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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspieltheorien => Thema gestartet von: Kinshasa Beatboy am 29.08.2008 | 10:56

Titel: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 29.08.2008 | 10:56
Angeregt durch einen Thread von Vermi  (http://tanelorn.net/index.php/topic,43076.msg811482.html#msg811482) habe ich mir zum wiederholten Mal eine Frage gestellt, die nicht so recht beantworten konnte. Deshalb reiche ich sie einfach mal an die Allgemeinheit weiter.

Hintergrund:
Vermi diskutiert im besagten Thread ein paar Punkte glücklicher SL und ich finde die Liste nicht nur sehr gelungen, sondern werde Sie bei nächster Gelegenheit auch mal ausprobieren. Dabei bin ich sicher, dass ich bei einem Praxistest eine Menge dazulernen kann und in der folgenden Diskussion wertvolle Anregungen aus dem Forum erhalte. Verwundert hat mich in dem Thread bei überraschend vielen Antworten jedoch einmal mehr, dass die von Vermi genannten Punkte im Selbstverständnis vieler Poster bei ihnen als SL quasi im Vorbeigehen im jeweils eigenen Spiel Berücksichtigung finden. Dieses Selbstverständnis beobachte ich immer wieder und vielleicht fallen Euch ebenfalls ad hoc viele Leute aus dem Forum ein, die Ihre SL-Fähigkeiten extrem sebstbewusst darstellen und beiläufig (nur als Beispiel) ihr "ergebnisoffenes Leiten bei voller Regeleinhaltung, tollen Stories, volltaktischem Spiel und Totalimmersion der Spieler" preisen. Kurzum: viele Poster hier im Forum haben nach meinem Eindruck ein extrem positives Selbstbild bezüglich ihrer SL-Fähigkeiten. Andererseits sehe ich bei meinen zugegeben seltenen Conbesuchen aber so gut wie nie Runden, in denen SL höheren Ansprüchen (insbesondere gemessen an den Formulierungen hier im Forum) auch nur im Ansatz genügen könnten.

Resultierende Fragen:
Ist mein Eindruck korrekt? Besteht also tatsächlich eine krasse Diskrepanz zwischen dem Selbstbild und dem Fremdbild vieler SL? Oder unterliege ich einer systematischen Fehlwahrnehmung? Ketzerisch ausgedrückt: Gibts in diesem Forum überdurchschnittlich viele Maulhelden oder sammelt sich hier die deutsche Rollenspielelite? Was meint Ihr?
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Thalamus Grondak am 29.08.2008 | 11:04
Ich glaube die Differenz beruht eher auf dem selektiven Verständnis des Textes (und allgemein solcher Texte.)
Wenn in den Tips z.B. steht "Du bist fürs Pacing verantwortlich. Sorge dafür, dass das Spiel weder zu gehetzt noch zu langatmig wird. Steuere, ohne zu drangsalieren."
Dann wirst du bei 20 SLs die alle der Meinung sind diesen Passus einzuhalten 20 verschiedene Leitmethoden sehen, nicht weil sie alle zu sehr von sich eingenommen sind (bei einigen wird das allerdings auch der Fall sein), sondern weil jeder dieser SL den Passus anders versteht, und selbstverständlich dazu neigt ihn am ehesten so auszulegen, wie man es selbst macht.
Dazu neigt der Mensch einfach, es sei denn er ist ein unsicherer Typ, die neigen eher dazu all das heraus zu lesen was sie Falsch machen.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Wawoozle am 29.08.2008 | 11:04
Gibts in diesem Forum überdurchschnittlich viele Maulhelden oder sammelt sich hier die deutsche Rollenspielelite? Was meint Ihr?

Beides :D

Aber ernsthaft:
Zuerstmal gehört dieser Quark mit der "Rollenspielelite" möglichst schnell auf den Sondermüll.

Woraus beziehen SLs ihre "Selbstbestätigung" ?
In der Regel doch aus den Spielrunden die sie leiten.
Wenn einem ebensolchen SL die Spieler nicht gerade scharenweise davonlaufen dann denkt er sich "so schlecht kann mein Leitstil gar nicht sein" und entsprechend präsentiert er sich auch.

Die Frage ist, meiner Meinung nach, eher:
"Gibt es überdurchschnittlich viele gute SLs oder gibt es einfach überdurchschnittlich viele leidensfähige Spieler".
Meiner Erfahrung nach ist letzteres der Fall :)

Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Pyromancer am 29.08.2008 | 11:10
Dieses Selbstverständnis beobachte ich immer wieder und vielleicht fallen Euch ebenfalls ad hoc viele Leute aus dem Forum ein, die Ihre SL-Fähigkeiten extrem sebstbewusst darstellen und beiläufig (nur als Beispiel) ihr "ergebnisoffenes Leiten bei voller Regeleinhaltung, tollen Stories, volltaktischem Spiel und Totalimmersion der Spieler" preisen.
Och, bei mir ist es "ergebnisoffenes Leiten bei fast voller Regeleinhaltung, passablen Stories, mäßig taktisches Spiel und eher wenig Immersion, dafür viel Spaß".

Zitat
Andererseits sehe ich bei meinen zugegeben seltenen Conbesuchen aber so gut wie nie Runden, in denen SL höheren Ansprüchen (insbesondere gemessen an den Formulierungen hier im Forum) auch nur im Ansatz genügen könnten.
Ich kriege bei Runden, in denen ich mich "warmgespielt" habe, reproduzierbar mittelgute bis sehr gute Spielrunden hin. Echte Glanzlichter oder Totalversagen, das schaffe ich nur auf Cons. Merkwürdig, ist aber so.

Zitat
Besteht also tatsächlich eine krasse Diskrepanz zwischen dem Selbstbild und dem Fremdbild vieler SL?

Ja.

Zitat
Oder unterliege ich einer systematischen Fehlwahrnehmung?

Auch hier: Ja.

Zitat
Ketzerisch ausgedrückt: Gibts in diesem Forum überdurchschnittlich viele Maulhelden oder sammelt sich hier die deutsche Rollenspielelite?

Ja, und ja.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Crimson King am 29.08.2008 | 11:12
Ist es. Ich z.B. habe mich für einen eher offenen SL gehalten, wurde aber durch die Treffen eines Besseren belehrt. Das liegt aber auch daran, dass ich in meinem privaten Umfeld den einen oder anderen Hardcore-Railroader unter den Spielleitern weiß. Tatsächlich denke ich, ohne dass mal klar vorgeführt bekommt, was es bedeutet, Spielern wirkliche Entscheidungsmöglichkeiten zu geben, wird man sich nicht darüber klar, was Player Empowerment eigentlich bedeutet.

