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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Bartimäus am 23.12.2013 | 00:02

Titel: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Bartimäus am 23.12.2013 | 00:02
Hallo zusammen,

heute im Gespräch mit einem Freund erzählte er mir, dass "Vampire" sich für ihn irgendwie "80ger" anfühlen würde. Veraltet und nicht mehr auf dem Stand der Dinge. Ich selber habe beispielsweise bei Earthdawn das Gefühl, dass es als "veraltet" wahrgenommen wird. Beide Systeme sind ja nun auch schon etwas älter, aber in der anschließenden Diskussion kamen wir auf "moderne Rollenspiele", konnten aber nicht festmachen was genau ein "modernes Rollenspiel" eigentlich ist.
Daher hier nun an euch die Frage. Was lässt für euch ein System veraltet erscheinen? Welche Eigenschaften muss ein System mit sich bringen um "modern" bzw. auf dem Stand der Dinge zu sein? Gehts um das Würfelsystem, die Charaktererschaffung, die Komplexität, das Setting? Bin gepannt auf eure Statements.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: 1of3 am 23.12.2013 | 00:11
Vampire stammt ja nun aus den 90ern. ;) Ansonsten gibts ne ganze Reihe von Trends und Stilrichtungen, die mal hoch kommen, mal weniger bedeutend scheinen.

Was Earthdawn sicherlich ungewöhnlich macht, sind die unnötig hohen und vielen Zahlen. XP lassen sich locker kürzen, die Attributswerte sind nicht nötig. Das machen heute nur noch Spiele, die es früher auch schon gemacht haben.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: La Cipolla am 23.12.2013 | 00:37
Was das Spielsystem angeht? "Modern" heißt "im Trend", "veraltet" heißt "nicht mehr im Trend". There you have it, und mehr steckt imho nicht dahinter. Zumindest theoretisch gesehen - in der Praxis sieht das noch mal anders aus, aber da muss man dann auch praktisch motivierte Fragen stellen, um drüber reden zu können. Rollenspiele sind viel zu jung, um irgendwelche objektiv gültigen "Weiterentwicklungen" für sich beanspruchen zu können - also, selbst wenn man die Frage außen vor lässt, inwiefern und unter welchen Umständen andere Hobbies und Bereiche das dürfen. Also ja, wer über veraltete oder moderne Regeln redet, ist eine Trendhure. Und das hat ja durchaus seine Vorteile. :3 Man sollte bloß nicht erwarten, irgendwie allgemeingültige Wahrheiten zu haben. Dann ist man schon bald der Kerl, der seit den 80ern einen Vokuhila trägt, weil es damals nun mal das Non-Plus-Ultra war.

Vampire fühlt sich aber nicht vorrangig wegen dem System so an, als würde es aus den 80ern kommen, sondern definitiv eher wegen dem Setting. Ich meine, Düster-Goth-Kram Deluxe, Katanas, Ledermäntel, halbnackte Schwarze mit Rastalocken, niemals irgendeiner "normaler Mensch von der Straße" und eine Ideologisierung jenseits von Gut und Böse (ahaha) ... klar ist das veraltet. ^^'' Vor allem Maskerade natürlich. Auch wenn es, wie 1of3 schon angedeutet hat, viele Momente aus den 90ern mitbringt. Der Goth-Kram aber in dieser Inkarnation bspw. ist für mich eindeutig ein Überbleibsel aus den 80ern.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Feuersänger am 23.12.2013 | 00:40
Da fallen mir diverse Eigenschaften ein... beispielsweise:

Zufallsgebundene Charaktererschaffung,
daraus resultierende Diskrepanz zwischen den SCs in der Gruppe,
oder gar, dass man aufgrund der zufällig bestimmten Werte nicht den Charakter spielen darf, auf den man Bock hat
--> VERALTET3
---> Tonne!

Typisches Element "moderner" Systeme hingegen: "Gummipunkte", also eine Mechanik, mit der man seinem Charakter den Arsch retten kann oder die Chancen zu seinen Gunsten manipulieren kann.
Das ist zwar jetzt auch nicht neu (z.B. Shadowrun hat das ja schon seit ca 89), aber hat sich bewährt, sodass heutzutage kaum noch ein System "ohne" rauskommt. Ob es nun Karma, Fate Points oder Bennies heisst. (Und ja, ich finde das gut.)
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: 1of3 am 23.12.2013 | 00:46
Zufallsgebundene Charaktererschaffung,
daraus resultierende Diskrepanz zwischen den SCs in der Gruppe,
oder gar, dass man aufgrund der zufällig bestimmten Werte nicht den Charakter spielen darf, auf den man Bock hat
--> VERALTET3
---> Tonne!

Zufällige Chargen gibts immer mal wieder, z.B. Reign. Vielfach wird die etwas anders benutzt, so dass die Folgerung nicht eintritt, aber ja, gibts.

Ebenso werden "Nachteile" heute häufig nicht mehr so benutzt wie in 90ern: Sie geben nicht einmal Punkte, sondern wenn sie relevant werden.

Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Feuersänger am 23.12.2013 | 00:49
Ich dachte eigentlich, es versteht sich von selbst, aber dann sag ich's halt doch mal explizit:
"veraltet" und "modern" hat nicht zwingend was mit "alt" und "neu" zu tun.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: 1of3 am 23.12.2013 | 00:56
Es muss zumindest damit korrelieren. Sonst wäre es sinnlos. Aber ich verlasse die Diskussion jetzt besser.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Eulenspiegel am 23.12.2013 | 02:33
Wie ich das sehe:
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Maarzan am 23.12.2013 | 08:10
Da Rollenspiele in ihren Konzepten nicht "leistungsmäßig" bewertet werden können (Klar, innerhalb eines Konzeptes kann es Unterschiede geben wie gut der eigene Anspruch dann umgesetzt wurde) , sondern die Aufnahme bestimmter Konzepte Geschmackssache ist, ist modern vs veraltet reine Kampfsemantik.


In diesem Sinne meine persönliche Unterteilung:  :P
Innovation: Die Altväter des Spiels
Evolution: Die typischen "80erSpiele"
Degeneration: Quasi alles "Neue", was seit Vampire neu rauskam oder sich an den Trend anbiedern wollte...


Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Grubentroll am 23.12.2013 | 08:41
Zufallsgebundene Charaktererschaffung,
daraus resultierende Diskrepanz zwischen den SCs in der Gruppe,
oder gar, dass man aufgrund der zufällig bestimmten Werte nicht den Charakter spielen darf, auf den man Bock hat
--> VERALTET3
---> Tonne!

Das finde ich übrigens auch den größten Unterschied, den ich regeltechnisch festmachen könnte.

Das führt dann auch generell zu dem großen Unterscheider zwischen alt und neu:

* Früher hatte der Spieler (fast) keine Mitbestimmung, schon angefangen bei dem Charakter den er spielen sollte.

* Heutzutage je nach System mehr und mehr, bis hin zur totalen Relativierung des Spielleiters. Selbst wenn für die Kampagne samt Setting total unpassende Chars rauskommen ("Ich will aber einen Zylonen in Mittelerde spielen, basta!")

Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: 1of3 am 23.12.2013 | 09:28
Das müssen wir jetzt genauer unterscheiden. Gruppen, wo letztere Aussage fällt, gab es sicherlich schon immer. Was es seit Mitte der Nullziger vermehrt gibt, sind Spiele ohne SL. Neu ist das inzwischen auch nicht mehr. Was es seit jener Zeit zudem gibt, sind Ansätze die zu erklären suchen, warum das mit Zylon kein Problem ist.

Das sind also sehr verschiedene Teile:
- Wie Leute wirklich spielen.
- Wie die Spiele aufgebaut sind.
- Was Leute über das Spielen sagen.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Thandbar am 23.12.2013 | 09:53
Ich kenne eigentlich gar kein "modernes" Rollenspiel, das einem Spieler schlichtweg und gegen die Wünsche anderer erlaubt, das zu spielen, was man gerade will.
Entweder gibt das System einem schon was vor (Marvel Heroics, Dogs in the Vineyard), oder es wird vom Willen der Gruppe abhängig gemacht.
Die Charaktererschaffung ist zunehmend dann kein geheimes Prozedere zwischen einzelnem Spieler und Spielleiter mehr, sondern ein kreativer Prozess der gesamten Gruppe. Deren Votum ist aber genauso ernstzunehmen wie die eines Spielleiters, der etwas gegen ein Konzept vorbringen möchte oder es dann doch in Ordnung findet. 
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: D. Athair am 23.12.2013 | 10:06
Ein veraltetetes System ist in meinen Augen eines, das sich entweder selbst nicht im klaren darüber ist, was es ist/will oder das den Spielern nicht klar machen kann.


Insofern: Zufallsbasierte Charaktererschaffung ist KEIN veraltetes Element, wenn das Spiel weiß, warum es das tut.
Das trifft auf WFRP 2nd oder Mongoose Traveller zu. Auf Sturmbringer dagegen nicht.

Den Anspruch "du kannst dir deinen Charakter ganz nach deinen Vorstellungen bauen" halte ich ebenfalls für ein Relikt. Einfach weil mit so einer generalisierten Ansage Charaktere rauskommen können, die nicht in die Gruppe passen und/oder als Figuren kein Entwicklungspotential haben (Einstellungen, Haltungen, Ziele sind in Stein gemeißelt). Ein "modernes" System braucht in meinen Augen Boardmittel, die das verhindern.


Was ich ebenfalls als veraltet wahrnehme ist, wenn ein Spiel seine Settingbesonderheiten nicht in Regeln ausdrücken kann oder, wenn diese Regeln trotzdem nichts (positives) zum Spielerlebnis beitragen. Das Vorteil/Nachteil-System von DSA4.X fällt mir da ein. Wie man den Gedanken in richtiger Weise aufgreifen kann zeigen Qin - the warring states oder Savage Worlds.


... bei Gummipunkten bin ich mir noch nicht sicher, ob ich das eher als "Bugfix" oder "feature" sehe. Wahrscheinlich am ehesten als "mehr oder weniger sinnvolle Mode aus den 2000ern". Ein modernes System kann ohne auskommen. Muss aber nicht.


