Was folgt, ist erstmal eine Rezi zu dem Abenteuer »Unter Wudu« (UW) von Magnus Epping aus dem Abenteuer-Band »Helden der Geschichte«, der der DSA-Box Dunkle Zeiten (DZ) beiliegt. Ich stelle diese absichtlich nicht in das Rezi-Board, weil es mir mehr und eigentlich darum geht, aufgrund und anhand der Rezi einmal darzustellen, wie ich mir mein persönliches, perfektes, Wunsch-DSA-Abenteuer vorstelle. Und da diese Darstellung meiner Vorstellung sicher kommentiert, kritisiert, ausgebuht oder mit faulem Obst traktiert werden kann, will ich sie zur Diskussion stellen.
Die Rezi enthält Spoiler, die ich nicht extra kennzeichne. Meine mir angeborenen Anmerkungen und Abschweifungen packe ich der besseren Lesbarkeit wegen in Spoiler.
Das AB spielt vor Nemeka. Handlung: Helden erleben in Sylla einen Überfall der Wudu. Anschließend werden sie gebeten, ein Artefakt wiederzubeschaffen, das die Wudu vor einem halben Jahr aus dem hiesigen Boroun-Tempel entwedet haben und das den untoten Tschumbies die Fähigkeit verleiht, auch tagsüber umzugehen. Die Helden müssen in den großen Kral der Wudu und das Artefakt rauben.
Also eine einfache Mission.
In Sylla sammeln die Helden erst einmal Informationen, aufgrund derer sie einen Plan entwerfen können, wie und unter welchen Umständen sie in den Kral gelangen sollen: Sich einschleichen, als Gefangene oder als Tschumbie-Anwärter. Im letzten Fall müssen sie die Schlucht ohne Wiederkehr durchqueren, quasi als eine Art Eignungsprüfung, wenn man Tschumbie werden will.
Irgendwie also gelangen die Helden in den Kral, wo sie dann nur noch das Artefakt finden, entwenden, abhauen und überleben müssen.
Die Schlichtheit und Übersichtlichkeit des Handlungsrahmens ist schon einmal bestechend. Wie aber wird das Ganze präsentiert? Die Antwort: kurz, knapp und genial.
Das AB nimmt insgesamt knapp zwölf Seiten ein. In dem Überblickskapitel »Dem Meister zum Geleit« wird der Überfall auf Sylla und der Auftrag, also der AB-Einstieg in sechs Zeilen zusammengefasst. Die Ausarbeitung im eigentlichen AB ist kaum länger: Sylla im Krieg mit den Wudu: sieben Zeilen. Die Helden treffen ein und geraten in Kampfhandlungen: 7 Zeilen. Die Herrscherin erteilt den Auftrag: 6 Zeilen.
Keine Vorlesetexte, so gut wie kein Fluff, keine umständliche Erklärung, weshalb die Helden nach Sylla kommen, keine ehrfurchtgebietende Beschreibung der syllanischen Herrscherin samt ihrer Augenaufschläge und ihrer Büroräume, keine Flair-Begegnungen, damit die Helden sich in Sylla erst einmal wohlfühlen, keine Staffage – ich bin begeistert.
Zugegeben würden sich Rollenspielneulinge eventuell Tipps wünschen, wie sie ihre Gruppe ins AB bringen, aber Neulinge werden sich kaum die DZ kaufen, und irgendwie nervt es mich, nur wegen der Neulinge in jedem gottverlassenen AB wieder von Neuem lesen zu müssen, welche tollen Kniffs man anbringen könnte, um die Helden an den Ort der Handlung zu zerren.
Dann geht es weiter mit einer Auflistung der in Sylla erhältlichen Informationen: eine knappe Seite. Wunderbar übersichtlich, fein organisiert und ohne Zitate-Müll (der bei Gerüchten ganz amüsant sein kann, bei Info-Beschaffung aber nichts verloren hat). Hinter jeder Info steht, bei welcher von vier Quellen sie zu erhalten ist. Anhand dieser Infos können die Helden dann eine Strategie entwickeln.
