Tanelorn.net

Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Kearin am 6.05.2013 | 22:33

Titel: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Kearin am 6.05.2013 | 22:33
Da kommen wir dann wohl nicht zusammen. Ich bin eigentlich ganz froh, dass ich mich Gewalt nur am Kaffeetisch nähern muss / kann. Mir ist durchaus bewusst, dass diese Art der Näherung der realen Erfahrung kaum gerecht wird - aber das wird die Lektüre eines Buchs, und sei es auch noch so erschreckend, vermutlich auch nicht.
Das ist halt das "Problem". "Stimmungsrollenspiel" ist letztlich nicht anspruchsvoller als "Actionrollenspiel", da man Themen wie Gewalt nicht wirklich ergreifend bearbeiten kann, ebenso wie der Überlebenskampf beim Actionspiel auch eben nur gespielt ist.
Titel: RE: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Boba Fett am 6.05.2013 | 22:35
Wir reden immer noch über ein gesellschaftsspiel oder?
Titel: RE: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Kearin am 6.05.2013 | 22:35
Kommt drauf an, wen du fragst. Mancher nennt das ja auch gerne Kunst, was er da betreibt.
Titel: RE: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Wellentänzer am 6.05.2013 | 22:38
Kommt drauf an, wen du fragst. Mancher nennt das ja auch gerne Kunst, was er da betreibt.

Logisch. Die Übergänge sind da selbstredend fließend. Dass man Rollenspiele als Gesellschaftsspiel wie auch als Kunstform auffassen und ausüben kann, liegt doch auf der Hand. Es ist lediglich sozial (noch?) nicht akzepiert, eine ambitioniertere Rollenspielrunde öffentlich mit einem wie auch immer gearteten Kunstbegriff in Verbindung zu bringen. Da kommt dann die diesbezüglich auch hier im Forum zahlreich vertretene Rollenspielpolizei.
Titel: RE: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Lichtschwerttänzer am 6.05.2013 | 22:40
Logisch. Die Übergänge sind da selbstredend fließend. Dass man Rollenspiele als Gesellschaftsspiel wie auch als Kunstform auffassen und ausüben kann, liegt doch auf der Hand. Es ist lediglich sozial (noch?) nicht akzepiert, eine ambitioniertere Rollenspielrunde öffentlich mit einem wie auch immer gearteten Kunstbegriff in Verbindung zu bringen. Da kommt dann die diesbezüglich auch hier im Forum zahlreich vertretene Rollenspielpolizei.
It´s just a game
Gary Gygax
Titel: RE: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Wellentänzer am 6.05.2013 | 22:41
640 kB ought to be enough for anybody.
Bill Gates
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder) am 6.05.2013 | 22:55
Ich empfinde das, was ich tue nicht als Kunst. Ich kann anderen jedoch das nicht absprechen, wenn sie's tun. Mein Kunstbegriff ist ans schaffende Subjekt gebunden, und dessen Meinung zählt. Aber nur weil was "Kunst" ist (zu sein behauptet), muß ichs ja nicht mögen. Das ist mein Recht.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: alexandro am 6.05.2013 | 23:00
Ich bin als SL in erster Linie Handwerker. Das Ergebnis kann dann künstlerisch wertvoll sein (es heißt ja auch Handwerkskunst  ;) ), aber mir ist die Praxis (Verwendbarkeit/Nachvollziehbarkeit/Spaß etc.) wichtiger als die Ästhetik.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: WeepingElf am 6.05.2013 | 23:34
Es ist ein Spiel, sonst gar nichts.  Ich jedenfalls erhebe keinen Kunstanspruch auf das, was ich spiele.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder) am 7.05.2013 | 01:11
Es ist ein Spiel, sonst gar nichts.  Ich jedenfalls erhebe keinen Kunstanspruch auf das, was ich spiele.

Tu ich wie gesagt auch nicht und bin bei Dir, aber Dein Argument zieht nicht so ganz, oder erscheint Dir das sinnvoll:

Es ist ein Buch, sonst gar nichts.
Es ist ein Grafitti, sonst gar nichts.

etc.pp Du siehst schon, wo ich hin will. Ein RSP ist ein Medium wie jedes andere auch, und ich denke schon, daß jedem Medium die Möglichkeit innewohnt, sich zu dem zu erheben, was man gemeinhin als Kunst betrachtet, neben den ganzen Dieter Bohlens, JJ Abrams und Stephanie Meyers gibt es eben in jedem Medium einen Frank Zappa, David Lynch oder Stewart O'Nan.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: 1of3 am 7.05.2013 | 03:19
Ist Rollenspiel Kunst? - Nicht immer. Kann Rollenspiel Kunst sein? - Auf jeden Fall. Ist mein Rollenspielen Kunst? - Keine Ahnung, aber Spieler*innen, die ich sehr schätze, freuen sich über meine Anwesenheit.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Luxferre am 7.05.2013 | 06:49
Ich sehe mich immernoch als Architekt und Handwerker. In ebenjener Reihenfolge. Aber das hatten wir schon... bestimmt 384 Mal ;)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Oberkampf am 7.05.2013 | 07:20
Es ist ein Spiel.

Alles andere kann es vielleicht sein, muss es aber nicht. Und je weniger man einen Anspruch auf Kunst erzwingen will, desto besser für das Spiel.
Titel: Re: RE: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Thandbar am 7.05.2013 | 07:58
Es ist lediglich sozial (noch?) nicht akzepiert, eine ambitioniertere Rollenspielrunde öffentlich mit einem wie auch immer gearteten Kunstbegriff in Verbindung zu bringen.

Das scheint für mich das wesentliche Element zu sein. Ob etwas Kunst ist oder nicht, entscheidet allein der gesellschaftliche Konsens. Nicht umsonst ist die häufigste Frage auf Kunst-Ausstellungen "Ist das noch Kunst", weil der Begriff an sich ständig neu ausgelotet und hinterfragt wird (und selbst Prämissen wie "für die Dauer" oder "von Menschenhand" immer wieder durchbrochen werden).

Jedes neue Medium hat es schwer, als Kunst anerkannt zu werden, da diesem auch immer ein Moment von Tradition innewohnt. Bis vor einigen Jahrzehnten galt der Film nicht als Kunst, sondern als artistisch defizitär zB der Literatur oder dem Theater gegenüber. Heute stellt sich diese Frage nicht mehr, während nun das Computerspiel langsam als Medium in den Fokus gerät, in welchem sich Kunst ereignen kann.

Da das Pen&Paper-Rollenspiel aber quasi gar keine Strahlkraft in die Öffentlichkeit hat (was auch systembedingt ist), sehe ich nicht, inwiefern in nächster Zeit sich da etwas ändern sollte.
Qualitativ gibt es für mich andererseits keinen Grund, Rollenspiel nicht in den Zusammenhang mit anderen Kunstformen zu bringen. Ohne gesellschaftliche Rückendeckung wirkt die Verteidigung eines wie auch immer empfundenen Kunstanspruches aber auch immer leicht spleenig.
 
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Khouni am 7.05.2013 | 09:42
Eine der Runden, die ich derzeit leite, leite ich schon mit einem gewissen "künstlerischen" Anspruch, und zwar insofern, alsdass ich direkt versuche, literarische Einströmungen unterzubringen, viel mit Farben und Eindrücken arbeite, auch mit Archetypen, dem Durchbrechen der "fourth wall", vielen One-Shots, in denen eine bestimmte Stimmung wie ein Farbklecks geweckt werden solletc. Es soll eine große impressionistische Fabel gesponnen werden - und die Spieler haben Spaß und neulich lagen wir heulend am Boden. Man kann es schon als performative und leider sehr vergängliche Kunst bezeichnen.
Das klingt jetzt furchtbar abgehoben, ist es aber gar nicht. Es entstand als schlichtes Sword & Sorcery-Schnetzelwerk und ist mittlerweile sehr "kampfarm" und fühlt sich mehr wie philosophische Abhandlungen oder das Spätwerk Michael Moorcocks (The Dreamthief's Daughter, The Scraeling Tree...) an. Und das, ohne "intellektuell" im schlechten Wortsinn zu werden. Das hat sich so ergeben und wir lieben es allesamt.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Thandbar am 7.05.2013 | 10:01
und zwar insofern, alsdass ich direkt versuche, literarische Einströmungen unterzubringen, viel mit Farben und Eindrücken arbeite, auch mit Archetypen, dem Durchbrechen der "fourth wall", vielen One-Shots, in denen eine bestimmte Stimmung wie ein Farbklecks geweckt werden solletc. 

Diesen Beitrag finde ich interessant, weil Du ja, kritisch betrachtet, im Prinzip lediglich die Kriterien reproduzierst, die einen Comic als "Graphic Novel" adeln sollen. Du hast also bereits ein gewisses Konzept von "Kunsthaftigkeit" im Hinterkopf, das dann in einem anderen Medium - in dem Falle "Rollenspiel" - verwirklicht werden soll.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: El God am 7.05.2013 | 10:07
Ich bleibe dabei: Kunst hänge von der Absicht des Künstlers und der Bereitschaft des Publikums, das Produzierte Kunst zu nennen ab. Kunst wird Kunst durch den Kunstbetrieb, der sich um das Werk herum bildet. Da das einzige "greifbare" Produkt im Moment Live-Mitschnitte von Rollenspielrunden sind, die imho wenig "Kunstvolles" aber viel Spaß und vor allem keinerelei Wunsch, als Kunst verstanden zu werden, offenbaren, glaube ich: Nein. Ehe Rollenspiel zur Kunst wird, muss noch viel passieren, auch wenn sich einige Gruppen auf den Weg (!) gemacht haben, die Tiefen in dieser Richtung auszuloten.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Thandbar am 7.05.2013 | 10:15
Da das einzige "greifbare" Produkt im Moment Live-Mitschnitte von Rollenspielrunden sind, die imho wenig "Kunstvolles" aber viel Spaß und vor allem keinerelei Wunsch, als Kunst verstanden zu werden, offenbaren, 

Hat man da nicht das Problem, dass sich Rollenspiel eben (anders als ein Konzert) nicht an einen externen Zuschauer richtet? Die Affekte, die - mehr oder minder kunstvoll - beim RP hervorgerufen werden, richten sich ja primär an die Spieler, so dass eine Gruppe immer nur für einen kurzen Augenblick und nur für sich selber die eigentliche Aufführung herstellt, während eine weitergehende Öffentlichkeit notwendigerweise immer außen vor bleibt und eben gerade nicht an der Kunsthaftigkeit des RP partizipiert?

