichen Probleme in Sachen z.B. "okay, was ist jetzt mehr Kern- und was Zusatzregel?" oder eben mal wieder Layout. Ich kann also den einen oder anderen Kritikpunkt selbst da noch locker nachvollziehen. ;)

(*) Und ja, im Prinzip kann es eines Tages wieder von einem anderen abgelöst werden; das wäre nicht das erste Mal. Einstweilen sehe ich einfach nur keinen neuen Herausforderer, wenn sich nicht gerade mein Spielgeschmack noch einmal radikal ändern sollte.

Ich kaufe trotzdem noch mit einiger Regelmäßigkeit auch mal andere Regelbücher. Das sind dann allerdings mehr Neugierkäufe von "kleinen" Produkten, die im Regal (oft, wen wundert's, bei den ganz neu hereingekommenen Sachen) ansprechend aussehen und von denen ich vielleicht auch ohne Wechselabsicht einfach nur mal wissen möchte, wie sie ihre Ideen ihrerseits umgesetzt haben; die große Investition in ein komplettes "neues" Mainstream-Mammutregelmonster ist im Moment dagegen einfach nicht mehr so meins.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Der Läuterer am 14.12.2019 | 13:25
Doch. Ich bitte. Danke sehr.
Da geht es mir genau andersrum.
Ich habe mit den alten Systemen nach wie vor mehr Spass.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 14.12.2019 | 13:28
Wenn es kein System gibt, was die gewünschten handwerklichen Qualitätsstandards aufweist, würde ich mal behaupten, es liegt daran, dass du dir schlicht etwas unmögliches wünschst. Das handwerklich gut gearbeitete perpetuum mobile, sozusagen...

Ich habe (glaube ich) nirgends gesagt, dass es die gar nicht gibt. D&D 5E wurde hier als Beispiel schon genannt - das weiß, was es will, und setzt es ziemlich elegant und präzise um. Da habe sogar ich kaum noch was zu meckern. Das Splittermond-GRW war ähnlich elegant entworfen. Leider passen beide mit ihren haufenweise Traits/Feats/Stärken/Meisterschaften und ihrer stark taktischen Ausrichtung nicht in meinen präferierten Spielstil, aber sie sind Beispiele dafür, dass das, was ich mir da wünsche, durchaus möglich ist.

Die Probleme fangen ja schon vorher an, wenn z.B. ein Poolsystem wilde Behauptungen aufstellt, was irgendein Fertigkeitswert bedeuten soll und man dann schon beim groben Überschlagen merkt, dass etwa ein Unterschied von zwei Fertigkeitspunkten so gut wie nichts ausmacht, einem aber als Unterschied zwischen Anfänger und angehendem Großmeister verkauft wird.

Wie ich neulich schon mal in anderem Zusammenhang schrieb: Der YY versteht mich! :d

Das ist sogar ein ziemlich häufiger Punkt: Die Autoren wissen schlicht selbst nicht, was ein Spielwert in ihrem System eigentlich bedeuten soll. Das geht schon da los, wo bei der Charaktererschaffung steht: "Sie können ihre acht Attribute entweder jeweils mit 3W6 auswürfeln oder einfach 84 Punkte frei auf die Attribute verteilen". Wer so etwas macht, der sagt im Grunde nur: Diese Werte sind eigentlich scheißegal, Hauptsache da steht halt irgendeine Zahl.

Und das geht dann gerne überall im System weiter. Da wird einfach nach Gutdünken mit Schwierigkeiten, Boni, Mali, Bonuswürfeln und was weiß ich um sich geschmissen, bis keiner mehr das Gesamtergebnis überblickt und man eigentlich auch hätte sagen können: "Der Spielleiter sagt eine Zahl an - würfel mit W10 und schau, ob das Ergebnis höher ist." Der Grund, warum man das nicht macht, sondern Spielwerte verwendet, ist ja eigentlich, um zu wissen, was die Figur kann. Wenn die Verteilung und Bedeutung der Spielwerte dann aber irgendwie beliebig wird, kann man es eigentlich auch lassen.

Weltengeist hat den Beweis erbracht: Es macht schlechte Laune, sich zu lange mit Regeln zu behängen.  ~;D

Bei mir: Definitiv. Ich mag eigentlich keine Regeln; die Beschäftigung mit den Regeln ist der Preis, den ich für das Hobby zahle. Und gerade deshalb werde ich so sauer, wenn ich dann zum x-ten Mal feststellen muss, dass ich schon wieder Stunden meiner kostbaren Lebenszeit damit verschwendet habe, ein Regelwerk zu lesen, das von Amateuren für Hausregel-Fans geschrieben worden ist und das für mich am Spieltisch nicht funktionieren würde.

Zitat
Willst du komplett selbst erstellen oder nimmst du eine weitgehend genehme Grundlage?
Anpassen ist ja selbst bei größeren Umbauten meist leichter als komplett neu zu machen.

Ich würde das schon von Grund auf neu aufbauen, aber natürlich klauen wie ein Rabe (für irgendwas muss das ganze Regelstudium der letzten Jahre ja auch gut sein ;)). Von daher gäbe es sicherlich weitreichende Ähnlichkeiten zu existierenden Sachen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: tartex am 14.12.2019 | 13:33
Das ist sogar ein ziemlich häufiger Punkt: Die Autoren wissen schlicht selbst nicht, was ein Spielwert in ihrem System eigentlich bedeuten soll. Das geht schon da los, wo bei der Charaktererschaffung steht: "Sie können ihre acht Attribute entweder jeweils mit 3W6 auswürfeln oder einfach 84 Punkte frei auf die Attribute verteilen". Wer so etwas macht, der sagt im Grunde nur: Diese Werte sind eigentlich scheißegal, Hauptsache da steht halt irgendeine Zahl

Naja, ich denke die Autoren denken halt nicht rein von der Regelseite darüber nach, sondern auch von der Marketing- und Zielgruppenseite. Sie müssen verschiedenen potentiellen Kunden unterschiedliches anbieten. D&D5 dürfte da ja das Paradebeispiel sein. Es ist ja fast ein Post-Mortem fürs Scheitern der vierten Edition.

Die großen monolithischen Systeme müssen einfach eierlegende Wollmilchsäue sein, wenn sie ihren Marktanteil behalten wollen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Jiba am 14.12.2019 | 13:35
Ich habe inzwischen auch meinen Frieden gemacht: Ich komme mit "Der Eine Ring" klar, ich komme mit "Fate" klar, ich komme mit "pbtA" klar (von all den dreien sogar am Besten, aber da fehlt mir einfach ein echter Hacking Guide, eine Art Toolkit wie bei Fate, das den mechanischen Schnickschnack aller PbtA-Spiele, die Designphilosophien dahinter, etc. bündelt und gegenüberstellt, sodass das Konvertieren auf dieses System ein wenig leichter wird, als es aktuell ist.)

Alles andere kann mir so ziemlich gestohlen bleiben. Das Zeugs unterstützt meinen Spielstil. Wenn in die Richtung Innovationen kommen, schau ich mal rein, aber dicke Regelbücher durchzuackern... da ist mir meine Zeit inzwischen auch zu schade für. Ich muss dem Threadsteller insofern auch Recht geben, dass die Leute Regelwerke wegen des Artworks kaufen... aber das ist glaube ich nicht alles.

Ich glaube, ganz viele Rollenspieler (die Mehrheit vielleicht sogar?) kaufen Rollenspiele wegen dem, was das Setting verspricht (eben unterstützt vom Artwork, das ja auch dieses Setting repräsentiert). Wenn man nämlich seinen Spielstil gefunden hat (und wir haben hier ja schon Stimmen gehört, die sagen: "Joah, Ubiquity ist das Beste." Oder "Joah, PbtA ist das Beste." Oder "Joah, Savage Worlds ist das Beste." etc.), dann glaube ich findet man schon etwas, was gut genug funktioniert um damit am Spieltisch die mechanische Seite abzuhandeln. Aber das mag nicht unbedingt für alle Spiele gelten.

Wo ich meinen Vorpostern Recht gebe: Didaktisch gesehen haben viele Regelwerke noch eine Menge Verbesserungspotenzial. Die Präsentation der Regeln, die Wahl der Beispiele, die Nutzbarkeit der Bücher (heck, braucht man überhaupt noch "Regelbücher" heute? Ich weiß inzwischen das Prinzip "Regelheft" oder sogar "Regelkarten, die auf dem Tisch liegen" viel mehr zu würdigen als Bücher, die dann bitte Cover-to-Cover gelesen werden sollen. 

Und mit den Regelwerken hört es nicht auf: Warum Abenteuer zum Beispiel in Buchform und nicht in Box-Form mit einzelnen Heften und vielen Handouts erscheinen oder gleich z.B. als Szenen- oder Encounterbaukästen, ist mir ein absolutes Rätsel.

Ich glaube, wenn die Rollenspielszene lernen würde, wie sie ihre Regeln leicht referenzierbar (für alle am Tisch) und leicht vermittelbar macht, wäre schon viel gewonnen.

Hatte letztes Jahr mal ein altes Hârnmaster-Quellenbuch in der Hand, da fand ich es auch extrem auffällig, wie viel Substanz das hatte im Vergleich zu dem üblichen Rumgeschwafel heute.

Höre ich jetzt in Bezug auf Hârnmaster nicht zum ersten Mal. Hast du ein Beispiel dafür, was du mit Substanz meinst?

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Maarzan am 14.12.2019 | 13:51
Naja, ich denke die Autoren denken halt nicht rein von der Regelseite darüber nach, sondern auch von der Marketing- und Zielgruppenseite. Sie müssen verschiedenen potentiellen Kunden unterschiedliches anbieten. D&D5 dürfte da ja das Paradebeispiel sein. Es ist ja fast ein Post-Mortem fürs Scheitern der vierten Edition.

Die großen monolithischen Systeme müssen einfach eierlegende Wollmilchsäue sein, wenn sie ihren Marktanteil behalten wollen.

Der Knackpunkt wäre da ja nicht, dass es wie im Beispiel zwei Systeme gibt, sondern dass diese zwei Systeme ungewarnt deutlich andere Figuren erzeugen werden.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Samael am 14.12.2019 | 13:51
Ich mache da schon lange nicht mehr mit. Ich nehme das, was für mich halbwegs funktioniert (w100 Systeme wie Warhammer oder CoC oder reduzierte D&D likes (nicht 3 & 4 Edition) und den Rest fasse ich nicht an.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Tegres am 14.12.2019 | 13:56
Ich mache da schon lange nicht mehr mit. Ich nehme das, was für mich halbwegs funktioniert (w100 Systeme wie Warhammer oder CoC oder reduzierte D&D likes (nicht 3 & 4 Edition) und den Rest fasse ich nicht an.
Geht mir im Prinzip genauso. Ich schnuppere gerne mal in etwas anderes rein, wie Fate oder pbtA, aber W100-Systeme und OSR-Systeme sind einfach robust und funktionieren.

Ich denke, ein Grundproblem ist auch das Spieltesten. Bei einem Riesensystem wie D&D5e kann das ohne Probleme in ausreichendem Maße gemacht werden, aber bei kleineren Systemen muss da wirkich der Wille der Designer da sein.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Achamanian am 14.12.2019 | 13:57

Ich würde das schon von Grund auf neu aufbauen, aber natürlich klauen wie ein Rabe (für irgendwas muss das ganze Regelstudium der letzten Jahre ja auch gut sein ;)). Von daher gäbe es sicherlich weitreichende Ähnlichkeiten zu existierenden Sachen.

Okay, ich hätte dann gerne, dass du mir was Hübsches aus AGE (Glockenkurve, roll-over, vielleicht sogar die Stunt-Grundidee, aber bitte sinnvoll verallgemeinerbar ausgeführt), irgendwelchen BRPs (Nicht-ansteigende HP, keine Feats - was du Cooles kannst, ist bereits Teil deiner Skills/Professionen!), Ansätzern aus D&D5 bzw. Barbarians of Lemuria (Professionen als/statt Skills) und vielleicht sogar Ubiquity zusammenstellst. Und natürlich ohne Gummipunkte (bzw. nur mit optionalen Gummipunkten). Leichten bis mäßigen Abweichungen von diesen Vorgaben begegne ich selbstverständlich tolerant.
Danke schön!
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: General Kong am 14.12.2019 | 13:57

Wo ich meinen Vorpostern Recht gebe: Didaktisch gesehen haben viele Regelwerke noch eine Menge Verbesserungspotenzial. Die Präsentation der Regeln, die Wahl der Beispiele, die Nutzbarkeit der Bücher (heck, braucht man überhaupt noch "Regelbücher" heute? Ich weiß inzwischen das Prinzip "Regelheft" oder sogar "Regelkarten, die auf dem Tisch liegen" viel mehr zu würdigen als Bücher, die dann bitte Cover-to-Cover gelesen werden sollen. 

Und mit den Regelwerken hört es nicht auf: Warum Abenteuer zum Beispiel in Buchform und nicht in Box-Form mit einzelnen Heften und vielen Handouts erscheinen oder gleich z.B. als Szenen- oder Encounterbaukästen, ist mir ein absolutes Rätsel.


Ich habe bis jetzt noch keinen Einsteigerbox gesehen, die es auch nur entfernt mit Mentzrers roter D&D-Kiste aufnehmen konnte:
1) Eine Einsteigergeschichte, um den Totalanfänger ins einen Bann zu ziehen, in dem die Charaktererschaffung kleinschrittig, übersichtlich und spannend erzählt wird.
2) Ein erstes programmiertes Abenteuer mit drei, vier Entscheidungsmöglichkeiten und ganz wneig Regeln.
3) Ein kleines Solo-Abenteuer mit Wiederspielwert!
4) Dann die Erläuterungen zu den Charakterklassen und Regeln - jetz ein Klacks, den das Gerüst steht schon!

Für den SL:
1) Hilfestellung zum Abenteuerkonzipieren und -leiten (mit Kartenlegendenelementen!)
2) Ein Gruppenabenteuer, das
a) mit programmierten Vorlesetexten und Hinweisen beginnt, die dann
b) im laufe des Abenteuers immer geringer werden und dann
c) in bloßen Raumbeschreibungen enden - denn nun weiß man wie es geht!
3) Der zweite Verlieslevel liegt nur noch als Plan vor mit Hinweisen zu verwendbaren Monster.
4) Den letzten Level muss man selber machen.
5) Dann Monster und Schätze und Optionalregel.

Das Ganze in zwei Heften zu 64 und 56 Seiten und so geschrieben, dass ich als 13jähriger Rollenspielneuling ohen Kontakt zu einem Erklärbären das meinen Freunden (auch 12 oder 13 Jahre) erkären, wir Charakter machen und noch am selben Tag spielen konnten!

DAS IST ROLLENSPIELDIDAKTIK!
DAS IST MACHT!
DIE MACHT UND DIE KRAFT DES GEISTES!

(frei nach Thulsa Doom)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Achamanian am 14.12.2019 | 14:01
Der Knackpunkt wäre da ja nicht, dass es wie im Beispiel zwei Systeme gibt, sondern dass diese zwei Systeme ungewarnt deutlich andere Figuren erzeugen werden.

Wobei - wenn das Beispiel hier Mythras ist, dann sind die Eigenschaftswerte, die erwürfelt/erkauft werden, in vieler Hinsicht so weit im Hintergrund und in ihrer Wirkung so ausgewogen (zumindest, wenn man nicht rein kampfzentriert spielt, dann geht alles im DEX/INT und die Aktionspunkte, die diese liefern), dass es WIRKLICH nicht so wichtig ist, wie die genau aussehen. Aber klar, mit der Auswürfelmethode kann man natürlich positiv- oder negativ-Extreme herausbekommen. Der Trick ist halt, dass bei manchen Systemen solche Balancing-Fragen wirklich nicht so relevant sind, weil sie so swingy sind, dass auch bei fehlender Balance für alle viel drin ist.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 14.12.2019 | 14:08
Okay, ich hätte dann gerne, dass du mir was Hübsches aus AGE (Glockenkurve, roll-over, vielleicht sogar die Stunt-Grundidee, aber bitte sinnvoll verallgemeinerbar ausgeführt), irgendwelchen BRPs (Nicht-ansteigende HP, keine Feats - was du Cooles kannst, ist bereits Teil deiner Skills/Professionen!), Ansätzern aus D&D5 bzw. Barbarians of Lemuria (Professionen als/statt Skills) und vielleicht sogar Ubiquity zusammenstellst. Und natürlich ohne Gummipunkte (bzw. nur mit optionalen Gummipunkten). Leichten bis mäßigen Abweichungen von diesen Vorgaben begegne ich selbstverständlich tolerant.
Danke schön!

Also vier von den fünf Wünschen wären tatsächlich drin ;).

Aber dazu mehr an anderer Stelle. Wie gesagt: Als erstes würde ich mal die Designziele aufschreiben wollen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: T.F. am 14.12.2019 | 14:42
Ich habe bis jetzt noch keinen Einsteigerbox gesehen, die es auch nur entfernt mit Mentzrers roter D&D-Kiste aufnehmen konnte:
1) Eine Einsteigergeschichte, um den Totalanfänger ins einen Bann zu ziehen, in dem die Charaktererschaffung kleinschrittig, übersichtlich und spannend erzählt wird.
2) Ein erstes programmiertes Abenteuer mit drei, vier Entscheidungsmöglichkeiten und ganz wneig Regeln.
3) Ein kleines Solo-Abenteuer mit Wiederspielwert!
4) Dann die Erläuterungen zu den Charakterklassen und Regeln - jetz ein Klacks, den das Gerüst steht schon!

Für den SL:
1) Hilfestellung zum Abenteuerkonzipieren und -leiten (mit Kartenlegendenelementen!)
2) Ein Gruppenabenteuer, das
a) mit programmierten Vorlesetexten und Hinweisen beginnt, die dann
b) im laufe des Abenteuers immer geringer werden und dann
c) in bloßen Raumbeschreibungen enden - denn nun weiß man wie es geht!
3) Der zweite Verlieslevel liegt nur noch als Plan vor mit Hinweisen zu verwendbaren Monster.
4) Den letzten Level muss man selber machen.
5) Dann Monster und Schätze und Optionalregel.

Das Ganze in zwei Heften zu 64 und 56 Seiten und so geschrieben, dass ich als 13jähriger Rollenspielneuling ohen Kontakt zu einem Erklärbären das meinen Freunden (auch 12 oder 13 Jahre) erkären, wir Charakter machen und noch am selben Tag spielen konnten!

DAS IST ROLLENSPIELDIDAKTIK!
DAS IST MACHT!
DIE MACHT UND DIE KRAFT DES GEISTES!

(frei nach Thulsa Doom)

Die ABOREA-Box, auch wenn es keine reine Einsteigerbox ist (im Gegensatz zur roten Box), erfüllt diese Kriterien im Grunde. Ob man nun die eine oder andere Box besser findet, ist natürlich rein subjektiv.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: unicum am 14.12.2019 | 15:05
So, jetzt ist es also endlich soweit - ich habe die Schnauze voll.

Ich wünsche Dir Ruhe und Kraft und inneren Seelenfrieden.
Auf der Suche nach dem perfekten Rollenspiel für dich wirst du es brauchen.
Oder die Weisheit zu erkennen das es das perfekte Rollenspiel nicht geben kann.

Weil - Man ändert sich im laufe des Lebens,... und so müsste sich auch das Regelwerk des perfekten Rollenspieles mit der Zeit ändern :)

So genug Philosophiert für heut, gestern die Warhammer 4ed Runde hat voll laune gemacht. Auch wenn ich das System nicht gar so doll finde. Manchmal liegt es eben an all dem anderen drumrum - die Spieler, der SL, der Plot, die Welt, ... und die Tatsache das ich gewürfelt habe wie ein junger Gott :)



ps: Ich kenne ein System wo ein Professor für Mathematik dahintersteht   ;D
Perfekt ist es aber auch nicht.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 14.12.2019 | 15:22
Ich wünsche Dir Ruhe und Kraft und inneren Seelenfrieden.
Auf der Suche nach dem perfekten Rollenspiel für dich wirst du es brauchen.
Oder die Weisheit zu erkennen das es das perfekte Rollenspiel nicht geben kann.