Auf knapp zwei Seiten folgt die Beschreibung des Wegs durch den Dschungel, wobei der Großteil die Vorkommnisse behandelt, die auftreten, wenn die Helden als Tschumbie-Anwärter in den Kral wollen und den Weg durch die Schlucht ohne Wiederkehr wählen. Diese und die nachfolgende Begegnung mit den Wudu werden sehr benutzerfreundlich dargeboten. Klare Aussagen, klare Regeln, die Helden haben hier das Problem, nicht der SL.
Ansonsten wird der Weg durch den Dschungel mit einem Verweis auf WdS abgehakt. Das ist ein bisschen schwach. Zwar wird WdS für Benutzer der DZ-Box vorausgesetzt, was vollkommen in Ordnung ist, und dort stehen auch einige Regeln zu Dschungelreisen, aber eine harmlose Zufallstabelle mit Werten oder Seitenangaben in der ZBA hätte ich mir hier noch gewünscht. Vermutlich hat man eine solche Tabelle aber aus Platzgründen nicht aufgenommen.
Jetzt kommt das Herzstück des AB, bei dem ich richtig abgehe: Die Helden sind im Kral. Auf eine kurze Ermahnung an den Meister, Spielerideen zu honorieren und sie zu animieren, ihre Fähigkeiten zu nutzen (!), folgt die Beschreibung des Krals, die so ähnlich auch in einem Hârnmaster-Modul vorkommen könnte. Da gibt es zunächst einmal eine Karte, die eine ganze Seite einnimmt. Die zahlreichen mit Buchstaben markierten Stellen auf dieser Karte werden in kurzen (wirklich kurzen, die 26 Einträge nehmen gerade einmal eineinhalb Seiten ein), sinnvoll geordneten Einträgen beschrieben.
Der Handlungsort ist so klug konzipiert, dass sich diese Beschreibung trotz des Fehlens jeglicher »Handlung« ungeheuer spannend liest. Die Informationen sind so übersichtlich, dass man als SL an dieser Stelle eigentlich keine Arbeit mehr hat.
Übrigens ersetzen diese knappen Beschreibungen den fehlenden Fluff bestens, denn anstatt eines Vorlesetextes, der den Spielern den Kral vor Augen führt, wenn sie ihn betreten o.ä., wie man es nur zu gut kennt, entsteht aus der Kombination der knappen Texte und der hervorragenden Karte ein derart plastisches Bild, dass der SL nach Bedarf selbst drauflosfluffen kann.
Auf knapp zwei Seiten werden NSCs beschrieben, Infos zu Sprachbarrieren gegeben und der Tagesablauf im Kral skizziert. Bei den NSCs fällt auf, dass, wenn überhaupt, meist nur eine Äußerlichkeit genannt wird (»schlohweißes Haar«, »groß«), ansonsten spielrelevante Informationen geliefert werden. Dementsprechend gibt es natürlich auch keine Zitate. Wiederum: kurz, bündig, spielbar.
Genauso ist es mit den nächsten zwei Seiten, auf denen Spielsituationen genannt und skizziert werden, allesamt hilfreiche Bausteine, die je nach Vorgehen der Helden flexibel und optional einsetzbar sind.
Den Abschluss bildet ein einseitiger Anhang mit Infos zum Artefakt und Spielwerten.
Mein Fazit ist nahezu vollständige Begeisterung. Zwar habe ich den Verdacht, dass der knappe, fast telegrammartige Stil nicht Konzept ist, sondern nur der für den AB-Band erforderlichen geringen Seitenzahl geschuldet ist, aber er ist der größte Pluspunkt. Schönes Beispiel ist die Beschreibung des Giftpilzes in der Schlucht ohne Wiederkehr: »Dunkelbrauner Baumpilz (Holzzerstörer), der übergroße Fruchtkörper bildet. Sporen führen zu schwerer Atemnot und schließlich zum Ersticken.« Das ist die ganze Beschreibung, was folgt, sind lediglich Regeln über die Giftwirkung. Der Text beschränkt sich inhaltlich strikt auf die für das AB notwendigen Informationen. Adjektive wie »panthergleich« sucht man hier vergeblich :).