Wenn ich mir ein "Actual Play" anhöre, bin ich ja nicht von dem betroffen, was Rollenspiel eigentlich ausmacht, und kann höchstens etwas daraus lernen, wie man dieses oder jenes System bespielt. 
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: El God am 7.05.2013 | 11:39
Guter Einwand. Kann es Kunst ohne (externes) Publikum geben?
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Arldwulf am 7.05.2013 | 11:41
Guter Einwand. Kann es Kunst ohne (externes) Publikum geben?

Nun, ich würde sagen ja - ansonsten wären auch Theaterstücke bei denen das Publikum einbezogen wird keine Kunst.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: 1of3 am 7.05.2013 | 12:04
Richtig. Klare Trennung zwischen Produzenten und Konsumenten lassen sich vielfach nicht ziehen. Beim Rollenspiel kommt zudem eine gewisse Multimedialität hinzu und die Produzentenschaft ist nicht konstant und nicht notwendig zeitlich auf das eigentliche Spiel konzentriert.

Wenn man klären will, ob Rollenspiel Kunst ist, kann man das gleichsam aus zwei Richtungen angehen. Zweifellos sind fast alle Dinge, die beim Rollenspiel getan werden in anderen Kontexten Kunst. Wenn ich eine hübsche Karte zeichne, kann das Kunst sein, denn Zeichnen ist potentiell Kunst. Wer seinen Charakter, in passender Weise darstellt, treibt potentiell Kunst durch Schauspiel. Wer clevere Spielmechanismen entwirft, hat womöglich Kunst betrieben, wo doch jedenfalls einigen Designern von Gesellschaftsspielen die Attribute von Künstlern zugesprochen werden.

Da man all diese Dinge beim Rollenspiel tun kann, muss es daher zwingend Kunst-Potential haben.

Zu einem anderen Ergebnis kommt man, wenn man mit Hróðvitnirs Beitrag davon ausgeht, dass Rollenspiel "ein Medium" ist. Dann müsste man den spezifischen Kunstcharakter von Rollenspiel herausarbeiten.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: El God am 7.05.2013 | 12:12
Nun, ich würde sagen ja - ansonsten wären auch Theaterstücke bei denen das Publikum einbezogen wird keine Kunst.

Zwischen solchen Stücken und Rollenspiel als Tätigkeit (denn ich denke, darum sollte es vorrangig gehen und nicht um z.B. den Kunstgehalt von z.B. Rollenspielen als Buchwerke oder Tabletop-Figurenmalerei) sehe ich aber einen qualitativen Unterschied. Nicht, dass das Theater jetzt per se *besser* wäre, aber die Art, wie solche Stücke inszeniert werden, erscheint mir doch deutlich anders, ohne dass ich jetzt in der Lage wäre, dieses Gefühl deutlicher zu greifen.

Gehen wir mal einen Schritt zurück: Die einzigen Rezipienten der Kunstform Rollenspiel sind demnach die Leute, die sich aktiv daran beteiligen. Würde es dann überhaupt einen Unterschied machen, wenn man sagt "Rollenspiel ist Kunst" oder "Rollenspiel ist keine Kunst"? Dann bliebe es ja tatsächlich reine Geschmackssache: So wie Khouni sagt, dass er Anflüge von "künstlerischem Tun" empfindet, kann eine andere Gruppe sagen, dass sie das nicht tut und beide hätten vollkommen Recht.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 7.05.2013 | 12:19
Zak S. wird ja gerne ausgeborgt... (Youtube-Video (http://www.youtube.com/watch?v=0Jy8CaZVZkk))
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 7.05.2013 | 12:23
Hier wohl alles in Detail: Dungeons & Dragons in contemporary art (http://www.examiner.com/article/dungeons-dragons-contemporary-art)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Arldwulf am 7.05.2013 | 12:33
Zwischen solchen Stücken und Rollenspiel als Tätigkeit (denn ich denke, darum sollte es vorrangig gehen und nicht um z.B. den Kunstgehalt von z.B. Rollenspielen als Buchwerke oder Tabletop-Figurenmalerei) sehe ich aber einen qualitativen Unterschied. Nicht, dass das Theater jetzt per se *besser* wäre, aber die Art, wie solche Stücke inszeniert werden, erscheint mir doch deutlich anders, ohne dass ich jetzt in der Lage wäre, dieses Gefühl deutlicher zu greifen.

Mhh, ich würde eigentlich sogar sagen dass dort sehr große Ähnlichkeiten bestehen, insbesondere wenn man den Schaustellern weitgehende Freiheit in der Darstellung ihres Charakters lässt. Ich habe mal ein Interview mit einem berühmtem Schauspieler gelesen in dem er darauf eingeht wie viel er eigentlich selbst in eine Rolle hineinerfindet, wie viel von ihrer Vorgeschichte er zusätzlich erfindet um sich in die Rolle hineinzufühlen. Das klang schon sehr vertraut.

Improvisationstheater insbesondere. Auch bei anderen Kunstformen kann das Publikum ja einbezogen werden. Ich denke dies ist ein generelles Stilmittel und kein Ausschlußkriterium. Zumal es natürlich auch im Rollenspiel oft Situationen gibt in denen einzelne Spieler "zuschauen".
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Thandbar am 7.05.2013 | 12:40
Wir haben bislang als die "möglichen Künstler" Spieler (Theaterdarsteller) und Spielleiter (Kulissenschieber, Autor) im Fokus gehabt.

Wie sieht es mit den Designern von Rollenspielen aus? Hier finde ich es nämlich einfacher, mit dem gängigen Begriff von Kunst heranzugehen, da hier ein Produkt hergestellt wird, das andere als Rezipienten nutzen und anschließend ein Feedback darüber abgeben können, ob das Produkt (=Kunstwerk) gelungen ist oder nicht.
Über die Qualität von Rollenspielen wird im Internet ja nicht weniger heftig diskutiert als über die Qualität von Filmen.

Ein Rollenspielsystem ist ein komplexes Gebilde, dessen Qualitäten dementsprechend vielschichtig sind. Dazu gehören eher äußere Kriterien wie gelungene Illustrationen und ein gut gemachtes Kartenwerk, ein guter Stil bei den erzählenden Passagen, die die Spieler leicht in die entsprechende Spielwelt "einsaugen". Tiefer im System verankert dann das Regelwerk, das kunstvoll die Hauptmotive der Spielwelt herausarbeiten soll und die Ergebnisse herstellt, die die Erzählung als Erwartungshaltung verspricht.

Vielleicht liefert das System Neuerungen, die innerhalb des Genres als Innovationen empfunden werden. Vielleicht gibt es darüber hinaus besondere Qualitäten, über die sich verschiedene Spieler einig werden, so dass es zum Beispiel diese eine Rollenspielsystem geschafft hat, das Hobby noch einmal neu für sich zu entdecken oder endlich das gespielt zu haben, wonach man sich schon früher gesehnt hatte.

In der Rezeptionsästhetik würdigt man den Leser eines Buches als eigenständigen Künstler, da er das Werk, das ein anderer verfasst hat, kunstvoll zur inneren Aufführung bringen kann. Ein guter Leser ist demnach der, der das Ausgangswerk (zum Beispiel ein Roman) besonders gelungen für sich selbst in Szene setzt.
Er ist demnach ein Künstler "zweiter Ordnung", während der Schriftsteller zu einem Künstler "erster Ordnung" wird.
Vielleicht ist es sinnvoll, Rollenspiele ähnlich zu betrachten: Mit den Designern als primäre und Spiel(leit)ern als sekundäre 'Künstler'.  
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Arldwulf am 7.05.2013 | 12:45
Das erschwert die Grenzziehung aber noch viel mehr, da die Regelwerke im Inhalt sehr unterschiedlich sind. Ein Kaufabenteuer ist dann doch anders als die Kampfregeln dazu.

Gleichzeitig gibt es natürlich auch regelloses Rollenspiel - bei dem es dann keinen Designer in dieser Form gibt.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 7.05.2013 | 12:51
Happenings (http://de.wikipedia.org/wiki/Happening) sind auch gar nicht so anders. Es gibt Instruktionen, evtl. auch geschriebene, und das Publikum
Zitat
ist dabei Teil der vom Künstler erdachten Aktion. Es wird mit in die künstlerischen Handlungen einbezogen, wobei der Geschehensablauf nicht von vornherein festgelegt ist. Je nach Reaktion der Zuschauer kann unterschiedlich improvisiert werden (wobei Happenings selten vollständig improvisiert sind, sondern durchaus zuvor durchgeprobt werden). Hieraus ergibt sich auch, dass Happenings für gewöhnlich keinen festen zeitlichen Rahmen haben,

Da zu Computerspielen mehr geforscht wird, als zu Rollenspielen, kann man in der entsprechenden Literatur zur Frage Regeln(festlegung) und Emergenz eigentlich viel finden.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Thandbar am 7.05.2013 | 13:17
Happenings (http://de.wikipedia.org/wiki/Happening) sind auch gar nicht so anders. 