Es geht doch gar nicht um "das perfekte Rollenspiel"... ::)

Um bei dem Beispiel von oben zu bleiben: Zwischen "Ich will einen Stuhl, der nicht kippelt, der nicht sofort auseinanderbricht, wenn sich jemand mit mehr als 90 Kilo draufsetzt, und den ich nicht alle Naselang reparieren muss" und "Ich will den perfekten Stuhl" liegen doch Welten.

Zitat
ps: Ich kenne ein System wo ein Professor für Mathematik dahintersteht   ;D
Perfekt ist es aber auch nicht.

Ich weiß, ich kenne dieses System auch, und zwar seit mittlerweile über 30 Jahren. Und ich habe da so einen Verdacht, dass es entgegen dem äußeren Anschein tatsächlich das tut, was JEF gerne will - nur kommuniziert es diese Designziele nicht sonderlich klar. Ich könnte da noch deutlich mehr zu schreiben, aber das würde zu weit vom Thema wegführen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Blizzard am 14.12.2019 | 15:38
@Weltengeist: Ich kann deinen Frust & Ärger schon nachvollziehen. Mir ging bzw. geht es ähnlich. Von dem ausgehend, was du da so schreibst bzw. kritisierst in Puncto Regelwerk(e), haben wir, glaube ich, ähnliche Ansichten, was den "Gusto" anbelangt. Vor allen Dingen sehe ich da recht viele Gemeinsamkeiten in Bezug auf Splittermond- aber das nur so nebenbei. Auch wenn ich die Regelwerke wohl weitaus weniger aus der Sicht eines Informatikers betrachte wie du.

Ich bin ja auch schon lange nach der Suche nach einem Regelwerk, das ich durchlese und sage: "boah super. Das ist a)einfach zu verstehen / zu erlernen, b) bietet eine gewisse taktische Tiefe/Komplexität ohne gleich in ein Jabba The Hood- Komplexitätsmonster auszuarten und c) spielt sich einfach flüssig". So ein Regelwerk habe ich in der Tat noch nicht gefunden, aber ich habe einige, die da schon in die richtige Richtung gehen und bei denen man nur Kleinigkeiten anpassen muss. Ich glaube auch, dass es ein "fehlerfreies" Regelwerk niemals geben wird- sondern nur welche mit mehr und welche mit weniger Fehlern.

Ich bin auch schon öfters an dem Punkt angelangt gewesen, dass ich zu mir gesagt habe, dass ich keinen Bock mehr habe, noch länger zu suchen und mein eigenes Ding schreiben will. Aber das ist einfacher gesagt als getan, und mehrmals steht man dann an dem Punkt, an dem man überlegt, ob es nicht doch erfolgsversprechender ist, nochmals zu suchen als selbst was zu schreiben? Ich jedenfalls kehre irgendwie immer wieder an diesen Punkt und kann mich dann oftmals weder für das eine noch für das andere entscheiden- Ich hoffe für dich, dass du dich zu einer Entscheidung durchringen und dein persönliches Regelwerk finden kannst.

Ein anderer Punkt ist, denke ich, dass sich das Rollenspiel an sich bzw. der Begriff allgemein (und was darunter verstanden wird) und Regelwerke im speziellen doch ziemlich verändert haben im laufe der letzen Jahre , wenn nicht gar Jahrzehnte. Von den Komplexitätsbrocken aus den 90igern wurde das Hobby (sprich: die Regelwerke) ja von einer rechten Diätswelle bzw. einem Schlankheitswahn erfasst, der sich heute in diversen Freeform- Regelwerken wiederfindet. Auf der einen Seite finde ich das richtig, denn mit Übergewicht spielt & bewegt es sich nun einmal einfach schwer& sperrig. Andererseits geht mir aber auch diese "Abmagerungskur" in den letzten Jahren auf den Senkel, weil Untergewicht halt eben auch nicht gut ist und ebenfalls Probleme mit sich bringt. Deswegen sind auch die meisten der völligen Freeform-Systeme wie z.B. Fate nichts für mich. Ich brauche etwas, das zumindest etwas Speck bzw. Fleisch auf den Rippen hat- aber eben nicht zu viel. Und ich glaube da was Passendes für (sich) zu finden wird schwer- ist aber nicht unmöglich. Die Hoffnung stirbt zuletzt oder aber: Die Geduld wird sich eines Tages auszahlen...

aber sicherlich nicht in der Form von Savage Worlds oder Ubiquity.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: 1of3 am 14.12.2019 | 15:44
Bei mir: Definitiv. Ich mag eigentlich keine Regeln; die Beschäftigung mit den Regeln ist der Preis, den ich für das Hobby zahle.

Das überrascht mich ausgehend von deinem Eingangsbeitrag. Du machst ja ganz dezidierte Anforderungen, dass du bestimmte Regeln willst, also irgendwie Charaktere, die besser werden. Charaktere, die Fertigkeiten haben. Ein Kampfsystem und zwar eins für mehr als eine Handvoll Beteiligte. Regeln für Verletzungen und Ableben der Charaktere. Würfel. Situative Modifikatoren in welcher Form auch immer. Man kann aus dieser Liste von Elementen ja auch Teile weglassen; dann hat man keine Schmerzen damit. Also - nehme ich zumindest an - musst du das schon irgendwie wollen.

Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Issi am 14.12.2019 | 15:58
Naja es gibt keinen System TüV.
Jeder darf neue Systeme bauen.
Es gibt auch kein Limit an Systemen.
Folglich gibt es viele Systeme, mit zt. fragwürdiger Qualität.
Vielleicht ist die Illusion das Problem,  die durch schöne Cover, und neue Welten erzeugt wird.

Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 14.12.2019 | 16:04
Das überrascht mich ausgehend von deinem Eingangsbeitrag. Du machst ja ganz dezidierte Anforderungen, dass du bestimmte Regeln willst, also irgendwie Charaktere, die besser werden. Charaktere, die Fertigkeiten haben. Ein Kampfsystem und zwar eins für mehr als eine Handvoll Beteiligte. Regeln für Verletzungen und Ableben der Charaktere. Würfel. Situative Modifikatoren in welcher Form auch immer. Man kann aus dieser Liste von Elementen ja auch Teile weglassen; dann hat man keine Schmerzen damit. Also - nehme ich zumindest an - musst du das schon irgendwie wollen.

Naja, ich kann es ja auch gut finden, in einem Land zu leben, in dem Gesetze gelten, ohne dass ich es deshalb sonderlich mag, Gesetzestexte lesen zu müssen ;).

Ich mag Systeme mit Regeln aus zwei Gründen: Weil sie den Spielern helfen, ein Gefühl dafür zu entwickeln, was ihre Figur kann und was nicht. Und weil sie am Spieltisch eine Spannung erzeugen (können), die ohne nicht möglich wäre. Aber dass ich manche Auswirkungen von Regeln mag, heißt ja nicht, dass ich die Regeln selbst (im Sinne von: lesen, verstehen, auswendig können, am Spieltisch verwalten...) mögen muss.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: General Kong am 14.12.2019 | 16:06
Die ABOREA-Box, auch wenn es keine reine Einsteigerbox ist (im Gegensatz zur roten Box), erfüllt diese Kriterien im Grunde. Ob man nun die eine oder andere Box besser findet, ist natürlich rein subjektiv.

Doch, da stimme ich zu. Die ABOREA-Box ist ebenfalls eine Glanzleistung. Alleine das Kartenmaterial ist die Anschaffung wert und auch sie bietet einen sehr guten Einstieg ins Rollenspiel.

Doch: Die ABOREA-Box und die Rote D&D-Box von Mentzer spielen in derselben Liga - auch wenn ich aus persönlichen Gründen und weil ich WEIß, dass der Einstieg mit der Roten Box super klappt, diese favorisiere.

Aber ich würde jederzeit zugeben, dass, wenn mir jemand sagte, dass er seine Gruppe von Neulingen als Neuling mit dieser Box gestartet hat,und diese deshalb die Wucht in Türten ist, dass er mit Fug und Recht recht hat. Aber sowas von!

Danke für die Erinnerung! Ich habe die Box auch und war sehr beeindruckt von der Ausstattung und dem Preis-Leistungs-Verhältnis (da sogar besser als die Rote), aber irgendwie entfällt sie mir immer.
Leider.

Deshalb, Leute :
KAUFT EUCH DIE ABOREA-BOX!
  :d
Für 19.95 der Schnapp!
Der Schnapp der Schnäpper!
Noch schnappiger kannst es gar nicht mehr werden!
Schnapp-schnapp!
Schapp sie dir bevor sie dir ein anderer wegschnappt, verschnappt nochmal!
.
.
.
(nach Luft schnapp - aber ich habe die Box ja auch schon   ~;D)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 14.12.2019 | 16:33
Und nachdem ich mich jetzt ein wenig beruhigt habe: Natürlich muss ich mir jetzt nochmal in aller Ruhe überlegen, ob ich wirklich die Zeit reinstecken werde, ein eigenes System zu bauen. Denn an irgendeiner Stelle muss ich jetzt klein beigeben. Entweder akzeptiere ich, dass ich die Kröte "Regeldesign" schlucken muss, oder ich akzeptiere, ein System zu verwenden, das meine Anforderungen nur zum Teil erfüllt, und es gegebenenfalls massiv per Hausregeln (und Powershopping bei der Konkurrenz) nachzurüsten. Ich werde mal in mich gehen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: YY am 14.12.2019 | 16:56
Naja, ich denke die Autoren denken halt nicht rein von der Regelseite darüber nach, sondern auch von der Marketing- und Zielgruppenseite. Sie müssen verschiedenen potentiellen Kunden unterschiedliches anbieten.

Es gibt aber keine Nachfrage nach stochastisch und/oder spielmechanisch unsauberen Regelwerken.
Es gibt Leute, denen das schlicht ziemlich egal ist, aber die bekommt man mit denen, denen es entschieden nicht egal ist, genau auf einem Weg unter einen Hut: Indem man das Ganze ordentlich macht.

Und gutes Marketing sowie Bewusstsein für die Zielgruppe ist ja nichts, was sich mit sauberem Spieldesign irgendwie beißen würde, eher im Gegenteil.
Das hat auch nichts mit limitierter Zeit oder Manpower zu tun - gibt genug Systeme bzw. Autorenteams, die es hinbekommen. Auch ohne WotC/Hasbro im Rücken. 

Wo ich meinen Vorpostern Recht gebe: Didaktisch gesehen haben viele Regelwerke noch eine Menge Verbesserungspotenzial. Die Präsentation der Regeln, die Wahl der Beispiele, die Nutzbarkeit der Bücher (heck, braucht man überhaupt noch "Regelbücher" heute? Ich weiß inzwischen das Prinzip "Regelheft" oder sogar "Regelkarten, die auf dem Tisch liegen" viel mehr zu würdigen als Bücher, die dann bitte Cover-to-Cover gelesen werden sollen. 

Ich verweise wie so oft auf die KoSim- und Brettspiel-Ecke.
Freilich gibts da wie überall gute und schlechte Umsetzungen, aber die guten Beispiele sind im Vergleich mit Rollenspielregelwerken wenig mehr als ein leicht aufgebohrter SL-Schirm.

Da wird im dicken Regelbuch recht wortreich, aber klar formuliert und vor allem gut strukturiert (heißt auch: Regelkomplexe durchnummeriert und jede einzelne Regel hat ihre eigene (Unter-)Nummer) erklärt, ggf. mit Anmerkungen des Designers, und am Spieltisch nutzt man dann fast ausschließlich die übersichtliche Spielhilfe. Ins Regelwerk schaut man nur, wenn man sich bei einem seltenen Fall nicht sicher ist u.Ä.

Oft genug gibt es dann noch eine sinnvolle Trennung in Basis- und Fortgeschrittenenregeln, wobei letztere "echt" modular sind, d.h. nach Belieben reingenommen oder weggelassen werden können.

Das könnte man in der Form problemlos so in eine Box "zaubern", dass einerseits eine getrennte Einsteigerbox* überflüssig wird und andererseits gerade die erfahrenen Spieler zu 99% nur noch die Spielhilfe nutzen müssen.

*Da kann man dann immer noch die Basisregeln für kleines Geld getrennt anbieten, wenn man unbedingt will.


Gerade in den kleineren Nischen darf man mMn auch mal voraussetzen, dass alle Beteiligten nicht nur wissen, was ein Rollenspiel ist, sondern auch genug ähnliche Sachen so weit kennen, dass man ihnen einfach nur die Regeln ohne Schnickschnack und Gefasel vorsetzen kann.

Entweder akzeptiere ich, dass ich die Kröte "Regeldesign" schlucken muss, oder ich akzeptiere, ein System zu verwenden, das meine Anforderungen nur zum Teil erfüllt, und es gegebenenfalls massiv per Hausregeln (und Powershopping bei der Konkurrenz) nachzurüsten. Ich werde mal in mich gehen.

Aus eigener Erfahrung würde ich Zweiteres empfehlen.
Wobei die Suche nach der am Ehesten geeigneten Grundlage wieder eine Odyssee für sich wird  ;D
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Boba Fett am 14.12.2019 | 18:10
Ich werde ganz bewusst keine Rollenspielsysteme nennen.

Man muss sich mal vorstellen, wir würden Haushaltsgegenstände so produzieren wie Rollenspiele. Dann hätten wir Stühle mit unterschiedlich langen Beinen und wackeligen Schrauben, aber einer total coolen Bemalung. Die Leute hätten unterschiedliche Life Hacks, wie man den Stuhl dazu kriegt, weniger zu wackeln. Und nach ein paar Jahren käme die neue Version - sie würde immer noch wackeln, aber sie wäre jetzt in anderen Farben angemalt (und die Fanboys würden sich aufregen, dass ja jetzt das andere Bein wackelt und dass der neue Stuhl deshalb total scheiße ist).

War in der letzten Zeit mal jemand bei einem "Günstig" Möbelgeschäft? ...
Es gibt schlechte Möbelqualität, schlechtes Lebensmittelqualität, schlechte Softwarequalität, ... Qualität hat seinen Preis und Geiz ist geil.

Jetzt könnte man noch betrachten, wo der "Farming-Ground" für Rollenspielautoren verortet ist und wieviele Menschen, die die Qualität zum guten Spieledesigner haben wohl beschließen, ihre Karriere in diesem Sektor zu suchen (anstatt irgend was minziges zu studieren und dann gutes Geld zu verdienen (und dann natürlich keine Zeit mehr fürs Entwickeln von Spielen zu haben))...

Ausserdem werden Rollenspiele nicht wegen der Regelqualität gekauft, sondern wegen dem Sexappeal des Settings.
Und meiner Meinung nach ist da die Wurzel allen Übels.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Fëanor am 14.12.2019 | 18:20
Vielen Dank für diesen Thread...selten so gelacht (und zwar mit dem OP und nicht über ihn ;) ).

Ich kann ihm in vielem zustimmen (und insbesondere in Bezug auf das Verständnis über Wahrscheinlichkeiten)! Ich bin auch immer erstaunt darüber, wer sich alles Game-Designer nennen darf (bzw. schimpft). Leider ist das keine geschützte Berufsbezeichnung. Denn ganz ehrlich, 99.95% der heute tätigen "Designer" haben den Titel nicht verdient. Selbst in den "grossen" und "berühmten" Spiele-Unternehmungen.

In dem Sinne glaube ich auch, dass du, Weltengeist, einfach eine falsche Grundannahme gemacht hast, in deinem Rollenspielerleben...du nahmst an, der normale Spieleschreiber sei ein Professional. Leider falsch  ~;D

Um wieder etwas ernster zu werden: Ich hab mich auch schon oft darüber aufgeregt, was da an Murks gemacht wird. Aber das faszinierendste daran finde ich oft, dass die Fans dieser Spiele diesen Murks häufig sogar wollen! Man schaue sich nur mal das Fandom von Exalted an (zumindest den lauten Teil auf dem Internet). Wehe du schlägst denen eine Verbesserung der Regeln vor. Oder gar eine zb. Verschlankung. Dann wirst du gesteinigt. Weil du ja das "Spiel und den Flair" damit zerstörst  ::)

Unter diesen Voraussetzungen, wieso sollte ich mir da dann auch Mühe geben mit Regeldesign? Ich meine wenn ich für meinen jetzigen Scheiss Geld bekomme und ein Fandom, dass für mich online Krieg führt...hey, dann bin ich doch ein erfolgreicher "Designer"...  >;D

Im Endeffekt, wie schon von vielen gesagt, bleibt wohl nur das Selberschreiben. Die Gefahr dabei ist natürlich, dass du nachher selber was fabriziert hast, dass deinen Ansprüchen nicht standhält...da du es selber halt auch nicht besser kannst  ;) Aber vielleicht auch nicht...vielleicht kriegst du genau dein Wunschgame hin. Falls ja, würd ich es gerne sehen.
Aber ja, dieser Weg ist meist auch ein langer.

Ich habe unterdessen auch aufgegeben, mein "perfect system" zu finden. Und trotzdem schaue ich mir immer noch gerne mal ein neues System an, einfach um zu sehen, was denn da draussen sonst so design-t wird.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Jiba am 14.12.2019 | 18:20
Inwiefern die Wurzel „allen Übels“? Was ist an neuen Settings so „übel?“
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: YY am 14.12.2019 | 18:27
Qualität hat seinen Preis und Geiz ist geil.

Es gibt Bereiche, da kann man etwas überdurchschnittlich Teures kaufen und bekommt mehr oder weniger automatisch was Gutes - weil es sich da im oberen Preisbereich schlicht keiner erlauben kann, Mist anzubieten.

Bei Rollenspielen ist der Inhalt (in Abgrenzung von der Aufmachung) so gut wie vollständig vom Preis entkoppelt.
Das bedeutet freilich auch im positiven Sinne, dass man für die guten Vertreter nicht mehr bezahlen muss, aber der Preis ist eben kein Indikator.

Und die Behauptung, dass bei einer allgemeinen Preissteigerung mittelfristig die handwerkliche Qualität steigen würde, ist für mich erst mal genau das - und wirkt zudem nicht sehr überzeugend, wenn ich das mit anderen Bereichen vergleiche.
Denn:
Ausserdem werden Rollenspiele nicht wegen der Regelqualität gekauft, sondern wegen dem Sexappeal des Settings.

Solange sich das nicht ändert, ändert auch eine Preisänderung nichts.
Und das wird sich u.A. deswegen nicht ändern, weil Regeln der Bereich sind, den der Endkunde bei Bedarf am Einfachsten nachkorrigieren kann.
Kaum jemand nimmt ein für ihn perfekt passendes Bleiwüsten-Regelwerk, malt tolle Bilder dazu und lässt das ganze als Hardcover drucken.
Aber im Vergleich sehr viele nehmen ein schickes Setting, ignorieren das komplette Regelwerk und nehmen einfach ein System, das ihnen besser passt.

Inwiefern die Wurzel „allen Übels“? Was ist an neuen Settings so „übel?“

An neuen Settings ist nichts übel.
Es geht darum, dass im Vergleich zum Setting das Regelwerk so gut wie keine Rolle spielt.

Anders formuliert: Beschissene (sic!) Regeln werden viel zu selten mit wirtschaftlichem Misserfolg quittiert. Dann ändert sich da natürlich auch nichts - es besteht jenseits des persönlichen Anspruchs der Autoren schlicht kein Anreiz dafür.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 14.12.2019 | 18:30
War in der letzten Zeit mal jemand bei einem "Günstig" Möbelgeschäft? ...
Es gibt schlechte Möbelqualität, schlechtes Lebensmittelqualität, schlechte Softwarequalität, ... Qualität hat seinen Preis und Geiz ist geil.