In diesem Forum sammelt sich dann auch möglicherweise, wenn man es so nennen will, die deutsche Rollenspielelite. Diese Form von Spiel mit stärker verteilten Erzählrechten im Gegensatz zum Wasserfall-Spielleiten sowie das starke Auseinandersetzen mit der Indie-Szene und Theorie machen das Forum schon in gewissem Maße zur Rollenspiel-Avantgarde.

Ich bestehe im Übrigen darauf, dass das Wort Elite in diesem Zusammenhang keine menschliche Wertung beinhaltet. Kaum einer der Leute, die ich in diesem Forum kennengelernt habe, sieht sich oder das was er macht, als wirklich elitär an und das Verhalten ist auch nicht in irgendeiner Weise elitär. Diese Leute beschäftigen sich mit dem Thema ja auch nicht, um sich von anderen abzugrenzen, sondern um mehr Spaß zu erreichen. Zumal das beschriebene Spiel nicht einmal mehr Spaß machen muss und dann auch nicht als besser bezeichnet werden kann.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Gaukelmeister am 29.08.2008 | 11:15
Sicherlich sind Leute, die über verschiedene Stile und Techniken des Spielleiterns nachdenken und sich intensiv mit anderen darüber austauschen, häufig in einem Forum anzutreffen. Und da ich grundsätzlich unterstelle, dass eine solche Auseinandersetzung im Schnitt zu einer Verbesserung der eigenen Fähigkeiten als SL führt, bin ich geneigt, davon auszugehen, dass man hier im Forum tatsächlich überdurchschnittlich viele gute SLs findet. Auch Leute die Kochbücher lesen und mit ihrer Oma Erfahrungen übers Backen austauschen, werden im Schnitt besser kochen können als diejenigen, die einfach ihrer Intuition folgen. - Das gesagt, bleibt aber die Einsicht, dass alle nur mit Wasser kochen.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Joe Dizzy am 29.08.2008 | 11:36
Resultierende Fragen:
Ist mein Eindruck korrekt? Besteht also tatsächlich eine krasse Diskrepanz zwischen dem Selbstbild und dem Fremdbild vieler SL?

Ich denke, du solltest im Hinterkopf behalten, dass es einen Unterschied gibt zwischen "was der SL sich vornimmt zu tun" und "was am Spieltisch daraus wird". Es ist eine Sache zu sagen, dass man als SL immer souverän bleiben sollte, sich auf die Ideen der Spieler einlassen sollte ohne dabei die eigenen hinten an zu stellen usw. usf.

Man kann wissen, dass es man das tun sollte. Man kann sogar immer danach streben es zu tun, aber man braucht nun mal recht viel Übung und Erfahrung um das jede Spielrunde ohne Aussetzer umzusetzen. Für den einen macht das die Leute die so reden zu Maulhelden, für andere ist das halt nur das übliche Reden über abstrahiertes Spielverhalten bzw. Idealzustände.

Aber stell dir doch mal vor Leute würden ihre Vorstellungen über gutes Spielleiten ähnlich unverlässlich und eingeschränkt formulieren, wie es manchmal in ihren Runden umgesetzt wird. Wäre das wirklich eine Verbesserung?
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Beral am 29.08.2008 | 13:29
Es wäre vermutlich eine mittelschwere Katastrophe für das Rollenspiel, wenn alle Spielleiter sich korrekt einschätzen würden. ;) Dann würden sie alle depressiv werden und dieses Hobby aufgeben.
Ich denke, es gibt eine ordentliche Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild. Dass die Wahrnehmung des Menschen selektiv und alles andere als objektiv ist, ist ja kein Geheimnis. Das ist aber auch gut so. Indem wir uns hier herumtreiben und diskutieren, verbessern wir uns auch. Und die positive Selbstbewertung ist ein Antrieb, das auch weiter zu tun. Ob sie stimmt oder nicht... sie erfüllt in jedem Fall einen nützlichen Zweck, denn sie lässt uns weitermachen. So lange, bis wir wirklich gut werden.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Pyromancer am 29.08.2008 | 13:43
Wer aufgehört hat, besser zu werden, der hat aufgehört, gut zu sein.
Und wer glaubt, dass er schon perfekt ist, der hat überhaupt keinen Antrieb mehr, sich zu verbessern.

Ich hab ihn schon erlebt, den (nach seiner Ansicht) perfekten Spielleiter. Das Erlebnis war... nicht wiederholenswert.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Boba Fett am 29.08.2008 | 13:53
Ich denke, das Problem der "Differenz aus Selbstbild - Fremdbild" resultiert einfach aus der Schwierigkeit, sich selbst objektiv zu bewerten, insbesondere, wenn man keinen Vergleich hat.
Wenn ich Spieler habe, die in unterschiedlichen Runden spiele, ich selbst in unterschiedlichen Runden spielleitere oder mitspiele, kann ich gut vergleichen und mir auch so manches aneignen, in dem ich es abgucke. Das funktioniert dann ganz ohne hochtrabende Theorie just learning by doing.
Schmort die Runde aber endlos im eignen Saft, kann man kaum besser werden und dreht ewig im Kreis.
Und ist vielleicht nicht mal unzufrieden, denn wer nicht über den Tellerrand schaut, kann kaum sehen, in welcher Liga er eigentlich spielt.

Ein Augenöffner ist beispielsweise bei mir jedesmal das große Foren-Treffen, weil dort so viele unterschiedliche Runden zusammenkommen. Und deshalb kann ich auch ohne Sorgen teilnehmen, auch ohne ein halbes Jahr vorher Rundentechnisch komplett verplant worden zu sein (im Gegensatz zu dem kommenden Treffen ::) ) - einfach weil ich mich auch zu Runden dazusetzen und zuschauen kann und mir dabei immer wieder was auffällt, was ich mir abgucke.

Und natürlich ist eine ehrliche objektive Selbstreflektion schwierig. Wer stellt sich schon gern seinen eigenen Schwächen.
Daher müssten eigentlich die Bewertungen von aussen kommen. Da es aber keinen Spielleiter-TÜV gibt, und die eigenen Spieler ja auch erstmal genug Alternativen kennen müssen, um objektiv zu werten, wird es mehr als schwer, objektive Wertungen zu bekommen. Germay-sucht-next-Topspielleiter? Lieber nicht...