Ich bin kein Experte dafür, aber mir scheinen Happenings von der Intention her zu verschieden zu sein, um sinnvoll mit dem Rollenspiel verglichen zu werden.
In den theoretischen Schriften von Peter Handke wird klargestellt, dass diese "Aktionen" letztlich die Verunsicherung des bürgerlichen Subjektes zum Ziel haben, das sich in der distanzierten Betrachtung des Brecht'schen epischen Theaters gemütlich eingerichtet hatte.
Das Ziel ist eine permanente Durchstoßung der klassischen Schau- und Hörgewohnheiten und nutzt sich dementsprechend schnell ab, wenn ein Gewöhnungseffekt bezüglich dieser Kunstrichtung erreicht wurde.

Das Rollenspiel hat diese Zielrichtung mMn überhaupt nicht. Auch ein Vergleich mit Improvisationstheater oder Solokadenzen innerhalb eines Konzertes scheint mir nicht richtig angebracht zu sein, weil es nie um ein Publikum geht, das durch welche Mittel auch immer erreicht werden soll.
Gerade in den Gruppen, wo es Leute gerade darauf anlegen, toll zu schauspielern oder Monologe zu fabrizieren, die ein außenstehender Betrachter vielleicht rhetorisch ansprechend finden würde, sind nach meiner Erfahrung diejenigen, in denen sich das Rollenspiel nicht richtig entfalten kann.

Ebenfalls schwierig finde ich den "Beweis" von der Kunsthaftigkeit des Rollenspiels mit dem Nachweis, dass es so viele andere Medien beeinflusst habe. Ich erinnere mich an den Aufschrei, den es gab, als Stockhausen die Anschläge vom 11. September als Kunstwerk bezeichnete.
Religiöse Motive, Naturschauspiele oder gesellschaftliche Ordnungen sind ebenfalls beliebte Bildgeber für Kunstwerke, ohne deswegen selber zwangsläufig zu Kunst zu werden. 
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Khouni am 7.05.2013 | 13:20
Diesen Beitrag finde ich interessant, weil Du ja, kritisch betrachtet, im Prinzip lediglich die Kriterien reproduzierst, die einen Comic als "Graphic Novel" adeln sollen. Du hast also bereits ein gewisses Konzept von "Kunsthaftigkeit" im Hinterkopf, das dann in einem anderen Medium - in dem Falle "Rollenspiel" - verwirklicht werden soll.


Ja, genau! Tatsächlich gehe ich langsam sogar mit der Absicht heran, das Ganze sich wie einen Graphic Novel unter kreativer Leitung Moorcocks und zugleich wie einen psychedelischen Trip (bzw die popkulturellen Verwirklichungen desselben, wie durch Bands à la Hawkind) anfühlen zu lassen.

Für den vollen Kunstbegriff würden mir Beständigkeit und die Möglichkeit der Rezeption durch andere Menschen als nur die Künstler fehlen.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Wellentänzer am 7.05.2013 | 13:21
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Zum Thema selbst eine kleine Anekdote: unsere Gruppe ist vor rund 15 Jahren mal von einem befreundeten Regisseur gefragt worden, ob er sich mal einen Abend unseres Rollenspiels anschauen dürfe. Wir haben damals, ganz zeitgemäß, Vampire gespielt. Zunächst wollten wir das nicht, aber der Hintergrund der Frage waren Aufnahmen der Runden für eine Ausstrahlung im Nachtfernsehen eines dritten Programms. Das fanden wir so witzig, dass wir den als Zuschauer zugelassen haben. Der Regisseur war - auch nach Besuch einer Proberunde als stiller Beobachter - der Ansicht, dass wir da sowas wie Kunst produzieren. Die Runde wurde in der Folge zwei mal abgefilmt und das Thema ging in diverse Diskussionsmeetings des Fernsehsenders (aus unserer Runde war daran niemand beteiligt). Letztendlich ist die Idee nicht weiter verfolgt worden.

Besagter Regisseur nutzt jedoch bis heute zur Skriptentwicklung lustiger Weise Primetime Adventures in Form des Leitfadens von Vash hier aus dem Forum und ich weiß, dass mindestens ein weiterer Regisseur das mittlerweile ebenfalls regelmäßig tut (oder zumindest bis vor wenigen Jahren so gemacht hat). Bei beiden Regisseuren handelt es sich auch keineswegs um Unbekannte oder irgendwelche wirren Nachwuchstalente, sondern die haben beide schon mit der Elite deutscher Schauspieler (sowohl unter kommerziellen wie künstlerischen Kriterien) gedreht.

Addendum: Gleichwohl empfand und empfinde ich das, was wir damals im wahrsten Sinne des Wortes auf den Tisch gezaubert haben, nicht als Kunst. Aber das nur am Rande.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Gorilla am 7.05.2013 | 13:25
Für den vollen Kunstbegriff würden mir Beständigkeit und die Möglichkeit der Rezeption durch andere Menschen als nur die Künstler fehlen.

Vgl. "one minute sculptures" (http://de.wikipedia.org/wiki/Erwin_Wurm)
Wenn also die Geschehnisse am Spieltisch einfach in irgendeiner Form "konserviert" werden, dann wäre es für dich Kunst?
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Khouni am 7.05.2013 | 13:34
Wenn man sich dann hinstellen und sagen würde, hey, das da ist übrigens Kunst und nun rezipiert es als Kunst, dann ja.

Wird Kunst dadurch zu Kunst, dass jemand mit irgendeinem Kunstbegriff sich irgendetwas ansieht und es dann als Kunst analysiert?
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Thandbar am 7.05.2013 | 13:35
Die Diskussion ist auch deshalb schwierig, weil "Kunst" letztlich nicht zu definieren ist, und die Künstler seit ein paar Generationen immer daran arbeiten, die intuitiv vorhandenen Definitionen von Kunstwerken zu unterlaufen. So gibt es heute Kunstwerke, die sich selber produzieren oder zerdeppern oder die allein vom Küstenwind in den Sand geschrieben werden.
Niklas Luhmann hatte für sein System von Kunst als Definition auch nur "Kunst/Nicht-Kunst" angegeben, was ich sehr clever finde. :D

@Wellentänzer: Ein wenig erinnert mich Dein Beispiel an westliche Filmemacher, die zum ersten Mal einer heiligen Zeremonie von Zulus und Buschmännern beiwohnen, und diese Handlungen dann als Kunstwerke rezipieren - mitsamt der phantastischen Masken und komplexen Tanzfiguren, die dann begierig von Künstlern "zuhause" aufgegriffen werden.
Die Selbstwahrnehmung derjenigen aber, die an der Performanz beteiligt sind, sieht dann freilich ganz anders aus und schwankt zwischen "Das machen wir doch jedes Jahr" und "Sollen die Götter etwa sauer werden?"  
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: killedcat am 7.05.2013 | 13:36
Ist Rollenspiel Kunst?

Da ein Haufen Exkremente bereits als Kunst gilt, öffentlicher Sex auf einer Vernisage, in Glas ausgestellte Popel oder eingerahmte, erschlagene Fliegen, finde ich kein Argument warum das Attribut "Kunst" in irgendeiner Weise erstrebenswert oder relevant für das Rollenspiel im Allgemeinen sein sollte (im Speziellen hätte ich durchaus Verständnis dafür).

Im Übrigen verweise ich mal auf die folgenden Themen (es gibt wahrscheinlich noch mehr):
Sind wir Künstler? (http://tanelorn.net/index.php/topic,79600.0.html)
Kann Rollenspiel wirklich keine Kunst sein? (http://tanelorn.net/index.php/topic,52666.0.html)
Eine Idee zu Rollenspiel und Kunst (http://tanelorn.net/index.php/topic,23428.0.html)
Ist Rollenspiel Kunst? (http://tanelorn.net/index.php/topic,29642.0.html)
Haben Rollenspiele künstlerisches Potential? (http://tanelorn.net/index.php/topic,41087.0.html)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 7.05.2013 | 14:19
Ich bin kein Experte dafür, aber mir scheinen Happenings von der Intention her zu verschieden zu sein, um sinnvoll mit dem Rollenspiel verglichen zu werden.

Es ging mir nicht darum zu sagen, dass es dasselbe ist, sondern darum ein wenig aufzuweichen, was hier als Kunst gesehen wird und was nicht. Meine Definition von Kunst ist: Kunst ist, wofür der Kunstbetrieb bereit ist zu zahlen, bzw. was gefördert wird. Und ich denke, in z.B. Wien gäbe es da sicher einige Möglichkeiten. (Im Prinzip geht es da allerdings hauptsächlich darum, die richtigen Leute zu kennen und die richtige Sprache (des Kunstdiskurs') zu sprechen.)

Ich denke, dass z.B. ein Rollenspieler mit Sendungsbewußtsein durchaus SUBOTRON Artist in Residence (http://subotron.jetztneu.com/595-open-call-subotron-artist-in-residence-spring-2008-wanted/) werden könnte (falls es das noch gibt). (Natürlich stelle ich mir jetzt gerade einen Catpiss-Man vor, der durchs Museumsquartier wandert...  ::) )
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder) am 7.05.2013 | 15:07
Guter Einwand. Kann es Kunst ohne (externes) Publikum geben?

Jopp. Es weiß dann außer dem Künstler nur niemand, daß es dieses Kunstwerk gibt und niemand wird ihm die Eier dafür kraulen. Trotzdem kann es Kunst sein.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 7.05.2013 | 15:13
Jopp. Es weiß dann außer dem Künstler nur niemand, daß es dieses Kunstwerk gibt und niemand wird ihm die Eier dafür kraulen. Trotzdem kann es Kunst sein.