Wenn man die Anfangssituation in Sylla nicht ausführlicher gestalten will, kann man das AB nach halbstündiger Lektüre im Prinzip sofort spielen. Verwiesen wird zwar auf das Wudu-Kapitel in dem DZ-Quellenbuch »Im Bann des Diamanten«, ich habe dieses aber noch nicht gelesen. Dennoch habe ich nicht das Gefühl, dass mir wesentliche Infos fehlen würden.
Trotz der Knappheit entwickelt der Text eine große Dynamik und Dramatik (wahrscheinlich, weil das SL-Hirn alles gleich so plastisch und ohne Fluff und Umwege vor Augen hat), und er schafft auch eine dichte, spannende Atmosphäre. Die völlig nüchterne Beschreibung der Ritualhöhlen, Opferplätze und krokodilverseuchten Gewässer versetzt den Leser direkt in den Schrumpfkopfdschungel einer Pulperzählung. Dieser Umstand hat mich mit am meisten erstaunt. Nicht einmal die Tschumbies werden, wie man erwarten sollte, mit den handelsüblichen, Horrorfeeling heraufbeschwörenden Adjektiven bedacht, und dennoch ersteht beim Lesen im Hirn eine schauerliche Kulisse. Ganz nach dem Motto: Aktion statt Beschreibung, nur eben umgemünzt auf das Abenteuer: spielrelevante Info statt Fluff, und fertig ist der Thriller.
Die Helden können sehr frei agieren, und der Handlungsverlauf hängt völlig von deren Aktionen ab. In einem Nebensatz wird sogar der Abbruch des Szenarios durch die Helden erwähnt, falls es ihnen zu brenzlig wird. Dann wandert das Artefakt eben nicht nach Sylla zurück, was soll’s? Trotz der enormen Freiheit der Helden werden dem SL hilfreiche Bausteine an die Hand gegeben. Sehr schön.
Nebenbei lässt sich dieses Szenario bestimmt ohne mehr als fünf Minuten Aufwand in unterschiedlichste Settings transferieren. Die Aspekte der Wudu sind jetzt nicht so wahnsinnig aventurienspezifisch.
Das Ganze mag sich jetzt alles so anhören, als wäre das alles so simpel und bündig, dass man es gleich selber schreiben könnte. Allerdings stecken in der Karte und der dazugehörigen Ortsbeschreibung sehr fein ausgeknobelte Details und Mechanismen, und man müsste schon einige Arbeit investieren, um so etwas selbst zu erstellen.
Was fehlt mir?
– Wie schon erwähnt eine Zufallstabelle für die Dschungelreise.
– Dann könnte ich mir vorstellen, dass man die Schlucht ohne Wiederkehr noch etwas raffinierter hätte gestalten und mit einer genauen Karte versehen können. Der Wettlauf gegen den Pilzsporentod wird etwas abstrakt abgehandelt, ein interessantes Gelände mit Lauf- und Kletterrouten und ein, zwei Gimmicks wäre die Krönung.
– eine zweite Karte des Krals ohne Einträge für die Spieler.
– Es besteht die Möglichkeit, dass die Helden von einem Geist auf ihre Eignung zu einem Dasein als Tschumbie geprüft werden. Hier könnte ich mir Details über Art und Verlauf der Prüfung vorstellen.
Wobei diese Mängelliste dem ausgesprochen positiven Gesamteindruck keinen Abbruch tut. Dies ist das beste DSA-AB, das ich in unendlich langer Zeit gelesen habe.
Und damit bin ich bei dem diskussionswürdigen Punkt, wie ich mir DSA-Abenteuer wünsche.
