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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspieltheorien => Thema gestartet von: Dr.Boomslang am 21.12.2007 | 16:10

Titel: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 21.12.2007 | 16:10
Ich möchte einige Begriffe definieren, von denen ich glaube, dass sie sehr hilfreich für theoretische Diskussionen hier sind. Dabei lasse ich bereits Überlegungen aus früheren Diskussionen einfleißen, aber so dass man sie verstehen kann ohne diese Diskussionen zu kennen. Ich gehe so weit zu sagen, diese Begriffe sind von grundlegender Bedeutung.
Und natürlich möchte ich auch die Nützlichkeit dieser Definitionen zur Diskussion stellen und Fragen beantworten falls es welche geben sollte.


Ich gehe bei allem vom Begriff des "Systems" aus. Diesen sehe ich als eine Art axiomatische Grundlage für theoretische Diskussionen über Rollenspiel an. Wenn man hier nicht übereinstimmt, kommt man zu völlig unterschiedlichen Überlegungen und Ergebnissen.
Unser Systembegriff ist durch das Lumpley-Prinzip definiert. Man kann das auch in einer Übersetzung hier in den FAQ nachlesen. Das Original lautet:

"System (including but not limited to 'the rules') is defined as the means by which the group agrees to imagined events during play."

Um diesen Begriff des Systems von anderen Systemen abzugrenzen, wird bereits teilweise der Begriff des Lumpley-Systems oder L-Systems gebraucht. Das dient z.B. dazu den Begriff von "Rollenspielsystem" oder eben "System" im allgemeinen Sprachgebrauch (der Rollenspieler) abzugrenzen, damit können sehr unterschiedliche und nicht näher definierte Dinge gemeint sein.

Die Implikationen des L-Prinzips wurden bereits häufig diskutiert und sollen hier nicht direkt Thema sein. Ich möchte nur Begriffe finden um bestimmte interessante Bereiche zu bezeichnen die das L-System aufzeigt, damit man sie gezielt benennen und so darüber diskutieren kann.

Interessanterweise benennt die Lumpley-Definition gleich zu Anfang die Regeln als eine echte Teilmenge des Systems. D.h. alle Regeln gehören zum System, aber es gibt noch mehr Teile vom System, die keine Regeln sind. Was Regeln allerdings sind wird nicht gesagt, was viel Raum für Spekulationen gegeben hat und viele widersprüchliche Definitionen von Regeln hat entstehen lassen, von denen ich später auch noch eine hinzufügen werde ;)


Was sind die Bereiche die ich betrachten möchte?

Der zentrale Teil der Definition ist System als die Gesamtheit der "Mittel der Einigung" (auf Fiktion). Diese Mittel der Einigung haben seltsamerweise bisher nur in ihrer Gesamtheit einen festen Namen nämlich (L-)System. Meint man aber nur ein spezielles dieser Mittel, dann sollte man es wohl auch so nennen. Einen speziellen Teil von System nenne ich also ein Mittel der Einigung oder kurz MdE (oder "means of agreement"; MoA).

So ein Mittel der Einigung hat zwei offensichtlich interessante Teile, nämlich das Mittel und die Einigung. Es hat sich herausgestellt, dass es hilfreich sein kann, diese jeweils in implizit und explizit zu unterscheiden. Es gibt also sowohl implizite oder explizite Mittel, als auch implizite oder explizite Einigung, was vier mögliche Kombinationen ergibt. Diese vier Bereiche sind folgendermaßen benannt:

Mittel der Einigung
Mittel(rechts)
Einigung(unten)
| implizit| explizit
implizitEvidenzKompetenz
explizitDiskussionMechanik

Ein explizites Mittel ist ein Mittel das allen Spielern zugänglich ist, oder generell für Zwecke des Spiels als Mittel bezeichnet wurde. Es reicht nicht wenn nur ein Teil der Gruppe unter sich ein Mittel explizit gemacht hat. Es ist aber im Allgemeinen nicht nötig, dass das Mittel auch ständig oder überhaupt in seinem Inhalt bekannt ist. Es reicht wenn es prinzipiell relativ objektiv prüfbar ist und die Setzung als Mittel allen bekannt ist, so dass es falls nötig herangezogen werden kann.
Es kann also etwas Niedergeschriebenes oder sprachlich Bezeichnetes oder sonstwie eindeutig angezeigtes sein, im speziellen also z.B. Regelwerke, abgesprochene Hausregeln, Quellenbände, Würfel etc.

Implizite Mittel sind alle die von der Gruppe stillschweigend vorausgesetzt werden. Es reicht hier nicht wenn nur ein Teil der Gruppe das Mittel voraussetzt. Das Mittel wird auch dadurch nicht explizit, dass es nur ein Teil der Gruppe explizit macht, in dem Fall bleibt es weiterhin implizit, falls es tatsächlich von allen weiterhin geteilt wird. Ein Mittel bleibt so lange implizit wie nicht von allen direkt und explizit darauf als generelles Mittel der Einigung verwiesen wird.
Implizite Mittel sind ein riesiger Haufen von geteilten Annahmen der Spieler, darüber wie sich bestimmte Überlegungen auf die Fiktion auswirken. Dazu gehört als wichtiger aber sehr allgemeiner Teil z.B. das gemeinsame Sprachverständnis und das Verständnis von der Realität oder von fiktionalen Genres, insofern das für das Spiel von Bedeutung ist.

Explizite Einigung ist ein Vorgang bei dem eine Einigung nur durch positive Zustimmung zustande kommen kann. Damit eine Einigung stattfinden kann, muss also im jeweiligen Einzelfall etwas getan werden, worauf nachher alle Mitspieler eindeutig den Vorgang der Einigung zurückführen können.
Wird z.B. ein Würfelwurf nötig, um etwas Fiktionales einzuführen, ist das ein expliziter Einigungsprozess, ohne den Wurf tatsächlich durchzuführen ist die Einigung nicht möglich. An der Durchführung kann der Moment der Einigung festgemacht werden.

Eine implizite Einigung liegt dann vor, wenn etwas das eingeführt werden darf ohne weiteren Prozess direkt angenommen wird. Nur wenn es für irgend jemanden aus der Gruppe nicht klar ist, dass eine gemeinsame Erlaubnis vorliegt, muss der Einigungsprozess explizit stattfinden. Alles was keinen Widerspruch erregt gilt bei impliziter Einigung, automatisch als angenommen. Dabei kann es natürlich dazu kommen, das Missverständnisse über den Einigungsprozess erst später erkennbar werden, weil eine Einigung nicht als solche unmittelbar zu erkennen ist und eventuell schwer einer speziellen Legitimation zugewiesen werden kann.
Beispiele für implizite Einigungen, wären generelle Befugnisse von Spielern, wie z.B.: "Der Spieler spielt seinen Charakter". Nicht jedes mal wenn der Spieler von diesem Recht Gebrauch macht, muss er diese Regel nennen, oder den Spielern beweisen dass diese Regel in dem Fall gilt.

Implizite Mittel nenne ich Konventionen. Explizite Mittel nenne ich Regeln. Regeln wurden häufig anders definiert, ich gehe darauf später nochmal ein bzw. dann wenn Widersprüche oder Fragen dazu aufkommen.
Für implizite und explizite Einigungsprozesse ganz allgemein, gibt es noch keine Namen, weil sowas bisher nicht gebraucht wurde. Ich nehme hier aber sehr gerne Vorschläge entgegen.

Mit weiterem warte ich jetzt erstmal ob bis hier hin Fragen, Einsprüche oder sonstige Anmerkungen da sind. Der Rest kommt dann später, auch damit es nicht zu viel auf einmal wird.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: grasi am 21.12.2007 | 17:30
Was muss man eigentlich studiert haben, um aus so einem einfachen Spiel so eine komplizierte Wissenschaft machen zu wollen?  ;)
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dom am 21.12.2007 | 18:47
@grasi: Dass es nicht so einfach ist, kannst du a) an der Anzahl der Postings mit Fragen und Problemen im Tanelorn sehen und b) am Umfang der Spielanleitungen, verglichen mit anderen Spielen.

@Doc: Keine Einsprüche bisher ;)
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: grasi am 21.12.2007 | 19:01
Ne, mir ist das alles ein bisschen zu hoch.
Aber, nicht dran stören, weitermachen. ;)
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Merlin Emrys am 22.12.2007 | 01:51
Wann und wie konkret muss nun etwas genannt werden, um explizit zu sein?
explizites Mittel... Es ist aber im Allgemeinen nicht nötig, dass das Mittel auch ständig oder überhaupt in seinem Inhalt bekannt ist.
...
implizite Einigung... Nicht jedes mal wenn der Spieler von diesem Recht Gebrauch macht, muss er diese Regel nennen, oder den Spielern beweisen dass diese Regel in dem Fall gilt.
Ist das also unterschiedlich je nach dem, ob es um eine Regel oder ein Mittel geht? Die Formulierung zur impliziten Einigung legt ja, so wie ich sie lese, nahe, daß durch ein einmaliges Nennen (wie es beim Erstkontakt mit Rollenspiel in bezug auf die Frage, wer nun den Charakter eines Spielers spielt, ja üblich sein dürfte) eine Einigung nicht als "explizite" Einigung bestehen bleibt, sondern (wann?) zu einer impliziten wird?
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Fredi der Elch am 22.12.2007 | 09:45
Ich habe da mal einen Einwand...

Interessanterweise benennt die Lumpley-Definition gleich zu Anfang die Regeln als eine echte Teilmenge des Systems. D.h. alle Regeln gehören zum System, aber es gibt noch mehr Teile vom System, die keine Regeln sind.
Von den Spielern ignorierte Regeln sind kein Teil des Systems. Klassischer Fall: "Hu, Belastungsregeln lassen wir weg!" In diesem Fall sind die Regeln, die im Buch stehen, kein Teil des Systems. Die "rules as written" sind also nicht zwingend ein Teil des Systems.

Vielleicht hast du das ja gemeint. Ich wollte es nur mal in Worten wiederholen, die ich selber auch verstehe... ;D
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dom am 22.12.2007 | 09:59
@Merlin: Regel ist ja hier noch gar nicht definiert... explizit bedeutet, dass sich alle auf ein MdE geeinigt haben. Das wird dann nicht mehr implizit. Man kann jedoch ein explizites Mittel benutzen, um sich implizit zu einigen (z.B. indem der SL das Recht bekommt "die Welt zu spielen").

@Fredi: Jo, klar. Würde ich auch so sehen.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Preacher am 22.12.2007 | 10:02
Was muss man eigentlich studiert haben, um aus so einem einfachen Spiel so eine komplizierte Wissenschaft machen zu wollen?  ;)

Die gleiche Frage kannst Du auch in Bezug auf Film, Theater oder das Schreiben stellen. Sind schließlich auch nur Filme, Theaterstücke oder Bücher - und trotzdem gibt's Leute, die versuchen, die abstrakten Zusammenhänge zu erkennen.
Das ist beim Rollenspiel auch nicht anders. Ein anderes Medium, das nach anderen Mechanismen funktioniert. Ist doch nur natürlich, daß man versucht, diese Mechanismen zu identifizieren und zu beschreiben. Hilft eventuell auch beim Entwickeln besserer Spiele.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Merlin Emrys am 22.12.2007 | 15:08
Das wird dann nicht mehr implizit. Man kann jedoch ein explizites Mittel benutzen, um sich implizit zu einigen ...
Wie sind dann explizit und implizit abgegrenzt?

Also beispielsweise: Drei Leute, die alle schon in verschiedenen, sich überschneidenden Runden dasselbe Spiel gespielt haben (mit einem einheitlichen Satz an Veränderungen und Hausregeln gegenüber dem publizierten Material) setzen sich zusammen und sagen: "Wir spielen jetzt dies Spiel."
Sind dann alle Einigungen, die sie nicht nennen (z.B. die Hausregeln usw.) implizit - wenn sie die Sachen gut im Kopf haben, also praktisch das gesamte Regelwerk?
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: grasi am 22.12.2007 | 15:33
Zitat
Hilft eventuell auch beim Entwickeln besserer Spiele.
Da lass ich mich gerne positiv überraschen. Auf mich wirkt es erst einmal wie eine Soziologie-Dissertation, also eher abschreckend, als dass es mein Interesse wecken würde.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Joe Dizzy am 22.12.2007 | 15:45
Auf mich wirkt es erst einmal wie eine Soziologie-Dissertation, also eher abschreckend, als dass es mein Interesse wecken würde.

Es geht nicht um dich.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 22.12.2007 | 15:51
Also mit soziologischen Texten tu ich mich deutlich leichter. Das Problem scheint mir eher, dass eine mehrheitlich technisch-mathematisch-naturwissenschaftliche Community einen tendentiell unscharfen Sachverhalt möglichst eindeutig und erschöpfend beschreiben will. Das führt zwangsläufig zu recht komplexen Theoriemonstern, die beispielsweise Soziologen eher meiden (oder aber drei Stufen abstrakter mal richtig abgehoben angehen, siehe Systemtheorie).

Insofern finde ich Boomslangs Bemühungen durchaus bemerkenswert und honorig. Aber die Diskrepanz zwischen (akademischer) Ausbildung und dem zu beschreibenden Sachgebiet führt schon mal zu sprachlichen Auswüchsen. Ich schließe mich da übrigens gern und ungebremst ein  ;D

Ziehe mir die Ausführungen auch dankbar rein, da ich (u.a. von Boomslang) bereits das Feedback erhalten habe, dass mir Hintergrund in Rollenspieltheorie fehlt, um bis ins Detail mitdiskutieren zu können. Wenn Boomslang sich dann daran macht, der Masse diesen Hintergrund mühsam beizubiegen, ist das erst mal sehr gut, finde ich.

@ Georgios:
Zitat
Es geht nicht um dich.
Um wen gehts denn in so einem Grundlagenthread sonst, wenn nicht um die Grasis und Kinshasas, die mit den Begrifflichkeiten vorher nix anfangen konnten? Würde sogar sagen, dass es gerade um Grasi, Kinshasa und co. geht. Sonst bleibts beim bisherigen, recht elitären Theoriezirkel, die sich vom Rest durch einen Wust an Fachwörtern abgrenzen, wodurch aber eventuell befruchtende neue Ideen nur bedingt Einzug halten können.

Also, Boomslang, noch mal herzlichen Dank. Ich weiß das zu schätzen und fühl mich einfach mal als Teil der Zielgruppe ;-)
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 22.12.2007 | 15:59
Ich wollte es nur mal in Worten wiederholen, die ich selber auch verstehe... ;D
Kein Problem. Das ist ja auch der Sinn dieses Threads. Ich will wissen das ihr es auch wisst ;)

Zu deinem Einwand: Der ist durchaus berechtigt. Es gibt hier eine Kollision der Regelbegriffe. Deswegen spezifiziere ich meinen Vorschlag von oben und nenne alle expliziten MdE nun mal vorläufig: geltende Regeln. Es kann auch sein das wir das nochmal umbenennen müssen oder sollten, weil "Regel" eben doch schon ein recht vorbelasteter und vielleicht auch viel zu allgemeiner Begriff ist.

Aber das führt mich gleich zu einem Punkt den ich schon auf der Liste hatte, und der bisher immer für viel Verwirrung um das L-Prinzip gesorgt hat: Wie betrachten wir das Regelwerk, oder allgemeiner das (meist schriftliche) Gesamtwerk das dem L-System der Gruppe irgendwie zugrunde liegt, das aber selbst nicht von der Gruppe als Gesamtheit stammt?
Dieses Werk wird also von einem oder mehreren Autoren geschaffen, wobei Autor hier erstmal nur bedeutet, dass die Quelle der Information extern der Gruppe liegt und eine einheitliche Intention hat. Im Folgenden spreche ich auch bei mehreren Autoren nur von dem Autor als externe Quelle, wenn die Anzahl keine Rolle spielt. Ein Spezialfall kann es sein, wenn der Autor gleichzeitig Teil der Gruppe ist, die nachher spielt. Dies gilt in meinem Sinne weiterhin als gruppenextern, da die Gruppe als Gesamtheit so keinen Einfluss auf das Werk nehmen konnte. Diesen Spezialfall kann man vielleicht später irgendwann nochmal vom vollständig externen Fall weiter abgrenzen.

Das Werk das der Autor vorgibt, dient offensichtlich dazu einer Gruppe das Rollenspiel zu ermöglichen. Das Werk muss also insbesondere in Beziehung zum L-System stehen. Wie ist diese Beziehung?
Zur Beantwortung dieser Frage warte ich aber noch einen Moment. Es dürfen aber schon grobe Vorschläge dazu gemacht werden, wie denn so eine Beziehung auszusehen hat.


Nun nochmal zu den allgemeinen Eigenschaften der Mittel der Einigung selbst.

Die Mittel der Einigung sind klarerweise nicht irgendwelche beliebigen Mittel. Die MdE müssen eine Einigung ermöglichen! Das heißt ein MdE ist nur dann ein solches, wenn allen Spielern klar ist wie sie es benutzen müssen um damit zu einer Einigung zu gelangen.
Eine weitere Eigenschaft eines MdE ist es, dass eine Einigung ein willentlicher Prozess ist und kein deterministisches Ergebnis. Es kann also eine Einigung zustande kommen oder auch nicht, und die Art und das Ergebnis der Einigung können unterschiedlich ausfallen, ohne das MdE als solches in Frage zu stellen.

An dieser Stelle gibt es eventuell noch Diskussionsbedarf, wie man hier sinnvoll definieren sollte. Ist das L-System die Menge der MdE die man nutzen könnte um sich auf Fiktion zu einigen, weil alle Spieler sie teilen? (extensive Auslegung)
Ist es nur die Menge die auch tatsächlich zur Anwendung kommt, aber nicht zwingend zu einer Einigung führt? (praktische Auslegung)
Oder war eigentlich nur die Teilmenge gemeint, die auch tatsächlich zu einer Einigung führt oder geführt hat? (enge Auslegung)
Das lässt sich aus dem L-Prinzip allein nicht mehr ableiten. Ich definiere hier extensiv und behandle das L-System als die größte der Mengen, also als alle MdE auf Fiktion, die als solche verfügbar sind.

Notwendig für ein MdE sind also ein Mittel und die Möglichkeit der Gruppe sich bei gemeinsamer Kenntnis dieses Mittels auch zu einigen. Eine bereits erfolgte Einigung ist außerdem ein hinreichendes Kriterium für ein zugrunde liegendes MdE, was nicht heißt dass man dieses in jedem Fall eindeutig identifizieren kann, nur dass eines existieren muss.
Ein Würfel z.B. ist also alleine kein MdE (wie ich es oben fälschlicherweise angedeutet habe). Das MdE ist nur der Würfel zusammen mit dem Wissen der Gruppe wie dieser zu einer Einigung beiträgt.

Der folgende Punkt sollte auch Merlins Frage beantworten (ansonsten ist das was Dom sagte eigentlich schon ausreichend).

Das Anzeigen eines expliziten MdE muss selbst als Einigung verstanden werden, nämlich als Einigung auf das Mittel. Diese Einigung ist in meiner in diesem Fall strikten Auslegung nicht Teil des L-Systems. Das L-System bezeichnet nur die Gesamtheit der MdE auf Fiktion. Wenn ich also allgemein von MdE spreche meine ich meist diese speziellen MdE, es sei denn ich sage es dabei oder es ist aus dem Zusammenhang etwas anderes klar.
Um das L-System zu konstituieren ist also ein weiterer Einigungsprozess und demnach wieder spezielle Mittel der Einigung notwendig (diesmal nicht unsere Lumpley-MdE). Dies ist im Prinzip eine unendliche Verschachtelung von Systemen. Allerdings ist das äußerste dieser Systeme das uns interessiert der Social Contract. Auf alle diese Systeme lassen sich aber alle Aussagen zu MdE prinzipiell wieder anwenden.
Ein explizites MdE muss bezeichnet werden, man muss sich also darauf einigen, mit einem weiteren MdE. Ist dieses wieder explizit müsste es wieder bezeichnet werden usw. Da dies nicht unendlich passiert (auch nicht bei Einigungen), können wir davon ausgehen, dass irgendwann nur noch vollständig implizite MdE als Begründung auftauchen. Diese bilden einen unendlichen Regress von impliziten Mitteln und impliziten Einigungen.
Vielleicht wird jetzt klarer warum ich diesen Bereich des Systems Evidenz genannt habe. Alles was in diesem Bereich liegt muss für die Beteiligten evident sein, es begründet sich selbst bzw. durch unendlichen Regress bzw. "einfach so". Dieses philosophische Prinzip möchte ich hier aber nicht weiter in Frage stellen. Ich behaupte einfach, wir bekommen damit keine Probleme.  ;)
Eine Möglichkeit sowas leicht zu behandeln ist es Axiome zu benutzen. Aus diesem Grund möchte ich das L-Prinzip auch als Grundlage zur Ableitung dieser Axiome verstanden wissen.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 22.12.2007 | 16:33
Ok Doppelpost, aber ich darf das um mein Dozieren und die Diskussion auseinander zu halten ;)

Ich hatte gehofft diese Sinn und Unsinn Diskussion hier raushalten zu können. Ihr sollt gerne kritisieren, aber dann bitte spezifisch auf das was ich gesagt habe und nicht generell ("versteh ich nicht, ist mir zu hoch, will ich nicht, brauch ich nicht"). Sonst komme ich mir ein bisschen verarscht vor.

Es geht mir natürlich insbesondere darum dass auch neue Leute diese Grundlagen kennenlernen, deswegen auch gerne dumme Fragen, aber bitte so dass die Frage erkennen lässt dass ihr darüber nachgedacht habt was ich gesagt habe.

Mit anderen Worten: grasi ist raus! (so lange keine echten Fragen da sind). Ich bitte auch die anderen netten Leute sich nicht genötigt zu sehen mich generell zu verteidigen, weil das ebenso wenig zur Diskussion beiträgt.
Sollten also weiter Sachen in die Richtung kommen, bitte einfach ignorieren.