Und was sagt Schrödinger dazu? ;)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder) am 7.05.2013 | 15:17
"Ich blute, ich blute... ich hätte die KAtze nicht so lange in der Box lassen dürfen. Mann, ist die sauer. Aber ich hab 'ne Theorie, Leute, krault mir einer mal die Eier?"
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: WeepingElf am 7.05.2013 | 16:02
Tu ich wie gesagt auch nicht und bin bei Dir, aber Dein Argument zieht nicht so ganz, oder erscheint Dir das sinnvoll:

Es ist ein Buch, sonst gar nichts.
Es ist ein Grafitti, sonst gar nichts.

etc.pp Du siehst schon, wo ich hin will. Ein RSP ist ein Medium wie jedes andere auch, und ich denke schon, daß jedem Medium die Möglichkeit innewohnt, sich zu dem zu erheben, was man gemeinhin als Kunst betrachtet, neben den ganzen Dieter Bohlens, JJ Abrams und Stephanie Meyers gibt es eben in jedem Medium einen Frank Zappa, David Lynch oder Stewart O'Nan.

Ja.  Ich wollte ja auch nicht sagen, dass Rollenspiel keine Kunst ist, sondern eher, dass es mir nicht so wichtig ist, ob es nun Kunst ist oder nicht.  "Kunst" hat so was Bedeutungsschwangeres, das ruft danach, es ernst zu nehmen und für wichtig zu halten.  Für mich ist das Rollenspiel eben ein Spiel, das mir dazu dienen soll, zusammen mit ein paar Freunden ein paar vergnügliche Stunden zu erleben, und alles andere ist nebensächlich.

Ich denke auch, dass Rollenspiel Kunst sein kann, aber das ist nicht wirklich der Anspruch, mit dem ich an das Rollenspiel herangehe.  Das obwohl ich mich in diversen Richtungen künstlerisch betätige, und meine Rollenspielsettings damit auch in einem Zusammenhang stehen (ich bespiele Welten, die ich auch als Hintergrund für Storys und Romane vorgesehen habe, und aus denen ich Szenen illustriere und Sujets für Musik gewinne; und diese Welten dienen auch dazu, bestimmte Empfindungen über die Natur des Menschen sowie über aktuelle Probleme auszudrücken).  Insofern ist da auch ein Zusammenhang zwischen meinem Kunstschaffen und meiner Rollenspielerei, und das Rollenspiel ist Bestandteil eines Gesamtkunstwerks.  Insofern ist es vielleicht eben doch "Kunst".
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Luxferre am 7.05.2013 | 16:37
Als Kunst-LKler muss ich mal was total ungesagtes und weltbewegendes sagen  ~;D

Kunst ist niemals objektiv und niemals bewertbar. Leider ist das menschliche Wesen auf Bewertungen, Kategorien und Regeln festgelegt und versucht krampfhaft alles zu bewerten. Besser, schöner, teurer, seltener... alles subjektive Soße.

Wenn man es als Ergebnis eines kreativen Schaffensprozess sieht, dann ist Kunst vieles, wenn nicht sogar alles.

Also ist diese Diskussion hier müßig. Austausch ist förderlich und wünschenswert, eine Einigung hingegen unmöglich. Amen  :P ;D
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Khouni am 7.05.2013 | 20:53
Sagen wir, ich gehe ohne einen Anspruch, Kunst zu schaffen, heran, bin aber manchmal baff, wenn ich instinktiv etwas, das sich ergeben hat, as Kunst empfinde.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Bad Horse am 7.05.2013 | 21:04
Sagen wir, ich gehe ohne einen Anspruch, Kunst zu schaffen, heran, bin aber manchmal baff, wenn ich instinktiv etwas, das sich ergeben hat, as Kunst empfinde.

So geht es mir auch.

Da Kunst nun mal hochgradig subjektiv ist, bewerte ich das eigentlich nach einem relativ simplen Kriterium: Nach Bauchgefühl. Bei manchen Filmen, Büchern, Gemälden, Fotos und Musikstücken habe ich das Gefühl "Das war jetzt Kunst" - dazu gehört dann mehr als reines Gefallen, sondern eher eine intellektuelle Stimulation, die ich erfahre und bei der ich den Eindruck habe, dass sie nicht trotz, sondern eben wegen des Subjekts stattfindet.

Und dieses "So, ich finde, das war jetzt Kunst"-Gefühl hatte ich auch durchaus schon nach Rollenspielrunden. Nicht allzu häufig, vielleicht eine Handvoll Male in 20 Jahren, aber immerhin.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: WeepingElf am 7.05.2013 | 21:16
Sagen wir, ich gehe ohne einen Anspruch, Kunst zu schaffen, heran, bin aber manchmal baff, wenn ich instinktiv etwas, das sich ergeben hat, as Kunst empfinde.

So ist es.  Wenn ich rollenspiele, habe ich nicht den Anspruch, Kunst zu schaffen.  Ein Kunstempfinden "im Nachhinein", wie Du es schilderst, habe ich dabei freilich höchst selten, auch wenn ich einen unvollendeten Romanentwurf auf der Festplatte habe, der auf einem uralten, nie fertig gespielten CP2020-Szenario basiert (aber sich seither in eine ganz andere Richtung entwickelt hat und auch nicht mehr in der CP2020-Welt spielt).
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Haukrinn am 7.05.2013 | 22:09
Rollenspiel ist genau dann Kunst wenn die Teilnehmer am Ende der Runde (mitunter natürlich auch vor allem sich selbst) applaudieren.  ;)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Bad Horse am 7.05.2013 | 22:15
Rollenspiel ist genau dann Kunst wenn die Teilnehmer am Ende der Runde (mitunter natürlich auch vor allem sich selbst) applaudieren.  ;)

...oder emotional und geistig zu ausgelaugt sind, um das noch richtig hinzukriegen.  ;)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Arldwulf am 7.05.2013 | 22:45
Rollenspiel ist genau dann Kunst wenn die Teilnehmer am Ende der Runde (mitunter natürlich auch vor allem sich selbst) applaudieren.  ;)

Ich überleg gerade ob ich schonmal vorm Fernseher applaudiert hab, oder vor dem Radio. ^^
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 7.05.2013 | 23:24
Mir fallen zum Thema Applaudieren nur noch schlechte Praesentationen in schwachen Meetings ein...
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder) am 8.05.2013 | 06:39
Rollenspiel ist genau dann Kunst wenn die Teilnehmer am Ende der Runde (mitunter natürlich auch vor allem sich selbst) applaudieren.  ;)

Das korrespondiert mit dem Eier-kraulen-Teil meiner überaus gelahrten Ausführungen.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: El God am 8.05.2013 | 07:13
Jopp. Es weiß dann außer dem Künstler nur niemand, daß es dieses Kunstwerk gibt und niemand wird ihm die Eier dafür kraulen. Trotzdem kann es Kunst sein.

Darf ich dann ketzerisch fragen: Dreht sich der Kunstbegriff also darum, sich *selbst* die Eier zu kraulen oder kann man daraus doch noch andere Erkenntnisse fürs Rollenspiel gewinnen, z.B. aus anderen Kunstbereichen übertragen?
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Thandbar am 8.05.2013 | 09:48
Darf ich dann ketzerisch fragen: Dreht sich der Kunstbegriff also darum, sich *selbst* die Eier zu kraulen oder kann man daraus doch noch andere Erkenntnisse fürs Rollenspiel gewinnen, z.B. aus anderen Kunstbereichen übertragen?

So wie ich die Diskussion verstanden habe, schwirren 3 Begriffe von Kunst im Raum herum.

1.) Kunst im Sinne der Kunstfertigkeit: "Kunst kommt von Können". Wenn etwas besonders gut gemacht ist, wird es zu Kunst. Diese Kunst braucht keine Öffentlichkeit und keinen Rückhalt einer Tradition: Sie genügt sich selbst allein durch ihre exzeptionelle Leistung.
Beim Rollenspiel wäre zu definieren, was diese Qualität sein kann und wie dieses "Das ist nun Kunst!" hergestellt werden kann.

2.) Kunst als Aktionskunst mit Wirkung im öffentlichen Raum. Sobald es als Kunst gefördert wird und sich die Rückständigen fragen, ob das noch Kunst ist, ist es Kunst. Ob diese Kunst "gut gemacht" ist, spielt hier keine Rolle, allein das Anstoßen von öffentlichen Diskursen (oder schlicht Provokation) entscheidet die Kunsthaftigkeit des Objektes.
In diesen Bereich kann Rollenspiel kommen, wenn eine Gruppe beim Spiel filmisch aufgezeichnet wird oder sich gleich selber per Youtube präsentiert.

3.) Kunst als Traditionsbegriff. Wir haben uns daran gewöhnt, dass Ballett "Kunst" sei, und müssen nicht ständig neu darüber verhandeln. Allein durch die Gewohnheit landen einige Medien im Kanonbegriff der Kunst, selbst wenn viele Einzelvertreter dieser Medien weder gut gemacht sind noch durch öffentliche Wirkung bestechen.
Hier hat es Rollenspiel besonders schwer, weil es einfach nicht genügend öffentliche Diskussionen darüber gibt. Neue Medien gelten immer erst als Schund oder Verderber der Jugend (auch der Roman, als er erfunden wurde), und es braucht oft mehrere Generationen, bis eine Tradition soweit ausgebaut ist, dass der Stempel der "Kunst" verliehen wird.
Momentan wird Rollenspiel durch das Medium "Computerspiel" völlig an den Rand gedrängt. Vielleicht wird es irgendwann, wenn der Pendel zum analogen Spiel zurückschwingt, entsprechende Diskurse geben.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 8.05.2013 | 09:54
Darf ich dann ketzerisch fragen: Dreht sich der Kunstbegriff also darum, sich *selbst* die Eier zu kraulen oder kann man daraus doch noch andere Erkenntnisse fürs Rollenspiel gewinnen, z.B. aus anderen Kunstbereichen übertragen?

Naja, das kann ziemlich nach hinten los gehen. Ich sage nur "Drama-Struktur im Rollenspiel" und so... Aber gibt natürlich auch viele Möglichkeiten zur Bereicherung.