Jetzt könnte man noch betrachten, wo der "Farming-Ground" für Rollenspielautoren verortet ist und wieviele Menschen, die die Qualität zum guten Spieledesigner haben wohl beschließen, ihre Karriere in diesem Sektor zu suchen (anstatt irgend was minziges zu studieren und dann gutes Geld zu verdienen (und dann natürlich keine Zeit mehr fürs Entwickeln von Spielen zu haben))...

Also wenn ich Qualitätsrollenspiele kriegen könnte, die wirklich das bringen, was sie auf dem Klappentext versprechen, dann würde ich dafür auch bereitwillig mehr ausgeben - das hätte mir im Laufe der letzten Jahre eine vierstellige Summe für Fehlkäufe gespart. Aber du magst Recht haben, dass das zu wenige so halten, als dass sich darauf ein Geschäftsmodell aufbauen lässt.

(Meine Stühle sind übrigens auch nicht billig-billig, dafür wackelt davon bis heute kein einziger ;).)

Aber hey - das ist ein Rant hier. Dass es möglicherweise marktwirtschaftliche Gründe für den flächendeckenden Murks da draußen gibt, tröstet mich nicht die Bohne, denn meine damit verplemperte Lebenszeit ist trotzdem weg :P.

Zitat
Ausserdem werden Rollenspiele nicht wegen der Regelqualität gekauft, sondern wegen dem Sexappeal des Settings.
Und meiner Meinung nach ist da die Wurzel allen Übels.

Och, gegen sexy Settings habe ich gar nichts, ganz im Gegenteil. Aber ich finde es immens praktisch, wenn es für ein Kernregelwerk mehrere Settings gibt und diese im Idealfall auch getrennt vermarktet werden (wie z.B. bei Savage Worlds oder weitgehend auch bei D&D). Dann kann sich das Regelwerk eben auch nicht auf auf das Setting rausreden.

Und wenn ich was überhaupt nicht ausstehen kann, dann wenn jemand, der eine coole Settingidee hat, dazu "mal eben" an ein paar Nachmittagen ein eigenes Regelwerk dranflanscht. Das geht eigentlich fast garantiert schief...
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Alexandro am 14.12.2019 | 18:39
Das Spiel, das in Sachen Qualität Maßstäbe setzt, ist D&D5. Wie präzise die Regeln formuliert sind, wie gut präsentiert und strukturiert, wie reflektiert und sprachlich sauber die Texte, wie komplett und elegant das Design... man muss halt das wollen, was es bietet (Nur-diese-Klasse-Features hat es reichlich), aber in Sachen Qualität ist es dem typischen hingefrickelten Kickstarter-Regelwerk um Lichtjahre voraus.

Sehe ich überhaupt nicht so.

Die D&D5-Regeln sind vollen Unklarheiten und Widersprüche, besonders wenn man die Zauber dazunimmt (die extrem schwampfig formuliert sind und Fluff mit Crunch mischen, so dass man die ganze Textwüste lesen muss, um zu verstehen wie der jetzt genau funktioniert). Da hat man zwar Advantage/Disadvantage (was an sich schonmal ein cooles System ist), aber dann an anderen Stellen doch an allen Ecken wieder Situationsboni, ausgewürfelte(!) Buffs und ähnlichen Unsinn. Und gerade bei den Kampfregeln hakt es massiv.

Mein Hausregelordner für das System ist mittlerweile schon ziemlich dick.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Flamebeard am 14.12.2019 | 18:58
Ich kann ihm in vielem zustimmen (und insbesondere in Bezug auf das Verständnis über Wahrscheinlichkeiten)! Ich bin auch immer erstaunt darüber, wer sich alles Game-Designer nennen darf (bzw. schimpft). Leider ist das keine geschützte Berufsbezeichnung. Denn ganz ehrlich, 99.95% der heute tätigen "Designer" haben den Titel nicht verdient. Selbst in den "grossen" und "berühmten" Spiele-Unternehmungen.

Ich glaube vielmehr, dass genau das der Kern des Problems ist: Spiele-Designer sind keine Spiele-Entwickler.

Entwickler arbeiten meiner Meinung nach unter der Prämisse 'Form follows function'. Also, auf ein Regelwerk gemünzt, nach dem Prinzip: Die Regeln müssen so gestaltet sein, dass sie dem Spiel nutzen. Designer... eher nicht. Und, ehrlich gesagt, überlege ich mir gerade, in wie weit es eventuell Sinn machen würde, Rollenspiel-Regelwerke auf einer Skala

'Jugendstil'---*---*---*---*---*---*---*---*---'Bauhaus'

unter zu bringen...

===

Edit: Und ehe mir jetzt jemand unterstellt, ich hätte was gegen Jugendstil: Nö, habe ich nicht. Es ist aber ein schönes Beispiel dafür, was passiert, wenn Designer sich mehr Gedanken um Präsentation als um Praktikabilität machen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Fëanor am 14.12.2019 | 19:24
Ich glaube da haben wir aneinander vorbeigeredet, Flamebeard. Mein Game-Designer war ein englischer Begriff. Das hätte ich schon mit Spiele-Entwickler übersetzt. Auf jeden Fall meinte ich die Leute, die Regeln kreiren, erschaffen, schreiben.

Sehe jetzt bei Rollenspielen auch nicht genau, was der Unterschied bei deiner Nomenklatur wäre.

Bei DnD 5e bin ich übrigens eher Alexandros Meinung. Natürlich ist es besser als viele andere RPGs. Aber dafür, dass DnD der 800 Pfund Gorilla ist, bin ich ehrlich gesagt auch mit WotC nicht zufrieden. Man muss nur mal schauen, wie oft der Herr Lead-Designer auf Twitter Antworten geben muss zu Regelfragen. Natürlich behaupten sie immer, dass die unschärfe quasi "by design" wäre...man wolle ja auch Freiraum geben  ::)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Issi am 14.12.2019 | 19:28
Ich glaube vielmehr, dass genau das der Kern des Problems ist: Spiele-Designer sind keine Spiele-Entwickler.
Um Spiele Designer zu sein, sollte man wissen, was man da designt.
Vielleicht tut man das auch,  und denkt sich : "Ach egal - Hauptsache ich kann endlich mein Heartbreaker Setting verkaufen !
In Deutsch/Englisch war ich früher in der Schule gut, im Rechnen nicht...
Aber ist doch egal,  solange ich mein Setting mit Worten gut verkaufen kann,  und mir die geklauten Regeln so zusammen schraube, dass sie neu wirken, ist alles gut..., das andere schlechte Zeug verkauft sich doch auch.. ..  "~;D

(Ist doch in nem Rant erlaubt,  oder? )
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Grimtooth's Little Sister am 14.12.2019 | 19:38
Ja ich hatte viel Hoffnung in D&D 5 gesetzt und war dann, grad wegen der Schwammigkeit bei der Magie, sehr enttäuscht.

Ich bleib da überwiegend bei PF und Co (und meinem Eigenbau hier und da). Nicht, weil das das perfekte System ist  sondern weil es für mich funktioniert und weil ich es inzwischen satt habe, immer neue Regeln zu lernen. Da streike ich unbewusst oft und kriege das gar nicht mehr auf die Reihe.

Ich Hausregle so heftig, im Grunde hab ich eh meine ganz eigene Version draus gemacht.

Das Interessante ist, mit meinem Eigenbau hab ich oft das Problem dass die Leute eben auch keine, wie auch immer leichten, neuen Regeln lernen wollen. Schon gar keine bei denen ein wenig Kooperation gefragt ist. Hausregen dagegen werden dann gelesen und wenn iczh sie nicht dämlich formuliert habe auch verstanden.

In Mathe war ich auch noch nie gut, weswegen mir Probleme bei Wahrscheinlichkeiten eher weniger auffallen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Feuersänger am 15.12.2019 | 15:10
Ja zum ganzen Thread. Ich find es btw witzig, dass Weltengeist und ich teilweise sehr ähnliche Ansichten haben, und dann aber auch wieder grundverschiedene Vorlieben. Allein das zeigt aber auch, dass es effektiv unmöglich ist, allen zu gefallen. :p
Man muss sich wohl irgendwie einfach dreinfinden, dass es keine _guten_ Rollenspielsysteme gibt. Das liegt aber auch daran, dass sich manche Anforderungen einfach gegenseitig ausschließen. Das beste worauf man hoffen kann, sind mehr oder weniger halbscharige Kompromisse, in die man sich vielleicht dreinfinden kann.

Es gibt auch durchaus Regelwerke, in die sehr viel Hirnschmalz geflossen ist und die sehr durchdacht und stringent nach allen Regeln der Kunst und Erkenntnissen der Rollenspieltheorie designt sind, und deren Designer auch Ahnung von Stochastik und Theorie haben -- und dann macht das Ergebnis irgendwie trotzdem keinen (oder nicht so viel) Spaß.

Ein Knackpunkt beispielsweise: ein System kann nicht gleichzeitig dem Spieler relevante (Charakterbau-)Entscheidungen und dem Abenteuerautoren/SL vorhersehbare Kompetenzstufen bieten. Es geht einfach nicht. Wenn der Spieler seinen Charakter wirklich customizen darf, kann der Autor nicht wissen, ob an dieser Stelle in seinem Abenteuer eine Probe der Schwierigkeit X für den SC trivial, münzwürfig oder unmöglich ist. Okay, "unmöglich" kann er ausschließen, wenn er sie nur leicht genug macht. :p

So richtig bewusst geworden ist mir das eigentlich erst mit PF2, welches einem wunder wieviele Auswahlmöglichkeiten und Anpassbarkeit vorgaukelt, in Wahrheit aber voll auf Planbarkeit setzt und entsprechend die scheinbaren Wahlmöglichkeiten der Spieler reichlich irrelevant macht. Siehe dazu den Thread zur Roboter-Analogie neulich.

Als Konterpunkt dazu und entgegen dem Zeitgeist gibt es noch das sogenannte Snowbluff Axiom (benannt nach dem GitP-User, der es geprägt hat):
All gaming systems should be terribly flawed and exploitable if you want everyone to be happy with them. This allows for a wide variety of power levels for games for different levels of players.

Wobei da natürlich wieder das Problem ignoriert wird, das das nur funktioniert, wenn man eine homogene Runde hat, was meiner Erfahrung nach so gut wie nie gegeben ist.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Maarzan am 15.12.2019 | 15:13
Das perfekte Rollenspiel für jeden Geschmack wird man sicher nicht finden.

Das annähernd perfekte System für einen Geschmack vielleicht schon,aber dann hat man die Zielgruppe schon wieder so zersplittert, dass die sich dann die damit notwendigen Erstellungskosten nicht leisten können (oder wollen), wenn das ideale Werk mehr als trivialen/minimalistischen Inhalt haben soll.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Boba Fett am 15.12.2019 | 15:14
Inwiefern die Wurzel „allen Übels“? Was ist an neuen Settings so „übel?“


Hmm, ich kritisiere übersetzt gesprochen "style over substance" und Du fragst mich, was schlecht an gutem Style sei...

Nichts ist an guten Settings schlimm.
"Schlimm" ist die Ansicht, dass es ausreicht eine ansprechende Hintergrundswelt zu liefern und die Spielregelqualität wäre irrelevant.
...dass es reicht, eine tolle Idee zu haben und die zu präsentieren und die mangelnde Regelqualität würde durch Improvisation, Hausregeln und "spiel es doch mit (setze wahlweise Savage Words oder Fate ein [und damit will ich nicht aussagen, dass ich die beiden Systeme schlecht finden würde])" kompensiert. Und dass es ja sowieso ein Erzählspiel auf Konsensbasis ist und jede Gruppe mit ordentlicher Agenda gar keine Regeln brauchen würde.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Chiarina am 15.12.2019 | 15:18
Es gibt Regelwerke, die für die Art, wie ich spielen möchte, schlecht sind.
Nie würde ich mich erdreisten zu behaupten, sie seien grundsätzlich schlecht.
Das war´s von mir in diesem Strang.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Achamanian am 15.12.2019 | 15:30
Hmm, ich kritisiere übersetzt gesprochen "style over substance"

Ich würde dir bis zu einem gewissen Gerade zustimmen - style over substance nervt, wenn es dazu führt, dass man dauernd gestylten Kram vorgesetzt bekommt, der dann nicht vernünftig durchdacht und umgesetzt wurde -, würde das aber durchaus auf die Regeln ausdehnen. Es gibt ja durchaus RSPs, die erfolgreich mit ihren tollen neuen Regelkonzepten werben - und dann stellt sich heraus, dass die tollen neuen Regelkonzepte nur eine halbgare Variante von irgendwas sind, das Greg Stafford sich schon vor dreißig Jahren überlegt hat, und dass man das den Leuten nur deshalb als toll und innovativ verkaufen kann, weil man z.B. mal wieder einen anderen Würfeltyp verwendet oder "Tiers" statt Level sagt und weil die allermeisten ohnehin nur Pathfinder und D&D und ganz vielleicht noch Cthulhu kennen und bei jedem etwas anders gearteten Konzept NATÜRLICH glauben, dass das BOAH! so noch nie dagewesen sei!

Das ist für mein Gefühl auch ein häufiger Grund dafür, dass schlecht durchdachte Regelwerke rauskommen - man will z.B. von Pathfinder herkommend was anderes machen, und sei es einfach nur, um es den Leuten verkaufen zu können, schnuppert hier und da mal in ein anderes Regelsystem rein, schraubt ein bisschen an der eigenen Ausgangsbasis rum und findet dann, das sei was revolutionär Neues. Und wenn man Pech hat, schmeißt man dabei Konzepte zusammen, die sich beißen. (Das Cypher-System bleibt da für mich das Paradebeispiel, wobei das System überraschend schön spielbar ist - es knirscht halt nur trotzdem an allen Ecken und Enden, weil das, was man aus der Gumshoe- und Fate-Ecke drangeschustert hat, so eigentlich nicht dranpasst).

(Dieses ganze Werben mit "total neuen Regelideen" geht mir ja eh inzwischen echt auf den Keks. Gumshoe hat das damals zumindest halbwegs unaufgeregt und berechtigt und innerhalb des klar eingegrenzten Rahmens "für Ermittlungsabenteuer" reklamiert. Aber andere erfinden ja regelmäßig den W20 neu und präsentieren dann angeblich eierlegende Wollmilchsysteme am laufenden Band. Und wenn sie einem vollmundig die Features darlegen, dann merkt man, dass das wieder nur an Leute gerichtet ist, die glauben, es gäbe außer D&D5 und Pathfinder eh nix.)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: nobody@home am 15.12.2019 | 15:44
"Total Neues" gibt's eh nur alle Jubeljahre mal, und wenn es dann noch in eine Richtung geht, die man auch tatsächlich mag, dann hat man ausgesprochenes Glück gehabt. Don't believe the hype. ;)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: tartex am 15.12.2019 | 15:53
"Total Neues" gibt's eh nur alle Jubeljahre mal, und wenn es dann noch in eine Richtung geht, die man auch tatsächlich mag, dann hat man ausgesprochenes Glück gehabt. Don't believe the hype. ;)

Weltengeist will uns ja nicht ein total neues, sondern ein makelloses Regelwerk vorlegen. Da ist die Zielsetzung schon eine sehr andere. Ich finde makellos ist dann schon automatisch auch neu.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 15.12.2019 | 16:14
Irgendwie geht die Diskussion hier schon wieder in die Richtung "es gibt halt keine Regeln, die allen gefallen". Das ist natürlich eine Binse, und darum geht es mir in diesem Thread eigentlich gar nicht. Es geht hier nur sehr begrenzt um Geschmack (und schon gar nicht um meinen) - es geht darum, dass die meisten Regelbücher sich gar nicht erst überlegen, welchen Geschmack sie eigentlich treffen wollen, beziehungsweise dieses selbst gesteckte Ziel mechanisch nicht (oder nur sehr unelegant) hinkriegen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Harlekin78 am 15.12.2019 | 16:18
Vielleicht treffen diese Regelbücher schlicht und einfach "nur" den Geschmack der Autoren?
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Lord Verminaard am 15.12.2019 | 16:39
Irgendwie geht die Diskussion hier schon wieder in die Richtung "es gibt halt keine Regeln, die allen gefallen". Das ist natürlich eine Binse, und darum geht es mir in diesem Thread eigentlich gar nicht. Es geht hier nur sehr begrenzt um Geschmack (und schon gar nicht um meinen) - es geht darum, dass die meisten Regelbücher sich gar nicht erst überlegen, welchen Geschmack sie eigentlich treffen wollen, beziehungsweise dieses selbst gesteckte Ziel mechanisch nicht (oder nur sehr unelegant) hinkriegen.

Nun ja, einige der Punkte, die du in deinem Ausgangsbeitrag genannt hast, sind durchaus Geschmackssachen. Unbenommen bleibt, dass der letzte Halbsatz trotzdem stimmt. ;)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Flamebeard am 15.12.2019 | 16:43
Ich denke, ein Grundproblem ist auch das Spieltesten. Bei einem Riesensystem wie D&D5e kann das ohne Probleme in ausreichendem Maße gemacht werden, aber bei kleineren Systemen muss da wirkich der Wille der Designer da sein.

Wobei ich da auch ein weiteres Problem in der 'Geiz ist geil!'-Mentalität der Menschen sehe. Einige Firmen verzichten sicherlich auch auf breit angelegte Tests, weil es gerade genug Leute gibt, die sich sagen "Dann spiel' ich halt die Beta und schreib' mir dann das dazu, was ich aus dem fertigen Regelwerk mit bekomme.". Und die Margen sind im Rollenspielbereich schon seit Jahren nicht wirklich gut. (Ja, ich weiß... ich freue mich ja auch, dass Pegasus die Shadowrun-Bücher für 20 Euro raus haut. Aber ein bisschen mehr wäre wohl auch kein Problem, wenn es denn der Qualität des Materials hilft bzw. für mehr neues Material und eine bessere Bezahlung der Mitarbeiter ausgeben wird.)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Maarzan am 15.12.2019 | 16:47
Blieb zu untersuchen, wie viele Aussagen zum beabsichtigten Spielstil/Spielziel überhaupt zu finden sind und welche dann.
Danach könnte man prüfen, ob diese Ziele erreicht wurden und anschließend, ob es Konkurrenten diese Ziele einfacher auch erreichen oder übertreffen (nicht nur einfacher ... ).

Wenn keine besseren spezifischen Teillösungen zu finden sind, heißt das nicht, dass dies das Optimum ist, aber wohl "state of the art". (und heißt nicht, dass dieses Vergleichswerk sich nicht in einem anderen Bereich noch ins Aus schießen könnte.)

Was heißt Geiz ist geil. Erst einmal muss ein Angebot da sein, welches zeigt, dass es auch das Gewünschte liefern kann oder heutzutage wenigstens ein entsprechend überzeugendes Konzept für den gewünschten Spielstil im Crowdfunding. Geld muss verdient werden.
Geiz sehe ich da erst einmal als den falschen Begriff.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Achamanian am 15.12.2019 | 16:48
es geht darum, dass die meisten Regelbücher sich gar nicht erst überlegen, welchen Geschmack sie eigentlich treffen wollen, beziehungsweise dieses selbst gesteckte Ziel mechanisch nicht (oder nur sehr unelegant) hinkriegen.

Ich glaube, der Knackpunkt ist, dass du in einem Segment suchst, in dem es wahrscheinlich tatsächlich sehr schwer ist, ein mechanisch und thematisch rundes Regelwerk zu entwickeln.
Wenn ich es richtig sehe, interessierst du dich ja nicht für Regelwerke, die sich beispielsweise radikal narrativ oder radikal für taktisches Spiel entschieden haben und entsprechend klar gestaltet sind (pbtA hat zur Grundlage, dass jede zu würfelnde Handlung entweder positive oder negative oder beide Arten von Konsequenzen haben muss, und darauf wird alles aufgebaut). Du willst doch am ehesten was, das sich auf die Bereitstellung spielweltlich plausibler Ergebnisse konzentriert und eine breite Ausgestaltungsmöglichkeit der Charaktere auch auf regeltechnischer Ebene erlaubt, oder? Mit der Zusatzansage, dass du bitte nicht in Sonderfertigkeiten ertrinken willst.