Nähkästen (so wie Tobias D.):
Ich hab schon den Spielleiter erlebt, der von seinen eigenen Spielern als der Genialste überhaupt gelobt wurde. Das Erlebnis war auch nicht wiederholenswert.
Und wer als Spielleiter wirklich mal verzweifeln möchte, der darf gern in meiner Runde den Gaststpielleiter mimen. Jörg hat es schon mal gemacht... Ich hatte hinter fast das Gefühl mich für den Spieleabend zu entschuldigen. Naja, der Freitag davor im Irish Pub war der Ausgleich dafür. ::)
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Dr.Boomslang am 1.09.2008 | 15:12
Die verzerrte Selbstwahrnehmung grade von SLs hängt vermutlich auch von ihrer einzigartigen Position innerhalb der meisten Gruppen ab. Einen klassischen SL nach seiner Leistung im Spiel zu fragen ist meist ungefähr so sinnvoll wie einen Diktator zu fragen ob er ein guter Anführer ist.

Der SL macht das Spiel, er definiert das Spiel, er ist das Spiel. Wie Boba schon sagt gibt es da keinen realistischen Vergleich. Und selbst wenn der SL doch mal subjektiv ein Problem im Spiel wahrnehmen sollte, dann kann er aufgrund der Position die er inne hat leicht die Ursache woanders verorten. Dem SL fällt es am leichtesten solche Aussagen zu machen wie "Die Spieler sind halt so" oder "Das Spiel funktioniert eben so", weil er selber glaubt den absoluten Überblick und Einfluss zu haben.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Uthruban am 18.09.2008 | 15:11
Zitat
Der SL macht das Spiel, er definiert das Spiel, er ist das Spiel.

Genau das denke ich nicht. Jeder SL, der das wirklich glaubt, übersieht seine Spieler und nimmt sich zu wichtig.
Ich habe nach Runden immer das Gefühl, dass es zwar ganz in Ordnung war, aber wirklich jedesmal fallen mir verbesserungswürdige Punkte ein.
Das Problem ist, dass manche Spielleiter offenbar nicht zwischen Arroganz und Selbstbewusstsein unterscheiden können, was ein starkes persönliches Defizit offenbart.
C.G. Jung schreibt in den "Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewussten", dass die tatsächliche Ohnmacht umso größer ist, je stärker die Macht demonstriert wird.
Schon die Überzahl der Spieler gegenüber dem Meister zeigt, dass dieser maximal die Hälfte des Spiels kontrolliert. Dies aber nur aufgrund seiner im Gruppenvertrag geregelten Führungskompetenzen, die ihm die Spieler zuerkennen - und jederzeit aberkennen können (durch OT-Gespräche, Kippenpausen, eben keine Aufmerksamkeit und durch Absetzen des SL).
Wir haben stets Feedbackrunden, in denen SL und Spieler einander konstruktiv kritisieren. Überhaupt ist alles kritisierbar.
Das ist der Grund, warum wir so viel Spaß beim Rollenspiel haben. Andere SLs mögen es anders sehen, aber ich halte es demokratisch (das heißt nicht, dass im Spiel alles diskutiert und infrage gestellt werden darf - wer was darf wird vorher klar geregelt!).

Liebe Grüße
Uthruban
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Hawk Inc. am 21.09.2008 | 14:59
Vielleicht habe ich Glück, aber ich leite in Runden in denen auch andere SL sitzen, die wiederum auch für mich leiten oder auch ganz woanders unterwegs sind. Jeder von uns hat seinen eigenen STil - aber eine Sache haben wir alle gemeinsam: Wir fragen unsere Runden (und damit reine Spieler aber eben auch andere SL) wie es war, was zu verbessern ist und was gefallen hat, Und wir fragen im Anschluss an die Runde und auch mal ein paar Tage später.

Natürlich schützt das nicht vor einer Differenz aus Selbstbild und Fremdbild, aber es macht sie kleiner, die Differenz - und es schult die Kritikfähigkeit und fördert auf Dauer den Spass aller.

Aus dem Tal der Seeligen ;) grüßt

Hawk
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Feuersänger am 22.09.2008 | 01:47
Gibts in diesem Forum überdurchschnittlich viele Maulhelden oder sammelt sich hier die deutsche Rollenspielelite? Was meint Ihr?

Könnt ja auch sein, dass diejenigen, die sich nicht für gute SLs halten, das nicht bei jeder Gelegenheit herausposaunen. ^^

Daher hab ich mal den Mut zur Selbstbezichtigung: ich halte mich nicht für einen besonders guten SL.

Dass ich trotzdem häufiger leite als spiele, liegt nicht an meinen leet skillz, sondern schlicht und ergreifend daran, dass es sonst keiner macht. Ich bin halt in den Systemen, die ich gerne mag, ziemlich regelfest. Aber meine Abenteuer, Plots und Kampagnen, das sag ich ganz offen, würde ich bestenfalls als Mittelmaß einordnen.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Falcon am 22.09.2008 | 11:15
@topic: ich fühle mich bei dem Problem nicht angesprochen, da ich mich noch nie als guten SL bezeichnet habe aber auch wenig Leute hier im Forum tatsächlich leiten gesehen.
Bei denen wenigen, mit denen ich gespielt habe, hat es schon Spass gemacht und es war alles dabei von einer "eher Outtime Begeisterung" durch den SL, die auf die Spieler überspringt bei sehr wenig tatsächlichem Futter (charakterspiel,Beschreibungen), daß man als Spieler verwerten kann bis ziemlich guten Charakterspiel und Beschreibungen für meine Ansprüche, daß aber auch einschüchtert, so daß man sich selber weniger traut. Es waren nach meinen Begriffen  beides gute Arten zu leiten aber nicht unbedingt mein Fall. Owohl sich einer auf jeden Fall als guter SL bezeichneter, war das nix für mich.

Das Beste ist für mich also ein Mittelmaß von dem, was man den Spielern zu "Verarbeitung" gibt. Darüber und darunter rutscht das bei mir dann schnell in Spasslosigkeit ab. Aber so lange ich als Spieler nicht überfordert werde, der SL einem durch Performance erdrückt, bin ich genügsam geworden.
Man kann imho tatsächlich "zu gut" sein. Ein SL sollte seine Spieler nicht übertrumpfen.