@ Kinshasa
Schön dass du das so siehst. Ich habe das ganze auch mit unseren Diskussionen im Hinterkopf angefangen.
Es ist einfach im Moment im Theoriebereich ein Punkt erreicht an dem man (für Anfänger: "leider") nicht mehr drumherum kommt sich auf gewisse Grundlagen zu beziehen. In Foren wiederholen sich Themen immer und immer wieder weil keine gemeinsam wachsende Grundlage geschaffen werden kann. Ich versuche das jetzt für einige nachzuholen und seien es nur die üblichen verdächtigen, aber gerne auch neue Leute.
Was übrigens meinen "naturwissenschaftlichen Hintergrund" angeht: Mein Interessengebiet ist Künstliche Intelligenz, ich versuche also das richtig zu machen was die ganzen Psychologen, Soziologen, Linguisten und Philosophen so verzapfen ;D
Ich wildere also nicht völlig in fremdem Territorium...


@ Merlin
Dein Beispiel mit der Gruppe die zwar scheinbar gleiche und explizite MdE hat, aber diese nur zufällig teilt, ist interessant.
Ich möchte wie gesagt nicht zu sehr in die philosophischen Hintergründe einsteigen, deshalb nur so viel:
Diese Gruppe hat explizite MdE, dazu zählt aber nur das was alle unter einem MdE für diese Gruppe verstehen können. Wissen also alle dass es in ihrer vorherigen Gruppe Hausregeln gab, werden diese nicht mit in die neue Gruppe übernommen, selbst wenn diese zufällig gleich sein sollten.
Wissen die Spieler aber nicht dass es "nur" Hausregeln waren und haben sie trotzdem alle zufällig die gleiche und setzen diese also voraus, dann haben wir wirklich einen theoretisch interessanten, wenn auch sehr unwahrscheinlichen Fall. Diese Hausregeln wären dann kein explizites MdE, weil der Verweis darauf ins Leere führt. Wollte jemand die Regel nochmal nachlesen oder ähnliches, wäre das nicht möglich. Ein explizites Mittel muss aber grade für alle zugänglich sein.
Solche unabsichtlich geteilten Regeln (auch "Missverständnis" genannt ;) ) sind aber sehr wohl implizite MdE. Durch das Erkennen des Missverständnisses werden diese aber eventuell irgendwann explizit gemacht oder explizit ausgeschlossen.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dom am 22.12.2007 | 17:01
Zunächst zur Auslegung des L-Systems: Eine extensive Auslegung ist sinnvoll, da man sich häufig auf ein Werk ("Wir spielen nach D&D3.5 Grundregelwerk") einigt, obwohl einige der beschriebenen MdE nicht zur Anwendung kommen (da kein Barde in der Runde ist, spielen die Bardenfähigkeiten praktisch keine Rolle). Trotzdem sind auch diese MdE Teil des L-Systems, denn wenn jemand etwas machen möchte, was geregelt ist aber noch nie angewendet wurde, finden die "schlafenden" MdE plötzlich Anwendung.

Zitat
Das Werk das der Autor vorgibt, dient offensichtlich dazu einer Gruppe das Rollenspiel zu ermöglichen. Das Werk muss also insbesondere in Beziehung zum L-System stehen. Wie ist diese Beziehung?
Zur Beantwortung dieser Frage warte ich aber noch einen Moment. Es dürfen aber schon grobe Vorschläge dazu gemacht werden, wie denn so eine Beziehung auszusehen hat.
Erstmal ist das Werk sicherlich ein Teil des L-Systems, es sei denn, die Gruppe hat sich darauf geeinigt, bestimmte Teile wegzulassen oder abzuändern ("Hausregeln"). Denn alles, was niedergeschrieben ist, sind ja explizite Vorgaben, was während des Spieles zu tun ist bzw. was gilt.

Ähnlich sieht es aus, wenn nicht alle Spieler das Werk kennen, ein Spieler das Spiel vorstellt und dabei (absichtlich oder unabsichtlich) etwas anderes sagt, als im Werk zu finden ist. Dann ist das Werk also, ähnlich wie bei Hausregeln, nur teilweise Teil des L-Systems.

Klar ist allerdings, dass das L-System nicht vollständig vom Werk abgedeckt werden kann.

Nachfrage/Klärung zum letzten Abschnitt aus #12:
Ok, das heißt doch, du nennst nur die Einigungsmittel solche, die sich irgendwie direkt auf die Fiktion auswirken. Einigungen, die zwar auch mit dem Spiel zu tun haben aber sich nur indirekt auswirken (wie z.B. "Wir spielen nach D&D3.5 Grundregelwerk" oder "Du, der Andreas geht mir heute tierisch auf den Keks. Mit dem wechsele ich heute kein Wort.") sind sozusagen Meta-Mittel der Einigung MMdE ;) Im Umkehrschluss würdest du solche Einigungen auch nicht zum L-System rechnen, richtig?

Dann sagst du, dass sich eine Gruppe durch solche MMdEs auf ein L-System einigt und dass, wenn man diese Mittel wieder zusammen nimmt, ein neues System rauskommt und diese Systeme unendlich verschachtelt sind. Ist der SoCo nicht a priori das größte dieser Systeme?
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: grasi am 22.12.2007 | 17:03
Zitat
Es geht nicht um dich.
Wenn du meinst.

Zitat
Mit anderen Worten: grasi ist raus! (so lange keine echten Fragen da sind). Ich bitte auch die anderen netten Leute sich nicht genötigt zu sehen mich generell zu verteidigen, weil das ebenso wenig zur Diskussion beiträgt.
Sollten also weiter Sachen in die Richtung kommen, bitte einfach ignorieren.
Danke für die Bestätigung meiner Vorurteile.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Joe Dizzy am 22.12.2007 | 18:07
@ Georgios: Um wen gehts denn in so einem Grundlagenthread sonst, wenn nicht um die Grasis und Kinshasas, die mit den Begrifflichkeiten vorher nix anfangen konnten?

Wenn es in diesem Board um die Missionierung von Rollenspielern ginge oder darum eine "Wahrheit" zu finden, die man dann an alle möglichen Spieltische trägt und den verlorenen Seelen des Hobbies das Licht des "supertollen Rollenspiels" aufzeigt, dann würde ich dir Recht geben.

Dem ist aber nicht so. Rollenspieltheorie zielt erstmal auf den persönlichen Erkenntnisgewinn. Es wird beobachtet, hinterfragt und reflektiert um Rollenspiele besser zu verstehen. In diesem Fall geht es auch darum sich mit gleichermaßen Interessierten besser austauschen zu können.

Wer nicht selbst Fragen hat oder Beobachtungen und Überlegungen mit anderen teilen will, der ist hier ganz einfach falsch. Das hat nichts mit Elitarismus zu tun. Wer sich in einer Kneipe an einen vollen Tisch setzt, kann schließlich auch nicht erwarten, dass jeder der dort Sitzenden das laufende Gespräch so weiterführen, dass der Hinzukömmling ja alles versteht. Wer mitlesen will und schauen was andere Leute so im Zusammenhang mit Rollenspielen denken, der ist dazu eingeladen. Aber dass man sich dann seine gehässigen Kommentare spart, sollte man schon in der Grundschule gelernt haben.

Wenn es dir um Grundlagenbegriffe geht, dann sei dir das FAQ-Board empfohlen. Hier geht es um Diskussionen bzw. den Austausch von Überlegungen.

zum Thema: Ich find die Aufteilung nachvollziehbar. Ich habe selbst aus ähnlichen Gründen den Begriff "System" immer öfter vermieden, wenn es sich anbot. Es sind allein die Begriffe selbst, an denen ich mich etwas stoße. Explizit/implizit und so ist zwar treffend, aber für mein Sprachgefühl etwas zu ungelenk, als dass ich sie einfach so übernehmen kann.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Lord Verminaard am 22.12.2007 | 19:34
Moderatorpost

Der Sinn oder Unsinn von Theorie ist nicht Thema dieses Threads. Auch wenn man glauben könnte, dass er das grundsätzlich immer in jedem Thread in diesem Channel ist, weil immer irgendjemand meint, darüber reden zu müssen. Ist er aber nicht. Das gilt sowohl für die Gegner als auch für die Befürworter! Wer nach Lektüre dieses Threads (http://tanelorn.net/index.php/topic,20552.0.html) noch Gesprächsbedarf sieht, möge einen eigenen Thread eröffnen.

Boomslang hat mich gebeten, die OT-Posts rauszuschneiden. Das mache ich erstmal nicht, aber es schreibt auch keiner mehr was dazu, okay?
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Merlin Emrys am 23.12.2007 | 13:22
@ Merlin
Dein Beispiel mit der Gruppe die zwar scheinbar gleiche und explizite MdE hat, aber diese nur zufällig teilt, ist interessant.
Okay, ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt: Es geht nicht um eine zufällige oder irrtümliche Einigung auf "das Spiel, das wir spielen wollen". Es waren sich in der konkreten Runde, die ich im Kopf habe, alle einig, daß in folgenden Punkten vom vorgegebenen Material abzuweichen wäre. Es kannten ja alle "das Spiel, das wir spielen wollen" - weil jeder mit anderen gemeinsamen Mitspielern auch genauso spielt. (Ich kenne die Vergangenheit nicht, nehme aber an, daß es eine "Kerngruppe" gab, die sich durch Zuwachs dann geteilt hat... aber es war eben immer klar, daß man nicht 'nach Buch', sondern 'nach Paß' spielt.) Das hat also nichts mit Zufall oder Irrtum zu tun; es wäre auch keiner auf die Idee gekommen, nach diesen Regeln im geschriebenen Regelwerk zu suchen; sogar daß im Regelwerk dezidiert anderes steht, hätte keinen bestürzt oder verunsichert. Die Abweichungen werden mit übernommen - in dem Bewußtsein, daß sie solche sind, von einer Runde, die vorher niemals in dieser Zusammensetzung gespielt hat. Aber: sind sie nun explizit oder implizit oder teils dies, teils das?
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dom am 23.12.2007 | 19:10
Merlin, ich würde sagen: Wenn sich die Spieler (durch die überscheidenden Gruppen) auf ein Spiel geeinigt haben, sind die benutzten Regeln explizit. Implizite Regeln sind dagegen in meinen Augen solche, die irgendwie unbewusst sind ("Warum sollte man es anders machen?")
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 23.12.2007 | 20:21
@ Merlin
Dann ist alles klar. Dom hat Recht. In dem Fall sind diese Regeln explizit. Aus dem Grunde weil sie in der Ursprungsrunde als Abweichung formuliert worden sind (explizit gemacht) und dann in der neuen Runde über die Referenz übernommen wurden (Bezugnahme für diese spezielle Runde).
Würde ein solches MdE nun angezweifelt, könnte jemand sagen: "Wir haben doch Regel XY soundso geändert" und alle wüssten das. Bei impliziten Mitteln ist dieser direkte Bezug schwer möglich und wenn dann nur wenn man sich im Einzelfall nochmal darauf bezieht (implizites Mittel und explizite Einigung = Diskussion).
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 2.01.2008 | 14:14
Die Ausführungen zum L-System gefallen mir sehr gut. Gleichwohl habe ich noch ein paar Nachfragen und hoffe, dass ich damit nicht zu spät komme.

Wenn ich Dich richtig verstehe, sind die expliziten Mittel durch zwei Aspekte definiert: sie sind objektiv prüfbar und ihre Setzung als Mittel der Einigung ist allen bekannt. Ausdrücklich nicht notwendig ist, dass alle das Mittel inhaltlich kennen und verstanden haben. Deswegen sind die D&D 3.5 Regeln ein explizites MdE, sobald alle zugestimmt haben, dass man sie zugrunde legt.

Implizite Mittel sind dadurch charakterisiert, dass sie stillschweigend vorausgesetzt werden.

Folgende Fragen stellen sich mir:

(i) In der Definition expliziter Mittel ist von objektiver Prüfbarkeit die Rede. Ist dies eine Eigenschaft, die ausschließlich expliziten Mitteln zukommt, oder ist prinzipiell jedes MdE objektiv prüfbar? Was heißt „objektiv prüfbar“ eigentlich?

(ii) Lassen sich alle MdE (die sich auf die Fiktion beziehen) prinzipiell explizit machen? Da die impliziten MdE als stillschweigende Voraussetzungen definiert werden, erscheint es nahe liegend, dass man sie in explizite Mittel verwandeln kann, sobald man das Schweigen bricht. Aber dann stellt sich mMn Frage (i) um so dringlicher: Lassen sich tatsächliche alle MdE prinzipiell objektiv prüfen? Wie prüft man bspw., was zu einem bestimmten Genre gehört? Natürlich kann man Argumente austauschen, aber wäre das dann Objektivität in der Bestimmung der Elemente des Genres?
Hier entsteht folgendes Problem: Wenn es ausreicht, dass eine explizite Einigung erfolgt ist, damit ein bestimmtes Mittel als explizit angesehen werden kann, es aber andererseits nicht notwendig ist, dass alle sich über die inhaltliche Bedeutung der Einigung im Klaren sind, dann kann es explizite MdE geben (bspw. Genre: „Wir spielen Fantasy.“), deren inhaltliche Konsequenzen unterschiedlich interpretiert werden. Oder ist bspw. ein Genre nur genau in den Bereichen ein MdE, über die Einigkeit herrscht? Das führt dann aber auch wieder zu Problemen.

(iii) Mit der Gegenüberstellung von Konventionen und Regeln bin ich nicht ganz glücklich, weil Regeln manchmal als ein Fall von Konventionen verstanden werden. Konvention wäre demnach der Oberbegriff und (explizite) Regeln wären eine bestimmte Art von Konventionen. Du kannst das natürlich definieren, wie Du willst.

(iv) Könntest Du vielleicht noch einmal ausführen, wieso Du die Begriffe Evidenz, Kompetenz, Diskussion und Mechanik ausgewählt hast? Für Evidenz hast Du dies schon getan – aber die anderen Begriffe sind bisher ungeklärt. Insbesondere bei „Diskussion“ habe ich Verständnisprobleme: Normalerweise würde ich das Herbeiführen einer Entscheidung mittels einer Diskussion als explizit bezeichnen (jeder sagt, was er meint, und dann wird gemeinsam und öffentlich entschieden).

(v) Was genau willst Du mit Blick auf das (Regel-)Werk eines Autors diskutieren? MMn ist das Regelwerk (im Wesentlichen) ein Vorschlag dazu, wie das L-System, das eine Gruppe ihrem Spiel zugrunde legt, beschaffen sein könnte. Im umfassensden Fall kann das Regelwerk den Bestand der Fiktion und die Art und Weise, wie die Fiktion gestaltet werden kann, vorgeben. Prinzipiell ist es möglich, dass ein L-System vollständig einem Regelwerk entspricht bzw. umgekehrt das L-System einer Gruppe vollständig gemäß dem Werk des Autors ist, oder?

Das war's erstmal.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Fredi der Elch am 2.01.2008 | 16:21
Zwei Sachen gefallen mir ganz und gar nicht (ok, ich wieder, der alte Nörgler... ;) ):

1. Du definierst das L-System als alles, was prinzipiell zur Anwendung kommen könnte. Also ist alles, was im Regelwerk steht, Teil des L-Systems. Und damit hätten die Leute Recht, die behaupten, dass das System keine Rolle spielt. Naja, wenigstens teilweise.
Denn jetzt kann Hansi-DSA-Spieler wieder behaupten, dass das System egal ist, so lange man die richtige Gruppe / den richtigen SL hat. Denn Hansi spielt ja DSA, denn das ist Teil des L-Systems. Definiert man (IMO sinnvollerweise) das L-System als die Menge der Methoden der Einigung, die tatächlich zur Anwendung kommt, kann man bei den Quasi-Freeform-Story-DSA-Spielern immer sagen: "Ihr spielt kein DSA. Die Regeln werden nicht angewandt und sind damit kein Teil des L-Systems. Und das System meinen wir, nicht das tote zwischen den Buchdeckeln."
Kurz: Die praktische Definition des L-Systems halte ich für sehr viel besser als die extensive.

2. Du definierst als Teil des L-Systems nur die MdE, die sich unmittelbar auf die Fiktion auswirken. Damit fallen aber z.B. alle prozeduralen Regeln im Regelwerk weg. Wenn in PtA steht: "Jeder Spieler kann jederzeit einen Konflikt über etwas fordern", dann ist das eine Regel über die Wahl von MdE, keine über die Fiktion direkt. Und es würde damit nicht zum L-System gehören. Und das halte ich für Quatsch, für mich ist das eindeutig ein Teil der Art, wie sich die Spieler auf die Fiktion einigen. Zwar mittelbar, aber für mich immer noch ein Teil des L-Systems.

Wie seht ihr das?
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.01.2008 | 19:09
Ahh, es geht weiter, sehr schön. :)
Ich hatte das hier auch nicht vergessen ich wollte nur etwas "abkühlen" lassen.
Erstmal die Punkte von Gaukelmeister und dann Fredi und Dom, da ihr ähnliches ansprecht.

@Gaukelmeister

(i) Das "objektiv prüfbare" soll im Prinzip nur eine Umschreibung von "explizit" sein. Es geht um einen Verweis, einen Index. Es muss also etwas tatsächlich existieren in einer Form die die Spieler unabhängig voneinander beurteilen können, z.B. schriftlich, mündlich, ein Gegenstand der etwas anzeigt etc.
Insofern ist das der entscheidende Unterscheid zu impliziten Mitteln, die in diesem Sinne nicht "greifbar" sind. Erst durch das Berufen auf ein implizites Mittel wird überhaupt klar dass derjenige dies überhaupt als Mittel ansieht. Es muss sich dann erst herausstellen ob es überhaupt ein MdE sein kann bzw. ist oder war, indem enthüllt wird ob es alle Spieler tatsächlich teilen.

(ii) Es ist gar keine so leichte Frage ob sich prinzipiell alle MdE explizit machen lassen. Ich würde sagen prinzipiell ja, in der Praxis wird dies aber selten sinnvoll oder erwünscht sein, zumindest für ein Rollenspiel. Für das Rollenspiel gilt insbesondere dass MdE während des Spiels entstehen, dies ist nicht nur ein erwünschter Nebeneffekt, sondern Kern des Rollenspiels. Aber dazu später vielleicht mehr.
In Brett- oder Computerspielen sähe das alles schon ganz anders aus. Ich schätze das hat etwas mit Komplexität und Verarbeitung zu tun.

Was das folgende Problem angeht liegt eventuell ein Missverständnis vor: Die Explizitheit des Mittels hat mit der Explizitheit der Einigung nichts zu tun. Das sind unabhängige Dimensionen. Selbst wenn wir über ein Meta-Mittel reden, dass die Einigung auf ein explizites Mittel betrifft, muss diese (Meta-)Einigung nicht selbst explizit sein, nur die Referenz auf das Mittel muss es sein, um das Mittel explizit zu machen.
Beispiel: Der SL sagt: "Wir spielen D&D3.5". Die Spieler fangen an zu spielen.
Die D&D-Regeln sind nun explizites Mittel, da sie referenziert wurden. Die (Meta-)Einigung auf das Mittel war aber selbst nicht explizit, sie hätte es aber auch sein können, das ist egal für die Explizitheit des Mittels.

Der nächste Punkt ist der Inhalt und die Bedeutung eines expliziten Mittels. Dadurch dass explizite Mittel durch Referenz "objektiv  prüfbar" sind, kann man sich hier etwas erlauben das man in der Programmierung Lazy Evaluation (http://de.wikipedia.org/wiki/Lazy_Evaluation) nennt. Die Bedeutung eines Mittels wird erst dadurch näher bestimmt, dass sie gebraucht wird.
Wird das MdE also in einem konkreten Einigungsprozess gebraucht, kann jeder über die Referenz nachprüfen ob die Anwendung mit dem Übereinstimmt was das Mittel vorgibt. Dabei besteht natürlich immer ein gewisses Recht der Erstinterpretation durch denjenigen der mit der Regel zuerst in "Kontakt" kommt, die anderen prüfen dann quasi als Richter ob das Mittel diesen speziellen Einigungsfall abdeckt.
Die Einigung selbst kann dabei durchaus wieder implizit sein, obwohl das Mittel explizit ist. Deshalb nenne ich diesem Bereich Kompetenz. Regeln dieser Art stecken Räume von Fällen ab, die interpretationswürdig und -bedürftig sein können. So lange kein Einspruch kommt, kann ein durch Kompetenz ermächtigter Spieler mit seiner eigenen Interpretation der Regel spielen. Die Auslegung der selben Regel durch die anderen Spieler begrenzt jedoch seine Kompetenz und definiert sie dadurch erst in der Praxis.
Im Anwendungsfall der Einigung ist dieser Prozess nicht explizit, so lange er funktioniert. Deshalb: explizites Mittel, implizite Einigung.

(iii) Wikipedia sagt dazu: "Eine Konvention ist eine nicht formal festgeschriebene Regel, die von einer Gruppe von Menschen aufgrund eines Konsens eingehalten wird. Die Übereinkunft kann stillschweigend zustande gekommen oder auch ausgehandelt worden sein."
Das ist genau das was ich meine, obwohl ich es nicht nach Wikipedia definiert habe. Ich gehe aber davon aus, dass ich mich nicht zu weit vom Sprachgebrauch entferne, obwohl mir deine Auslegung des Begriffs durchaus bekannt ist.

(iv) Evidenz und Kompetenz habe ich ja schon beleuchtet. Bei Mechanik habe ich versucht den Sprachgebrauch aus dem Rollenspieljargon aufzugreifen und möglichst präzise und deckungsgleich auf das Modell anzuwenden. Mechanik ist also das "wozu man was machen muss" und das gleichzeitig geregelt ist, also: explizites Mittel, explizite Einigung.
Diskussion ist explizit, da hast du völlig recht. Genauer: Nur der Einigungsprozess ist es, und so steht es da ja auch. Das implizite an Diskussionen im Rollenspiel sind die Mittel. Gäbe es ein Mittel das klar zu einer Einigung beitragen würde bräuchte man nicht diskutieren. Man braucht nicht diskutieren, wo entweder jemand die Kompetenz hätte zu entscheiden, oder wo eine Entscheidung durch einen vorgegeben Spielprozess moderiert werden würde, also durch eine Mechanik.
Eine Diskussion könnte natürlich nie zu einer Einigung führen wenn es gar kein Mittel gäbe, nur dass diese eben implizit sind. Spieler bringen Argumente um die anderen zu überzeugen. Diese Argumente selbst sind aber nicht ausdrücklich als im Spiel zu verwendende Mittel referenziert worden, also nicht explizit.