Ich glaube tatsächlich, dass das eine sehr hohe Anforderung ist - gerade der Teil mit "spielweltlich plausibel" muss in ganz viele Richtungen andocken können, da muss ein bisschen Hollywood-Logik zumindest potenziell mit drin sein, gleichzeitig aber auch ganz viel "Geerdetes". Deshalb hast du dann bei vielen Systemen das Gummipunkte-Gedokter, weil das System gefühlt je nach Situation eben beide Optionen braucht, am liebsten zugleich oder je nach Situation und Spieler.

Ich glaube, ein elegantes System für die "klassischen" Anforderungen zu entwickeln, ist einfach um vieles schwerer, als einen klaren Fokus zu setzen und dann alle Elemente darauf auszurichten. Deshalb sieht man da viele Kombinationen von guten Einfällen mit Schlamperei (AGE) oder Scheitern auf ganz hohem Niveau (SpliMo) - wobei "Schlamperei" und  "Scheitern" zu harte Worte sind. Man sieht einfach, dass das Design irgendeiner der Anforderungen am Ende doch nicht entspricht.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Flamebeard am 15.12.2019 | 16:52
Was heißt Geiz ist geil. Erst einmal muss ein Angebot da sein, welches zeigt, dass es auch das Gewünschte liefern kann oder heutzutage wenigstens ein entsprechend überzeugendes Konzept für den gewünschten Spielstil im Crowdfunding. Geld muss verdient werden.
Geiz sehe ich da erst einmal als den falschen Begriff.

Ich hatte eher darauf abgehoben, dass sich eine bestimmte Klientel durchaus mit einem unfertigen/nicht ausgewogenen Regelwerk zufrieden gibt, dass sich noch in Entwicklung befindet. Hauptsache, es kostet fast nix oder is sogar umsonst. Egal, wie krumm und schief das Ding ist. Dass gerade kleine/mittelgroße Verlage dann überlegen, dass sie hier nicht potenzielle Kunden verlieren wollen, verstehe ich irgendwie.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Megavolt am 15.12.2019 | 16:59
Vielleicht treffen diese Regelbücher schlicht und einfach "nur" den Geschmack der Autoren?
Oder es gab tatsächlich gechmackliche Überlegungen und Ziele, aber sie werden einfach nicht explizit genug genannt und deshalb erkennt man sie nicht.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Crimson King am 15.12.2019 | 17:01
Ich glaube, der Knackpunkt ist, dass du in einem Segment suchst, in dem es wahrscheinlich tatsächlich sehr schwer ist, ein mechanisch und thematisch rundes Regelwerk zu entwickeln.
Wenn ich es richtig sehe, interessierst du dich ja nicht für Regelwerke, die sich beispielsweise radikal narrativ oder radikal für taktisches Spiel entschieden haben und entsprechend klar gestaltet sind (pbtA hat zur Grundlage, dass jede zu würfelnde Handlung entweder positive oder negative oder beide Arten von Konsequenzen haben muss, und darauf wird alles aufgebaut). Du willst doch am ehesten was, das sich auf die Bereitstellung spielweltlich plausibler Ergebnisse konzentriert und eine breite Ausgestaltungsmöglichkeit der Charaktere auch auf regeltechnischer Ebene erlaubt, oder? Mit der Zusatzansage, dass du bitte nicht in Sonderfertigkeiten ertrinken willst.

Ich glaube tatsächlich, dass das eine sehr hohe Anforderung ist - gerade der Teil mit "spielweltlich plausibel" muss in ganz viele Richtungen andocken können, da muss ein bisschen Hollywood-Logik zumindest potenziell mit drin sein, gleichzeitig aber auch ganz viel "Geerdetes". Deshalb hast du dann bei vielen Systemen das Gummipunkte-Gedokter, weil das System gefühlt je nach Situation eben beide Optionen braucht, am liebsten zugleich oder je nach Situation und Spieler.


Das ist im Übrigen auch meine Vermutung. Jedes Regelwerk, das irgendwie Spielweltphysik simulieren will, stellt einen Kompromiss zwischen Regelumfang und Präzision dar. Wenige, aber alles präzise simulierende Regeln, das geht leider nicht.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Gunthar am 15.12.2019 | 17:08
Letzthin über ein wünderschönes Regelwerk gestolpert, wo ich aber schwer überlege, ob ich es mir holen soll. Denn die Regeln sind meines Erachtens suboptimal designt. Man merkt dem Buch an, dass es von einem Grafikprofi designt wurde und nicht von einem Spieldesigner.

Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Maarzan am 15.12.2019 | 17:13
Ich hatte eher darauf abgehoben, dass sich eine bestimmte Klientel durchaus mit einem unfertigen/nicht ausgewogenen Regelwerk zufrieden gibt, dass sich noch in Entwicklung befindet. Hauptsache, es kostet fast nix oder is sogar umsonst. Egal, wie krumm und schief das Ding ist. Dass gerade kleine/mittelgroße Verlage dann überlegen, dass sie hier nicht potenzielle Kunden verlieren wollen, verstehe ich irgendwie.


Solange ein Werk noch nicht verfügbar ist, müssen die Leute doch zwangsweise was anderes spielen - ode rhabe ich dich da dann falsch verstanden?

Wenn es dann verfügbar ist, wird es folgend mit den eigenen Vorstellungen und den bisherigen Werken verglichen - und dann sollte es für den Preis für den jeweiligen potentieleln Kunden halt einen Mehrwert zeigen.
Ist der nicht erkennbar, dann ist nicht kaufen kein Geiz.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Issi am 15.12.2019 | 17:15
Man darf vermutlich auch nicht vergessen, dass Autoren nicht unbedingt im Bereich Spieldesign/Spielgestaltung ausgebildet sind.
Manche (Viele? Wieviele?) haben vermutlich ganz andere Jobs, und machen das nebenbei, weil Rollenspiel ihr Hobby ist.

Einer Grafik sieht man die Professionalität schnell an,  in Texten verstecken Regeln nicht. Die muss man häufig erst testen.
Und um die zu testen, muss man sich das Regelwerk erstmal zulegen.

(Also egal ob man als Spieler  das Spiel nachher gut findet oder nicht - man hat das Ding auf jeden Fall gekauft )

Edit. 
Die Verkaufsidee ist : "Wenn die Grafik auf dem Cover  hochwertig ist, muss es der Inhalt auch sein. "
Funktioniert! (Auch bei Büchern, Brettspielen, Filmen.... ) ~;D
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Maarzan am 15.12.2019 | 17:21
Ich schätze der "Zorn" richtet sich auch primär auf diejenigen, welche da als "Firma" auftreten und tatsächlich Geld verdienen wollen - auch wenn es in Relation meist immer noch wenig ist.
Für das verkorkste Garagenungetüm ist dann Mitleid vorgesehen ...  ~;D
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Gunthar am 15.12.2019 | 18:03
Bin selber an einem eigenen Rollenspiel dran und ich habe gemerkt, dass die Unterwürfelsysteme weniger optimal funktionieren als die Systeme, die xWy+Fertigkeit(+Attribut) gegen xWy+Fertigkeit(+Attribut) oder gegen einen xWy+Schwierigkeitsgrad antreten. Was auch eher zu funktionieren scheint, den Wurf in Qualitätskategorien einteilen und wer die höhere hat, gewinnt.
Bei den W100 Systemen habe ich bemerkt, dass die Erfolgsquote nicht wie man meint, linear ansteigt, sondern eigentlich eine ziemliche Kurve beschreibt.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Grimtooth's Little Sister am 15.12.2019 | 18:08
Wobei da natürlich wieder das Problem ignoriert wird, das das nur funktioniert, wenn man eine homogene Runde hat, was meiner Erfahrung nach so gut wie nie gegeben ist.

Wie kommst du da drauf? Was ist für dich denn eine homogene Runde?
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Fëanor am 15.12.2019 | 18:10

Es gibt auch durchaus Regelwerke, in die sehr viel Hirnschmalz geflossen ist und die sehr durchdacht und stringent nach allen Regeln der Kunst und Erkenntnissen der Rollenspieltheorie designt sind, und deren Designer auch Ahnung von Stochastik und Theorie haben -- und dann macht das Ergebnis irgendwie trotzdem keinen (oder nicht so viel) Spaß.


Welche denn zum Beispiel? Und das ist eine ehrlich gemeinte Anfrage, keine rhetorische oder ironisch/zynische.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Feuersänger am 15.12.2019 | 20:09
Wie kommst du da drauf? Was ist für dich denn eine homogene Runde?

Eine, in der alle Spieler inkl SL auf einer Welle liegen (wenigstens annähernd), was z.B. System Mastery aber auch ästhetischen Anspruch anbelangt.
Wie es da im Snowbluff Axiom heisst "wide variety of power levels for games for different levels of players", dann funktioniert das nicht, wenn in einer spefizischen Runde verschieden starke Spieler (nach System Mastery) jeweils ihr eigenes "Level of Play" durchziehen wollen. Und da hilft es auch nicht, wenn der starke Spieler dem Schwachen beim Charakterbau hilft, weil zweiterer dann im Spiel trotzdem nicht weiß, wie er im laufenden Spiel die PS auf die Straße bringen soll.
Oder Stichwort Ästhetik, wenn der eine mit einem klassischen Ritter in strahlender Rüstung klassisch mittelalterlich-märchenhafte Fantasystories spielen will, und der andere mit einem vierarmigen Monstergorilla anrückt weil der 20 Attacken pro Runde bekommt, wird wahrscheinlich auch mindestens einer mit dieser Konstellation nicht glücklich werden.

Welche denn zum Beispiel? Und das ist eine ehrlich gemeinte Anfrage, keine rhetorische oder ironisch/zynische.

Mein Paradebeispiel dafür ist Legend D20. Von vorn bis hinten durchdekliniert, gut durchgerechnet und gründlich getestet, vermeidet die großen Fallgruben von 3E, ohne den Powerlevel so zu kastrieren wie sagen wir mal 4E (geschweige denn 5E). Ermöglicht den Martials zu rocken und vermeidet Caster Supremacy. Schafft dabei sogar eine recht große Diversität und ermöglicht unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen, ohne dass am Ende gefühlt überall dasselbe rauskommt. In der Theorie also genau das, was viele 3E-Veteranen sich wünschen. Das Charakterbasteln macht auch sehr viel Spaß und bietet eine große Spielwiese. Aber im tatsächlichen Spiel ist dann irgendwie sehr schnell die Luft raus, jdf bei mir und meinen damaligen Mitspielern. Das lag teilweise sicherlich an einer dysfunktionalen Gruppendynamik, aber das Spiel selbst ist halt auch sehr speziell. Wobei das glaub ich - jdf für mich - großteils an der sehr mega-lastigen Mechanik liegt, die jeglichen Simulationsanspruch komplett über Bord geworfen hat zugunsten rein gamistischer Prinzipien.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Achamanian am 15.12.2019 | 21:34
Bei den W100 Systemen habe ich bemerkt, dass die Erfolgsquote nicht wie man meint, linear ansteigt, sondern eigentlich eine ziemliche Kurve beschreibt.

Ich bin kein Mathematiker, aber ist das (zumindest in bezug auf W%-Unterwürfel-Systeme wie Cthulhu, Mythras usw., ich rede jetzt nicht von Rolemaster) nicht etwa so eine Aussage wie: "Ich habe bemerkt, dass Kreise eigentlich Dreiecke sind"?
Wenn ich in einem System mit Fertigkeitswerten auf einer 100er-Skala, bei dem mit W100 gewürfelt wird, einen Punkt in meiner Fertigkeit dazubekomme, steigt meine Erfolgschance um genau einen Prozent, egal, ob mein Fertigkeitswert dabei von 02 auf 03 oder von 92 auf 93 steigt. In Bezug auf Wahrscheinlichkeiten heißt das, dass eine Steigerung um einen Punkt bedeutet, dass ich im Schnitt von hundert Würfen nun bei einem Wurf mehr Erfolg habe als vor der Steigerung.
Das ist doch genau die Defnition einer linearen Steigerung - oder stehe ich jetzt total auf dem Schlauch?
Kurven hast du, wenn du beispielsweise mit 2W6 würfelst und eine Differenz von einem Punkt ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die Erfolgschance haben kann, weil die Wahrscheinlichkeit eben nicht flach über die Gesamtzahl der möglichen Ergebnisse verteilt ist. Auf dem W100 ist jedes Ergebnis (sei es eine eins, eine 27 oder eine 100) gleich wahrscheinlich. Auf 2W6 ist ein Ergebnis von 6 viel, viel wahrscheinlicher als ein Ergebnis von 11 oder gar 12. Wenn eine Steigerung bedeutet, dass du nun nur noch eine 9 statt einer 10 auf 2W6 erzielen musst, dann machst du einen größeren Sprung in der Erfolgswahrscheinlichkeit, als wenn die Steigerung bedeutet, dass du nun nur noch eine 7 statt einer 8 erreichen musst.
Das bedeutet, dass ein Punkt je nachdem, wo du dich auf der Werteskala bewegst, ein Punkt in einer Fertigkeit einen unterschiedlichen "Wert" in Bezug auf deine Erfolgswahrscheinlichkeit hat. Da hast du dann einen nicht-linearen Anstieg oder eine Kurve.

Der Knackpunkt ist: Wenn du einen Würfel für die Probe verwendest, sind die Wahrscheinlichkeiten flach über die Ergebnisse verteilt, und das bedeutet (wenn wir jetzt mal Schnickschnack wie explodierende Würfel oder Boons und Banes außen vor lassen), dass die Erfolgswahrscheinlichkeit linear im Verhältnis zu deinen Punkten im jeweiligen Wert ansteigt. Wenn du mehrere Würfel verwendest (und dabei z.B. addierst oder in einem Poolsystem Erfolge zählst), dann bekommst du Kurven rein.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Thaddeus am 15.12.2019 | 21:37
...um mal wieder auf's Topic zu kommen: Ich kann die Kritik von Weltengeist sehr gut nachvollziehen und ich glaube es geht den meisten hier so. Ich bin aber nicht sicher, ob ich die hier gebotene Ursachenforschung in allen Punkten nachvollziehen kann.

Rollenspieldesign ist (mMn) mehr Kunst als Handwerk. Zwischen Budget und "guten" Regeln sehe ich weder Kausalzusammenhang, noch kann ich da eine Korrelation ausmachen.

Die Kritikpunkte von Weltengeist haben mich übrigens dazu veranlasst, mich vom "klassichen" Rollenspiel komplett zu verabschieden. Da es auch meiner Erfahrung entspricht, dass in eigentlich allen Runden gehausregelt und gehandwedelt wird auf Teufel komm raus, suche ich mein Glück konsequenterweise in Spielen wie pbta, Fate, bitd, etc.. Meiner ganz persönlichen Meinung nach basiert der klassische Ansatz im Rollenspiel, wie es von den großen Systemen verfolgt wird, auf einem Irrtum: Die Welt lässt sich nicht mit Würfeln "simulieren". Kämpfe lassen sich nicht mit Würfeln "simulieren". Wahrscheinlichkeiten im Rollenspiel aus vermeintlichen Wahrscheinlichkeiten der Realwelt ableiten zu wollen, halte ich für ein sinnfreies Unterfangen. Das Festhalten an diesem Urfehler führt meiner Meinung nach zu murksigen Regelwerken, auch wenn sie mit viel Aufwand produziert werden. Aber das könnte auch nur einer von vielen Gründen sein.

Witzig finde ich auch, dass eigentlich irgendwie wirklich jede/r irgend wann mal sein eigenes _perfektes_ Rollenspiel gebastelt hat.  ;D
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Achamanian am 15.12.2019 | 21:49

Die Kritikpunkte von Weltengeist haben mich übrigens dazu veranlasst, mich vom "klassichen" Rollenspiel komplett zu verabschieden. Da es auch meiner Erfahrung entspricht, dass in eigentlich allen Runden gehausregelt und gehandwedelt wird auf Teufel komm raus, suche ich mein Glück konsequenterweise in Spielen wie pbta, Fate, bitd, etc.. Meiner ganz persönlichen Meinung nach basiert der klassische Ansatz im Rollenspiel, wie es von den großen Systemen verfolgt wird, auf einem Irrtum: Die Welt lässt sich nicht mit Würfeln "simulieren". Kämpfe lassen sich nicht mit Würfeln "simulieren". Wahrscheinlichkeiten im Rollenspiel aus vermeintlichen Wahrscheinlichkeiten der Realwelt ableiten zu wollen, halte ich für ein sinnfreies Unterfangen. Die Wahrscheinlichkeiten im Rollenspiel müssen meiner Meinung nach allein aus gamistischen und narrativen Notwendigkeiten abgeleitet werden.


Mit dem letzten Satz machst du aber einen ziemlich gewagten Sprung.
Dass an Simulationismus im extremen Sinne der wahrhaftigen Abbildung tatsächlich Wahrscheinlichkeiten eigentlich keiner mehr "glaubt" (wenn das überhaupt mal wer getan hat), ist ja ein alter Hut ... aber von da zu "gamistischen oder narrativistischen Notwendigkeiten" ist es noch ein gutes Stück. Bzw. Wäre dann die Frage, was du unter Notwendigkeiten verstehst. Wenn du unter "narrativen Notwendigkeiten" auch spielweltliche Plausibilität zulässt (d.h. die Ergebnisse "fühlen sich richtig an", weil sie einer Mischung aus Erwartungen an eine Geschichte und Erwartungen an Ergebnisse verglichbarer Ereignisfolgen in der wirklichen Welt nahekommen), dann bekommst du die durchaus auch mit guten Systemen, die du auf den ersten Blick vielleicht unter "simulationistisch" einsortieren würdest. Aber wenn du mit narrativen Notwendigkeiten meinst, dass ein System bitte nach Fate-Manier pulpige Arcs und auf Schlagworte reduzierte Charakterisierungen ("Aspekte") forcieren soll, um was zu taugen, hast du mich verloren.
Viele narrativistische Systeme forcieren "Geschichten" einem sehr eingeschränkten Verständnis folgend. Das kann toll sein und für Fokus und Intensität sorgen, aber es zwängt das Spiel auch leicht in Genreerwartungen. Wenn man an denen Interesse hat (die Gruppe soll ein paar Rückschläge erleiden und am Ende total Awesome sein, unterwegs evtl. ein Opfer bringen) - schön. Wenn einen die entsprechende Struktur aber gerade eher langweilt, dann spielt man am Ende gegen das System und ist mit etwas, das simulationistisch daherkommt, aber am Ende auch wieder nur eine Entscheidungshilfe für dramatische Konsequenzen ist, nur eine narrativ offener strukturierte, evtl. besser beraten.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Gunthar am 15.12.2019 | 21:52
Ich habe beim W100 System angeschaut, wie hoch dass die Chance ist, einen Erfolg zu erhalten. Bei 1% ist es eben im Schnitt ein Erfolg pro 100 Würfe. Bei 2% sind es schon ein Erfolg auf 50 Würfe. Bei 10% ist es ein Erfolg alle 10 Würfe. Bei 33% ist es grob ein Erfolg alle 3 Würfe. Bei 50% sind es bereits ein Erfolg ca. jeden 2. Wurf. Zeichnet man das auf, gibt das eine Kurve.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Alexandro am 15.12.2019 | 21:52
Wie es da im Snowbluff Axiom heisst "wide variety of power levels for games for different levels of players", dann funktioniert das nicht, wenn in einer spefizischen Runde verschieden starke Spieler (nach System Mastery) jeweils ihr eigenes "Level of Play" durchziehen wollen. Und da hilft es auch nicht, wenn der starke Spieler dem Schwachen beim Charakterbau hilft, weil zweiterer dann im Spiel trotzdem nicht weiß, wie er im laufenden Spiel die PS auf die Straße bringen soll.