Im Prinzip (fast) genau so wie UW. Und zwar:
Ohne Fluff, ohne Vorlesetexte, modulartig, vom Text her so knapp wie möglich und auf das reduziert, was ich zum Spielen brauche, mit guten Karten, mit allen relevanten Spielwerten, mit einer kurzen, knackigen Einführung. Ohne Umschweife.
Nun gibt es die Fraktion, die sowohl Fluff als auch Vorlesetexte mag. Na schön, von mir aus darf das rein, aber dann bitte entweder in einen Anhang oder in extra Kästen. Und dann bitte auf keinen Fall Infos in den Fluff packen, die spielrelevant sind. Wenn einer wissen will, wie oft die Harani von Sylla die Stirn runzelt, während sie den Helden den Auftrag erteilt, und ob sie das mit rauchiger oder engelgleicher Stimme tut, dem sei das außerhalb des Spielfelds verstattet. Wer das nicht wissen will, muss auf diese Zusatztexte verzichten können.
Wenn es nach mir ging, sollte der bei einem AB als eigenständige Veröffentlichung zur Verfügung stehende Raum nicht dazu genutzt werden, mehr in die Breite zu labern. Der Text sollte knapp und klar gehalten werden, und wenn aufgrund dessen noch Platz zur Verfügung steht, dann diesen bitte für Karten, Handouts und Spielwerte nutzen.
In letzter Zeit erfährt die Karte zum Glück wieder eine Renaissance, aber lange Zeit hat sie leider ein Schattendasein geführt. Und was ich gar nicht abkann, ist diese Unsitte in DSA-ABs, bei den wenigen Karten, die mitgeliefert werden, dann auch noch mehr auf die Ästhetik als auf Brauchbarkeit zu achten. Vollends katastrophal fand ich das ausgerechnet im Dungeon-Band, denn gerade dort erwarte ich doch möglichst präzise Informationen aus der Karte herauslesen zu können, aber nein, Hauptsache das Gekricksel sieht genauso obskur aus wie sich ein schlecht beleuchteter Keller anfühlt. Nur mit viel Mühe und gutem Willen kann man aus diesen Kunstwerken spielrelevante Infos herausziehen.
Dagegen ist die Karte des Krals von UW perfekt. Die einzelnen Stellen sind zum Beispiel mit zum See relativen Höhenangaben versehen (!), jede Hütte, jeder Baum, jedes Treppchen und die Stellen, wo Wachtposten stehen, sind genau darin eingezeichnet. Leider ist das Ding im Maßstab etwas klein, aber zum einen könnte man es groß kopieren oder auch so belassen und dann zum Beispiel mit Stecknadeln Helden- und NSC-Positionen markieren und dabei genau ablesen, wer hinter welchem Baum steht oder wer auf wen herunterschaut. Nicht jede Karte muss zwangsläufig so sein, aber doch bittschön diejenigen, die die Orte abbilden, wo die Action ist.
Die Karte ist einer der Hauptgründe, weshalb ich von UW so begeistert bin. An dieser Stelle sei übrigens auch kurz zu Hârnmaster hinübergewunken. Was das Thema brauchbare, spielbare Karten angeht, kann man dort auch was lernen.
UW ist das beste Beispiel dafür, was ich als Abenteuermodul bezeichnen würde. Den Kral kann ich aus dem Abenteuer ausbauen und in die eigene Kampagne einfügen oder ich kann das AB wie geplant spielen. Die Handlung entwickelt sich weitgehend aus den Entscheidungen der Helden und aus den als Setting übersichtlich beschriebenen Tatsachen.
So wünsche ich mir künftig DSA-Abenteuer. Es muss nicht jedes so sein, und es muss nicht immer so vorbildlich modular sein, aber durchaus in die Richtung.
So, und wer diesen Monster-Post überlebt hat und was zu sagen hat, darf dies tun.
@rillenmanni
Super, vielen Dank, dass Du Dich hier meldest und kommentierst! Und herzlichen Glückwunsch zu diesem wirklich famosen Stück DSA-AB-Literatur!