Punkt (v) fasse ich mal weiter unten mit den Einwürfen von Fredi zusammen. Aber Dom sagte ja auch bereits, dass das L-System niemals nur ganz oder teilweise aus dem Werk bestehen kann, sondern dass immer noch etwas dazu kommen muss.


@ Fredi:

Welche Auslegung des L-Prinzips ist die richtige bzw. praktikabelste?
Das ist ein noch sehr diskussionswürdiger Punkt. Ich bin mir da selbst nicht 100% sicher und kann nur einige Argumente und Beweggründe nennen.

Du definierst das L-System als alles, was prinzipiell zur Anwendung kommen könnte. Also ist alles, was im Regelwerk steht, Teil des L-Systems.
Das stimmt nicht ganz. Es gilt nur der Teil der Regeln über den Einigkeit herrscht. Selbst wenn z.B. ein SL also "en bloc" eigenmächtig ein Regelwerk bestimmt ("Wir spielen D&D!"), und die Gruppe dies anscheinend annimmt, kann das eben nur ein Anschein sein. Tatsächlich besteht eventuell keine Einigkeit, oder es gibt andere Auslegungen von Kompetenzen, oder es gibt Widersprüche im Regelwerk, bei denen auf ganz unterschiedliche Weise jeden Spieler völlig klar ist was denn "eigentlich gemeint" war (Impossible Thing u.ä).
Ich möchte diese Auswirkungen solcher Werke nicht aus dem L-System ausschließen, weil sie in jedem Fall geltende Regeln sind und damit den Einigungsprozess steuern. Hier gilt zu beachten, dass ich das Werk als Grundlage für das Rollenspiel auch als entscheidenden Einfluss auf die Konventionen - also die impliziten Mittel - sehe. Das Werk ist nicht einfach nur eine Vorschlag für geltende Regeln der dann ganz oder teilweise 1 zu 1 übernommen wird, sondern grade in den mittelbaren (Meta-)Entscheidungen prägt das Werk auch Evidenz und Diskussion.

Ich finde alle Auslegungen des L-Prinzips (extensiv, praktisch und auch eng) haben ihre speziellen Anwendungsgebiete deswegen habe ich sie ja genannt. Man könnte Vincent mal fragen was er gemeint hat, denn ich könnte mir sogar vorstellen das es die enge Auslegung war.
Ich denke aber auch, dass die extensive Auslegung aus den von Dom genannten Gründen die für den "Alltag" am sinnvollsten zu gebrauchende ist.

Der Punkt mit der Unmittelbarkeit auf Fiktion ist in der Tat auch noch eine neue Sache und noch nicht ganz ausgereift. Dies dient im Endeffekt der weiteren Differenzierung um genaue Ebenen bezeichnen zu können.
1of3s Einwand gegen das L-Prinzip und den Systembegriff ist immer, dass System ja "alles" sei und man so ein Konzept nicht für technische Überlegungen braucht. In deiner Auslegung bestünde dieses Problem. Man hat zwar einen umfassenden Begriff für "alles was irgendwie relevant ist", aber dieser Raum ist unbeherrschbar für nähere Betrachtungen.
Aus diesem Grund - und ich denke das L-Prinzip gibt das her - habe ich schon länger dafür plädiert alles aus dem L-System heraus zu halten was sich nicht auf Fiktion bezieht. Das L-System bleibt damit Kern des Rollenspiels, aber eben nicht "das Rollenspiel". Wer letzteres gerne hätte, dem gefällt diese Einschränkung natürlich nicht.
"Alles was (fürs Rollenspiel) relevant ist" ist für mich der Social Contract.

Damit beantworte ich auch Doms Frage:
Der SoCo ist zwar nicht das größte vorstellbare Einigungssystem das existierst oder vorstellbar ist, aber das größte das wir betrachten, weil es einen Bezug zum Rollenspiel hat. Der SoCo ist also unser "catch all".
Meta-MdE gehören also auch nicht zum L-System, sondern zu anderen Systemen die im Einzelfall nun noch bezeichnet werden müssen.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Fredi der Elch am 2.01.2008 | 21:07
Ich denke aber auch, dass die extensive Auslegung aus den von Dom genannten Gründen die für den "Alltag" am sinnvollsten zu gebrauchende ist.
Das denke ich leider nicht. Was bedeutet, dass du hier natürlich gerne so definieren kannst, ich mich in folgenden Diskussionen allerdings nicht auf diese Definition stützen werde, da ich sie für sehr ungünstig halte. So ist plötzlich ganz viel "System", was nie im Spiel vorkommt.

Zitat
Aus diesem Grund - und ich denke das L-Prinzip gibt das her - habe ich schon länger dafür plädiert alles aus dem L-System heraus zu halten was sich nicht auf Fiktion bezieht.
Das sehe ich auch so. Nur sollten die Dinge, die sich mittelbar auf die Fiktion beziehen, eben auch rein. Und das ist definitiv sowas wie "Wer darf wann welche Würfe fordern (die dann Dinge in der Fiktion entscheiden" usw. Alles andere wäre doch Quatsch, denn dann bräuchten wir wieder einen anderen Namen dafür usw., wie du hier selber zugibst:
Zitat
Meta-MdE gehören also auch nicht zum L-System, sondern zu anderen Systemen die im Einzelfall nun noch bezeichnet werden müssen.
Warum sollten die also nicht zum L-System gehören und die MdE, die sich direkt auf die Fiktion beziehen sind dann... einfach die MdE, die sich direkt auf die Fiktion beziehen (taDA!! Man braucht nicht immer was ganz neu zu definieren, oder? ;) ). Wie klingt das?
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 2.01.2008 | 21:35
Vielen Dank für die Klarstellungen. Im Großen und Ganzen folge ich Dir. Allerdings habe ich mit Blick auf die Ausführungen zum Verhältnis von L-System und Regelwerk noch eine Nachfrage. Was ist das Argument dafür, dass das L-System prinzipiell umfassender ist als das Regelwerk? Hängt das mit Deiner Unterscheidung impliziter und expliziter Mittel zusammen? Dann wäre das Argument, dass es immer implizite MdE gibt, die nicht durchs Regelwerk eingeholt werden können. In diesem Fall wäre es allerdings möglich, dass das Regelwerk alle expliziten Mittel abdeckt. Was dann zum Regelwerk noch dazukommen muss, damit ich das L-System bekomme, sind die impliziten MdE. Habe ich mir das richtig zusammengereimt?

[...]
Ich möchte diese Auswirkungen solcher Werke nicht aus dem L-System ausschließen, weil sie in jedem Fall geltende Regeln sind und damit den Einigungsprozess steuern. Hier gilt zu beachten, dass ich das Werk als Grundlage für das Rollenspiel auch als entscheidenden Einfluss auf die Konventionen - also die impliziten Mittel - sehe. Das Werk ist nicht einfach nur eine Vorschlag für geltende Regeln der dann ganz oder teilweise 1 zu 1 übernommen wird, sondern grade in den mittelbaren (Meta-)Entscheidungen prägt das Werk auch Evidenz und Diskussion.

Diesen Abschnitt verstehe ich in mehrfacher Hinsicht nicht richtig. Der letzte Satz ist noch nicht ganz rund: Es ist möglich, dass das Werk nur ein Vorschlag für geltende Regeln ist und trotzdem (oder vielleicht auch: gerade dadurch) Evidenz und Diskussion prägt. Was genau willst Du hier sagen?

Im ersten Satz bezieht Du Dich auf Deine (von mir rausgekürzten) Beispiele. Wenn ich Dir folge, wäre es möglich, dass gleichzeitig widersprüchliche Regeln gelten. MMn ist das Nonsense (wenn ich einmal einen solchen Kraftausdruck gebrauchen darf  ;) ). Zwei sich widersprechende Regeln können nicht gleichzeitig in derselben Hinsicht gültig sein. Natürlich könnte man sagen, dass hier unter "Regel" einfach das verstanden wird, was im Regelwerk steht. Aber im Sinne von "MdE" funktioniert das IMHO nicht. Aber Du siehst das offensichtlich anders - deswegen bitte ich um eine Erklärung.

Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dom am 2.01.2008 | 21:48
1. Du definierst das L-System als alles, was prinzipiell zur Anwendung kommen könnte. Also ist alles, was im Regelwerk steht, Teil des L-Systems. Und damit hätten die Leute Recht, die behaupten, dass das System keine Rolle spielt. Naja, wenigstens teilweise.
Denn jetzt kann Hansi-DSA-Spieler wieder behaupten, dass das System egal ist, so lange man die richtige Gruppe / den richtigen SL hat. Denn Hansi spielt ja DSA, denn das ist Teil des L-Systems. Definiert man (IMO sinnvollerweise) das L-System als die Menge der Methoden der Einigung, die tatächlich zur Anwendung kommt, kann man bei den Quasi-Freeform-Story-DSA-Spielern immer sagen: "Ihr spielt kein DSA. Die Regeln werden nicht angewandt und sind damit kein Teil des L-Systems. Und das System meinen wir, nicht das tote zwischen den Buchdeckeln."
Kurz: Die praktische Definition des L-Systems halte ich für sehr viel besser als die extensive.

Hm, die Begründung kann ich erstmal nachvollziehen. Allerdings find ich das auch schwierig: Reicht die einmalige Anwendung einer Technik, um in das System aufgenommen werden? Was ist mit einer Sitzung, bei der man am Anfang die Regel anwendet und für den Rest der Kampagne die Regel aber ignoriert?

Wenn man dann sagt: System sind nur die Techniken, die regelmäßig angewendet werden, wie ist es dann mit einer Regel, von der alle wissen, dass sie gilt, aber nur einmal angewendet wird, weil die entsprechende Situation im Spiel nur einmal auftaucht?

Daher halte ich trotz deines Einwandes die extensive Definition für besser. Den DSA-Spielern im Beispiel kann man immer noch vorwerfen, dass sie nur vorgeben, die Regeln zu verwenden, es aber tatsächlich nicht tun, denn man kann ja nachweisen, dass sie die Regeln brechen.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Fredi der Elch am 2.01.2008 | 21:59
Daher halte ich trotz deines Einwandes die extensive Definition für besser.
Ich halte die extensive Definition für genauer definiert und für einfacher definierbar. Und trotzdem für schlechter, weil sie am Kern des für die Praxis nutzbaren Systembegriffs vorbeigeht. Was genau nutzt uns ein Systembegriff, der keine Praxisrelevanz hat? Da halte ich einen etwas schwammigeren Begriff für deutlich sinnvoller (Sozialwissenschaftler lernen eben mit "schwammig" zu leben ;) ). Aber wenn ihr mir jetzt eine total coole Anwendungsmöglichkeit liefert, lasse ich mich auch gerne umstimmen. :)
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dom am 2.01.2008 | 22:12
Naja, die total coole Anwendungsmöglichkeit(TM) sehe ich darin, dass eine Regel zum System gehört, wenn man sich drauf einigt, sie zu benutzen, auch ohne dass sie zur Anwendung kommt. D.h. wenn zwei Gruppen sagen: "Wir spielen D&D3.5 SRD by book", dann benutzen diese zwei Gruppen (zumindest was die geschriebenen Regeln angeht) dasselbe System, auch wenn in der einen Gruppe ein Mönch vorkommt und in der anderen nicht. Der Begriff somit näher am umgangssprachlichen System-Begriff.

Die Frage, die ich mir gerade stelle: Gibt es überhaupt einen relevanten Unterschied?

EDIT: Darüberhinaus wären die geschriebenen Regeln immer Teil des Systems (wenn die Leute by book spielen), was cool ist, da dann der Autor tatsächlich das Spiel beeinflussen kann ;)
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 2.01.2008 | 23:09
Dann wäre das Argument, dass es immer implizite MdE gibt, die nicht durchs Regelwerk eingeholt werden können. In diesem Fall wäre es allerdings möglich, dass das Regelwerk alle expliziten Mittel abdeckt. Was dann zum Regelwerk noch dazukommen muss, damit ich das L-System bekomme, sind die impliziten MdE. Habe ich mir das richtig zusammengereimt?
Ja, richtig.
Darüber hinaus können natürlich auch Vorschläge für explizite MdE aus dem Werk wegfallen oder der Gruppe eigene hinzu kommen (Hausregeln).

Es ist möglich, dass das Werk nur ein Vorschlag für geltende Regeln ist und trotzdem (oder vielleicht auch: gerade dadurch) Evidenz und Diskussion prägt.
Das Werk ist nur ein Vorschlag bzw. kann es nur sein. Trotzdem ist es auf irgend einer Ebene die für das Spiel relevant ist ein MdE.
Das Werk prägt die Evidenz z.B. indem etwas nicht vorgeschrieben, sondern nur beschrieben wird, oder indem etwas angedeutet wird. Dadurch können Schlüsse und Assoziationen als Konventionen ins Spiel kommen.
Man kann z.B. so weit gehen und sagen Hintergrund prägt größtenteils Konvention oder speziell Evidenz, wenn nirgendwo steht was er für das Spiel bedeutet. Gibt "Elfen haben Ohren" eine Kompetenz oder Mechanik vor? Mechanik wohl kaum. Am ehesten könnte man sagen es ist Teil der Kompetenz: Irgendwer wird ermächtigt Elfen mit Ohren einzuführen. Aber auch da kann man sich täuschen. Würde durch diese Hintergrundbeschreibung vermieden dass Elfen ohne Ohren auftauchen? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das ist Frage der Konvention der Gruppe. Ist allen Spielern "offensichtlich" dass man Elfen ihre Ohren auch abschneiden kann, dann können plötzlich ohne weiteres verkrüppelte Elfen ohne Ohren auftauchen. Evident. Oder es wird halt ausdiskutiert. Dann kann man die Texte des Werks als Argumente heranziehen (Was der Autor gemeint hat. Was am besten gemeint sein sollte usw.).

Wenn ich Dir folge, wäre es möglich, dass gleichzeitig widersprüchliche Regeln gelten. MMn ist das Nonsense (wenn ich einmal einen solchen Kraftausdruck gebrauchen darf  ;) ).
Nonsense ist ein Kraftausdruck...? :o ;D
Es ist die Frage wie man das "Gelten" von Regeln meint. Gelten tut eine Regel im Sinne des L-Systems auf unterschiedliche Weisen. Diese bringen uns wieder direkt zur Frage der Auslegung (extensiv, praktisch, eng). Jede dieser Auslegungen könnte man als das "Gelten" einer Regel oder allgemein eines MdE ansehen. Gilt ein MdE wenn es als solches verfügbar ist, wenn es benutzt wird, oder nur wenn auch eine Einigung zustande kommt? Das hat wie gesagt alles was für sich.
Alle Auslegungen außer der engen erlauben das Gelten von widersprüchlichen MdE. Für sich genommen sind sie MdE, aber zusammen gerät der Prozess der Einigung eventuell in der Praxis ins Stocken. Widersprüche müssen aufgelöst werden, entweder mit den MdE selbst oder mit höher liegenden MdE aus umfassenderen Systemen. In jedem Fall bleiben die MdE aber solche, weil sie den Einigungsprozess beeinflussen.


@ Fredi
Was die Sache mit dem direkten und dem indirekten Bezug angeht. Da stellt sich mir die Frage: Wie indirekt hätten wir's denn gern? ;D
Es ist auch noch etwas diffus was "direkt" denn da eigentlich heißt, aber direkter Bezug ergibt wenigstens eine beschränkte Menge. Bei indirektem Bezug haben wir plötzlich prinzipiell alles drin. Wo würdest du die Grenze ziehen wollen. Benenn mal den Punkt.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: oliof am 2.01.2008 | 23:49
Ist L-System kontinuierlich oder diskret? Mit anderen Worten: Ist es wichtig, festzustellen, welche MdE letzte Woche noch benutzt wurden, wenn sie diese Woche inhaltlich keine Rolle spielen, um L-System jeweils korrekt zu definieren? Oder reicht es, die Menge aller MdE zu betrachten, die zu einem gegebenen Zeitpunkt/eng umrissenen Zeitraum im Einsatz sind.

Meta-MdEs sind nach meinem Dafürhalten extrem wichtig und definitiv Bestandteil des L-Systems. Später (morgen?) mehr dazu.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 3.01.2008 | 00:04
Ah, du meinst in der zeitlichen Veränderung kontinuierlich oder diskret(!?)

Da würde ich sagen eher diskret. Ein Schritt ist ein Wechsel von MdE (Wegfall, Hinzufügung, Tausch, Änderung o.ä)

Jetzt hängt es wieder von der Auslegung ab, wie häufig und leicht sich das System tatsächlich ändert. Das extensive L-System muss sich eher selten ändern (bis auf den Knaller den ich später noch rein bringe ;D), während das praktische sich sehr schnell wandelt.

Da fällt mir auf wenn man die zeitliche Betrachtung hinzu nimmt, dann ist das praktische L-System sogar immer nur ein MdE groß und wandelt sich dann, es sei denn man legt willkürliche Umfänge wie eine Sitzung o.ä. fest.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Fredi der Elch am 3.01.2008 | 12:43
Naja, die total coole Anwendungsmöglichkeit(TM) sehe ich darin, dass eine Regel zum System gehört, wenn man sich drauf einigt, sie zu benutzen, auch ohne dass sie zur Anwendung kommt.
Äh, unter "Anwendung" verstehe ich echt was anderes... ;) Das ist Definitions-Kram, keine Anwendung...

Zitat
Der Begriff somit näher am umgangssprachlichen System-Begriff.
Und wir können damit nicht mehr sagen "System matters". Was ich für einen Nachteil halte.

EDIT: Hm, das war ja nicht besonders klar, was ich da geschrieben habe...  :-\  Also, was ich mit "Anwendung" meine, ist folgendes: Über welches konkrete Rollenspielphänomen oder -problem können wir dank dieses Systembegriffs besser reden als vorher mit dem alten?


Was die Sache mit dem direkten und dem indirekten Bezug angeht. Da stellt sich mir die Frage: Wie indirekt hätten wir's denn gern? ;D
Ziemlich. ;D Und ich muss keinen genauen Punkt benennen können. Das ist so eine furchtbare Informatiker-Eigenschaft, die in den Sozialwissenschaften ziemlich hinderlich ist. Alles ganz exakt definieren zu können, ist einfach sehr störend, da es den Anwendungsbezug kaputt macht. Sachen gehören einfach zum System, wenn sie ziemlich deutlichen Einfluss auf den Spielablauf und damit auf die Fiktion haben. So undeutlich und doch so praxisrelevant. :)
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 3.01.2008 | 18:17
Sachen gehören einfach zum System, wenn sie ziemlich deutlichen Einfluss auf den Spielablauf und damit auf die Fiktion haben.

Es geht mir nicht um mathematische Definitionen, nur um irgendwie brauchbare. Ich möchte dass wir den "ziemlich deutlichen Einfluss", der so eher lasch und deklarativ da rum steht, ein bisschen operationaliseren können.
Du als Psychologe machst jetzt ein Experiment in dem du den unterschiedliche starken Einfluss von Regeln auf ein Spielgeschehen bestimmen musst. Was guckst du dir da an?
Das ist keine rhetorische Frage. Ich würde ja auch gerne zu so einer Definition kommen. Wir streiten an diesem Punkt ja ohnehin eher darüber was wir nun L-System nennen können, dürfen, sollen, und nicht darüber was man sich alles sinnvollerweise angucken kann.

Und nun nochmal zur extensiven Definition:
Dinge die in eine Runde eingeführt wurden, können das Spiel potentiell als MdE beeinflussen. Es ist in allen Definition der Fall, dass man Teile des Systems überhaupt erst während des Spielverlaufes als solche identifizieren kann. Auch in der extensiven Definition ist das so, deswegen verstehe ich auch deinen Einwand bezüglich "System Matters" nicht wirklich. Wenn in der extensiven Definition ein MdE im Spielverlauf nicht benutzt wurde, heißt das nicht dass es unbedeutend ist, sondern nur dass es nicht gebraucht wurde, weil es zu keiner passenden Situation kam.
In der praktischen Definition fällt ein unbenutztes aber eventuell bedeutendes MdE raus. Bedeutend finde ich unbenutzte MdE insofern, als das sie Einfluss genommen hätten, wären sie nötig gewesen. Alle Spieler wären bereit dazu gewesen.

In dem Fall in dem man den geistigen Zustand der Spieler zu jedem Zeitpunkt kennt (also rein hypothetisch) sind sogar das extensive und das praktische System gleich, wenn man einen festen Zeitraum annimmt (und wenn ich das richtig sehe ;)). Hier auch der Unterschied der mit oben schon aufgefallen ist: Das extensive System ist für beliebige Situationen, also Punkte, brauchbar, die anderen nur für Zeiträume. Oft wollen wir aber nur einen Punkt annehmen (z.B. Spielbeginn) und von da extrapolieren.
Man betrachtet mit dem extensiven System also Möglichkeiten und kann so hypothetische Situationen durchgehen und ähnliches, was nützlich ist weil wir hier ja selten Experimente machen können.
Das praktische System macht eben nur Sinn wenn man es auch praktisch bestimmt hat. Dann ist wieder das extensive System wenig sinnvoll, weil es nur Annahmen erlaubt die man praktisch nicht für den beobachteten Zeitraum prüfen kann.

Wie gesagt. Eigentlich halte ich diese Definitionen beide für sinnvoll, weswegen ich vorschlage sie auch beide zu verwenden.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Fredi der Elch am 4.01.2008 | 13:40
Du als Psychologe machst jetzt ein Experiment in dem du den unterschiedliche starken Einfluss von Regeln auf ein Spielgeschehen bestimmen musst. Was guckst du dir da an?
Das hängt davon ab, was ich wissen will. Und dazu müsste ich erst einmal "unterschiedlich starken EInfluss" operationalisieren. Heißt das "Wie oft wird die Regel verwendet"? Oder heit das "wie anders wird das Spiel dadurch"? Und was heißt dann "anders"? Ist alles nicht so einfach...

Zitat
Wir streiten an diesem Punkt ja ohnehin eher darüber was wir nun L-System nennen können, dürfen, sollen, und nicht darüber was man sich alles sinnvollerweise angucken kann.
Hm, vielleicht sollten wir lieber letzteres tun, oder...?