Ich sehe die ganze Diskussion eher von der anderen Seite: wenn das Wort "Kunst" genutzt wird um das Ego zu pushen, wird's natürlich prätentios. Wenn es dagegen benutzt wird, um auf selber Augenhöhe in Diskurse und vorhandene Netzwerke einzusteigen, macht das Sinn. Ist ja nicht so, dass der Großteil der Kunstproduktion so innovativ und sophisticated wäre. Ganz viel ist da sowieso eher spielerischer Trash. (Naja, evtl. ist genau deshalb das Wort "Kunst" manchen eher peinlich, aber das kann man hier jetzt nicht diskutieren.)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: El God am 8.05.2013 | 10:01
Naja, das kann ziemlich nach hinten los gehen. Ich sage nur "Drama-Struktur im Rollenspiel" und so... Aber gibt natürlich auch viele Möglichkeiten zur Bereicherung.

Das ist eine Entwicklung, die imho am ehesten in Richtung Rollenspiel-Kunst führen könnte. Ich sehe da nichts, was "nach hinten" losgeht, außer, dass es mit tradierten Vorstellungen, wie Rollenspiel zu laufen hat, bricht.

Zitat
Ich sehe die ganze Diskussion eher von der anderen Seite: wenn das Wort "Kunst" genutzt wird um das Ego zu pushen, wird's natürlich prätentios. Wenn es dagegen benutzt wird, um auf selber Augenhöhe in Diskurse und vorhandene Netzwerke einzusteigen, macht das Sinn. Ist ja nicht so, dass der Großteil der Kunstproduktion so innovativ und sophisticated wäre. Ganz viel ist da sowieso eher spielerischer Trash. (Naja, evtl. ist genau deshalb das Wort "Kunst" manchen eher peinlich, aber das kann man hier jetzt nicht diskutieren.)

Problematisch ist natürlich beim Einstieg in bestehende Netzwerke, Förderstrukturen etc., dass Rollenspiel als "art in performance" praktisch null Publikum hat. Bei einer anderen Diskussion, in der es um Youtube-Mitschnitte von Spielrunden ging, habe ich z.B. schon erwähnt, dass diese Runden für mich Null Unterhaltungsfaktor haben. Am Ehesten noch als "andere spielen also so.." in einer technischen Richtung, aber im Grunde interessiert mich der Spielinhalt NULL, weil ich nicht aktiv daran teilhabe. Das mag anderen anders gehen, aber zum Thema Diaries habe ich auch schon ähnliches von anderen Spielern gehört.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Thandbar am 8.05.2013 | 10:07
  Das mag anderen anders gehen, aber zum Thema Diaries habe ich auch schon ähnliches von anderen Spielern gehört.

Seltsamerweise sind auf Youtube ja gerade die "Let's Play"-Formate äußerst beliebt momentan, nur eben auf Computerspiele bezogen. Mich persönlich hat das immer ein bisschen gewundert (warum anderen beim Spielen zugucken, wenn ich selber spielen kann?), aber hier scheint ja dennoch ein Bedarf in der Öffentlichkeit vorhanden zu sein. Wenn ich mich recht erinnere, landete ein Mincecraft-Let's-Play auch mal unter den am häufigsten angeklickten Videos überhaupt.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Praion am 8.05.2013 | 10:09
Seltsamerweise sind auf Youtube ja gerade die "Let's Play"-Formate äußerst beliebt momentan, nur eben auf Computerspiele bezogen. Mich persönlich hat das immer ein bisschen gewundert (warum anderen beim Spielen zugucken, wenn ich selber spielen kann?), aber hier scheint ja dennoch ein Bedarf in der Öffentlichkeit vorhanden zu sein. Wenn ich mich recht erinnere, landete ein Mincecraft-Let's-Play auch mal unter den am häufigsten angeklickten Videos überhaupt.

Beispielsweise weil man kein Geld für das Spiel oder die benötigte Software hat.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 8.05.2013 | 10:37
Problematisch ist natürlich beim Einstieg in bestehende Netzwerke, Förderstrukturen etc., dass Rollenspiel als "art in performance" praktisch null Publikum hat.

Die Spieler sind das Publikum. Micro-Performance. ;-)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 8.05.2013 | 10:42
Ansonsten einfach hochtrabend darüber reden, wie toll und spannend und emanzipatorisch das alles ist, und Theorie-Panels dazu abhalten.  ;D
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: 6 am 8.05.2013 | 10:55
Seltsamerweise sind auf Youtube ja gerade die "Let's Play"-Formate äußerst beliebt momentan, nur eben auf Computerspiele bezogen. Mich persönlich hat das immer ein bisschen gewundert (warum anderen beim Spielen zugucken, wenn ich selber spielen kann?), aber hier scheint ja dennoch ein Bedarf in der Öffentlichkeit vorhanden zu sein. Wenn ich mich recht erinnere, landete ein Mincecraft-Let's-Play auch mal unter den am häufigsten angeklickten Videos überhaupt.
Wenn Dich das interessiert, dann mach einen Thread dazu auf. Ich werde Dir als leidenschaftlicher Lets Play-Schauer vielleicht das eine oder andere dazu sagen können. (Aber nicht hier. Das wäre komplett OT). :)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Thandbar am 8.05.2013 | 11:08
Das finde ich total nett! Aber es wäre vielleicht nicht OT, wenn die Motivation, warum man ein Let's-Play schauen möchte, sich übertragen ließe auf eine Vorführbarkeit von Rollenspielen gegenüber einem Publikum, das gerade nicht spielt. 
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: 6 am 8.05.2013 | 11:10
Das finde ich total nett! Aber es wäre vielleicht nicht OT, wenn die Motivation, warum man ein Let's-Play schauen möchte, sich übertragen ließe auf eine Vorführbarkeit von Rollenspielen gegenüber einem Publikum, das gerade nicht spielt. 
Dazu muss ich sagen, dass ich das Zuschauen bei einer Rollenspielrunde eher langweilig finde. Ich werde diese Transferleistung deswegen wahrscheinlich nicht machen können.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Arldwulf am 8.05.2013 | 11:18
Mhh...ich hab schon öfters mal mir Rollenspielrunden mit angeschaut und fand das eigentlich ganz interessant. Dann aber eher per Video als live. Ansonsten würd ich wohl doch der Versuchung unterlegen mitzumachen.

Per Video find ich es vergleichbar mit dem lesen eines auf Rollenspielregeln basierenden Webcomics. Es ist lustig, ich weiß nicht was passieren wird, aber ich kann mich sowohl in die Charaktere als auch in die Spieler hineinversetzen.

The Gamers hab ich ja auch geschaut und fands toll.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Crimson King am 8.05.2013 | 11:27
Ich bin für das Gesamtthema beileibe kein Fachmann, meine aber, zu wissen, dass der Kunstbegriff über die letzten 200 Jahre hinweg derart ausgeweitet wurde, dass man jede Rollenspielsitzung, auch jeden Dungeon Crawl, als Kunst bezeichnen kann, so lange eine die Welt und die Handlungen der beteiligten Kreaturen beschreibende Komponente, die über die Regelmechanik hinaus geht, enthalten ist.

Rollenspielrunden, die das Erschaffen von Geschichten oder das Miterleben von Ereignissen zum Ziel haben, oder solche, die Aspekte der Realität reflektieren, genügen auch den Kriterien enger gefasster Kunstbegriffe.

Was nicht übersehen werden sollte, ist, dass Kunst auch einfach schlecht sein kann. Die meisten Menschen denken beim Wort Kunst immer an die Meisterwerke von da Vinci, Thomas Mann oder Beethoven. Es gibt unter Künstlern einfach eine Menge Dilettanten, und Rollenspieler dürften fast ausnahmslos in diese Kategorie gehören, wobei Dilettant hier in seiner ursprünglichen Bedeutung des nicht geschulten Künstlers zu verstehen ist.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: 1of3 am 8.05.2013 | 11:32
Problematisch ist natürlich beim Einstieg in bestehende Netzwerke, Förderstrukturen etc., dass Rollenspiel als "art in performance" praktisch null Publikum hat. Bei einer anderen Diskussion, in der es um Youtube-Mitschnitte von Spielrunden ging, habe ich z.B. schon erwähnt, dass diese Runden für mich Null Unterhaltungsfaktor haben.

Ich fand z.B. Will Wheatons Fiasco-Runde sehr unterhaltsam. Gibts auf Youtube. Ich hab auch schon aufm Treffen bei einer Polaris-Sitzung zugeschaut. Hat mir auch gefallen.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 8.05.2013 | 12:38
Was nicht übersehen werden sollte, ist, dass Kunst auch einfach schlecht sein kann. Die meisten Menschen denken beim Wort Kunst immer an die Meisterwerke von da Vinci, Thomas Mann oder Beethoven. Es gibt unter Künstlern einfach eine Menge Dilettanten, und Rollenspieler dürften fast ausnahmslos in diese Kategorie gehören, wobei Dilettant hier in seiner ursprünglichen Bedeutung des nicht geschulten Künstlers zu verstehen ist.

Ja, das meinte ich mit

Zitat
Ist ja nicht so, dass der Großteil der Kunstproduktion so innovativ und sophisticated wäre. Ganz viel ist da sowieso eher spielerischer Trash. (Naja, evtl. ist genau deshalb das Wort "Kunst" manchen eher peinlich, aber das kann man hier jetzt nicht diskutieren.)

Du hast das besser auf den Punkt gebracht.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder) am 8.05.2013 | 14:46
Darf ich dann ketzerisch fragen: Dreht sich der Kunstbegriff also darum, sich *selbst* die Eier zu kraulen oder kann man daraus doch noch andere Erkenntnisse fürs Rollenspiel gewinnen, z.B. aus anderen Kunstbereichen übertragen?

