Mal was Außergewöhnliches - ein Rollenspiel für Kinder von 6 bis 10. Na, wo doch alle über den fehlenden Nachwuchs jammern, schauen wir uns das mal an.
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Die Welt
Sicher eine der größten Herausforderungen: Eine spannende Welt zu erschaffen, die aber auch kindertauglich ist, und trotzdem eine flexible Problemlösung und hohes Identifikationspotential bietet. Bei little Wizards übernimmt jeder der Spieler die Rolle eines kleinen Zauberers (surprise!), der also ungefähr im Schulalter ist. Die Welt ist aber sehr viel leichter als Harry Potter, an den man bei Zauberschülern vermutlich zuerst denkt. Hier werden definitiv jüngere Kinder adressiert, die Welt ist insgesamt sehr nett.
Wie sieht die Welt aus? Wie eine Münze., also: eine Scheibe mit Ober- und Unterseite. Auf der Oberseite sind die fünf 'guten' Inseln, auf der Unterseite die fünf 'dunklen' Inseln. Aber selbst das Dunkle ist noch sehr nett, Vampire z.B. sind nicht blutrünstig, sondern bedenklich eingebildet aber sonst nett. Die Spukinsel erfreut sich vieler Touristen, weil sich jeder gerne mal erschrecken lässt.
Insgesamt ist die Welt nur skizziert; zwei drei Seiten als Vorstellung für die Münze, eine Insel von jeder Seite wird dann später im Abenteuerteil näher vorgestellt. Somit ist es eine sehr passende, aber nur dürftig beschriebene Welt. Das ist insbesondere schade, weil die Zielgruppe noch keinen so breiten Fundus an Klischees mitbringt, mit dem sie die gesamte Welt zum Leben erwecken können.
Etwas deplatziert ist, dass auf der Welt unterschiedliche Sprachen gesprochen werden. In zweien der drei Abenteuer ist das ein Thema, und beide Male wird es mit der großen Magie-Kelle aus der Welt geschafft. Dafür hätte es das gar nicht gebraucht.
Die Regeln
Überraschend gut für ein Kinderrollenspiel: Nahezu alle Aspekte eines Rollenspiels sind gegeben, aber gleichzeitig so schlank dass ich keine Zweifel habe, dass ein sechsjähriges Kind sie verstehen kann. Es gibt zwei Arten von Little Wizards (aka Klassen): Zauberer (Sorcerers) und Magier (Mages). Diese unterscheiden sich dadurch, woher sie ihre Magie haben (geerbt vs. gelernt) und haben beide etwas unterschiedliche Talente.
Beide werden über drei Attribute und vier magische Kräfte definiert (von denen drei beim Generieren gewählt werden). Diese können in den Stufen Gut (+0), Besser (+1) und Am besten (+2) vorliegen. Die Proben sind dann vergleichsweise einfach: 2W6 + Attribut oder Kraft muss über einem Zielwert kommen. Die Zielwerte sind dabei sehr freundlich angelegt, sodass die meisten Proben gelingen werden (Fast unmöglich ist z.B. eine 10). Außerdem können noch Boni über Zusammenarbeit eingefahren werden.
Schließlich gibt es noch (mundane) Fähigkeiten, die im Spiel erworben werden können. Sie sind frei definierbar und können dazu genutzt werden, einen Würfelwurf zu wiederholen.
Steigerungen gehen über Erfahrungs-, Entschuldigung, kleine Punkte, von denen auch reichlich verteilt werden sollen.
Die Charaktergenerierung ist einfach und schnell. Erfreulicherweise wird viel Wert auf die Festlegung der Persönlichkeit und des Aussehens gegeben, um die noch jungen Spieler anzuhalten, echte Figuren zu erstellen und nicht Superheldenabziehbilder von sich selbst.
Es gibt auch Tipps für den Spielleiter; diese sind soweit okay. Auch die geheime vierte Regel ("Schummel!") ist dabei, und obwohl diese natürlich in gewaltigem Verruf bei vielen Rollenspielern steht, finde ich sie im Kontext eines Spiels für Kinder nicht ganz verkehrt. Sehr praktisch ist, dass jeder Zauberer einen Vertrauten hat - eine perfekte Figur, die der Spielleiter nutzen kann, um die Spieler zu unterstützen. Im normalen Spiel übernimmt jeder Spieler übrigens seine eigene Figur und den Vertrauten seines Nebenmannes. Eine sehr nette Idee.
Die Abenteuer
Little Wizards wird mit drei Abenteuern ausgeliefert. Diese steigen in ihrer Komplexität schrittweise an - das erste geradlinige Aneinanderreihung von vier Szenen, über ein lineares Abenteuer mit freiem Spiel und sozialer Interaktion hin zu einem offenen Szenario in einem geschlossenen Raum. Die Inhalte sind natürlich kindgerecht (Kobolde haben eine Schokoladenfabrik übernommen und treiben jetzt Schabernack mit dem Rezept). Auch die Länge der Abenteuer steigt, das erste kann in etwa einer halben Stunde gespielt werden, das letzte wird schon etwas länger dauern.
Vielleicht etwas zu süß sind die Abenteuer, ohne wirkliche Bösewichte oder echte Widersacher. Am Ende ist immer alles gut und alle haben sich lieb.