Kurzum: ich als Spieler lege die Ansprüche daran, was ein guter SL ist, nicht der SL.



Meine SL Probleme kenne ich nur zu gut aber auch Stärken:
Ich meine ein gutes Gefühl für Szenen, Details, Stimmungen und Dramatik zu haben, aber ich bin mit NSC (und oft SC) Charakterspiel total schnell überfordert. Deswegen kommt es vermutlich insgesamt nicht oft rüber.
Aber bei mir hängts auch eine Menge an der Begeisterung der Spieler. Wenn die nicht dazu bereit sind aus dem Abend das Beste zu machen, sich einzubringen, motiviert zu sein, auf die guten Seiten schauen und die miesen übersehen, kann ich als SL daran auch nichts machen. Obwohl ich das immer wieder versuche zu tun weil notwendig.
Eine Runde kann nur gemeinsam gut sein. Von Bespassen lassen halte ich nicht viel.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Hawk Inc. am 22.09.2008 | 18:49

Kurzum: ich als Spieler lege die Ansprüche daran, was ein guter SL ist, nicht der SL.


...nicht auf Cons, aber für die Runden daheim gilt: Jeder Spieler bekommt den SL, den er verdient hat  ;) - und umgekehrt.

Wer nicht redet, nicht lobt, nicht meckert.
Wer nicht zuhört, nicht bemerkt, nicht sieht.
Wer nicht aufbegehrt, nicht (wenns sein muß) geht, nicht lernt.
Wer nur in sich verliebt ist, wer lieber leidet, wer Kritik für böses Teufelswerk hält.

Der nicht finden was er sucht - aber weil er sich lieber selbst betrügt andere in ihrem Selbstbetrug unterstützen.

Wer entscheidet, was einen guten SL ausmacht? - seine Spieler
Wer entscheidet, was einen guten Spieler ausmacht? - seine Mitspieler (zu denen auch der SL gehört)
Wer entscheidet, ob sich etwas ändert? Alle gemeinsam, indem sie sich "kritisieren" - und Kritik beinhaltet nicht zwangsläufig nur negatives.
Wer entscheidet, ob sich etwas ändert? Du selber, indem du darüber nachdenkst, was man dir sagt - und bereit bist, Kritik zuzulassen. Und nicht beleidigt den Rücken zukehrst.


wissend, daß es auch SL gibt, deren Ego und deren Bedürfnis nach Herrschaft am Spieltisch so groß sind, daß Kritik für sie Gotteslästerung ist

mit der Bitte um Verzeihung diesen Göttern gegenüber ~;D

Hawk
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Humpty Dumpty am 18.04.2011 | 20:25
*Raise Thread*

Inspiriert durch einige ausgesprochen selbstbewusste Auftritte bei Kritik an der Rollenspielkompetenz von "Hobbyfreunden" (vorzugsweise natürlich aus anderen Foren) erinnerte ich mich dieses Threads. Insbesondere bei Ansicht unfassbar beschissener Conrunden (die überwältigende Mehrzahl also) beschleicht mich das Gefühl, dass es eine krasse Differenz aus dem Selbstbild und Fremdbild bei forenaktiven Rollenspielern gibt. Ganz im Sinne dieses Threads, denn wie häufig liest man von Leuten, die "ergebnisoffenes Leiten bei voller Regeleinhaltung, tollen Stories, volltaktischem Spiel und Totalimmersion der Spieler" hinbekommen.

In der Zwischenzeit ist mir ein Artikel über den Weg gelaufen, der das Phänomen empirisch auf lustige Art und leicht verschobener Perspektive beleuchtet. Jeffrey Polzer, ein Psychologe aus Harvard, hat sich nämlich diese Differenz aus Selbstbild und Fremdbild einmal näher angeschaut (er nennt das "interpersonal congruence") und ist zu dem Schluss gelangt, dass genau diese Differenz in hohem Maße die Beziehung zwischen Diversity und Performance eines Teams moderiert. Etwas weniger technisch: wenn Menschen eines Teams sehr unterschiedlich sind, dann bestimmt die Differenz aus Selbstbild und Fremdbild maßgeblich den Teamerfolg. So ein bisschen lässt sich das auf Rollenspiele übertragen, finde ich.

Den Artikel kann ich gerade nicht finden, aber ein allgemein zugängliches pdf einer Vorversion findet sich hier (http://www.hbs.edu/research/facpubs/workingpapers/papers2/0102/02-003.pdf), ein populärwissenschaftlicherer Artikel im HBR zum gleichen Thema ist hier (http://hbr.org/2008/07/making-diverse-teams-click/ar/1). Cool oder? Ich mag das.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: ErikErikson am 18.04.2011 | 20:32
Interessant. Aber wäre es nicht möglich, das in Foren einfach fast jeder zum gnadenlosen Angeber wird? Ich meine, das ist doch das naheliegenste. Und warum was mit einer komplexen Theorie erklären, wenns auch einfach geht?

Und zu dem Artikel: Steigt der Teamerfolg, wenn Selbst und Fremdbild mehr übereinstimmen?
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Humpty Dumpty am 18.04.2011 | 20:34
Interessant. Aber wäre es nicht möglich, das in Foren einfach fast jeder zum gnadenlosen Angeber wird? Ich meine, das ist doch das naheliegenste. Und warum was mit einer komplexen Theorie erklären, wenns auch einfach geht?
Das stimmt ja nicht. Du beispielsweise wirst ja nicht zum Angeber. Kamillo, der das hier gerade liest, auch nicht. Dolge, der andere aktuelle Leser, auch nicht. Und warum nicht? Ist ne valide Frage, finde ich.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: El God am 18.04.2011 | 20:34
Ich denke auch, Erikson ist näher dran. Selbstbild schön und gut aber das unterscheidet sich doch auch von dem, wie man sich präsentiert, oder?
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: ErikErikson am 18.04.2011 | 20:41
Das stimmt ja nicht. Du beispielsweise wirst ja nicht zum Angeber. Kamillo, der das hier gerade liest, auch nicht. Dolge, der andere aktuelle Leser, auch nicht. Und warum nicht? Ist ne valide Frage, finde ich.

