Wie der Titel schon sagt, hege ich sehr gemischte Gefühle für Dungeon Delve und Dungeonaday. Anders: ich finde das Zeug scheiße.
Das liegt an ein paar grundsätzlichen Bedenken, die ich gerne mit Euch teilen würde. Bin sehr gespannt auf Eure Meinungen.
Mir gehen Dungeonaday und Dungeon Delve in all ihrer reduktionistischen Pracht zu weit. Ich habe gestern ausgiebig in Dungeon Delve für 4E geschmökert und der Inhalt ist mir im Fazit rollenspielerisch zu limitiert. Punkt.Ich vermute, dass Dungeonaday in eine ähnliche Richtung geht, da Monte Cook immer schon ein Vorreiter dieser Tendenz war und mir bislang noch kein einziger seiner Beiträge auf Anhieb gefallen hat. Im Gegenteil. Dass sich Cooks Denke nun aber sukzessive durchzusetzen scheint, finde ich bedauerlich....
Lustigerweise fällt mir parallel auf, dass ich Monte Cooks Präferenzen immer ein paar Jahre hinterherhinke und bisweilen erst später goutieren kann. Mit anderen Worten: wo Monte Cook vor ein paar Jahren stand und was er da so getrieben hat, finde ich heute deutlich erträglicher als damals. Vielleicht bin ich also einfach nur ein reaktionärer Vollidiot und werde nächstes Jahr anfangen, Ptolus toll zu finden und mich in fünf Jahren um Dungeonaday reißen. Kann durchaus sein :D
Begründung:
Wie schon häufiger angemerkt, gibt es im Rollenspiel meiner Meinung nach eigentlich zwei Hobbies, die nur eine begrenzte Schnittmenge aufweisen. Dieser Umstand wird aus meiner Sicht bislang nur unzureichend oder defizitär kommuniziert und das ist einer der maßgeblichen Gründe, weshalb viele Diskussionen hier im Forum und anderswo sehr schwierig bis ergebnislos verlaufen oder schwerwiegende Missverständnisse entstehen.
Worum handelt es sich bei diesen zwei Hobbies nun? Das ist sehr einfach, wurde in dieser Form schon häufig formuliert und erscheint auch mir, Rollenspieltheorie hin und her, am plausibelsten:
1. RollenSPIEL
2. ROLLENspiel
Einerseits existiert aus meiner Sicht eine Form des Rollenspiels mit Betonung des Spielaspekts von RollenSPIEL. Das beinhaltet durch die zumeist regelaffine Betonung taktischer Elemente einerseits die meisten Aspekte von Skyrock-ARS und Konsorten, andererseits aber durch die deterministische oder quasi-deterministische Simulation der Spielwelt auch Ansätze wie Settembrini-ARS in weiten Teilen. Außerdem sind im RollenSPIEL Elemente des ROLLENspiel (s.u.) zwar mit Einschränkungen integrierbar, aber optional, also nicht erforderlich.
Die Alternative sind ROLLENspiele, in denen erheblich mehr Wert auf Dinge wie Plot, Schauspiel, Drama, Choreographie, Persönlichkeitsentwicklung der Charaktere etc. gelegt wird. Analog kann auch in ROLLENspielen ein gewisses Maß an RollenSPIEL betrieben werden, aber das geht ziemlich zwangsläufig auf Kosten der "Erzählung". In diesem Zusammenhang darf man dann mal ernsthaft darüber nachdenken, ob und wie es sich bei dieser Art von Hobby um eine künstlerische Aktivität handelt. Aber auch das ist ein anderes Thema.
Die Übergänge zwischen den beiden Spielformen könnten dabei fließend sein, sie sind es aus meiner Sicht in den allermeisten Runden, die ich bislang kennengelernt habe, jedoch nicht. Im Gegenteil herrschen nach meiner Erfahrung in einer Runde entweder RollenSPIEL oder ROLLENspiel ziemlich eindeutig vor, Mischformen sind eher selten. Es gibt zwar ein paar Systeme, die beide Varianten wunderbar ermöglichen würden. SR4 ist so ein Fall. Aber in den mir bekannten Fällen wählen die Runden dann doch entweder die eine oder die andere Variante in recht starker Ausprägung. Den Grund dafür sehe ich im Tradeoff zwischen RollenSPIEL und ROLLENspiel.
Es ist möglich, Elemente beider Formen zu kombinieren. Diese Elemente reduzieren aber die Vorzüge der jeweils anderen Form, was die Attraktivität der Kombination der Elemente beider Formen reduziert. So führt mehr Ergebnisoffenheit zu weniger Dramaturgie (im Sinne klassischer Strukturen; natürlich kann sich retrospektiv Dramaturgie ergeben, aber das ist dann erheblich zufälliger) und umgekehrt.Was ich mir in diesem Zusammenhang noch nicht erklären kann, ist die systematische Paarung der Interessen. So hege ich zwar eine leichte Präferenz für Erzählspiele, aber ich mag und spiele sowohl RollenSPIELe als auch ROLLENspiele. Allerdings ziemlich getrennt entweder das eine oder das andere. Das scheint mir auf die Mehrheit der Rollenspieler zuzutreffen. Kriterien, welche eine Vorhersage der Präferenz erlauben, sehe ich leider noch nicht viele. Es gibt offenkundig einen Geschlechtereffekt (Männer neigen eher zu RollenSPIELEN, Frauen eher zu ROLLENspielen), aber darüberhinaus fällt mir nicht viel ein.