Zitat
In dem Fall in dem man den geistigen Zustand der Spieler zu jedem Zeitpunkt kennt (also rein hypothetisch)
[...]
Das praktische System macht eben nur Sinn wenn man es auch praktisch bestimmt hat.
Genau. Das extensive System ist ausschließlich für hypothetische, völlig unfundierte Dinge "nützlich" (will sage: es nutzt nichts, da es keinen Anwendungsfall hat). Das praktische geht nur, wenn man es praktisch bestimmt hat - was die einzige Möglichkeit ist, das System zu bestimmen. Da irgendwas hypothetisch auf einen Zeitpunkt zu begrenzen ist doch Unsinn, wenn man sowieso einen Zeitraum braucht, um was damit anfangen zu können. Das ist wie mit GNS an einem Zeitpunkt - das geht einfach nicht.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 4.01.2008 | 14:25
Das hängt davon ab, was ich wissen will. Und dazu müsste ich erst einmal "unterschiedlich starken EInfluss" operationalisieren. Heißt das "Wie oft wird die Regel verwendet"? Oder heit das "wie anders wird das Spiel dadurch"? Und was heißt dann "anders"? Ist alles nicht so einfach...
Ich weiß dass das nicht so einfach ist, deswegen habe ich dich gefragt und es nicht selbst beantwortet. ;)
Und die Frage wäre für mich eher "Wie anders wird die Fiktion dadurch?", es soll ja um Direktheit oder Indirektheit bezüglich der Fiktion gehen. Unsere Frage ist ja was sinnvollerweise als fiktionsnahes MdE zu gelten hat, was eine Frage der Mittelbarkeit ist.
Was dabei "anders" bedeutet ist dann der Knackpunkt. Ich denke es sollte im Hinblick auf unsere Frage eine Art Hierarchie herauskommen, in der die direkten Teile häufig Fiktion bestimmen und die indirekten seltener, diese sollten dann aber irgendwie wichtiger sein, also die Anwendung direkterer Teile prägen.


Das extensive System ist ausschließlich für hypothetische, völlig unfundierte Dinge "nützlich" (will sage: es nutzt nichts, da es keinen Anwendungsfall hat).
Naja, das kann man anders sehen. Gedankenexperimente sind für mich in diesem Sinne für uns hier auch Anwendungsfälle.
Es hat keinen Anwendungsfall der dich interessiert (Bist du in der Experimentalpsychologie? ;)).
Lassen wir das so stehen. Behalten wir beide im Hinterkopf dass diese Differenzierung dennoch möglich ist (und von manchen das ein oder andere benutzt wird) und alles sollte klar gehen.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Fredi der Elch am 4.01.2008 | 16:18
Und die Frage wäre für mich eher "Wie anders wird die Fiktion dadurch?", es soll ja um Direktheit oder Indirektheit bezüglich der Fiktion gehen. Unsere Frage ist ja was sinnvollerweise als fiktionsnahes MdE zu gelten hat, was eine Frage der Mittelbarkeit ist.
Ok, für mich ist das überhaupt keine relevante Frage. Mich interessiert die Fiktion erst einmal nicht so besonders (und damit die "fiktionsnähe" von MdEs auch nicht). Mich interessiert der Spielprozess zwischen den echten Menschen am Tisch. Denn der kann auch bei ähnlicher Fiktion sehr unterschiedlich aussehen. Wenn du dich allgemein eher über die Fiktion unterhalten willst, dann würde ich sagen, du bist in die "Story-Falle" getappt. Das sollten wir eigentlich seit GNS besser wissen.

Zitat
Was dabei "anders" bedeutet ist dann der Knackpunkt. Ich denke es sollte im Hinblick auf unsere Frage eine Art Hierarchie herauskommen, in der die direkten Teile häufig Fiktion bestimmen und die indirekten seltener, diese sollten dann aber irgendwie wichtiger sein, also die Anwendung direkterer Teile prägen.
Das alles kann man sich IMO sparen, wenn man sich nicht auf die Fiktion versteift. Wenn MdEs den Spielprozess prägen, dann fällt das ganze Problem weg.

Zitat
Naja, das kann man anders sehen. Gedankenexperimente sind für mich in diesem Sinne für uns hier auch Anwendungsfälle.
So lange keine Übertragbarkeit auf das tatsächliche Rollenspiel besteht (und durchgeführt wird!), halte ich das für ziemlich dämlich, sich mit Gedankenexperimenten aufzuhalten. Das Theorie-Forum auf der Forge ist nicht umsonst zu. Lasst uns nicht die gleichen Fehler machen. Wie gesagt: wir sollten das inzwischen besser wissen.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 4.01.2008 | 16:34
Mich interessiert der Spielprozess zwischen den echten Menschen am Tisch. Denn der kann auch bei ähnlicher Fiktion sehr unterschiedlich aussehen.
Ne, ne, so einfach kommst du mir nicht davon ;D
Das L-System bezieht sich nicht ohne Grund auf Fiktion. Dass in der Tat die Beziehung der Spieler zur Fiktion interessant ist und nicht die Fiktion an sich, ist mir voll bewusst, da brauchst du mich nicht belehren. Die Fiktion raus zu lassen ist genauso falsch, weil sie Kommunikationsmedium der Spieler ist, die deren Interaktion erst so ermöglicht wie sie stattfindet. Es ist also interessant welches Medium Spieler grade zur Kommunikation nutzen, oder "eher" nutzen (daher Fiktionsnähe).

So lange keine Übertragbarkeit auf das tatsächliche Rollenspiel besteht (und durchgeführt wird!), halte ich das für ziemlich dämlich, sich mit Gedankenexperimenten aufzuhalten.
Die Übertragbarkeit besteht! Und zwar für hypothetische Spielsituationen. Was für eine Relevanz Hypothesen für die Praxis haben muss ich dir jetzt nicht erklären, oder? Oder wollen wir uns hier grade missverstehen?
Das extensive L-System gibt z.B. eine Hypothese darüber wie sich Spieler verhalten könnten. Man kann mit diesen MdE dann nachsehen ob man sie in praktischen L-System finden kann und in welchem Zeitraum. Hat man keine Hypothese weiß man eventuell nicht wonach man sucht, oder wie lange man dies tun muss.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Fredi der Elch am 4.01.2008 | 20:23
Das L-System bezieht sich nicht ohne Grund auf Fiktion. Dass in der Tat die Beziehung der Spieler zur Fiktion interessant ist und nicht die Fiktion an sich, ist mir voll bewusst, da brauchst du mich nicht belehren. Die Fiktion raus zu lassen ist genauso falsch, weil sie Kommunikationsmedium der Spieler ist, die deren Interaktion erst so ermöglicht wie sie stattfindet.
Das stimmt so nicht ganz. Die Fiktion ist keine Kommunikationsmedium, sondern das Endergebnis des Kommunikationsprozesses. Das Kommunikationsmedium sind Sprache und nonverbale Kanäle. Und genau so verstehe ich das L-System auch: wie wird die Kommunikation (Sprache und Rest) strukturiert, um zur Fiktion zu gelangen. Das System ist für mich die Gesamtheit der Elemente, die den kommunikativen Prozess steuern, der dann zur Fiktion führt. Regeln (implizit und explizit), Konventionene, Mindsets, Rollen, Erwartungen... lauter solche Dinge.

Zitat
Die Übertragbarkeit besteht! Und zwar für hypothetische Spielsituationen.
Ok, da würde ich gerne mal eine praktische Hypothese sehen, denn die hier:
Zitat
Das extensive L-System gibt z.B. eine Hypothese darüber wie sich Spieler verhalten könnten. Man kann mit diesen MdE dann nachsehen ob man sie in praktischen L-System finden kann und in welchem Zeitraum.
reicht mir nicht, um das extra als "extensives L-System" zu definieren. Warum so umständlich? Die Hypothese "X steht im Regelwerk. Wir schauen mal, ob X auch verwendet wird." ist doch super und jeder kann sie verstehen. Warum definierst du also so kompliziert? Oder (wie ich schon mal fragte): was können wir mit der Definition leichter erklären als ohne sie?
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 4.01.2008 | 21:53
Die Hypothese "X steht im Regelwerk. Wir schauen mal, ob X auch verwendet wird." ist doch super und jeder kann sie verstehen. Warum definierst du also so kompliziert?
Mit einer Definition kann man nichts leichter erklären, sondern erstmal etwas leichter bezeichnen. Ich kann natürlich auch das L-System paraphrasieren und dann erklären was ich mit extensiv meine und dann kann ich sagen dies ist der Raum unserer Erwartungen die wir ohne weiteres zu wissen an eine hypothetische Gruppe stellen. Aber dazu habe ich eben nicht immer Lust. Auch wenn ich es jetzt schon ein paar Posts lang versuche zu erklären.

Wenn ich mehr Annahmen treffe z.B. Welche Rollen die Spieler gewählt haben, dann kann ich das System beschränken auf das was mit dieser Konstellation unnötig ist usw. Ich kann mich aber über das extensive System immer auf die Gesamtheit der zu irgend einem Zeitpunkt in dieser Situation anwendbaren Regeln beziehen.
In der praktischen Definition beziehe ich mich streng genommen ja immer nur auf ein Mittel das grade angewandt wird, oder etwas das sich in einem Zeitraum an Mitteln angesammelt hat die verwendet wurden. Das lässt keinerlei Ausblick zu.
Ich glaube wir sollten hier aber auch aufhören und sei es mit einem "Agree to Disagree", ich sehe nämlich nicht dass wir hier was erreichen, der andere Punkt ist ohnehin interessanter, weil es da nicht nur um Definitionen geht.


Die Fiktion ist keine Kommunikationsmedium, sondern das Endergebnis des Kommunikationsprozesses.
Das stimmt aber auch nicht so ganz.  ;) Ok, die eigentlichen Medien sind Signale der Spieler, soweit völlig klar. Aber die Fiktion ist nicht einfach ein Endergebnis zumindest nicht der SIS! Was mir da nicht gefällt ist das Ende. Im SIS endet nicht nur der Kommunikationsprozess er baut darauf auch auf, das ist ein Paradebeispiel für einen speziellen Common Ground.

Das System ist für mich die Gesamtheit der Elemente, die den kommunikativen Prozess steuern, der dann zur Fiktion führt.
Aber das ist mir zu weit weg. Dieser Raum ist unbeschränkt. Die Verabredung zum Spiel führt auch zur Fiktion und was diese Verabredung steuert interessiert mich vielleicht nicht.
Schaffen von gemeinsamer Fiktion (SIS) ist ein definierendes Merkmal des Rollenspiels. Kommunikation ist dazu eine notwendige aber eben nicht hinreichende Bedingung. Wenn man also nur Kommunikation betrachtet kann man immer einen Zusammenhang herstellen, der einem aber eventuell nicht viel sagt.
Ich will aber einen Maßstab für die Nähe zu dem Kern des Spiels (SIS) haben, mit dem ich diese Kommunikationsprozesse bezeichnen kann. Diesen Maßstab brauche ich, um eine Aussage über die Strukturen machen zu können, mit denen letztlich über den Weg der Fiktionsbildung kommuniziert wird und warum es einmal über die Fiktion gehen muss und ein anderes mal nicht und was die Fiktion dabei vielleicht für eine Rolle spielt

Die für mich offensichtlichste Abgrenzung habe ich ganz zu Anfang genannt: Direkter Bezug. Das heißt ein MdE muss selbst den Bezug zur Fiktion enthalten um als direkt zu gelten. Lässt man indirekte und mittelbare Bezüge zu ist man auf den Maßstab angewiesen, der irgendwie über die Nähe quantifiziert.
Ich will gar nicht sagen, dass mittelbare Bezüge alle uninteressant sind, ganz im Gegenteil, einige davon sind sehr interessant. Ab hier ist es nur noch eine Frage was davon man noch L-System nennen will. Das ist mir eigentlich egal, aber nennt man alles gleich habe ich die Differenzierung nicht.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Fredi der Elch am 4.01.2008 | 22:09
Whatever. Ich sehe einfach nicht, wie du mit den Definitionen irgendwie weiterkommst. Also werde ich einfach warten, bis du damit irgendeinen praktischen Bezug herstellst, den du ja mit den Definitionen scheinbar einfacher herstellen kannst. Macht ihr mal, ich warte auf die nützlichen Ergebnisse.

Hm, und das habe ich bisher schon oft in Theoriediskussionen gesagt. Und ich warte immer noch darauf, dass mir mal jemand Ergebnisse liefert. Bisher warte ich vergebens. Mein Tipp ist: Es wird auch diesmal wieder so sein. ;)
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 5.01.2008 | 02:26
Ok, dann mal weiter im Text mit einer kurzen Anmerkung, über die sich Forge-Versteher nochmal Gedanken machen dürfen:

Meine MdE sind bei Forge "Techniques". Die konkreten Anwendungen also der Einigungsvorgang im Spiel, sind "Ephemera". Ich finde meine Definitionen natürlich viel toller und überhaupt viel verständlicher und weniger verwirrend, aber eigentlich sage ich genau das gleiche ;D
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 5.01.2008 | 14:09
Ich habe noch einige begriffliche Nachfragen und Klärungsversuche zum L-System. Zur besseren Übersichtlichkeit zitiere ich vorneweg:

Ist das L-System die Menge der MdE die man nutzen könnte um sich auf Fiktion zu einigen, weil alle Spieler sie teilen? (extensive Auslegung)
Ist es nur die Menge die auch tatsächlich zur Anwendung kommt, aber nicht zwingend zu einer Einigung führt? (praktische Auslegung)

(i) Unter welchen Bedingungen führt ein MdE nicht zur Einigung? Ich kann mir spontan nur zwei Situationen vorstellen: entweder gibt es ein konfligierendes MdE oder das MdE wird nicht angewendet. Beide Fälle sind aber Sonderfälle, in denen man mMn darüber streiten könnte, dass das MdE tatsächlich gilt. Gibt es noch andere Fälle, in denen ein MdE nicht zur E führt?

(ii) Nur um das noch einmal zu betonen: „nutzen könnte“ in der ersten Bestimmung bedeutet, dass das extensive L-System genau die MdE enthält, deren Geltung alle Spieler implizit oder explizit akzeptiert haben. Daraus folgt, dass für alle MdE des extensiven L-Systems gilt: sie kommen zur Anwendung (werden also Element des praktischen L-Systems), sobald ihre Anwendungsbedingungen vorliegen. Es ist nicht ohne neuen Abstimmungsprozess möglich, dass ein MdE zum extensiven L-System gehört, aber in relevanten Situationen nicht angewendet wird (natürlich müsste man hier noch ein wenig genauer formulieren). Wenn ein Element des extensiven L-Systems in relevanten Situationen nicht angewendet werden soll, muss eine Diskussion erfolgen, weil es bisher als gültig akzeptiert worden ist.

(iii) Das extensive L-System ist die relevante Orientierungsgröße für die Planungen der Spieler, die sich auf die Gestaltung der Fiktion beziehen. Wenn ein Spieler sich die bestehenden Möglichkeiten der Gestaltung des SIS (oder Fiktion) vergegenwärtigen will, muss er sich das extensive L-System und nicht das praktische L-System beziehen. Für eine ganze Menge von Entscheidungen ist diese Orientierungsgröße bedeutsam (bspw. für das Erschaffen von Charakteren, das Abwägen von Handlungen, das Vorbereiten von Abenteuern etc.). Deswegen ist das extensive L-System von enormer praktischer Bedeutung. Weil ich das offensichtlich finde, bin ich nicht ganz sicher, ob ich die kritischen Anfragen von Fredi richtig verstehe: Stimmst Du mir zwar zu, dass das extensive L-System den Plänen der Spieler zugrunde liegt, findest diese Funktion aber nicht wichtig? Oder kommt dem extensiven L-System diese Funktion nicht zu? Oder geht es irgendwie um ganz was anderes? (hier kann natürlich gerne auch jemand anderes als Fredi antworten)

(iv) Für Zwischendurch: Was genau ist die "Story-Falle"? Ich kenne die Anmerkung von Ron Edwards im Zusammenhang seiner Überlegungen zu GNS, dass man GNS nicht mit Story verwechseln sollte oder genauer: dass Storyorientierung kein Parameter ist, mittels dessen sich Creative Agendas unterscheiden lassen. Aber wird irgendwo gesagt, dass man sich über die Fiktion bzw. die Story keine Gedanken mehr machen sollte?

(v) Ich habe mit dem Begriff der direkten Beeinflussung kein Problem. Ein MdE, dass unmittelbar die Fiktion beeinflusst, ist dadurch definiert, dass es, sobald es angewandt wird, unmittelbar die Fiktion beeinflusst. Weniger tautologisch: Gegenstand der Einigung sind Aspekte der Fiktion. Im Unterschied dazu gibt es MdE, deren Gegenstand kein Aspekt/Element/Bereich der Fiktion ist, sondern bspw. der Spielprozess. Findet Ihr nicht, dass man über den Gegenstand, auf den sich das MdE bezieht, entscheiden kann, ob es nun direkt oder indirekt ist?
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 5.01.2008 | 19:31
Alles sehr gute Anmerkungen, zuerst mal die einfachen Sachen:

Dein Verständnis des extensiven L-Systems ist absolut korrekt. Alle Aussagen in (ii) sind richtig. Auch (iii) ist ein sehr gutes Beispiel für den Sinn dieser Definition  :d
Ich brauche immer jemanden der die Beispiele für mich macht. In Beispielen war ich schon immer schlecht :-\
Fredi moniert am extensiven System, dass man es nicht praktisch bestimmen kann, was richtig sein mag, was für mich aber kein Grund ist es als Begriff zu verwerfen.

Hier noch eine Anmerkung von mir: Das enge L-System, mit dessen Namen ich noch nicht ganz glücklich bin, weswegen ich es jetzt mal positives L-System nenne, scheint keinen zu interessieren oder es ist weniger kontrovers. Aber auch dieses System spielt grade in der praktischen Überlegung der Spieler eine enorme Rolle. Der einzelne Spieler muss sich ständig Gedanken machen welche MdE des extensiven Systems er in seinem Sinne zu einer Einigung nutzen kann, welche also davon im positiven System liegen und ihm gleichzeitig helfen können sein Ziel zu erreichen.


Zu (iv): Die Story-Falle ist soweit ich weiß, das was du sagst, sich nur auf eine entstehende Fiktion zu konzentrieren. Manche gehen jetzt in die andere Richtung soweit zu sagen das sei "nur" ein Endprodukt (wie Fredi). Ich sehe das wie schon oben gesagt ein wenig anders. Niemand hat aber gesagt man darf die Fiktion weglassen.

Zu (v): Fredis Problem ist hier nicht die Unterscheidung, sondern die Bedeutung dieser Unterscheidung. Er möchte halt alles betrachten womit sich die Spieler einigen (rund um das Spiel), und dabei erstmal keine Einschränkungen vornehmen.
Die andere Frage ist halt auch was davon man nun als dem L-System zugehörig definiert. Ich kann verstehen, dass jemand der das L-System als zentral für das Rollenspiel ansieht gerne hätte dass da alle MdE reinkommen die ihn interessieren, in Fredis Sinne wäre das alles was mit dem Spiel zu tun hat.
Ich selbst würde das L-System nach einiger Überlegung auch nicht nur auf die direkten MdE beschränken wollen, vor allem weil das dem Jargon-Begriff des Systems zu stark widerspricht. Trotzdem denke ich weiterhin dass diese Unterscheidung Sinn macht, ich greife das später nochmal auf.


Jetzt zu den Fragen:
Unter welchen Bedingungen führt ein MdE nicht zur Einigung? Ich kann mir spontan nur zwei Situationen vorstellen: entweder gibt es ein konfligierendes MdE oder das MdE wird nicht angewendet. Beide Fälle sind aber Sonderfälle, in denen man mMn darüber streiten könnte, dass das MdE tatsächlich gilt. Gibt es noch andere Fälle, in denen ein MdE nicht zur E führt?
Das sind sehr interessante Fragen, die auch noch nicht geklärt sind. Ich versuche mal eine Antwort.

Die zwei genannten Fälle, Konflikt und Nichtverwendung, sind die Möglichkeiten die ich auch sehe.

Konflikte unter MdE gibt es immer. Wir reden hier nicht von rein formalen Systemen und selbst da lassen sich solche Konflikte nicht vermeiden, oder auch solche System können die Möglichkeit haben sich von Konflikten zu erholen, wenn man es prozessual betrachtet. In logischem Sinne ist ein (L-)System daher praktisch nie konsistent. Für die Konsistenz sind die Spieler verantwortlich, dafür müssen eventuell Einzelfallentscheidungen getroffen werden die Widersprüche auflösen, deshalb ist die Einigung auch ein Prozess den das MdE nur begünstigt und nicht logisch folgen lässt.
Aus diesem Grund können auch während des Spiel aus Einzelfällen MdE abgeleitet und hinzugefügt werden (erstmal zum extensiven System). Es ist nicht sicher ob so ein MdE wieder gebraucht wird. Es ist aber durchaus möglich, dass es tatsächlich die ganze Gruppe als MdE betrachtet, und dass es so verwendet wird, sollte es nötig sein. Es kann aber auch sein, dass der Einzelfall kein MdE erzeugt, außer dass eine Einzelfallentscheidung zumindest in jeder folgenden Diskussion heranzuziehen sein wird.

Zur Nichtverwendung: Ein MdE zu haben dass man nicht verwendet ist einfach eine Art Redundanz. Man kann vorher eventuell nicht wissen was man braucht und will auf Nummer sicher gehen.
Außerdem gibt es im grade impliziten Bereich einen Haufen MdE die man mitbringt ohne es zu wollen. Da man aber das Spiel nicht vorhersehen kann, kann es durchaus sein dass sie überraschend zur Anwendung kommen, oder eben, wie erwartet, nicht.

Im praktischen System werden sich eventuell weniger MdE finden die nicht zu einer Einigung führen, da ein vorausgesehener Konflikt von MdE Spieler dazu veranlassen wird diese MdE nicht zu verwenden.
Trotzdem können sich Spieler den MdE verpflichtet sehen grade wenn es explizit ist. Diesen Punkt greife ich auch auf jeden Fall nochmal auf.