@ modernes Setting: Das gibt dem Spielleiter/der Gruppe Werkzeuge an die Hand, mit deren Hilfe sie sich die Spielwelt zu eigen machen können. Veraltet wären: Starrer Metaplot/ angedeutete Setting-Geheimnisse, mit denen gearbeitet werden muss und die dann doch eine offizielle Auflösung erfahren (sh. Engel)/ Sekundärprodukte, die die Spielwelt merklich verändern (Romane, offizielle Zeitschriften)/ perspektivisches Settinggeschwurbel anstelle übersichtlicher Präsentation (Esteren).
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Oberkampf am 23.12.2013 | 10:36
Vom Grundsatz her würde ich das auch eher für Kampfbegriffe halten, ähnlich wie "bewährt" und "neumodisch", bloß halt mit der anderen Stoßrichtung. Manchmal haben Kampfbegriffe ihren Sinn, so unerfreulich ihre Nebenwirkungen auch oft sein mögen.

Die Fragen, die ich mir meistens stelle, wenn es um "Modernität" eines Systems geht, sehen eher so aus:

Welche regelmechanischen Probleme löst das System?
Wie löst es sie?
Brauche ich diese Lösung für die Abenteuer, die ich spielen/leiten will?
Hilft die Lösung bei der Art, wie ich die Abenteuer spielen/leiten will?
Welche Anregungen gibt das Setting für Abenteuer?
Sind das die Abenteuer, die ich spielen will?
Sind Setting, Mechanik und Abenteuer gut miteinander verschränkt?

"Modern" ist dann das Rollenspiel, das meine Vorstellung von der Abenteuerfolge, die ich spielen will, gut bedient. Als "veraltet" empfinde ich es, Regeln, Setting oder Spielweise so stark verbiegen zu müssen, dass man das System im Grundsatz nicht wiedererkennt, damit man Abenteuer so spielen kann, wie man sich vorgenommen hat.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Crimson King am 23.12.2013 | 11:32
Modern ist in meinen Augen jedes System, dessen Designer sich vorab Gedanken darüber gemacht haben, wie das System verwendet werden soll, und die die Regeln auf diesen Anwendungszweck hin designed haben. Dieses Prinzip hat sich nämlich tatsächlich erst seit diesem Jahrtausend wirklich durchgesetzt und dafür sollte man der Forge auf ewig dankbar sein.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: alexandro am 23.12.2013 | 11:43
Ein modernes System ist eines, welches ein bestimmtes Genre-Setting regeltechnisch in so einer Weise behandelt, dass sich jeder fragt "warum hat das vorher noch niemand so gemacht?" (außer natürlich die Verklärer der Vergangenheit, welche Antworten "Weil wir es nie gebraucht haben! Belanglose Kämpfe müssen 5 Stunden dauern, damit sie bedeutsam sind. Und Traglast und Fackelbrenndauer sind auch total wichtig (auch wenn wir sie bisher nie eingesetzt haben)" etc.pp.).  ::)
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Rowlf am 23.12.2013 | 11:54
In den von mir beobachteten Diskussionen wird der Begriff "veraltet" nur als Spielart im Sinne von "gefällt mir nicht" verwendet. Es soll halt die Aussage erhöhen und allgemeingültig machen. "Modern" ist dann das Gegenteil davon. Soll "gefällt mir nicht" auf einen eindeutig neuen Mechanismus angewandt und dabei verallgemeinert werden, so nutzen Diskutanten eben "neumodisch" oder Vergleichbares.

Letztlich läuft immer alles auf überhöhte "find ich toll"- und "find ich blöd"-Aussagen hinaus, da die Begriffe im Rollenspiel aufgrund der kurzen Existenz gar keinen Sinn ergeben können.

Ich denke nicht, dass man irgendwelche sinnvollen Definitionen finden kann und schlage vor, die Begriffe einfach zu ignorieren.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Turning Wheel am 23.12.2013 | 12:01
Eine Mode ist eine Konsumhaltung, die durch ein gezieltes Marketingkonzept entsteht.
Ein marktrelevanter Vertrieb oder Innovator bestimmt, was jetzt konsumiert werden soll. Das wird dann (eventuell) zur Mode.

Veraltet kann etwas aus zweierlei Gründen sein: Entweder es entspricht nicht mehr der Mode, oder es ist
technisch überholt.
Ich sträube mich allerdings etwas dagegen, Rollenspiele als technische Konstrukte zu sehen. Regelwerke sind
doch sehr stark vom persönlichen Geschmack des Konsumenten abhängig - genauso wie z.B. Kleidung.
Man kann ja mit angeblich regeltechnisch überholten Systemen genauso viel Spaß haben wie mit einem neuen
System. Der Beweis sind ja die großen Systeme, die tatsächlich eher 'veralteten' Strukturen folgen.
Das was im Rollenspielbereich von vielen als Mode bezeichnet wird, ist der verzweifelte Versuch, mit einem
aus ihrer Sicht besseren Spiel einen Fuß gegen die Marktgrößen in die Tür zu bringen.

Modern sind ja z.B. momentan gerade noch diverse Retro-Rollenspiele, weil es ein paar Leute mit Produkten gab, die
das vor zwei oder drei Jahren gehyped haben und es eine Menge Leute gab, die das gut fanden.
Das ist definitiv eine Mode, folgt aber (da eigentlich technisch längst dagewesen) keiner technischen Definitionen von modern.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: D. Athair am 23.12.2013 | 12:26
Veraltet kann etwas aus zweierlei Gründen sein: Entweder es entspricht nicht mehr der Mode, oder es ist
technisch überholt.
Ich sträube mich allerdings etwas dagegen, Rollenspiele als technische Konstrukte zu sehen.
Ein bißchen trifft es gut.
Mehr scheint mir auch nicht sinnvoll (http://lotfp.blogspot.de/2012/10/vornheim-wins-technology-award-at.html?zx=78a9f24a2e45daeb).  >;D

Man kann ja mit angeblich regeltechnisch überholten Systemen genauso viel Spaß haben wie mit einem neuen
System.
Das gilt auch für technische Kontrukte wie Autos. Frag die Oldtimer-Liebhaber oder Leute, die lieber einen Golf 1 oder einen alten Polo aufmöbeln, als sich ein neues Modell zu kaufen.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Feuersänger am 23.12.2013 | 13:20
"In Mode" und "modern" sind ja auch zwei paar Stiefel, aus genau diesem Grund.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: 6 am 23.12.2013 | 13:31
"In Mode" und "modern" sind ja auch zwei paar Stiefel, aus genau diesem Grund.
Na. Dann fällt aber Dein Beispiel mit der zufallsbasierten Charaktergenerierung komplett in sich zusammen.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Rowlf am 23.12.2013 | 13:31
Nun, man kann "modern" sowohl von Mode wie auch von der Moderne (Zeitepoche, endete etwa Mitte/Ende des 20. Jhdts) ableiten. Und natürlich von "Moder" ... ;)

"modern" wird oft entweder als "der aktuellen Mode entsprechend" oder bezogen auf die Epoche der Moderne verwendet. Was passt denn nun auf unser Hobby eher?
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: scrandy am 23.12.2013 | 13:33
Ich denke das der technische Aspekt durchaus vorhanden ist. Es gibt ja nunmal Regelmechaniken, die gewisse Designziele besser unterstützen als andere. Verwendet ein Spiel dennoch die schlechtere Mechanik, dann würde ich das Spiel bzgl. dieser Mechanik als veraltet bezeichnen.

Die DSA-Würfelprobe ist zum Beispiel so ein Relikt. Da argumentiert kaum jemand mit Design-Argumenten sondern eher damit, dass es irgendwie typisch und Tradition ist.

Egal wie man nun zu dieser Probe steht kann man nicht leugnen, dass sie alt und technisch überholt ist. Aber genauso wie bei alten Autos gibt es ja für alles Fans.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Bad Horse am 23.12.2013 | 13:38
Genau wie Dr. Helga und Crimson King würde ich die bewusste Entscheidung für bestimmte Regelelemente als entscheidend betrachten.

Mechanismen, die dem Spieler die Kontrolle über den Charakter aus der Hand nehmen, finde ich ebenfalls veraltet. Aber das kann daran liegen,  das ich das bei Vampire schon immer oll fand. Vielleicht haben wir das auch nur falsch gemacht.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Feuersänger am 23.12.2013 | 14:40
Na. Dann fällt aber Dein Beispiel mit der zufallsbasierten Charaktergenerierung komplett in sich zusammen.

Wie kommst du darauf? Das ist nur eine weitere Instanz davon, dass alt und neu nicht zwingend gleichbedeutend mit veraltet und modern sind.
Wenn ich mir mal nur Mainstreamsysteme anschaue: Shadowrun z.B. hat seit 1989 eine spielergesteuerte Charaktererschaffung ohne Zufallselement _und_ Gummipunkte, und war seiner Zeit damit offenbar weit voraus. Bei D&D z.B. kam der Punktepool erst 2000 als Optionalregel (die sich aber in der Community seit ca 2004 weitestgehend durchgesetzt hat) und ~2009 in PF als Grundregel, also glatt 20 Jahre später. Generell haben sich aber die Punktepools und vergleichbare Mechanismen so ab etwa 2000 großflächig verbreitet.

In den letzten Jahre schwappte eine Retrowelle über den Globus, in der teilweise auch gewürfelte Werte wieder ausgebuddelt wurden. Das ist aber nur eine Mode und nicht modern.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: D. Athair am 23.12.2013 | 14:52
"modern" wird oft entweder als "der aktuellen Mode entsprechend" oder bezogen auf die Epoche der Moderne verwendet. Was passt denn nun auf unser Hobby eher?
... oder im Sinn des lateinischen Lehnwortes als "neu", "aktuell", "auf der Höhe der Zeit".  8]
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Agent_Orange am 23.12.2013 | 14:57
Modern ... Im Sinne von "innotvativ slash neuartig" oder im Sinne von "Massengeschmack getroffen"?
Davon abhängig lässt sich jede beliebige andere Kategorie abgrenzen, wobei ich "veraltet" nicht als valide Kategorie sehe. Regelungssysteme sowie Settings/ Themen, die in den 70igern schon entwickelt wurden, finden sich auch heute in zahlreichen neuen Produkten.