Zwei Dinge zu Deinen Posts:
1. An eine Spieler-Karte zum Download habe ich auch schon gedacht, habe aber nicht zu hoffen gewagt, dass da seitens der Redax/des Autors Interesse besteht. ich würde das sehr begrüßen!
2. Zum Begriff: Szenario vs. Abenteuer. Diese Begriffsabgrenzung ist etwas DSA-Typisches. Ich würde Dein Werk nicht als Szenario bezeichnen, weil es im Gegensatz zu anderen DSA-Szenarien eindeutig zu "spielfertig" ist. Und weil es so aufgebaut ist wie "adventure modules" anderer Systeme wie Hârn oder (mit Einschränkungen) Warhammer. Darum würde ich UW gerne als Abenteuermodul bezeichnen, aber das nur am Rande.
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Tja,, schöne Rezi, aber:
Wenn ich ein Abenteuer käuflich erwerbe, dann mit der Intention, mit demit einen Großteil der Arbeit zu sparen...
...aber nach Deiner Beschreibung, bleiben 90% der Arbeit nach wie vor bei mir liegen - nämlich alles außen der Grundidee, einem vermuteten Handlungsablauf und einer oberflächlichen Beschreibung von eine paar relevanten Orten; alles Dinge, die man auch während ein paar Stunden Pedelns so nebenbei im Halbschlaf hinkriegt.
Was fehlt, ist das 'Fleisch auf den Knochen', also zeitraubend zu erstellenden Daten, Werte, Fakten und Details zu den mit hoher Wahrscheinlichkeit auftretenen NPCs, usw.
Da haben wir wohl vollkommen konträre Erfahrungen gemacht, oder Du hast mich völlig missverstanden. Ich habe immer wieder die "Spielbarkeit" von UW betont. Bis auf die Dschungelreise, die anhand von WdS geregelt werden kann, ist da alles drin, was ich zum Spielen brauche. Alles! Vor allem ist drin: "Daten, Werte, Fakten und Details zu den mit hoher Wahrscheinlichkeit auftretenden NPCs". Dazu noch eine Karten, die den SL bestmöglich unterstützt.
Was UW nicht liefert, sind ausschweifende Beschreibungen. Mir geht es da ganz anders als Xemides (und womöglich auch Dir), denn mir reichen die "Schlohweißen Haare" der Wudu-Schamanin völlig. Ihr runzliges Gesicht, ihre bucklige Haltung, ihre schnarrende Stimme, ihren stechenden Blick und ihre panthergleichen Bewegungen kann ich während des Spiels dazutexten. Und selbst wenn ich mir dies vorher zurechtlegen wollte, bräuchte ich nicht mehr als zehn Minuten, um zu allen NPCs und ein paar Handlungsorten noch ein paar Adjektive und Reizwörter an den Rand zu kritzeln.
UW ist ein Abenteuer, das man beinahe völlig ohne Vorbereitung spielen kann, da alle relevanten Infos übersichtlich verfügbar sind. Wie tartex schon erwähnte, braucht es eigentlich kein Auswendig-Lernen.
Stichwort: vermuteter Handlungsablauf. Was für Dich ein Manko ist, lässt mich frohlocken, denn in Wahrheit haben die durchgeskripteten ABs "vermutete" Handlungsabläufe, und wehe, die Spieler entscheiden sich an einer Stelle anders als vorgesehen. UW geht die Sache ganz anders an, indem da nämlich gar kein Handlungsablauf vermutet wird. Es werden lediglich Optionen genannt, falls die SCs sich für gewisse Vorgehensweisen entscheiden. Das AB funktioniert aber auch, wenn sich die Helden völlig anders entscheiden, und noch besser: der SL ist auch dann bestens mit allen Infos versorgt, die er braucht.