Das positive System enthält dann weder Widersprüche (Konflikte) noch nicht Verwendetes. So kann man auch die 3 Stufen der L-System Definition, anhand der Merkmale des Konfliktes und der Nichtverwendung fest machen.
Im praktischen System fallen alle heraus die nicht verwendet werden (aus welchen Gründen auch immer), im positiven System Fallen dann noch alle raus die zu Konflikten geführt haben.
Man darf hier nicht den Fehler machen das positive System als eine Art Zielzustand zu sehen, das ist nur eine Betrachtung eines Ergebnisses.

Sowohl Konflikt als auch Nichtverwendung sind für mich kein Grund einem MdE die Gültigkeit abzusprechen. Es kommt darauf an ob die Gruppe die MdE teilt. Nichtverwendung kann unterschiedliche Gründe haben und was einmal nicht verwendet wurde kann ein anderes mal sehr wichtig sein. Für Konflikte gilt ähnliches.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Fredi der Elch am 5.01.2008 | 20:18
Deswegen ist das extensive L-System von enormer praktischer Bedeutung. Weil ich das offensichtlich finde, bin ich nicht ganz sicher, ob ich die kritischen Anfragen von Fredi richtig verstehe: Stimmst Du mir zwar zu, dass das extensive L-System den Plänen der Spieler zugrunde liegt, findest diese Funktion aber nicht wichtig? Oder kommt dem extensiven L-System diese Funktion nicht zu?
Aha! Da haben wir doch endlich mal ein Beispiel dafür, wozu man die Definition brauchen könnte. Und ich red' mir hier den Mund fusselig... ;D Gaukelmeister, ich finde die Idee sehr gut und wäre da jetzt nicht drauf gekommen. :)

Nun zum Punkt. Nein, die Funktion kommt dem extensiven System nicht zu.  >;D  Bzw. nicht so, wie man das nach der Definition von Boomslang annehmen würde. Die Planung der Spieler basiert auf dem, was der Spieler annimmt, was später in der Praxis vorkommen wird. Im Optimalfall wäre das das extensive System. Praktisch gesehen hat jeder Spieler aber eine eigene Version dieses "prädizierten Systems" im Kopf, auf der er seine Planung basiert. Dieses "prädizierte System" basiert dabei auf den Absprachen der Spieler (incl. des geschriebenen Systems) modifiziert durch individuelle Prozesse (Vorannahmen, Aufmerksamkeit, Verständnis, Erfahrung usw.). Was dazu führt, dass jeder Spieler ein eigenes prädiziertes System im Kopf hat, auf dem er seine Planungen aufbaut.

Im Spielverlauf entsteht aus den prädizierten Systemen der Spieler (wiederum modifiziert durch Einfluss der einzelnen Spieler, Rollenverteilung, Spielablauf usw.) das praktische System. Probleme entstehen, wenn die prädizierten Systeme stark voneinander abweichen und/oder stark vom praktischen System abweichen.

So, und das Ganze kommt völlig ohne dieses merkwürdige "extensive System" aus. ;D Aber ich muss zugeben, dass die Grundidee doch nicht schlecht war (auch wenn meine Definition natürlich vieeeeel besser ist ;D ). Und das wäre alles viel einfacher gewesen, wenn man mit der praktischen Anwendung (womit planen die Spieler, wie läuft der Abstimmungsprozess zu Beginn des Spiels) angefangen hätte und nicht mit der reinen Definition. ;)

Fredi moniert am extensiven System, dass man es nicht praktisch bestimmen kann, was richtig sein mag, was für mich aber kein Grund ist es als Begriff zu verwerfen.
Ok, das meine ich weiterhin. ;)

Zitat
Der einzelne Spieler muss sich ständig Gedanken machen welche MdE des extensiven Systems er in seinem Sinne zu einer Einigung nutzen kann, welche also davon im positiven System liegen und ihm gleichzeitig helfen können sein Ziel zu erreichen.
Das finde ich nun sehr merkwürdig. Das unterstellt ja, dass sich da wirklich irgendwer Gedanken machen würde... Glaube ich nicht (wobei ich auch niemandem in den Kopf gucken kann).

Zitat
Ich selbst würde das L-System nach einiger Überlegung auch nicht nur auf die direkten MdE beschränken wollen, vor allem weil das dem Jargon-Begriff des Systems zu stark widerspricht. Trotzdem denke ich weiterhin dass diese Unterscheidung Sinn macht, ich greife das später nochmal auf.
Die Unterscheidung zwischen direkt und indirekt auf die Fiktion wirkenden MdE stört mich auch nicht. Ich halte die indirekten bloß für so zentral, dass sie zum System gehören. :)

Zitat
Im praktischen System werden sich eventuell weniger MdE finden die nicht zu einer Einigung führen, da ein vorausgesehener Konflikt von MdE Spieler dazu veranlassen wird diese MdE nicht zu verwenden.
Trotzdem können sich Spieler den MdE verpflichtet sehen grade wenn es explizit ist. Diesen Punkt greife ich auch auf jeden Fall nochmal auf.
Das wäre schön, denn das verstehe ich immer noch nicht so richtig...  :-\
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 6.01.2008 | 09:50
Aus Zeitgründen gehe ich jetzt mal nur auf die Punkte von Fredi ein. Entschuldige bitte, Dr. Boomslang.

Die Planung der Spieler basiert auf dem, was der Spieler annimmt, was später in der Praxis vorkommen wird. Im Optimalfall wäre das das extensive System. Praktisch gesehen hat jeder Spieler aber eine eigene Version dieses "prädizierten Systems" im Kopf, auf der er seine Planung basiert. Dieses "prädizierte System" basiert dabei auf den Absprachen der Spieler (incl. des geschriebenen Systems) modifiziert durch individuelle Prozesse (Vorannahmen, Aufmerksamkeit, Verständnis, Erfahrung usw.). Was dazu führt, dass jeder Spieler ein eigenes prädiziertes System im Kopf hat, auf dem er seine Planungen aufbaut.
[...]
Und das wäre alles viel einfacher gewesen, wenn man mit der praktischen Anwendung (womit planen die Spieler, wie läuft der Abstimmungsprozess zu Beginn des Spiels) angefangen hätte und nicht mit der reinen Definition. ;)

Du hast natürlich Recht damit, dass es zwischen Spielern zu Unstimmigkeiten darüber kommen kann, welche MdE Bestandteile des extensiven L-Systems sind. Aber Du würdest das Kind dann gleich mit dem Bade ausschütten, wenn Du Dich deswegen ganz aufs praktische L-System konzentrieren würdest. Konkret:
(i) Es stimmt, dass die Planung eines Spielers auf dem basiert, was er „im Kopf hat“.
(ii) Aber das System, woran sich der Spieler de facto orientiert, ist keinesfalls das praktische L-System. Deswegen verstehe ich nicht ganz, was es heißt, „mit der praktischen Anwendung anzufangen“. Was wird hier praktisch angewendet?
(iii) Eine Frage wäre dann: Woran orientiert sich der Spieler? Diese Frage könnte man natürlich zu verantworten versuchen, indem man den Spieler beobachtet und dann auf die dem Verhalten zugrunde liegenden Erwartungen und Überzeugungen schließt. (Diese Beobachterperspektive scheint mir die einzige zu sein, für die sich Fredi interessiert.)
(iv) Aus der Perspektive des Spielers läuft die ganze Sache aber anders ab. Der Spieler handelt aufgrund seiner Annahmen über das extensive L-System.
(v) Was Du als Optimalfall bezeichnest, ist nicht belanglos. Denn sobald ein Konflikt zwischen den Annahmen über das extensive L-System offenbar wird, geht es unter anderem darum zu klären, welcher Spieler hier gerechtfertigter Weise welche Annahmen zugrunde gelegt hat. Bei den expliziten MdEs ist dies nicht weiter schwierig. Bei den impliziten ist dies naturgemäß schwieriger. Probleme entstehen aber wahrscheinlich weniger auf Geltungs- als vielmehr auf Auslegungsebene.
(vi) Wenn man keine Probleme damit hat, dass sich Spieler über das extensive L-System irren können, dann verschwindet das Problem abweichender Meinungen.

Das finde ich nun sehr merkwürdig. Das unterstellt ja, dass sich da wirklich irgendwer Gedanken machen würde... Glaube ich nicht (wobei ich auch niemandem in den Kopf gucken kann).

Wenn Du etwas weniger epistemische Skrupel hättest, könntest Du es ja mit Introspektion oder Nachfragen versuchen  ;)
Auch wenn man nicht reingucken kann, gibt es mMn gute Gründe dafür anzunehmen, dass Spieler sich am extensiven L-System orientieren. Wenn ich bspw. eine Fähigkeit zum ersten Mal einsetzen will, schaue ich im Regelwerk nach, wie das genau funktioniert, welche Hürden ich überwinden muss, was die genauen Effekte sind etc. Diese Informationen sind mir alle nur deswegen klar, weil ich aufs extensive L-System zugreifen kann. Ohne die Unterstellung, dass Spieler (hin und wieder) auf diese Weise abwägen und entscheiden, ist es mMn nicht möglich, ihr Verhalten angemessen zu erklären.

O.K., das Problem mit der Fiktionsnähe hatte ich dann wohl falsch verstanden. Da ich begrifflich nicht vorbelastet bin, ist es mir wurscht, welchen Namen wir dem Kind geben. Hauptsache wir beschreiben die Phänomene richtig.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Fredi der Elch am 6.01.2008 | 17:01
Hi Gaukelmeister,

coole Antwort! :) Das sind wirklich Dinge, die mich zum Nachdenken (und damit weiter) bringen. Ich hoffe also, dass du meine (Wider-)Worte jetzt nicht als Totalopposition verstehst, sondern als lebhafte, aber dennoch konstruktive Diskussion. So sind sie wenigstens gemeint. :)

(i) Es stimmt, dass die Planung eines Spielers auf dem basiert, was er „im Kopf hat“.
(ii) Aber das System, woran sich der Spieler de facto orientiert, ist keinesfalls das praktische L-System.
Das ist korrekt. Der Spieler orientiert sich daran, was er meint, wie das praktische System aussehen wird. Der Spieler gibt eine Prognose über das in der Zukunft liegende praktische System ab, deswegen hatte ich es mal testweise "prädiziertes System" genannt. Konkret habe ich als Spieler z.B. meine Skill-Auswahl immer sehr stark darauf gestützt, was ich meinte, wie oft ich sie würde einsetzen können . Und wenn ich der Meinung war, soziale Interaktionen würden "ausgespielt" (die Regeln würden also vermutlich nicht im praktischen System vorkommen), dann habe ich dort keine Punkte investiert. Meine Überlegungen basierten also nicht auf einem "extensiven System", sondern auf einem prädizierten System. (Wie du hier siehst, bin ich Introspektion ganz und gar nicht abgeneigt. Aber "In den Kopf gucken und eine Momentaufnahme des Systems machen" ist was ganz anderes als Introspektion ;) ).

Zitat
Deswegen verstehe ich nicht ganz, was es heißt, „mit der praktischen Anwendung anzufangen“. Was wird hier praktisch angewendet?
Es ging mir darum, dass wir hier im Channel (also wir Theoretiker) gleich mit praktischen, anwendungsorientierten Fragen anfangen sollten. Boomslang definiert gerne mal wild drauflos. ;) Das halte ich für sehr ungünstig. Hätten wir mit der Frage angefangen: "Worauf basieren die Spieler ihre Planung", wäre wir schon schneller hier und hätten nicht ewig gebraucht, hier hinzukommen. ;) Das ist der Grund, weswegen man immer mit Actual Play und tatsächlichen Fragen anfangen sollte und nicht mit "Ich definier euch hier mal einen"...

Zitat
(vi) Wenn man keine Probleme damit hat, dass sich Spieler über das extensive L-System irren können, dann verschwindet das Problem abweichender Meinungen.
Ok, das ist aber für mich der Fall, den ich untersuchen will, und dann nutzt mir ein Begriff "extensives System" nichts. Abweichende Meinungen sind der Fall, wo "es knallt" und deswegen gerade der Betrachtung würdig. Und dieser Fall ist besser modelliert, wenn man davon ausgeht, dass jeder Spieler ein eigenes prädiziertes System im Kopf hat.

Zitat
Auch wenn man nicht reingucken kann, gibt es mMn gute Gründe dafür anzunehmen, dass Spieler sich am extensiven L-System orientieren. Wenn ich bspw. eine Fähigkeit zum ersten Mal einsetzen will, schaue ich im Regelwerk nach, wie das genau funktioniert, welche Hürden ich überwinden muss, was die genauen Effekte sind etc. Diese Informationen sind mir alle nur deswegen klar, weil ich aufs extensive L-System zugreifen kann. Ohne die Unterstellung, dass Spieler (hin und wieder) auf diese Weise abwägen und entscheiden, ist es mMn nicht möglich, ihr Verhalten angemessen zu erklären.
So, und jetzt ersetze die zwei Mal "extensives System" durch "Regelwerk". Das macht genau des gleichen Sinn (denn in den impliziten Teilen des extensiven Systems kann ich nicht nachgucken, oder? ;) ) und ist deutlich verständlicher. Das will ich nämlich die ganze Zeit sagen: Warum so komplexe Begriffe definieren, wenn man die praktischen Fragen so viel einfacher klären kann. Denn dann kommt folgender Satz raus: "Die Spieler basieren ihre Planung auf dem Regelwerk." Hmmmmm... ;)
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 6.01.2008 | 20:35
Och, Fredi "prädiziertes System"?! Warum denn sooooo kompliziert? Warum sagst du es nicht einfach "Das was der Spieler denkt was das System ist was er benutzen kann, weil die anderen es auch benutzen würden", ist doch viel einfacher! >;D

Ne... mal im Ernst. Ich finde das sehr gut wie die Diskussion sich entwickelt. Ich glaube eure Argumente gehen genau in die Richtung die ich anstrebe.
Allerdings bitte ich darum nicht meine Methodik zu diskutieren. Diese ganze Sache mit Actual Play ist eine ganz andere Sache, das ist hier nicht das Thema. Nur weil du, Fredi, das als bessere Methode siehst, muss ich das nicht genauso machen. Es ist mir klar dass die einen es besser so und die anderen besser so verstehen und selbst wenn die meisten es anders machen würden, mache ich es so wie ich es mache. Punkt. Außerdem hast jetzt ja sogar du es auf diesem Wege verstanden ;)
Ansonsten dazu gerne einen eigenen Thread, meinetwegen auch "Warum Theorie mit Actual Play besser ist" oder sowas, ich habe dazu nämlich auch meine eigene Theorie, die hier aber genauso wenig hin gehört.

Zum Thema: Ich finde das prädizierte System ein sehr sinnvolles Konzept um den einzelnen Spieler mit den Systembegriffen in Verbindung zu setzen. Wir müssen bedenken wir sprechen ansonsten immer über die Gruppe als Gesamtheit.
Wie ich oben schon sagte nutzt der Spieler sicher sowas wie das prädizierte System um zu Planen. Mit "Gedanken machen" meinte ich einfach nur eine Intelligenzleistung, nicht zwingen einen bewussten Vorgang.

Ich behaupte alle drei Stufen des L-Systems sind im Zusammenhang mit dem prädizierten System von belang. Das extensive System ist alles womit der Spieler beim Planen rechnen muss, gewissermaßen der Suchraum. Eine Vermutung über das praktische System erlaubt ihm eine Vermutung darüber welche MdE gewählt werden. Dabei geht es eigentlich nur um das Verhalten der anderen Spieler, denn was er selbst wählt beruht auf seiner Annahme des extensiven Systems. Das positive System ist dann der Raum in dem Lösungen liegen müssen, das ist also eine Abwägung darüber wie erfolgreich ein MdE in seinem Sinne sein kann das er aus dem extensiven System wählt.

Das extensive System ist nicht das Regelwerk. Das Regelwerk ist weniger. Jeder Spieler weiß das intuitiv oder bewusst. Das Regelwerk spielt nur insofern eine Rolle als das es (ganz oder teilweise) im extensiven System wieder auftaucht.
Ein Spieler wird z.B. nach der Wahl der Charaktere nicht voraussetzen dass plötzlich für irgend einen Spieler Regeln einer SC-Klasse relevant werden die kein Spieler gewählt hat, er streicht diese Regeln, die im Regelwerk vorkommen, daher aus seiner Annahme über das extensive System. Gleichzeitig wird er weiterhin annehmen dass Gegenstände in der Welt auf den Boden fallen und er das ohne weiteres erzählen darf, selbst wenn keine Regel ihn ausdrücklich dazu ermächtigt (Schwerkraft als evidentes MdE).

Ich hoffe das alles beruht nicht auf dem Missverständnis das extensive System sei alles was irgendwie von irgendwem herangezogen werden kann. Es gilt schließlich immer noch die Aussage des L-Prinzips, dass es nur um das geht was die Gruppe nutzten kann, also das was auch wirklich alle teilen.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Fredi der Elch am 6.01.2008 | 20:56
Och, Fredi "prädiziertes System"?! Warum denn sooooo kompliziert? Warum sagst du es nicht einfach "Das was der Spieler denkt was das System ist was er benutzen kann, weil die anderen es auch benutzen würden", ist doch viel einfacher! >;D
Weil mein Begriff eine echte Vereinfachung ist, die einen praktischen Nutzen hat (nämlich als Basis der Planung der Spieler) und kein völlig unnützer Begriff ist wie das extensive System.  >;D

Zitat
Außerdem hast jetzt ja sogar du es auf diesem Wege verstanden ;)
Nein. Ich habe es verstanden, weil Gaukelmeister ein praktisches Beispiel gebracht hat. Ohne diesen Bezug zur Praxis würden wir uns immer noch im Kreis drehen bzw. wären mit der Diskussion nicht weitergekommen.

Zitat
Allerdings bitte ich darum nicht meine Methodik zu diskutieren.
Bin ja schon ruhig. ;)

Zitat
Wie ich oben schon sagte nutzt der Spieler sicher sowas wie das prädizierte System um zu Planen. Mit "Gedanken machen" meinte ich einfach nur eine Intelligenzleistung, nicht zwingen einen bewussten Vorgang.
Ah, ok. Das hatte ich falsch verstanden.

Zitat
Das extensive System ist alles womit der Spieler beim Planen rechnen muss, gewissermaßen der Suchraum.
Eben nicht. Der Spieler kennt ja das extensive System gar nicht. Dazu müsste er wissen, was alle anderen Spieler denken, das weiß er aber nicht. Er kennt nur das Regelwerk (und eventuell Hausregeln und andere explizite Regeln). Weswegen man den Begriff des extensiven Systems nicht braucht, um über die Planung zu sprechen.

Zitat
Das extensive System ist nicht das Regelwerk.
[...]
Ein Spieler wird z.B. nach der Wahl der Charaktere nicht voraussetzen dass plötzlich für irgend einen Spieler Regeln einer SC-Klasse relevant werden die kein Spieler gewählt hat, er streicht diese Regeln, die im Regelwerk vorkommen, daher aus seiner Annahme über das extensive System. Gleichzeitig wird er weiterhin annehmen dass Gegenstände in der Welt auf den Boden fallen und er das ohne weiteres erzählen darf, selbst wenn keine Regel ihn ausdrücklich dazu ermächtigt (Schwerkraft als evidentes MdE).
Damit machst du das komplette Weltwissen der Spieler zu MdE. Und das ist ja nun wirklich völliger Quatsch. Damit wäre alles, was ein Spieler jemals gelernt hat eine MdE und damit Teil dieses ominösen extensiven Systems. Damit wird der Begriff ja noch unnützer, als ich bisher gedacht habe...

Zitat
Es gilt schließlich immer noch die Aussage des L-Prinzips, dass es nur um das geht was die Gruppe nutzten kann, also das was auch wirklich alle teilen.
Was der Spieler eben nie weiß. Er weiß nur, welches Regelwerk alle nutzen, nicht mehr. Und damit brauchen wir den Begriff "extensives System" nicht.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 7.01.2008 | 00:48
Der Spieler kennt ja das extensive System gar nicht. Dazu müsste er wissen, was alle anderen Spieler denken, das weiß er aber nicht.
Ok, das stimmt. Ich berichtige also: Der Spieler nutzt zum Planen seine Annahme über das extensive System.
Mein Punkt ist aber, das praktische braucht er dazu nicht direkt, auch nicht als Annahme. Denn wenn der Spieler ein MdE des extensiven Systems wählt (seine Annahme darüber was in diesem System liegt also richtig ist), dann wird es damit automatisch zum Teil des praktischen (das praktische setzt keine Einigung voraus, nur die Anwendung des Mittels!). Das praktische System ist ein reines Produkt gemeinsamer Aktion, es ist emergent, damit kann kein Spieler wirklich planen.


Damit machst du das komplette Weltwissen der Spieler zu MdE. Und das ist ja nun wirklich völliger Quatsch. Damit wäre alles, was ein Spieler jemals gelernt hat eine MdE und damit Teil dieses ominösen extensiven Systems.
Es gilt auch hier zu beachten dass ein großer Teil des Weltwissens der Spieler auch ausgeschlossen ist, nämlich jener der nicht von allen Spielern geteilt wird, und auch das was alle teilen muss immer noch den Anspruch an ein MdE erfüllen.
Ansonsten dachte ich das wäre klar. Warum wohl gibt es keinen Computer der Rollenspiel machen kann? Rollenspiel ist ein Kommunikationsspiel das auf den vollen Umfang der Kommunikationsmöglichkeiten und das dahinter stehende Wissen angewiesen ist.
Jetzt verstehst du vielleicht auch warum mir die Nähe zum Fiktion schaffenden Prozess so wichtig war.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 7.01.2008 | 11:43
Ich hoffe also, dass du meine (Wider-)Worte jetzt nicht als Totalopposition verstehst, sondern als lebhafte, aber dennoch konstruktive Diskussion. So sind sie wenigstens gemeint. :)

Keine Sorge, ich fühle mich wohl  :d

Obwohl natürlich zum extensiven L-System noch viele Fragen offen sind, möchte ich diese gerne für einen Moment ruhen lassen und – wenn man so möchte – zum Gegenangriff aufs praktische L-System blasen. Das ist natürlich etwas reißerisch formuliert und soll nur darauf hinweisen, dass mMn mitnichten klar wäre, was das praktische L-System ist. Dementsprechend ist dann auch nicht ganz klar, was man damit eigentlich machen kann.

