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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 12:42

Titel: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 12:42
Woher kommt eigentlich die seit ein paar Monaten zunehmend hippe Leidenschaft der Leute für all das Retro-P&P? Überall lese ich von Oldschool, Back to the Roots, Wargaming Hype und Retrotrends im P&P-Rollenspiel und suche nach Gründen für diese offenkundige Modewelle. Insbesondere ist für mich erstaunlich, dass Systeme wie DSA1, AD&D2, T&T sowie deren moderne oder antike Epigonen derart (laut-)starken Zuspruch erfahren.

Zudem steht mit D&D4 aus meiner Sicht doch eigentlich ein System bereit, welches das Retro-Zeugs hervorragend unterstützt, jedoch im Zuge des Hypes von besagten (tatsächlichen, selbsternannten und/oder vermeintlichen) Meinungsführern rundherum niedergemacht wird. Hat jemand konstruktive Antworten? Mir bleibt das weitgehend unklar.

Vielleicht dazu noch zwei Eindrücke:

1. Die Mode beschränkt sich auf forenaktive P&Pler. Außerhalb der kleinen Rollenspielforenwelt habe ich ähnliche Phänomene noch nicht beobachtet.

2. Die Lust am Polarisieren scheint mir in Foren generell und in Rollenspielforen speziell ebenso stark ausgeprägt zu sein wie das Bedürfnis nach Abgrenzung von der "Masse". Und da mag sich momentan halt mehr oder minder zufällig das Retrothema anbieten.

Weitere Erklärungen, Kommentare und Meinungen?

EDIT: Eine erste Zusammenfassung der entscheidenden Beiträge gibts hier (http://tanelorn.net/index.php/topic,43855.msg830103.html#msg830103).
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Funktionalist am 12.10.2008 | 12:49
Ich grenze mich hiermit ganz deutlich von den Retro-Spielern ab!

Nicht umsonst hat sich Rollenspiel weiterentwickelt! *polarisier* ~;D

Vielleicht ist es eine Reaktion auf diese ganzen Konfliktzentrierten Spiele, die hier gehyped werden?
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Mandragoel am 12.10.2008 | 12:54
Eventuell ist es das gleiche Phänomen, wie der hochgebildete Bildzeitungsleser oder der Spaß daran, zusammen und leicht angetrunken schlechte Filme anzuschauen - wir können mit einem hochironischen Augenzwinkern darauf verweisen, dass wir das natürlich alles nicht ernst nehmen, und insgeheim doch einen Riesenspaß daran haben. Und DSA1 ist dann eben schon wieder so jenseits aller Debatte, dass auch niemand das Augenzwinkern übersehen kann.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Falcon am 12.10.2008 | 13:01
vielleicht haben vermehrt Rollenspieler gemerkt, das rules-heavy-systems nichts taugen?
das scheint mir im DSA verseuchten Deutschland dann umso gewichtiger zu sein.

ich grenze mich ganz klar von den antiken Systemen ab aber wie dieses Retro Feeling mit modernen Mechanismen umgesetzt wird, finde ich großartig.

gestern war noch ein Kollege im Fantasyshop um die Ecke. Da meinten sie z.b. das SavageWorlds an deren Theke weggeht wie warme Semmel. Das freut mich :)
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Skyrock am 12.10.2008 | 13:08
Woher kommt eigentlich die seit ein paar Monaten zunehmend hippe Leidenschaft der Leute für all das Retro-P&P? Überall lese ich von Oldschool, Back to the Roots, Wargaming Hype und Retrotrends im P&P-Rollenspiel und suche nach Gründen für diese offenkundige Modewelle. Insbesondere ist für mich erstaunlich, dass Systeme wie DSA1, AD&D2, T&T sowie deren moderne oder antike Epigonen derart (laut-)starken Zuspruch erfahren.
Das Phänomen geht von den Staaten aus, wo im Zuge der 3.x-SRD alte D&D-Editionen durch ihre Klone Osric und Labyrinth Lord wieder kostenlos zugänglich gemacht und viel wieder/erstmals als gute Spiele entdeckt wurden, und wo Castles&Crusades zum kommerziellen Erfolg geworden ist.

Hier in Deutschland haben wir bei weitem noch keinen "Oldschool-Overkill" - hier fällt nur sehr, sehr langsam der Schatten der Oldschoolwelle in Übersee auf uns, und das Internet ist wieder mal Vorreiter.
Und die Oldschoolwelle tröpfelt auch langsam nach unten an die Spieltische - namentlich Traveller-Übersetzung, Labyrinth-Lords-Übersetzung, und eingeschränkt die Übersetzungen von DCC und Savage Worlds.

Zudem steht mit D&D4 aus meiner Sicht doch eigentlich ein System bereit, welches das Retro-Zeugs hervorragend unterstützt, jedoch im Zuge des Hypes von besagten (tatsächlichen, selbsternannten und/oder vermeintlichen) Meinungsführern rundherum niedergemacht wird.
Ich warte noch auf den Beweis, dass 4E für Oldschoolspiel im Sinne von Matt Finchs Primer (http://www.knights-n-knaves.com/phpbb/viewtopic.php?t=4645) taugt. Alleine schon "Heroic, not Superhero" ist da kaum gegeben, wenn Kobolde und Goblins Wisch-und-weg-Minions anstatt einer ernsten Gefahr für Fighting Men der ersten Stufe sind.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Pyromancer am 12.10.2008 | 13:22
1. Die Mode beschränkt sich auf forenaktive P&Pler. Außerhalb der kleinen Rollenspielforenwelt habe ich ähnliche Phänomene noch nicht beobachtet.

Ich schon. Und so neu ist das Phänomen auch nicht. Ich kann mich erinnern, dass der Vorschlag, die alten DSA1-Abenteur zu leiten, in unserer Runde schon vor ca. 4-5 Jahren kam, und zwar von einem Spieler, der sich nicht in Rollenspiel-Foren rumtreibt.



Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 13:31
Ah, spannende Antwort, danke Skyrock! Teile die Wahrnehmung aber nicht vollständig. Ein paar Kommentare:

Das Phänomen geht von den Staaten aus, wo im Zuge der 3.x-SRD alte D&D-Editionen durch ihre Klone Osric und Labyrinth Lord wieder kostenlos zugänglich gemacht und viel wieder/erstmals als gute Spiele entdeckt wurden, und wo Castles&Crusades zum kommerziellen Erfolg geworden ist.

Also ob das Gros der deutschen Spieler, von deren Retrobegeisterung ich in den Foren lese, tatsächlich durch diesen Vorgang direkt oder indirekt beeinflusst wurde, kann ich mir nicht so recht vorstellen. Aber möglich isses, klar. Halte den Einfluß der amerikanischen Community aber gemeinhin für überschätzt.

Hier in Deutschland haben wir bei weitem noch keinen "Oldschool-Overkill" - hier fällt nur sehr, sehr langsam der Schatten der Oldschoolwelle in Übersee auf uns, und das Internet ist wieder mal Vorreiter.

Hm, also ich empfinde das Herumreiten auf dem Oldschoolthema bereits jetzt als nervtötend. Falls das noch stärker zunehmen sollte, muss ich schleunigst bessere Filtermachanismen entwickeln  ~;D

Ich warte noch auf den Beweis, dass 4E für Oldschoolspiel im Sinne von Matt Finchs Primer taugt. Alleine schon "Heroic, not Superhero" ist da kaum gegeben, wenn Kobolde und Goblins Wisch-und-weg-Minions anstatt einer ernsten Gefahr für Fighting Men der ersten Stufe sind.

Diesen Beweis wird Dir kaum jemand liefern können, denn wenn das unter Oldschool gemeinhin verstanden wird, ist D&D4 natürlich kein Oldschool-Rollenspiel. Auch der Punkt "Game Balance is a Minor Factor" trifft selbstredend nicht zu. Ohne gerade die Muße zu haben, mit einer besseren Oldschooldefinition um die Ecke zu kommen, deckt sich dieser Finch Primer aber auch nicht mit meiner Vorstellung von einer Oldschoolrunde. Das von Dir oben genannte Savage Worlds beispielsweise wäre aber dann ebenfalls kein Oldschool, denn dort halte ich (nur als Beispiel) das Balancing zwar für recht ausgefuchst, aber irgendwie Oldschool finde ich das trotz Ermangelung einer greifbaren Definition dennoch.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Skyrock am 12.10.2008 | 13:44
Also ob das Gros der deutschen Spieler, von deren Retrobegeisterung ich in den Foren lese, tatsächlich durch diesen Vorgang direkt oder indirekt beeinflusst wurde, kann ich mir nicht so recht vorstellen. Aber möglich isses, klar. Halte den Einfluß der amerikanischen Community aber gemeinhin für überschätzt.
Direkt ist es auch nicht der Kern der Oldschoolwelle, aber deren Initialzündung. Angestoßen dadurch hat es heute oldschoollastige Foren und Webseiten wie Knights&Knaves, Dragonsfoot und theRPGsite, neue Abenteuer für die alten Systeme, neue Zines dazu (wie Fight on!), Diskussionen und Spielberichte von entstaubten Klassikern wie T&T und Classic Trav, neue Spiele im Oldschooldesign wie Basic Fantasy unf FtA!...

Das von Dir oben genannte Savage Worlds beispielsweise wäre aber dann ebenfalls kein Oldschool, denn dort halte ich (nur als Beispiel) das Balancing zwar für recht ausgefuchst, aber irgendwie Oldschool finde ich das trotz Ermangelung einer greifbaren Definition dennoch.
Darum rechne ich SW auch nur eingeschränkt zu Oldschoolwelle, und vor allem auf hierzulande bezogen wo viele durch SW erstmals solche Oldschooldinge wie Bodenpläne oder die "Live to fight another day"-Taktik kennenlernen.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 13:58
Direkt ist es auch nicht der Kern der Oldschoolwelle, aber deren Initialzündung. Angestoßen dadurch hat es heute oldschoollastige Foren und Webseiten wie Knights&Knaves, Dragonsfoot und theRPGsite, neue Abenteuer für die alten Systeme, neue Zines dazu (wie Fight on!), Diskussionen und Spielberichte von entstaubten Klassikern wie T&T und Classic Trav, neue Spiele im Oldschooldesign wie Basic Fantasy unf FtA!...

Sehe dem mit Grausen entgegen. Aber jedem Tierchen sein Pläsierchen  ;D

Darum rechne ich SW auch nur eingeschränkt zu Oldschoolwelle, und vor allem auf hierzulande bezogen wo viele durch SW erstmals solche Oldschooldinge wie Bodenpläne oder die "Live to fight another day"-Taktik kennenlernen.

Hm, Bodenpläne und "Live to fight another day" als Merkmal von Oldschool? Auch das passt für mein Gefühl irgendwie nicht. Vielleicht sollte ich doch beizeiten mal einen etwas konkreteren Anlauf versuchen, um den Begriff besser zu umreissen. Auf die Schnelle zeichnet sich Oldschool für mein Gefühl aus durch:

- starke Betonung der Charakter-/Stufenentwicklung
- niedriger Anspruch an die logische Konsistenz der Spielwelt
- wenige, eher rudimentäre Regeln
- keine Hemmungen beim Rückgriff auf klassische Muster und Stereotypen
- stark ausgeprägte goldene Regel (der SL ist Gott)
- sehr viel Raum für Kämpfe und Belohnungen (Gold, EP, Items)


EDIT:
Vielleicht ist das alles auch wie mit der gerade aktuellen 80Ts-Mode. Augen zu, Schnauze halten und warten, bis der Horror vorbei ist  ;D

Aber im Ernst: wenn man die obigen Punkte verbindet mit einem gelungenen Balancing und zwar global simplen, im Detail jedoch recht trickreich kombinierbaren Regeln, landet man ziemlich schnell bei D&D4. Wenn aber diese Punkte von Finch die gemeinhin geteilte Definition von Oldschool darstellen, erklären sich mir die wahrgenommenen Unterscheidungen ganz gut. Also herzlichen Dank für den Hinweis!
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Falcon am 12.10.2008 | 14:02
ich würde zumindest sagen die ersten beiden Punkte haben gar nichts mit OldSchool zu tun. sind eher ein Produkt der darauffolgenden RHS Systeme, die versuchten eben solche konsistenten Spielwelten zu erzeugen, dabei aber mehr Fehler einbauten als sie lösten.

Der Anspruch (den es vorher in OldSchool wohl gar nicht gab, schliesslich waren die Welten Konsistent) erwuchs also aus der eigenen Unfähigkeit diese mit aufwändigen Regeln darzustellen, was noch mehr Regulierungen zur Folge hatte. Das wurde dann der Teufelskreis. Man kann den Teufel halt nicht mit dem Belzebub austreiben ;)
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Der Nârr am 12.10.2008 | 14:05
Und ich dachte, die Retro-Wellen entstehen einfach dann, wenn die Jugend alt genug geworden ist, sich in nostalgischer Verklärung an die alten Zeiten zu erinnern.

Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Falcon am 12.10.2008 | 14:07
ich glaube früher war wirklich vieles schlechter. Aber nun hat man die Möglichkeit mit all den tollen neuen Regelmitteln (neu im Sinne von, "gabs eigentlich schon vor 15+ Jahren") die Sache neu aufzuziehen und in eine andere Richtung zu lenken.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Ein am 12.10.2008 | 14:09
Ich sehe das Verständnis von Old-School in DE auch eher entlang von Kinshasa, weniger von Finch, da DE mM nicht dieselben Grundvoraussetzungen hatte. ZB gab es in DE mW nicht Wargaming in der Ausprägung, wie es in den USA vorkam.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Wawoozle am 12.10.2008 | 14:11
Ach was... Retro ist einfach schön, das ist alles .
Man kann sich dabei auch mal hemmungslos über ein System lustig machen und trotzdem Spaß damit haben.
Ich würde keine Kampagnen damit spielen wollen (mit Ausnahme von Traveller) aber ein One-Shot auf dem Treffen, warum denn nicht ?
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Greifenklaue am 12.10.2008 | 14:39
Zitat
- starke Betonung der Charakter-/Stufenentwicklung
- niedriger Anspruch an die logische Konsistenz der Spielwelt
- wenige, eher rudimentäre Regeln
- keine Hemmungen beim Rückgriff auf klassische Muster und Stereotypen
- stark ausgeprägte goldene Regel (der SL ist Gott)
- sehr viel Raum für Kämpfe und Belohnungen (Gold, EP, Items)

Hmm, einige Beobachtung teile ich durchaus, aber...

- niedriger Anspruch an die logische Konsistenz der Spielwelt
Nein! Nur weil die Spielwelt rudimentär beschrieben ist, ist sie keineswegs inkonsistent. Welten wie Wilderlands of high fantasy, PoL (angelehnt an die Borderlands) oder Aereth (DCC) versprühen auf einer Seite dutzende coole Abenteueridden, Viorkommnisse und Begegnungen, da machen andere ein 400-seitiges Quellenbuch draus. Ach was, zwei!

Da die Welt aber nur rudimentär beschrieben ist, überlässt man es häufig zum Teil dem SL, diese auch konsistent zu beschreiben.
Nicht jedes Dorf von Erdbeerpflückern ist da beschrieben. Trotzdem gibtes sie unzweifelhaft.