AO
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: 6 am 23.12.2013 | 15:10
@Feuersänger:
Da habe ich schon Deinen Denkfehler. Du gehst gerade einem Trend nach: Charaktererstellung nach genauen Spielervorgaben. Wenn für Dich die Generierung die Darstellung der eigenen präzisen Charaktervorstellungen wichtig ist, dann ist die zufällige Charaktergenerierung natürlich nichts. 2 wichtige mögliche Generierungsziele (die in letzter Zeit wieder aufgenommen wurden) werden dabei aber komplett aussen vor gelassen:

1. Charaktergenerierung from Scratch: Du hast keine Ahnung in welche genaue Richtung Dein Charakter gehen soll. Vielleicht hast Du auch garnicht genug Ahnung vom Setting und erhälst über die Charaktergenerierung noch weitere Infos zur Welt und natürlich Inspirationen fürs eigentliche Spiel und den Hintergrund des eigenen Charakters. Beispiel: Traveller
2. Wettbewerbsgenerierung: Du holst Dir einen Charakter und versuchst diesen so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Dabei wird kein Wert auf die Optimierung gelegt, sondern es wird versucht mit dem Anfangsstatus so weit wie möglich zu kommen. Beispiele: OD&D und die Retrowelle.

Bei beiden Generierungszielen findest Du keine technische Entwicklung, die die zufällige Charaktergenerierung aushebeln. Da hast Du reine Geschmackskriterien, die gegen die Generierungsziele an sich sprechen. Die können aus der Mode fallen und wieder zurück kommen.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: D. Athair am 23.12.2013 | 15:12
In den letzten Jahre schwappte eine Retrowelle über den Globus, in der teilweise auch gewürfelte Werte wieder ausgebuddelt wurden. Das ist aber nur eine Mode und nicht modern.
Hmm... im Warhammer Fantasy Roleplay wurde das Zufallselement nie aufgegeben. Auch nicht in der recht innovativen 3rd Edition. Ansonsten: Das recht neue Superheldenspiel ICONS. Angeblich findet man teilweise zufallsbasierte Generierung auch in Dogs in the Vineyard. Lacuna soll vollständig zufallsbasiert sein.

(Wo ich dir aber Recht gebe: Zufallsgenerierung ist ein veraltetes Konzept, wenn die entstehenden SC sich bzgl. Spieloptionen merklich unterscheiden. Wenn nicht halte ich es - in vielen Fällen - Pointbuy überlegen, [...] (http://www.story-games.com/forums/discussion/comment/7043#Comment_7043) "Because people tend to choose things that they are comfortable with. This is often boring".)

Ansosten +1 zu 6s Beitrag.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Der Rote Baron am 23.12.2013 | 16:11
Wenn ich mir mal nur Mainstreamsysteme anschaue: Shadowrun z.B. hat seit 1989 eine spielergesteuerte Charaktererschaffung ohne Zufallselement _und_ Gummipunkte, und war seiner Zeit damit offenbar weit voraus. Bei D&D z.B. kam der Punktepool erst 2000 als Optionalregel (die sich aber in der Community seit ca 2004 weitestgehend durchgesetzt hat) und ~2009 in PF als Grundregel, also glatt 20 Jahre später.

In welcher "Community"? Ich habe mir noch nie einen Charakter bei D&D gemacht, bei dem ich Punkte auf Attribute verteilt habe. Noch ht das sonst jemand in meiner Gruppe. Oder irgedwer, mit dem ich jemals gespielt habe oder mich über D&D unterhalten habe.
Ich spiele seit 1983 und D&D 3.X seit dem Erscheinen (bzw. Conan/ D20 Modren usw.).

Ich halte das "Bauen" von Charaktern nicht für modern, das Erwürfeln nicht für "altmodisch" oder "für die Tonne" - es muss zur Welt und dem Genre passen und - noch wichtiger - den Geschmack der Gruppe treffen. Bratkartoffeln sind ja auch nicht für die Tonne, seit es Pommes und Kroketten gibt.

Meine Definition: Altmodisch und modern sind falsche Kategorien - "altmodische" Regeln waren oft inkosistent und nicht auf andere Regeln abgestimmt oder unnötig kompliziert (NICHT komplex - das waren sie dann noch obendrein!):
Wer je ein Regelsystem von Fantasy Games Unlimited in der Hand hatte, in dem man die Faustkämpfe so, die Fernkämpfe anders und den Kampf mit Nahkampfwaffen wieder anders durchführen sollte und beim Charaktererstellen die (spiletechnisch irrelevante) Größe seine Charakters dadurch errechnen sollte, indem er ( 2x Stärke + Konstitution)/ Gewandtheit errechnet und Trefferpunkte mit Wurzeln zu ziehen waren (manche Zahlen waren bis auf die 6 Stelle hinter dem Komma wichtig!), der versteht mit.

Abenteuer und Settings von FGU waren ziemlich gut - die Regeln meist zum Kotzen. Und immer wieder anders ...
 
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: La Cipolla am 23.12.2013 | 16:14
Eine Mode ist eine Konsumhaltung, die durch ein gezieltes Marketingkonzept entsteht.
Ein marktrelevanter Vertrieb oder Innovator bestimmt, was jetzt konsumiert werden soll. Das wird dann (eventuell) zur Mode.

Veraltet kann etwas aus zweierlei Gründen sein: Entweder es entspricht nicht mehr der Mode, oder es ist
technisch überholt.
Ich sträube mich allerdings etwas dagegen, Rollenspiele als technische Konstrukte zu sehen. Regelwerke sind
doch sehr stark vom persönlichen Geschmack des Konsumenten abhängig - genauso wie z.B. Kleidung.
Man kann ja mit angeblich regeltechnisch überholten Systemen genauso viel Spaß haben wie mit einem neuen
System. Der Beweis sind ja die großen Systeme, die tatsächlich eher 'veralteten' Strukturen folgen.
Das was im Rollenspielbereich von vielen als Mode bezeichnet wird, ist der verzweifelte Versuch, mit einem
aus ihrer Sicht besseren Spiel einen Fuß gegen die Marktgrößen in die Tür zu bringen.

Modern sind ja z.B. momentan gerade noch diverse Retro-Rollenspiele, weil es ein paar Leute mit Produkten gab, die
das vor zwei oder drei Jahren gehyped haben und es eine Menge Leute gab, die das gut fanden.
Das ist definitiv eine Mode, folgt aber (da eigentlich technisch längst dagewesen) keiner technischen Definitionen von modern.

In den von mir beobachteten Diskussionen wird der Begriff "veraltet" nur als Spielart im Sinne von "gefällt mir nicht" verwendet. Es soll halt die Aussage erhöhen und allgemeingültig machen. "Modern" ist dann das Gegenteil davon. Soll "gefällt mir nicht" auf einen eindeutig neuen Mechanismus angewandt und dabei verallgemeinert werden, so nutzen Diskutanten eben "neumodisch" oder Vergleichbares.

Letztlich läuft immer alles auf überhöhte "find ich toll"- und "find ich blöd"-Aussagen hinaus, da die Begriffe im Rollenspiel aufgrund der kurzen Existenz gar keinen Sinn ergeben können.

Ich denke nicht, dass man irgendwelche sinnvollen Definitionen finden kann und schlage vor, die Begriffe einfach zu ignorieren.

Quoted, weil gut. :A
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: 1of3 am 23.12.2013 | 17:11
In welcher "Community"? Ich habe mir noch nie einen Charakter bei D&D gemacht, bei dem ich Punkte auf Attribute verteilt habe.

Naja, wer sind denn wir schon? Der Feuersänger weiß halt einfach, wie man D&D spielt.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Feuersänger am 23.12.2013 | 17:20
Soso, was du hier machst, Roter Baron, zählt also nicht unter "sich unterhalten"? So kann man's natürlich auch sehen -- wenn man über Jahrzehnte immer nur im eigenen Saft köchelt, kommt freilich nicht viel Neues dabei rum.

Nachtrag:
Das Thema "auswürfeln oder setzen" wurde hier freilich schon oft diskutiert. Hier einer der letzten Threads mit Umfrage:
http://www.tanelorn.net/index.php/topic,72711.0.html

Diese ergab: 77% der 'lornis bevorzugen nichtzufällige Charaktererschaffung.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Sashael am 23.12.2013 | 17:58
In welcher "Community"? Ich habe mir noch nie einen Charakter bei D&D gemacht, bei dem ich Punkte auf Attribute verteilt habe. Noch ht das sonst jemand in meiner Gruppe. Oder irgedwer, mit dem ich jemals gespielt habe oder mich über D&D unterhalten habe.
Ich spiele seit 1983 und D&D 3.X seit dem Erscheinen (bzw. Conan/ D20 Modren usw.).
Noch an einem offiziellen WotC RPG-Event teilgenommen? Da ist Pointbuy Pflicht.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Abaton23 am 23.12.2013 | 21:53
Ich stelle mir unter "moderner" etwas vor, das weniger Mühe macht, wie das Modell zuvor. Oder den wichtigen Inhalt logischer erklären kann. Zum Beispiel Regelvereinfachungen, Ballastabwurf oder ein neues System, welches mit weniger Aufwand ans Ziel kommt, ohne an Bandbreite oder Realität zu verlieren.

Manchmal bewegen sich älteren Systeme nach dieser Definition in den gegenteiligen Trend. Ich habs noch nicht in Händen, zumindest Midgard scheint da eine Trendwende gelungen zu sein.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Xemides am 23.12.2013 | 22:14
Also fährst du ein Automatik-Auto, weil das einfacher ist als eine Gangschaltung und damit moderner  ~;D ?

Ich halte moderner auch für einen Kampfbegriff, um Systeme die man nicht mag nieder zumachen.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Abaton23 am 23.12.2013 | 22:47
Beim Beispiel "Automatik" zählt auch, dass dort die Technik recht kompliziert ist und sich deutlich im Preis niederschlägt. Zudem leben Automatikfahrer mit etwas Beschleunigungsverlust und höherem Spritverbrauch. Das Schalten selbst kann wiederum unter Good-Feeling gesehen werden, hat also was nostalgisches.