Frage ich gegen: Johnny singt ein Lied. Was ist der Mehrwert für ihn und sein Publikum, wenn sie sich darauf einigen, es sei "Kunst"?
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: WeepingElf am 8.05.2013 | 14:56
aber im Grunde interessiert mich der Spielinhalt NULL, weil ich nicht aktiv daran teilhabe. Das mag anderen anders gehen, aber zum Thema Diaries habe ich auch schon ähnliches von anderen Spielern gehört.

Ach, manchmal ist es ganz unterhaltsam, Rollenspielern zuzuhören, die von den Ereignissen in ihrer Kampagne erzählen.  Da kommen nicht selten genauso gute oder gar noch bessere Stories heraus, als wenn sich ein Schriftsteller hinsetzt und was ausbrütet ;)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 8.05.2013 | 17:47
Wenn man das Abenteuer kennt oder leiten will, kann es interessant sein.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: knörzbot am 8.05.2013 | 18:01
Ach, manchmal ist es ganz unterhaltsam, Rollenspielern zuzuhören, die von den Ereignissen in ihrer Kampagne erzählen.  Da kommen nicht selten genauso gute oder gar noch bessere Stories heraus, als wenn sich ein Schriftsteller hinsetzt und was ausbrütet ;)

Also meiner Erfahrung nach würde ich bei Deinem 2.Satz das "nicht" gegen ein "sehr" ersetzen.   ;)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 8.05.2013 | 18:17
Ach, manchmal ist es ganz unterhaltsam, Rollenspielern zuzuhören, die von den Ereignissen in ihrer Kampagne erzählen.  Da kommen nicht selten genauso gute oder gar noch bessere Stories heraus, als wenn sich ein Schriftsteller hinsetzt und was ausbrütet ;)

Tja, für mich ist es reizvoll, aber fällt eher in die Kategorie Sozialporno.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: El God am 8.05.2013 | 18:36
Ach, manchmal ist es ganz unterhaltsam, Rollenspielern zuzuhören, die von den Ereignissen in ihrer Kampagne erzählen.  Da kommen nicht selten genauso gute oder gar noch bessere Stories heraus, als wenn sich ein Schriftsteller hinsetzt und was ausbrütet ;)

Kommt sicher auch drauf an, was für Bücher man sonst liest. Meine bisher erlebten Rollenspielplots waren qualitativ mit handwerklich gut gemachten Büchern nicht vergleichbar. Das kann aber auch nicht der Anspruch sein. Meiner Erachtens führt der Versuch, das Erlebenis, das man beim Lesen eines Buches oder beim Schauen eines Filmes hat, ins Rollenspiel zu übertragen, nur zu Enttäuschungen.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Arldwulf am 8.05.2013 | 18:53
Btw. Als was würdet ihr einen Film wie "the Gamers" einschätzen, und wo die Grenze zwischen einem solchem Film und einer Rollenspielrunde bei der man (z.b. per Video) zuschaut setzen?
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: 6 am 8.05.2013 | 18:58
Btw. Als was würdet ihr einen Film wie "the Gamers" einschätzen, und wo die Grenze zwischen einem solchem Film und einer Rollenspielrunde bei der man (z.b. per Video) zuschaut setzen?
Ich würde den Film als "Film" einschätzen. Das hat mit Rollenspiel meiner Meinung nach nichts mit Rollenspiel zu tun. Eine Rollenspielrunde, bei der man per Video zuschaut fällt bei mir dann unter den gleichen Gesetzmässigkeiten wie ein Film. Wenn sie nicht als Film funktioniert (und das wird sie nicht), würde ich sie als langweilig empfinden.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: WeepingElf am 8.05.2013 | 19:31
Kommt sicher auch drauf an, was für Bücher man sonst liest. Meine bisher erlebten Rollenspielplots waren qualitativ mit handwerklich gut gemachten Büchern nicht vergleichbar. Das kann aber auch nicht der Anspruch sein. Meiner Erachtens führt der Versuch, das Erlebenis, das man beim Lesen eines Buches oder beim Schauen eines Filmes hat, ins Rollenspiel zu übertragen, nur zu Enttäuschungen.

Das stimmt natürlich.  Wirklich gute Stories habe ich auf die Weise noch nicht mitbekommen.  Aber lustig sind sie des Öfteren mal ;)

Aber es gibt anscheinend Autoren, die Kampagnenprotokolle zu Romanen aufarbeiten.  Ich habe mal in einer Newsgroup den Seufzer gelesen: "Es ist schwer, heutzutage einen neuen Fantasy-Roman zu finden, in dem man nicht andauernd die Würfel klappern hört".
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Khouni am 8.05.2013 | 19:40
Mir schwirrt gerade noch ein Kunstbegriff herum, der vielleicht fürs Rollenspiel nützlich ist, nämlich der Versuch, vermittels eines Mediums eine Botschaft, die über sich selbst hinausgeht, zu transportieren. Oder eben die Möglichkeit, aus einer Sache mehr Botschaften zu ziehen, als der Sache an sich immanent sind.

Wenn ich eine bestimmte Stimmung erwecken möchte, dann ist es Kunst (Stimmung ist Botschaft; bzw entsteht eine Stimmung dadurch, dass bestimmte Botschaften [ggf nur emotionaler Art] aufgenommen werden). Hier ist die Abgrenzung schwierig zu anderer Sprache. DIe Literaturwissenschaft fragt sich allerdings auch schon seit anno dazumal, was denn nun eigentlich ein Text ist und was Sprache und was Literatur und was nicht und was was....

Wenn ich durch das Rollenspiel etwas anderes transportieren möchte, zum Beispiel eine Aussage darüber, wieviel der einzelne Mensch inmitten des Alls (Lovecraft) wert ist, dann ist das Kunst.

Wenn ich durch das Erschaffen einer tragischen Figur etwas über Moral oder was auch immer sagen möchte, dann ist das auch Kunst (wie "tief" ihr Symbolismus auch immer sein mag).

Kann man damit arbeiten? Ich komme hier eher von der Frage, was Literatur eigentlich sei - wo das Spektrum von "alles" bis "nichts" reicht und sich teilweise irgendwo bei "Wenn der Text mehr sagt, als der Text sagt" einpendelt; wenn es quasi eine Metaebene gibt, auf der Dinge verstanden werden können und wenn die Art, wie etwas ausgesagt wird, eine Aussage darstellt.

Für das Rollenspiel finde ich diesen Ansatz unter Anderem deshalb fruchtbar, weil nach dieser Definition ein quasi unberechenbares Gesamtkunstwerk durch mehrere Künstler entstünde, die verschiedene Aussagen in diesem Kunstwerk schaffen/verkörpern wollen, und das Kunstwerk später dann ein Gemisch aus all diesen Aussagen darstellt und etwas über die Aussagenden wie auch das Zusammenspiel der Aussagen... aussagt. ('tschuldigung, zu viel Uni heute, mein Hirn ist platt)

Wenn ich als Spielleiter sage, hey, dieses Setting soll existentialistisch wirken, ist das Kunst. Die Frage ist auch, ob es Kunst ist, wenn ich mir nichts bewusst denke, jemand anders aber durch das Setting Aussagen trifft. Ich würde sagen, ja. Der Künstler "weiß" eben nicht immer, was Kunst ist. Das ist aber wieder eine ganz andere Fragestellung.

Nebenbei finde ich, dass wir uns tatsächlich eher mit der Literaturwissenschaft als mit anderer "Kunst" beschäftigen sollten. Rollenspiel ist an erster Stelle ein sprachliches Produkt (bzw entsteht aus sprachlichen Vorgängen); also sollte man sich Definitionen ansehen, die von ähnlichem Datenmaterial ausgehen. Kriterien wie gebundene Sprache sind durch Erzählrechte etc beispielsweise schon gegeben.


Kunst widerspricht nicht Spiel! Die Surrealisten haben exquisite corpse gespielt. Ich würde so weit gehen und sagen, dass in Spielen unglaublich viel künstlerisches Potential steckt.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Thandbar am 9.05.2013 | 06:51
Mir schwirrt gerade noch ein Kunstbegriff herum, der vielleicht fürs Rollenspiel nützlich ist, nämlich der Versuch, vermittels eines Mediums eine Botschaft, die über sich selbst hinausgeht, zu transportieren. Oder eben die Möglichkeit, aus einer Sache mehr Botschaften zu ziehen, als der Sache an sich immanent sind.

Umberto Eco formulierte einmal, wenn ich mich recht entsinne, den postmodernen Leistungsbegriff der Kunst ganz schlicht so: Je mehr Bedeutungsebenen (=Lesarten) gleichzeitig vorhanden sind, desto besser ist das Kunstwerk.
Dementsprechend wurde das Computerspiel "Red Dead Redemption" in dem Kultursender SWR2 deshalb als Kunstwerk rezipiert, weil es souverän mit seinem eigenen Genre spiele, anspielungsreich sei und auf andere Medien verweise, während es sich selbst in seiner Machart reflektiere.

Das Erzeugen von Stimmung, das Entrücken in eine fremde Welt, die Wahrnehmung des Schauers, den das große Unbekannte erweckt, gehört für mich zu einem eher romantischen Leistungsbegriff an die Kunst. Das Rollenspiel bewegt sich recht oft in der Nähe des Wunderbaren, und wenn es in der Lage ist, diesen besonderen Zauber auf die Spieler zu übertragen, der in der Erkundung der "Nachtseite" der menschlichen Existenz steht, so sind wir dem Ideal dieses Kunstverständnisses möglicherweise schon recht nahe.

Zitat
Wenn ich durch das Rollenspiel etwas anderes transportieren möchte, zum Beispiel eine Aussage darüber, wieviel der einzelne Mensch inmitten des Alls (Lovecraft) wert ist, dann ist das Kunst.