Zitat
- stark ausgeprägte goldene Regel (der SL ist Gott)
Ich glaube, hier kommt es tatsächlich auf den Spielgeschmach an. Tatsächlich ist der SL womöglich gezwungen, öfter eine Regellücke zu schließen. Manche machen das in völligen Einklang mit Spielern und System, andere schaffen es hier durch willkürlich empfundene Entscheidungen die Spieler gegen sich aufzubegehren. Ich hab beides schon erlebt.

@DnD 4te: Zum Thema DnD 4 möcht ich Dir den Blogbeitrag von Lord Verminard empfehlen.
-> http://blog.wildelande.de/index.php?/archives/150-Was-haben-eigentlich-alle-ploetzlich-mit-DD4.html

Darin findest Du neben anderen interessanten Beobachtungen: "Mein persönlicher Eindruck war ja, dass das Spiel sehr „meta“ ist, mit Healing Surges, Daily Powers, Buffs und Debuffs.". Das ist einfach gesagt ein sehr modernes RP-Element, welches dem Retrospieler nicht unbedingt liegt.

@Trend: Hier empfehle ich einen Beitrag der Seitenkiste:
http://glgnfz.blogspot.com/2008/10/old-school-hype-in-deutschland.html

Im Prinzip ist es schon ganz richtig. Es gibt keinen wirklichen Retrotrend. Die Welle schwappt ausAmerika hierrüber. Einige Leute nehmen sie dankbar auf. Glgnfz (der Bergkönig) ebenso wie ich (andere wie Skyrock, Settimbrini etc. sind schon lange dabei) - aber nur weil nun ein paar mehr Infos auf Deutsch verfügbar sind, heißt ja noch nicht, dass es hier nun trendy oder Mode ist.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 14:53
Deshalb flüchten sie in altbekanntes, in Systeme mit denen sie positivere Assoziationen verbinden. Naivität, Beer&Brezel, Zugewinn.

Das könnte sein. Ebenso werde ich durch D&D4 einer gewissen Deprivation alter Prinzipien gewahr (beispielsweise des Stufenaufstiegs, der Freude an magischen Gegenständen und so). Durch die Entwicklung der Rollenspiele in den letzten Jahr(zehnt)en fiel das immer stärker unter den Tisch und konnte bestenfalls, wie Jasper in dem von Greifenklaue freundlicherweise verlinkten Blogeintrag kommentiert, durch dysfunktionalen Scheiss wie Descent, Heroquest und Konsorten ausgelebt werden. Mit D&D4 gibts dafür nun eine rollenspielnähere Alternative, die viele Leute scheinbar sehr sexy finden.

Ansonsten stimme ich Vermi ausnahmsweise mal nicht zu. D&D4 ersetzt nämlich den ganzen "erwachseneren" Kram keineswegs. Vielmehr nehme ich das Ding als bislang fehlende Alternative wahr, die eine Lücke schließt, welche über Jahre nicht bedient wurde. Und das sehen scheinbar eine Menge Leute ähnlich.

Insgesamt mögen analoge Phänomene auch den Retro-Boom ausgelöst haben. Stimmt.

EDIT: Ach so, noch was: durch den Neustart kann man bei D&D4 einigermaßen elegant und einfach einsteigen ohne sich in Dutzenden spezialisierter Regelbücher und Zeugs zu verlieren. Unsere durchweg berufstätige Gruppe kauft sich sukzessive das Zeug, welches neu rauskommt und schaut sich das an. Funktioniert mit vertretbarem Zeitaufwand. Gäb es zu D&D4 bereits Hunderte Publikationen, wär das nicht möglich und würde außerdem die Vorfreude auf neues Material erheblich reduzieren. Schaut Euch doch mal an, wie heiss die Leute auf die neuen Klassen und Handbücher sind! Cool!
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Beral am 12.10.2008 | 15:06
Boah, hat jemand einen guten Überblick über die Entwicklung der Rollenspiele und möchte das erläutern? Vielleicht hat irgendein Freak eine Magisterarbeit zum Thema geschrieben?
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Funktionalist am 12.10.2008 | 15:07
... eine Folge der neueren Entwicklung von Rollenspielen sein dürfte. Es gibt sehr viele neue Spiele, die sich als revolutionäre Rollenspiele sehen und das Thema scheinbar völlig neu aufgreifen, aber sich letztenendes von den Kernpunkten entfernen, was noch als Rollenspiel definiert wird. Eine der größten Gründe sehe ich in der Rückkehr zum Kompetitiven.
Das vermute ich auch ganz stark.

das und nostalgische Erinnerungen an Zeiten, als man wegen einem Schwert+3 noch einen ganzen Abend Spaß haben konnte.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 15:19
Boah, hat jemand einen guten Überblick über die Entwicklung der Rollenspiele und möchte das erläutern? Vielleicht hat irgendein Freak eine Magisterarbeit zum Thema geschrieben?

Eine? Schau mal dort: http://www.rpgstudies.net/
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Greifenklaue am 12.10.2008 | 15:25
Zitat
Ansonsten stimme ich Vermi ausnahmsweise mal nicht zu. D&D4 ersetzt nämlich den ganzen "erwachseneren" Kram keineswegs. Vielmehr nehme ich das Ding als bislang fehlende Alternative wahr, die eine Lücke schließt, welche über Jahre nicht bedient wurde. Und das sehen scheinbar eine Menge Leute ähnlich.
Ich weiß auch nicht, ob das seine Kernaussage war (spraxh er nicht von Mädchenkram  ;)), am interessantesten fand ich die Beobachtung, dass sich Leute von DnD 4.0 begeistern lassen, die vorher eher nicht bei DnD 3.0 (3.5) aufgefallen sind. Diese Beobachtung teile ich durchaus - ohne dass jetzt zu werten (und natürlich gibt es auch begeisterte 3,5er, die nun 4.0 zoggen). Und das Metaelemente da durchaus ihren Beitrag haben, ja, das bringt es für mich auf den Punkt.

Zitat
Insgesamt mögen analoge Phänomene auch den Retro-Boom ausgelöst haben. Stimmt.
Mehr Blogs, durch RSP-Blogs (beide genannte waren ja neu). Verbreiteter Informationsfluß von Blogs (ebenfalls RSP-Blogs). Retrothemen in Abenteuer.Punkt.  Übersetzung der Festung des Bergkönigs. M20 deutsch gratis. Traveller-NeuVÖ. (Bin ich übrigens begeistert von!)

Zitat
EDIT: Ach so, noch was: durch den Neustart kann man bei D&D4 einigermaßen elegant und einfach einsteigen ohne sich in Dutzenden spezialisierter Regelbücher und Zeugs zu verlieren. Unsere durchweg berufstätige Gruppe kauft sich sukzessive das Zeug, welches neu rauskommt und schaut sich das an. Funktioniert
Ja, stimmt, DAS ist sicherlixh auch ein Grund für das Phänomen.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 15:29
Stimme Dir zu. Mit einer Ausnahme:

Mehr Blogs, durch RSP-Blogs (beide genannte waren ja neu). Verbreiteter Informationsfluß von Blogs (ebenfalls RSP-Blogs). Retrothemen in Abenteuer.Punkt.  Übersetzung der Festung des Bergkönigs. M20 deutsch gratis. Traveller-NeuVÖ. (Bin ich übrigens begeistert von!)

Das sind für mich viel eher Reaktionen auf den Boom als dessen Auslöser. Kann mich aber auch irren, denn Kausalität ist bei sowas flüchtig  :D
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Greifenklaue am 12.10.2008 | 15:35
Stimme Dir zu. Mit einer Ausnahme:

Das sind für mich viel eher Reaktionen auf den Boom als dessen Auslöser. Kann mich aber auch irren, denn Kausalität ist bei sowas flüchtig  :D
Ja, DA stimme ich Dir ja vollkommen zu, aber das ist ja der Grund, warum Du esals Mode / Overkill wahrnimmst.

Was Du als Overkill wahrnimmst, ist für mich ein tägliches Geburtstagsfest, wenn ich in des Bergkönigs Blog ein neues Abenteuer oder Verlag entdecke, von dem ich nich nie gehört habe und der offensichtlich rockt ohne Ende. Da überleg ich mir fast doch nioch, mal was englischsprachiges zu kaufen...

Kurzum, dass Retro mehr in der Öffentlichkeit steht: Eindeutig.

Dass es ein Overkill ist: je nachdem, wie man dazu steht.  :D
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Archoangel am 12.10.2008 | 15:55
Ich denke der back-to-the-roots Trend wird durch verschiedene Faktoren unterstützt:

Wenn man die älteren Spieler (30+) betrachtet, wird man feststellen, dass die wenigsten noch über die Zeit für ein regelmäßiges Spiel mit umfangreichen Regeln verfügen. Ein wenig Nostalgie wird hier natürlich auch mit reinspielen.

Zudem sind die Regelwerke und Weltbücher über die letzten 30 Jahre immer umfangreicher und ausgefeilter geworden - und cih denke nicht, dass $E an sich ein "old-school" Denken unterstützt - dafür gibt es wiederum zu viele Powers.

Auch Anfänger stehen heute vor dem Problem, dass es kein System für ihre Ansprüche gibt, also keines, dass man morgens kauft, mittags liest und abends spielt. Alte Systeme haben genau das geboten.

Eine preisliche Komponenete sehe ich auch - für junge wie für alte Spieler. Die Alten können auf vorhandenes Material zurückgreifen, die Jungen können es günstig erwerben. Wenn wir mal DSA4 betrachten, oder D&D 4 (deutsch), wird es offensichtlich:

DSA1 kostete 30 DM für eine Box mit Regeln, einem Abenteuer, Dokumenten und Würfeln. D&D Basis-Set ebenso.

Will ich DSA4 vernünftig spielen, brauche ich zumindest 30 Euro fürs Basiswerk, 7 für Charakterblätter, 10 für ein Abenteuer - und habe noch keine Würfel ... also sagen wir 50+ €.
4E benötigt 35 fürs Spielerhandbuch und ca. 25 fürs erste Abenteuer (sobald es mal da ist) + Charakterbögen und Würfel ... also noch mehr Geld.

Und Runenklingen ist leider kein wirkliches Einsteigerprodukt...

Ich persönlich spiele seit 22 Jahren mindestens einmal pro Jahr DSA1 und z.Zt. reglmäßig alle 6 Wochen AD&D 2nd Edition. Ersteres aus Nostalgie und zweiteres, weil es jedem in der Gruppe geläufig ist, jeder alles dazu hat und Rollenspiel an sich ohnehin unabhängig von Regeln funktioniert.

Weniger ist mehr :).
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Greifenklaue am 12.10.2008 | 16:13
Zitat
Und Runenklingen ist leider kein wirkliches Einsteigerprodukt...
Ich bin von dem Ding immer noch begeistert, auch wenn da der Gesamtpreis als Gegenargument zieht (41 Euro).
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Archoangel am 12.10.2008 | 16:15
Midgard ist ein Superspiel ... aber gib es mal deinem 12jährigen Neffen in die Hand - dann hast du wieder jemnden fürs Rollenspiel verloren.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Feuersänger am 12.10.2008 | 16:16
Also mal vorweg, von einem Retro-Overkill habe ich auch noch nichts gemerkt. Natürlich hat man hin und wieder mal Bock, um der alten Zeiten Willen ein Spiel von Anno Pief rauszukramen und beim Zocken in Nostalgie zu schwelgen, aber das hält bestimmt niemand für der Weisheit letzten Schluss. Wie hier auch schon mehrmals gesagt wurde, Rollenspiele haben sich ja aus einem Grund in den letzten 30 Jahren weiterentwickelt.

Diachrone Rollenspielbetrachtung -- so wie sie sich mir darstellt:

Ganz am Anfang waren Rollenspiele sehr geradlinig. Ein Charakter definierte sich über so typische Eigenschaften wie Stärke, Gewandheit, Intelligenz und so weiter (oder auch nur diese drei). Fertigkeiten gab es in dem Sinne nicht, und auch sonstige Spezialfertigkeiten wurden eher binär abgehandelt: der Dieb kann Fallen entschärfen und Schlösser knacken. Der Krieger kann schwere Rüstungen tragen. Punktum. Sollten doch mal andere Aufgaben auftreten, z.B. Klettern oder so, wurde einfach auf eine Eigenschaft gewürfelt.

Dann wurden die Spiele simulationistischer, und es wurden z.B. Fertigkeiten eingeführt. Man versuchte, die Systeme "realistisch" zu machen. Das ging so in den 80ern los und zog sich bis durch die 90er durch. So kam es dann zu Ungetümen wie DSA2+, Midgard, RuleMonster und anderen mehr. Der typische Fanboy-Satz "Damit kannst du alles machen, was ein Mensch in echt auch machen kann" wurde geprägt. Das Ziel war sicherlich eine größtmögliche Immersion zu erreichen, jedoch wird halt durch klobige Mechanismen und komplexe Regeln mit X Sonderfällen und Ausnahmen das Spieltempo so weit runtergebremst, dass jede Immersion im Keim erstickt wird. Geht mir zumindest so.

In letzter Zeit stelle ich einen entgegengesetzten Trend fest, nämlich eine Vereinfachung auf wenige Grundmechaniken. Allerdings nicht im Stile der Urviecher, sondern deutlich abstrahierter. Wie gesagt, früher gab es Eigenschaften wie Stärke, Gewandheit, Intelligenz, und darauf wurde gewürfelt. Heute stehen auf den Charakterbögen so wirre Werte wie Wuppdizität oder Plüschfaktor -- damit auch nur ja kein Ruch von Realismus aufkommen kann, denn der ist inzwischen verpönt. Auch sind oft Würfel in Ungnade gefallen, stattdessen klopft man Karten, setzt "Stakes" (als ob wir in Las Vegas wären), schmeisst mit Pfriemelpunkten um sich, um Konflikte aufzulösen, wie es auf neudeutsch heisst.
Solche Spiele haben im Endeffekt eher Brettspielcharakter - zumindest wie ein "German Board Game" - oder gemahnen an eine Pokerrunde, aber mit immersivem Rollenspiel hat das für mein Empfinden nichts mehr zu tun.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Greifenklaue am 12.10.2008 | 16:26
Midgard ist ein Superspiel ... aber gib es mal deinem 12jährigen Neffen in die Hand - dann hast du wieder jemnden fürs Rollenspiel verloren.
Das ist quasi das, was schade ist, an Runenklingen, Midgard mag ich auch nicht.

Aber es gibt ja doch einige Fans, sogar 12-jährige  ;)
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Beral am 12.10.2008 | 16:26
@Feuersänger: So wie ich dich verstehe, nimmst du eine Dreiteilung der Historie vor, einfache Regeln am Anfang, später immer komplexere und simulationistische Regeln, und aktuell die Rückkehr zu einfacheren Regeln, jedoch so abstrakt gehalten, dass der Bezug zur Spielweltrealität verloren geht.
Weiterhin verstehe ich dich so, dass du den Simulationswust ebenso wenig magst wie die aktuelle abstrakte Alternative.
Ist das richtig zusammengefasst?
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Funktionalist am 12.10.2008 | 16:40
Wobei ich daran glaube.dass man auch mit einfachen Regeln, die recht meta sind, sehr immersiv spielen kann.
mich stört es nicht, wenn ich auf "Ebenentroll vom Weißbärenstamm" würfle, um einr Tür einzutreten, statt auf St+Athletik.
Und ob man würfelt, oder Karten legt ist auch egal...