Ich sehe in dem Begriff "moderner" keine Kampfansage, auch wenn andere das so verwenden mögen. Ich geh lediglich davon aus, dass eine Erleichterung zukunftsorientierter ist, als eine Erschwernis. Da der Begriff jedoch keinerlei anderes System verbietet, ist ja genügend Platz für Nostalgie. Und die führt bei manchen zur Verzückung, siehe Oldtimer. Allerdings, Erstkunden werden wohl eher nichts mit Nostalgie anfangen können. 
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Xemides am 23.12.2013 | 23:01
Über Erstspieler wird ja an anderer Stelle hinreichend diskutiert. Erstspieler werden aber auch mit Begriffen wie modern und unmodern beim RPG nicht viel anfangen können.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Abaton23 am 23.12.2013 | 23:14
die Frage des Threads lautete ja "Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?" Ich antwortete, was ich "modern" empfinde. Ich vermied, auf das Wort "veraltet" einzugehen, weil dort die Meinungen wohl weit deutlicher auseinandergehen dürften. Auch das wird ja andernorts recht ausgiebig diskutiert.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Oberkampf am 24.12.2013 | 08:39

Der Beweis sind ja die großen Systeme, die tatsächlich eher 'veralteten' Strukturen folgen.
Das was im Rollenspielbereich von vielen als Mode bezeichnet wird, ist der verzweifelte Versuch, mit einem
aus ihrer Sicht besseren Spiel einen Fuß gegen die Marktgrößen in die Tür zu bringen.


An dem Punkt würde ich gerne mal einhaken: Rollenspiel ist vielleicht heutzutage nichts mehr, womit man groß Geschäfte machen kann, aber im Grunde hält sich bis heute diese Sprechweise auch als ein teil des Kampfes um Marktpräsenz. So schlimm finde ich das auch nicht, klappern gehört schließlich zum Geschäft und ohne den Anspruch, etwas völlig neu und anders und besser zu machen - was mit dem Wort modern konnotiert ist - hätten vielleicht weder Settings noch Systeme eine Chance, sich im konservativen Rollenspielsektor durchzusetzen.

Das kann manchmal nach hinten losgehen und tut es auch oft, aber manchmal verbergen sich hinter dem Anspruch auf Modernität tatsächlich ein paar innovative Ideen, die vielleicht nicht jedem gefallen, aber anders überhaupt keine Verbreitung gefunden hätten.

Bei der Diskussion soll man auch nicht vergessen, dass das Versprechen, ein "modernes" (besseres, innovatives) Rollenspiel zu sein, schon mindestens seit den 80ern durch die Rollenspiellandschaft geistert. Was wurde nicht alle als Neuerungen angepriesen, was man heute als selbstverständlich ansieht oder sogar als "konservativ" bewertet: klassenlose Systeme, Fertigkeitssysteme, würfellose Systeme, Pool-Mechanismen, Gummipunkte, Settings außerhalb der Fantasy, Settings außerhalb des Fantasy/Horror/Sci-Fi-Genres usw. usf. Sachen, die heute als Klassiker gelten, sind mal mit diesem Anspruch der Modernität ins Rennen eingetreten.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Abaton23 am 24.12.2013 | 12:05
Schön formuliert. Das heißt, in der Entwicklung des Rollenspiels darf es ruhig auch Fehlentwicklungen geben, welche durch austesten neuer Ideen entstehen. Solche Sackgassen sind deshalb vertretbar, weil ja bei solchen Entwicklungen auch gute, richtungsweisende Ideen rausspringen.

Das Gute ins Töpfchen, das Schlechte ins Kröpfchen. Ohne Mut entsteht nix Neues.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Turning Wheel am 24.12.2013 | 12:13
Abaton, was meinst du mit Fehlentwicklung?
Ich hätte gesagt, wenn ein Rollenspiel irgendwann mal drei Leuten einen spaßigen Spieleabend beschert hat, kann es schon keine Fehlentwicklung mehr gewesen sein.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Thandbar am 24.12.2013 | 12:40
Das ist ein ästhetischer Relativismus, den ich ziemlich langweilig finde. Natürlich kann man sich immer darauf einigen, dass sich irgendeiner schon finden lässt, dem alles Mögliche schon einmal gefallen hat. Für eine Diskussion über Qualität ist das aber meiner Meinung nach eine uninteressante Perspektive. Darauf, dass Geschmäcker halt verschieden sind, kann man sich am Ende ohnehin immer verständigen.

Ohne ein Experte zu sein, würde ich schon sagen, dass sich in den letzten Jahrzehnten im Rollenspieldesign außerordentlich viel getan hat. Gerade das, was Crimson King gesagt hat, leuchtet mir ein - die Spiele heute sind sich viel mehr bewusst darüber, was sie wollen und was sie mit welchen Mitteln möglichst elegant (oder sperrig, wenn dies das Ziel sein sollte) erreichen können.
Das bedeutet nicht, dass bestimmte Regelteile, die früher en vogue waren, heute nicht mehr zu gebrauchen wären; aber sie werden bewusster eingesetzt, um ein bestimmtes Spielgefühl oder schlicht Nostalgie beim Spieler auszulösen. Die Anzahl der Register ist dabei über die Jahre hinweg zwangsläufig gewachsen, so dass eine Fortentwicklung des Mediums geradezu unausweichlich erfolgt und die Palette an Möglichkeiten immer weiter ausgebaut wird.
Das Internet hat enorm geholfen, die "Theorie des Rollenspiels" zu verbreiten, so dass sich die Professionalisierung des Hobbys schneller durchsetzen konnte, als es früher möglich gewesen wäre. 

Die Reflexion über das, was Rollenspiele sind, was sie können und was sie wollen, ist ja in vollem Gange und zur wichtigen Grundlage für die Bewertung neuer Produkte geworden. Über diese Kriterien wird heftig gestritten, und die Diskussion darüber ist meiner Meinung nach für das Thema Rollenspiel sehr wichtig.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Xemides am 24.12.2013 | 12:54
Den Begriff Fehlentwicklung  finde ich nun fürchterlich. Davon abgesehen, das er abwertend ist, ist er verdammt subjektiv. Der eine findet schon DnD eine Fehlentwicklung, der andere DSA, der dritte SaWo und der vierte Fate.

Es gibt für mich keine Fehlentwicklungen im Rollenspiel. Keines, Nada. Es gibt Systeme die mir nicht gefallen, aber die würde ich so nicht bezeichnen.

Fehlentwicklung klingt wie entartete Kunst.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Arkam am 24.12.2013 | 13:00
Hallo zusammen,

alte, veraltern können Rollenspiele aus meiner Sicht nicht, haben für mich meistens mehrere der folgenden Züge.

Die ganz alten Systeme haben noch eine rein zufällige Charakter Generierung. Hier werden nicht nur einfach die Spielwerte zufällig fest gelegt sondern diese geben auch an was man spielen kann. Da ich persönlich eher selten zum Spielen komme schätze ich eher Systeme wo ich direkt einen gewünschten Charakter spielen kann. Da die Letalität von Charakteren in unserer Gruppe sehr gering ist und die Charaktere durchaus auch Mal Nebengebiete abdecken und Schnörkel haben können besteht die Gefahr des geklonten optimierten Charakters eher nicht.

Ganz früher gab es ja noch keine Fertigkeiten. Ältere Systeme haben häufig ein recht ausuferndes Fertigkeiten System. Das hängt meiner Meinung nach eng damit zusammen das sich die Systeme bemühen Teilbereiche zu simulieren, nicht im rollenspielerischen sondern im wissenschaftlichen Sinn. Das führt dazu das für das Spiel wichtige Aspekte sehr kleinschrittig und möglichst noch mit verschiedenen Fertigkeiten angegangen werden. Gut nachvollziehen kann man das vor allen bei den Kampfsystemen. Moderne Systeme bemühen sich hier eher um eine Straffung oder nutzen eine Task Resolution. Hier werden also auch spielrelevante Dinge mit einem Wurf entschieden und nicht mit einer Reihe von Würfen.

Viele andere Trends haben aus meiner Sicht wenig bis Nichts mit den eigentlichen Spielen zu tun sondern mit der Art wie sie genutzt werden.

Gruß Jochen
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Glühbirne am 24.12.2013 | 13:12
@Fehlentwicklung:

Das kommt darauf an wie man das Wort Fehlentwicklung nimmt.

Eine Idee die JEDER Rollenspieler schlecht findet ... eher nicht.
Eine Idee die sich in der Cummunity nicht durchsetzen kann und deswegen ein Nischendasein fristet und fast ganz aus der Szene verschwindet: Gibt es bestimmt.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: YY am 24.12.2013 | 15:04
Es gibt für mich keine Fehlentwicklungen im Rollenspiel. Keines, Nada. Es gibt Systeme die mir nicht gefallen, aber die würde ich so nicht bezeichnen.

Fehlentwicklung im Sinne eines kontinuierlichen Fortschritts und einiger nicht erfolgreicher Verästelungen - geschenkt.

Aber "Fehlkonstruktionen" in dem Sinn, dass ein System X nicht leistet bzw. nicht leisten kann, was sein Autor explizit angestrebt hat - die gibts schon.

Wobei es da auch genug moderne Beispiele gibt. Da ist es am Ehesten modern zu nennen, diesen Maßstab überhaupt bewusst anzulegen.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Abaton23 am 24.12.2013 | 15:21
Ich meinte mit "Fehlentwicklungen" Mechanismen oder Settings, welche wegen zu geringer Akzeptanz einen wirtschaftlicher Fehlschlag für den Verleger darstellten oder wegen zu lauter Beschwerden in der nächsten Edition wieder entfernt wurden. Derlei hat es schon öfter gegeben und gehört zu einem gesunden Reifeprozess dazu. Wenn es nur um die Begriffwahl geht, ersetzt das Wort mit "Versuch, welcher sich nicht durchsetzte"

Ich halte solche Versuche garnicht für schlimm, weil sie oft der Motor für gute Verbesserungen sind. Siehe Rückrufaktionen bei Autos, Umplanungen bei Häusern, Korrekturen in Lehrplänen etc. Deshalb ist das Produkt als Ganzes trotzdem verwendbar. Man lernt aus Fehlern, betreibt eben Produktpflege. Würde man den Entwicklern keinen Freiraum für solche Versuche geben, gäbe es auch keinen Fortschritt mehr. Dehalb wundert es mich immer, wenn ich lese wie Altspieler jede Änderung an ihrem System schon im Vorfeld verbieten wollen.

Mir erklärt sich wiederum nicht, warum das Wort "modern" eine Kampfansage darstellt. Ist das subjektiv?
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: YY am 24.12.2013 | 15:42
Siehe Rückrufaktionen bei Autos, Umplanungen bei Häusern, Korrekturen in Lehrplänen etc.
...
Dehalb wundert es mich immer, wenn ich lese wie Altspieler jede Änderung an ihrem System schon im Vorfeld verbieten wollen.