Nach meiner Erfahrung ergeben sich viele Themen im Rollenspiel beinahe von selbst, so zum Beispiel das Verhältnis von Macht und Herrschaft oder von Geschlecht und Gender. Inwiefern man dann diese Dinge kritisch aufgreifen will oder zum Gegenstand eigener Überlegungen machen möchte, ist dann aber sehr in die Entscheidung der Spielergruppe gesetzt.

EDIT: Es klingt vielleicht fies, aber meiner - völlig unzureichenden und ganz und gar subjektiven - Beobachtung nach ist Rollenspiel oftmals eine Nachformung des Heimatromans, "wo der Zwerg noch sein Bier trinkt und der Elf sein Liedchen singt". 

Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Arldwulf am 9.05.2013 | 07:05
Ich würde den Film als "Film" einschätzen. Das hat mit Rollenspiel meiner Meinung nach nichts mit Rollenspiel zu tun. Eine Rollenspielrunde, bei der man per Video zuschaut fällt bei mir dann unter den gleichen Gesetzmässigkeiten wie ein Film. Wenn sie nicht als Film funktioniert (und das wird sie nicht), würde ich sie als langweilig empfinden.

Aber bedeutet dies nicht dass ich dann 2 Videos habe, in beiden sehe ich Rollenspielern zu wie sie Rollenspiel betreiben - aber in einem Fall ist es Kunst und im anderem nicht?
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 9.05.2013 | 08:46
Naja, eine Sportaufzeichnung unterwirft sich auch gewissen dramaturgischen Anforderungen, als Film würde ich es aber nicht bezeichnen.

Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: 1of3 am 9.05.2013 | 09:34
Für das Rollenspiel finde ich diesen Ansatz unter Anderem deshalb fruchtbar, weil nach dieser Definition ein quasi unberechenbares Gesamtkunstwerk durch mehrere Künstler entstünde, die verschiedene Aussagen in diesem Kunstwerk schaffen/verkörpern wollen, und das Kunstwerk später dann ein Gemisch aus all diesen Aussagen darstellt und etwas über die Aussagenden wie auch das Zusammenspiel der Aussagen... aussagt. ('tschuldigung, zu viel Uni heute, mein Hirn ist platt)

Wenn du das noch schreiben kannst, wenn dein Hirn platt ist, meine Anerkennung. Furchtbar finde ich das Ergebnis nun allerdings nicht. Dann ist Rollenspiel folglich eine Form, wo verschiedene Kunstformen von verschiedenen Produzenten nacheinander zu Tage treten. Könnte ich mit arbeiten.


(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Arldwulf am 9.05.2013 | 09:50
Für das Rollenspiel finde ich diesen Ansatz unter Anderem deshalb fruchtbar, weil nach dieser Definition ein quasi unberechenbares Gesamtkunstwerk durch mehrere Künstler entstünde, die verschiedene Aussagen in diesem Kunstwerk schaffen/verkörpern wollen, und das Kunstwerk später dann ein Gemisch aus all diesen Aussagen darstellt und etwas über die Aussagenden wie auch das Zusammenspiel der Aussagen... aussagt. ('tschuldigung, zu viel Uni heute, mein Hirn ist platt)

Mhh, den gleichen Effekt hat man aber bei jedem Film bei dem sich die Schauspieler selbst einbringen und bei jedem Musikalbum einer Band wenn deren Werke von mehreren Leuten geschaffen werden.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Khouni am 9.05.2013 | 10:13
Da muss kein "aber" stehen, Arldwulf. Das zeigt, dass der Ansatz auch andernorts funktioniert. Das Ziel war nicht, das Rollenspiel abzugrenzen, sondern seine Schönheit zu beschreiben.

Umberto Eco formulierte einmal, wenn ich mich recht entsinne, den postmodernen Leistungsbegriff der Kunst ganz schlicht so: Je mehr Bedeutungsebenen (=Lesarten) gleichzeitig vorhanden sind, desto besser ist das Kunstwerk.
Dementsprechend wurde das Computerspiel "Red Dead Redemption" in dem Kultursender SWR2 deshalb als Kunstwerk rezipiert, weil es souverän mit seinem eigenen Genre spiele, anspielungsreich sei und auf andere Medien verweise, während es sich selbst in seiner Machart reflektiere.

Das Erzeugen von Stimmung, das Entrücken in eine fremde Welt, die Wahrnehmung des Schauers, den das große Unbekannte erweckt, gehört für mich zu einem eher romantischen Leistungsbegriff an die Kunst. Das Rollenspiel bewegt sich recht oft in der Nähe des Wunderbaren, und wenn es in der Lage ist, diesen besonderen Zauber auf die Spieler zu übertragen, der in der Erkundung der "Nachtseite" der menschlichen Existenz steht, so sind wir dem Ideal dieses Kunstverständnisses möglicherweise schon recht nahe.

Nach meiner Erfahrung ergeben sich viele Themen im Rollenspiel beinahe von selbst, so zum Beispiel das Verhältnis von Macht und Herrschaft oder von Geschlecht und Gender. Inwiefern man dann diese Dinge kritisch aufgreifen will oder zum Gegenstand eigener Überlegungen machen möchte, ist dann aber sehr in die Entscheidung der Spielergruppe gesetzt.

EDIT: Es klingt vielleicht fies, aber meiner - völlig unzureichenden und ganz und gar subjektiven - Beobachtung nach ist Rollenspiel oftmals eine Nachformung des Heimatromans, "wo der Zwerg noch sein Bier trinkt und der Elf sein Liedchen singt". 




Bis zu deinem EDIT finde ich das alles sehr gut! Umberto Ecos Kunstbegriff ist auch schön, weil er prinzipiell nicht in Kunst/Nicht-Kunst trennt, sondern Allem ein künstlerisches Potential zuschreibt - auf ähnliche Weise, wie ich das tue, indem ich sage, dass Digne, die mehr sagen (oder von denen man mehr hört), als sie sagen, Kunst/künstlerischer wären. Das Übertragen von Stimmungen wäre nur eine der Bedeutungsebenen des Ganzen.

Vielleicht ist der Begriff "Kunst" vielleicht auch irgendwie zu belastet? Ein anderes Wort, das diese intellektuelle Fruchtbarkeit (und ich sehe mich beileibe nicht als intellektuell) ausdrückt, fehlt mir derzeit aber noch.

Zu deinem Edit: Leider, leider, leider würde ich auch Heimatromane als Kunst bezeichnen (sowie die Art Rollenspiel, die du beschreibst), auch wenn ich noch keinen fand, der mich ansatzweise interessiert hätte.


Ich mag dieses Gespräch. Endlich einmal ein gesitteter Ton, Produktivität, konstruktives Aufbauen von Thesen und keinerlei Anfeindungen. Danke, Tanelorn!
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Arldwulf am 9.05.2013 | 10:36
Persönlich würde ich Kunst vom Können ableiten. Nicht jedes Bild das ich male ist Kunst. Wohl eher keins. ;-)
Weil ich das was ich gern malen würde nicht malen kann.

Es geht also um das Erreichen eines Ziels.

Davon unabhängig sind es aber alles kreative Werke. Und das ist ein guter Alternativbegriff meiner Meinung nach.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Crimson King am 9.05.2013 | 10:46
Persönlich würde ich Kunst vom Können ableiten. Nicht jedes Bild das ich male ist Kunst. Wohl eher keins. ;-)
Weil ich das was ich gern malen würde nicht malen kann.

Es geht also um das Erreichen eines Ziels.

Davon unabhängig sind es aber alles kreative Werke. Und das ist ein guter Alternativbegriff meiner Meinung nach.

Es gibt so etwas wie naive Kunst, und auch ein Dilettant ist ein Künstler. Aber deine Verwendung des Kunstbegriffs deckt sich mit der der Masse. Die verbindet Kunst mit besonderer Qualität. Ecos Kunstbegriff gefällt mir da weitaus besser.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 9.05.2013 | 11:13
Persönlich würde ich Kunst vom Können ableiten. Nicht jedes Bild das ich male ist Kunst. Wohl eher keins. ;-)
Weil ich das was ich gern malen würde nicht malen kann.

Dieses Können ist ein handwerkliches Talent. Mit dem allein machst du keine Kunst. Und wie willst du das Können messen? Ist das eine binäre Angelegenheit? Es gibt Könner und Nichtkönner?

Diese Ansicht ist nicht gerade konsequent zu Ende gedacht.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Khouni am 9.05.2013 | 11:20
Picassos Bilder sind auch nicht einmal ansatzweise von der gleichen "Kunstfertigkeit" (sic) wie diejenigen Michelangelos. Oder wie Dürers Arbeiten. Dennoch ist Picasso ein Künstler.

EDIT:: Nicht falsch verstehen. Ich will gar nicht erst mit dem Kriterium Kunstfertigkeit (oder Handwerk oder Geschick oder was auch immer) arbeiten. Das diente nur der Demonstration.




Wollen wir uns im Laufe der nächsten Seiten mal auf einen Kunstbegriff einigen und von diesem ausgehend dann weiterdiskutieren?
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: 6 am 10.05.2013 | 08:56
Aber bedeutet dies nicht dass ich dann 2 Videos habe, in beiden sehe ich Rollenspielern zu wie sie Rollenspiel betreiben - aber in einem Fall ist es Kunst und im anderem nicht?
Sagen wir es anders:
Beide Filme könnten Kunst sein. Der eine Film wäre dann ein dramaturgischer Film, der Rollenspiel als Thema hat.
Der andere Film könnte Kunst werden, wenn die Aufzeichnung dokumentarisch aufbereitet wird. Wenn also die Rollenspielsession aufgenommen und unbearbeitet gesendet werden würde, wäre das in meinen Augen eine schlechte Dokumentation. Interessanterweise könnte meiner Meinung nach die aufgenommene Rollenspielsession für die Spieler Kunst sein, während der Zuschauer der Aufzeichnung nichts damit anfangen könnte, weil ihm die Gedankenprozesse der Spieler fehlen.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: 6 am 10.05.2013 | 09:03
Naja, eine Sportaufzeichnung unterwirft sich auch gewissen dramaturgischen Anforderungen, als Film würde ich es aber nicht bezeichnen.
Interessanterweise gab es meiner Meinung nach eine Sportaufzeichnung, die man Kunst nennen könnte oder zumindest sehr Kunstnah war: Der Torfall von Madrid (http://de.wikipedia.org/wiki/Torfall_von_Madrid)
(Als Film würde ich das auch nicht bezeichnen. Es ist mir nur eingefallen, weil Du von einer Sportaufzeichnung gesprochen hast)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Menthir am 10.05.2013 | 11:25
Dieses Können ist ein handwerkliches Talent. Mit dem allein machst du keine Kunst. Und wie willst du das Können messen? Ist das eine binäre Angelegenheit? Es gibt Könner und Nichtkönner?