Zugegeben: Stakes und aggressives Sceneframing können hinderlich sein, wenn es um immersion geht, müssen aber nicht. Sie können einem sogar helfen, indem sie einem einen Fokus geben...aber auch das ist nicht zwingend.

Ansonsten deckt sich der Abriß mit meinen Erfahrungen.
sers,
Alex
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: D. Athair am 12.10.2008 | 17:10
- stark ausgeprägte goldene Regel (der SL ist Gott)
Das ist mMn ein Phänomen der 90er! ... and here comes "The Storymaster".
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Roland am 12.10.2008 | 17:13
Ich denke der back-to-the-roots Trend wird durch verschiedene Faktoren unterstützt:

Stimmt.

1. Das Internet. Wenn man kontrovers genug schreibt (wie einige Wortführer des US-Retro) und dazu noch das weltweit führende Rollenspiel unter Beschuss nimmt, bekommt man Publikum. Genau wie Indie-Spieler stellen Retro-Spieler nur einen kleinen Teil der Spielerschaft, sind aber im Netz gut vertreten.

2. Die Zeit. Rollenspieler der ersten Stunde kommen in das Alter, in dem man gern erzählt, was man im Leben so geleistet hat (Damals, als wir uns die Miniaturen im Keller von Garys Garage noch selbst geschnitzt haben ...) und wie schlimm die Jugend von heute so ist. Und da die Rollenspieler der zweiten Stunde auch langsam auf die Vierzig zugehen, hört sich das für manchen ganz vernünftig an.

Außerdem kann Gary Gygax seinen früheren Schergen nicht mehr den Mund verbieten.  >:D

Auch Anfänger stehen heute vor dem Problem, dass es kein System für ihre Ansprüche gibt, also keines, dass man morgens kauft, mittags liest und abends spielt.

Da gibts Einige.

Alte Systeme haben genau das geboten.

Ich mußte mir DSA1 länger erarbeiten. Wir hatten damals zwar manches, aber keine erfahrenen Spieler.  :'(

Eine preisliche Komponenete sehe ich auch - für junge wie für alte Spieler. [...]

DSA1 kostete 30 DM für eine Box mit Regeln, einem Abenteuer, Dokumenten und Würfeln. D&D Basis-Set ebenso.

Will ich DSA4 vernünftig spielen, brauche ich zumindest 30 Euro fürs Basiswerk,

und einen Euro für einen W20, schon hat man alles was man braucht.

4E benötigt [...]

Keep on the Shadowfell und eine Packung Würfel für 5 Euro.


Wie fast alles im Rollenspielbereich, ist Retro Geschmackssache und dazu im Moment in den Blogs en Vogue. Ich rolle nur manchmal mit den Augen, wenn ich die Urgesteine schwadronieren höre, aber das passiert mir auch bei Verklärung der 80er Jahre Mode und Musik.  ;)    
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Feuersänger am 12.10.2008 | 17:30
@Feuersänger: So wie ich dich verstehe, nimmst du eine Dreiteilung der Historie vor, einfache Regeln am Anfang, später immer komplexere und simulationistische Regeln, und aktuell die Rückkehr zu einfacheren Regeln, jedoch so abstrakt gehalten, dass der Bezug zur Spielweltrealität verloren geht.
Weiterhin verstehe ich dich so, dass du den Simulationswust ebenso wenig magst wie die aktuelle abstrakte Alternative.
Ist das richtig zusammengefasst?

Ja, so kann man das zusammenfassen. Freilich ist mir klar, dass es nicht _nur_ diese Dreiteilung gibt. Schon D&D 3.X fällt zum Beispiel in keine dieser Kategorien, da hier zwar auch ein wenig simuliert wird, aber längst nicht so exzessiv wie bei den obengenannten Beispielen. (An D&D gibt es wieder andere Sachen, die mich stören, aber das gehört nicht hierher)
Und ja, ich mag weder Simulationswust noch Meta-regeln. Zum Glück gibt es ja auch noch eine Bandbreite dazwischen.
Ich mag halt konkrete Eigenschaften (wie Stärke usw.) und sinnvolle Fertigkeiten (wie z.B. Schlösser Knacken), dazu ein paar hübsche Specials, die den Charakter zu was Besonderem machen und vom normalsterblichen Taugenichts abheben. Das System soll dabei flott sein und sich nicht in Myriaden Details verlieren, weil man nur so richtig mitfiebern kann.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: ragnar am 12.10.2008 | 17:33
Retrowelle in DE? Kann man so nicht nennen. Obs wirklich eine Welle ist, kann man so aus dem I-net heraus nicht sagen und was da an Retro-zeug aus den USA rüberschwappt ist doch größtenteils unentdecktes Neuland für deutsche Spieler, oder? Unentdecktes Neuland und ein paar laute Stimmen im Internet die daraufhinweisen das es sowas durchaus Spaß machen kann, könnten ja durchaus was bringen und vielleicht ist DE auch einfach ein wenig Müde was umfangreiche detailierte Regeln zur Spielweltsimulation angeht? Vielleicht kommen einigen zur Erkennentiss das diese Regeln für sie zwar gewisse Teile der Welt simulieren, der spaßige Teil des Spiels damit aber wenig zu tun hat und das bisschen was an den regeln Spaß macht auch mit leichteren Regeln hinzubekommen ist? Aber wahrscheinlich ist unsere Wahrnehmung einfach nur durchs Internet verzerrt.

Vielleicht einfach mal den FLGs des Vertrauens fragen ob sich an der Front wirklich was tut.

Oldschoolspiel im Sinne von Matt Finchs Primer (http://www.knights-n-knaves.com/phpbb/viewtopic.php?t=4645)
Oh, Gott! Das ist jetzt wahrscheinlich OT und über Finchs' SL-weise kann ich natürlich nichts sagen, möglicherweise ist das beschriebene sogar die einzige Möglichkeit eine langfristig "erfolgreiche" Kampagne alter Schule aufzuziehen, aber: Wenn mir jemand IRL diesen Primer als "Beleg wie in alten Zeiten gespielt wurde" vorbeten würde, würde ich ihn bitten, sich doch vor mir keine auf seine verklärten Erinnerungen runterzuholen.

Allein das Beispiel mit dem imposant beschriebenen Angriffs eines Kriegers gegen einen Goblin, was dann vom SL mit einem unerschwertem Angriff und vielleicht noch etwas Bonusschaden belohnt wird ... nach allem was ich an "wahren" Oldschool DMs kennengelernt habe, war langfristig eher das Gegenteil der Fall ("Forget Fair" hatten die meisten durchaus drauf, aber statt den Unparteiischen zu mimen, sind sie meistens ins Unfaire abgedriftet) und wenn Oldschoolgaming wirklich so ausgesehen hätte, so jedenfalls meine Theorie, hätte es wahrscheinlich niemals Regelschwergewichte gegeben (Festgeschriebene Regeln geben etwas Sicherheit vor SL-Tyrannen und ich glaube das dies eine der Triebfedern hinter vielerlei Überregulierung ist/war).
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Dom am 12.10.2008 | 17:40
Eine preisliche Komponenete sehe ich auch - für junge wie für alte Spieler. Die Alten können auf vorhandenes Material zurückgreifen, die Jungen können es günstig erwerben. Wenn wir mal DSA4 betrachten, oder D&D 4 (deutsch), wird es offensichtlich:

DSA1 kostete 30 DM für eine Box mit Regeln, einem Abenteuer, Dokumenten und Würfeln. D&D Basis-Set ebenso.

Will ich DSA4 vernünftig spielen, brauche ich zumindest 30 Euro fürs Basiswerk, 7 für Charakterblätter, 10 für ein Abenteuer - und habe noch keine Würfel ... also sagen wir 50+ €.
4E benötigt 35 fürs Spielerhandbuch und ca. 25 fürs erste Abenteuer (sobald es mal da ist) + Charakterbögen und Würfel ... also noch mehr Geld.

Naja, das ist etwas milchmädchenhaft gerechnet. Ich hab das vor kurzem mal auseiandergenommen (http://www.metstübchen.de/cgi-bin/metstuebchen.pl?command=showthread;thread=BlogsaktuellFrh1220683810bejdi;tpage=1).
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Joe Dizzy am 12.10.2008 | 17:55
Auf die Schnelle zeichnet sich Oldschool für mein Gefühl aus durch:

- starke Betonung der Charakter-/Stufenentwicklung
- niedriger Anspruch an die logische Konsistenz der Spielwelt
- wenige, eher rudimentäre Regeln
- keine Hemmungen beim Rückgriff auf klassische Muster und Stereotypen
- stark ausgeprägte goldene Regel (der SL ist Gott)
- sehr viel Raum für Kämpfe und Belohnungen (Gold, EP, Items)

Ui. Also ich kann ja der old school so einiges abgewinnen, aber von dem was du schreibst, deckt herzlich wenig das ab, was mir daran gefällt.

Die Ausprägung von Kämpfen und Belohnung geht mMn vollkommen an der Old School vorbei, auch wenn dieser Irrtum weit verbreitet ist. Vielmehr ist es so, dass Kämpfe und Belohnungen dem freien Rollenspiel, welches old school ausmacht, etwas Struktur verleihen. Anstatt das man einfach nur vor sich hin interagiert ohne zu wissen wohin das vielleicht laufen könnte, geben Kämpfe und Konflikte einem ein sehr konkretes und unmittelbares Ziel auf das man hinarbeitet: überleben!

Auch ist die SL=Gott Aufgabe eine Verzerrung des eigentlichen old school-gedankens, der den SL wortwörtlich für die Augen & Ohren der Charaktere vorsieht. Der in einigen Kreisen kritisierte Satz von "Die Spieler spielen die Charaktere, der SL spielt die Welt." wird hier rigoros umgesetzt, was zur Folge hat, dass man als Spieler dem SL zwingend mehr Aufmerksmakeit schenkt, was wiederum mehr Intensität und für manche sogar mehr Immersion bedeuten kann.

In diesem Sinn muss man auch die "rudimentären" Regeln verstehen, die eben der Fiktion/Spielwelt unterliegen müssen, statt die Fiktion zu bilden und produzieren. Da die Fiktion eben so im Vordergrund steht, und die Regeln eigentlich nur gebraucht werden, wenn sie die Fiktion abbilden um etwas auf der Metaebene der Spielwerte zu klären... ist die Konsistenz der Spielwelt das Allerwichtigste und Elementarste im Old School-Spiel. Wenn die Welt keinen Sinn ergibt, dann ergeben auch die Regeln keinen Sinn und damit das ganze Spiel.

Allein der Rückgriff auf klassische Muster und Stereotypen ist etwas, dass die Old School in der Tat betreibt. Was eher eine Frage der Bequemlichkeit darstellt und nicht des gezielten "Niederanspruchs". Stereotypen und Klischees sind ein schnelles und einfaches Mittel um eine Situation zu zeichen und zu vermitteln. Diese Empfindlichkeit was Archetypen und ähnliches angeht ("Iiihh.. ein Klischee! Wie dümmlich und schlecht!") existiert bei Old School einfach nicht. Vor allem der fehlende Stilzwang lockt: Erlaubt ist, was gefällt.

Ich denke Old School reizt vor allem, weil es eben nicht großartig anders ist als das was die meisten Leute -jenseits des Zwischennetzes - eh betreiben. Es hat nur einen griffigen Namen.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 18:08
Also ich versuche mal den bisherigen Stand zusammenzufassen:


1. Existenz des Trends
Die Mehrheit teilt den Eindruck, dass "Oldschool" derzeit en vogue ist und sich dieser Trend in nächster Zeit verstärkt fortsetzen wird. Das ist beispielsweise an zeitlich vorgelagertern Entwicklungen in den USA, diversen Reprints entsprechender Spiele, intensiven Diskussionen und zunehmend geäußerten Spielvorlieben in Foren sowie etlichen zu erwarteten deutschen Übersetzungen ersichtlich.

2. Definition von Oldschool
Die Auffassungen darüber, was nun "Oldschool" ist oder auch nicht, divergieren in einigen wichtigen Punkten. Insbesondere zur Oldschool-Tauglichkeit von D&D4 besteht kein Konsens. Ein vorläufiger Definitionsversuch kommt von Matt Finch in Form seines Primers (http://www.knights-n-knaves.com/phpbb/viewtopic.php?t=4645), alternativ habe ich mich um ein paar Stichworte (http://tanelorn.net/index.php/topic,43855.msg829990.html#msg829990) bemüht, welche zumindest keinen durchgehenden Protestaufschrei nach sich zogen. Die Klärung einer gemeinsam nutzbaren Definition sollte bei Interesse in einem anderen Thread fortgeführt werden.

3. Mögliche Ursache: Reflex auf Storytelling
Die Hinwendung zu Oldschool ist mutmaßlich auch einem rückwärtsorientiertem Reflex auf zunehmend abstrakte und sich vom Rollenspiel entfernende Spielinhalte und -mechanismen (Stichwort Stakes und co.) geschuldet. Gerade bei vielen vormals klar Storytelling getriebenen Spielern bricht sich die Tendenz (insbesondere in Form neuer D&D4-Runden) derzeit seine Bahn.

5.  Mögliche Ursache: Einfluß von D&D4
D&D4 ist am Erstarken der Tendenz beteiligt. Das liegt zum einen am immer noch existenten Markteinfluss, wird aber auch durch den Umstand begünstigt, dass mit einer neuen Edition der Einstieg in ein solches Produkt- und Publikationsmonster wie D&D mit neuen Editionen leichter fällt und erheblich mehr Spaß macht.

6.  Mögliche Ursache: Nostalgie
Viele Retro-Wellen entstehen oft dann, wenn die Jugend alt genug geworden ist, sich in nostalgischer Verklärung an die alten Zeiten zu erinnern. Solch ein Effekt ist auch hier denkbar. Im Unterschied zu früher besteht nun jedoch die Möglichkeit, mit all den tollen neuen Regelmitteln (im Sinne von "gabs eigentlich schon vor 15+ Jahren") der Nostalgie einen moderneren und attraktiveren Anstrich zu verleihen. Auch macht es gerade für One-Shots vielen Leuten Spaß, sich auch mal hemmungslos über ein System lustig machen und parallel einen schönen Spieleabend zu haben.

So weit erst einmal der Versuch einer kleinen Threadmoderation.


Kurz noch zu Georgios Post, der dazwischen kam:
Die Ausprägung von Kämpfen und Belohnung geht mMn vollkommen an der Old School vorbei, auch wenn dieser Irrtum weit verbreitet ist.
Die Aussage ist gewohnt selbstbewusst formuliert. Auch nach Deinen Ausführungen halte ich die Aussage aber keineswegs für einen Irrtum. Für mich sind Kämpfe und Belohnungen untrennbar mit einer althergebrachteren Form des Rollenspiels verbunden. Ums Überleben ging es aber dabei nach meiner Auffassung immer weniger als um die Lust an der Spannung und die Freude auf und an den ganzen Belohnungen (besonders magischen Gegenständen). Du darfst das aber gerne anders sehen  ;) Kann mich irgendwie auch mit dem Rest des Posts inhaltlich wenig anfreunden. Scheinbar hast Du noch mal einen ganz anderen Blick auf das Oldschoolzeug. Hätte nicht gedacht, dass die Ansichten so weit auseinanderlägen  :D
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: ChristophDolge am 12.10.2008 | 18:15
Das wäre doch ein interessantes Thema für die nächste Rollenspielumfrage, oder?
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: WitzeClown am 12.10.2008 | 18:25
Eine kleine Randbemerkung von mir:

5.  Mögliche Ursache: Einfluß von D&D4
D&D4 ist am Erstarken der Tendenz beteiligt. Das liegt zum einen am immer noch existenten Markteinfluss, wird aber auch durch den Umstand begünstigt, dass mit einer neuen Edition der Einstieg in ein solches Produkt- und Publikationsmonster wie D&D mit neuen Editionen leichter fällt und erheblich mehr Spaß macht.