(i) Welchen Umfang hat das praktische L-System? Es wurde im Verlauf der Diskussion schon einmal kurz erwähnt, dass man das praktische L-System auf unterschiedlich ausgedehnte Spielintervalle beziehen kann. Dies müsste man genauer klären. Die beiden Extremfälle sind: a) Zum praktischen L-System gehören alle MdEs, die von den Spielern bisher (im gesamten Spielverlauf) verwendet worden sind (maximales prakL-S). b) Zum praktischen L-System gehören nur die MdEs, die von den Spielern in der aktuellen Spielsituation verwendet werden (minimales prakL-S). Mit Blick auf die Minimalinterpretation bleibt natürlich der Begriff der Spielsituation auslegungsbedürftig. Ist damit bspw. ein einzelner Kampf oder eine einzelne Kampfsequenz oder vielleicht auch nur ein einziger Aspekt des Kampfes (getroffen oder nicht?; Anzahl der Trefferpunkte; Initiativreihenfolge etc.) gemeint?

(ii) Die Maximalinterpretation ist unattraktiv, weil die einmalige Verwendung eines MdE eine hinreichende Bedingung ist, diese MdE dem praktischen L-System zuzurechnen. Hier bleibt bspw. unberücksichtig, dass sich die Spieler darauf geeinigt haben könnten, das MdE nur noch modifiziert oder vielleicht auch gar nicht mehr zu verwenden. Das Problem für die Maximalinterpretation ist also folgendes Dilemma: entweder akzeptiert man, dass MdEs zum praktischen L-System gehören, die keine Relevanz mehr besitzen. Oder man baut eine Art Relevanzfilter oder eine Geltungsbedingung ein, womit man aber die ursprüngliche Idee verletzt, nur auf das zu gucken, was die Spieler gerade tun.

(iii) Um diesen letzten Punkt noch einmal auszuführen. Eine wichtige Frage für die gesamte Diskussion übers L-System (in allen seinen Varianten) lautet: Wie entscheidet man, was zum L-System gehört? Im Augenblick geht es ums praktische L-System. Wenn ich die bisherige Diskussion richtig verstanden habe, ist hier die Beobachterperspektive relevant, aus der einzig und allein das tatsächliche Spielgeschehen zugänglich ist. Man guckt sich an, wie gespielt wird und leitet daraus das praktische L-System ab. (Im Unterschied zum extensiven L-System, dessen Elemente – zumindest teilweise – auch ohne Beobachtung des Spielgeschehens bestimmbar sind. Aber dazu an anderer Stelle mehr.) Was die Spieler denken, ist hierbei unwichtig. Um nun aber die Geltung eines MdEs unabhängig von seiner aktuellen Verwendung zu bestimmen, ist eine Beobachtung des Spielprozesses nicht ausreichend. Man kann dem Spielgeschehen nicht ansehen, ob ein MdE, das gerade keine Rolle spielt, gilt oder nicht. Woran sollte man das auch erkennen? Aber wenn dies stimmt, dann kann ich auch keine Geltungsbedingung fürs praktische L-System definieren, ohne dass ich die Beobachterperspektive überschreite. Ist das klar?

(iv) Die Maximalinterpretation, derzufolge jedes MdE, das irgendwann zum Einsatz gekommen ist, zum praktischen L-System gehört, ist also unhaltbar. Aber sobald man dies eingestanden hat, wird es extrem schwierig anzugeben, wie man das Spielintervall bestimmen kann, für den das praktische L-System definiert ist. Dasselbe Problem, das gerade aufgezeigt worden ist, kann sich prinzipiell für jeden Zeitraum wiederholen, der mehr als eine einzelne Situation umfasst.

(v) Wir sind also auf die Minimalinterpretation zurückgeworfen, derzufolge zum praktischen L-System nur die MdEs gehören, die in der aktuellen Spielsituation tatsächlich angewendet werden. Dann würde sich aber das praktische L-System von Situation zu Situation verändern. Natürlich kann dieser Begriff auch irgendwelche interessanten Anwendungsbereiche haben. Aber man wäre damit ganz weit entfernt vom Vorverständnis des Systembegriffs (oder würde irgendein Rollenspieler je gedacht haben, dass er im Minutentakt sein System wechselt?).

(vi) Wenn ich es Recht sehe, lässt sich das Problem für den praktischen Systembegriff wie folgt fassen: Auf welche Weise erlaubt es der praktische Systembegriff nicht-aktuale MdEs zu intergrieren? Oder einfacher gesagt: Wie kann man MdEs, die gerade nicht verwendet werden, dem praktischen L-System zuordnen?

(vii) Und wenn sich diese letzte Frage beantworten lässt, dann nähert man das praktische an das extensive L-System an und muss zeigen, worin sich die beiden eigentlich unterscheiden.

Ich hoffe, dass eine genauere Klärung des praktischen L-Systems dazu beiträgt, den Nutzen des extensiven L-Systems deutlich zu machen. Auf Sinn und Funktion des extensiven L-Systems werde ich erst einmal nichts weiter sagen.


Ach ja, ursprünglich wollte ich in diesem Beitrag kurz erläutern, wieso ich nicht verstehe, wie man das positive vom praktischen L-System abgrenzen kann. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich gar nicht genau sagen kann, welche MdEs Bestandteil des praktischen L-Systems sind ...

Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Wolfenburg am 8.01.2008 | 15:01
Leider konnte ich die meisten Punkte nur quer lesen aber auch ich habe ein paar Anmerkungen:

Als  L-System wird doch die Gesamtheit der MdE gesehen die einfluss auf das Spiel haben.
Ein Teil der diskussion geht nun so, dass es ja MdM gibt die zwar gelten aber nicht benutzt werden, weshalb man zwischen praktischem und theoretischem L-System unterscheidet. Nun wage ich aber die behaubtung, dass auch nicht angewante (aber geltende) MdE Einfluss auf das Spiel haben. Ein Beispiel waeren Belastungsregeln, die zwar gelten aber nicht angewnd werden, da jeder von vorn herein mit leitem gepack reist. (auch weil sich niemand die muehe machen will seine Belasung auszurechnen).

Zwar stimme ich der Trennung in explizit und implizit zu, moechte aber auch hir sagen das die Grenze ueberhaubt nicht scharf ist. Sind regeln die durch Analogie gelten nun explizit oder implizit?

Zu "by the book": Viele Systeme bieten optionale regeln an. Was ist in diesem zusammenhang "by the book"?

Die frage was bei einem Konflikt von MdE passirt ist doch aber auch ein MdE. (In diesem Fall meistens ein implizietes) und definitiev ein essentieller bestandteil des L-Systems. Viele Systeme haben ja einen alles uebersimmendes MdE. (Der SL entscheidet bei unklarheit; Man wirft einen Wuerfel; Man schreit sich an ....)
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 8.01.2008 | 16:07
Als  L-System wird doch die Gesamtheit der MdE gesehen die einfluss auf das Spiel haben.
Ein Teil der diskussion geht nun so, dass es ja MdM gibt die zwar gelten aber nicht benutzt werden, weshalb man zwischen praktischem und theoretischem L-System unterscheidet. Nun wage ich aber die behaubtung, dass auch nicht angewante (aber geltende) MdE Einfluss auf das Spiel haben.

Vorneweg nur kurz die begriffliche Klarstellung, dass bisher zwischen praktischem und extensivem L-System unterschieden worden ist. Ich nehme mal an, dass Du unter dem "theoretischen" System das meinst, was bisher extensiv genannt worden ist - falls nicht, würde ich Dich bitten, das noch näher auszuführen.

Ich stimme Dir zu, dass als gültig akzeptierte MdEs bei den Planungen der Spieler eine Rolle spielen (können). Deswegen haben MdEs über ihre konkrete Anwendung hinaus Einfluss auf das Verhalten der Spieler. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, warum ich den Begriff des extensiven L-Systems für wichtig erachte.   

Zwar stimme ich der Trennung in explizit und implizit zu, moechte aber auch hir sagen das die Grenze ueberhaubt nicht scharf ist. Sind regeln die durch Analogie gelten nun explizit oder implizit?

Das hätte ich gerne noch genauer ausgeführt. Dr. Boomslang hat zwei Dimensionen des Expliziten und Impliziten unterschieden (vgl. Eingangspost). Demnach können sowohl Mittel wie auch Entscheidungen explizit oder implizit sein. Auf was genau bezieht sich nun Dein Hinweis, dass es möglicherweise Unschärfen gibt - auf Mittel oder auf Einigungen oder auf beides? Und könntest Du das mit der Gültigkeit durch Analogie noch näher ausführen?

Zu "by the book": Viele Systeme bieten optionale regeln an. Was ist in diesem zusammenhang "by the book"?

Ich würde sagen, dass es in diesem Fall müßig ist, den Begriff anzuwenden. Ist aber auch nicht so wichtig.

Die frage was bei einem Konflikt von MdE passirt ist doch aber auch ein MdE. (In diesem Fall meistens ein implizietes) und definitiev ein essentieller bestandteil des L-Systems.

Wieso ist das "definitiv ein essentieller des L-Systems"? Die Frage ist ernst gemeint. Wir versuchen hier ja gerade, den Begriff es L-Systems genauer zu verstehen und haben mit Dr. Boomslangs Vorschlag drei mögliche Auslegungen: extensiv, praktisch, positiv (vormals "eng"). Außerdem wurde diskutiert, ob nur die MdEs, die unmittelbar die Fiktion beeinflussen, zum L-System gehören oder auch andere. Ich verstehe, dass Du auch andere MdEs dazu zählst - aber was sind Deine Argumente dafür? (Da die Frage noch nicht geklärt ist, wäre es tatsächlich interessant, wenn Du ein paar gute Gedanken dazu liefern könntest.)
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 8.01.2008 | 19:16
Wie kann man MdEs, die gerade nicht verwendet werden, dem praktischen L-System zuordnen?
Das praktische System ist quasi in seiner maximalen Variante ein Transkript des Spielgeschehens bezogen auf das System. Wenn die MdE Gegenstände wären dann wären dass alle die man im Verlaufe des Spiels mal angefasst hat, um mal eine Metapher zu gebrauchen. Dabei lässt man die Zukunft bewusst offen und die angesammelten MdE haben bewusst den Charakter einer Aufzeichnung, d.h. insbesondere kann man nur eine Aussage darüber treffen was sie in diesem speziellen Kontext für eine Funktion hatten nicht aber was sie in der Zukunft oder generell für eine Funktion haben.

Ach ja, ursprünglich wollte ich in diesem Beitrag kurz erläutern, wieso ich nicht verstehe, wie man das positive vom praktischen L-System abgrenzen kann.
Das positive System ist wie der Name (jetzt auch) andeuten soll, der Teil der tatsächlich zu einer Einigung geführt hat. Im praktischen System können noch MdE sein die zwar verwendet wurden, die aber nicht zu einer Einigung führen konnten, neue Elemente in den SIS einzuführen. Man kann bei dieser Restmenge (praktisches abzüglich positives System) wenn man möchte noch unterscheiden zwischen MdE mit denen man sich darauf geeinigt hat nichts zu ändern (obwohl das eigentlich eine Einigung ist) und MdE die gar nicht zu einem Ergebnis geführt haben und deshalb durch andere ersetzt werden mussten.

Letzteres meinte glaube ich auch Wolfenburg und ich halte das für eine sehr guten Hinweis. Die MdE liegen letztlich in einer Hierarchie vor, die die Reihenfolge der Anwendung vorgibt und auch für die Auflösung von Konflikten zwischen MdE sorgt.

Auch den Hinweis das MdE ohne benutzt zu werden Einfluss auf das Spiel nehmen ist so wie ich das sehe richtig, wobei man sich hier überlegen kann ob eher eine implizite Einigung vorliegt oder ob tatsächlich ein Spieler eine Einigung vorweg nimmt, weil er mit dem Verhalten der anderen Spieler plant und sich dann so verhält wie sie es gerne hätten. Das ist eine sehr interessante und auch wichtige Unterscheidung, ich bin mir nur nicht sicher inwiefern man die bei impliziten Einigungen machen kann.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 8.01.2008 | 20:21
Das praktische System ist quasi in seiner maximalen Variante ein Transkript des Spielgeschehens bezogen auf das System. Wenn die MdE Gegenstände wären dann wären dass alle die man im Verlaufe des Spiels mal angefasst hat, um mal eine Metapher zu gebrauchen. Dabei lässt man die Zukunft bewusst offen und die angesammelten MdE haben bewusst den Charakter einer Aufzeichnung, d.h. insbesondere kann man nur eine Aussage darüber treffen was sie in diesem speziellen Kontext für eine Funktion hatten nicht aber was sie in der Zukunft oder generell für eine Funktion haben.

Das deckt sich ja mit dem, was ich bereits als maximales praktisches L-System definiert hatte. Die Definition ist zwar eindeutig - allein: Was soll ich damit anfangen? Wofür ist ein Transkript theoretisch oder praktisch relevant? Wenn man die Maximalinterpretation des praktischen Systems zugrunde legt, streicht man, wie Du selbst bemerkst, sowohl die prognostische Relevanz wie auch die Orientierungsfunktion für die Spieler.

Da ich den Begriff des praktischen L-Systems bisher nicht für irgendetwas verwenden wollte, soll es mir Recht sein, wenn man darunter nun einfach die Menge aller jemals angefassten MdE versteht. Allerdings entfernt sich dieser Begriff von meinem Vorverständnis des L-Prinzip - bisher bin ich davon ausgegangen, dass mit System aktuell geltende Mittel und nicht etwa irgendwann einmal benutzte Mittel gemeint sind. Das bestärkt mich in meiner Einschätzung, dass in erster Linie das extensive L-System von Bedeutung ist.

Eigentlich hatte ich gehofft, dass meine kritischen Ausführungen zum Begriff des praktischen L-Systems einen Widerspruch provozieren, so dass ich erkennen kann, was man mit dem Begriff anfangen kann. Nun stehe ich dort, wo Fred schon einmal stand:

Was genau nutzt uns ein Systembegriff, der keine Praxisrelevanz hat?

Welche Praxisrelevanz hat der praktische L-Systembegriff?

Das positive System ist wie der Name (jetzt auch) andeuten soll, der Teil der tatsächlich zu einer Einigung geführt hat. Im praktischen System können noch MdE sein die zwar verwendet wurden, die aber nicht zu einer Einigung führen konnten, neue Elemente in den SIS einzuführen. Man kann bei dieser Restmenge (praktisches abzüglich positives System) wenn man möchte noch unterscheiden zwischen MdE mit denen man sich darauf geeinigt hat nichts zu ändern (obwohl das eigentlich eine Einigung ist) und MdE die gar nicht zu einem Ergebnis geführt haben und deshalb durch andere ersetzt werden mussten.

Könntest Du vielleicht ein Beispiel dafür geben, wie ein MdE angewendet wird und gleichwohl nicht zur Einigung führt? Ich kann mir das im Augenblick nicht vorstellen. Hier nehme ich Bedenken wieder auf, die wir oben unter dem Stichwort "Geltung von Regeln" schon einmal angerissen haben. Du hast geschrieben:

Es ist die Frage wie man das "Gelten" von Regeln meint. Gelten tut eine Regel im Sinne des L-Systems auf unterschiedliche Weisen. Diese bringen uns wieder direkt zur Frage der Auslegung (extensiv, praktisch, eng). Jede dieser Auslegungen könnte man als das "Gelten" einer Regel oder allgemein eines MdE ansehen. Gilt ein MdE wenn es als solches verfügbar ist, wenn es benutzt wird, oder nur wenn auch eine Einigung zustande kommt? Das hat wie gesagt alles was für sich.
Alle Auslegungen außer der engen erlauben das Gelten von widersprüchlichen MdE. Für sich genommen sind sie MdE, aber zusammen gerät der Prozess der Einigung eventuell in der Praxis ins Stocken. Widersprüche müssen aufgelöst werden, entweder mit den MdE selbst oder mit höher liegenden MdE aus umfassenderen Systemen. In jedem Fall bleiben die MdE aber solche, weil sie den Einigungsprozess beeinflussen.

Um zum praktischen System zu gehören, muss ein MdE angewendet worden sein. Es geht hier (anders als beim extensiven L-System) nicht um hypothetische Geltung , sondern um faktische Anwendung. Aber unter welchen Umständen kann ein angewendetes MdE nicht zur Einigung führen? Für mich klingt das nach einem Selbstwiderspruch. Wenn ich bspw. die Regel anwende: "bei einer 20 trifft man immer", dann trifft man bei einer 20 immer. Wenn jemand eine 20 würfelt und nicht trifft, dann hat man die Regel (also das MdE) nicht angewendet.

Vor diesem Hintergrund kann ich dann auch meine Zweifel an der Unterscheidung von praktischem und positiven L-System erklären. Ich sehe keine Möglichkeit, wie ein MdE angwendet werden kann, ohne dass es zur Einigung führt. Damit wird dann aber die Unterscheidung, die ja gerade auf dieser Möglichkeit aufbaut, hinfällig.

Zum Zusammenhang von prädiziertem und extensiven System dann demnächst mehr.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 8.01.2008 | 20:57
Ein angewandtes MdE ist eines für das, wie du es oben irgendwo formuliert hast, die Anwendungsbedingungen gelten. Nun kann es dazu kommen, dass für mehrere MdE diese Bedingungen gelten die MdE also gleichzeitig zur Anwendung kommen, es aber einen Widerspruch darüber gibt wohin die Verwendung der MdE führen soll.

Wenn es die Regel gibt "bei einer 20 trifft man immer" und aber auch die Regel "Mit dieser Rüstung gelten nur Treffer über 20", dann sind das beides MdE. Du wirst jetzt sagen es "gilt" aber faktisch nur eins davon, was auch richtig ist wenn man eine zweiwertige Logik voraussetzt, aber das muss ja nicht der Fall sein. Spieler nehmen einfach alle möglichen Regeln auf die sie für sich genommen für sinnvoll erachten und sehen Widersprüche erst später, weil sie nicht drauf geachtet haben, oder bestimmte Fälle nicht voraus zu sehen waren.
Beide Regeln könnten also in diesem Sinne gelten (die Spieler haben sie in das System aufgenommen). Man kann ja auch sehen dass der Widerspruch keiner sein muss, wenn z.B. eine Präzedenz (eine Anwendungshierarchie) unter den Regeln besteht. Diese Hierarchie kann aber eventuell erst durch ein weiteres (Meta)MdE herbeigeführt werden.

Im positiven System taucht dann z.B. nur auf "bei 20 trifft man immer" weil diese als höherwertig angesehen wurde, die andere Regel fällt raus, da sie in diesem Fall nicht zur Einigung führen konnte.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 8.01.2008 | 21:14
Entschuldige bitte, ich will nicht impertinent sein - aber ich bin noch immer anderer Meinung

Ein angewandtes MdE ist eines für das, wie du es oben irgendwo formuliert hast, die Anwendungsbedingungen gelten.

Das stimmt so nicht: Weiter oben sprach ich davon, dass MdE, die Bestandteil des extensiven L-Systems sind, sobald ihre Anwendungsbedigungen vorliegen, durch die Spieler angewendet werden - sofern man sich nicht dagegen entscheidet. Ein MdE wendet sich nicht selbst an.


Nun kann es dazu kommen, dass für mehrere MdE diese Bedingungen gelten die MdE also gleichzeitig zur Anwendung kommen, es aber einen Widerspruch darüber gibt wohin die Verwendung der MdE führen soll.

Wie gesagt: Hier von Anwendung zu sprechen finde ich nicht nachvollziehbar. Wenn zwei MdE dieselben Anwendungsbedingungen haben, aber sich widersprechende Ergebnisse zeitigen würden, dann können sie gar nicht beide angewendet werden - man kann den Kuchen nicht essen und aufbewahren.

Wenn es die Regel gibt "bei einer 20 trifft man immer" und aber auch die Regel "Mit dieser Rüstung gelten nur Treffer über 20", dann sind das beides MdE. Du wirst jetzt sagen es "gilt" aber faktisch nur eins davon, was auch richtig ist wenn man eine zweiwertige Logik voraussetzt, aber das muss ja nicht der Fall sein.

Was das mit der zweiwertigen Logik zu tun hat, sehe ich noch nicht (lasse es mir aber gerne erklären). Aber ich habe in meinem letzten Beitrag ausdrücklich nicht davon gesprochen, dass eine der Regeln nicht gilt (da bin ich Deinem Sprachgebrauch gefolgt), sondern dass man sie nicht faktisch anwenden kann.

Spieler nehmen einfach alle möglichen Regeln auf die sie für sich genommen für sinnvoll erachten und sehen Widersprüche erst später, weil sie nicht drauf geachtet haben, oder bestimmte Fälle nicht voraus zu sehen waren.
Beide Regeln könnten also in diesem Sinne gelten (die Spieler haben sie in das System aufgenommen).

Das ist doch aber das extensive L-System. Von Anwendung ist hier (zurecht!) nicht mehr die Rede.

EDIT: Ich überlege gerade, ob Du unter dem praktischen L-System die MdE des extensiven Systems verstehst, deren Anwendungsbedingungen vorgelegen haben?
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 9.01.2008 | 00:38
Es ist schon richtig dass du dich nicht einfach überzeugen lässt. Ich bin ja auch dabei selbst zu überlegen wie sinnvoll diese Konzepte sind. Grade beim positiven System bin ich mir da auch nicht so sicher.

Ok, wir dürfen das Gelten eines MdE nicht mit seiner Anwendung durcheinander bringen (das ist der Unterschied zwischen extensivem und praktischen System), da hast du Recht. Meiner Ansicht nach gibt es hier aber noch einen Unterscheid zwischen Anwendung und erfolgreicher Anwendung (deshalb positives System).

Ich sehe die MdE als Mittel die einen Prozess der Einigung vorgeben. Dieser Prozess kann aber durch andere MdE behindert werden.