Rückrufaktion bei Autos ist ein schlechtes Beispiel für einen "ehrlichen" Versuch, etwas zu verbessern.
Da ist was beim Testen in der Entwicklungsphase Scheiße gelaufen, ein Riesenfehler hat es ins Endprodukt geschafft und muss schleunigst korrigiert werden.

Das Gegenstück im Rollenspiel wären Errata für Regeln, die in der Beta-Phase erkennbar ungeeignet waren - und von erfahrenen Spielern entsprechend kritisiert wurden (um den Bezug zur zweiten Zitathälfte herzustellen).

Dass es auch pauschal jeder Veränderung abgeneigte Altspieler gibt, die das nicht groß reflektieren, gebe ich zu.
Oftmals ist das aber auch ein bisschen Beißreflex, um nicht nach der Fertigstellung des Produktes noch als "großer Testlauf" herhalten zu müssen. Das zieht sich ja mittlerweile durch alle Lebensbereiche, und da sind öfter viele Sachen dabei, die man gaaaanz weit im Vorfeld kommen sieht.

Und viele suchen auch nicht mehr nach Verbesserungen, wenn das aktuelle Produkt seine Zwecke erfüllt.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Thandbar am 24.12.2013 | 17:18
Mir erklärt sich wiederum nicht, warum das Wort "modern" eine Kampfansage darstellt. Ist das subjektiv?

Es ist doch schon häufiger vorgekommen, dass bestimmte Gruppen - vor allem in der Kunstgeschichte - den Begriff der Moderne als Schlagwort verwendet haben, um sich gegen andere  - namentlich die Vertreter der Tradition - durchzusetzen. Im letzten Jahrhundert wurden diese Konflikte ja ziemlich bärbeißig ausgetragen, da war das Alte auch gleich das Überkommene, Überständige und Verbotene (zB Harmonie in der Zwölftonmusik), während in der modernen Kunst Sittenverfall und Kulturverlust zugeschrieben wurde.
Erst mit der Postmoderne - dem souveränen Spiel mit der Tradition - wurde dieser Streit einigermaßen überwunden.

Ich kann vor dem Hintergrund schon verstehen, dass man deswegen den Begriff "modern" als potentiell kämpferisch einstuft.   
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Space Pirate Hondo am 24.12.2013 | 18:07
Wäre es nicht einfacher sich darauf zu einigen, dass alle Systeme, die die letzten 10 Jahre bis zum heutigen Tag(variabler Zeitraum) "modern" sind und alles ältere "alt" ist, aber nicht "veraltet" sind.

Problem gelöst. Nächste Diskussion  ~;D
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Feuersänger am 25.12.2013 | 02:08
Das ist eine Diskussionsvermeidungsstrategie zur Vermeidung jeden Erkenntnisgewinns. Und stimmt einfach nicht. Neu ist eben nicht gleich modern.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Teylen am 25.12.2013 | 02:18
Moderne Systeme sind solche die (für einen) relativ neu sind und die man mag.
Veraltet Systeme sind solche die (für einen) relativ alt sind und die man nicht (mehr) mag.

Daher:
In den von mir beobachteten Diskussionen wird der Begriff "veraltet" nur als Spielart im Sinne von "gefällt mir nicht" verwendet. Es soll halt die Aussage erhöhen und allgemeingültig machen. "Modern" ist dann das Gegenteil davon. Soll "gefällt mir nicht" auf einen eindeutig neuen Mechanismus angewandt und dabei verallgemeinert werden, so nutzen Diskutanten eben "neumodisch" oder Vergleichbares.

Letztlich läuft immer alles auf überhöhte "find ich toll"- und "find ich blöd"-Aussagen hinaus, da die Begriffe im Rollenspiel aufgrund der kurzen Existenz gar keinen Sinn ergeben können.

Ich denke nicht, dass man irgendwelche sinnvollen Definitionen finden kann und schlage vor, die Begriffe einfach zu ignorieren.
+1
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Galatea am 25.12.2013 | 03:13
Als "veraltet" würde ich Spiele bezeichnen, die an antiquierten Mechanismen festhalten, obwohl es Regelkonzepte gibt, die die Anforderungen eleganter und effizienter lösen. Warhammer/Warhammer40k ist für mich so ein Beispiel - es klammert sich an einem starren Phasenkonzept fest, das Spieler dazu zwingt jede Einheit dreimal pro Spielzug zu aktivieren (Bewegung, Schießen, Nahkampf) und will gleichzeitig ein Massenkampfsystem sein. Das absurde ist, dass das Spiel selbst diese Phasen schon teilweise auflöst, indem es die Bewegung rennen/sprinten (das eine Alternativaktion zu schießen darstellt) in der Schussphase abhandelt, statt in der Bewegungsphase in der alle anderen Bewegungen stattfinden. Auch das krampfhafte festklammern auf einer Werteskala von 1-10, in der vom truhahngroßen Gnom bis zum Blutdämon oder Sternengott alles untergebracht werden soll, obwohl es mittlerweile Tabletopsysteme gibt die nach oben offen sind ohne balancingtechnisch völlig aus dem Ruder zu laufen, halt ich für ein Anzeichen dass das System veraltet ist und den Zenit seiner Funktionalität weit überschritten hat.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Xemides am 25.12.2013 | 08:12
Abaton23:

So oft wie zu lesen ist, das System XYZ ja noch tief in den 90ern steckt und nicht gründlich modernisiert wird ist, um so zu sein wie System ABC, zeigt schon, das modern sehr oft als Kampfbegriff benutzt wird.

Zu Altspielern:

Die scheuen sich doch nicht gegen Regelkorrekturen in einem System, das weitestgehend unverändert bleibt. Die meisten Streite gibt es doch eher dann, wenn das System komplett umgeschrieben wird wie N/OWOD, DnD3.5/4.

Oder täusche ich mich da ?

Ich zumindest habe mal festgestellt, das den meisten Systemen eine zweie Edition gut tut, in dem die Tücken von Spielern entdeckt wurden, die den Entwicklern aus Betriebsblindhet nicht aufgefallen sind.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Agent_Orange am 25.12.2013 | 09:08
Mal so angeregt ... oder nachgefragt:

Versuchen wir uns gerade daran, den Begriff des "modernen Rollenspiels" mit Inhalt zu füllen? Oder haben wir bisher vermieden, für "modern" eine passende Definition zu finden, unter die wie alte wie neue Rollenspiele zu subsumieren versuchen?

Zweite Frage:
Es klang indirekt an, dass möglicherweise der wirtschaftliche Erfolg (mit?) ausschlaggebend dafür sein könnte, ob ein Spielsystem als "modern" eingestuft werden kann. Führt das dann dazu, dass die F2P-Rollenspiele (free to play; kostenfrei zum Download bereitgestellte Spielsysteme wie Destiny Dungeon oder andere) aus dieser Diskussion ausgeblendet werden müssten, da deren "wirtschaftlicher" Erfolg nur bedingt messbar ist? Oder meint "wirtschaftlicher Erfolg" die Verbreitung und Akzeptanz eines Spielsystems in der Rollenspielcommunity?

-----------------

On topic:
Call of Cthulhu ist nach meiner Wahrnehmung häufig genug totgesagt worden, um dann, als die Sterne doch noch richtig standen, wieder wie Cthulhu aus R'lyeh aufzuerstehen. Das Spielsystem hat sich seit der ersten Edition nur sehr geringfügig verändert; gleichwohl erfreut es sich nach wie einer gewissen Beliebtheit unter alten wie neuen RollenspielerInnen. Ist es "modern"? Wohl nicht. Wurde es "moderner", indem das Cthulhu Thema auf andere Spielregelsysteme wie z.B. D20 aufgesattelt worden ist  bzw. daraus Spin-Offs wie Cthulhutech abgeleitet worden sind? Oder sind diese "neuen" Ausprägungen selbständig als "modern" einzustufen?
DSA und D&D und Shadowrun und Traveller und Earthdawn und *würg* World of Darkness Schrott würde ich als durch alle Rollenspielzeitalter durchweg erfolgreiche und weit verbreitete Rollenspielsysteme bezeichnen; für einige von ihnen (D&D, Shadowrun, DSA?) gab es dabei durchaus sehr weitreichende Veränderungen in den Regelsystemen. Sind diese "neuen" Edition 'nur deshalb' modern?
Daran anknüpfend: Pfadfinder ist nun wahrlich kein Meilenstein, da es seinem Wesen nach lediglich fortsetzt, was mit D&D 3.0 bereits eröffnet wurde. Böszüngig könnte man behaupten, dass Pfadfinder insbesondere die gelungene und spielbare Errata zu D&D 3.0/3.5 darstellt; weniger böszüngig kann man wohl aber die Meinung vertreten, dass es eine konsequente Weiterentwicklung von D&D 3.0/3.5 darstellt, ohne sich von den Kernprinzipien verabschiedet zu haben. Pfadfinder erfreut sich großer Beliebtheit und kann mit Fug und Recht als auch ökonomisch erfolgreiches Spielsystem betrachtet werden. Ist es modern? Absolut nicht. Oder doch?`Wenn ja, warum?
Und wie steht es um GURPS - auch in zahlreichen Auflagen verfügbar; und es gibt kaum ein Thema, das nicht als GURPS Erweiterungsband erschienen ist. Uraltes System. Die Innovationskraft bezieht es ausschließlich darüber, dass es die Besonderheiten anderer Rollenspielthemen in GURPS "übersetzt". Wie verhält sich das zur "Modernität" von Rollenspielen?

Die von mir hier aufgeworfenen Fragen umfassen weit verbreitete und enorm etablierte Spielsysteme und Spielthemen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Dass ich Fudge, Fate und Co. nicht aufgenommen habe, hängt vor allem davon ab, dass ich mich in diesen einerseits kaum auskenne, ich zum anderen aber auch meine, dass sie eine vergleichsweise junge Entwicklungsgeschichte haben. Sind sie "deshalb" modern? Ohne Frage sind auch sie zum Teil weit verbreitet.
Und anknüpfend an die Frage Nummer 2 aus dem ersten Teil dieses Postings: Was ist mit diesen ganzen kleinen Stilblüten des Rollenspiels, die sehr spezielle Themen, eigenwillige Regelsysteme oder beides enthalten bzw. aus dem Bereich des Indie hervorgehen. Wie verhalten die sich zu "modern"?

----------------------

Mein Versuch, solche und andere Fragen mit Blick auf "modern" zu beantworten, fällt mir enorm schwer, weil ich nicht weiß, was "modern" bedeuten soll.