Dem würde ich überhaupt nicht zustimmen.

Sämtliche "Old-School" Fans aus meinem persönlichen Bekanntenkreis sind mäßig bis wenig begeistert von DnD4.

Darüber hinaus ist vielleicht auch interessant, dass ich deren Interessen bzw. Präferenzen wenig bis garnicht in den Ausführungen der Zusammenfassung des Beatboys wiederfinde.
Dafür trifft Georgius mit seiner Definition ziemlich gut den präferriert Rollenspiel-Stil der mir bekannten "Old-School" Fans
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 19:10
Eine kleine Randbemerkung von mir:

Fasse im zitierten Post diverse Meinungen zusammen und insofern handelt es sich auch nicht im sachlogischen Sinne um die "Ausführungen des Beatboys". Zudem geht es im Zitat um den Einfluß von D&D4 auf die Zunahme des Retro-Trends und nicht um den präferierten Rollenspiel-Stil Deiner Oldschool-Kumpels. Das kann gut und gerne vollkommen unabhängig sein und parallel zutreffen.

Und da Georgios mit dem Post nach Fertigstellung der Zusammenfassung kam, hab ich ihn nicht mehr berücksichtigt. Keine böse Absicht.

EDIT:
Das wäre doch ein interessantes Thema für die nächste Rollenspielumfrage, oder?
Das ist schon jetzt problemlos möglich. Einfach die Marktanteile der Oldschoolrollenspiele über die Zeit analysieren. So kommt dann destruktive Kritik sogar noch zu seiner Zeitreihenanalyse  ;)
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Beral am 12.10.2008 | 19:12
Und ja, ich mag weder Simulationswust noch Meta-regeln. Zum Glück gibt es ja auch noch eine Bandbreite dazwischen.
Ich mag halt konkrete Eigenschaften (wie Stärke usw.) und sinnvolle Fertigkeiten (wie z.B. Schlösser Knacken), dazu ein paar hübsche Specials, die den Charakter zu was Besonderem machen und vom normalsterblichen Taugenichts abheben. Das System soll dabei flott sein und sich nicht in Myriaden Details verlieren, weil man nur so richtig mitfiebern kann.
Es ist wohl ein anderes Thema, aber ich frage mich gerade, wie man auf dem Weg zur Immersion den Spagat schafft zwischen der nötigen Simulation und einem zuviel davon.

Und zum Threadthema eine (fragwürdige) Annahme: Ist vielleicht die Entwicklung der Rollenspiele zur komplexen Simulation auf der einen und zu abstrakten Metaregeln auf der anderen Seite so weit fortgeschritten, dass die Wünsche vieler Spieler (Feuersänger als Beispiel) nicht mehr bedient werden? Und ist die Hinwendung zurück zum Alten nur eine notgedrungene Flucht, weil die aktuelle Entwicklung der Rollenspiele sich ja weiter von den Wünschen besagter Spieler entfernt und eine Besserung nicht unmittelbar in Aussicht steht?

Wurde das Bedürfnis nach Veränderung (z.B. komplexere Regeln, weil zu viele Spielleiter die ihnen gegebene Freiheit eines lockeren Regelwerks missbraucht hatten, wie ragnar mutmaßt) nur in eine "falsche" (im Sinne von beliebige oder zufällige) Richtung kanalisiert? Irgendwelche Konflikte haben die Notwendigkeit einer Veränderung offenbart, aber wer hat diese Konflikte systematisch unter die Lupe genommen und zielgerichtete Lösungen geplant? Die Leute haben intuitiv Veränderungen vorgenommen und das hat eine Eigendynamik entwickelt. Vielleicht kommen wir jetzt erst an den Punkt, wo bestimmte Stilrichtungen des Rollenspiels eine Ausprägung erreichen, die so intensiv ist, dass wir Laien-Analysten sie endlich nachvollziehen können.
Mein Erklärungsansatz für die obige Annahme.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Pyromancer am 12.10.2008 | 19:25
Auf die Schnelle zeichnet sich Oldschool für mein Gefühl aus durch:

- starke Betonung der Charakter-/Stufenentwicklung
- niedriger Anspruch an die logische Konsistenz der Spielwelt
...
- stark ausgeprägte goldene Regel (der SL ist Gott)
- sehr viel Raum für Kämpfe und Belohnungen (Gold, EP, Items)

Klassisches Gegenbeispiel: Classic Traveller. Und das ist für mich persönlich die Oldschool-Referenz.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 19:44
Klassisches Gegenbeispiel: Classic Traveller. Und das ist für mich persönlich die Oldschool-Referenz.

Stimme Dir zu, dass Traveller nicht zu dem Vorschlag passt. Einig sind wir uns, dass Traveller das Kriterium "Oldschool" erfüllt. Insofern stützt die Neuauflage von Traveller das Thema des Threads, erklärt aber noch nicht die Ursache. Also, Tobias: woran liegts nach Deiner Ansicht?

Für weitere Kommentare zu meinem betont vorläufigen Definitionsabriss (hätte mir das schlicht sparen sollen, denn es entzieht der eigentlich Frage des Threads Energie):
Die Klärung einer gemeinsam nutzbaren Definition sollte bei Interesse in einem anderen Thread fortgeführt werden.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: WitzeClown am 12.10.2008 | 19:57
1. Meinen vorherigen Post angepasst.

2.
Zudem geht es im Zitat um den Einfluß von D&D4 auf die Zunahme des Retro-Trends und nicht um den präferierten Rollenspiel-Stil Deiner Oldschool-Kumpels. Das kann gut und gerne vollkommen unabhängig sein und parallel zutreffen.

Das ist natürlich problemlos möglich.
Der Trend den ich persönlich im Internet und meinem Umfeld (bezüglich Old-School Rollenspielen) wahrnehme kann dem globalen Trend (so es ihn überhaupt gibt) natürlich entgegenlaufen.

Nur frage ich mich wo bitte die Indizien dafür sind, dass die Veröffentlichung von DnD4 zu einem gesteigerten Interesse an Old-School Rollenspielen geführt hat.


Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Greifenklaue am 12.10.2008 | 19:59
Zitat
3. Mögliche Ursache: Reflex auf Storytelling
Die Hinwendung zu Oldschool ist mutmaßlich auch einem rückwärtsorientiertem Reflex auf zunehmend abstrakte und sich vom Rollenspiel entfernende Spielinhalte und -mechanismen (Stichwort Stakes und co.) geschuldet. Gerade bei vielen vormals klar Storytelling getriebenen Spielern bricht sich die Tendenz (insbesondere in Form neuer D&D4-Runden) derzeit seine Bahn.
Dazu wollt ich vorhin eigentlich schon - vorgreifend - etwas schreiben. Wir spielen auf dem Wolfsburger RollenspielDing (einer regelmäßiger Minicon) eigentlich oft M20, interessanterweise ist das aber neben der eher Oldschool-/ARS-orientierten SL auch, gerade und insbesondere zwei eher storytell-mäßig orientierte SL. Ich vermute, weil ihnen das Regelwerk genug Platz für ihre Storys läßt und nicht zu viele Vorgaben macht. (Macht übrigens beides Spaß, dass mal nebenbei)

Zitat
1. Existenz des Trends
Die Mehrheit teilt den Eindruck, dass "Oldschool" derzeit en vogue ist und sich dieser Trend in nächster Zeit verstärkt fortsetzen wird. Das ist beispielsweise an zeitlich vorgelagertern Entwicklungen in den USA, diversen Reprints entsprechender Spiele, intensiven Diskussionen und zunehmend geäußerten Spielvorlieben in Foren sowie etlichen zu erwarteten deutschen Übersetzungen ersichtlich.
Hierzu möcht ich nochmal deutlich machen, dass sicherlich ein Trend / eine Mode gibt, aber diese im Netz verstärkt wahrgenommen wird.

Genausogut könnte man von einem SciFi-RP-Overkill sprechen und hätte doch nicht recht.

Zitat
5.  Mögliche Ursache: Einfluß von D&D4
D&D4 ist am Erstarken der Tendenz beteiligt. Das liegt zum einen am immer noch existenten Markteinfluss, wird aber auch durch den Umstand begünstigt, dass mit einer neuen Edition der Einstieg in ein solches Produkt- und Publikationsmonster wie D&D mit neuen Editionen leichter fällt und erheblich mehr Spaß macht.
Was ich eigentlich viel mehr denke, ist der Einfluß von d20 und die Möglichkeiten, Systeme so nachzubauen, dass sie zu 98% identisch sind. Das ist größtenteils schon vor DnD4 geschehen.

Ansonsten mag es natürlich richtig sein, dass ein verstärktes Interesse an DnD 4 ein verstärktes Interesse an Rollenspiel / Retrogames / alten Editionen auslöst. Wahrscheinlich gibt es auch bei Ars Magica einen Sprung  :) Aber das der hier schon stattfindet, zumal Du den amerikanischen Einfluß eher für schwach hälst und DnD 4te ja erst ab der Spiel vollständig auf Deutsch vorliegt, glaub ich nichtm- bzw. in einen eher geringen Umfang.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Funktionalist am 12.10.2008 | 20:04
Ein möglicher Weg, wie das von statten gehen kann, ist, dass durch die sehr Battlemap-lastige Spielart in 4.Ed Assoziationen zum klassischen Dungeoncrawl wachgerüttelt werden. wenn man nun jetzt wieder Lust auf HnS bekommt, aber keine Lust hat, sich mit HEalingsurges, daily powers oder treasureparcels abzuknechten, dann gibt es da noch das gute alte Tunnels and Trolls...
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 20:16
Stimme Dir weitgehend zu, Ingo. Aber ein paar Fragen hab ich doch noch.

Eins:
Genausogut könnte man von einem SciFi-RP-Overkill sprechen und hätte doch nicht recht.
Das finde ich sehr komisch. Oder meinst Du statt der Produktzahl einfach den Marktanteil? Wenn nein, fänd ich eine Erklärung am liebsten per PM oder in einem neuen Thread spannend.

Zwei:
Dazu wollt ich vorhin eigentlich schon - vorgreifend - etwas schreiben. Wir spielen auf dem Wolfsburger RollenspielDing (einer regelmäßiger Minicon) eigentlich oft M20, interessanterweise ist das aber neben der eher Oldschool-/ARS-orientierten SL auch, gerade und insbesondere zwei eher storytell-mäßig orientierte SL. Ich vermute, weil ihnen das Regelwerk genug Platz für ihre Storys läßt und nicht zu viele Vorgaben macht. (Macht übrigens beides Spaß, dass mal nebenbei)
Hab ich nicht verstanden.  Willst Du sagen, dass sich Oldschool und Storytelling nicht widersprechen? Oder dass man beides mögen kann? Falls nicht, fänd ich eine nochmalige Erläuterung für Runaways hilfreich.
Nebenbei: Oldschool und ARS würde ich auf keinen Fall zusammenwerfen. War das Absicht oder fällt das einfach zufällig bei den beiden SL in den Überlagerungen zusammen?

Drei (beantwortet parallel auch Witzeclown):
Ansonsten mag es natürlich richtig sein, dass ein verstärktes Interesse an DnD 4 ein verstärktes Interesse an Rollenspiel / Retrogames / alten Editionen auslöst. […] glaub ich nichtm- bzw. in einen eher geringen Umfang.
Hm, solche Effekte sind natürlich schwer zu quantifizieren. Aber in meinem Umfeld kenne ich beispielsweise schon mal ein Dutzend Stimmies, die nach Jahrzehnten (!) mal wieder D&D4 ausprobieren. Und Frank hat ja einen ähnlichen Eindruck. Insofern scheint mir das Phänomen schon von bedeutenderem Umfang zu sein. Allerdings vermute ich zwischen dem persönlichen Hintergrund und der Spielstilpräferenz auch recht heftige Zusammenhänge, so dass meine Vergleichsstichprobe entsprechend heftig kontaminiert ist. Aber immerhin  ;D

Ein möglicher Weg, wie das von statten gehen kann, ist, dass durch die sehr Battlemap-lastige Spielart in 4.Ed Assoziationen zum klassischen Dungeoncrawl wachgerüttelt werden. wenn man nun jetzt wieder Lust auf HnS bekommt, aber keine Lust hat, sich mit HEalingsurges, daily powers oder treasureparcels abzuknechten, dann gibt es da noch das gute alte Tunnels and Trolls...
Jo, das bestimmt auch.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Skyrock am 12.10.2008 | 21:01
Wer die Ursache bei 4E sucht, der greift zu kurz. Alleine OSRIC gibt es schon 2006, seit einer Zeit als WotC noch bestritten hat, überhaupt eine vierte Edition rauszubringen.

Wenn, dann würde ich den Startschuss eher bei 3.x suchen, als das generalüberholte und vom gordischen 2E-Knoten befreite D&D das ausgetrocknete und blutleere[1] Storytelling fachgerecht zur 90er-Deponie gefahren und endgelagert[2] hat.

[1] Pun intended.
[2] Es kann dort heute auf Parzelle 117/1 besichtigt werden, gleich neben dem "It's cool"-Man.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: killedcat am 12.10.2008 | 21:06
Ich spiele mit meiner Gruppe seit etwa 1985 Rollenspiele. Wir haben ziemlich viel ausprobiert, spielen unsere Runden aber hauptsächlich mit den Systemen, die uns gefallen. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass es eigentlich wenige Systeme gibt, die uns mehr bieten, als die guten alten D&D1 und Sternengarde. Enstsprechend spielen wir noch heute D&D in der ersten, deutschen Version. Ein "Back to the roots" ist uns daher gar nicht möglich, da wir bei den Wurzeln geblieben sind. Auch und insbesondere da wir unsere Systeme nicht nach Trends, sondern nach unseren persönlichen Bedürfnissen auswählen.

Unsere Versuche mit moderneren Systemen (die echten "Indy"-Spiele haben uns eh nie interessiert) haben gezeigt, dass sie in den seltensten Fällen einen derart bleibenden Eindruck hinterlassen haben, dass wir bei ihnen geblieben wären. Ab und an probieren wir was neues aus. Insbesondere meine Wenigkeit schaut sich gerne in Foren um, ob ich etwas entdecke, das uns interessieren könnte. Im Sinne der Abwechslung sollte man meinen, dass wir öfter das System wechseln würden, aber bisher hat noch kein System mehr geboten als die "guten" alten.

Wenn es in Deutschland einen Trend hin zu alten Systemen gibt, so ist mir dieser Trend entgangen. Von einem Overkill kann aber nicht die Rede sein, da ich nichts negatives daran entdecken kann. Eine Zeitlang war es verpönt von Klassen- oder Stufensystemen zu sprechen. Gab man zu, Oldschool-Systeme zu bevorzugen, so galt man als ignorant. Nun schlägt das Pendel eben wieder um, die Zocker können wieder offen und erhobenen Hauptes dazu stehen, womit sie Spaß haben, und sie tun es.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Pyromancer am 12.10.2008 | 21:09
Stimme Dir zu, dass Traveller nicht zu dem Vorschlag passt. Einig sind wir uns, dass Traveller das Kriterium "Oldschool" erfüllt. Insofern stützt die Neuauflage von Traveller das Thema des Threads, erklärt aber noch nicht die Ursache. Also, Tobias: woran liegts nach Deiner Ansicht?