Diese Ansicht ist nicht gerade konsequent zu Ende gedacht.

Kunst und handwerkliches Können sind in den klassischen Betrachtungen sehr gleich und verbinden sich in antiken Überlegungen um den Begriff der τέχνη (http://de.wikipedia.org/wiki/Techne). Seit der Zeit der Aufklärung hat dies wieder Verwendung bei Kant und seinen Überlegungen zum Genialischen in der Kritik der Urteilskraft. Die deutsche Sprache hat sich daraus und durch eigene idealisierte Bilder sicher zweckmäßige Ersatzbegriffe geschaffen, wie die Handwerkskunst, Malerkunst etc.

Diese Diskussion hier baut sicher am ehesten auf den aufklärerischen Ideen der "Schönen Künste" auf und setzt eine andere ästhetische Grunderwartung voraus, die aus Kunst das Können schließen lässt, wie es in der deutschen Sprache auch gerne und zurecht hergeleitet wird.

In der Kunst ist nicht nur das fertige Objekt, sprich Kunstwerk, von Bedeutung, sondern der Prozess und ich denke, das gerade der Prozess bei vielen Gruppen durchaus als Kunst bezeichnet werden kann. Zudem sind einige Spielrunden von vielfachen künstlerischen Versuchen begleitet. Das können Diaries sein, ebenso lassen sich in unterschiedlichen Gruppen unterschiedliche Anklänge zu den darstellenden Künsten finden, in Anwendung, aber auch bspw. in methodischer Hinsicht (Theatertheorie spielt in meinen Runden eine große Rolle). Manche Gruppen entwickeln dann selbst auch Mittel bildender Kunst, ob dies nun von Malereien bis hin zu Statuen geht (ist zwar selten, mir aber bereits untergekommen). Filmprojekte und Musik sind ebenfalls nicht unbekannt.

Des Weiteren kann sich gefragt werden, ob das exzessive Nutzen von Kunst und den diversen Kunstarten, und eine damit verbundene Zusammenstellung zu Spielzwecken nicht eine Form eines eklektizistischen Kunstprozesses ist und am Ende dadurch nicht gar ein eigenes Kunstwerk bei entsteht. Wenn jetzt die Bewertung von externen Betrachtern abhängig gemacht würde (klar, die am Werk Beteiligten haben eine andere Sicht auf das Geschehen, das Wirken und das Ergebnis), ist es dann vor allem eine Frage der Werkvermittlung oder Prozessvermittlung. Subjektiv hat Kunst sicher immer etwas mit dem Anerkennen von Kunst zu tun. Jeder kennt es bestimmt aus seiner Erstkollision mit dem Dadaismus bspw. ;) Und dann kommt von subjektiver Warte auch immer eine Art Willensbekundung und Planhaftigkeit dazu. Große Kunst, so will es unser Kunstverständnis gerne, kann nichts sein, welches unabsichtlich entsteht. Ist nachvollziehbar, passt es doch selten zu unseren gängigen Kunstbegriffen, die mit der Meisterschaft einhergehen. Aber das ist ja auch das Schöne am Kunststreit. Der Kampf zwischen subjektiver Einschätzung, dem Versuch des Ansprechens des Subjektes durch den Künstler und die mangelnde Objektivierbarkeit von Geschmack, welche dann auf Methodik, Handwerk etc. ausweicht, um letztendlich dann häufig nicht Handwerk und Methodik zu kennzeichnen, sondern Geschmack zu legitimieren.  ~;D

Die Meinung zu meinem eigenen Wirken ist sehr ambivalent. Ich schreibe Logs, nutze sehr viel Kunst in meinen Runden zur Darstellung und Vertiefung des Geschehens (also mehr als gezeichnete Maps, NSC-Porträts und manchmal eine Landschaftsdarstellung), es entstehen ganze Kampagnenordner und die Beschäftigung mit der Runde geht weit über das Vorbereiten einer Spielsitzung und dem Spielen dieser heraus. Andererseits ist meine Motivation nicht künstlerisch (wenn wir jetzt von den "Schönen Künsten" ausgehen) gesteuert, sondern meist philosophischen Fragestellungen unterworfen. Dementsprechend könnte es sein, dass der Prozess der Runde häufig ein Kunstprozess ist, obwohl das abschließende Werk dazu es nicht mehr ist. Da aber keiner, außer meiner Spielrunde, das weitergehend beleuchten kann, lässt sich das bisher nicht ohne Weiteres falsifizieren.

Da fällt mir zum Abschluss noch eine weitere Diskussionsmöglichkeit aus dem Kunstdiskurs ein. Nämlich die Unterscheidung von Kunst und Künstlichkeit. Künstlich meint in diesem Zusammenhang das Gekünstelte, also sich auch Unnatürlich-Anfühlende. Dieser Diskurs betitelt Kunst gerne als das Natürliche. Nach dieser Prämisse kann es dann natürlich sein, dass Kunst nochmal eine andere Bedeutungswandlung bekommt und so dann viele (oder die meisten) Spielrunden, selbst jene mit Kunstanspruch, am Ende eigentlich nur einen Künstlichkeitsanspruch haben. Aber das ist vielleicht eine andere Diskussion. ;)
Das fiel mir nur ein, wegen Arldwulfs Idee diese Prozesse eher als kreatives Werke zu bezeichnen. Darüber ließe sich sicher auch stark streiten, inwieweit jeweilige Runden wirklich kreativ sind. In Sachen Neuschöpfungen oder etwas zu erschaffen wahrscheinlich seltener, in der Bedeutung von "(gut) auswählen" sicher häufiger.

Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Thandbar am 10.05.2013 | 11:43
@ Picasso


(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
 
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Fat Duck am 10.05.2013 | 12:03
Wollen wir uns im Laufe der nächsten Seiten mal auf einen Kunstbegriff einigen und von diesem ausgehend dann weiterdiskutieren?

Das halte ich für unmöglich, weil es Teil der Kunst ist, sich gegen Definitionen von Kunst aufzulehnen, siehe eben der von dir erwähnte Picasso oder die Minimal Art (Kunstwerke sollen nichts als sich selbst darstellen), Pop Art (Kunstwerke müssen nicht einzigartig sein), Institutionenkritik usw. Am Ende bleibt mMn eigentlich nur "Kunst ist, was als solche anerkannt wird."
Was man aber machen kann, ist, Rollenspiel unter verschiedenen Kunstbegriffen zu betrachten und da finde ich deinen Ansatz bzw. Ecos Ansatz z.B. sehr interessant.

Das fiel mir nur ein, wegen Arldwulfs Idee diese Prozesse eher als kreatives Werke zu bezeichnen. Darüber ließe sich sicher auch stark streiten, inwieweit jeweilige Runden wirklich kreativ sind. In Sachen Neuschöpfungen oder etwas zu erschaffen wahrscheinlich seltener, in der Bedeutung von "(gut) auswählen" sicher häufiger.

Hm Erschaffen ... der Aspekt "Kreativität" ist genauso problematisch wie der Begriff "Kunst". Komplett neuschaffen tut keiner was, aber: Beim Rollenspiel geht es schon sehr oft um ein Wiederaufleben von Sachen, die einem gefallen (im Sinne von: "mein Char ist wie x", "wir nehmen als Setting das aus Filmreihe y"). Also der Aspekt ist meiner Erfahrung nach schon sehr oft sehr zentral. Damit hat Rollenspiel oft was von Fanart.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Crimson King am 10.05.2013 | 12:52
@Menthir: sehr erhellender Post. Danke! :d

Davon abgesehen glaube ich nicht, dass es sich als Rollenspieler vermeiden lässt, teil eines kreativen Prozesses in Sinne von künstlerischem Schaffen zu sein. Die Verkörperung eines fremden Charakters innerhalb der Fiktion über Beschreibung und Darstellung, die Beschreibung des Settings und der Details innerhalb der die Spielercharaktere direkt umgebenden Fiktion, das Erschaffen einer Geschichte, irgendwas von diesen Dingen tut jeder Rollenspieler, oder er spielt kein Rollen- sondern ein Brettspiel.
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Praion am 10.05.2013 | 13:07
Die Spieler sind das Publikum. Micro-Performance. ;-)

Naja man könnte durchaus mit Publikum spielen. Oder Live Mitschnitte rausbringen etc. Die Möglichkeiten hier was zu machen sind schon gegeben. Siehe beispielsweise Jeep LARP
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: Khouni am 10.05.2013 | 14:28
@Thandbar

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)


(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Kunst, die 384.ste; war: 90er-Jahre & gewaltfrei
Beitrag von: tartex am 10.05.2013 | 14:35
Naja man könnte durchaus mit Publikum spielen. Oder Live Mitschnitte rausbringen etc. Die Möglichkeiten hier was zu machen sind schon gegeben. Siehe beispielsweise Jeep LARP

Klar. Man kann, aber muss nicht, um dem Ganzen eine Rechtfertigung zu geben.