AO
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Thandbar am 25.12.2013 | 09:44

Es klang indirekt an, dass möglicherweise der wirtschaftliche Erfolg (mit?) ausschlaggebend dafür sein könnte, ob ein Spielsystem als "modern" eingestuft werden kann. 

Meiner Meinung nach hat das nichts miteinander zu tun. "Twilight" ist zwar wirtschaftlich erfolgreich gewesen, aber weder die Bücher noch die Filme zeichnen sich durch irgendeine Form von "Modernität" aus.

Vielleicht ergibt es auch Sinn, System und Setting getrennt voneinander zu betrachten. Hier dürfte es unterschiedliche Kriterien geben - ob die Regeln hinreichend elegant designt worden sind und ob die Spielwelt bislang unhinterfragte Traditionen aufbrechen kann.

Es gibt ja zB genug Filme, die tricktechnisch auf der Höhe der Zeit liegen und sogar neue Maßstäbe setzen, von den Mitteln der Erzählung her aber im Urschlamm stecken geblieben sind. 
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: JollyOrc am 25.12.2013 | 10:20
Ich denke, ein modernes Rollenspiel zeichnet sich durch folgende Dinge aus:

1. Es gibt eine Idee, wieso man damit Spaß hat. ("Beziehungsdrama", "Dungeoncrawl", "SL erzählt eine Geschichte", ...)
2. Es kommuniziert diese Idee, so dass man weiß, worauf man sich mit diesem Spiel einlässt.
3. Es bietet Mechanismen, Inspiration & Hilfsmittel, diesen Spaß auch tatsächlich zu haben, und steht ihm nicht im Weg.

In diesem Sinne ist z.B. Paranoia modern, da es weiß was es will ("Paranoia, Bürokratie & Intrigen in der Gruppe mit vielen Toten"), es einem das klar erklärt ("Das satirische Rollenspiel um eine schöne neue Welt", steht so schon auf der Packung!) und es hat viele Beispiele für Spielsituationen und z.B. die Klonmechanik damit das alles funktioniert.

Die Game of Thrones Rollenspiele scheitern da meiner Ansicht nach aber, und sind insofern "unmodern": Sie versuchen mit den Regeln mehrere Spielstile gleichzeitig zu bedienen, schwimmen da hin und her und sagen nicht klar "hier, das ist die Sorte Spaß, die wir verkaufen!"

Die eigentlichen Regeln etc. sind IMHO für die Einordnung in modern/unmodern komplett egal.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: D. Athair am 25.12.2013 | 10:29
@ JollyOrc: Schöner Beitrag!


Moderne Systeme sind solche die (für einen) relativ neu sind und die man mag.
Veraltet Systeme sind solche die (für einen) relativ alt sind und die man nicht (mehr) mag.
I strongly disagree!

Savage Worlds
hat ein relativ modernes Regelsystem. Ich mag es trotzdem nicht mehr besonders. Vielleicht, weil es fast, furious, fun verkauft, das aber nur in recht eigentümlicher Geschmacksfärbung liefert. (Star Wars funktioniert z.B. als Hollywood-Blockbuster, Rom, offene Stadt dagegen nicht. Obwohl man beides "episch" nennen könnte.)
WFRP 2nd benutzt zum Teil veraltete Elemente und gehört dennoch zu meinen Lieblingsspielen. Anderereits hat es Ansätze, die auf der Höhe der Zeit sind und die man relativ leicht nutzen könnte, um das Spiel insgesamt dahingehend zu überarbeiten. Und sei es nur für die eigene Runde.

Und schließlich gibt es Spiele, die in den 80er oder 90ern erschienen und ihrer Zeit immer noch voraus sind. (Gerade bei solchen Spielen kann man beobachten, wie bestimmte Regelelemente "modern " werden/sich als aktuell begründen lässen und andere veralten. Das letzte könnte man auch: Es gibt sinnvollere Weisen ProblemX/SpielinhaltY zu regeln. Das Verwendete erweist sich als "Workaround", ...)


Vielleicht sollten wir in einer neuen Diskussion überlegen, was veraltete Spiele/Teilsysteme auszeichnet und was moderne. Das wäre jedenfalls eine Möglichkeit das (mMn unproduktive) Verständnis von "veraltet" und "modern" auszusortieren. Wobei ein separater Disput um Kampfbegriffe und deren (Un-)Sinn und Funkion sicher auch nicht verkehrt wäre.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Feuersänger am 25.12.2013 | 10:37
Noch ein Wort von wegen "Kampfbegriffe": das ist auch nicht zwingend der Fall. Klar, man _kann_ das was man mag als modern oder altbewährt bezeichnen, und das was man nicht mag als neumodisch oder veraltet. Man kann aber auch die Begriffe einfach unabhängig von eigenen Vorlieben verwenden.

Die typischen Indie-Spiele z.B. mit ihrem klaren Fokus und meta-lastigen Mechaniken sind eindeutig modern - auch wenn sie mir nicht gefallen. Uraltklötze mit komplizierten und ineffektiven Mechaniken wie AD&D sind eindeutig veraltet - auch wenn ich meinen Spaß damit habe.

Einfach mal aufhören, jede Wertung oder Kritik eines Systems als persönlichen Angriff gegen sich zu werten.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Thandbar am 25.12.2013 | 10:41
Die typischen Indie-Spiele z.B. mit ihrem klaren Fokus und meta-lastigen Mechaniken sind eindeutig modern - auch wenn sie mir nicht gefallen. Uraltklötze mit komplizierten und ineffektiven Mechaniken wie AD&D sind eindeutig veraltet - auch wenn ich meinen Spaß damit habe.

+1

Persönliche Vorlieben haben imho nichts mit der Achse modern/nicht-modern zu tun.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: LushWoods am 25.12.2013 | 11:28
Ich denke, ein modernes Rollenspiel zeichnet sich durch folgende Dinge aus:

1. Es gibt eine Idee, wieso man damit Spaß hat. ("Beziehungsdrama", "Dungeoncrawl", "SL erzählt eine Geschichte", ...)
2. Es kommuniziert diese Idee, so dass man weiß, worauf man sich mit diesem Spiel einlässt.
3. Es bietet Mechanismen, Inspiration & Hilfsmittel, diesen Spaß auch tatsächlich zu haben, und steht im nicht im Weg.

In diesem Sinne ist z.B. Paranoia modern, da es weiß was es will ("Paranoia, Bürokratie & Intrigen in der Gruppe mit vielen Toten"), es einem das klar erklärt ("Das satirische Rollenspiel um eine schöne neue Welt", steht so schon auf der Packung!) und es hat viele Beispiele für Spielsituationen und z.B. die Klonmechanik damit das alles funktioniert.

Die Game of Thrones Rollenspiele scheitern da meiner Ansicht nach aber, und sind insofern "unmodern": Sie versuchen mit den Regeln mehrere Spielstile gleichzeitig zu bedienen, schwimmen da hin und her und sagen nicht klar "hier, das ist die Sorte Spaß, die wir verkaufen!"

Die eigentlichen Regeln etc. sind IMHO für die Einordnung in modern/unmodern komplett egal.

Der erste Teil: Super dargestellt.
Der zweite Teil (AGoT): Kompletter Blödsinn.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Glühbirne am 25.12.2013 | 11:50
Einwurf: Ist das Wort Kampfbegriff nicht auch nur ein Kampfbegriff?
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: JollyOrc am 25.12.2013 | 11:58
Der zweite Teil (AGoT): Kompletter Blödsinn.

OK, I bite: Warum?
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Sülman Ibn Rashid am 25.12.2013 | 12:33
Modern und altmodisch sind ja auch ein ganz anderes begriffspaar als gut und schlecht oder gefällt mir und gefällt mir nicht. Es gibt moderne Dinge die mir besser gefallen als ihr altmodischen Pendants aber eben auch altmodische Dinge, die ich fern modernen gegenüber vorziehe. Ist ja nicht nur beim rollenspiel so. Auch bei Autos, Musik, Romanen...
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Feuersänger am 25.12.2013 | 12:37
Einwurf: Ist das Wort Kampfbegriff nicht auch nur ein Kampfbegriff?

Gut beobachtet. ;)
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Praion am 25.12.2013 | 12:37
OK, I bite: Warum?

Ich bin da ganz bei dir, alleine schon weil Gummipunkte so gar nicht in diese Welt passen in der Tod billig und das Schicksal finster ist.
Die Bücher spielen alle aus der Sicht ganz unterschiedlicher Personen die NICHT alle zusammen zu einem ADelshaus gehören, diesen Spielmodus bietet das Spiel so nicht an.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: 1of3 am 25.12.2013 | 12:56
Für Game of Thrones braucht es doch eigentlich nur ein Fiasko-Playset oder?

Ansonsten würde ich folgendes vorschlagen: Ein Ding ist modern, wenn man es auch heute noch ernsthaft genauso produzieren wollen könnte. Ernsthaft heißt nicht bewusst retro.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Teylen am 25.12.2013 | 13:05
Modern und altmodisch sind ja auch ein ganz anderes begriffspaar als gut und schlecht oder gefällt mir und gefällt mir nicht.
Wobei das gestellte Begriffpaar nicht modern und altmodisch ist sondern modern und veraltet.
Wo es dann imho eine deutliche Wertung hat und subjektiv ist.

Auch wenn es wie in Helgas Beitrag moderne Sachen gibt die einem nicht gefallen.
Seine Aussage zu WFRP 2nd, finde ich, stützt meine These eher.


@SoIaF
Kommt auf die Sichtweise der Serie an?
Es gibt Leute die fiebern ggf. mit oder gegen ein Haus mit. Was das Spiel wiederum gut abbildet.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Roland am 25.12.2013 | 13:52
Wie wärs mit modern vs. traditionell (oder gar klassisch)?
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Der Rote Baron am 25.12.2013 | 14:42
Soso, was du hier machst, Roter Baron, zählt also nicht unter "sich unterhalten"? So kann man's natürlich auch sehen -- wenn man über Jahrzehnte immer nur im eigenen Saft köchelt, kommt freilich nicht viel Neues dabei rum.

Nachtrag:
Das Thema "auswürfeln oder setzen" wurde hier freilich schon oft diskutiert. Hier einer der letzten Threads mit Umfrage:
http://www.tanelorn.net/index.php/topic,72711.0.html

Diese ergab: 77% der 'lornis bevorzugen nichtzufällige Charaktererschaffung.