Ich denke, es liegt auch daran, dass es inzwischen eine Generation von Rollenspielern gibt, die nicht von Anfang an dabei waren. Die lange "die Frühzeit des Rollenspiels" mit superkomplizierten, tabellenlastigen Regelmonstern verbanden. Und die jetzt so langsam merken, dass es davor schon richtig gute Rollenspiele gab.
So ging es mir zumindest. Classic Traveller war für mich persönlich ein Augenöffner, weil darin 1978 (!) schon Konzepte vorgestellt wurden, die ich eher mit den 2000ern verbunden hätte. In sofern ist die Retro-Welle mit einer  Renaissance vergleichbar, die das "finstere Mittelalter" überwindet und sich wieder auf das "goldene Zeitalter" der Antike rückbesinnt.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Greifenklaue am 12.10.2008 | 21:13
Stimme Dir weitgehend zu, Ingo. Aber ein paar Fragen hab ich doch noch.

Eins:Das finde ich sehr komisch. Oder meinst Du statt der Produktzahl einfach den Marktanteil? Wenn nein, fänd ich eine Erklärung am liebsten per PM oder in einem neuen Thread spannend.
Das war ja quasi das Thema bis zur Mitte diesen Jahres: Space Gothic, Traveller, Warhammer 40k, alles auf Deutsch. Dazu noch DawningStar. (Wohl wieder weg). Sprich 4 Neuerscheuinungen in einem Jahr (so schien es) -> SciFi-Overkill. Sprich aufgrund der Anzahl neuer GRWs innerhalb eines Jahres ein scheinbarer Overkill.

Zwei:Hab ich nicht verstanden.  Willst Du sagen, dass sich Oldschool und Storytelling nicht
widersprechen? Oder dass man beides mögen kann? Falls nicht, fänd ich eine nochmalige Erläuterung für Runaways hilfreich.
Nebenbei: Oldschool und ARS würde ich auf keinen Fall zusammenwerfen. War das Absicht oder fällt das einfach zufällig bei den beiden SL in den Überlagerungen zusammen?.
Ja, ARS / Oldschool fällt bei ihm im Trend zusammen. Ganz excellent. Aber gestern hat er hinterm Schirm gewürfelt... Also nehm ich ARS zurück  ;)

Ich wollte damit sagen, nicht nur dem potentiellen Retrogamer gefällt M20 aufgrund seiner einfachen Struktur, auch typische Storyteller-SL leiten überraschend oft mit M20, einfach weil die Regeln nicht so dominant sind und sie sich auf ihre Story konzentrieren können. Also, ich fand das ein interessantes Phänomen. (Ein SL dabei, der DnD für sich alsSL komplett ablehnt, aber mit M20 ist er voll glücklich).

Drei (beantwortet parallel auch Witzeclown):Hm, solche Effekte sind natürlich schwer zu quantifizieren. Aber in meinem Umfeld kenne ich beispielsweise schon mal ein Dutzend Stimmies, die nach Jahrzehnten (!) mal wieder D&D4 ausprobieren. Und Frank hat ja einen ähnlichen Eindruck. Insofern scheint mir das Phänomen schon von bedeutenderem Umfang zu sein. Allerdings vermute ich zwischen dem persönlichen Hintergrund und der Spielstilpräferenz auch recht heftige Zusammenhänge, so dass meine Vergleichsstichprobe entsprechend heftig kontaminiert ist. Aber immerhin  ;D
Jo, das bestimmt auch.
Ja, Stimmies die D&D4 zocken. Aber das ist doch jetzt nicht retro oder oldschool, oder?

[Im übrigen, ein Dungeon Crawl muss bei mir als Spieler extrem stimmig und immersiv sein... Dann find ich das geil. Daher ist das für mich vielleicht auch eine kürzliche Entdeckung von vor etwa 2 Jahren. Früher fand ich sowas immer doof, langweilig und runterwürfeln.Daher unbedingt auch ein paar der ARS-Grundsätze toll. Offen würfeln. Charaktere sterben lassen!!!]
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 21:23
Killedcat: Ganz schnell zur Klärung: Das Wörtchen Overkill war nur flapsig dahingesagt und sollte einfach einen aus meiner Sicht sehr deutlich erkennbaren Trend bezeichnen, war aber keinesfalls abwertend gemeint.

Wer die Ursache bei 4E sucht, der greift zu kurz. Alleine OSRIC gibt es schon 2006, seit einer Zeit als WotC noch bestritten hat, überhaupt eine vierte Edition rauszubringen.

Da ist vielleicht was dran. Lass mich das anhand meiner Erfahrungen zu präzisieren versuchen: D&D1 war für viele von uns und so auch für mich der Ursprung und Anfang. Wunderbar! Mit AD&D/D&D2 hatte ich dann wie viele andere auch so meine Probleme. Ich habe mich nach Alternativen umgeschaut und bin gewechselt, andere Leute haben dem Hobby den Rücken gekehrt. D&D3 hat viele dann inhaltlich und ideologisch  ;) wieder eingefangen und positiv gestimmt, aber noch nicht nicht vollends überzeugt. Als ich dann so weit war, mich für D&D3 erwärmen zu können, waren die Publikationen schon unüberschaubar und verwirrend. Nun, mit D&D4 wage ich wie viele mit einer ähnlichen Sozialisation auch den Wiedereinstieg. Und da ein solcher Wiedereinstieg immer auch mit einer Besinnung auf die Ursprünge zusammenhängt, entsteht ein von den eigentlichen Oldschoolern unabhängiger Effekt, der sich zugegebenermaßen nicht auf 4E beschränken lässt, damit aber fundamental zusammenhängt. Einig?

Ich denke, es liegt auch daran, dass es inzwischen eine Generation von Rollenspielern gibt, die nicht von Anfang an dabei waren. Die lange "die Frühzeit des Rollenspiels" mit superkomplizierten, tabellenlastigen Regelmonstern verbanden. Und die jetzt so langsam merken, dass es davor schon richtig gute Rollenspiele gab.
So ging es mir zumindest. Classic Traveller war für mich persönlich ein Augenöffner, weil darin 1978 (!) schon Konzepte vorgestellt wurden, die ich eher mit den 2000ern verbunden hätte. In sofern ist die Retro-Welle mit einer  Renaissance vergleichbar, die das "finstere Mittelalter" überwindet und sich wieder auf das "goldene Zeitalter" der Antike rückbesinnt.
Hört sich plausibel an.

Das war ja quasi das Thema bis zur Mitte diesen Jahres: Space Gothic, Traveller, Warhammer 40k, alles auf Deutsch. Dazu noch DawningStar. (Wohl wieder weg). Sprich 4 Neuerscheuinungen in einem Jahr (so schien es) -> SciFi-Overkill. Sprich aufgrund der Anzahl neuer GRWs innerhalb eines Jahres ein scheinbarer Overkill.
Eben! Und dazu kommen noch die ganzen englischsprachigen SciFi-Neuerscheinungen. Das ist doch eine wahnsinnig krasse thematische Ballung. Wieso hälst Du das für einen SCHEINBAREN Overkill?

Ja, Stimmies die D&D4 zocken. Aber das ist doch jetzt nicht retro oder oldschool, oder?
Naja, doch! Wenn ich nach fast 25 Jahren wieder zu D&D greife, finde ich das ganz schön Retro und Oldschool. Aber das hängt natürlich eng mit der Frage zusammen, ob man D&D4 nun zu den Oldschool-Klamotten zählt - oder eben nicht. Für mich sind alle D&D-Inkarnationen vollkommen eindeutig Oldschool. Das sehen einige Leute aber ganz offenkundig anders  ;)
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: D. Athair am 12.10.2008 | 21:33
Willst Du sagen, dass sich Oldschool und Storytelling nicht widersprechen?
Was Greifenklaue sagen will oder nicht, weiß ich nicht. Ich, für meinen Teil, möchte behaupten, dass Oldschool durchaus erzählfixiert sein kann - wenn auch anders als Storytelling. Reine Erzählspiele wie "Es war einmal ..." stehen Oldschool irgendwie näher als Storytelling (nach WW).
Das ist jedenfalls meine Erfahrung!

3. Mögliche Ursache: Reflex auf Storytelling
Die Hinwendung zu Oldschool ist mutmaßlich auch einem rückwärtsorientiertem Reflex auf zunehmend abstrakte und sich vom Rollenspiel entfernende Spielinhalte und -mechanismen (Stichwort Stakes und co.) geschuldet.
Ja und Nein.
Manche Oldschool Spiele sind sehr viel abstrakter, als man glauben möchte. Diesbezüglich sind die gefühlten Unterschiede zu Story-Games nicht soo groß. Entscheidend für ein Rollenspiel, das Erzählung fokussieren möchte, ist, dass es Freiraum für Kreativität lässt. Regeln, die mich ständig in der Konzentration stören, nerven da. (Genauso wie "Ich-bin-der-Mittelpunkt"-Mitspieler.)

Oldschool ist für mich so etwas wie die Rückkehr zu den Zeiten, als Rollenspiel noch nicht in Freeform, Rules-Heavy, Action!, Stimmung, ... aufgeteilt war.




Anmerkung am Rand: Im Übrigen halte ich Georgios Beschreibungen für treffend.



Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 12.10.2008 | 21:40
@ Deal: Stimme Dir zu. Hatte nur Ingo noch mal gefragt, ob er das anders sieht und hätte in dem Fall dann eine Erläuterung erbeten. Vermutlich hab ich mich einfach bescheuert ausgedrückt.

Anmerkung am Rand: Im Übrigen halte ich Georgios Beschreibungen für treffend.
Hm, damit bist Du nun schon der Dritte mit dieser Wahrnehmung. Erstaunlich.

@ Georgios: Vielleicht hätten wir bei einer entsprechenden Ausformulierung Deinerseits eine weitgehend konsensfähige Definition des Oldschoolgedankens, den wir als Diskussionsgrundlage wunderbar nutzen können. Momentan divergieren nämlich die verschiedenen Sichtweisen für meinen Geschmack noch recht stark und eine systematische Klärung mag da hilfreich sein. Fänd einen entsprechenden Vorschlag klasse! Dass dann ausgerechnet das Konzept, das ich persönlich am abwegigsten finde, scheinbar am ehesten mehrheitsfähig ist: mein Pech  :'(
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Greifenklaue am 12.10.2008 | 22:09
Zitat
Eben! Und dazu kommen noch die ganzen englischsprachigen SciFi-Neuerscheinungen. Das ist doch eine wahnsinnig krasse thematische Ballung. Wieso hälst Du das für einen SCHEINBAREN Overkill?
Der SciFi-Marktanteil wird nicht auf 90% schießen. Einige wenige Fans werden sich vielleicht gegernseitig abgraben, andere kaufen beide, gar alle drei. Nicht zu vergessen, dass es vorher lange Zeit kein SciFi mit aktueller Produktunterstützung gab. Kein Wunder, dass sich jeder auf die Lücke stürzt  :D

Zitat
Naja, doch! Wenn ich nach fast 25 Jahren wieder zu D&D greife, finde ich das ganz schön Retro und Oldschool. Aber das hängt natürlich eng mit der Frage zusammen, ob man D&D4 nun zu den Oldschool-Klamotten zählt - oder eben nicht. Für mich sind alle D&D-Inkarnationen vollkommen eindeutig Oldschool. Das sehen einige Leute aber ganz offenkundig anders
Achso. Hmm. Oldschool ist für mich DnD 4te nicht, obwohl es durchaus einige Punkte gab, die mir gefallern haben, andere sind auch recht neu (Skill Challenges, bei DnD first gab es keine Skills ;)) und wiederum andere, die mir sagen, beiPathfinder bin ich besser aufgehoben (letzteres ist aber auch nicht retro für mich). Erst einige Spezialisten zaubern Dir retro drauß, ich vermute die DCCs für die 4te von Goodman dürften Retrofeeling haben.

Zitat
Was Greifenklaue sagen will oder nicht, weiß ich nicht. Ich, für meinen Teil, möchte behaupten, dass Oldschool durchaus erzählfixiert sein kann - wenn auch anders als Storytelling. Reine Erzählspiele wie "Es war einmal ..." stehen Oldschool irgendwie näher als Storytelling (nach WW).
Das ist jedenfalls meine Erfahrung!
Ja, das trifft es sehr gut. Mir fällt es schwerer das auszudrücken, kann ja nur drüber reflektieren und nicht aus erster Hand etwas sagen, was derSL denkt.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Ein am 13.10.2008 | 09:29
Nachdem ich das Thema etwas sacken lassen habe, stellt sich für mich immer mehr die Frage inwieweit das heutige Old School mit dem Rollenspiel der Anfänge übereinstimmt oder gar übereinstimmen muss.

Zwar gibt es einige Leute, die zur 1. Generation gehören, und jetzt wieder stärker wahrgenommen werden. Aber Retro heißt ja nicht, dass wir jetzt alles über Bord werfen, was wir in den letzten 25-30 Jahren entwickelt haben. Vielmehr ist es so, wenn man analog Retro in der Mode und Design betrachtet, dass Retro an Altes angelehntes Design (Form) mit moderner Funktionalität verbindet.

Ich denke, die meisten Leute, die jetzt Old School betreiben, werden daher weiterhin moderne Techniken anwenden, aber ihrem Rollenspiel eine andere Form als zuvor geben.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Boba Fett am 13.10.2008 | 10:09
Erstmal weiss ich gar nicht, ob es einen Retro-Hype gibt, denn so sehr ist mir das Thema gar nicht aufgefallen.
Wahrscheinlich ist der Retro-Hype wie jeder Hype einfach "viel Rauch um nichts" und ein sich selbst wiederbelebendes und verstärkendes Phänomen.

Ansonsten könnte es natürlich sein, dass diejenigen, die sich im Moment im "früher war alles besser" Gefühl schwelgen
weil eben die Langzeitstabilität der hippen und modernen Systeme auch nur begrenzt sind.
Will sagen: Die Begeisterung für "themenorientierte Spiele" hat ihre Halbertszeit überschritten und nun muss sich für was anderes begeistert werden. Da nichts "danach" kommt, wird also zurückgeblickt und festgestellt: Es ist nicht alle schlecht gewesen.
Bevor alles aufschreit: Die Betonung liegt auf "könnte sein".

Tja ansonsten ist oldschool/retro wohl das, was die meisten sowieso schon immer gespielt haben, deswegen geht dieser Hype (sofern es einen gibt) meilenweit vorbei, denn der Rest wird sich sagen: "Im Westen nichts neues!"

Und: DnD 4 ist definitiv KEIN oldschool.
Mal abgesehen davon, sollte man sich erstmal anschauen, was oldschool denn überhaupt sein soll.
In meinen Augen ist das Rollenspiel wie D&D, T&T und DSA1 sein, mit extrem wenig Regeln und Material, dafür aber eben auch mit viel Impro-Notwendigkeit.
Danach kam dann als erste Evolutionsstufe "GURPS", quasi als Inkarnation des Versuches möglichst plausibel irgendwelche Realitäten zu simulieren (scheiß auf Dramatik oder dergleichen).
Storytelling (also drama. und storyorientiertes) Rollenspiel ist zwar auch alt (Vampire kam anfang der 90er), sehe ich dann als nächste "Evolutionsstufen" an, die Rollenspiel durchlaufen hat.
Und wenn man sich anschaut, welches aktuelle System jetzt die "Oldschool" Qualitäten hat, dann muss ich sagen: Gar keines!