Ab dem Punkt, wo der Spieler mit hoher "system mastery" die Charakterbögen der Mitspieler "korrigiert", um deren Effizienz zu erhöhen, erlaubt er seinen Mitspielern schon nicht mehr ihr eigenes Level of Play durchzuziehen, sondern zwingt ihnen das eigene auf.

Sobald man einen dieser analfixierten Vollspaten in der Runde hat, die sich nicht damit zufrieden geben können, wenn der eigene Charaktere rockt, sondern die auch noch die Charaktere der restlichen Spieler optimieren "müssen" (ob die jetzt daran interessiert sind oder nicht) steuert man fast unweigerlich auf eine dysfunktionale Runde zu.

Wenn ein Powergamer nur seinen eigenen Charakter optimiert und den Rest der Runde einfach machen lässt (mit Beratung zur Seite steht, wenn ein Spieler unzufrieden mit den SC-Fähigkeiten ist, sich sonst aber geflissentlich raushält), dann läuft alles recht harmonisch.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: YY am 15.12.2019 | 21:54
Es gibt Regelwerke, die für die Art, wie ich spielen möchte, schlecht sind.
Nie würde ich mich erdreisten zu behaupten, sie seien grundsätzlich schlecht.

Das ist auch eine andere Baustelle.
Objektiv schlecht sind z.B. missverständliche Formulierungen oder logische Widersprüche zwischen eindeutig formulierten Regeln - das sind einfach Handwerksfehler und keine Fragen von Spielstil oder Geschmack.

Meiner ganz persönlichen Meinung nach basiert der klassische Ansatz im Rollenspiel, wie es von den großen Systemen verfolgt wird, auf einem Irrtum: Die Welt lässt sich nicht mit Würfeln "simulieren". Kämpfe lassen sich nicht mit Würfeln "simulieren". Wahrscheinlichkeiten im Rollenspiel aus vermeintlichen Wahrscheinlichkeiten der Realwelt ableiten zu wollen, halte ich für ein sinnfreies Unterfangen. Das Festhalten an diesem Urfehler führt meiner Meinung nach zu murksigen Regelwerken, auch wenn sie mit viel Aufwand produziert werden.

Da haben einige KoSims schon recht erfolgreich den Gegenbeweis angetreten.
Die sind sich aber auch sehr viel deutlicher bewusst, auf welchem Abstraktionsgrad sie unterwegs sind und schauen "trotzdem" viel mehr auf die Empirie.

Mit dem gleichen Ansatz lässt sich das auch im Rollenspiel erreichen.

Da sind die guten Beispiele freilich auch nicht perfekt, aber allemal tauglich (und scheitern gemessen an Weltengeists initialer Aufzählung eher in der Peripherie und bei Geschmacksfragen) - nur will solche Systeme kaum einer und sie verschwinden recht flott wieder in der Versenkung.
Denen fehlt nämlich genau das von Feuersänger angesprochene Maß an Verzetteltheit, Unschärfe/fehlendem Fokus, Schlupflöchern und weitestgehend bis total "simulationsfernen" Elementen zur Spielerbespaßung (z.B. massives Zero-to-Hero, Vielzahl verschiedener "builds" etc. pp.).
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: 1of3 am 15.12.2019 | 21:57


Die Welt lässt sich nicht mit Würfeln "simulieren". Kämpfe lassen sich nicht mit Würfeln "simulieren".

Ja. Glaubhafter wirds, wenn man die Leute einfach mit ihrem bestmöglichen Urteil ran lässt. Nicht unbedingt richtig, denn sie können ja irren, aber definitiv für sie glaubhaft, denn den eigenen Irrtum werden sie nicht bemerken.

Man müsste also sagen: Wenn ein Spiel wirklich pur Sim sein will, sollte es nicht würfeln. Und auch keine beschränkten Punktepools haben.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Alexandro am 15.12.2019 | 22:01
Da haben einige KoSims schon recht erfolgreich den Gegenbeweis angetreten.
Die sind sich aber auch sehr viel deutlicher bewusst, auf welchem Abstraktionsgrad sie unterwegs sind und schauen "trotzdem" viel mehr auf die Empirie.

KoSims kommen vom Kriegsspiel. Und Kriegsspiel zumindest versucht gar nicht zu "simulieren", wie wahrscheinlich das Eintreten eines bestimmten Ereignisses ist - es will lediglich die Unsicherheit, dass es eintreten könnte, und wie der Kommandant dann damit umgeht (ob er seinen Plan bei Feindkontakt anpassen kann). Wer allerdings als Kommandant nach Spielen eines Kriegsspiels in die Schlacht geht und sich denkt "Ich habe (laut den Würfelregeln im Kriegsspiel) eine 98%ige Chance, dass dieser Plan funktioniert, also brauche ich keinen Notfallplan", der geht ziemlich schnell unter, weil die Realität auf die Wahrscheinlichkeiten der Simulation scheißt.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Crimson King am 15.12.2019 | 22:09
Ich habe beim W100 System angeschaut, wie hoch dass die Chance ist, einen Erfolg zu erhalten. Bei 1% ist es eben im Schnitt ein Erfolg pro 100 Würfe. Bei 2% sind es schon ein Erfolg auf 50 Würfe. Bei 10% ist es ein Erfolg alle 10 Würfe. Bei 33% ist es grob ein Erfolg alle 3 Würfe. Bei 50% sind es bereits ein Erfolg ca. jeden 2. Wurf. Zeichnet man das auf, gibt das eine Kurve.

Zufallsereignisse sind voneinander unabhängig. Die Wahrscheinlichkeit, bei folgenden Würfen einen Erfolg zu haben, ist vom Ergebnis des voran gegangenen unabhängig. Entscheidend ist demnach die Wahrscheinlichkeit, bei einem einzelnen Wurf erfolgreich zu sein. Und die ändert sich linear.

Was du machst, ist (falsch) zu berechnen, wie oft man durchschnittlich würfeln muss, um einen Erfolg zu haben. Für die eine Probe, die ich gerade vor der Nase habe, ist das aber irrelevant. Da habe ich nur einen Wurf.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Luxferre am 15.12.2019 | 22:17
Zufallsereignisse sind voneinander unabhängig. Die Wahrscheinlichkeit, bei folgenden Würfen einen Erfolg zu haben, ist vom Ergebnis des voran gegangenen unabhängig. Entscheidend ist demnach die Wahrscheinlichkeit, bei einem einzelnen Wurf erfolgreich zu sein. Und die ändert sich linear.

Was du machst, ist (falsch) zu berechnen, wie oft man durchschnittlich würfeln muss, um einen Erfolg zu haben. Für die eine Probe, die ich gerade vor der Nase habe, ist das aber irrelevant. Da habe ich nur einen Wurf.

Deswegen habe ich ja auch eine 50%ige Chance auf dem W6 eine 6 zu würfeln ... entweder ich würfle sie, oder nicht ...  >;D
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Chiarina am 15.12.2019 | 22:20
Zitat von: YY
Objektiv schlecht sind z.B. missverständliche Formulierungen oder logische Widersprüche zwischen eindeutig formulierten Regeln - das sind einfach Handwerksfehler und keine Fragen von Spielstil oder Geschmack.

Ich hatte den Eindruck, dass es hier um mehr als das geht und sich die Klage über objektiv schlechte Regeln mit Meinungen vermischt.

Für viel wichtiger als das sich anbietende Streitgespräch über Objektivität, das mit großer Sicherheit keine relevanten Folgen hat, halte ich es, zu spielen statt zu jammern...
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Ainor am 15.12.2019 | 23:01
Zufallsereignisse sind voneinander unabhängig. Die Wahrscheinlichkeit, bei folgenden Würfen einen Erfolg zu haben, ist vom Ergebnis des voran gegangenen unabhängig. Entscheidend ist demnach die Wahrscheinlichkeit, bei einem einzelnen Wurf erfolgreich zu sein. Und die ändert sich linear.

Was du machst, ist (falsch) zu berechnen, wie oft man durchschnittlich würfeln muss, um einen Erfolg zu haben. Für die eine Probe, die ich gerade vor der Nase habe, ist das aber irrelevant. Da habe ich nur einen Wurf.

Nun, es ist aber schon entscheidend dafür wie sich ein Fertigkeitswert X anfühlt. Und es ist nunmal eine Eigenschaft der linearen Wahrscheinlichkeit dass am ende der Skala ein Punkt mehr Einfluss auf die Fehlschlagchance hat als anderswo.

Da beste Beispiel dafür ist Rüstungsklasse (von D&D vereinfacht). Am Anfang, also bei 0, trifft der Gegner immer.
Wenn ich jetzt 10 Punkte dazubekomme (W20) dann trifft der Gegner in 50% der Fälle. Ich nehme im Durchschnitt also nur halb so viel Schaden. Wenn ich noch 5 Punkte dazu bekomme halbiert sich der Schaden nochmal. Am Ende, also bei 19, braucht man nur einen Punkt um den erwarteten Schaden noch mal zu halbieren.

Die Wahrscheinlichkeit ist zwar linear, aber wieveil ein Punkt wirklich wert ist hängt stark davon ab wo man auf der Kurve ist.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Feuersänger am 15.12.2019 | 23:06
Wenn ein Powergamer nur seinen eigenen Charakter optimiert und den Rest der Runde einfach machen lässt (mit Beratung zur Seite steht, wenn ein Spieler unzufrieden mit den SC-Fähigkeiten ist, sich sonst aber geflissentlich raushält), dann läuft alles recht harmonisch.

Naja, das ist doch der Punkt. Es kommt eben sehr leicht zu Unzufriedenheit auf Seiten der Low-Op Spieler, wenn sie merken dass der Powergamer sie im Prinzip redundant macht. Wenn beispielsweise ein Power-Kleriker nicht nur den Supportkram handlet sondern _auch noch_ ein stärkerer Krieger ist als der Kämpfer, der da wacker mit seinen pimmeligen 1d8+10 oder so zuhaut.
Für den SL ist die Situation freilich auch schwierig, wenn die Power-Schere so weit auseinandergeht, dass seine Monster entweder den Power-Char nicht anrühren können oder die Low-Ops automatisch in den Boden einmassieren.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Thaddeus am 15.12.2019 | 23:12
Da haben einige KoSims schon recht erfolgreich den Gegenbeweis angetreten.
Dagegen würde ich einwenden, dass KoSims keine Rollenspiele sind.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Alexandro am 15.12.2019 | 23:27
Naja, das ist doch der Punkt. Es kommt eben sehr leicht zu Unzufriedenheit auf Seiten der Low-Op Spieler, wenn sie merken dass der Powergamer sie im Prinzip redundant macht.

Ich kenne einen Haufen Runden, wo Spieler kein Problem damit haben einen "redundanten" Charakter zu spielen. Sie waren alle relativ zufrieden damit, einfach ihren Charakter zu spielen, selbst wenn sie ihre "Rolle" schlechter als der Powergamer ausfüllen. Wenn der unbedingt die ganze Arbeit haben will - soll er doch.

Eigentlich habe ich die Unzufriedenheit nur umgekehrt erlebt: dass Arschkrampen-Powergamer den Rest der Runde unter Druck setzen, damit diese ihre Charaktere optimieren, weil sie eben diese schräge Vorstellung von Synergien zwischen den Charakteren haben (und statt sich eine Powergamer-Runde zu suchen, versuchen sie den Rest der Runde auf Biegen und Brechen in diese Richtung zu drängen).
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Feuersänger am 15.12.2019 | 23:41
Also genau mein Punkt: Runden funzen besser, wenn alle Teilnehmer auf derselben Stufe stehen, sodass sich niemand verbiegen muss.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Alexandro am 15.12.2019 | 23:51
Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was ich gesagt habe.

Ich habe einen Haufen Runden erlebt, wo Powergamer fröhlich vor sich hin powergamen und eigentlich jede Nische ausfülllen und der nicht-powergamende Teil der Runde hat trotzdem Spaß. Wenn das nicht klappt, dann liegt das eher nicht daran, dass die Runde nicht homogen ist, sondern daran, dass es einen Spieler gibt, der die Unterschiedlichkeit der Spielstile nicht akzeptieren kann.*

*EDIT: am ehesten ist diese Form des Powergamens mit den "Besserspielern" der Kiesow-Ära zu vergleichen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Crimson King am 15.12.2019 | 23:55
Nun, es ist aber schon entscheidend dafür wie sich ein Fertigkeitswert X anfühlt. Und es ist nunmal eine Eigenschaft der linearen Wahrscheinlichkeit dass am ende der Skala ein Punkt mehr Einfluss auf die Fehlschlagchance hat als anderswo.

Da beste Beispiel dafür ist Rüstungsklasse (von D&D vereinfacht). Am Anfang, also bei 0, trifft der Gegner immer.
Wenn ich jetzt 10 Punkte dazubekomme (W20) dann trifft der Gegner in 50% der Fälle. Ich nehme im Durchschnitt also nur halb so viel Schaden. Wenn ich noch 5 Punkte dazu bekomme halbiert sich der Schaden nochmal. Am Ende, also bei 19, braucht man nur einen Punkt um den erwarteten Schaden noch mal zu halbieren.

Die Wahrscheinlichkeit ist zwar linear, aber wieveil ein Punkt wirklich wert ist hängt stark davon ab wo man auf der Kurve ist.

Das ist so nicht richtig. Die Schadenshalbierung von 18 auf 19 ist viel weniger wert als die von 0 auf 10, denn sie senkt den Schaden nur um 5% des potenziellen Gesamtschadens, während die RK-Änderung von 0 auf 10 den erwarteten Schaden um satte 50% des gegnerischen Schadenspotenzials senkt.

Der mittlere Schaden sinkt linear mit der RK.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: YY am 16.12.2019 | 00:08
Und Kriegsspiel zumindest versucht gar nicht zu "simulieren", wie wahrscheinlich das Eintreten eines bestimmten Ereignisses ist

Da schau dir mal an, wie die Würfel aussehen und warum.

Dagegen würde ich einwenden, dass KoSims keine Rollenspiele sind.

Speziell wenn es um Kämpfe geht, ist der Unterschied mMn verschwindend gering.
Grundsätzlich gilt: Man kann diese Dinge vereinfachen und simulieren, ob mit Würfeln oder anderweitig. Wird erfolgreich gemacht, nicht nur in Spielen.
 

Für viel wichtiger als das sich anbietende Streitgespräch über Objektivität, das mit großer Sicherheit keine relevanten Folgen hat, halte ich es, zu spielen statt zu jammern...

Man kann ja beides machen - spielen und jammern ;D

Im Spiel ist es mir auch egal, ob eine Regel z.B. undurchsichtig formuliert ist - ich habe meine Interpretation dann schon längst gefunden und damit ist das für die Spielpraxis erledigt.
Das ist dann ehrlich betrachtet eine eher abstrakte Beschwerde, aber es wäre eben trotzdem schöner, wenn sich die Frage nie gestellt hätte. Vor allem wenn man sieht, dass es anderswo wunderbar funktioniert.
Es ist nicht unmöglich, nur schwer. Und damit ein Bereich, wo man wunderbar maulen kann  ~;D
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Alexandro am 16.12.2019 | 00:24
Da schau dir mal an, wie die Würfel aussehen und warum.

Von welchem KoSim jetzt?

Die verwenden alle unterschiedliche Würfel. Welches von denen simuliert jetzt "richtig" und welche simulieren "falsch" (denn alle können gar nicht richtig liegen - dafür sind sie zu unterschiedlich).
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Chiarina am 16.12.2019 | 01:00
Zitat von: YY
Man kann ja beides machen - spielen und jammern.

Schau dir Stränge wie diesen an! In der Zeit, in der ich diese Diskussion mitverfolge, dann auch noch eigene nutzlose Beiträge verfasse und hinterher den Eindruck gewinnen kann, dass Rollenspiele so richtige Spaßverderber sein können, kann ich auch... beispielsweise ein Abenteuer vorbereiten, mit dem ich eine Menge Spaß haben kann.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Ainor am 16.12.2019 | 01:26
Das ist so nicht richtig.

Es sind unterschiedliche Betrachtungsweisen derselben Mathematik. Insofern macht "nicht richtig" hier keinen Sinn.

Der mittlere Schaden sinkt linear mit der RK.

Als Anteil am Schadenspotential ja (genau wie die Erfolgswahrscheinlichkeit bei Fertigkeitsproben)


Die Schadenshalbierung von 18 auf 19 ist viel weniger wert als die von 0 auf 10, denn sie senkt den Schaden nur um 5% des potenziellen Gesamtschadens, während die RK-Änderung von 0 auf 10 den erwarteten Schaden um satte 50% des gegnerischen Schadenspotenzials senkt.

Warum ist sie weniger wert ? Mich interessiert doch nicht das gegnerische Schadenspotential, sondern wie viele Runden ich überlebe (wenn ich das verdoppele kann ich dem Gegner im Kampf auch doppelt so viel Schaden machen).

Das Gegenstück bei Fertigkeitsproben ist die Anzahl der Versuche die ich brauche bis ich die Probe schaffe. Und die ist eben bei linearer Erfolgswahrscheinlichkeit nicht linear, weshalb eben der von Guntar beschriebene Eindruck entsteht.

Welche Zahl jetzt konkret relevanter ist kann je nach Regelwerk ganz verschieden sein.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: YY am 16.12.2019 | 06:19
Von welchem KoSim jetzt?

Kriegsspiel - davon war doch die Rede.

Welches von denen simuliert jetzt "richtig" und welche simulieren "falsch" (denn alle können gar nicht richtig liegen - dafür sind sie zu unterschiedlich).

(auch @Thaddeus:)

Natürlich sind alle Modelle und Simulationen nur Näherungen und rücken verschiedene Aspekte in den Fokus.
Die gibt es nicht nur in unterschiedlich komplex, sondern auch schlicht in gut und weniger gut gelungen (und man sollte Modelle mMn durchaus daran messen, dass sie mit möglichst wenig Aufwand gute bis sehr gute Näherungen/Abbildungen erreichen).

Aber der Umstand, dass kein Modell jemals perfekt sein kann, berechtigt nicht zur Schlussfolgerung, dass alle Modelle und alle Simulationsversuche zwingend immer Unsinn sind.

Der Grundfehler - und damit sind wir wieder beim Eingangsbeitrag - ist vielmehr der, dass sich die Autoren vieler Systeme nicht ausreichend klar gemacht haben, was überhaupt wie modelliert werden soll. Wenn man dann einfach mehr oder weniger ziellos vor sich hin werkelt, kommt auch nichts Brauchbares rum.

In der Zeit, in der ich diese Diskussion mitverfolge, dann auch noch eigene nutzlose Beiträge verfasse und hinterher den Eindruck gewinnen kann, dass Rollenspiele so richtige Spaßverderber sein können, kann ich auch... beispielsweise ein Abenteuer vorbereiten, mit dem ich eine Menge Spaß haben kann.

Dann will ich dich nicht weiter hier halten - wenn dir das hier nicht nur keinen Nutzen bringt, sondern am Ende sogar schadet, mach was anderes.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Chiarina am 16.12.2019 | 07:35
Zitat von: YY
Dann will ich dich nicht weiter hier halten - wenn dir das hier nicht nur keinen Nutzen bringt, sondern am Ende sogar schadet, mach was anderes.

Ich wünsche weiterhin noch angenehmes Selbstmitleid.

Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Achamanian am 16.12.2019 | 07:37

Das Gegenstück bei Fertigkeitsproben ist die Anzahl der Versuche die ich brauche bis ich die Probe schaffe. Und die ist eben bei linearer Erfolgswahrscheinlichkeit nicht linear, weshalb eben der von Guntar beschriebene Eindruck entsteht.