Man kann ja in jeden Post hineininterpretieren, was man will. Und "Promiskuität" beim Spielen und anderswo kann man als wertvoll ansehen - oder auch nicht. Mit hauptsächlich einer Gruppe spielen ist so "im eigenen Saft köcheln", wie ständig denselben Schmarren mit wechselnder Personage spielen. Auf die Vielfältigkeit kommt es an, und da bestehen wir jeden Vergleich locker (gespielte System über die Zeit geschätzte 60+).

Die überwiegende Bevorzugung der nichtzufälligen Charaktererschaffung bei der Umfrage stelle ich gar nicht in Abrede, ich glaube nur nach meiner Erfahrung nicht, dass das bei der überwiegenden Zahl der D&D/D20-System-Spieler so ist - mit Ausnahme von Spielern, die ihre Charakter auf oder für Cons machen. Oder im Hangout spielen.

Wenn ich mir einen Charakter "bauen" will, dann spiele ich nicht D&D. Peng.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Der Rote Baron am 25.12.2013 | 14:43
Noch an einem offiziellen WotC RPG-Event teilgenommen? Da ist Pointbuy Pflicht.

Quod erat demonstrandum. Und die Antwort lautet: Nein.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Sashael am 25.12.2013 | 14:54
Quod erat demonstrandum. Und die Antwort lautet: Nein.
Naja, da dort aber fünfstellige Spielerzahlen registriert sind (oder sogar sechsstellige?), ist deine Frage nach "was für eine Community" schon obsolet, gell?

Edit: Die meisten Spieler, die dort mitspielen, bevorzugen auch für ihre Heimkampagnen pointbuy, was man schnell mitbekommt, wenn man in den offiziellen Foren mitliest.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Der Rote Baron am 25.12.2013 | 15:17
Welchen Erkenntnisgewinn hat eigentlich die Definition von "modern" und "veraltet"?
"Ich spiele ein veraltetes Rollenspiel - und habe Spaß dabei!"
"Ich spiele ein modernes Rollenspiel - und habe ekien Spaß dabei!"
"Ich spiele ein veraltetes Rollenspiel - und möchte lieber sofort wieder aufhören!"
"Ich spiele ein modernes Rollenspiel - und nehme nächste Woche Urlaub, um dauerzuspielen!"

Ist Monopoly modern? Straßen kaufen, Häuser bauen, monopolisieren, spekulieren und andere in den Ruin treiben - klingt wie aus der Tagespresse!
Risiko? Länder "befreien", andere Armeen vernichten und Kontinente kontrollieren - es fehlen nur die Dronen und die Karte "Vernichten sie Al-Kaida, die Somali-Piratenund erobern sie den Hindukusch oder eine Bergkette ihrer Wahl!" und schon sind wir im Heute.
Mühle? Stellen sie Scheiben auf ein Brett und bewegen sie sie hin und her und nehmen sie die Scheiben des Gegners vom Spielfeld. Öhm ...

Die Mechaniken aller diese Spiele bilden dennoch den jeweiligen Spielzweck recht gut ab, sagt zumindest die ungebrochene Popularität - alle diese Spiele werden gespielt. Und zu allen gibt es Regelvariationen, die aber den Spielspaß der Originalversion nicht immer ereichen.

Meine These:
Spielregeln sind besser oder schlechter geeignet, die jeweilige Spielart (Simulation, narratives Spiel, Wettbewerbsspiel usw.) abzubilden. Manche funktionieren bei der Erzeugung von Spielspaß (immer der Zweck der ganzen Übung!), obgleich die Regeln die Spielart nur unvollständig abbilden. Manche machen keinen Spaß, obwohl die Regeln an sich gut sind.
Es spielt doch keiner ernsthaft LL, ORSIC, AD&D oder anderes, weil es keine besseren Regeln gibt. Manche sind sogar Schrott. Waren es immer.
Aber sie haben ein bestimmtes Flair, das zündet.
Bei mir.
Bei anderen nicht.
Sicher auch eine Form des erworbenen Geschmacks: Ich würfel gerne mit den ganzen vielseitigen Kullerchen.
Andere mögen mit Minis spielen und finden Systeme gut, die das unterstützen, auch wenn man vom Genre her auch ohne auskommen kann.

Ist also mit Minis Spielen veraltet? Und wenn ja: Was habe ich davon, wenn das nun so ist?
Ist Auswürfen von Charakteren unmodern? Auch wenn ich dadurch bestimmte Charaktere spiele, die ich sonst nicht spielen würde - und Spaß dabei habe? Und wenn ja - ab welchem Spaßgrad muss ich mit einem tötlichen Dronenangriff der Rollenspieleinsatztruppen rechnen?

Der Spielzweck ist die Erzeugung von Spielspaß bei den Spielern.
Spielspaß wird unterstützt durch ein Regelwerk, dass eine bestimmte, vom Spieler gewünschte Spielart unterstützt und vor allem nicht behindert. Dazu sollte auch das gewählte Genre entsprechend abgebildet werden.
Dies alles machte ein gutes und vor allem gut entworfenes Spiel aus.
"Flair" kann ein Spiel auch mit wenig guten Regeln entwickeln und auch dieses kann den Spielsapß erhöhen.
Flair ist gebunden an Erinnerungen, Assoziationen usw. des einzelnen Spielers und haben genau genommen mit den Spielregeln nichts zu tun - sie sind individuelle Haltungen.

"Modern" und "veraltet" sind Wertungen, die über den vom Spiel zu erwartetende Spielsapß nichts aussagen (Und wer bestreitet, dass "modern" positiv" und "veraltet" negaitiv besetzt ist, der hat im Geschichtsunterricht ab der Französischen und der Industriellen Revolution Tiefschalf gehalten).
Sie sind hinsichtlich der Bewertung des Spielzwecks (Spielspaß) wenig bis nicht aussagekräftig, wenn sie nicht synonym stehen für "gut entworfenes" bzw. "schlecht entworfenes" Spiel.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Der Rote Baron am 25.12.2013 | 15:18
Naja, da dort aber fünfstellige Spielerzahlen registriert sind (oder sogar sechsstellige?), ist deine Frage nach "was für eine Community" schon obsolet, gell?

Edit: Die meisten Spieler, die dort mitspielen, bevorzugen auch für ihre Heimkampagnen pointbuy, was man schnell mitbekommt, wenn man in den offiziellen Foren mitliest.

Okay, dann gabe ich euch recht. In meinen Kreisen wird trotzdem gewürfelt. Ich bin eine ausgegrenzte Minderheit ...  :'(
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Feuersänger am 25.12.2013 | 17:10
Mal davon abgesehen, dass DnD (3.X) ~das~ System zum "bauen" ist. :p
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Der Rote Baron am 25.12.2013 | 17:45
Also, wenn ich an DAS System zu Bauen denke, dann denke ich an HERO System: Flexibel, man bekommt, was man will und nur die eigene Vorstellungskraft und Regelkenntnis, das Veto des SL und die Anzahl der Punkte sind die Grenze.

D&D 3.X/ D20 baut sich da meines Erachtens eher von oben nach unten: Was muss ich in Stufe 3, 5 und 7 (oder sonst eine) wählen und in welche Klasse sollte ich wann wechseln, damit am Ende das Gewünschte herauskommt?
Sicherlich auch was für Bastler und Regelkundige, aber weniger flexibel als HERO. Aber das ist und hat auch seinen Reiz. Zumal ein zuviel an Flexibilität auch Probleme (und Unübersichtlichkeiten) mit sich bringt.


Aber ich schweife ab.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: D. Athair am 25.12.2013 | 19:00
Mal davon abgesehen, dass DnD (3.X) ~das~ System zum "bauen" ist. :p
Bleibt die Frage ob vor oder nach der Charaktererschaffung.  :P
(Und um einen Bezug zum Thema herzustellen: Das offen zu lassen, systemseitig nicht auf entstehende Vor- und Nachteile dessen einzugehen ist, was ich "veraltet" nenne. Modern dagegen ist die "art direction". Motivwahl und Illustrationsauswahl sowie die Präsentation des "Powerlevels" zeigen ganz deutlich, worum es in dem Spiel geht. Pathfinder legt da sogar noch eine Schippe drauf.)
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Feuersänger am 25.12.2013 | 19:04
Ich fürchte, ich kann dir da grad nicht folgen.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: LushWoods am 25.12.2013 | 19:06
OK, I bite: Warum?

Sorry, Blödsinn war vielleicht zu hart.


Zum einen weil es zwei Regelversionen von AGoT gibt. Aber ich denke du meinst die neuere Version von Green Ronin mit ihrem eigenen System.

Zum anderen, weil dein Kritikpunkt auf gefühlte 500+ andere Regelsysteme, sowie auf so ziemlich jedes Universalsystem zutreffen würde.
Eigentlich fällt mir kaum ein RPG ein das sich so zeigt wie du es gerne hättest. Pendragon 5.x vielleicht.
Ein System das sich bemüht mehrere Spielstile zu bedienen (und das tut dieses tatsächlich) bemüht sich doch um etwas Positives. Es versucht unterschiedliche Geschmäcker an einen Tisch zu bekommen und die Vielfalt des Settings zu bedienen.


Daher meine Fragen:
Würdest du AGoT lieber spielen wenn du ausschließlich Sers, also Ritter spielen dürftest?
Warum hast du dir gerade dieses Game herausgesucht und nicht ... sagen wir mal Star Wars, Edge of the Empire mit seinen teils sehr unterschiedlichen Klassen? Oder D&D, oder das Storyteller System, oder GURPS, oder Savage Worlds, CthulhuTech, oder ...
Was macht gerade dieses deiner Meinung nach falsch?
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: JollyOrc am 25.12.2013 | 23:30
Zum einen weil es zwei Regelversionen von AGoT gibt. Aber ich denke du meinst die neuere Version von Green Ronin mit ihrem eigenen System.

Auch, aber auch die Guardians of Order Version. (Die ich übrigens sehr gerne bespielt, und für die ich sogar zwei meiner (http://www.yourgamesnow.com/index.php?main_page=product_info&products_id=3017) Abenteuer (http://glgnfz.blogspot.de/2009/10/ultra-kurzrezension-abenteuer-ausgabe-4.html) veröffentlicht habe.)