Aber vielleicht ist die Retro Bubble ja auch mit durch das Wiedererscheinen einiger Rollenspielmumien (Traveller, Rolemaster, WHFRP) entstanden, die ja viele inzwischen wieder begeistern. Wobei ich nicht glaube, dass diese Mumien (soll nicht abwertend klingen, ich LIEBE Traveller!!!) wirklich den Retro Style der first Generation RPGs mit sich bringen...
Am allerehesten noch WHFRP und das ist nun nicht so neu im Handel.. ;)
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Joe Dizzy am 13.10.2008 | 12:07
Eine Sache, die mich an dem ganzen Gerede über "Retro" und "old school" stört, ist das Beharren auf einzelne Regelwerke. Ich halte old school eher für eine Herangehensweise an Rollenspiele, statt einer bestimmten Art von Regelwerk. Es mag Regelwerke geben, die sich einfacher mit einem old school-ethos spielen lassen als andere, aber mehr auch nicht. Man sollte sich vielleicht weniger fragen welches Rollenspiel nun "old school" ist und welches nicht, sondern eher wie einfach sich einzelne Rollenspiele auf eine "old school" Art und Weise spielen lassen.

Old School ergibt sich, meiner Meinung nach, aus einzelnen Punkten, die sich gegenseitig mehr oder weniger begünstigen und unterstützen. Die Spielwelt steht erstmal im Mittelpunkt. Sie muss konsistent, nachvollziehbar und logisch aufgebaut sein, da sie schließlich die gemeinsame Basis für das Spiel darstellt. Wenn die Welt willkürlich oder zusammenhangslos wirkt, dann fehlt dem gesamten "old school" Rollenspiel das Fundament und wird damit unbrauchbar und unspielbar. Damit die Welt nun diese Stabilität besitzt, gibt es eine Person am Tisch, deren oberste Aufgabe es ist genau darauf zu achten: den Spielleiter.

Damit der Spielleiter dieser Aufgabe nachkommen kann, werden ihm keine Regeln auferlegt. Stattdessen werden ihm verschiedene Regeln angeboten, die er nutzen kann um seine Aufgabe zu erfüllen. Die Regeln sollen dem Spielleiter helfen für eine stabile und bespielbare Welt zu sorgen. Sie schreiben dem Spielleiter nichts vor. Die Regeldichte hat mit diesem Punkt nur indirekt zu tun. Vielen Spielleitern fällt es einfach nur leichter bei einem Rollenspiel mit wenig Regeln, eigenmächtig über die Spielwelt zu entscheiden. Aber selbst regelintensive Spiele wie Rolemaster stehen einem "old school"-Ethos nicht so sehr im Weg, wie man vielleicht denken mag. Denn schließlich ist die Logik der Spielwelt für den Spielleiter bindender als die Regeln.

Worum geht es bei "old school"-Spielen eigentlich? Auch hier findet eine Verzerrung der Wahrnehmung statt, weil zu viel Aufmerksamkeit auf die Regeln und zu wenig auf ihre Anwendung gerichtet wird. Denn auch wenn viele alte Rollenspiele vor allem Kampfregeln in den Vordergrund stellen, geht es bei "old school" nicht primär oder allein um Kämpfe. Zumindest nicht zwingend. Wer "old school" spielt, spielt um eine Welt zu entdecken. "Old school" spricht primär die Neugier eines jeden Spielers an. Wer keinen Spaß am Erforschen und Entdecken hat, der wird mit "old school" wenig anfangen können. Wer noch dazu selbst in seiner Vorstellung Gefahren scheut und alles auf Nummer sicher macht, der wird in einer "old school" Runde vor Langeweile ersticken. "Old School"-Spiel benötigt Neugier und Risikobereitschaft. Damit das Spiel aber auch mehr als nur einen Abend Spaß macht, gilt es diesen Einsatz zu belohnen. Ein guter "old school"-Spielleiter belohnt die Neugier der Spieler mit einer fantastischen und exotischen Spielwelt, die einzigartig und außergewöhnlich ist und immer wieder neue, reizvolle Ideen liefert. Aber auch die Risikobereitschaft der Spieler gilt es irgendwie zu belohnen, in dem man zum Beispiel mächtiger wird oder der Charakter NSCs für sich gewinnt oder Macht und Einfluß erlangt. Die Arten der Belohnung sind vielfältig. Da die Regeln eben nicht oberste Priorität haben, kann ein NSC-Vertrauter manchmal sogar eine wertvollere Belohnung sein als Tausende von Erfahrungspunkten.

Wer genau hinschaut wird merken, das "old school" sich recht gut mit den meisten Spielstilen deckt. Lediglich einzelne Punkte sind ausgeprägter oder etwas abgeschwächt. Ich denke, der Grund weshalb viele "old school" für sich entdecken, ist dass "old school" gewissermassen den Normalzustand darstellt, was Rollenspiele angeht. "Old school" ist schnörkelloses Rollenspiel. Gerade wenn man über ausgefallenere Varianten Rollenspiele entdeckt hat, wirkt "old school" sehr erfrischend und entspannend.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Feuersänger am 13.10.2008 | 12:09
Wuäh, mach mal deinen Zeilenumbruch gescheit, da kriegt man ja Augenkrebs.  :P

edit: danke.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Crimson King am 13.10.2008 | 12:26
Zum Thema Rollenspiel-Geschichte gibt es eine solide Zusammenfassung (http://www.darkshire.net/jhkim/rpg/theory/fashions.html), wobei die Untergliederung meines Erachtens vereinfacht werden kann.

1. Leichtgewichtige, auf Kampf und Erforschung ausgelegte Systeme mit zumeist hohem Abstraktionsgrad, denen man die Herkunft aus dem Wargaming anmerkt

2. Schwergewichtige, auf Simulation ausgelegte Systeme

3. Tendenziell leichtgewichtige Cinematic Action/Storytelling-Systeme, die Immersion fördern (sollen)

4. Konfliktbasierte Systeme, die viel mit Metaregeln agieren. Dazu würde ich auch reine Diceless-Sachen zählen.

Was den Beginn der Retrowelle angeht, den würde ich auch, wie der Witzeclown geschrieben hat, auf das Erscheinen von d20 setzen. Warum aber gerade jetzt vermehrt in Foren zu dem Thema geschrieben wird, erschließt sich mir nicht.

Auch ersetzen neue Moden die alten nicht, sondern laufen eher parallel dazu. Es gibt auch heute noch Rules heavy simulationism-Systeme, und (A)D&D dürfte selbst in den 90ern das meistgespielte System gewesen sein.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Funktionalist am 13.10.2008 | 12:49
Wobei sich mir der UNterschied zwischen Storytellern und anderen nie erschlossen hat.
Die Spielwelt war halt grauer und man spielte Underdogs, die sich eventuell hochkämpfen.
Mir kam das einfach wie ein Americandream/nightmare ROllenspiel vor, speziell für amerikansiche Großstadtkinder.

Im gegensatz dazu empfinde ich Oldschoolrollenspiele eher als Silverage. Man hat Helden gespielt. Wenn man böse war gab es dann noch den Conanantihelden, oder den schwarzmagier, der eher neutral war etc...aber das ist schon fast nocht mehr oldschool.
man hat, wie georgios schrieb, die Welt erkundet und ABENTEUER*tm bestanden, wurde in Tavernen vom König angeheuert um in der Nähe einen uralten bösen Magier/Drache zu töten, der erst vor Kurzem auffällig wurde, weil mal wieder Jungfrauen stahl.
Später hatte man dann böse Auftragsgeber, wurde mal für die falschen eingespannt und musste nun anfangen aufmerksamer zu werden.

Dieses Gefühl, dass sich die Chars als lose Taugenichtstruppe durchs Schicksal in strahlende Helden wandeln, die ganze Königreiche retten, zusammen mit REgeln, die sehr detailliert sind, macht für mich Oldschool aus.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Feuersänger am 13.10.2008 | 12:51
Ahja, die Storyteller habe ich in meiner Betrachtung augelassen... irgendwie waren sie schon im Hinterkopf, aber da ich nicht wusste, wann sie aufkamen, hab ichs mal ignoriert.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Crimson King am 13.10.2008 | 13:02
Wobei sich mir der UNterschied zwischen Storytellern und anderen nie erschlossen hat.

Storyteller-Systeme versuchen, über die Regeln die Spieler bzw. deren Charaktere in die Story einzubringen und den erzählerischen Aspekt am Spiel zu fördern.

Typisch sind:
Rerolls, Karmapool, Dramawürfel etc., um eine höhere Sicherheit in Aktionen zu bekommen
Charakterinformationen jenseits von Attributen und Fertigkeiten (Vorteile, Nachteile, psychologische Eigenschaften, eigene Motivationen, Verbindungen zu NSCs). Sie haben die Story-Flags erfunden und es damit dem SL leichter gemacht, die Spielercharaktere einzubetten
SL soll gute Darstellung und Beschreibung belohnen

Cinematische Action und Storytellingsysteme haben die oldschoolische Spieler/SL-Grenze aufgeweicht und das Player Empowerment eingeführt, zumindest die ersten Ansätze davon.

Ich könnte mir schon vorstellen, dass die aktuelle Retrowelle eine direkte Gegenbewegung weniger zu den Storytellern im WoD-Sinne als vielmehr zu den Indie-Avantgardisten darstellt. Conflict Resolution, einengendes spezialisiertes Spieldesign und Player Empowerment laufen dem Oldschool-Spielprinzip ja wirklich vollends quer.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Skyrock am 13.10.2008 | 13:27
Rerolls, Karmapool, Dramawürfel etc., um eine höhere Sicherheit in Aktionen zu bekommen
Cyberpunk (1987).

Charakterinformationen jenseits von Attributen und Fertigkeiten (Vorteile, Nachteile, psychologische Eigenschaften, eigene Motivationen, Verbindungen zu NSCs).
Pendragon (1985).

Sie haben die Story-Flags erfunden und es damit dem SL leichter gemacht, die Spielercharaktere einzubetten
Cyberpunk (1987).

SL soll gute Darstellung und Beschreibung belohnen
Nach einem gewissen Rant von St. Gary gab es das wohl schon bei AD&D-Turnierabenteuern in den frühen 80ern in solchem Maße, dass er gefordert hat das Pendel wieder weg von Theaterspiel zu Spiel zu schwingen.

Cinematische Action und Storytellingsysteme haben die oldschoolische Spieler/SL-Grenze aufgeweicht und das Player Empowerment eingeführt, zumindest die ersten Ansätze davon.
Erst hier muss ich passen - ich wäre aber nicht erstaunt, wenn auch hier jemand einen alten Wein aus dem Keller zerren kann, der heute noch den neuen Gerhard-Schdorri-Delling-Schläuchen das Wasser reichen kann.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Joerg.D am 13.10.2008 | 13:36
Ja, Theatrix ist total Retro und unglaublich cool.

Ich habe nichts vergleichbares gefunden um darstellungslastig zu spielen.


Wenn es Werke von früher gibt, die wirklich gut sind, warum sollte man sich nicht von ihnen begeistern lasssen? Wenn ich allerdings D&D oder DSA von früher spielen soll, dann wird mir doch komisch. Die Liebe ist einfach nicht mehr groß genug um so schlechte Systeme zu spielen.

Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Pyromancer am 13.10.2008 | 13:38
Cinematische Action und Storytellingsysteme haben die oldschoolische Spieler/SL-Grenze aufgeweicht und das Player Empowerment eingeführt, zumindest die ersten Ansätze davon.

Ich helf da mal Skyrock aus:
Traveller (1978).
Da wird schon eine Spielweise ohne "referee" vorgeschlagen, als eine Art Solospiel, nur in der Gruppe.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Funktionalist am 13.10.2008 | 14:38
@Crimson King (will jedesmal king crimson schreiben...)

Danke für die Erklärung!

@Beispiele
Sehr interessant!
Aber:
Es kann ja durch aus sein, dass die Mechanismen alt sind. Wichitg ist mMn in welcher Absicht sie dargestellt und wie konzentriert sie angewendet werden.

Wenn in 7.See Mooks weggeschnetzelt werden, dann um die GEschichte mit eben diesem Element anzureichern und einen Spannungsaufbau zum Hauptkampf zu liefern.
Oldschool wäre es die gegner zwar schwach, aber immer noch recht detailliert zu handhaben und es nicht so ausufern zu lassen. Die Mooks sind hier kein Beifutter, sondern ein weiterer Teil einer Herausforderung,an der man auch scheitern kann.

In Der WoD gibts hier ja die Willenskraft als REttungsanker, was sehr direkt den Storyaspekt zeigt, wie Crimson king ihn dargestellt hat. Will man mit dem Char etwas entsprechendes erreichen, dann kann man sich mit WP aushelfen und seine Chancen erhöhen.

Wahrs. haben wir einfach immer storylastig gespielt...deshalb mache ich für mich oldschool eher am Abenteuerdesign fest...

sers,
Alex
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: JS am 13.10.2008 | 15:43
wir haben als retro-aktion zwei jahre lang alle alten dsa-abenteuer aus den 80ern wieder gespielt, etwas mehr sex & drugs & rock´n roll beigemischt und das ganze mit d&d 3.5 garniert.

erkenntnis 1: damals, als heutiges old school noch new school war, war es inhaltlich i.d.r. weder anders noch weniger skurril noch besser noch schlechter. manche moderne plotgurke bietet vergleichbar verwunderliches wie die ersten schritte von dsa damals. also retro? keine ahnung.

erkenntnis 2: für uns war old school weder system noch setting noch abenteuer, sondern eine rückkehr zur jugendlichen anarchie und chaotik im rollenspiel. nichts wurde hinterfragt, keine logik war wichtig, theorien und ernste erfahrungen und spieltiefe waren uns allen wurscht, jede verrücktheit vom sl oder den spielern war willkommen, regeln wurden mit größtmöglicher kreativität interpretiert.

fazit: diese spielart war ein echter spaß und brachte wieder feuer ins rollenspiel. aber es ist kein weg für lange zeit, denn das skurrile verliert sich selbst, wenn es zur regel wird.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Joe Dizzy am 13.10.2008 | 15:52
Ich denke das einzig Kontroverse an der "old school" ist nur wie das Verhältnis zwischen Spielleiter und Spieler eigentlich ist. Da gibt es so manche Variation vom Support-SL, der vor allem dafür da ist, den Spielern die Wünsche von den Lippen abzulesen und ihre Charaktere ganz groß rausbringen soll, bis hin zum Harte-Bandagen SL, der knallhart Charaktere über das Messer springen lässt und daran Spaß hat.

Ich würde denken, dass die SL-Positionen aber vor allem als unparteiisch und getrennt von den Charakterzielen der Spieler verstanden wurde. Der SL macht sein Ding (d.h. die Spielwelt liefern) und die Spieler ihres (d.h. mit den Charakteren erforschen und Risiken eingehen). Das heutzutage so beliebte und gefeirte "Hör auf deine Spieler und mach etwas was ihnen gefällt" wurde da weniger als oberstes Gebot zum Spielleiten verstanden. Vielmehr war es selbstverständlich und eine Frage des guten Tons am Spieltisch, dass man seinen Kumpels nichts vorsetzte von dem man wusste, dass es ihnen nicht gefallen würde.