In diesem Sinne ist ein MdE schon zur Anwendung gekommen, wenn von allen Spielern im Spiel (also in der Praxis) ein Bezug dazu hergestellt wurde. Das Problem ist hier wie bei allem ab dem praktischen System, das wir den kompletten Bereich der impliziten Einigungen nur erfassen können, wenn wir in die Köpfe der Spieler sehen. Im Versuch ließe sich das eventuell durch Befragung ermitteln. Ignorieren wir das mal für einen Moment und sehen deshalb auf explizite Einigungen:
In einer Diskussion oder in einer Mechanik werden MdE "angerufen" (oder angefasst wie ich oben sagte), d.h. man macht sie nochmal für den Zweck der Einigung im Einzelfall für alle sichtbar (das ist explizite Einigung). Dadurch kann jeder Spieler nun einen Prozess erkennen der im Idealfall zur Einigung führt. Es werde z.B. Werte abgelesen und verglichen, eventuell auch noch Entscheidungen einzelner Spieler getroffen. Nehmen wir unser Beispiel "bei einer 20 trifft man immer". Der Prozess der bei Anwendung dieser Regel in Gang gesetzt wird ist z.B. das Vergleichen eines Würfelwurfes mit dem Wert 20, eventuell wird dann auch noch dazu übergegangen nachzusehen was ein Treffer bedeuten würde. Dabei kommt man dann vielleicht auf die Rüstungsregel und erkennnt, dass man auch diese verwenden könnte oder müsste. Das tut man und kommt über den Prozess zu einem Ergebnis das dem vorherigen widerspricht. Jetzt muss man ein "höheres" MdE aufrufen um diesen Konflikt zu lösen. Natürlich kann nachher nur ein MdE zur Einigung führen bzw für die Einigung verantwortlich sein (zusammen mit dem höheren), aber beide wurden aufgerufen, also verwendet.

Hier könnte man sich noch einen anderen Fall vorstellen, in dem gar kein Widerspruch für das Versagen eines MdE verantwortlich ist, sondern einfach die Unangemessenheit des MdE für den konkreten Fall (Fehlbenutzung oder Verwendung ohne Einfluss). "Würfel mal auf Spurensuche" (der SL beachtet den Wurf aber nicht). In diesem Fall ist ein MdE benutzt worden (es wurde aufgerufen) es hat aber nicht zur Einigung geführt (das was die Kompetenz des SL, der Wurf war egal).
Es können auch ganze Phasen der Einigung wieder gelöscht werden, wenn z.B. ein SC im Kampf gestorben ist, man reimt sich aber irgendwas zusammen warum das nicht passiert ist (es wurde nicht innerhalb des SIS was fortentwickelt, sondern es ist gar nicht erst passiert!). Die Einigung die mittels Mechanik herbeigeführt wurde (Mechanik wurde verwendet) hat keinen Einfluss auf die Einigung (der Prozess hätte so oder so ausgehen können), er wurde durch ein anderes MdE ersetzt, obwohl kein logische Widerspruch bestand.

Das ist so als ob ich ein Werkzeug in die Hand nehme, ein wenig damit arbeite und sehe dass es mich nicht weiter bringt, dann nehme ich das andere. Beide Werkzeuge habe ich angefasst, also benutzt (angewendet), aber nur eins hat mir letztlich geholfen.
Der Werkzeugkasten ist das extensive System, die angefassten Werkzeuge das praktische und das positive besteht aus den Werkzeugen mit denen ich was anfangen konnte.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 9.01.2008 | 11:49
Inzwischen kann ich die Phänomene auseinander halten, die Du mit den Begriffen vom praktischen und positiven L-System auseinander halten möchtest. Als vorerst letzte Anmerkung dazu: "einigen" ist ein so genanntes Erfolgsverb - wenn man sich geeinigt hat, dann hat man sich geeinigt. Wenn ich nun (bisher) von MdE gesprochen habe, dann habe ich "Einigung" immer im Sinne dieser Erfolgslesart verstanden. Und ich habe nur die Mittel als MdE verstanden, die - sofern man sie anwendet - tatsächlich den Erfolg bringen. Da mir nichts daran gelegen ist, meine sprachlichen Intuitionen durchzudrücken, verstehe ich von jetzt an (im Rahmen dieser Diskussion) unter einem MdE immer ein Mittel, das, sofern man es verwendet, zur Einigung führen kann oder auch nicht. (Allerdings scheint mir diese schwächere Lesart nicht diejenige zu sein, die Lumpley in seiner Systemdefinition verwendet.)

Nun also weiter in der Diskussion. Offen ist mMn immer noch die Frage, wozu der praktische L-Systembegriff eigentlich wichtig ist. Nachdem nun festgestellt worden ist, dass darunter alles gefasst wird, was von den Spielern in einer Spielsituation als mögliches MdE in Erwägung gezogen wird - ganz gleich, ob es nun zur Einigung führt/geführt hat oder nicht -, scheint mir das praktische L-System vollends uninteressant. Ich lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.

Das positive L-System enthält alle MdE, die tatsächlich irgendwann erfolgreich verwendet worden sind. Es hat nun aber mit den Problemen zu kämpfen, die im Verlauf der Diskussion schon angesprochen worden sind: (i) es kann offenkundig inkonsistent sein; (ii) es hat keinerlei prognostische Relevanz; (iii) deswegen taugt es nicht zur Orientierung. Das einzige, was man damit machen kann, ist, eine Beschreibung zu geben, wie die Fiktion/der SIS gestaltet worden ist. Das ist natürlich auch was. Aber was genau mache ich mit dieser Beschreibung?

Der Begriff der Geltung spielt, soweit ich das sehen kann, einzig beim extensiven L-System eine Rolle. Wenn man wissen will, welche MdE gelten, dann hilft einem weder das praktische noch das positive L-System weiter. Da es in der faktischen Spielsituation permanent von enormer Bedeutung ist, welche MdE gelten, ist offenkundig, dass fürs Spielgeschehen nur der extensive L-Systembegriff wichtig ist. Aus der Perspektive der Spieler (Teilnehmerperspektive) interessiert nur, welche MdE man jetzt und in Zukunft zugrunde legt.

Fredi der Elch hat vorgeschlagen, den Begriff des extensiven L-Systems fallen zu lassen und nur vom prädizierten System zu sprechen:

Der Spieler orientiert sich daran, was er meint, wie das praktische System aussehen wird. Der Spieler gibt eine Prognose über das in der Zukunft liegende praktische System ab, deswegen hatte ich es mal testweise "prädiziertes System" genannt.

Ich vermute, dass "praktisches System" sich hier auf das bezieht, was Dr. Boomslang mit dem positiven L-System meint. Schließlich hilft es dem Spieler nicht, wenn er sich auf ein MdE verlässt, das im Endeffekt überhaupt nicht zur Einigung führt. Ich verstehe also Fredis prädiziertes System als die Menge der MdE, von denen der Spieler erwartet, das sie im Spielverlauf tatsächlich eine Einigung herbeiführen.

Fredi meinte nun, dass man den Begriff des extensiven L-Systems nicht braucht. Das ist falsch, denke ich. Denn die Erwartungen darüber, welche MdE relevant werden, können sich nur auf der Grundlage des extensiven L-Systems ausbilden. Dies hängt damit zusammen, dass nur das extensive L-System geltende MdE enthält.

Um das Schritt für Schritt vorzuführen:

(i) Ein Spieler fragt sich, welche MdE im Spielverlauf zur Anwendung kommen werden.
(ii) Wie kann er diese Frage beantworten? MMn besteht die einzige Möglichkeit, eine Antwort zu finden, darin, sich Klarheit darüber zu verschaffen, welche MdE allgemein akzeptiert worden sind.
(iii) Der Spieler muss voraussetzen, dass es MdE gibt, die von allen akzeptiert werden, so dass sie, sobald ihre Anwendungsbedingungen vorliegen, angewandt werden (und zu einer Einigung führen!).
(iv) Sofern ein Spieler davon ausgeht, dass es keine geltenden MdE gibt (oder er diese MdE nicht kennt), hat er keine Möglichkeit vorherzusehen, wie in einer Spielsituation Einigungen erzeugt werden. Stellen wir uns einfach vor, dass sich die Spieler zu Rollenspiel verabredet haben, ohne ein Regelwerk bestimmt zu haben. In dieser Situation ist es unmöglich, Erfolg versprechende Pläne zu schmieden.
(v) Also: Ohne Annahmen zum extensiven L-System kann ein Spieler kein prädiziertes System ausbilden.
(vi) Das prädizierte System ist nichts anderes als die Annahmen des Spielers über die geltenden MdE (möglicherweise ergänzt um systemunabhängige Erwägungen wie: "Welche Regeln werden tatsächlich zur Anwendung kommen?")

Nach wie vor problematisch sehe ich den Umstand, dass Dr. Boomslang Inkonsistenzen im extensiven L-System zulassen will. MMn fallen inkonsistente MdE, sobald sie von den Spielern erkannt werden, aus dem extensiven L-System heraus (werden modifiziert). Ich gehe davon aus, dass es hier ein Konsistenzideal gibt. Darüber werden wir im Folgenden mMn noch genauer nachdenken müssen.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Wolfenburg am 9.01.2008 | 12:43
So wie ich es sehe ist das extensives L-System (das meinte ich oben mit theoretisch) das System, dass  Alle geltenden MdE enthaelt die gelten. (ob man nun davon weiss (explizit) oder nicht (impliziet). Sobald ein Konflikt auftaucht gibt es ein uebergeordnetes (Meta) MdE das   diesen Konflikt aufloest [1]. ( Die einzig andere Moeglichkeit ist ein abbruch, also das beenden des Spiels). Fuer mich fallen eigentlich praktisches und extensives L-System zusammen, wenn man jeweils annimmt, dass nicht mehr geltende MdE nicht teil des Systems sind.
Als Grud fuer das zusammenfallen sehe ich, dass eben auch nicht "aufgerufene" MdE einen einfluss haben. (Beispiel s.o.).

Zum analogi Begriff:

Als analog geltende MdE meinte ich Mittel die zwar nicht expliziet gelten aber die gelten weil eine andere explizite Situation analog geloest wird.  (z.B. die Regel, dass ein Charakter aufs Klo gehen kann ohne das ein Wurf noetig wird, wird analog uebertragen auf ein Charakter kann eine Wurst essen ohen das ein wurf noetig wird.)



[1] Sich anschreien, rumhaeulen und das androhen koerperlicher Geewalt sind auch MdE...... :-\ :o
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 9.01.2008 | 12:59
Fuer mich fallen eigentlich praktisches und extensives L-System zusammen, wenn man jeweils annimmt, dass nicht mehr geltende MdE nicht teil des Systems sind.
Als Grud fuer das zusammenfallen sehe ich, dass eben auch nicht "aufgerufene" MdE einen einfluss haben. (Beispiel s.o.).

Das geht mir zu schnell. Immerhin haben wir im Verlauf der Diskussion jede Menge Mühe darauf verwendet, die beiden Begriffe voneinander abzugrenzen. Ohne eine Bezugnahme darauf, glaube ich Dir nicht so Recht. Um das noch inhaltlich anzufüttern: (i) Nicht angewendete (oder angefasste) MdE können einen Einfluss haben, müssen dies aber nicht. (ii) Der Einfluss nicht angewendeter (angefasster) MdE ist anderer Art als bei einer erfolgreichen Anwendung. Also Einfluss und Einigung sind nicht dasselbe. (iii) Nicht angewendete MdE gehören nicht zum praktischen L-System. (iv) Zum praktischen L-System können MdE gehören, die nicht mehr zum extensiven System gehören. (v) Das praktische System hat nichts mit Geltung zu tun. (Deswegen funktioniert auch Dein Vorschlag nicht so ohne Weiteres, nicht mehr geltende MdE aus dem praktischen System rauszuschmeißen.)

Das sind nur ein paar (wenn auch wesentliche) Unterschiede. Bevor ich Dir also abnehme, dass - entgegen des bisherigen Konsenses - praktisches und extensives L-System zusammenfallen, will ich mehr hören (allerdings gebe ich offen zu, dass ich sehr skeptisch bin, dass es sinnvoll ist, hier eine Gleichheit herzustellen - immerhin lassen sich unterschiedliche Phänomene damit beschreiben).

Als analog geltende MdE meinte ich Mittel die zwar nicht expliziet gelten aber die gelten weil eine andere explizite Situation analog geloest wird.  (z.B. die Regel, dass ein Charakter aufs Klo gehen kann ohne das ein Wurf noetig wird, wird analog uebertragen auf ein Charakter kann eine Wurst essen ohen das ein wurf noetig wird.)

MMn ist dies entweder ein Fall von Evidenz (implizit-implizit). Oder die Spieler einigen sich per Diskussion (Analogie=implizites Mittel, Einigung erfolgt explizit).

[1] Sich anschreien, rumhaeulen und das androhen koerperlicher Geewalt sind auch MdE...... :-\ :o

Das sind gute Vorschläge, um ein actiongeladenes Rollenspiel zu schreiben  :d
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Wolfenburg am 9.01.2008 | 14:42
In der Tat ist das Posting sehr stark gekuerzt und ich denke auch nicht, dass beide Begriffe equivalent sind. Allerdings fallen sie im Limes eines unendlichen harmoniscen Spiels zusammen.
im bezug auf die o.g. Punkte:

i) ein MdE die Frage ist eben ob ein MdE das das das keinen Einfluss hat (Einfluss als obermenge von anwenden) ueberhaubt teil des Systems ist. ( Es waere auch nicht teil des extensiven l-Systems, da es implizit schon entfernt wurde).

ii) Nun was bedeutet Einigung?  Es gibt eben auch ein inverses und ein Neutrales MdE, so dass die nichtanwendung von MdE A dann eben die anwendung von MdE^(-1) nach sich zieht.

iii) s. ii). aber ich gebe dir recht.

iv) das ist die definitionsfrage. Ich wuerde aber sagen das man nicht mehr angewandte MdE auch aus dem Praktischem L-System streichen sollte.

v) s.o.

Wenn du als praktisches L-System also die Menge aller angefassten MdE nimmst, dann hat dieses aber nichts mehr mit dem aktuellen Spiel zu tuen (naja vielleicht kann ein Spieler erzaehlen wie es damals war als man sich angeschrieen hat, heute fliegen ja die faeuste :-) ). Wenn du also nur einen Begriff fuer diese Menge suchst, dann wuerde ich sie einfach als Menge der angefasten MdE (MaMdE) bezeichnen. Damit man aber etwas praktisches hat wuerde ich die Definiton waehlen, dass das praktische L-System die Menge aller MdE ist di gelten und die angefast werden/wurden. Genau in dem letzten Satz liegt eben das Problem, denn bis zum ersten Spiel ist diese Menge lehr....



Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 9.01.2008 | 18:46
Und ich habe nur die Mittel als MdE verstanden, die - sofern man sie anwendet - tatsächlich den Erfolg bringen.
Verstehe. Das meinte ich aber von Anfang an nicht. Anwendung eines MdE ist also kein Synonym für die Einigung selbst.
Ich glaube in der Psychologie (zumindest kenne ich es aber aus der Kommunikationswissenschaft) gibt es etwas das sich "coordination device" nennt. Damit ist eine Information gemeint die eine Gruppe von Leuten teilt und die Gruppenmitglieder sind sich außerdem dieser gemeinsamen Information bewusst oder setzten sie voraus. Dadurch kann jedes Mitglied der Gruppe davon ausgehen dass auch die anderen die Information verwenden können oder werden, sollte es nötig sein, so können Handlungen koordiniert werden.
Ein MdE ist für mich so ein coordination device, das sich speziell auf die Einigung auf Spielinhalte bezieht.

Ich weiß nicht was beim ursprünglichen L-Prinzip wirklich gemeint war, das ist aber auch gar nicht so wichtig. Meine drei Auslegungen des L-Systems beruhen auf den drei Lesarten die mir offensichtlich erschienen, man mag das jetzt etwas anders sehen.
Es heißt "means by which the group agrees to imagined events". Je nachdem was man betont, also was man als Hauptteil ansieht, kommt eine der drei Lesarten heraus. Betont man die "means", also die Mittel, dann kommt man zum extensiven System (=alle Mittel). Betont man den Prozess der Einigung, dann kommt man zum praktischen System. Geht man von den "imagined events" aus und sieht dann nach durch welche "means" diese tatsächlich begründet sind, kommt man zum positiven System.

Man könnte tatsächlich argumentieren, dass dort nur "agrees" steht, also die Einigung schon vorausgesetzt wird. Ich habe jetzt so getan als ob dort stünde "die Mittel die die Gruppe benutzt um zu einer Einigung zu gelangen".

Ich würde aber gerne Fehlversuche der Einigung mit in der Beobachtung haben und ich denke auch das L-Prinzip gibt das noch her, oder?



Offen ist mMn immer noch die Frage, wozu der praktische L-Systembegriff eigentlich wichtig ist. Nachdem nun festgestellt worden ist, dass darunter alles gefasst wird, was von den Spielern in einer Spielsituation als mögliches MdE in Erwägung gezogen wird...
Das sieht ja im Sinne meiner Definition anders aus: Das praktische System ist das was sie tatsächlich benutzen. Es sind die MdE mit denen die Gruppe versucht gegen eine gemeinsame Einigung zu konvergieren, dieser Prozess muss aber nicht monoton auf die Einigung zulaufen und kann auch für eine kleine Menge MdE komplett scheitern.
Der praktische Systembegriff ist immer dann wichtig wenn wir Beobachtungen machen wollen. Am praktischen System kann man auch erkennen was die einzelnen Spieler eigentlich machen wollten, welche MdE sie also in den Einigungsprozess eingeführt haben. Hier kann man mehr als im positiven System auf Absichten einzelner Spieler schließen.



Das positive L-System enthält alle MdE, die tatsächlich irgendwann erfolgreich verwendet worden sind. [...] Das einzige, was man damit machen kann, ist, eine Beschreibung zu geben, wie die Fiktion/der SIS gestaltet worden ist. Das ist natürlich auch was. Aber was genau mache ich mit dieser Beschreibung?
Damit mache ich genau das was du sagst. Ich kann Fakten im SIS auf ihre Begründung im Spielprozess zurückführen. Damit kann man z.B. Qualitätskriterien für MdE ableiten. Wenn ein MdE nie im positiven System auftaucht, macht es seine Aufgabe offensichtlich nicht sehr gut. Die Gruppe sollte sich dann überlegen ob sie es nicht raus wirft.

Der Begriff der Geltung spielt, soweit ich das sehen kann, einzig beim extensiven L-System eine Rolle. Wenn man wissen will, welche MdE gelten, dann hilft einem weder das praktische noch das positive L-System weiter.
Sehe ich auch etwas anders. Das Auftauchen eines MdE im praktischen aber zumindest im positive System ist ein hinreichendes Kriterium für das Gelten eines MdE (aber kein notwendiges).


Ich verstehe also Fredis prädiziertes System als die Menge der MdE, von denen der Spieler erwartet, das sie im Spielverlauf tatsächlich eine Einigung herbeiführen.
Da sehe ich auch noch einige Unterschiede. Das prädizierte System ist die Vermutung des Spielers über das extensive System. Das sind die Regeln die er verwenden könnte um zu versuchen sich mit den anderen Spielern zu einigen. Er wird aber darüber hinaus im Sinne seiner Planung darüber nachdenken welche MdE aus diesem Raum Einigungen herbeiführen die zu seinen Gunsten ausfallen, das ist also nur ein Teil des positiven Systems auf das der einzelne Spieler dort abzielt.
Aus diesem Planungsprozess aller Spieler und der Auswahl der MdE ergeben sich dann das praktische und das positive System.

MMn fallen inkonsistente MdE, sobald sie von den Spielern erkannt werden, aus dem extensiven L-System heraus (werden modifiziert).
Die MdE fallen nicht einfach heraus, sie werden aber eventuell modifiziert oder ausgeschlossen (das ist wieder ein aktiver Gruppenprozess). Soweit stimme ich aber zu. Das schließt aber eben nicht aus dass das extensive System trotzdem logisch inkonsistent ist, alles hängt ja vom Erkenntnisprozess auf Gruppenebene ab. Es kann auch durch nichts garantiert werden dass das System jemals konsistent ist. Ein Konsistenzideal unter den Spielern gibt es aber wahrscheinlich (obwohl man darüber auch nochmal nachdenken darf).
Das einzige System das auf eine Art Konsistenz garantiert ist das positive (wenn man voraus setzt, dass Konsistenz zur Einigung nötig ist).
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 9.01.2008 | 20:20
Ich glaube in der Psychologie (zumindest kenne ich es aber aus der Kommunikationswissenschaft) gibt es etwas das sich "coordination device" nennt.

Damit ist eine Information gemeint die eine Gruppe von Leuten teilt und die Gruppenmitglieder sind sich außerdem dieser gemeinsamen Information bewusst oder setzten sie voraus. Dadurch kann jedes Mitglied der Gruppe davon ausgehen dass auch die anderen die Information verwenden können oder werden, sollte es nötig sein, so können Handlungen koordiniert werden.
Ein MdE ist für mich so ein coordination device, das sich speziell auf die Einigung auf Spielinhalte bezieht.

Hey Boom,  hatte vor einiger Zeit schon mal auf so etwas im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Vorstellungsraum hingewiesen. "Coordination device" ist mir als Begriff zwar nicht bekannt, aber das Konzept stammt nach meiner Information ohnehin von Wegner und heißt "Transaktives Gedächtnis". Mehr hier (http://tanelorn.net/index.php/topic,38108.msg716901.html#msg716901).
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Wolfenburg am 9.01.2008 | 23:48
Dr.Boomslang letzter Beitrag  hat mich auf einen Interesanten Punkt hinngewiesen:

Wo beginnt und wo endet ein MdE?

Ich denke, dass am ende eines Entscheidungsprozesses immer eine Einigung steht (oder der abbruch des Spiels). Die Frage ist nun ob nun im Entscheidungsprozess viele MdE eingesetzt werden oder ob der Prozess nur eines verwendet.

Beispiel, Char. A will von einem Hausdach zum anderen Springen, nun einigen sich (sagen wir durch diskussion) die Spieler erst darauf, dass so ein Sprung moeglich, aber schwierig ist und entscheiden sich fuer eine Wuerfelprobe, die erschwert ist, die knapp scheitert womit der Charakter nun nicht sicher landet, sondern gegen die andere Hauswand knallt wo er nun versuchen kann sich zu retten....

