Sie hatten sie eingeholt und in einer engen Gasse gestellt. Ihr Blick fiel auf die eng beieinander stehenden Hauswände – nein, nach oben gab es kein Entkommen. Vor ihr waren sie zu dritt, hinter ihr hörte sie die Schritte von mindestens zweien.
„Wen haben wir denn da?“ lachte der Anführer sie an, sie erkannte ihn: der Streich, den sie ihm vor wenigen Wochen versetzt hatte, leuchtete immer noch rot auf seiner Wange. Ihre Hände glitten zu den beiden Kurzschwertern an ihrer Seite. Er sah die Bewegung, und unwillkürlich fuhr seine Hand zu seinem Gesicht, so als ob er den Schnitt noch einmal spüren würde. Hastig machte er einen Schritt rückwärts, während er „schnappt sie euch“ zischte.
An ihren Bewegungen erkannte sie, dass die Schläger erfahren waren. Sie glitten vorsichtig auf sie zu, abmessend, prüfend. Schon klirrte Stahl auf Stahl. Sie warf sich zu Boden, über ihr zischte eine Klinge durch die Luft, von hinten geführt. Ein Sprung zur Seite, sie stand mit dem Rücken zur Wand, hatte aber wenigstens alle Angreifer im Blick. Sie standen ruhig, lauernd, ihre Haltung, ihre Stellung – sie wußten was sie taten, nicht so wie der lächerliche Aufseher des Bordells, der ein gutes Dutzend Schritte entfernt stand und mit gierigen Blicken den Kampf verfolgte.
Wieder sprangen sie vorwärts, die Frau parierte, stach zu, ein Schnitt durchtrennte Seide und Fleisch an ihrem Arm, fast hätte sie ihr Schwert verloren, aber ihr Griff blieb gerade fest genug, sie sprang wieder zur Seite, direkt in einen Tritt, der ihr die Luft aus den Lungen zwang.
Ihre Beine zitterten, sie wusste, es war vorbei, aber lieber sterben – ein Pfeilschaft ragte plötzlich aus dem Arm eines ihrer Angreifer, ein zweiter bohrte sich in das Bein eines zweiten. Sie drehten sich alle um, drei junge Kerle mit eng geschnürten Hosen stürmten in die Gasse, ließen gerade ihre kurzen Bögen fallen und zogen Schwerter. Laut gellten ihre schrillen Rufe die Häuserwände entlang, und Sekunden später war der Spuk vorbei.
„Ich weiß nicht, wie ich euch danken soll“ verneigte sich die Gerette vor den Burschen, die den Kampf für einen Spaß zu halten schienen. „Ihr seid uns keinen Dank schuldig!“ lachte ihr hagerer Anführer, während er ein Tuch auf einen Schnitt in seinem Arm presste. „Die Schurken haben ihre Abreibung verdient.“
„Dennoch will ich euch meine Dankbarkeit erweisen.“
„Dann dankt nicht uns, sondern Zhanzhe Mohe – er hat uns gelehrt, dass wir für unsere Freiheit und die unserer Freunde einstehen müssen!“ erwiderte einer mit weit auseinander stehenden Augen. Es war wohl im Spaß gemeint, aber es war, als hätte er damit eine wichtige Saite im Inneren der Frau angeschlagen. Für die eigene Freiheit einstehen, das wollte auch sie!
Wenige Tage später erreichte sie spät abends ein Gasthaus, das würde das Longpo sein, in dem sich Zhanzhe Mohe aufhalten sollte. Würde er auch ihr einen Weg in die Freiheit weisen?