Was hat das alles nun mit Dungeonaday und Dungeon Delve zu tun und warum mag ich (vermutlich) Dungeonaday und (mit Sicherheit) Dungeon Delve nicht? Weil mir das RollenSPIEL zu weit geht und ich dann irgendwann tatsächlich optional auch Descent spielen könnte.
Das D&D-Zeug (besonders 3.x und 4), aber auch Savage Worlds sowie die meisten Retrospielchen erlauben trotz starker RollenSPIELtendenzen wie oben erwähnt eine zwar limitierte, aber immerhin vorhandene Portion ROLLENspiel. Das macht für mich, abermals ohne näher definieren zu wollen, den Unterschied zu Descent aus. Natürlich kann man auch in Descent ROLLENspiel betreiben, aber dort sind die Grenzen erheblich enger gesetzt. Und diese Grenze wird nun beim RollenSPIEL verschoben. Jedenfalls habe ich gestern in Dungeon Delve für 4E geschmökert und das ist mir dann doch ein paar Nummern zu hart. Ich vermute, Dungeonaday geht in eine ähnliche Richtung.
Natürlich lässt sich einwenden, dass ein cleverer SL Dungeonaday oder Dungeon Delve für die Vorbereitung eigener Szenarien nutzen kann. Aber für diese Zwecke gibt es genügend andere Ressourcen, die sich besser und einfacher adaptieren lassen als ein augenscheinlich wahllos zusammengewürfelter, nahezu komplett fluffloser Haufen von 3-Raum-Dungeons im Falle von Dungeon Delve. Das passt besser zu einem Mission Book für Heroquest.
Soweit meine paar Gedanken. Ich bin gespannt auf Eure Antworten und freue mich auf Eure Beiträge und eine fruchtbare Diskussion!!!
Gilt das für alle Antworten und für alle Beiträge? NEIN! Da ich das Thema nicht nur spannend finde, sondern es mir auch am Herzen liegt, möchte ich eine verkeilte Detaildiskussion vermeiden. Daher probiere ich an dieser Stelle mal was Neues aus, um die Diskussion in aus meiner Sicht sinnvolle Bahnen zu lenken.
Vor einem Posting bitte ich Euch um die folgenden beiden Überlegungen:
1. Hast Du ganz persönlich den Eindruck, dass wir beide uns in der Vergangenheit fruchtbar in einem Thread oder privat ausgetauscht haben? Falls das der Fall sein sollte, freue ich mich sehr auf Deine Stellungnahme. Falls das nicht der Fall sein sollte, bitte ich von einem Beitrag abzusehen.
2. Bezieht sich Deine Antwort auf das Große und Ganze des Threadthemas oder geht es Dir nur um eine Kleinigkeit, eine einzelne Formulierung oder um eine Definition? Bevor Du ins Detail gehst, wäre ich für Beiträge dankbar, die sich auf das Thema des Threads beziehen, nämlich die Zweiteilung des Hobbies, die Tendenz, dass mit den beiden genannten Publikationen die Grenzen des RollenSPIELs verschoben werden, und den Tradeoff zwischen den beiden Formen. Etwaige Bitten um die Klärung von Definitionen, Kleinigkeiten oder Formulierungen bitte ich aus Gründen der Übersicht nicht in den Thread zu schreiben, sondern mir per PM mitzuteilen. Ich aktualisiere dann den Thread entsprechend. Ebenso werde ich die Beiträge, falls der Thread auf Interesse stößt, regelmäßig zusammenfassen. Das hat in der Vergangenheit gut funktioniert.
Falls Ihr diese etwas ungewöhnlichen Bitten nicht nachvollziehen könnt oder scheiße findet, bitte ich ebenfalls aus Gründen der Übersicht um eine PM anstelle einer Diskussion im Thread. Bin mal gespannt, wie das System so funktioniert. Bitte entschuldigt die Umstände.
Mir ist ansonsten übrigens durchaus klar, dass die getroffene Unterscheidung extrem unscharf ist, kaum definiert werden kann und entsprechend eine klare Abgrenzung der beiden Aspekte in diesem Post fehlt. Das kann bei Interesse gerne in einem anderen Thread versucht werden.