Leicht erklärlich.Die Quali meiner Runde kann man auf der DZ als Zuhörer leicht überprüfen. Daher werd ich mich nicht aus dem Fenster lehnen.  Der Dolge hat theoretisch ähnliche Probleme.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: El God am 18.04.2011 | 20:43
Hmm. Wenn du nichtmal mich als Angeber siehst, wer ist denn dann überhaupt ein Angeber?
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Humpty Dumpty am 18.04.2011 | 20:45
DZ? Dunkle Zeiten? Doppelzimmer?  wtf?

Hmm. Wenn du nichtmal mich als Angeber siehst, wer ist denn dann überhaupt ein Angeber?
Abgesehen von mir? Puh, die Liste würde lang und die folgende Diskussion schmutzig. Aber gut, wenn Du es gerne möchtest: Ich gewähre Dir hiermit feierlich den Status eines Angebers. Sei willkommen in unserem großkotzigen Kreise!
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Christoph am 18.04.2011 | 20:46
DZ = DrachenZwinge vermute ich mal.

Btw: Bin zu faul das ganze Ding zu lesen.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: El God am 18.04.2011 | 20:47
Wer Interesse hat, zu erfahren, wie ich *wirklich* als SL drauf bin, sollte einfach bei Woodman, Imion, Fleischlego oder Khouni anfragen, da ich mit diesen halbwegs oft genug gespielt habe, dass sie mich einschätzen können sollten.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Merlin Emrys am 18.04.2011 | 21:33
Und zu dem Artikel: Steigt der Teamerfolg, wenn Selbst und Fremdbild mehr übereinstimmen?
Ja.

Allerdings frage ich mich, inwieweit das auf Rollenspielgruppen anwendbar ist, weil da von allen bis auf einen Mitspieler ja noch ein "Zwischenbild", auch "Spielercharakter" genannt, mit dazukommt. Und dessen Bild ist durch Archetypisierungen oft leichter zu erfassen, vor allem, wenn es überhaupt nur Archetypen als SC gibt.

Und was zumindest in den Artikelteilen, die ich gelesen habe, nicht steht, ist, daß die erfolgloseren Gruppen sich eingebildet hätten, die erfolgreicheren zu sein... Insofern bin ich, was die Übertragung angeht, doch ein wenig ratlos, wie sie jetzt aussehen sollte. 
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: ErikErikson am 18.04.2011 | 21:43
Selbst-frembbild übereinstimmung kann natürlich aucein Anzeichen für hohe Koherenz sein nud darüber den Erfolg beeinflussen.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: GrogT am 19.04.2011 | 01:36
Also man filtert normalerweise schlechte Erfahrungen aus, wärend man positive Erfahrungen hervorhebt. Deshalb wird man wohl zwangsläufig ein besseres Bild von sich selbst in einer sozialen Erfahrung haben, als sie denn tatsächlich war.

Das gilt auch für evtl. erhaltenes Feedback (natürluch nur wenn man nicht schon negative Kritik erwartet ... aber generell vermeidet man ja unliebsame Leute in seiner Freizeit - ausser in Foren ;) )

Zudem: natürlich versucht man meist, Leuten Rat zu geben bei den Dingen von den man den Eindruck hat das man Erfolge hatte ... wer will sich schon 1000 Wege, wie man ein Abetneuer/ Spielgruppe an die Wand fährt anhören? 
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Oberkampf am 19.04.2011 | 12:40
Interessant. Aber wäre es nicht möglich, das in Foren einfach fast jeder zum gnadenlosen Angeber wird? Ich meine, das ist doch das naheliegenste. Und warum was mit einer komplexen Theorie erklären, wenns auch einfach geht?

Dass das Auftreten im Internet sich immer vom SL-Verhalten am Spieltisch unterscheidet, ist imho auf jeden Fall ein wichtiger Fakt. es muss sich nicht um eine Differenz zwischen selbstbild und Fremdbild handeln, sondern kann auch eine Differenz zwischen "Theorie" (oder Selbstanspruch) und Praxis sein.

wenn man auf die verschiedenen Einflüsse aufs Spielleiten guckt (die "Sender"), wie z.B. neben System, Spielwelt und Genre auch Gruppenvorlieben, Gruppenkompromisse und Gruppentradition, dann kann da leicht eine Spannung entstehen zwischen dem, was/wie man gerne spielen (oder leiten) würde, und dem, was man sich bei den regelmäßigen Spielen mit der Hausgruppe und dem Stammsystem angewöhnt hat. In Foren habe ich diesen "Ballast" nicht, da kann man leicht die reine Lehre (tm) über das richtige Rollenspielen (tm) predigen vertreten.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Glgnfz am 19.04.2011 | 12:45
Hmmm... und weil ich das alles schon lange weiß, gebe ich immer unumwunden zu, dass ich ein durchschnittlich guter/schlechter Spielleiter bin - was mich aber nicht dran hindern soll, zu schreiben/sagen, welche Dinge ich für wichig erachte.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Oberkampf am 19.04.2011 | 12:49
Und ich weiß, dass ich hier Dinge vertrete, die ich daheim am Spieltisch nie und nimmer oder bestenfalls ganz heimlich durchsetzen könnte  ;D
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Teylen am 19.04.2011 | 15:51
Dass das Auftreten im Internet sich immer vom SL-Verhalten am Spieltisch unterscheidet, ist imho auf jeden Fall ein wichtiger Fakt. es muss sich nicht um eine Differenz zwischen selbstbild und Fremdbild handeln, sondern kann auch eine Differenz zwischen "Theorie" (oder Selbstanspruch) und Praxis sein.
Es kann auch eine Unterscheidung zwischen dem Selbst sein, dem was man sagen will und dem wie es verstanden wird sein.

Das heisst man schreibt sowas wie: "Ich finde das unter bestimmten Faktoren [Gruppe, Gruppenvertrag etc.] ggf. gute Gruende gibt Wuerfel zu drehen." Und gelesen wird sowas wie: "Ich drehe meine Wuerfel und dies ist meine Rechtfertigung."
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Oberkampf am 20.04.2011 | 09:38


Das heisst man schreibt sowas wie: "Ich finde das unter bestimmten Faktoren [Gruppe, Gruppenvertrag etc.] ggf. gute Gruende gibt Wuerfel zu drehen." Und gelesen wird sowas wie: "Ich drehe meine Wuerfel und dies ist meine Rechtfertigung."

Naja, Würfel drehen ist halt so eine Sache, wo es schwierig ist, eine kognitive Dissonanz zu ertragen. Zumal es, zumindest nach meinem Eindruck, nicht schwer ist, mit dem Würfeldrehen aufzuhören und darum "Gruppenzwang" eine sehr schwache Begründung ist.