Wenn man als SL eine vorher klar umrissene Handlung haben möchte, muss man die in diesem Fall tatsächlich mit etwas Zeitaufwand selbst erstellen. Aber wies gesagt, was für ein Frust, wenn man sich die Mühe macht, die Spieler der vorgegebenen Handlung aber nicht folgen. Da doch lieber alle Möglichkeiten offen lassen.
Stichwort: oberflächliche Beschreibung. "Im See wimmelt es von Krokodilen" Wenn Du das eine oberflächliche Beschreibung nennen willst, sei Dir das gestattet. Ich würde es allerdings als hinreichende Beschreibung bezeichnen. "Im klaren Wassers des Sees, der vom schäumenden Wasserfall gespeist wird, treiben, trägen Holzstämmen gleich, graugrün schillernde Kreaturen in der Mittagshitze. Nur hin und wieder zucken ihre Augenlider, und der verschlagene Raubtierblick dieser gefährlichen Riesenechsen fällt hungrig auf den Betrachter. Wer nicht als Delikatesse in einem der Krokodilsmägen enden will, sollte sich ein erfrischendes Bad in dem See verkneifen." Wäre diese Beschreibung nun "tiefer"? Nur weil man die für das Spiel relevante Aussage unter etlichen Sedimentschichten aus Adjektiven und Atmo-Flözen herausgraben muss?
Stichwort: von ein paar relevanten Orten. In UW werden im Gegenteil und auch im Gegensatz zu ganzen Heerscharen landläufiger DSA-AB alle relevanten Orte hinreichend beschrieben und plastisch auf der Karte dargestellt.
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Dann noch ein Kommentar zu dem Widerspruch, den Kriegsklinges Forderung nach "Plattheit" ausgelöst hat. Zum einen ist diese Forderung ja von ihm selbst sehr stark an den Abenteueranlass geknüpft, und da braucht man nun nicht unbedingt zu widersprechen, denn selbst der hintergründigste Krimi fängt mit der platten Ausgangssituation an: Opfer Tod, Täter will gefunden werden.
Und nun direkt auf UW und die "mangelnde Komplexität" bezogen: Ich sehe diesen Mangel an Komplexität nicht. Sicher, die Aufgabe, ein geraubtes Artefakt zu beschaffen, ist schlicht, aber diese Schlichtheit soll selbst in scheinbar "hochkomplexen" Kampagnen-ABs aus G7 oder JdF vorgekommen sein. Und ja, in UW gibt es nur einen Handlungsort und nur eine Handvoll NPCs, aber dafür haben es die in sich. Der Unterschied zu anderen ABs ist vor allem der, dass die vermeintlich komplexen Verwicklungen andernorts oft vorgescriptet sind, in UW aber gänzlich von den Aktionen der Spieler abhängig sind. Der Sklaven-Kapo macht den Helden das Leben eben nur dann schwer, wenn sie sich freiwillig oder unfreiwillig, aber als Resultat ihrer Handlungen, in Sklaverei begeben. Aber wenn es dahin kommt, dann stehen die Recken vor einem äußerst komplexen Problem. Und der Kral mit seinen Bewohnern ist so konzipiert, dass es bei den meisten Entscheidungen zu solchen Problemen kommen kann. Beim Lesen hatte ich den Eindruck, dass das Abenteuer sogar sehr schwer nur zu knacken sein dürfte (hier wäre interessant, zu erfahren, wie das in den Testrunden lief.)
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Und, um einen weiteren Monster-Post zu vollenden möchte ich mit extremen Spoilern noch illustrieren, weshalb ich noch immer gegenhalte, wenn mehr Fluff gefordert wird.
Hier zwei Beschreibungen aus UW (was in [] steht, stammt von mir):
Blutstein: Wer hier an den Martpfahl gebunden ist, wird bei lebendigem Leibe ausgenommen und schließlich geköpft (Schrumpfkopf). Das in einer Wanne gesammelte Blut wird vor Ort von den Umstehenden getrunken. Leichname werden an den Füßen an Seilen hoch in den Steilwänden ("Körperwände") aufgehängt oder an den Schwarzoger Xiaotl verfüttert. Durch Klettervorrichtungen der Wudu ist Klettern an diesem Ort um 2 erleichtert. Viele Aasvögel und Raben kreisen um den Blutstein.