Hier geht es erst einmal um die grobe Linie, also erstens um die Formulierung des Unterschiedes, zweitens um Eure Meinung hinsichtlich des Sinngehalts einer solchen Trennung im Hinblick auf Strömungen wie Dungeonaday oder Dungeon Delve und drittens um den Balanceaspekt, also den gegenseitigen Tradeoff der beiden Stile, welcher bewirkt, dass zwar Komponenten der einen Form in die andere integriert werden können, das jedoch zu entsprechenden Nachteilen führt.
Natürlich kann man zusätzlich anmerken, dass ich hier im Prinzip GNS subsummiere und nur die Simulationisten rauskicke. Ich möchte die Diskussion aber erstens nicht mit diesem emotional aufgeladenen Ballast überfordern und zweitens geht es mir wie gesagt viel mehr um die Entwicklung und das Ausloten der Ausprägungen über Publikationen wie Dungeonaday und Dungeon Delve sowie um den Balanceaspekt. Beides findet in GNS meines Wissens nicht ausdrücklich Erwähnung. Insofern halte ich GNS für diese Diskussion nicht für erforderlich und würde entsprechend darum bitten, auf die Verwendung von Forgesprech zu verzichten.
Man kann zwar weiterhin argumentieren, dass Dungeonaday und Dungeon Delve als eine Art Antwort der Gamisten auf das Forgezeugs mit den Narrativistenspielereien aufgefasst werden kann. Das wäre ebenfalls eine spannende Frage, aber darum soll es hier bitte ebenfalls nicht gehen ;)
Auch die Ausschließlichkeit des Auftretens entweder von ROLLENspiel und RollenSPIEL in konkreten Runden kann man bestimmt trefflich diskutieren und ich weiß, dass das auch bei GNS ein endloser Punkt ist. Wenn Euch das Thema interessiert: abermals ist die Lösung ein eigener Thread ;)
Nun aber frisch an die Tasten! Auf eine lässige Diskussion :d
Und was genau ist eigentlich nochmal dein Anliegen? ;)
Das ist die entscheidende Frage. Danke.
Ich glaube, dass es kein Modell gibt, welches für die Allgemeinheit eine zufriedenstellende Erklärung der Facetten von Rollenspiel liefert. Mir persönlich reicht die simple Unterscheidung in RollenSPIEL und ROLLENspiel vollkommen aus. Das kann man leicht auseinandernehmen oder auch nicht. Meinetwegen.
Worum es mir in dem Thread geht, sind drei Dinge:
1. Die partielle Inkompatibilität der beiden Aspekte Rolle und Spiel. Wenn man Rolle etwas weiter fasst, wie ich in dem Beitrag oben, dann stellt man fest, dass mit zunehmender Ausrichtung auf diesen Pol der andere Pol leidet. Und umgekehrt. Es ist aus meiner Sicht eben NICHT reibungslos möglich, ROLLE und SPIEL ohne erhebliche Reibungsverluste zu kombinieren. GNS nennt das aus einem anderen Blickwinkel, mit verschiedenen Vorzeichen etc. dysfunktionales Spiel, meine ich zu erinnern, begründet das aber anders. Soll hier bitte nicht das Thema sein.
2. Wenn man das RollenSPIEL komplett vom ROLLENspiel entkoppelt, erhält man irgendwann Descent oder noch weniger Rolle. Ich stelle also zumindest mal für mich fest, dass es ungeachtet der partiellen Inkompatibilität der beiden Formen trotzdem ein gewisses Maß an Vermischung gibt, welches ich selbst bei einem ausdrücklichen RollenSPIEL nicht unterschreiten möchte. Das finde ich erstaunlich. Aus den Antworten von Arkam, Surtur und Greifenklaue entnehme ich ähnliche Tendenzen.
3. Im konkreten Fall von Dungeon Delve wird bei mir die Grenze überschritten. Geht es anderen auch so oder streckt Ihr früher/später die Wafften?
4. Offenbar am heißesten umstritten: Nach meiner Erfahrung sagen erst einmal alle Rollenspieler und alle Gruppen, dass sie natürlich einen Mix spielen. Wenn ich dann aber die Gruppen sehe, komme ich zu einer anderen Einschätzung. Zusätzlich glaube ich aber den Grund dafür zu kennen, dass sich die meisten Runden eher an einem der beiden Extreme als in der Mitte tummeln: die sich gegenseitig bedingenden Dysfunktionalitäten.
Ungefähr das ist mein Anliegen. Danke für die Frage nach einer Konkretisierung.
Nur kurz eine Erfahrung von mir:
ROLLENspiel + rollenSPIEL ≠ ROLLENSPIEL
Mehr kann ich dazu nicht schreiben, weil ich erstmal Begriffe sortieren muss.
Das sind: (true) old school, Explorationsspiel, Storytelling, Erzählspiel, Stimmungsspiel, Freeform,
Meta-Play, Wettbewerbs- & Herausforderungs-RSP, Story Game, traditionelles RSP. Gut - eigentlich geht
es bei mir um die Frage, welchen Lerneffekt welche Spielform mit sich bringt.
Wer will kann mir ja an geeigneter Stelle sortieren helfen. -> PN