Darum werden sich, schätze ich, die Einstellungen eines Rollenspielers, der am Spieltisch die Würfel dreht, nach einiger Zeit so verändert haben, dass er Würfeldrehen als "normales" Rollenspiel (was auch immer das sein soll) ansieht. Nach dem Motto: "Es schummeln doch alle, warum nicht auch ich?" über "Regeln sind überbewertet" bis hin zu "eigentlich geht es garnicht ums Spielen, sondern um..."
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Humpty Dumpty am 20.04.2011 | 09:58
Willst Du jetzt Erzählspiel mal wieder als Betrug hinstellen und den Erzählspielern parallel unterjubeln, einfach nur kognitive Dissonanz zu reduzieren, weil sie die von Dir als überlegen propagierte Spielform nicht als solche erkennen und sich das quasi unter Schmerzen zurechtlügen müssen? Das ist zumindest innovativ, aber auch ein bisschen frech und ignorant ;)
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: ErikErikson am 20.04.2011 | 09:59
So innovativ ist das nicht.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: El God am 20.04.2011 | 10:00
TAFKAKB: Er sprach von Würfeldrehen, nicht von Erzählspiel. Gehört für dich Würfeldrehen automatisch zum Erzählspiel? Du andererseits implizierst hier, dass jeder heimlich RR betreibt, Würfel dreht oder dergleichen wirres Zeug treibt, es aber einfach nicht zugeben will. Erzähl uns was von frech!
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Humpty Dumpty am 20.04.2011 | 10:02
Den Teil mit der Dissonanzreduktion kannte ich noch nicht. Das Motto hingegen schon: "Ihr wollt eigentlich richtige Rollenspiele spielen, aber Ihr seid zu blöd/uninformiert/untalentiert/unredlich, um es umzusetzen." Ich betrachte das mittlerweile als Auswuchs mangelnder Sozialkompetenz manch traumatisierter Figürchenschubser und Dungeoncrawler 8]
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: El God am 20.04.2011 | 10:05
Zitat
Auswuchs mangelnder Sozialkompetenz manch traumatisierter Figürchenschubser und Dungeoncrawler

Wie würde es dir gefallen, wenn man sowas über dich sagen würde?
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Merlin Emrys am 20.04.2011 | 10:07
Ach wo... ich glaube, Tümpelritter wollte bloß noch einmal unterstreichen, wie recht Teylen doch hat: Man schreibt etwas und gelesen wird etwas völlig anderes... ;-)

Aber nochmal zurück zum Artikel. Da er für mich fachfremd ist, finde ich das Englisch teils schwer verständlich, und es mag sein, daß ich Dinge schlicht nicht richtig einordne. Aber ich hänge noch immer an der Beobachtung (Edit: S. 31f):
Zitat
In fact, the group effect was as strong after ten minutes as it was after nine weeks (intraclass correlation = .14 at both T1 and T2).  But what happened during those first ten minutes for individual congruence to covary within groups? ... Apparently, targets were more successful in bringing perceivers’ appraisals into line with their self views in some groups than in others.
Der Gruppeneffekt war also ungefähr gleich stark. Dafür kann es zwei Gründe geben: Die Einschätzungen der einen Gruppen haben sich relativ verbessert, die der anderen verschlechtert, oder keine Einschätzung hat sich geändert. Beides kommt mit unwahrscheinlich vor... Kann mir da jemand auf die Sprünge helfen?

Denn das finde ich insofern interessant, als man ja im letzteren Fall - okay, mit der gegebenen Vorsicht - durchaus ableiten könnte: Wenn jemand sich schon beim ersten Treffen nicht so recht mit der Gruppe anfreunden kann, sollte man es gar nicht erst weiter versuchen, weil dieser erste Eindruck sich ja doch mit hoher Wahrscheinlichkeit bestätigen wird.  
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Oberkampf am 20.04.2011 | 10:15
@TAFKAKB
Nein, will ich nicht.

Ich will bloß darauf hinweisen, dass es angenehmer ist, wenn die eigene Spielleitungspraxis (z.B. "Würfeldrehen") mit der eigenen Vorstellung vom "richtigen Rollenspielen" übereinstimmt. Jemand, der Würfel dreht, und gleichzeitig glaubt, dass dies eine "Todsünde" des Rollenspiels ist, muss eine kognitive Dissonanz ertragen, die meines Erachtens schwer aufrecht zu halten ist. Deswegen ändert diese Person entweder das Verhalten (und hört auf mit dem Würfeldrehen) oder die eigene Ansicht (und sieht Würfeldrehen nicht mehr als verboten! an).

Es gibt nach meiner Meinung andere Spannungen zwischen dem persönlichen Bild von Rollenspiel und einer anderen Spielpraxis, die leichter zu ertragen sind. Vielleicht auch deswegen, weil sie keine "Entweder - Oder" Entscheidung abverlangen. Beispielsweise kann man bis zu einem gewissen Grad sich mit Dungeons anfreunden, wenn ein Teil der Gruppe Dungeoncrawling will, und man selbst lieber Detektivgeschichten. Hier ist ein Kompromiss möglich, z.B. kürzere Dungeons mit längeren Ermittlungsphasen und mehr "social encounters".
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Humpty Dumpty am 20.04.2011 | 10:33
@TAFKAKB
Nein, will ich nicht.

Ich will bloß darauf hinweisen, dass es angenehmer ist, wenn die eigene Spielleitungspraxis (z.B. "Würfeldrehen") mit der eigenen Vorstellung vom "richtigen Rollenspielen" übereinstimmt. Jemand, der Würfel dreht, und gleichzeitig glaubt, dass dies eine "Todsünde" des Rollenspiels ist, muss eine kognitive Dissonanz ertragen, die meines Erachtens schwer aufrecht zu halten ist. Deswegen ändert diese Person entweder das Verhalten (und hört auf mit dem Würfeldrehen) oder die eigene Ansicht (und sieht Würfeldrehen nicht mehr als verboten! an).
Ja. Nun verstehe ich Dich. Das sehe ich auch so. Ich glaube aber nicht, dass es viele aufgeklärte Rollenspieler gibt, die so ticken. Die "Dunkelziffer" besonders bei DSA mag aber bedeutsam sein. Schwer zu sagen.