Schwarz ist weiß ...?
Nochmal: Du "brauchst" nicht fünfzig Versuche, um mit einem Wert von 2 auf einer 100er-Skala einen Erfolg zu erzielen; du musst nicht 50x würfeln, und der 50. (oder auch der 49. oder 51.) Wurf ist die 01 oder 02; Und die Wahrscheinlichkeit, eine 01 oder 02 zu würfeln, ist auch nicht gestiegen, wenn du sie vorher 49% nicht gewürfelt hast. Du kannst nicht vorhersagen, wie viele Würfe du brauchst, Die "Wahrscheinlichkeit" eines Erfolgs sagt dir lediglich, wie viele der möglichen Ergebnisse einen Erfolg bedeuten. Auf 2W6 ist die 7 deshalb wahrscheinlicher, weil sie durch eine vielzahl von Ergebnissen realisiert werden kann (1/6, 2/5, 3/4, 4/3 ...), die 12 dagegen nur durch eines (6/6). Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, wenn jede Zahl nur durch genau ein Ergebnis realisiert werden kann, eben linear.
Wenn du 50x würfelst, ist es wahrscheinlich, dass hinterher irgendwann mal eine 1 oder 2 dabei war. Das heißt aber nicht, dass du mit einem Wert von 02 50x Würfeln musst, um einen Erfolg zu haben.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Luxferre am 16.12.2019 | 07:48
Könnten wir zurück zu schlecht designten Regelwerken?  :d

Nein ...
Doch ...
Orrrr ...

Hatten wir zu Genüge.



Weltengeist: ich weiß genau, wovon Du redest. Schlechte Mathematik, oder auch schlechter werdende Mathematik mit mehr Splatbooks, ist mir ein Graus. Dabei wird doch täglich versucht die Realität über Algorithmen und andere Tools abzubilden. Nur ist fraglich, ob ein Rollenspielsystem das abzubilden vermag. Mal rein betrachtet eine gerechte Chance abzubilden, ist FATE mit seinen Würfeln (bis zu +/- 4 vom Fertigkeitswert) erstmal recht plausibel. Der Erwartungswert entspricht dem Fertigkeitenwert mit einer Streuung, die einen Meister nicht grandios scheitern lässt und einen blutigen Anfänger keine Meisterarbeiten hinlegen lässt. Ist mir persönlich aber viel zu grob skaliert.
Daher dann irgendwann mein Bestreben ein 3w6 System zu basteln, welches definitiv von Dragon Age und GURPS inspiriert ist, aber eben auch andere Dinge abbildet, wie: Wunden mit Trefferzonen, zwei Dutzend Talente die das System nicht sprengen, spielbare Völker mit messbar unterschiedlichen Stärken und Schwächen, plausible Abbildung von Wahrscheinlichkeiten bei verschiedenen Fertigkeitsgraden, mundaner Kampf und Magie sollen grob ebenbürtig sein und beide langfristig Spaß bringen ...
Es gibt da so viele Punkte, die ich gern abgebildet sähe. Und das ganze vor einem bodenständig-heldigen Hintergrund.

Ich schreibe dazu gern nochmal mehr, wenn ich ab Donnerstag endlich im Urlaub bin.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 16.12.2019 | 08:24
Könnten wir zurück zu schlecht designten Regelwerken?  :d

Ich ertappe mich auch schon langsam dabei, meinen eigenen Thread nur noch oberflächlich zu lesen, auch weil es mir scheinbar nicht gelingt, meinen eigentlichen Punkt klar rüberzubringen. Immer wieder geht es hier um Geschmacksfragen, worum es mir gar nicht ging. Ich glaube keine Sekunde daran, dass solche Bugs wie gerade in WOIN ("Die Sprunghöhe ohne Probe beträgt 2,40 m, bei gleichzeitiger Sprungweite von 3,30 m. Falls Ihre Sprunghöhe aufgrund dieser Regel größer ist als die Sprungweite, dann begrenzen Sie die Sprunghöhe durch die Sprungweite.") irgendeiner Zielgruppe geschuldet sind - sie sind einfach objektiver Mist. Und ich finde so etwas in beinahe jedem Regelbuch.

Mir geht es auch nicht darum, die Realität realistisch abzubilden. Ich bin bekennender Pulp-Spieler und Gamemaster-Empowerment-Fanatiker, mir geht es nicht um Simulationismus. Mir geht es darum, dass ich von einem Regelwerk erwarte, dass es weiß, wofür es stehen will, und das dann auch umsetzt. Und ja, Rumpel hat Recht - an den extremen Rändern (reines Taktiker-Spiel, reines Erzähl-Spiel,...) gelingt das scheinbar besser als im "Mittelfeld" dessen, was die Mehrzahl der Szene unter Rollenspiel verseht.

Zitat
Daher dann irgendwann mein Bestreben ein 3w6 System zu basteln, welches definitiv von Dragon Age und GURPS inspiriert ist, aber eben auch andere Dinge abbildet, wie: Wunden mit Trefferzonen, zwei Dutzend Talente die das System nicht sprengen, spielbare Völker mit messbar unterschiedlichen Stärken und Schwächen, plausible Abbildung von Wahrscheinlichkeiten bei verschiedenen Fertigkeitsgraden, mundaner Kampf und Magie sollen grob ebenbürtig sein und beide langfristig Spaß bringen ...
Es gibt da so viele Punkte, die ich gern abgebildet sähe. Und das ganze vor einem bodenständig-heldigen Hintergrund.

Auch wenn ich da jetzt nichts zu geschrieben habe, verfolge ich dein Projekt hier im Tanelorn durchaus mit Interesse. Und wenn ich in der Nähe von Hamburg sitzen würde, hätte ich schon längst bei dir angerufen mit dem Vorschlag, dass wir uns mal zusammensetzen ;). Aber ich weiß nicht, ob ich gerade Lust und Zeit habe, so etwas über Skype zu machen...
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: takti der blonde? am 16.12.2019 | 08:33
Rollenspielsysteme müssen zwangsläufig unvollständig sein, weil Rollenspiele alle denkbaren Handlungen zulassen können. Meine Anforderung ist also nur, dass die Regeln mir ein Template bieten alles einigermaßen schnell auch spontan "verregeln" zu können.

Handwerkliche Schlampigkeit ist natürlich trotzdem sehr ärgerlich (Schlechte Formulierungen, unübersichtliches Layout etc.).

Grüße

Hasran
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Thaddeus am 16.12.2019 | 08:42
@YY: Korrigiere mich gerne, aber in einer KoSim werden doch nicht einzelne Menschen, sondern Gruppen von Menschen abgebildet. Was auf Battalionsebene funktionieren mag, scheitert meiner Meinung nach beim Individuum. Über eine Armee kann ich statistische Aussagen treffen, über ein Individuum nicht. Und hier liegt meiner Meinung nach das Problem.

[...]eine gerechte Chance abzubilden[...]
Ein Schlagwort mit dem ich so meine Probleme habe. Was soll das denn sein? Was ist denn die gerechte Chance eines Herzchirurgen eine Herzklappen-OP korrekt durchzuführen? Ich könnte natürlich jetzt hier (https://www.hamburger-krankenhausspiegel.de/qualitaetsergebnisse-a-z/herz-chirurgie/herzklappen-op-offen-chirurgisch/sterblichkeit/) gucken und sagen: 98 % in Hamburg, sonst 97,9 %, also schnell mal die W% geworfen. Alle Herzchirurgen würden jetzt aber korrekterweise aufschreien, wenn ich behaupte, die 2 % Sterblichkeit ergäben sich aus handwerklichem Ungeschick. Damit würden nämlich ettliche Faktoren wie: Prädispositionen und Vorerkrankungen oder allgemeiner Gesundheitszustand des Patienten, Sterilität im Krankenhaus, etc. außer Acht gelassen. Also ist die gerechte Chance doch eher 99,7 %? Und für die 1,7 % bei denen die OP auch bei korrekter Ausführung schiefgeht würfelt jetzt er Patient? D.h. der Herzchirurg hat einen Fertigkeitswert von 99,7 %?

Ich könnte jetzt natürlich hingehen und sagen: jaaa, gut, okay... im Krankenhaus-OP in Hamburg ist der Fertigkeitswert 99,7 %, aber da würde ich ja aber auch nicht würfeln lassen! Aber was ist, wenn die OP im Feldlazarett durchgeführt werden soll, bei gleichzeitigem Artilleriebeschuss und senfgasverhangener Luft??? Naja... da könnte ich jetzt natürlich die Kiste mit Modifikatoren aufmachen, aber der Fertigkeitswert bliebe weiterhin bei 99,7 % stehen.

Um auf das Eingangsposting zurückzukommen: In gewisser Hinsicht kann ein Regelwerk objektiv schlecht sein. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn es bspw. in sich widersprüchlich ist oder selbst aufgestellte Prämissen nicht einhält. Die anderen Kritikpunkte lassen sich glaube ich schwer verobjektivieren.

Ich bin deshalb der Meinung und lasse mich gerne belehren, dass das Bezugssystem für die Wahrscheinlichkeit einer Probe die Spielrunde und die gemeinsame Erzählung sein muss und nicht eine vermeintliche Realität, die es abzubilden gibt. Alles andere führt zu merkwürdigen Situationen und am Ende zu Frust.

@Rumpel: Und nein, FATE ist nicht die einzige Möglichkeit gute Rollenspiele zu designen ;)

Zitat von: Weltengeist
Oder dass mir (einer meiner All-Time-Favorites) immer wieder Fähigkeiten als Talente / Feats / Meisterschaften / whatever verkauft werden, die im wirklichen Leben jeder kann
Dieser Satz spricht mir aus der Seele und ist einer der Hauptkritikpunkte an klassischen RPG, die ich immer wieder erhebe. Ich kann mich gut an eine Szene aus einer DnD-Runde erinnern, in der ich einen Gegner umrennen wollte und der SL nur meinte: das kannst Du nicht, Dir fehlt das feat bullrush.


Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 16.12.2019 | 08:47
Rollenspielsysteme müssen zwangsläufig unvollständig sein, weil Rollenspiele alle denkbaren Handlungen zulassen können. Meine Anforderung ist also nur, dass die Regeln mir ein Template bieten alles einigermaßen schnell auch spontan "verregeln" zu können.

Siehst du, aber auch das ist ja ein Designziel für ein Rollenspiel: Stelle ein Framework zur Verfügung, innerhalb dessen der Spielleiter seine Rulings machen kann. Wenn das System das so will und dann auch umgesetzt kriegt, wäre das gutes Design im Sinne dessen, was ich hier meine.

Was wir aber häufig erleben, sind 200 Seiten Regeln, die von niemandem so gespielt werden (können), wie sie da stehen, weil sie widersprüchlich oder unvollständig sind oder für bestimmte Konstellationen (höhere Stufen, größere Gruppe oder Powergamer-Gruppen sind klassische Beispiele) nicht funktionieren. Da gibt es dann nicht Hausregeln, weil man spezielle Vorlieben hat, sondern Hausregeln, weil das System ohne gar nicht wirklich benutzbar ist. Und das ist dann für mich schlechtes Regeldesign.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: takti der blonde? am 16.12.2019 | 08:55
Da gibt es dann nicht Hausregeln, weil man spezielle Vorlieben hat, sondern Hausregeln, weil das System ohne gar nicht wirklich benutzbar ist. Und das ist dann für mich schlechtes Regeldesign.

Dem kann ich sehr weit zustimmen. Ich wollte dir auch im Vorfeld nicht widersprechen, halte es nur für einen konzeptionellen Fehler von den Regeln zu fordern, alles erdenkliche problemlos abzubilden. Was auch nicht heißen soll, dass hier jemand konkret in diese Falle getappt ist, aber manche Beiträge streifen zumindest diese Idee.

Grüße

Hasran
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: First Orko am 16.12.2019 | 09:05
Zum Einen kann ich den Frust nachvollziehen. Ich musste direkt an das Thema "Index" denken. Es ist mir ja nach wie vor unerklärlich, wie man sich bei hinreichend komplexen Regelwerken mit dutzenden von Querverweisen heutzutage nach wie vor nicht in der Lage sieht, ein bißchen mehr Arbeit in den Index zu stecken und diese Seiten hinten im Buch für die meisten Regelwerke, bei denen es sinnvoll wäre, bestenfalls "gut gemeint" sind...

Zum Anderen bin ich froh, dass ich mich mittlerweile frei von dem Drang nach Komplexität im Rollenspiel gemacht habe. Nicht, dass ich nicht grundsätzlich auch mal gern etwas mehr taktische Tiefe hätte als Pro-Forma-Zonen und ne handvoll grobe Kategorien an Waffen (alles mit Klinge, alles was schießt...). Aber effektiv von dem Drang abgebracht haben mich eigentlich folgende Dinge:

a) Mitspieler finden, die eine ähnliche Vorstellung vom Spiel mit so einem System haben und NICHT die weitverbreitete Dichotomie teilen, dass taktische System = weniger Rollenspiel bedeuten müssen
b) der Vorbereitungsaufwand für mich als SL

Und gerade bei (b) haben es mir die meisten Systeme schwer. Schön, dass ich mit den dutzenden von Eigenschaften, Talenten, Fertigkeiten, Vorteilen und Nachteilen usw. sehr klar abgegrenzte SC und tausende von Möglichkeiten bekomme.
Aber wenn ich dann bei den ersten Kämpfen mitbekomme, wie aufwändig die NSC-Verwaltung wird - ganz zu schweigen von Erstellung! NATÜRLICH muss ich jeden NSC wie einen SC bauen... weil wegen realistisch?! NATÜRLICH gibt es keine Regel zur Zusammenfassung von Gruppen! NATÜRLICH nutzen die NSC dasselbe Lebenspunktesystem wie SC... usw.
Mir ist bewusst, dass es da Systeme gibt, die ganz gute Wege gehen... aber oftmals scheitern die dann an der Welt, die wiederum zu hart mit dem System verbunden wurde, um das "mal eben" auf eine eigene Welt zuzuschneidern. Oder es bleibt halbgar, wie Weltengeist es so schön beschreibt.
Für mich ist da nach wie vor Savage Worlds die beste Lösung, wenn es etwas detailierter werden soll. Aber mir ist auch bewusst, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist... umso ärgerlicher, dass danach eben weiterhin die Mängel so verbeitet zu sein scheinen...

Die Konsequenz für mich ist letzlich: Für taktisch anspruchsvolles Spiel dann doch Brettspiele. Auf dem Markt nehme ich da in den letzten Jahrzehnten auf jeden Fall eine deutliche Verbesserung was übergreifende Qualitätskriterien angeht wahr (Fokus der Regeln, Didaktik der Regelwerke, Verabeitung, Präsentation, Einhaltung des Designziels)!
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Thaddeus am 16.12.2019 | 09:06
Ich glaube keine Sekunde daran, dass solche Bugs wie gerade in WOIN ("Die Sprunghöhe ohne Probe beträgt 2,40 m, bei gleichzeitiger Sprungweite von 3,30 m. Falls Ihre Sprunghöhe aufgrund dieser Regel größer ist als die Sprungweite, dann begrenzen Sie die Sprunghöhe durch die Sprungweite.") irgendeiner Zielgruppe geschuldet sind - sie sind einfach objektiver Mist. Und ich finde so etwas in beinahe jedem Regelbuch.

[snip]

Was wir aber häufig erleben, sind 200 Seiten Regeln, die von niemandem so gespielt werden (können), wie sie da stehen, weil sie widersprüchlich oder unvollständig sind oder für bestimmte Konstellationen (höhere Stufen, größere Gruppe oder Powergamer-Gruppen sind klassische Beispiele) nicht funktionieren.
Ja, das halte ich auch für Quark und ist meiner Meinung nach der Vorstellung geschuldet, dass irgend etwas simuliert werden müsste. Ich reagiere ähnlich allergisch, wenn es heißt: Du darfst Dich jede Runde genau 6 Felder weit auf der Battlemap bewegen.

Wie gesagt: ich glaube, dass viele Rollenspiele an dem von mir postulierten Strukturfehler leiden und sich deshalb haarsträubende Ergebnisse zeitigen. Mit der Folge, dass alles mögliche verhausregelt oder ignoriert wird. Deskriptive Systeme wie pbta oder FATE sind - behaupte ich - hier im Vorteil, da sie diese Fehlerquelle nicht haben.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Crimson King am 16.12.2019 | 09:14
Ich ertappe mich auch schon langsam dabei, meinen eigenen Thread nur noch oberflächlich zu lesen, auch weil es mir scheinbar nicht gelingt, meinen eigentlichen Punkt klar rüberzubringen.

Meine Vermutung ist eher, dass der eigentliche Punkt von so ziemlich jedem genauso wahrgenommen wird. Also diskutiert man drum herum.

Das WOIN-Beispiel zeigt aber ganz gut, welche Probleme man sich einhandelt, wenn man simulieren will. Insofern ist es ja gut, dass es dir nicht um Simulation geht. Dann sollte ein Regelwerk aber auch nicht sagen, wieviel Meter, Zentimeter weit und hoch man springen kann, sondern lediglich Zielwerte für Schwierigkeitsgrade vorgeben. Welchen Schwierigkeitsgad eine Aktion am Ende hat, ist dann der Erzählung zu entnehmen oder dem Gusto der Spielleitung.

Praktisch alle Systeme, die bei mir Haar-, Zahn- und Nagelausfall verursachen, sind jedenfalls entweder der simulationistischen Ecke zuzuordnen oder historisch gewachsen und schaffen es nicht, sich von ihrem Erbe zu lösen, oder beides.

Mir ist davon abgesehen nicht klar, warum bei deinen Spielvorlieben Ubiquity nicht dein Leib- und Magensystem ist. Stören dich die Gummipunkte so sehr?
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Evil Batwolf am 16.12.2019 | 09:15
Ja, das halte ich auch für Quark und ist meiner Meinung nach der Vorstellung geschuldet, dass irgend etwas simuliert werden müsste. Ich reagiere ähnlich allergisch, wenn es heißt: Du darfst Dich jede Runde genau 6 Felder weit auf der Battlemap bewegen.

Wie gesagt: ich glaube, dass viele Rollenspiele an dem von mir postulierten Strukturfehler leiden und sich deshalb haarsträubende Ergebnisse zeitigen. Mit der Folge, dass alles mögliche verhausregelt oder ignoriert wird. Deskriptive Systeme wie pbta oder FATE sind - behaupte ich - hier im Vorteil, da sie diese Fehlerquelle nicht haben.


Vielleicht sind es ja nicht die Regelwerke, sondern die Leute, die sie spielen, die diesen Simulationsanspruch haben.

Schach beschäftigt sich mit einer Schlacht zwischen zwei Armeen. Auf völlig absurde Weise. Da dürfen Läufer nur diagonal ziehen, die Kavallerie hüpft in einem merkwürdigen Zickzacksprung über das Schlachtfeld. Völlig Banane  ~;D. Lässt man den simulationistischen Anspruch allerdings weg, ist dasselbe Spiel total genial.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Crimson King am 16.12.2019 | 09:25
Es sind unterschiedliche Betrachtungsweisen derselben Mathematik. Insofern macht "nicht richtig" hier keinen Sinn.

Du solltest Politiker werden oder Ökonom. Dort ist die Begabung, mathematisch eindeutige Sachverhalte so lange zu verbiegen, bis sie ein bestimmtes Ergebnis widerspiegeln, quasi Erfolgsvoraussetzung.