Nun sind in diesem zusammenhang mehrere Einigungen aufgetaucht, die zur Einigung A haengt an der anderen Hauswand gefuehrt haben. Erstens wurde sich auf einen Wuerdelwurf geeinigt. Dieser hat dann ein Ergebniss geliefert.

nun ist eben die Frage ob nun ein MdE benutzt wurde oder erst ein meta Mittel (diskussion) und dann ein MdE (Wurf)
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 10.01.2008 | 12:43
Man könnte tatsächlich argumentieren, dass dort nur "agrees" steht, also die Einigung schon vorausgesetzt wird.

Genau, so habe ich das immer gelesen. Letztlich wäre damit die Fiktion das entscheidende Kriterium, um zu entscheiden, was zum System gehört.

Der praktische Systembegriff ist immer dann wichtig wenn wir Beobachtungen machen wollen. Am praktischen System kann man auch erkennen was die einzelnen Spieler eigentlich machen wollten, welche MdE sie also in den Einigungsprozess eingeführt haben. Hier kann man mehr als im positiven System auf Absichten einzelner Spieler schließen.

Wenn ich das Verhalten eines einzelnen Spielers beschreiben will, kann ich von dessen Annahmen übers L-System sprechen. Ich brauche dafür nicht unbedingt einen weiteren L-Systembegriff definieren. Natürlich kann man sagen, dass die Annahmen der Spieler übers L-System selbst wiederum eine Menge ergeben, die man als irgendeine L-System-Variante versteht. Ich finde aber, was jetzt nicht überraschen dürfte, dass man sich, sofern man den Begriff der (erfolgten) Einigung nicht zugrunde legt, vom L-System entfernt. Außerdem gibt es jetzt mMn zwei Arten von MdE, auf die sich der Spieler bezieht: (i) MdE, die von allen implizit oder explizit akzeptiert worden sind (extensives L-System); (ii) MdE, von denen der Spieler fälschlicherweise annimmt, dass sie zum extensiven L-System gehören. Zum praktischen L-System dürften, soweit ich das sehe, nur solche "angefassten" MdE gehören, die Bestandteil des extensiven L-Systems (gewesen) sind. Oder gehören zum praktischen L-System auch die MdE (ii)? Dann hätte man L-System-Elemente, die zu keinem Zeitpunkt von der gesamten Gruppe akzeptiert worden wären. Das ist unschön. Wenn man aber nur die MdE (i) als Kandidaten fürs praktische L-System ansieht, dann verlässt man die Beobachterebene und zieht zusätzliche Imformationen heran (nämlich das extensive L-System).

Sehe ich auch etwas anders. Das Auftauchen eines MdE im praktischen aber zumindest im positive System ist ein hinreichendes Kriterium für das Gelten eines MdE (aber kein notwendiges).

MdE im positiven L-System haben irgendwann einmal Geltung besessen. Aber das positive L-System kommt immer einen Schritt zu spät, wenn man so will. Denn erst nach erfolgter Einigung wird ein MdE Element des positiven L-Systems. Ob es aber in einer vergleichbaren Situation immer noch gelten wird, kann ich dem positiven L-System nicht ablesen. Mir geht es um zukünftige Geltung. Denn nur damit kann ich Prognosen treffen und mich als Spieler orientieren. Dass ein MdE im positiven L-System enthalten ist, schließt nicht aus, dass die Spieler sich darauf geeinigt haben, dieses MdE nicht mehr zu verwenden. Diese Einigung beeinflusst nur das extensive L-System.

Allerdings fallen sie im Limes eines unendlichen harmoniscen Spiels zusammen.
im bezug auf die o.g. Punkte

Nein.

i) ein MdE die Frage ist eben ob ein MdE das das das keinen Einfluss hat (Einfluss als obermenge von anwenden) ueberhaubt teil des Systems ist. ( Es waere auch nicht teil des extensiven l-Systems, da es implizit schon entfernt wurde).

Wieso wäre es nicht Teil des extensiven L-Systems? Wie kommst Du darauf, dass es entfernt worden wäre?

ii) Nun was bedeutet Einigung?  Es gibt eben auch ein inverses und ein Neutrales MdE, so dass die nichtanwendung von MdE A dann eben die anwendung von MdE^(-1) nach sich zieht.

Was soll das heißen? Es ist nicht so, dass ich immer, wenn ich A nicht tue, non-A tue. Was ist ein neutrales MdE?

iv) das ist die definitionsfrage. Ich wuerde aber sagen das man nicht mehr angewandte MdE auch aus dem Praktischem L-System streichen sollte.

Dann definierst Du das praktische L-System aber anders als bisher (ohne zu erläutern, wieso Deine Definition klarer oder nützlicher wäre). Was genau sind "nicht mehr angewandte MdE"? Auf welches Zeitintervall bezieht sich das?

Wenn du als praktisches L-System also die Menge aller angefassten MdE nimmst, dann hat dieses aber nichts mehr mit dem aktuellen Spiel zu tuen (naja vielleicht kann ein Spieler erzaehlen wie es damals war als man sich angeschrieen hat, heute fliegen ja die faeuste :-) ). Wenn du also nur einen Begriff fuer diese Menge suchst, dann wuerde ich sie einfach als Menge der angefasten MdE (MaMdE) bezeichnen. Damit man aber etwas praktisches hat wuerde ich die Definiton waehlen, dass das praktische L-System die Menge aller MdE ist di gelten und die angefast werden/wurden. Genau in dem letzten Satz liegt eben das Problem, denn bis zum ersten Spiel ist diese Menge lehr....

Diese Vorschläge finde ich nicht schlecht (ich habe ähnliche Überlegungen angestellt). Aber wie gesagt: Dr. Boomslang will etwas anderes (wenn ich ihn richtig verstehe).
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Dr.Boomslang am 10.01.2008 | 16:33
Ich möchte deshalb die Fiktion nicht als alles entscheidendes Kriterium dafür was zu System gehört, weil das eine Umkehrung des Zusammenhangs wäre, nicht die Fiktion begründet System, sonder System schafft Fiktion (oder auch nicht, zumindest nicht driekt).
Es kommt mit darauf an wie die Fiktion entstanden ist und was während dieses Prozesses passiert, nicht nur darauf worauf man die Fiktion zurückführen kann. Damit allein würde man dem Prozess des Spiels nicht gerecht.


Wenn ich das Verhalten eines einzelnen Spielers beschreiben will, kann ich von dessen Annahmen übers L-System sprechen. Ich brauche dafür nicht unbedingt einen weiteren L-Systembegriff definieren.
Hier gilt aber Fredis Argument. Über die Annahmen der Spieler kann ich nichts erfahren, ich kann nicht in ihren Kopf gucken. Ich kann aber aufgrund ihrer Handlungen (=praktisches System) auf ihre Annahmen schließen.

Das sind einfach unterschiedliche Anwendungsfälle, die nur in ihrem Bereich Sinn ergeben, je nachdem was man voraussetzen möchte und was nicht. Ich sagte ja  schon, es kommt darauf an von welchen Element des Spiels das im L-Prinzip genannt wird man sich nähert.


Außerdem gibt es jetzt mMn zwei Arten von MdE, auf die sich der Spieler bezieht: (i) MdE, die von allen implizit oder explizit akzeptiert worden sind (extensives L-System); (ii) MdE, von denen der Spieler fälschlicherweise annimmt, dass sie zum extensiven L-System gehören. Zum praktischen L-System dürften, soweit ich das sehe, nur solche "angefassten" MdE gehören, die Bestandteil des extensiven L-Systems (gewesen) sind.
Richtig, so meinte ich das die ganz Zeit. Die MdE in (ii) sind ja eigentlich gar keine im Sinne der Definition. Deshalb entferne ich mich auch nicht vom L-Prinzip (weil ich solche uneigentlichen/angenommenen MdE nicht mit rein nehme).
Allerdings gibt es Typ (ii) (uneigentliche) MdE auch dann wenn man die gelungene Einigung voraussetzt. Es sind dann halt einfach die Mittel die keine Einigung bringen (das warum würde in diesem Fall aber nicht näher erfasst, im Gegensatz zu meiner Definition).

Wenn man aber nur die MdE (i) als Kandidaten fürs praktische L-System ansieht, dann verlässt man die Beobachterebene und zieht zusätzliche Imformationen heran (nämlich das extensive L-System).
Das sehe ich anders. Ich behaupte man kann unterscheiden ob ein MdE tatsächlich nicht vorliegt (der Spieler also fälschlich annimmt es handele sich um ein solches, das wäre dann auch nicht Teil des praktischen Systems, das müsste man extra behandeln), oder ob die Spieler es alle generell akzeptieren aber aufgrund von speziellen Umständen einfach nicht die Einigung erreichen.
Dafür braucht man keine Annahme über das extensive System, das kann man am Verhalten der Spieler erkennen.

Es ist halt ein Unterschied ob im Werkzeugkasten ein Werkzeug nicht drin ist das ich darin suche (weil ich denke es wäre drin), oder ob ich das Werkzeug zwar finde, es mir aber nicht weiter hilft weil es das falsche ist.

Beispiel: Spieler A beruft sich auf eine Regel X. Sofort wird er informiert dass die nicht gilt, wegen Hausregel Y. Er erinnert sich und es wird mit Regel Y weiter gemacht. -> Fehlannahme von Spieler A über das extensive System
Es kann sogar sein dass seine Einigung auf die Regel implizit war und er sich deshalb nicht daran erinnert. Es kommt dann nur darauf an wie sehr er sich dieser impliziten Zustimmung verpflichtet führt. Wenn er z.B. zugestimmt hat die Hausregeln der Gruppe zu übernehmen ohne diese aber zu kennen, kann es trotzdem sein dass er sie akzeptiert. Es kann aber auch sein dass er dies nicht tut, dann sind sowohl Regel X als auch Hausregel Y nicht teil des extensiven Systems, weil für die Hausregel die Zustimmung von Spieler A fehlt und für Regel X die Zustimmung aller anderen. Eine solche Regel kann nicht benutzt werden

Jetzt gehen wir davon aus Regel Y wird benutzt. Die Spieler versuchen sich zu einigen. Das verträgt sich aber eventuell nicht mit der gleichzeitigen Benutzung von Regel Z (Widerspruch). Oder es gelingt nicht Regel Y auf den vorliegenden Fall konsistent anzuwenden, obwohl grundsätzlich jeder der Ansicht ist dass der konkrete Fall nur von Regel Y abgedeckt wird (Einzelfallfehler).
MdE sind abstrakt. Sie Setzen keine Einigung auf etwas spezielles voraus, sondern sind nur Mittel die im konkreten Fall angewandt werden müssen. Sonst würde sowas gelten wie: Ein einmaliges MdE pro Einigung. Das will ich auf keinen Fall haben. Deswegen behandle ich ja schon die Einigung selbst als Einzelfall, nicht aber die Mittel.

Noch ein anderer Fall, den ich oben schon genannt habe, sind Entscheidungen ohne andauernde Auswirkung. Das scheinbare Einigen oder das Rückgängig machen von Einigungen. Hierbei kann man zwar sagen die Spieler haben sich auf "imagined events" geeinigt (deshalb tauchen solche MdE ja auch bei mir im praktischen System auf), der SIS als angenommene Fiktion auf der das Spiel später weiter aufbaut, enthält diese Einflüsse aber nicht mehr. Deshalb taucht sowas auch nicht im positiven System auf, das ist so eine Art Rückabwicklung des SIS zu System.

MdE im positiven L-System haben irgendwann einmal Geltung besessen. [...] Ob es aber in einer vergleichbaren Situation immer noch gelten wird, kann ich dem positiven L-System nicht ablesen. Mir geht es um zukünftige Geltung.
Naja, über zukünftige Geltung kann nur das extensive System was sagen und das ist nunmal praktisch nicht vollständig feststellbar.
Das praktische und das extensive System fallen dann trivialerweise zusammen, wenn in einem Spiel alles gemacht wird was man machen kann (auf Systemebene), wenn also jedes MdE benutzt wird das es gibt. Das kann man ein unendliches Spiel nennen. Eventuell ist es das was auch Wolfenburg meinte.

Trotz der Probleme mit der Praxis kann man logisch gültige und einfache Schlüsse ziehen. Wenn ein MdE im praktischen System beobachtet wird, dann ist das eine hinreichende Bedingung für seine Gültigkeit in dem Moment. Das bedeutet das MdE befindet sich auch im extensiven System (in dem Moment), und das wiederum bedeutet es wird höchstwahrscheinlich auch in Zukunft gelten, und zwar falls nichts am System geändert wird.
Ob es in einer vergleichbaren Situation auch zu einer Einigung führen wird, hängt doch extrem davon ab was man für "vergleichbare Situationen" hält. Es ist ja grade ein Merkmal von Rollenspielen, dass Situationen im Gegensatz zu rein formalen Spielen prinzipiell immer einzigartig sein können. Diesen Aspekt möchte ich nicht verlieren.


Damit man aber etwas praktisches hat wuerde ich die Definiton waehlen, dass das praktische L-System die Menge aller MdE ist di gelten und die angefast werden/wurden.
Somit habe ich auch nichts gegen diese Umschreibung meiner Definition. Das ist das was ich sage. Das ist das praktische System.
Man kann nun auch noch Fehlannahmen einzelner Spieler über MdE mit dazu nehmen, dann hat man sowas wie ein Transskript des Spiels auf Systemebene, wovon das praktische System eben nur eine Teilmenge ist.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 10.01.2008 | 17:45
Ich möchte deshalb die Fiktion nicht als alles entscheidendes Kriterium dafür was zu System gehört, weil das eine Umkehrung des Zusammenhangs wäre, nicht die Fiktion begründet System, sonder System schafft Fiktion (oder auch nicht, zumindest nicht driekt).

Genau. Aber da bleibt trotzdem die Frage, wie man erkennt, dass etwas System ist. Du findest, dass etwas zum System gehören kann, das man zwar anwendet, das aber trotzdem nicht zur Fiktion führt. Das ist etwas, was ich bestreite. Aber da drehen wir uns jetzt im Kreis.

Es kommt mit darauf an wie die Fiktion entstanden ist und was während dieses Prozesses passiert, nicht nur darauf worauf man die Fiktion zurückführen kann. Damit allein würde man dem Prozess des Spiels nicht gerecht.

Ich will auch wissen, wie die Fiktion entstanden ist. Aber ich muss nicht alles, was während dieses Prozesses passiert, ins System packen. Mir reicht es, die Dinge ins System zu stecken, die tatsächlich zur Gestaltung der Fiktion geführt haben.

Hier gilt aber Fredis Argument. Über die Annahmen der Spieler kann ich nichts erfahren, ich kann nicht in ihren Kopf gucken. Ich kann aber aufgrund ihrer Handlungen (=praktisches System) auf ihre Annahmen schließen.

Ist schon klar. Etwas anderes wollte ich nicht behaupten (habe aber natürlich zu knapp formuliert).

Dafür braucht man keine Annahme über das extensive System, das kann man am Verhalten der Spieler erkennen.

Es ist halt ein Unterschied ob im Werkzeugkasten ein Werkzeug nicht drin ist das ich darin suche (weil ich denke es wäre drin), oder ob ich das Werkzeug zwar finde, es mir aber nicht weiter hilft weil es das falsche ist.

Klar ist das ein Unterschied. Aber ich bezweifle, dass Du diesen Unterschied in jedem Fall durch Beobachtung herausbekommen kannst. Denn im Unterschied zum Werkzeugkasten kannst Du hier nur implizit - nämlich durch Beobachtung des Spielerverhaltens - auf die Werkzeuge (MdE) schließen (mir ist bewusst, dass Du das weißt - ich wiederhole das nur der Vollständigkeit halber). Und hierbei wird es Situationen geben, in denen nicht klar ist, welche MdE allgemein akzeptiert worden sind. Wenn sich bspw. ein Spieler auf Regel X beruft und die anderen sagen nur, dass es ja auch Regel Y gibt, die dem gerade im Wege steht und deswegen wäre Regel X jetzt nicht einschlägig, dann ist nicht erkennbar, ob Regel X zum extensiven L-System gehört oder nicht. Natürlich können die anderen Spieler auch sagen: "Hey, die Regel gilt gar nicht." Aber wenn sie dies nicht tun, sondern in dieser Situation einfach nur auf ein anderes MdE zurückgreifen, dann steht man als Beobachter auf dem Schlauch. - Aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig, wie ich bisweilen gedacht habe. Unschärfen in der Beobachtung wird man wahrscheinlich immer in Kauf nehmen müssen.

Trotz der Probleme mit der Praxis kann man logisch gültige und einfache Schlüsse ziehen. Wenn ein MdE im praktischen System beobachtet wird, dann ist das eine hinreichende Bedingung für seine Gültigkeit in dem Moment. Das bedeutet das MdE befindet sich auch im extensiven System (in dem Moment), und das wiederum bedeutet es wird höchstwahrscheinlich auch in Zukunft gelten, und zwar falls nichts am System geändert wird.

Genau. Aber mit der Plausibilitätserwägung verlasse ich halt meine aufs reine Spielgeschehen konzentrierte Beobachterposition. Außerdem ist es zwar nicht die Regel, aber auch kein esoterischer Sonderfall, dass man ein MdE nach (vielleicht auch vielfach) erfolgter Anwendung modifiziert oder rauswirft. Hausregeln basieren ja häufig auf Erfahrungen mit MdE, die eine zeitlang verwendet worden sind.

Somit habe ich auch nichts gegen diese Umschreibung meiner Definition. Das ist das was ich sage. Das ist das praktische System.

Das wundert mich nun wieder. Entweder lesen wir Wolfenburgs Vorschlag unterschiedlich - oder ich habe Dich bisher falsch verstanden. Um zum praktischen L-System zu gehören, ist es ausreichend, dass ein MdE angefasst worden ist sowie Geltung besessen hat (beides muss der Fall sein). Über gegenwärtige Geltung wird dagegen nichts gesagt. Darum dreht sich doch ein Großteil unserer Kontroverse - oder bin ich jetzt voll neben der Spur?
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Wolfenburg am 15.01.2008 | 10:48
Also fuer mich macht es kinen Sinn MdE im praktischen L-System zu haben die nicht mehr angewand werden. (Meistens wurden sie ja sogar explizit entfernt, bzw. ersetzt). Das System is ja das worauf sich ein Spieler berufen kann. Wenn er nun auf Regel X verweisst und alle sagen die haben wir aber durch regel Y ersetzt dann bewegt er sich eben nicht mehr im System, auch wenn X mal gegolten hat.
Titel: Re: System und weiterführende Begriffe
Beitrag von: Gaukelmeister am 20.01.2008 | 12:53
Ein Punkt, der mir noch nicht ganz klar ist, betrifft den Bereich der Evidenz, also der MdE, bei denen sowohl das Mittel wie auch die Einigung implizit sind. Hierzu hat es bereits einen kurzen Austausch zwischen Dr. Boomslang und Fredi dem Elch gegeben. Die folgenden Zitate geben einen Eindruck der beiden konträren Positionen:

Damit machst du das komplette Weltwissen der Spieler zu MdE. Und das ist ja nun wirklich völliger Quatsch.

Es gilt auch hier zu beachten dass ein großer Teil des Weltwissens der Spieler auch ausgeschlossen ist, nämlich jener der nicht von allen Spielern geteilt wird, und auch das was alle teilen muss immer noch den Anspruch an ein MdE erfüllen.
Ansonsten dachte ich das wäre klar. Warum wohl gibt es keinen Computer der Rollenspiel machen kann? Rollenspiel ist ein Kommunikationsspiel das auf den vollen Umfang der Kommunikationsmöglichkeiten und das dahinter stehende Wissen angewiesen ist.
Jetzt verstehst du vielleicht auch warum mir die Nähe zum Fiktion schaffenden Prozess so wichtig war.

Die Frage ist also, ob man alle Annahmen über die Fiktion, die die Spieler stillschweigend teilen („Weltwissen“), zum System rechnen sollte oder nicht.

Dafür spricht, dass das Aussehen der Fiktion massiv durch Selbstverständlichkeiten (wie Gravitation oder Stoffwechsel etc.) geprägt ist.

Dagegen spricht der Umstand, dass diese Dinge allen Beteiligten selbstverständlich sind und unhinterfragt in sehr unterschiedliche Rollenspielsituationen eingehen, so dass der Begriff der Einigung schon extrem liberal verstanden werden muss, um ihn hier anzuwenden. Selbstverständlich können wir uns implizit darauf einigen, welches Fernsehprogramm wir schauen. Aber wir einigen uns nicht gleichermaßen implizit auf die Annahme, dass Sherlock Holmes kein drittes Auge am Hinterkopf hatte. Dass dies evident ist, spricht gerade dagegen, hier von einer Einigung zu sprechen (für mein Sprachgefühl).

Die evidenten Annahmen – zumindest ein wesentlicher Teil davon – fungieren als Fundament, auf dem der gesamte Prozess der Fiktionserschaffung und -gestaltung aufruht. Diese systematische Vorrangstellung muss in jedem Fall beachtet werden. Wie man begrifflich darauf reagiert, ist vielleicht eine Geschmacksfrage. Ob man Evidenzen also als Teil des Systems versteht oder nicht, lasse ich erst einmal offen. Aber wenn es ein Teil des Systems ist, dann liegt dieser Teil nicht auf derselben Ebene, wie die anderen Teile, sondern ist sozusagen das allem anderen vorgeordnete System. Was meint Ihr?

Fredi, falls Du Lust hast, noch einmal etwas beizusteuern, würde ich mich sehr freuen. Ich bin mir etwas unsicher, wieso Du das Weltwissen im obigen Zitat klarerweise ausschließen willst, obwohl Du an anderer Stelle ziemlich viele Dinge, die zum Weltwissen gehören, dazurechnest:

Das System ist für mich die Gesamtheit der Elemente, die den kommunikativen Prozess steuern, der dann zur Fiktion führt. Regeln (implizit und explizit), Konventionene, Mindsets, Rollen, Erwartungen... lauter solche Dinge.

Welche Bereiche des Weltwissens sind Deiner Meinung nach Teil des Systems und welche nicht? Besteht der Unterschied zwischen der Beeinflussung der Kommunikation und der Beeinflussung der Fiktion (das würde ich dann gerne genauer erklärt haben)?