Es gibt nach meiner Meinung andere Spannungen zwischen dem persönlichen Bild von Rollenspiel und einer anderen Spielpraxis, die leichter zu ertragen sind. Vielleicht auch deswegen, weil sie keine "Entweder - Oder" Entscheidung abverlangen. Beispielsweise kann man bis zu einem gewissen Grad sich mit Dungeons anfreunden, wenn ein Teil der Gruppe Dungeoncrawling will, und man selbst lieber Detektivgeschichten. Hier ist ein Kompromiss möglich, z.B. kürzere Dungeons mit längeren Ermittlungsphasen und mehr "social encounters".
Jo, auch da stimme ich Dir zu.


TAFKAKB: Er sprach von Würfeldrehen, nicht von Erzählspiel. Gehört für dich Würfeldrehen automatisch zum Erzählspiel?
Nein. Aber das Würfeldrehen ist die einfachste Methode und zudem diejenige, an der sich die Konflikte entzünden.

Du andererseits implizierst hier, dass jeder heimlich RR betreibt, Würfel dreht oder dergleichen wirres Zeug treibt, es aber einfach nicht zugeben will.
Nope. Verständnisfehlleistung. Hab ich nicht gemeint und nach meinem Eindruck auch nicht geschrieben.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Teylen am 20.04.2011 | 11:07
Naja, Würfel drehen ist halt so eine Sache, wo es schwierig ist, eine kognitive Dissonanz zu ertragen.
Das mag, abhaengig vom Standpunkt des Betroffenen, unter Umstaenden so sein.
War allerdings nicht der Punkt den ich ansprechen wollte.

Die These die im Raum steht ist doch jene das das eigene Selbstbild eines Nutzers, mit dem was er im Forum aeussert, von Dritten dergestalt wahrgenommen wird, das sich das Fremdbild von dem Selbstbild sowie den Tatsachen unterscheidet.

Dem wuerde ich entgegen halten das die Aeusserungen in Foren, hinsichtlich der urspruenglichen Aussage beziehungsweise Intention, verzerrt wahrgenommen werden.

Das heisst eine Person argumentiert beispielsweise das es fuer einen gewissen Umstand, unter gewissen Parametern Rechtfertigungen, Begruendungen gibt oder es nicht moralisch verwerflich beziehungsweise legitim ist.
Dadurch entsteht bei dem Leser, unter Umstaenden, ein Eindruck von der Person, der besagt das sie dem Umstand der von der Person positive argumentiert wurde selbst entspricht.
Dem Selbstbild der Person entsprechend ist der Umstand auf sie nicht zu treffend, da sie zu der Bewertung dessen andere Parameter heranzieht als jene die sie zur positiven Verteidigung gebrauchte.

An einem praktischen Beispiel:
Ich habe in der Diskussion um Wuerfeldrehen dafuer argumentiert das es nicht moralisch verwerflich sei und es dafuer gute Gruende geben kann.
Dem Diskussionsverlauf entsprechend nehme ich an das aufgrund der Argumentation nun viele denken das ich im Spiel Wuerfel drehe oder zumindest ein tiefsitzendes Beduerfnis habe Wuerfel zu drehen.
Dem widerspricht jedoch das ich bisher keine Wuerfel gedreht habe, es in eigenen Runden unter Umstaenden inakzeptabel faende [kam noch nicht vor] und kein tiefsitzendes, unterbewusstes Beduerfnis waehne Wuerfel zu drehen.

Kurz, es entsteht eine Dissonanz zwischen Selbstbild und Fremdbild.
In dem Fall durch die Interpretation der Frage wieso jemand positive Aspekte fuer das Wuerfel drehen anfuehrt.
Wobei die Interpretation dann beiweilen noch staerker ist als die Behauptung der Person keine Wuerfel zu drehen.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Oberkampf am 20.04.2011 | 12:19
Dem wuerde ich entgegen halten das die Aeusserungen in Foren, hinsichtlich der urspruenglichen Aussage beziehungsweise Intention, verzerrt wahrgenommen werden.

Wenn ich dich richtig verstanden habe, geht es dir darum, dass vom Leser = Empfänger aus einer Äußerung des Schreiber = Senders sehr leicht eine Fehlinterpretation gezogen werden kann, wodurch ein verzerrtes Fremdbild entsteht. (So oben bei TAFKAKB und mir.)

Das Argument kann ich nachvollziehen, mit dem Beispiel (Würfeldrehen) habe ich meine Probleme. Aber erstmal schauen, ob ich das Argument richtig verstanden habe:

Beispiel: SL XYZ schreibt: "Mit meiner Gruppe spiele ich Dungeoncrawl."
Mögliche Interpretationen:
"XYZ ist ein Old Schooler."
"XYZ steht auf Hack&Slay."
"XYZ würde gerne mal Detektivabenteuer spielen, aber seine Gruppe macht das nicht mit."

SL ABC schreibt: "Bei meiner Gruppe geht es um die Story."
Mögliche Interpretationen:
"ABC leitet mit umfassenden Hintergrund der NSCs und vielen Konversationsszenen/social encounters."
"ABC ist Würfeldreher, Erzählonkel und Railroader."
"ABC hätte gern Action, aber seine Gruppe will lieber Tavernenspiel betreiben."

Jede der Interpretationen ist möglich, aber keine muss zutreffen. Bei alle Interpretationen kann ein Verständnisfehler des Empfängers vorliegen, aus dem eine Spannung zwischen Selbstbild und Fremdbild resultiert. Soweit kann ich das alles nachvollziehen (und ich hoffe, dich nicht allzu falsch verstanden zu haben).

Mein Problem mit dem Beispiel "Würfeldrehen" ist aber, dass ich glaube, dass jemand, der Würfeldrehen im Rollenspiel theoretisch als legitim ansieht (selbst unter stark einschränkenden Prämissen), dies auch in der Praxis tun wird. Vielleicht schon bei der Gefahr eines Charaktertodes oder eines TPK, spätestens aber dann, wenn ein schlecht designtes Abenteuer mit Flaschenhals droht, an einem einzigen Würfelwurf zu scheitern. Es erschließt sich mir nicht, wieso jemand, der der Überzeugung ist, ein bestimmtes Mittel fürs Rollenspiel sei legitim, dieses Mittel in einer kritischen Situation nicht einsetzt. Da kann ich - wenn man jetzt von einer ausdrücklichen advocatus diaboli Position absieht - beim Empfänger kein Missverständis erkennen. Das meinte ich mit diesem "kognitiven Dissonanz"-Problem.