Ansonsten solltest du dir natürlich anschauen, wieviele Kampfrunden du durch die Verbesserung der RK zusätzlich überleben kannst. Wenn du mit Rk 18 im Mittel 10 Runden überlebt hast, werden das bei RK 19 gleich 20 Runden sein. Und das mit einem einzigen Punkt! Kein Vergleich zu dem Sprung von 0 auf 10, der dich vielleicht zwei Runden statt einer im Kampf hält. Also merken: wenn du eh schon super gerüstet bist, bringt dir weitere Rüstung einen phantastischen ROI. Wenn du eh schlecht geschützt bist, solltest du dagegen auf eine Verbesserung des Schutzes keinerlei Wert legen. Das lohnt einfach nicht.  :o
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Issi am 16.12.2019 | 10:29
Was Regeln mMn. auch tun, neben dem Abbilden der Welt : Sie erzeugen Spielstimmung. (Wie fühlt sich das als Spieler an? (In Rolle) )
Behindern die Regeln meine Fiktion oder nicht?
(Muss ich erst viele Würfel werfen, und viele Ergebnisse addieren, bevor ich überhaupt weiß, ob ich etwas geschafft habe? Oder geht das vielleicht mit weniger Würfeln? )
Oder
Wieviel Metawissen muss ich als Spieler zusätzlich zu meinem Spielerwissen verwalten? (Denn das hat uU. starken Einfluss auf die Immersion)

Es gibt sicher noch mehr Dinge, auf die man als Spieledesiner achten muss.
Mir fällt halt als Spieler auf, dass sich bestimmte Systeme für mich nicht "leicht und easy" sondern "eher schwer, umständlich und ungelenk" anfühlen.
Mich in meiner Immersion behindern, mein Spielgefühl negativ beeinflussen, dann spiele ich lieber was, was das eben nicht tut.

Wenn ich mit 80 % der Regeln zufrieden bin, das Grundgerüst für mich stimmt,  kann ich mir auch mit Hausregeln weiterhelfen.
Kommt mir schon das Grundgerüst komisch vor, dann suche ich mir lieber was anderes.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Alexandro am 16.12.2019 | 12:19
Kriegsspiel - davon war doch die Rede.

Selbe Antwort: es gibt nicht DAS Kriegsspiel, sondern ein paar Dutzend unterschiedliche Kriegsspiele. Welches soll ich mir jetzt anschauen?

Ein Großteil der Würfel der frühen Kriegsspiele waren Sechsseiter (allerdings unterschiedlich viele und mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten für dieselben Ereignisse, von Spiel zu Spiel).

Zitat
Natürlich sind alle Modelle und Simulationen nur Näherungen und rücken verschiedene Aspekte in den Fokus.
Die gibt es nicht nur in unterschiedlich komplex, sondern auch schlicht in gut und weniger gut gelungen (und man sollte Modelle mMn durchaus daran messen, dass sie mit möglichst wenig Aufwand gute bis sehr gute Näherungen/Abbildungen erreichen).

Ähmm, das was diese Spiele machen ist keine Näherung mehr.

Da sagt im wesentlichen ein Kriegsspiel "Der Himmel ist grün", während ein anderes behauptet, dass der Himmel lila sei. Da sie komplett unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie die Realität jetzt aussieht, kommt eben auch eine inkompatible Simulation bei raus.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: nobody@home am 16.12.2019 | 12:23
Selbe Antwort: es gibt nicht DAS Kriegsspiel, sondern ein paar Dutzend unterschiedliche Kriegsspiele. Welches soll ich mir jetzt anschauen?

Vielleicht meint er ja das preußische Original (https://en.wikipedia.org/wiki/Kriegsspiel)... :think:
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Gunthar am 16.12.2019 | 13:16
Vielleicht meint er ja das preußische Original (https://en.wikipedia.org/wiki/Kriegsspiel)... :think:
Wow. Tabletopgaming schon im 18.-JH.  :o :D :d
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Alexandro am 16.12.2019 | 13:20
Schon früher (das von Reißwitz war nicht das Original). Technisch gesehen gab es Kriegsspiele schon im 7. Jhd. in Indien (und evtll. gab es sogar davor noch was, was noch nicht entdeckt wurde) - diese wurden dann über die arabische Welt importiert und die Regeln vereinfacht, so dass am Ende das rauskam, was wir als Schach kennen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: YY am 16.12.2019 | 13:49
@YY: Korrigiere mich gerne, aber in einer KoSim werden doch nicht einzelne Menschen, sondern Gruppen von Menschen abgebildet. Was auf Battalionsebene funktionieren mag, scheitert meiner Meinung nach beim Individuum. Über eine Armee kann ich statistische Aussagen treffen, über ein Individuum nicht.

Es gibt schon ein paar Kosims, die bis auf die individuelle Ebene runtergehen - und sehr viel mehr, die zumindest bis auf Gruppen- oder Halbgruppen- bzw. Fireteam-Ebene ranzoomen, wo natürlich auch viel eher "fast" individuelle Betrachtungen relevant sind als Faktoren, die im Battailonsrahmen o.Ä. zum Tragen kommen.

Und klar kann man statistische Aussagen über Individuen treffen bzw. etwas allgemeiner deren Leistungsfähigkeit in Zahlen darstellen. Das wird z.B. im Baseball recht exzessiv gemacht und hat dort direkten Einfluss auf spieltaktische Entscheidungen.
Auch anderswo findet sich das bei verschiedensten Tests u.Ä.

Was man nicht kann: Daraus das eine "wahre" Ergebnis ableiten nach dem Motto "Wenn man nur genug Daten zusammenträgt, kann man eindeutig berechnen, ob Jackie Chan gegen Bruce Lee gewinnen würde".
Aber man will ja auch nicht das Ergebnis, sondern ein Ergebnis, das halbwegs stimmig ist. Und das leisten gute Modelle allemal.

Ich könnte jetzt natürlich hingehen und sagen: jaaa, gut, okay... im Krankenhaus-OP in Hamburg ist der Fertigkeitswert 99,7 %, aber da würde ich ja aber auch nicht würfeln lassen! Aber was ist, wenn die OP im Feldlazarett durchgeführt werden soll, bei gleichzeitigem Artilleriebeschuss und senfgasverhangener Luft??? Naja... da könnte ich jetzt natürlich die Kiste mit Modifikatoren aufmachen, aber der Fertigkeitswert bliebe weiterhin bei 99,7 % stehen.

Kommt eben drauf an, ob man nur flott ein Ergebnis will oder eine haarkleine OP-Simulation - in erstem Fall bestimme ich nur eine Gesamtwahrscheinlichkeit, ansonsten muss ich noch Folgeschritte einführen, die mir dann z.B. auch genauer auswerfen, warum die OP ggf. gescheitert ist.

Selbe Antwort: es gibt nicht DAS Kriegsspiel, sondern ein paar Dutzend unterschiedliche Kriegsspiele. Welches soll ich mir jetzt anschauen?

Rein begrifflich sind KoSims Kriegsspiele.
Da du eine historische Herkunft angesprochen und dann erst mal in Einzahl vom Kriegsspiel gesprochen hast, bin ich in der Tat vom Reiswitzschen Kriegsspiel mit diesen Würfeln (https://www.commandpostgames.com/product/kriegsspiel-dice/) ausgegangen und die später eindeutige allgemeinere Formulierung ist mir durchgerutscht.

Ändert nichts an meiner Aussage: Nicht alle Kriegsspiele simulieren, einige aber ganz entschieden, u.A. das Reiswitzsche, das zwar nicht das allererste Kriegsspiel ist, aber als Vorläufer und Mitbegründer der modernen KoSim-Tradition gilt.
Und das war damals gerade im Militär deswegen so erfolgreich, weil es als gute Näherung betrachtet wurde.


Da sagt im wesentlichen ein Kriegsspiel "Der Himmel ist grün", während ein anderes behauptet, dass der Himmel lila sei. Da sie komplett unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie die Realität jetzt aussieht, kommt eben auch eine inkompatible Simulation bei raus.

Kein modernes Kriegsspiel stellt sich hin und behauptet, es wäre die alleinig richtige Darstellung der Realität.
Die wissen ganz genau, dass sie nur eine bestimmte Perspektive abbilden können (abhängig u.A. von Abstraktionsgrad, "Zoomstufe" und Spielfokus).
Von daher sehe ich diese Widersprüchlichkeit nicht. Aber da kommen wir wohl nicht zusammen.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Thaddeus am 16.12.2019 | 14:59
Es gibt schon ein paar Kosims, die bis auf die individuelle Ebene runtergehen -
Du kennst Dich mit KoSims augenscheinlich viel besser aus als ich, aber trotzdem: eine KoSim bietet mir stets nur eine begrenzte Zahl an Handlungsmöglichkeiten, die sich im durch die KoSim definierten Rahmen bewegen. Mein Regiment Musketiere kann eben genau nur: marschieren, schanzen, schießen, nahkampf, aber nicht etwas völlig anderes, was der Erfinder des Spiels nicht vorhergesehen hat. Und hier liegt für mich der tragende Unterschied zwischen KoSims und RPGs. Ich kann in einer Kosim nicht auf einmal durch einen kühnen Einfall etwas völlig neues hinzuerfinden.




Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Maarzan am 16.12.2019 | 17:27
Erstaunlich wie viel hier eine Realitäts/Denk-allergie haben und damit ein Problem, dass ihnen solche Sachen wie Realitätscheck in ihre Wunschtraumgeschichten reinspielen könnten.
Der abstruse Verweis auf die ja tatsächlich nicht umsetzbare Perfektion einer Simulation deutet doch schon schwer auf Panik hin. Können Storygames jetzt wegen ausbleibendem Literaturnobelpreis auch abgelehnt werden?

Dabei wird doch niemand gezwungen Spiele zu benutzen, welche sich in dieser Richtung bemühen.
 
Aber spätestens wenn sie nicht nur Solo oder mit sehr gut eingespielten Leuten derselben Wellenlänge spielen (oder aber halt im beiläufigen, groben Funmodus) werden sie dann doch noch wieder mit den abweichenden Vorstellungen ihrer Mitspieler konfrontiert werden und dann eben mit deren nun ungeschriebenen Regelvorstellungen.

Ein gutes Spiel benennt also entweder konkret den angestrebten Abstraktionsgrad - und damit welche Details und folgend Diskussionen es nicht vorsieht zu bedienen - oder aber es verregelt ihn wenigstens so, dass alle Beteiligten nach Möglichkeit einen gemeinsamen Referenzrahmen haben.
Klar kann man sich so auch verhauen und hat dies dann sogar noch für jeden nachlesbar und kritisierbar festgehalten. Aber damit sind selbst solche Ausfälle immer noch besser als keine Verregelung, denn der so transparente Zustand ist wenn nicht als Simulation, so doch als allgemeine verlässliche Spielbasis immer noch geeignet im Gegensatz zum Nebelzustand der Lückenspiele.
Und er ist so natürlich allgemein diskutier- und verbesserbar.

...
Rollenspieldesign ist (mMn) mehr Kunst als Handwerk.
Zwischen Budget und "guten" Regeln sehe ich weder Kausalzusammenhang, noch kann ich da eine Korrelation ausmachen.

...

Diese Idee dürfte ein Hauptproblem für die Flut schlechter regelwerke sein - weil eben das Handwerk nicht genug geachtet wird und sich zu viele lieber als darüber stehende Künstler sehen deren "tolle Idee" das Ganze tragen soll und die sonst noch notwendige Arbeit nachrangig erscheinen lässt.

Budget letztlich = Arbeit .
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: YY am 16.12.2019 | 20:30
eine KoSim bietet mir stets nur eine begrenzte Zahl an Handlungsmöglichkeiten, die sich im durch die KoSim definierten Rahmen bewegen. Mein Regiment Musketiere kann eben genau nur: marschieren, schanzen, schießen, nahkampf, aber nicht etwas völlig anderes, was der Erfinder des Spiels nicht vorhergesehen hat. Und hier liegt für mich der tragende Unterschied zwischen KoSims und RPGs. Ich kann in einer Kosim nicht auf einmal durch einen kühnen Einfall etwas völlig neues hinzuerfinden.

Es ging ja speziell um den Kampfkontext und da verschiebt sich die Unterscheidung schnell von KoSim vs. RPG zu klassischen/konventionellen Rollenspielen vs. abstraktere, narrativere Ansätze.

Ja, das KoSim liefert mir einen klar abgeschlossenen Rahmen. Das tun Kampfregeln aber auch, ggf. mit kleinen "Trichtern", in die ich alle möglichen Sachen reinschmeißen kann, die nicht in die Struktur passen (z.B. die Tricks von Savage Worlds).
Es gibt im Kampf nun mal überschaubar viele sinnvolle Handlungsoptionen. Das KoSim stellt die sinnlosen erst gar nicht zur Diskussion, genau wie entsprechend dicht und abgeschlossen verregelte RPG-Kampfsysteme. Anderswo bleibt es am SL hängen.

Ähnlich kann man das für alle anderen Bereiche durchdeklinieren, die ein RPG-Regelwerk so beackert. Jeden Bereich für sich kann man strukturieren und simulieren, aber wenn man das für alles und jedes macht, wird das Ganze unüberschaubar umfangreich.
Daher beschränkt man sich auf den Spielfokus, dann klappt das.

Wo ich ein unfokussierte(re)s Spiel habe, rennt mir entweder der Umfang davon oder ich habe nicht mehr "für alles eine Regel" (bzw. einen Regelkomplex, die wohlgemerkt trotzdem einer einheitlichen Grundkonstruktion folgen können, an die nur unterschiedliche Dinge angehängt werden), sondern "eine Regel für alles". Das geht dann natürlich wieder, aber in dem Moment muss ich mich vom Simulationsgedanken verabschieden. Dann folgt alles haargenau der gleichen Spielmechanik und wird nur noch auf der Beschreibungsebene ausdifferenziert und mit Leben gefüllt.
Hat beides seine Berechtigung und seine recht offensichtlichen Vor- und Nachteile.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Alexandro am 16.12.2019 | 20:52
Und klar kann man statistische Aussagen über Individuen treffen bzw. etwas allgemeiner deren Leistungsfähigkeit in Zahlen darstellen. Das wird z.B. im Baseball recht exzessiv gemacht und hat dort direkten Einfluss auf spieltaktische Entscheidungen.

Die Spielerstatistiken im Baseball werden idR hauptsächlich von "informierten Laien" verwendet und nicht von Trainern oder anderen Leuten, die damit tatsächlich ihren Lebensunterhalt verdienen.

Zitat
Ändert nichts an meiner Aussage: Nicht alle Kriegsspiele simulieren, einige aber ganz entschieden, u.A. das Reiswitzsche, das zwar nicht das allererste Kriegsspiel ist, aber als Vorläufer und Mitbegründer der modernen KoSim-Tradition gilt.
Und das war damals gerade im Militär deswegen so erfolgreich, weil es als gute Näherung betrachtet wurde.

Soweit ist es noch richtig, allerdings ist der Umkehrschluss (das preußische Militär war erfolgreich, weil die Offiziere viel Kriegsspiele gespielt haben) inzwischen recht ausführlich widerlegt wurden.

Und damit wären wir beim Kernsatz:
Zitat
Aber man will ja auch nicht das Ergebnis, sondern ein Ergebnis, das halbwegs stimmig ist. Und das leisten gute Modelle allemal.

Das ist richtig, allerdings findet sich das in entsprechenden Diskussionen idR nicht wieder.

Da wird oft die Simulation eines Regelsystems in Zweifel, deren Abstraktionssansatz der Diskutant noch nicht einmal ansatzweise verstanden hat. Stattdessen wird dann auf anekdotenhafte Evidenz zurückgegriffen (Mike Pondsmith ist ganz schlimm in dieser Hinsicht - keine Ahnung von Schusswaffen, aber große Behauptungen über diese aufstellen), welche idR eine geringe Validität besitzt, aber sich "richtig anfühlt".

Zeigt man dann die offensichtlichen Mängel der Modelle von Cyberpunk oder GURPS auf, dann heißt es plötzlich "ja, das muss man doch nicht so genau nehmen" und "es muss sich nur halbwegs stimmig anfühlen". So kommen wir nicht weiter.

Zitat
Wo ich ein unfokussierte(re)s Spiel habe, rennt mir entweder der Umfang davon oder ich habe nicht mehr "für alles eine Regel" (bzw. einen Regelkomplex, die wohlgemerkt trotzdem einer einheitlichen Grundkonstruktion folgen können, an die nur unterschiedliche Dinge angehängt werden), sondern "eine Regel für alles". Das geht dann natürlich wieder, aber in dem Moment muss ich mich vom Simulationsgedanken verabschieden. Dann folgt alles haargenau der gleichen Spielmechanik und wird nur noch auf der Beschreibungsebene ausdifferenziert und mit Leben gefüllt.

"Eine Regel für alles" ist etwas, was vorgeblich "simulierende" Spielsysteme idR für fast alles anwenden, was kein Kampf ist. Egal ob Geiselverhandlung oder Blinddarm-OP: die meisten "klassischen" Systeme verwenden die gleichen Regeln dafür. Und seltsamerweise stört sich niemand daran.

Aber wehe, jemand mischt die Kampfregeln in diesen "one-size-fits-all" Regelwust - dann heißt es plötzlich: "Nein, das geht nicht! Das ist keine Simulation mehr!".
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 16.12.2019 | 20:56
Mir ist davon abgesehen nicht klar, warum bei deinen Spielvorlieben Ubiquity nicht dein Leib- und Magensystem ist. Stören dich die Gummipunkte so sehr?

Du wirst lachen - Ubiquity IST mein Lieblingssystem.

Leider hat es den Nachteil, dass es sehr viele Genres nicht bedient, die ich gerne bespiele. Und dass die merkwürdige Publikationsstrategie erfolgreich verhindert hat, dass es so erfolgreich wurde, wie es hätte sein können.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Feuersänger am 16.12.2019 | 21:21
Es ist also nicht...  8) ubiquitous.

*ba-dum tss*
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Crimson King am 16.12.2019 | 21:48
Du wirst lachen - Ubiquity IST mein Lieblingssystem.

Leider hat es den Nachteil, dass es sehr viele Genres nicht bedient, die ich gerne bespiele.

Kann man Space 1889 nicht für Space Opera Settings und Desolation für andere Fantasy Settings verwenden? Mir fehlt da bei beiden die Kenntnis der Regeln.

Oder, wenn du schon darüber nachdenkst, etwas in Eigenbau zu machen, wieso baust du dann nicht auf Ubiquity auf und modifizierst das nach deinem Bedarf?
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: tartex am 16.12.2019 | 21:50
Siehst du, aber auch das ist ja ein Designziel für ein Rollenspiel: Stelle ein Framework zur Verfügung, innerhalb dessen der Spielleiter seine Rulings machen kann. Wenn das System das so will und dann auch umgesetzt kriegt, wäre das gutes Design im Sinne dessen, was ich hier meine.

Was wir aber häufig erleben, sind 200 Seiten Regeln, die von niemandem so gespielt werden (können), wie sie da stehen, weil sie widersprüchlich oder unvollständig sind oder für bestimmte Konstellationen (höhere Stufen, größere Gruppe oder Powergamer-Gruppen sind klassische Beispiele) nicht funktionieren. Da gibt es dann nicht Hausregeln, weil man spezielle Vorlieben hat, sondern Hausregeln, weil das System ohne gar nicht wirklich benutzbar ist. Und das ist dann für mich schlechtes Regeldesign.

Die Frage für mich wäre: wo verläuft die (objektive) Grenze zwischen Rulings und Hausregeln?

Weitergefragt: Wo verläuft die Grenze zwischen Framework und "200 Seiten Regeln"? Können 80 Seiten Regeln noch Framework sein? Oder sind 40 Regeln Framework oder doch 120?

Ich denke du wirst wahrscheinliich antworten, dass nicht die Quantität, sondern die Qualität hier den Unterschied macht.