Vorab: Meine Einteilung in "modern" und "unmodern/altmodisch" trifft ja gar keine Wertung betreff der Güte oder Spielbarkeit. Damit ist das, was ich über die AGoT Spiele sage auch keine Kritik im Sinne von "damit sind die doof".

Aber sie legen eben, genau wie die von Dir gefühlten 500+ anderen Regelsysteme eben nicht fest, wie sie "Spielspaß" verstehen, welche Sorte Spaß sie bieten wollen. Im Gegenteil, sie sagen "Du kannst so, so, so, aber auch so Spaß haben. Das ist völlig ok, unsere Regeln bieten für all diese Spaßvarianten etwas."

Die Rollenspiele, die ich hier als "modern" bezeichne, machen das anders. Sie sagen: "klar kann man auch anders Spaß haben, aber unser Spiel soll genau so Spaß machen." Insofern sind z.B. die meisten Retroklone modern, weil sie sich eben dahingehend sehr stark positionieren.

Und im Gegensatz ist zum Beispiel ein (mehr oder weniger) aktuelles Indie-Spiel wie Poison'd (http://www.sphaerenmeisters-spiele.de/epages/15455106.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/15455106/Products/LPGP01) überhaupt nicht modern, weil es alle Beteiligten im Dunkeln darüber lässt, welche Sorte Spaß man da abgesehen von "was mit Piraten" haben will

Nochmal: Das sagt gar nichts darüber aus, ob man mit dem Spiel Spaß haben kann, ob die Regeln was taugen, oder ob man davon Pickel am Hintern bekommt. Nur darüber, dass das Spiel einem nicht sagt, für welche Sorte Spaß es da ist, und dann eben auch nichts Konkretes zeigt, wie genau diese Sorte Spaß unterstützt wird. Gerade Universalrollenspiele haben es daher häufig eher schwer, in meine Definition von "Modern" zu passen.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Teylen am 26.12.2013 | 00:45
Wie wärs mit modern vs. traditionell (oder gar klassisch)?
Wieso nicht einfach modern / in Mode und unmodern / aus der Mode?
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Agent_Orange am 26.12.2013 | 10:48
Hallo.

Hab' in einem englischsprachigen Forum mal die vergleichbare Frage aufgeworfen. Da ziehe ich das hier heraus:

Zitat
]aramis
    In the early 2010's, we're seeing a lot of the best practices from the various starting to cross back between story games and traditional games.


The OGL is important - it's changed the very nature of publishing games. It's also essential for the OSR...

The OSR is a move to revise and restate old games' engines, often going for true identical mechanics (except for intentional changes) and often going to a unified mechanic is the one change.

Story Games (Fiasco, Blood & Honor, Houses of the Blooded, Gray Ranks, Sorcerer) focus on mechanics tied to the story, rather than to simulation/resolution of the actions. The first are from the early 90's (Theatrix). White Wolf's games are still mechanically not modern storygames, despite the name.
(Verlinkung zum Posting nicht möglich, da man dafür im Forum registriert sein muss - www.travellerrpg.com)

Auf meine Frage, ob dann "crossover of the best practices" als die definition für "modern" einzustufen wäre, wurde das nicht bestätigt sondern abermals differenziert wie oben, nur in anderen Worten:

Zitat
aramis
The best modern designs are in 4 categories...
  •     OSR Pseudoclones
        Traditional Games (D&D Next, Mongoose Traveller, FFG's 40K RPGs)
        Storygames (Fiasco, Houses of the Blooded, Blood & Honor)
        Hybrid Story/Trad designs (Fate System, FFG's Star Wars and WFRP3E)
(Quelle: aaO)

Im selben Forum an gleicher Stelle gab Supplement Four noch zu Bedenken:
Zitat
I'd say that modern games have strayed away from chart reference, especially if it the information is needed quickly, in-game (fine for character generation).

Das sagt mir zu.

AO
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: D. Athair am 26.12.2013 | 12:11
Ich fürchte, ich kann dir da grad nicht folgen.
OK. Nochmal. 3.X ist ein Spiel, bei dem es um Charakteroptionen geht.
Die Optionen sind mit der Ausgestaltung des Charakters durch v.a. Feats aber auch andere Elemente verknüpft. 
Und zwar in einer Weise, die mich dem grundsätzlich zustimmen lässt:
Mal davon abgesehen, dass DnD (3.X) ~das~ System zum "bauen" ist. :p

Der Beginn des Basteln kann an zwei Stellen liegen. Entweder NACH dem Auswürfeln der Attribute oder VON ANFANG an, wenn Point-Buy genutzt wird.
Beide Methoden haben ihre Stärken und Schwächen (die jeweils vom System NICHT benannt werden).

Nach dem Auswürfeln überlege ich mir, welche Klasse und welche "Bauoptionen" mit den Startwerten Sinn machen. Dabei lande ich vielleicht bei einem Charakter, den ich mir anderweitig vielleicht nicht zum Spielen ausgesucht hätte. Ich kann mich auf das "Andere" einlassen.
Beim Point-Buy gehe ich von vorn herein mit einer Vorstellung an die Sache ran. Wahrscheinlich limitiere ich mich auf das Vorhergesehene. Was ja nicht schlimm ist, weil es genau das ist, was ich wollte. Außerdem kann ich meinen SC in besonderem Maß auf die Gruppe abstimmen.

Fazit: Beide Generierungsmethoden kennzeichnen unterschiedliche Herangehensweisen an das Spiel. Daraus ergibt sich dann auch ein anderes Spielerlebnis. Während beim Point-Buy die Erwartung an die Mitspieler ist, dass sie ihre SC (einigermaßen) optimieren und sinnvolle Klassen + Feats für eine rundum schlagkräftige Gruppe wählen, ist die Situation bei der Zufallsgenerierung eine andere.
Da kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Party raus, in der es Kompetenzunterschiede gibt, in der manche Nischen doppelt und andere gar nicht besetzt sind. Die Herausforderung besteht hier darin, trotzdem ein ausgewogenes Spiel hinzubekommen. Trotz suboptimaler Voraussetzungen möglichst weit zu kommen.

Was 3.X mWn nicht tut: Die verschiedenen Spielherangehensweisen und Auswirkungen der beiden Generierungsmethoden beschreiben. Ein modernes Spiel würde den Spielern sagen: "Wenn ihr Point-Buy nehmt, dann hat das für das Spiel diese Konzequenzen. Die Zufallsmethode dagegen macht jenes erforderlich."


@ Artwork und Präsentation:
Modern ist, wenn das Artwork die Spielinhalte und Themen sichtbar macht. Mit großen Waffen durch die Luft gleitende Charaktere sind z.B. fehl am Platz/wecken falsche Erwartungen, wenn das System erfordert, dass Kämpfe nach Möglichkeit vermieden werden sollen.

Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Abaton23 am 26.12.2013 | 14:27
Zu Definition "Modern" -"veraltet" noch kurz:

In meinen Augen ist etwas dann modern, wenn es den Zeitgeist entspricht, also allgemein angenommen wird. Das können durchaus schon lange vorhandene Dinge sein. Rethrobewegungen zeigen ja lediglich, dass Altbewährtes wieder modern geworden sein mag oder nach wie vor den Zeitgeist trifft.

Für "veraltet" halte ich Dinge, welche fast gänzlich nicht mehr verwendet werden oder von denen keiner mehr spricht.

Beide Begriffe können allerdings subjektiv empfunden werden.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Roland am 26.12.2013 | 15:30
Wieso nicht einfach modern / in Mode und unmodern / aus der Mode?

Weil sowohl modern als auch klassisch positive Beschreibungen sind.

Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: D. Athair am 26.12.2013 | 15:37
Außerdem ist modisch und modern nicht das selbe.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Feuersänger am 26.12.2013 | 17:32
Ah, jetzt hab ichs kapiert. Danke für die Ausführungen. ^^
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Oberkampf am 27.12.2013 | 10:47
Was Dr. Helga Itaa sagt, halte ich auch für ein wichtiges Kennzeichen von "Modernität", wenn man den Begriff positiv besetzt verwenden will: Ein modernes System teilt mit, für welchen Spielstil und welche Spielvorlieben seine Regeln (und ggf. Setting und Abenteuer) entworfen wurden.

Aber das alleine finde ich noch etwas unbefriedigend.

Der nächste Punkt ist, und hier kann man die sogenannte "objektive" und "rationale" Diskussion führen (oder auch nicht?), ob die Regeln (Setting, Abenteuer) zueinander und zu dem angekündigten Anspruch passen. Wenn man das verneint, heißt das übrigens nicht, dass die Regeln (Settings, Abenteuer) deswegen Mist sind - sie sind nur vielleicht für andere Spielweisen besser geeignet.

Wenn man den Punkt erreicht hat, dass man ungefähr weiß, für welchen Bereich ein Rollenspiel geeignet ist (und abgeklärt hat, ob das auch mit seinem Spielstil-Versprechen übereinstimmt), kann man andere Rollenspiele dieses Bereichs mit ihm vergleichen und dabei dann "moderne" Merkmale im Sinne von "ungewöhnliche, neue aber kreative und hilfreiche, innovative Mechanismen, um regelmechanische Probleme dieses Spielstils anzugehen" finden.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: LushWoods am 27.12.2013 | 11:09
@JollyOrc: Ok, jetzt macht das Ganze Sinn. Danke für die Ausführung.
Titel: Re: Was bedeutet: "modernes" bzw. "veraltetes" System?
Beitrag von: Slayn am 4.01.2014 | 10:43
Meine (persönliche) Assoziation mit den Begriffen "Modern" und "Veraltet" sieht mehr oder weniger so aus:
"Moderne" Spiele haben ein Konzept und versuchen dies sowohl zu kommunizieren als auch durch die Regeln voran zu treiben.
"Veraltete" Spiele haben einen Grund-Tenor und versuchen für alle und alles offen zu sein.
Als weiteren Differenzierungspunkt sehe ich bei "modernen" Systemen eher Abstrakte Regeln, die mit anderen Regeln innerhalb des Systems konform gehen, während "veraltete" Systeme zu Subsystemen tendieren.

Das eigentliche Alter des Systems oder ob es gerade gehyped wird spielt dabei keine Rolle. Es gibt uralte Schinken, die immer noch meine Standards für "Modern" erfüllen (Pendragon und ja, nicht lachen, oD&D), während immer noch fleißig "veraltetes" Design publiziert wird.