Damit unterstelle ich niemandem, dass er einen Hang oder Drang zum Würfeldrehen hat oder dies bei jedem Wurf praktiziert. Allerdings glaube ich, dass man mit dem Würfeldrehen ein Fass ohne Boden öffnet. Anfangs wurde Würfeldrehen ja auch als die "Ausnahme" gekennzeichnet, die möglicherweise in einigen Spielrunden zum Regelfall wurde.
Titel: Re: [Offen] Differenz aus Selbstbild - Fremdbild
Beitrag von: Teylen am 20.04.2011 | 13:06
Wenn ich dich richtig verstanden habe, geht es dir darum, dass vom Leser = Empfänger aus einer Äußerung des Schreiber = Senders sehr leicht eine Fehlinterpretation gezogen werden kann, wodurch ein verzerrtes Fremdbild entsteht. (So oben bei TAFKAKB und mir.)
Richtig.
Wobei ich mehr auf die Probleme hinsichtlich des Verstaendnis einer Argumentationsweise beziehungsweise Argumentationsrichtung einging als die Probleme hinsichtlich mehrdeutiger Begriffe.

Obwohl die Problemstellung zumindest verwandt ist.
Die Hauptunterscheidung liegt hierbei darin das die Begriffe tatsaechlich in der Betrachtung durch mehrere Persone eine unterschiedliche, tatsaechliche Bedeutung haben.
Das heisst es ist legitim unter dem Begriff "Dungeoncrawl" eine Spielweise zu verstehen die als Old School bezeichnet wird, ebenso wie es legitim ist darunter eine Spielweise zu verstehen die als Hack & Slay bezeichnet wird.


Erst wenn es zu der Interpretation kommt das die Aussage: "Ich spiele mit meiner Gruppe Dungeoncrawl" eigentlich lauten sollte "Ich spiele nicht gerne mit meiner Gruppe Dungeoncrawl" respektive "Ich spiele nicht gerne mit meiner Gruppe Dungeoncrawl und wuerde bevorzugt Detektiv Abenteuer spielen, was jedoch von der Gruppe abgelehnt wird."  ist die bedeutungs Verschiebung aehnlich drastisch wie bei dem von mir geschilderten Szenario.

In diesem Fall liegt die Differenz im Selbstbild zum Fremdbild schliesslich nicht mehr darin das ein Begriff anders verstanden wurde, sondern das im Fremdbild eine ganze Reihe von Interpretationen hinzugefuegt wurden die in der urspruenglichen Aussage nicht enthalten sind.
Schliesslich steht dort nichts davon das der Schreiber Dungeoncrawls nicht mag, das die Gruppe Dungeoncrawls mag oder das der Schreiber einen Faible hinsichtlich Detektiv Abenteuer hat.
Man kann nun spekulieren wodurch diese Art der Interpretation beziehungsweise inhaltlichen Ergaenzungen kommen, durch Gefuehl des Lesers, eventuell durch die Projezierung / Transition des eigenen Selbstbild hin zum Fremdbild des Autors, allerdings ist es etwas bei dem der urspruengliche Autor, unter Umstaenden, nur schwer widersprechen kann.

Das heisst bei dem Dialog:
X: "Mit meiner Gruppe spiele ich Dungeoncrawl."
Y: "X würde gerne mal Detektivabenteuer spielen, aber seine Gruppe macht das nicht mit."
X: "Ich bin mit meiner Gruppe im reinen und spiele gerne Dungeoncrawl."

Ist es wahrscheinlich das Y die Aussage anerkennt.
Weil es sich um keine Argumentation handelt, die Komplexitaet niedrig liegt und daher die emotionale Einbindung seitens des Lesers gering ist.

In einem Dialog der sich wie folgt darstellt:
X: "Ich bin der Ansicht das die Handlungsweise unter diesen Paramtern vertretbar ist."
Y: "Du rechtfertigst die Handlungsweise weil du sie selbst vollziehst."
X: "Ich vollziehe die Handlungsweise nicht."

Ist es, imho, wahrscheinlich das Y die Aussage nicht anerkennt.
Weil es sich um eine Argumentation handelt, die Komplexitaet der Argumentation hoch ist [Vertretung einee Fremdbetrachtung durch X] und gegebenfalls eine starke emotionale Einbindung [die Handlungsweise wird als stark inakzeptabel empfunden] seitens des Leser gegeben wird.

Das heisst anstelle hinzunehmen das in der urspruenglichen Aussage keine Darstellung der eigenen Spielweise enthalten war, wird auf Basis der Korrektur der Aussage [Ich vollziehe X nicht] eher noch dazu geneigt als wahrscheinlich anzunehmen das sich dort jemand gerade selbst beluegt, zu gunsten seiner Selbstdarstellung.

Zitat
Mein Problem mit dem Beispiel "Würfeldrehen" ist aber, dass ich glaube, dass jemand, der Würfeldrehen im Rollenspiel theoretisch als legitim ansieht (selbst unter stark einschränkenden Prämissen), dies auch in der Praxis tun wird.
Insofern ist es sehr gut geeignet, da diese Spannung zu Interpretationen fuehrt die massiv das Bild verzerren. Und darueber hinaus dazu fuehren das die Diskussion an sich tendentiell auf ein niedrigeres Niveau fallen.

Zitat
Es erschließt sich mir nicht, wieso jemand, der der Überzeugung ist, ein bestimmtes Mittel fürs Rollenspiel sei legitim, dieses Mittel in einer kritischen Situation nicht einsetzt.
Weil nicht alle Parameter gegeben sind auch wenn einer oder mehrere, scheinbar gewichtige, Parameter erfuellt sein moegen.
Man koennte es als advocatus diaboli bezeichnen, allerdings trifft es das m.E. nicht, da man damit der Position gegenueber die man darstellt, eine innenwohnende, negative [teuflische] Komponente unterstellt.

Bei der Frage wieso ein Mord begangen wurde kann man, unter der Praemisse das ein Mord eine nicht einvernehmliche Gewalttat unter zwei Personen, darstellt des advocatus diaboli Gruende fuer diese Tat nennen.
Bei der Frage wieso z.B. bei einer Runde Wuerfel abseits der Regeln manipuliert werden ist meiner Meinung nach, das aufstellen der Praemisse das es eine in sich, fuer jede Runde, negative Handlung ist falsch, weshalb man es nicht unter den Aspekt des advocatus diaboli argumentieren kann.