Wenn das Framework halt sehr kompakt ist, gibt der Spieldesigner aber halt irgendwie die potentiellen Fehlerquellen an die individuellen Spielleiter ab. Ob das dann besseres Design ist, weil das am Papier makellos scheint, aber manche Spielleiter wahrscheinlich dann Käse-Rulings fabrizieren? (Das mag dann für die Spieler weniger befriedigend sein als einen Schwarz-auf-Weiß-Konsens zu haben, der mitunter auch hakt.)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Thaddeus am 16.12.2019 | 21:58
Ja, das KoSim liefert mir einen klar abgeschlossenen Rahmen. Das tun Kampfregeln aber auch
...und damit kann man sehr viel Spaß haben! Voraussetzung: man lässt sich darauf ein und akzeptiert diesen geschlossenen Rahmen, was ja vollkommen okay ist. Bei Brettspielen akzeptieren wir diesen ja auch.

Aber in dem Thread ging es ja darum, warum so viele Regelsysteme so murksig sind.

Zitat
, ggf. mit kleinen "Trichtern", in die ich alle möglichen Sachen reinschmeißen kann, die nicht in die Struktur passen (z.B. die Tricks von Savage Worlds).
...und spätestens hier musst Du die Simulation verlassen oder große Freiheiten inkaufnehmen. Und wir waren ja bei dem Thema: schlechte Regelwerke, und genau bei diesen "Trichtern" fängt es meist an zu knirschen.

Zitat
Es gibt im Kampf nun mal überschaubar viele sinnvolle Handlungsoptionen. Das KoSim stellt die sinnlosen erst gar nicht zur Diskussion, genau wie entsprechend dicht und abgeschlossen verregelte RPG-Kampfsysteme.
Oooh, diese Aussage halte ich jetzt doch für etwas gewagt. Würdest Du das für jede im Rollenspiel denkbare Kampfsituation behaupten wollen? Anders: ich finde es gerade ganz besonders spannend, wenn mich meine Spieler mit verrückten, bekloppten oder wagemutigen Ideen überraschen. Und nichts finde ich frustrierender, als dann sagen zu müssen nee, sorry, das kannst Du nicht, Du hast das passende feat nicht...

Zitat
Ähnlich kann man das für alle anderen Bereiche durchdeklinieren, die ein RPG-Regelwerk so beackert. Jeden Bereich für sich kann man strukturieren und simulieren, aber wenn man das für alles und jedes macht, wird das Ganze unüberschaubar umfangreich. Daher beschränkt man sich auf den Spielfokus, dann klappt das.
Am schlimmsten finde ich Systeme, die vollkommen andere Regelsysteme - und damit auch oft völlig unterschiedliches Pacing - für unterschiedliche Situationen haben. Wie geht mir das auf die Nerven, wenn ich grade im Begriff bin, etwas zu tun und plötzlich ruft der Spielleiter Ini!
Meistens läuft dann auch das Balancing für kampflastige und soziale Charaktere aus dem Ruder.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: YY am 16.12.2019 | 22:12
Aber in dem Thread ging es ja darum, warum so viele Regelsysteme so murksig sind.

Sie sind mMn nicht murksig, weil sie einen geschlossenen Rahmen bieten, sondern weil sie diesen Rahmen nicht zielführend füllen.

Würdest Du das für jede im Rollenspiel denkbare Kampfsituation behaupten wollen? Anders: ich finde es gerade ganz besonders spannend, wenn mich meine Spieler mit verrückten, bekloppten oder wagemutigen Ideen überraschen. Und nichts finde ich frustrierender, als dann sagen zu müssen nee, sorry, das kannst Du nicht, Du hast das passende feat nicht...

Ich wüsste zumindest kein Beispiel, wofür ich meine Behauptung nicht aufrechterhalten würde.
Also erstmal ja.

Mit Feats, DSA4'scher Sonderfertigkeitenschwemme u.Ä. kann ich auch nichts anfangen.
Aber grundsätzlich halte ich gerade im Kampfkontext "gute Ideen" (was oft genug bedeutungsgleich mit möglichst exotisch/abseitig ist) für deutlich überschätzt. Da sind auch die Tricks von Savage Worlds mechanisch schon ziemlich wacklig, aber das steht und fällt inhaltlich mit der Beschreibung.
Verrückt, bekloppt oder wagemutig heißt eben auch (definitionsgemäß), dass das Ganze mit sehr großer Wahrscheinlichkeit spektakulär daneben geht...von daher sind mMn nicht möglichst exotische Ideen wichtig oder gar zentral, sondern gute Entscheidungen - und die gibt es zumindest auf spielmechanischer Ebene nur, wenn die Regeln diese Unterscheidung überhaupt hergeben. Ansonsten hängt das komplett daran, ob man mit dem SL auf einer Wellenlänge ist.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: D. Athair am 16.12.2019 | 22:59
Über eine Armee kann ich statistische Aussagen treffen, über ein Individuum nicht. Und hier liegt meiner Meinung nach das Problem.
An Ähnlichem scheitern übrigens unsere Realitätsvorstellungen übrigens auch. In beide Richtungen. An unseren eigenen Perspektiven und Erfahrungen, die wir als Menschen wie selbstverständlich generalisieren. Das UND statistische Mittelaussagen konstituieren unsere Vorstellung von der Welt. Dabei ist die Wirklichkeit extrem viel vielfältiger. (Es braucht z.B. entsprechend einiges, bis Menschen fachlich fundiertes und praktisch hilfreiches soziales Handeln zuverlässig hinbekommen. Pädagogik und Psycholgie sind da - gerade in Kombination - von unseren Alltagsvorstellungen verdammt weit weg und ziemlich contra-intuitiv.) Natürlich kann man trotzdem gute Modelle bauen. Dafür braucht es aber richtig viel - Fachwissen. Vor allem, wenn man so viele Bereiche abzudecken hat, wie im Rollenspiel.

Und ja, Rumpel hat Recht - an den extremen Rändern (reines Taktiker-Spiel, reines Erzähl-Spiel,...) gelingt das scheinbar besser als im "Mittelfeld" dessen, was die Mehrzahl der Szene unter Rollenspiel verseht.
Das ist mMn völlig "natürlich". Warum? Weil die Schreibenden genau wissen, was sie wollen und wen sie abholen wollen und wen nicht.
Die Inkonsistenzen enstehen mMn vor allem dort, wo verschiedene Typen von Spielenden abgeholt werden sollen. Wo multible Präferenzen bedient werden sollen. Weil es da dann auch Segmente gibt, in denen sich die Regelautor.inn.en entweder nicht auskennen oder kein Interesse daran haben UND gleichzeitig trotzdem keine Lücke an der Stelle im System sein darf. Da schleichen sich dann besonders gern Fehler ein.

Tausch dich mal mit Falcon aus, der kann ja von all dem ein Liedchen singen und hat ja auch sein eigenes Regelwerk u.a. aus diesen Gründen geschrieben. Auch wenn die Lösung letzten Endes für ihn OSR zu sein scheint, was ich wiederum absolut absurd finde ~;D.
Ich hab da - meine ich - mal reingeschaut. Auch in Knights of the Black Lily von Alexander Kalinowski (https://www.tanelorn.net/index.php?action=profile;u=13565). Fand ich beides nicht berauschend, aber warum Falcon mittlerweile richtung OSR weitergezogen ist, finde ich absolut einleuchtend. Meine Suspension of Disbelief ist dagegen bei KotBL schon bei den sozialen Basis-Setzungen des Spiels in 10.000 Teile zersprungen.

Siehst du, aber auch das ist ja ein Designziel für ein Rollenspiel: Stelle ein Framework zur Verfügung, innerhalb dessen der Spielleiter seine Rulings machen kann. Wenn das System das so will und dann auch umgesetzt kriegt, wäre das gutes Design im Sinne dessen, was ich hier meine.
Das ist auch, was neuere OSR-Spiele mittlerweile oft gut hinbekommen. Deswegen wundert es mich auch nicht, dass sie - auch unter Designern - recht beliebt sind. Starres und stabiles Gerüst/Rückgrad und der Rest ist Ableitung/Rulings und Freiform.

Oder dass mir (einer meiner All-Time-Favorites) immer wieder Fähigkeiten als Talente / Feats / Meisterschaften / whatever verkauft werden, die im wirklichen Leben jeder kann, der die zugehörige Fertigkeit besitzt. Sowas wie "du kannst zwar kämpfen, aber du brauchst eine Sonderfertigkeit, jemanden zurückzudrängen, zu entwaffnen, zwischen die Beine zu treten oder schlicht: um dich zu verteidigen oder nach einem Sturz wieder aufzustehen". Was für ein Bullshit! Das kann JEDER, der wirklich kämpfen gelernt hat! So etwas ist doch keine Sonderfertigkeit - es ist eine Selbstverständlichkeit, die man allen weggenommen hat und jetzt einigen wenigen für teure XP zurückgibt!
Selbstverständlichkeiten? Puh! Einige dieser Manöver sind tatsächlich keine Selbstverständlichkeiten.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: nobody@home am 16.12.2019 | 23:28
Selbstverständlichkeiten? Puh! Einige dieser Manöver sind tatsächlich keine Selbstverständlichkeiten.

Das mag dann seinerseits wieder vom schlichten Können des Betreffenden abhängen und damit zu einer Art von Henne-und-Ei-Problem werden: was war zuerst da, die Tricks und Techniken oder die hohen Nahkampf-"Basis"spielwerte? Einen wie guten (beispielsweise) Schwertkämpfer mit den dazugehörigen Angriffs-, Verteidigungs-, und eventuellen sonstigen Zahlen darf sich mein Charakter überhaupt schimpfen, wenn die Regeln Schwertkämpfer-Spezialfeats für Sachen wie Entwaffnen, Halbschwertfechten, und Mordhau vorsehen und er die aber alle nicht hat?
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Alexandro am 16.12.2019 | 23:35
Naja, es gibt auch Schwertkämpfer die kämpfen ohne irgendwelche Schnörkel und haben trotzdem soviel Kraft und Schnelligkeit drauf, dass sie damit Erfolg haben (mehr sagt ein hoher Fertigkeitswert ja nicht aus).

Ob man zwischen genereller Kompentenz und Manövern differenziert oder davon ausgeht, dass das letztere mit ersterem automatisch folgt, ist letztlich nur eine Geschmacksfrage. Kann jeder so handhaben, wie er/sie mag.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: nobody@home am 16.12.2019 | 23:46
Naja, es gibt auch Schwertkämpfer die kämpfen ohne irgendwelche Schnörkel und haben trotzdem soviel Kraft und Schnelligkeit drauf, dass sie damit Erfolg haben (mehr sagt ein hoher Fertigkeitswert ja nicht aus).

Das Problem ist halt einfach: streicht man gar zu viele "Schnörkel", dann bleibt am Ende von der Fertigkeit selbst eigentlich nichts mehr übrig. Das hat dann so ein bißchen was von "hat nie eine Sprache gelernt (nicht mal die eigene!), ist aber weltbekannter Linguist". ;)

Natürlich ist die Verteilung der Charakterbeschreibung und -definition auf die verschiedenen dazu im System vorgesehenen Elemente auch Geschmacksfrage. Aber man kann's eben auch ganz objektiv übertreiben.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Alexandro am 17.12.2019 | 00:04
Das was im o.g. übrigbleibt ist halt "mit Schmackes draufhauen". Kann man so machen, siehe der Mountain in GoT - hat dann zwar nicht die schicken Kampfmanöver eines Oberyn Martell, aber die sind halt nicht alles.  ;D

Zitat
"hat nie eine Sprache gelernt (nicht mal die eigene!), ist aber weltbekannter Linguist"

Das Konzept könnte ich mir (aus Erfahrung mit einem ganz bestimmten Dozenten im Studium) auch vorstellen: Unmengen an theoretischem Wissen, wie Sprachen funktionieren (Semantik, Syntax, Morphologie, Phonologie...), aber kaum Vokabelwissen in irgendeiner Fremdsprache, außerdem in der eigenen Sprache komplett unfähig seine Gedanken zu vermitteln (fängt Sätze an, die nirgendwo hin führen; wechselt unvermittelt das Thema, ohne das dem Zuhörer kenntlich zu machen; etc.). Solche Leute gibt es.  ;D

Ist allerdings wieder eine Frage des Fokus des Systems, ob man diesen Detailgrad wirklich braucht, für das Setting, welches man spielen will.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Weltengeist am 17.12.2019 | 07:11
Die Frage für mich wäre: wo verläuft die (objektive) Grenze zwischen Rulings und Hausregeln?

Ich würde sagen: eine Hausregel wird es dann, wenn du dein Ruling festhältst und es ab jetzt immer so machst.

Zitat
Wenn das Framework halt sehr kompakt ist, gibt der Spieldesigner aber halt irgendwie die potentiellen Fehlerquellen an die individuellen Spielleiter ab. Ob das dann besseres Design ist, weil das am Papier makellos scheint, aber manche Spielleiter wahrscheinlich dann Käse-Rulings fabrizieren? (Das mag dann für die Spieler weniger befriedigend sein als einen Schwarz-auf-Weiß-Konsens zu haben, der mitunter auch hakt.)

Da verlassen wir mMn das Thema des Threads, weil das natürlich eine Geschmacksfrage ist. Ja, es mag Gruppen geben, die mögen es lieber, wenn sich aus den Regeln ermitteln lässt, wie viele Zentimeter pro Kampfrunde ein Charakter mit Eigengewicht u kg, Klettern-Wert x, Stärke y, Traglast-Belastung z und einer leichten Beinwunde im Halbdunkel an einem feuchten Seil ohne Knoten drin klettern kann. Und es mag Gruppen geben, denen es ausreicht, wenn der Spielleiter das einfach on-the-fly entscheidet, Hauptsache niemand muss rumblättern und rumrechnen und es geht zackig-dramatisch weiter. Beide Varianten wären für mich kein Zeichen für ein schlechtes Regelwerk, sondern lediglich unterschiedlicher Vorlieben der Gruppe. Schlechtes Regelwerk ist es aber, wenn ich die ganze Rechnerei mache und dann kommt "12 Meter in 3 Sekunden" bei raus.

Oder, wenn du schon darüber nachdenkst, etwas in Eigenbau zu machen, wieso baust du dann nicht auf Ubiquity auf und modifizierst das nach deinem Bedarf?

Weil ich ein Regelwerk gerade deshalb verwende, weil ich mir die Arbeit mit dem Detailgefrickel (Ausrüstungslisten, Zaubersprüche, Raumschiffregeln, Artefakte, Ritualmagie...) nicht machen will. Das ist mMn viel mehr Arbeit als das Erstellen eines soliden Regelkerns. Sieht man ja auch daran, dass die meisten Regelwerke nicht an ihren Kernregeln kaputtgehen, sondern daran, dass man Zauber a, Zauber b, Gegenstand c und Gabe d so miteinander kombinieren kann, dass jemand plötzlich unbesiegbar wird.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: nobody@home am 17.12.2019 | 12:24
Das was im o.g. übrigbleibt ist halt "mit Schmackes draufhauen". Kann man so machen, siehe der Mountain in GoT - hat dann zwar nicht die schicken Kampfmanöver eines Oberyn Martell, aber die sind halt nicht alles.  ;D

Tja..."mit Schmackes draufhauen" ist halt dummerweise gerade das klassische Manöver des blutigen Anfängers, der's einfach noch nicht besser gelernt hat und im echten Kampf gegen tatsächliche Profis selbst bei ansonsten gleicher Ausrüstung wahrscheinlich schnell ins Gras beißt. ;) Da wird auch ein "ich kann aber lernen, noch besser nur mit Schmackes draufzuhauen!" nicht viel dran ändern, denn gerade, um unter anderem effektive Treffer gegen jemanden, der z.B. in Sachen Verteidigung wirklich weiß, was er tut (und wenn es bloß wäre, daß er in schwerer Rüstung daherkommt), überhaupt noch landen zu können, gibt's die ganzen "Schnörkel" ja überhaupt erst...
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Alexandro am 18.12.2019 | 13:34
Wie gesagt: Ansichtssache. Wo ein Manöver anfängt kann sehr unterschiedlich interpretiert werden. Und evtll. will man sich beim Design einfach nicht der Diktatur des Realismus unterwerfen, sondern stattdessen ein bestimmtes Feeling abbilden (wie man es aus unzähligen Medien kennt), wo eben der stumpfe Draufhau-Gegner seinem Widersacher trotzdem gefährlich werden kann.
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: nobody@home am 18.12.2019 | 14:16
Wie gesagt: Ansichtssache. Wo ein Manöver anfängt kann sehr unterschiedlich interpretiert werden. Und evtll. will man sich beim Design einfach nicht der Diktatur des Realismus unterwerfen, sondern stattdessen ein bestimmtes Feeling abbilden (wie man es aus unzähligen Medien kennt), wo eben der stumpfe Draufhau-Gegner seinem Widersacher trotzdem gefährlich werden kann.

Das Problem ist einfach: irgendwo gehört zu Kompetenz auf welchem Gebiet auch immer immer noch zwangsläufig etwas dazu -- man kann da also nicht einfach alles als "Schörkel" rausziehen, ohne früher oder später mit einer abstrakten Leerstelle an "Rest" dazustehen, die so einfach keinen Sinn mehr ergibt. Wieviel bliebe beispielsweise von "Auto fahren" noch übrig, wenn ich "Gas geben", "Bremsen", "Lenkrad betätigen", und "Auf die Straße achten" jeweils schon als separate Unterfertigkeiten mit jeweils einzelnen Spielwerten und "Kann mit einer Gangschaltung umgehen" als eigenen Feat für die Leute hätte, die ihren Charakter nicht nur Automatik fahren lassen wollten? Und wieviel praktischen Sinn würde es ergeben, systemweit für alle Charaktere bewußt zwischen "Schießen" und "Nachladen" zu trennen, nur damit gelegentlich mal jemand ausnahmsweise auch den einen Fachidioten spielen kann, der wirklich nur das eine oder das andere beherrschen soll, aber nicht beides?

Und nicht zuletzt: gibt's zum Modellieren von ausdrücklichen Inkompetenzen nicht auch noch andere und möglicherweise praktischere Ansätze als nur "jeder muß halt als Volldepp anfangen und sich dann jede Kleinigkeit noch mal einzeln extra dazukaufen"? :think: (Und ja, persönlich würde ich diese Frage absolut mit "ja" beantworten. Wenn ein Charakter etwas, was man eigentlich von ihm erwarten können sollte, ausdrücklich nicht kann, dann gibt "ist ein normaler X bis auf Y" unter Umständen schnell einen deutlich kürzeren und eingängigeren Charakterbogeneintrag her als "hier ist die Liste aller siebenundvierzig einzelnen X-Standardtricks, die er trotz Mangel an Übung oder Fähigkeit in Trick 48 genausogut kann wie ein normaler X eben auch".)
Titel: Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
Beitrag von: Feuersänger am 18.12.2019 | 14:33
Kampfstiltypische Manöver - wie zB Finten, Entwaffnen usw - sollte jeder beherrschen, der mit den jeweiligen Waffen ausgebildet ist. Dafür darf es keine extra Ressourcen brauchen, nur um es _versuchen_ zu dürfen. Das war btw so ein großer Irrweg der frühen 3E von D&D, dass man da jeden Fliegenschiss mit einem extra Feat bezahlen sollte. Hat sich zum Glück so nicht durchgesetzt.
Es ist zwar akzeptabel, wenn man mit Feats (oder wie immer das dann im jeweiligen System heisst) in solchen Spezialmanövern _besser_ wird. Aber auch in der restlichen 3E blieb es dann effektiv doch so, dass man sich Kampfmanöver in den meisten Fällen sparen kann, wenn man nicht den "verbesserten" Feat hat.

Übrigens war es ein Problem bei AD&D(2), dass es dort zwar technisch gesehen alle möglichen Spezialmanöver gab und man die auch jederzeit probieren durfte - aber dummerweise waren sie mit so heftigen Abzügen behaftet (-4), dass man es dann halt in der Praxis doch gelassen hat. Es hat sich einfach nicht gelohnt. Ist halt schade, wenn es diese ganzen Manöver zwar gibt, aber "Ich hau halt zu" dann doch die effektivste Kampfweise ist.