Wie erwartet dauert es nur ein paar wenig Augenblicke bis ihr die Schritte von Mr. Frisk auf dem Gang vor der Bibliothek hören könnte.
Es klopft zweimal und nach einer Pause die dem höflichem Atemzug entspricht und den Damen und Herren hinter der Tür die Gelegenheit gibt sich zu sortieren, tritt Mr. Frisk ein. Ihr habt euch noch nicht so ganz an sein doch eher gewöhnungsbedürftige Gestallt gewöhnt. Das lange, hagere Gesicht, die tiefliegenden Augen und das lange graue Haar, welches Schütter rechts und links hinter die Ohren gesteckt wurde erinnern mehr an einen Landstreicher als an einen Diener.
Seine Kleidung jedoch ist wie immer im tadellosen Zustand und stehe ein wenig im Kontrast zu seinem stoppeligen Kinn. An der Weste unter seinem Frack baumelt ein schweres Schlüsselbund das mit jedem Tag mehr Schlüssel zu bekommen scheint. Bei seiner Suche in den Schubladen, Schränkchen und Ecken ist der alte Mann immer emsig dabei die Sammlung zu erweitern. Faszinierend ist es wie er sich mal langsamer mal schneller bewegen kann, ohne dass die Schlüssel wild rasselnd aneinander klimpern und sein Kommen schon weit im Vorwege ankündigen.
„Ein Bote…“ setzt er an und holt dann erst mal tief Luft „…verzeihen sie, ein Bote…“ beginnt er noch mal von Vorne „…hat einen Brief für sie überbracht. Der Bote vergaß nicht zu erwähnen, das es wichtig ist.
Mr. Frisk legte den Umschlag auf einen der Lesetische in der Bibliothek und verabschiedete sich dann höflich, nicht jedoch ohne an das baldige Abendessen zu erinnern.
Die Tür schloss sich hinter eurem Angestellten, was sich immer noch ungewohnt oder wieder ungewohnt anfühlte und ihr wart alleine mit dem Briefumschlag auf dessen Falte ein rotes Wachssiegel prangte.
Es dauerte nur zwei, vielleicht drei Atemzüge dann hattet ihr das Siegel gebrochen und den Brief aus dem Umschlag befördert. Was ihr sofort sehen konntet, war das er auf einem teuren, gestärkten Papier verfasst war und das die Schrift des Verfassers einen Schwung hatte den man gemein hin bei Leuten wahrnehmen kann die es gewohnt sind zu führen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte neue Herren von Schloss Gyllencreutz,
wie ich über den Freund eines Freundes erfuhr brennt zur abendlichen Stunde wieder Licht in dem doch so berühmten Anwesen. Etwas das es seit Jahren nicht gegeben hat. Mein Vater und Großvater, Gott habe sie Seelig und mögen sie in Frieden ruhen, verbanden ein paar Geschäfte mit ihren Vorgängern die ich gewillt bin wieder aufleben zu lassen. Selbstverständlich zu beiderlei Vorteil.
Ich möchte sie daher bitten sich am 29.12. im Hotel Kung Karl XII. in Stockholm einzufinden und mit mir zu Abend zu Essen. Ich wäre ihnen zu tiefst verbunden, wenn sie, wie ich hoffentlich richtig vermute, in alter Tradition eine Séance für mich abhalten könnten. Ich muss mir in ein paar Angelegenheiten aus meiner Vergangenheit Klarheit verschaffen und hege den rechtschaffenden Wunsch, dass sie dies für mich arrangieren könnten.
Ich möchte ihnen jetzt noch nicht zu viel über meine Angelegenheit verraten, sondern erwarte gespannt den Ausgang des kommenden Abends. Ich kann ihnen aber versichern, dass ich in dem Besitz eines für sie wertvollen Gegenstandes bin den ich gerne der Gesellschaft überlassen würde. Sozusagen als Bezahlung für die Dienste und möglicherweise weiterer folgender Arrangements die wir vielleicht treffen werden.
In gespannter Erwartung
Hochachtungsvoll
Johan Corell
Nach dem stärkenden Frühstück begabt ihr euch in den kalten Morgen hinaus. Es war noch dunkel und so würde es auch die nächsten stunden noch bleiben, bevor irgendwann die bleiche Wintersonne über dem Horizont erscheinen würde.
Euer Atem kondensierte vor euren Gesichtern in der eisigen Luft und die Stadt um euch herum war getaucht in das glitzern von kleinen Eiskristallen die das Licht eurer Lampen widerspiegeln. In dem kleinen Kreis aus Helligkeit gingt ihr Schnell zur Poststation um von dort die Kutsche nach Stockholm zu nehmen.
Hinter euch zurück blieb das Schloss und Mr. Frisk, der es nicht versäumt hatte euch mit ein wenig Wegzehrung einzudecken, so dass euer Gepäck um ein paar in Leinen gewickelte Leckereien erweitert wurde. Etwas harte Wurst, ein Leib frisch gebackenen Brotes und zwei Gläser. In dem einen war etwas Butter in dem anderen eine rote, süße Marmelade von der keiner von euch so genau wusste was eigentlich drin war. Waldbeeren, so viel stand fest, aber wo Mr. Frisk die so spät im Jahr noch her hatte blieb sein wohlgehütetes Geheimnis.
An der Poststation standen schon die Pferde dampfend in der Kälte, es roch nach Leder und Holz.
Euer Gepäck wurde verladen und dann saßt ihr, neben vier anderen Fahrgästen, drei auf jeder Bank in der Kutsche und die Reise begann. Immer weiter nach Südosten, der irgendwann aufgehenden Sonne entgegen.
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