Auch das ist wieder ein Punkt, den so mancher unbefleckte Spielleiter in der "old school" vielleicht für sich entdecken konnte.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Feuersänger am 13.10.2008 | 16:18
Jetzt wo du's sagst, hab ich eigentlich schon den Verdacht, dass die alte Tradition des "Spielerfickens" durchaus aus genau dieser Zeit stammt, als der SL sakrosankt war und, aufgrund fehlender Regeln, viele Sachen frei nach Gusto entscheiden durfte. Wären schon zu Anfangszeiten die Aufgaben und Kompetenzen des SLs weniger gottleich sondern stärker umrissen gewesen, hätte sich vielleicht das Rollenspiel als solches auch ganz anders entwickelt.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Boba Fett am 13.10.2008 | 16:23
Old School ergibt sich, meiner Meinung nach, aus einzelnen Punkten, die sich gegenseitig mehr oder weniger begünstigen und unterstützen. Die Spielwelt steht erstmal im Mittelpunkt. Sie muss konsistent, nachvollziehbar und logisch aufgebaut sein, da sie schließlich die gemeinsame Basis für das Spiel darstellt. Wenn die Welt willkürlich oder zusammenhangslos wirkt, dann fehlt dem gesamten "old school" Rollenspiel das Fundament und wird damit unbrauchbar und unspielbar. Damit die Welt nun diese Stabilität besitzt, gibt es eine Person am Tisch, deren oberste Aufgabe es ist genau darauf zu achten: den Spielleiter.

Da damals (ich war dabei, ich bin so alt ;) ) die Settingbeschreibungen der Spielwelten aber völlig lückenhaft und in vielen Fällen auch einen vollkommenes Flickwerk darstellten (Ich erinnere mich an DSA, wo wir am Anfang überhaupt keine Vorstellung über die Welt hatten, oder an D&D wo wir lange Zeit gar kein Setting hatten, weil es keines zu kaufen gab und dann bei AD&D wo die forgotten realms ein totales Patchwork darstellten [Aventurien macht das auch...]), gibt es dann eine ganz einfache Definition von OldSchool: Der Meister (bewusst nicht Spielleiter) definiert das Setting (da es keine Settingbeschreibung gibt)

Da die Regeln ja meistens auch nur die rudimentären Funktionen (Kampf) behandelt haben, kann man die oldschool Definition vielleicht sogar so definieren:

Oldschool ist: Der Meister hat immer recht!
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 13.10.2008 | 16:35
Hm, also die Diskussion macht aus meiner Sicht keinen Sinn, wenn wir alle tatsächlich so fundamental verschiedene Dinge unter den Begriffen Oldschool- und Retrorollenspiele verstehen. Schade, aber nicht zu ändern  :D Will Euch natürlich trotzdem keineswegs von einem weiteren Austausch abhalten!
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Joe Dizzy am 13.10.2008 | 16:59
Oldschool ist: Der Meister hat immer recht!

Das halte ich für eine amüsante, aber sehr missverständliche Reduzierung von Old School. Vor allem da so dem Buhmann der "old school", dem Killer GM / SL-Tyrann, Raum gegeben wird.

Ich denke, "old school" als Spielart, die derzeit vermeintlich eine Renaissance erlebt und in klarer Abgrenzung zu dem wie man in den frühen 80ern tatsächlich gespielt hat, stellt nicht den Spielleiter über das gesamte Spiel, sondern die Spielwelt (oder internet-deutsch: die Fiktion). Damit sind aber auch keine Settingbeschreibungen und Romane gemeint, sondern das was tatsächlich gespielt bzw. geleitet wird. Also das, was die Gruppe sich ausdenkt und nicht der Mist, der im Buch steht.

Wer hier einwirft, dass der Spielleiter doch die Welt erschafft und demnach auch zur obersten Instanz am Tisch wird, der vergisst eine unsichtbare aber eiserne Regel im Rollenspiel. Mehr noch als für Spieler, gilt für einen solchen Spielleiter: gesagt ist getan. Das Schlimmste was ein Spielleiter, der "old school" spielen will, tun kann ist die Welt nach seinen Vorstellungen zu verändern, statt sie nach ihrer eigenen Logik weiter zu spielen. Deshalb ist auch "Dramatik" als SL-Konzept bei vielen "old school"-Gruppen verpönt. (Auch wenn ich das für leicht scheinheilig und albern halte.) Es gilt allein die Logik der Spielwelt. Wenn der SL entscheidet diese Logik zu missachten oder umzuschreiben, weil ihm grad etwas nicht in den Kram passt oder weil die Spieler so lieb gucken, dann läuft das dem "old school"-Gedanken direkt entgegen.

Und es ist genau dieses Entfernen des Freibriefs für den SL durch eine Art "Gentlemen's Agreement", welches in der "old school" verankert ist und ohne die einem diese Spielweise vollkommen unverständlich erscheint.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Pyromancer am 13.10.2008 | 20:57
Jetzt wo du's sagst, hab ich eigentlich schon den Verdacht, dass die alte Tradition des "Spielerfickens" durchaus aus genau dieser Zeit stammt, als der SL sakrosankt war und, aufgrund fehlender Regeln, viele Sachen frei nach Gusto entscheiden durfte. Wären schon zu Anfangszeiten die Aufgaben und Kompetenzen des SLs weniger gottleich sondern stärker umrissen gewesen, hätte sich vielleicht das Rollenspiel als solches auch ganz anders entwickelt.

Ich hab hier nur Classic Traveller als Oldschool-Referenz, aber da ist die Aufgabenstellung an den "referee" (so man den mit einem spielt), klar umrissen:
Der "referee" erschafft die Welt, ist für die Wahrung der Kontinuität und die Sternenkarten zuständig und bestimmt die Einflüsse, die Naturgesetze, Zufall und NSCs auf die Spieler-Charaktere haben. In letzter Linie ist er auch für die Schlichtung von Regelstreitigkeiten zuständig und darf sich dabei auch über die geschriebenen Regeln hinwegsetzen.
Aber wie gesagt, das Spiel mit SL ist bei CT nur eine von drei fast gleichberechtigten Optionen.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Beral am 13.10.2008 | 21:50
Ich melde mich als Fan der inneren Spielweltlogik zu Wort.
Georgios betont immer wieder die Priorität der inneren Logik als Merkmal von Oldschool. Inwiefern haben das die alten Systeme unterstützt und gefördert? Und wenn sie es nicht getan haben, welcher Methoden haben sich die Oldschool-Meister bedient, um die innere Logik aufrecht zu erhalten?
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Feuersänger am 14.10.2008 | 02:35
Ich bin zwar auch ein Verfechter der inneren Spielweltlogik, muss aber sagen, dass diese in kaum einem mir bekannten Rollenspiel auch nur halbwegs realisiert wird. Weder in alten noch in neuen. Speziell ist die Auswirkung der Magie auf die Gesellschaft so gut wie nie zu Ende gedacht. Oder, um ein schnöderes Beispiel zu nennen, sind überall, wo Abenteurer unterwegs sind, riesige Goldmengen im Umlauf, ohne dass es zu einer Inflation käme.
(In einem Nodwick-Comic wird letzteres Thema allerdings mal aufgegriffen... aber wie gesagt: ein Comic.)
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Boba Fett am 14.10.2008 | 11:06
Das halte ich für eine amüsante, aber sehr missverständliche Reduzierung von Old School. Vor allem da so dem Buhmann der "old school", dem Killer GM / SL-Tyrann, Raum gegeben wird.
Ich gebe auch offen zu: Sie war nicht ganz ernst gemeint... :)
Allerdings war doch grad damals beim Old-School der SL-Tyrann ein typisches Phänomen.
Von daher würde es durch aus dazugehören, dem Raum zu geben.

Man sollte da zwischen Retro und Oldschool unterscheiden.

Retro bedeutet ja letztendlich auch, dass nur die schönen Seiten von damals (aus der old-school) übernommen werden,
nicht dass das "damals" komplett restauriert wird.
Das sieht man bei anderen Dingen ja auch - der VW Beetle ist der Retro-Käfer, aber mit moderner Technik.
Wer würde heute schon gern in einem PKW fahren, wo im Sommer die Heizung bollert, im Winter alles arschkalt ist
und an heissen Tagen stets der Kühler überkocht...

Und insofern ist auch das SpL erschafft die Welt (nach seinen Vorstellungen) typisch oldschool, auch mit dem (und oft passte es nicht zusammen und war völlig unplausivel). Auch das ist oldschool und über Retro restaurieren wir daraus das schöne "Fokus auf die plausible Spielwelt". :)
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Greifenklaue am 14.10.2008 | 11:09
Ich gebe auch offen zu: Sie war nicht ganz ernst gemeint... :)
Allerdings war doch grad damals beim Old-School der SL-Tyrann ein typisches Phänomen.
Von daher würde es durch aus dazugehören, dem Raum zu geben.
Durchaus. Aber leider bei vielen Spielarten zu beobachten und nicht insbesondere an Oldschool gebunden - höchstens in dem Sinne, dass es spez. Regeln gibt, das einzuschränken.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Joe Dizzy am 14.10.2008 | 11:14
Die Spielweltlogik kann nur in groben Zügen vom Regelwerk abgedeckt werden, da sie ja erst am Spieltisch entsteht. Sowohl die Frage wie die Spielwelt aussieht, wie sie funkioniert oder woran man eine feste Spielweltlogik erkennt, kann erst beantwortet werden, wenn die Gruppe am Tisch sitzt und sich die Spielwelt vorstellt.

Rollenspiele sind eben gerade nicht wie Brettspiele oder Computerspiele, die einem eine fertige Spielbasis liefern. Bei Brettspielen ist es das Zusammenspiel zwischen Regeln und Brett und bei Computerspielen, die grafisch dargestellte "Spielwelt". Bei einem Rollenspiel baut und erschafft die Gruppe diese Dinge nach eigenem Ermessen und den Vorschlägen, Angaben und Verweisen auf Genre, Stil und Archetypen im "fluff"-text. Daher kann man sich nicht auf ein Regelwerk verlassen, um eine innere Spielweltlogik zu erschaffen.

Ich gebe auch offen zu: Sie war nicht ganz ernst gemeint... :)
Allerdings war doch grad damals beim Old-School der SL-Tyrann ein typisches Phänomen.
Von daher würde es durch aus dazugehören, dem Raum zu geben.

Wenn man darüber reden will wie früher gespielt wurde, ja.
Wenn es um diesen "old school"-Stil geht, der angeblich gerade von vielen neu entdeckt wird, dann würde ich nicht zustimmen. Da kann man denke ich, entschiedener ausklammern was für Spielverhalten störend und nervend ist. Denn was mir auch in diesem Thread wieder aufgefallen ist, ist die Vorstellung, dass "old school" etwas dümmliches, billiges und primitives ist, dass man nur durch die rosarote Brille der Nostalgie genießen kann und was "richtigem Rollenspiel" eher im Weg steht.

Dem SL-Tyrann da noch Tür und Tor zu öffnen, verstärkt da nur bestimmte Vorurteile.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Boba Fett am 14.10.2008 | 11:50
@Georgios: Ich gebe Dir erstmal recht.
In diesem Thread wurde aber auch darüber gesprochen, was als oldschool (spielen wie damals) verstanden werden soll.
Und da muss man eben auch die Mißstände ansprechen, dass eben nicht "alles gut" war. Es war aber ebenso auch nicht "alles schlecht"- es war eben "manches anders"!

Meine 10 Cent dazu:
Das Rollenspiel "damals" sehe ich nicht als dümmlich, billig oder primitiv an.
Viele Spieler waren weniger erfahren und insgesamt gab es auch weniger Erfahrungen aus denen Schlüße gezogen werden konnten. Das spiegelt sich sowohl in der Art, wie Spiele entwickelt wurden / heute werden wieder, als auch darin, wie mit Problemen umgegangen wird.
Das Durchschnittsalter der Spieler (auch der Einsteiger) war erheblich jünger - man hatte mehr Zeit, konnte mehr Zeit investieren, musste (und wusste) aber die Zeit, die man hatte nicht so effektiv (zu) nutzen, weil dafür keine Notwendigkeit bestand.
Die Vernetzung ist heute dichter und einfacher, allein durch das Internet.
Heute kann eben auch einfacher aus Erfahrungen anderer zu profitieren. Man wird weniger bei Null beginnen müssen, wegen der Vernetzung und auch durch das größere Angebot, dass einem zur Verfügung steht.
Die Erwartungen waren geringer - man war schneller zufrieden - zum Einen, weil man gar nicht wusste, was möglich war und zum Anderen, weil man durch andere "mediale" Angebote auch noch nicht so gewaltung mit Eindrücken überflutet war.
Es ging aber wegen der mangelnden Erfahrung und Kentnisse mehr daneben. Allerdings wurden Mißerfolge auch einfacher abgehakt und nicht immer zur Staatsaffäre gemacht (auch eine Frage von Zeit, wenn die einzige Sitzung im Monat daneben geht, ist das auch ärger, als wenn man 3 mal in der Woche spielt).
Jüngere Spieler spielen weniger vorsichtig und sind auch leichter bzw. stärker zu begeistern. Auch das hat Auswirkungen, in Bezug auf das höhere Durchschnittsalter der Spieler.
Fanwork (eigenkreationen) wurde früher wohl mehr gemacht, eben weil es weniger angebot gab, dafür werkelte man mehr im stillen Kämmerlein hin, weil es keine echte Vernetzungsmöglichkeit gab. Heute kann man sich im Internet präsentieren und das nutzen auch nicht wenige (und profitieren auch teilweise dann qualitativ davon).

Der Retro-Effekt muss immer eine leichte Verklärung der Vergangenheit im Blick haben.
Menschen verdrängen nun mal das unangenehme und heben sich die schönen Erinnerungen auf und das hat auch Auswirkungen.
Daher sollte man sich das eben auch bewusst machen, dass die Betrachtung der Vergangenheit schnell verklärend ausfällt.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 14.10.2008 | 11:59
@ Boba: Dem stimme ich zu. Außerdem ist eine ironische Distanzierung integraler Bestandteil der meisten Retrowellen. So auch im Rollenspiel. Das hat nix mit "richtigem Rollenspiel" zu tun, sondern kommentiert einfach liebevoll-satirisch die damaligen und aus heutiger Sicht tatsächlich bisweilen sehr tapsigen Bemühungen. Dem stehen aber unabhängig von der nostalgischen Verklärung - und das wurde ja zur Genüge von vielen Leuten betont - auch diverse attraktive Elemente gegenüber, die gern und sinnvollerweise wieder in den Mittelpunkt des heutigen Interesses gerückt werden. Dass diese attraktiven Elemente sich jedoch in der Wahrnehmung der Poster hier im Thread erheblich unterscheiden, haben wir bei der Gelegenheit auch gleich festgestellt. Wunderbar  :D
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: JS am 14.10.2008 | 12:09
fragte man hier jemandem zu spielart und wesen von "new school", erhielte man von 5 leuten 8 meinungen. daher ist es doch eigentlich müßig, "old school" als retroschiene zu erkennen, wenn niemand genau weiß, worin sich allgemein "old school" auszeichnet. sieht eh jeder etwas anders.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Kinshasa Beatboy am 14.10.2008 | 12:14
fragte man hier jemandem zu spielart und wesen von "new school", erhielt man von 5 leuten 8 meinungen. daher ist es doch eigentlich müßig, "old school" als retroschiene zu erkennen, wenn niemand genau weiß, worin sich allgemein "old school" auszeichnet. sieht eh jeder etwas anders.