[Kelakeke will den jetzigen Kriegshäuptling Takezehe stürzen und an seine Stelle treten. Das optionale Ereignis "Kelakekes Prüfung" wird so beschrieben:]
Um als Fremder den obersten Blutskrieger fordern zu können, muss Kelakeke erst eine von Gringukala [Schamanin] ausgerichtete Prüfung bestehen. Das der Prüfung vorangehende Opferritual nutzt Gringukala, um die Schwachstelle des [Kelakeke] (Höhenangst) ausfindig zu machen. Kurzentschlossen verkündet sie, dass Kelakeke in der nächsten Nacht das herausgeschnittene Herz des Opfers finden müsse, wolle er Takezehe am folgenden Mittag herausfordern. Sie ruft sechs Raben herbei, die sich um das Beutestück am Boden und in der Luft streiten und schließlich allesamt in den "Körperwänden" verschwinden.
Vielleicht verdeutlichen diese Zitate, dass extrem knappe, fast schon abgehackte, noch nicht einmal sonderlich elegant formulierte Infos genauso viel Flair und Atmo verbreiten können als wortreicher Fluff. Ich jedenfalls war von der Lektüre des AB her so fasziniert von den Wudu, dass ich gleich nach dem Wudu-Kapitel im Quellenband "Im Bann des Diamanten" geblättert habe. Dieses beginnt mit einem Zitat "aus dem Vademecum der Heschint-Geweihten Viviona [...], die Admiral Sanin bei einer seiner Expeditionen begleitete":
"Da schälte sich unvermittelt ein Schatten aus dem dunkelgrünen Blätterwald, und mir schien, als verstummten sogleich sämtliche Geräusche des unheimlichen Dschungels, die mir in den letzten Nächten den Schlaf geraubt hatten. [...]"
So der erste Satz des Kapitels. Die nachfolgenden sind nicht besser. Darin steht nichts, was das Klischee nicht schon längst geliefert hätte, und nichts, was ich zum Spielen gebrauchen kann. Der Text bemüht sich nicht einmal um eine intime-Diktion, vielmehr muss man davon ausgehen, dass die Heschint-Geweihte ihren Lebensunterhalt mit dem Verfassen von Fantasy-Unterhaltungsromanen verdiente, denn sie befleißigt sich genau dieses Stils.
Dem Text folgen weitere derartige Flufftexte. Ich habe das Kapitel aus Lustlosigkeit bis heute nicht gelesen. Aber das nur nebenbei, auf was ich eigentlich hinaus wollte: Die nüchternen Beschreibungen im AB liefern mE mehr Stimmung als der vorhersehbare Fluff, wo sich Schatten aus irgendwelchen Blätterwäldern schälen.
EDIT: Ich sehe gerade, dass einige Posts kamen, während ich (ab)geschrieben habe. Auf die geht dieser Post nun eben nicht ein,
Das stimmt. GBBG ist ein Möderabenteuer schlechthin in der Hinsicht. Ich leite es ja bald, und ich hab zwei Optionen.
Entweder ich sag meinen Spielern: Ihr verhaltet euch dieses AB mal wie brave, autoritätsgläubige Rondrianer, auch wenn ihrs nicht seid, ok?
Oder ich schmeisse alle, in Zahlen, ALLE Vorlesetexte über Bord.
Ich habe es kürzlich geleitet und rate dir: Schmeiß alle Vorlesetexte und sonst noch einige Vorgaben über Bord. Ich habe das noch viel zu wenig gemacht, aber die besten Szenen waren mal wieder die, die laut Abenteuer explizit verhindert/unterbunden werden sollten (z.B. Verlust des Ogerkreuzes an Galotta, nächtliche Meuchelmord-Expeditionen ins feindliche Lager
).