Die Aufbereitung
Als erstes fällt das ungewöhnliche Format auf - fast quadratisch ist das Softcover Buch, nicht sonderlich dick (etwa 125 Seiten) und durchgängig farbig illustriert. Der Stil der Grafiken ist einheitlich, an den Manga Stil angelehnt und absolut kindgerecht. Insbesondere die herbeigezauberte fleischfressende Pflanze hat's meinem Sohn angetan - als er das gesehen hat, war's keine Frage mehr, dass er mal spielen will. Der Text ist locker gesetzt, und das Verhältnis von Bild zu Blei passt für mich perfekt. Volle Punktzahl hier.
Fazit
Little Wizards macht seine Sache exzellent. Ich bezweifle, dass Kinder im 'ich lerne lesen' Alter wirklich schon alleine losspielen können, aber in Begleitung von älteren Kindern oder Erwachsenen werden sie einen riesigen Spaß in der Rolle der kleinen Zauberer haben. Abzüge gibt's für die etwas schmale Beschreibung der Welt (wobei das auch dem Zielpublikum geschuldet sein mag, das bestimmt nicht lange Regionenbeschreibungen lesen mag) und dass es doch sehr in Friede, Freude, Eierkuchen abdriftet.
Beim ersten Darüberblättern war mein fünfjähriger Sohn begeistert, und ein Update gibt's spätestens, wenn er die Kobolde aus der Schokoladenfabrik vertrieben hat.
Heute Abend war's so weit, der Kurze (5 Jahre) hat sein erstes Rollenspiel gespielt. Die Charaktergenerierung ging sehr schnell von der Hand, und der Fokus auf das Aussehen hat ihm viel Spaß gemacht (wobei das meiste von Blitzen und Feuer geziert wurde). Als Vertrauten erkor er sich einen Babydrachen aus (was mich jetzt NICHT überrascht hat). Interessanterweise wollte er auch dem Babydrachen Fähigkeiten geben, unter anderem Kugelsicherheit, Giftspritzen und noch ein zwei Sachen. Offensichtlich hatte er ein deutlich erwachseneres Szenario im Hinterkopf :D
Er selbst hat den Magier "Goldener Stern" gebaut, die Mama die Zauberin "Rubinia".
Die Charaktererstellung ging wie erwartet sehr schnell von der Hand, und war für alle leicht verständlich. Der Junior hat sich die Beschreibung lieber selbst ausgesucht (daher auch die gewisse Redundanz martialischer Magie im Outfit), während Mama zu den Zufallstabellen griff. Beide Ergebnisse waren eigentlich gut. Den Charakter haben wir nicht definiert; das schien mir noch etwas zu schwierig für den Kurzen.
Dann ging es los mit dem ersten Abenteuer. Der Vollständigkeit halber in einem Spoiler, obwohl ich bezweifle, dass Leser dieses Forums ernsthaft spielen werden (eher leiten für ihre Stöpsel).
Das Abenteuer ging kaum los, schon teilte sich die Gruppe auf. "Goldener Stern" sprach mit dem Bäcker im Brunnen, und bemerkte dessen Erwähnung von Schokolade, verfolgte es aber nicht weiter. Dann gab's Abendessen (also, in der Realität). Gesättigt sprach Rubinia mit der als Weihnachtsmann verkleideten Frau, und wieder kommt die Schokolade vor. Sie kommt zum Bäcker, und hier erfahren sie sogar, von wem die Schokolade ist und wie sie geliefert wird. Trotzdem wird erst noch bei den Baby-Teens vorbeigeschaut. "Goldener Stern" zaubert eine besonders gruselige Schokolade herbei, und schafft es so, die verzauberte Schokolade zu ertauschen.
Mit dieser Originalschokolade bewährt finden die Zauberer auch die Adresse zur Fabrik. Die Verfolgung des Lieferwagens viel damit aus, sie konnten direkt hinfliegen.
In der Fabrik waren sie etwas ratlos unterwegs - die Zimmer wurden einzeln angeschaut, aber erst beim vierten, fünften Mal, dass ich Tannennadeln und Ähnliches erwähnte, viel der Groschen: Auf in den Wald!
Im Wald wurden die Rufe gehört. Beide versuchten, sich unsichtbar zu zaubern. Das gelang nur goldener Stern, der somit alleine vorging und auf den armen Herrn Kakao und seine Peiniger stieß. Unsichtbar wie er war bewarf er die Brownies mit Steinen, die daraufhin große Angst bekamen (Steine aus dem Nichts?) und flohen. Herr Kakao wurde befreit und "Goldener Stern" wie Rubinia haben ein Schokoladen Abonnement.
Auch das Abenteuer lief flüssig. Ich war erstaunt, wie viele Proben doch scheiterten. Aber das hat praktisch nie zu verstimmungen geführt, da meist sofort eine neue Idee da war, die dann auch glückte. Außerdem gab's genug Erfolgserlebnisse. (O-Ton: Ich habe die Türe vielleicht nicht aufgekriegt, aber dafür konnte ich mich unsichtbar machen). Vom Ideenreichtum her war mein Sohn voll dabei, aber ohne die Mama wäre er doch etwas verloren gewesen. Aber in dieser Kombination hat es sehr viel Spaß gemacht. Er konnte nicht mehr still sitzen bleiben und ist ständig rumgehobst, inklusive Vorführung, wie er jetzt auf dem Besen reitet.
Gibt eigentlich nichts zu bemängeln von meiner Seite - lief einfach rund und gut. Von der Zeit her war's ein bisschen heikel (anderthalb Stunden exkl. Abendessen), weil der Junior am Ende doch etwas später als üblich ins Bett gegangen ist. Da er aber sowieso nicht schläft, ist das auch ok :)