Also ich fand diese Erkenntnis überraschend und hilfreich. Hätte vermutet, dass größere Einigkeit besteht. Die drei in diesem Thread zu findenden und natürlich verschieden ambitionierten Definitionsversuche unterscheiden sich jedenfalls enorm voneinander und fanden allesamt Leute, die die jeweilige Sichtweise teilen. Insofern hat der Thread durchaus was gebracht, auch wenn die nachgelagerte Frage nach den Gründen für die Retrowelle, die eigentlich den Kern des Threads bilden sollte, dadurch ein wenig obsolet geworden ist. Passiert  ;D
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Funktionalist am 14.10.2008 | 12:17
naja, dann gibt es halt min. drei verschiedene Mengen von Gründen...

Ich vermute mal, dass Georgius hauptsächlich SL war und die Leute, die etwas vom SL-Tyrannen/Spielerverarschen erzählen hauptsächlich Spieler...
>;D

Das Ganze also nur zwei Seiten der gleichen Medaille sind.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Greifenklaue am 14.10.2008 | 12:32
Da gerade unsere Mystara-Runde startet (gestern Helden ausgewürfelt) und im Zuge dessen ein cooles Plakat gefunden wurde, will ich es Euch nicht vorenthalten:

(http://stumbbl.com/Images/dd-invite.png)

Edit: *argl*

Wer es lesen will - http://stumbbl.com/Images/dd-invite.png
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Crimson King am 14.10.2008 | 12:35
Hätte vermutet, dass größere Einigkeit besteht.

Die besteht vermutlich auf einer intuitiven Ebene in recht großem Maße. Nur wenn es an die Definition geht, kommt man nicht so gut zueinander, weil Oldschool nicht einfach auf einen engen Rahmen festzulegen ist.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Beral am 14.10.2008 | 12:39
Die Spielweltlogik kann nur in groben Zügen vom Regelwerk abgedeckt werden, da sie ja erst am Spieltisch entsteht. Sowohl die Frage wie die Spielwelt aussieht, wie sie funkioniert oder woran man eine feste Spielweltlogik erkennt, kann erst beantwortet werden, wenn die Gruppe am Tisch sitzt und sich die Spielwelt vorstellt.
Das sehe ich anders. Aber angenommen, deine Behauptung stimmt, dann bedeutet das, dass Regelwerk und Setting die innere Logik in alten Zeiten nicht unterstützt haben. Damit ist meine erste Frage beantwortet und wird die zweite Frage umso dringlicher: Wie haben die SL trotzdem eine innere Logik erschaffen, wenn ihnen nicht mal Hilfsmittel dazu an die Hand gegeben wurden?

Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Boba Fett am 14.10.2008 | 12:51
Hätte vermutet, dass größere Einigkeit besteht.
Die besteht vermutlich auf einer intuitiven Ebene in revcht großem Maße. Nur wenn es an die Definition geht, kommt man nicht so gut zueinander, weil Oldschool nicht einfach auf einen engen Rahmen festzulegen ist.
Sehr gut möglich...
Andererseits könnte es auch einfach daran liegen, dass durch die fehlende Vernetzung sich das Rollenspiel "damals" ja auch parallel unterschiedlich entwickelt haben kann.
fragte man hier jemandem zu spielart und wesen von "new school", erhielte man von 5 leuten 8 meinungen.
Ja, aber es gibt ja inzwischen auch 5-8 neue Ausrichtung in der Frage "wie wird gespielt" - New School kann man daher kurz und prägnant höchstens mit "spezialisiert" beschreiben.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Crimson King am 14.10.2008 | 13:04
Das sehe ich anders. Aber angenommen, deine Behauptung stimmt, dann bedeutet das, dass Regelwerk und Setting die innere Logik in alten Zeiten nicht unterstützt haben. Damit ist meine erste Frage beantwortet und wird die zweite Frage umso dringlicher: Wie haben die SL trotzdem eine innere Logik erschaffen, wenn ihnen nicht mal Hilfsmittel dazu an die Hand gegeben wurden?

Hausregeln. Die RHS-Regelwerke haben sich aus der Idee heraus gebildet, möglichst alles über definierte Regeln abfackeln zu können. Die Cinematic Action- und Storytelling-Systeme haben sich daraus gebildet, dass viele Spieler bereits vorher versucht haben, action- beschreibungslastiges bzw. storytechnisch SC-zentriertes Rollenspiel zu betreiben, darin aber von den vorhandenen Systemen nicht unterstützt wurden.

Im Übrigen bin ich nach kurzem Nachdenken darauf gekommen, dass es wirklich nicht *Das* Oldschool-Spiel gibt. Ich habe mit D&D 1st Edition angefangen und bin später zu Midgard und Midgard/Saga-Eigenbau umgestiegen. Die Spielweisen haben sich aber auch geändert. Bei Midgard gab es dicke Charakterhintergründe und Abenteuer mit Plottwists, bei D&D ein paar Erststufler, die in ein Dungeon einstiegen. Trotzdem war beides Oldschool aus meiner Sicht. Beides zielte nicht auf Story, Drama, Action ab, sondern auf ein simples "Was wäre wenn". Es sollte im Grunde eine Simulation sein, die eine mehr taktisch, die andere mehr in Bezug auf Charakterhandlungen. Die Abenteuer waren immer generisch und sollten im Grunde mit beliebigen Gruppenzusammensetzungen mit passendem Powerlevel spielbar sein.

Der Begriff "New School" ergibt aus meiner Sicht im Übrigen keinen Sinn. "Oldschool" definiert die Zeit, als Rollenspiel noch Rollenspiel war und nicht in drölfzig verschiedene Spielweisen unterteilt wurde. Vor den Cinematic Action- und Storytelling-Systemen gab es meines Erachtens noch keine regeltechnische Unterstützung verschiedener Spielstile.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: JS am 14.10.2008 | 13:28
New School kann man daher kurz und prägnant höchstens mit "spezialisiert" beschreiben.

... old school doch auch...
 ::)
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: D. Athair am 14.10.2008 | 13:48
Aber angenommen, deine Behauptung stimmt, dann bedeutet das, dass Regelwerk und Setting die innere Logik in alten Zeiten nicht unterstützt haben.
Wie kommst du denn darauf.

Wie haben die SL trotzdem eine innere Logik erschaffen, wenn ihnen nicht mal Hilfsmittel dazu an die Hand gegeben wurden?
Genau diese Hilfsmittel gab es. Die fanden sich unter den SL-Tipps.
Ersetzt haben sie tonnenweise fluff.



Es gibt gerade keine new school.
New School muss mMn den Spagat zwischen "etabliert" und "visionär" schaffen.
Das wäre im Moment?



edit: Wenn man die Frage nach Retro mit Design-Moden klären will, dann bedeutet Retro für mich:
Explorational Wargames und Literary Simplicity und vereinzelt Rules-Heavy Worlds.
Erklärungen dazu gibt's hier (http://www.darkshire.net/jhkim/rpg/theory/fashions.html#explorational).
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Beral am 14.10.2008 | 15:28
Wie kommst du denn darauf.
Ich als ahnungsloser Gesell frage die Leute nach ihrer Einschätzung und sie erzählen mir, dass die innere Logik zwar zentrales Element von Old School sein soll, dass sie aber vom Regelwerk nicht unterstützt wurde. Da kratze ich mir schon ein wenig am Kopf. Jetzt sagst du auch etwas gegenteiliges.
Vielleicht sollte ich die Diskussion darüber in einen eigenen Thread auslagern.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Crimson King am 14.10.2008 | 15:37
Mit innerer Logik ist wohl eher ein nachvollziehbarer Ablauf von Ereignissen auf Basis von Ursache und Wirkung gemeint. Die Regeln machen Vorgaben, nach denen Ursachen und Wirkungen innerhalb der Spielwelt auf physischer Ebene vernüpft werden. Metaregeln sind im Oldschool-Rollenspiel kaum bis garnicht vorhanden. Insofern hat man keine Verantwortung, beim Ausspielen irgendwelchen Vorgaben von Dramatik oder Story zu folgen. Der Charakter handelt auf Basis des ihm vom Spieler mitgegebenen Wesens und des Wissens über Spielwelt. Der Satz "Mein Charakter ist halt so" aus dem Mund des Spielers, dessen Charakter gerade einen anderen Gruppencharakter im Schlaf gemeuchelt hat, quasi das Gegenstück zum SL-Tyrannen, kommt aus der guten alten Zeit.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Joe Dizzy am 15.10.2008 | 12:07
Metaregeln sind im Oldschool-Rollenspiel kaum bis garnicht vorhanden. Insofern hat man keine Verantwortung, beim Ausspielen irgendwelchen Vorgaben von Dramatik oder Story zu folgen.

Realismus bzw. Plausibilität ist so betrachtet auch eine Metaregel. Nur dass sie halt nicht ausdrücklich mit Zahlenwerten, Spielchips oder Hit Points festgehalten wird, sondern eher als Grundsatz für alle Beteiligten (insbesondere den SL) gilt. Das ist ein Punkt, der im Kontext des Wargamings selbstverständlich und nicht weiter erwähnenswert ist. Weshalb es in Spielen wie D&D auch nur implizit Erwähnung findet.

Da aber Rollenspiel sich auch stark an den Fantasiewelten aus der Literatur bedient hat, ist es auch nur logisch, dass Dramatik und Story ebenfalls einen ähnlichen Stellenwert für eine Spielrunde einnehmen kann: eine unausgesprochene Metaregel, bzw. Prinzip welches dem gesamten Spiel zu Grunde liegt. Die Behauptung dass Dramatik und Story nichts mit "old school" zu tun haben ist zu einfach gedacht. Diese Dinge werden bereits mit einbezogen wenn man Monster aus Sagen oder Mythen einbringt. Ihr Verhalten, ihr Auftreten und ihre Fähigkeiten sind sowohl über den Realismus der Spielwelt wie auch über die Plausibilität der Story und der Dramatik zu verstehen.

Um mal ein Klischee auszukramen. Die frisch aus dem Verlies befreite Prinzessin schmeißt sich nicht deshalb dem Helden um den Hals, weil er so einen tollen Charisma-wurf hingelegt hat oder weil es realistisch (im Sinne von physikalisch erklärbar) ist. Sondern weil es von der Story und der Dramatik (nach Ermessen des SLs) passt, dass sie sich den Charakteren gegenüber so verhält. Der SL entscheidet nicht aufgrund irgendwelcher neurologischer Kenntnisse oder Einblicke in den Endorphinhaushalt des NSCs, sondern aufgrund der Story und Dramatik. In manchen Fällen aufgrund eines rudimentären Verständnisses von Psychologie, aber diese Psychologisierung einer fiktiven Person ist auch nichts weiter als ein Teil einer Story.

Aber genauso wie der Realismus (dessen Einhaltung sonst in der Hand des SLs liegt) in einigen Spielen in die Regeln verlagert werden sollte - ich denke hier vor allem an Spiele wie Rolemaster oder Hârn, die sich ja genau damit rühmten - kamen irgendwann auch Leute auf die Idee bestimmte Prinzipen der Dramatik und der Story in klaren Regeln auszudrücken. Anfangs waren das kleine Punkte wie Humanity-regeln bei Vampire, später wurde das dann etwas konkreter wie etwa bei "With Great Power...", wo der Spannungsbogen einer Runde als Spielplan vorliegt. Diese ausdrücklichen Metaregeln gibt es in der "old school" eher selten. Das ist richtig.

Dennoch ist die Vorstellung, dass "old school" und Story/Dramatik nicht vereinbar wären eine Illusion. Wie auch Realismus, lag Story und Dramatik in der Hand des SLs und der Spielgruppe. Es war eine von vielen Möglichkeiten um seine Runde an den Geschmack der Gruppe anzupassen. Wenn "old school" sich durch irgendetwas ausgezeichnet hat, dann durch den "Do-It-Yourself"-Gedanken. Angefangen von den Dingen, um die man das Spiel erweitern muss, um es zu spielen (z.B. NSCs, Orte, Ereignisse, etc.) aber auch das Erlernen und sich Aneignen von neuen Ideen um das Spiel so auszubauen (z.B. Dramaturgie, überraschende Wendungen, etc.)

Die große Stärke der "old school" ist auch zugleich ihre große Schwäche: man macht alles selbst. Eine Anleitung und Hilfestellung bzw. Vorgaben und Regeln existieren wenn dann nur in sehr rudimentärer Form.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Crimson King am 15.10.2008 | 12:39
Das Vorhandensein habe ich nicht abgestritten, lediglich den Fokus und das dieser durch die Regeln bedient wird.

Die Regelwerke für Cinematic Action und Storytelling entstanden meines Erachtens vor allem, weil es viele Spieler gab, für die solche Aspekte wichtig waren und die sie deshalb durch Regeln unterstützen wollten. Vorher wurde so etwas entweder garnicht, nach Gutdünken durch den SL oder über Hausregeln abgefackelt, was ja den von dir genannten Do-it-yourself-Gedanken wiederspiegelt. Die geschriebenen Regeln deckten zunächst nur den Wargaming-Aspekt und später im RHS-Sektor teilweise den Aspekt sozialer Interaktion ab.
Titel: Re: Retro-Overkill
Beitrag von: Falcon am 15.10.2008 | 12:53
wenn "Mein Charakter ist halt so" (oder auch "diese Situation ist halt so") aus der guten alten Zeit stammen soll, dann bin ich froh sowas nicht mehr spielen zu müssen. Das ist häufig der Tod für jede Story/Dramatik, Letzteres entsteht dann eher durch Zufall.
Das ist für mich eher ein Syndrom der Philosophie der zweiten Generation von Rollenspielen/-spielern und hat gar nix mit OldSchool zu tun.

EDIT:
es stimmt wohl, daß OldSchoolregeln eher SettingRealismus im Fokus haben. Das hat aber anscheinden niemanden davon abgehalten eben doch story/dramatik zu spielen (also kein "is halt so"). Das ist dann wohl irgendwann völlig verloren gegangen als vor allem in Deutschland der Gedanke aufkam, nichts anderes als die Regeln spielen zu dürfen (und da gab es eben nur die Realismus Regeln => Zack, die Geburt von "is halt so"). Die wurden dann auch noch ausgebaut (RHS) und weil die Philosophie scheinbar niemals wieder abgeklungen ist, baute man schlussendlich Story/Dramatikregeln ein um wieder das zu bekommen, was früher OHNE Regeln gemacht wurde.
D&D war davon bis zuletzt aber immer unberührt. Gab ja quasi keine Story/Dramatik regeln, die D&D Spieler (die ich kenne und über die ich gehört habe) haben das seit jeher "einfach so" gemacht.

mit Georgies Beschreibung kann ich mich da also schon um einiges eher identifizieren, wenn es um Old-School geht. Wobei ich sagen muss, daß ich daß erst kürzlich (sprich vor 1-2 Jahren) für mich entdeckt habe und mich vorher mit Realismus und "is halt so" Abescheulichkeiten und extrem starker Regulierung rumschlagen musste.