Tanelorn.net

Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Mentor am 25.04.2015 | 18:30

Titel: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Mentor am 25.04.2015 | 18:30
Gibt es für euch eine Unterscheidung dieser zwei Begriffe? Ist das eine eine Unterkatgorie des anderen? Gibt es Überlappungen? Äpfel und Birnen? Wenn ihr Beispiele für Spiele nennen könnt, die für euch das eine sind aber das andere nicht, wäre das auch interessant...
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Miriam am 25.04.2015 | 19:44
Ich mache für mich immer den Unterschied, dass ich beim Rollenspiel eine einzelne Rolle übernehme und damit zur Geschichte/Handlung beitrage, während die Aufgabe eines Spielers in einem Erzählspiel deutlich weiter als ein Charakter reicht. Der Charakter tritt dann ein wenig in den Hintergrund und das Drumherum hat deutlich mehr Gewicht als bei einem Rollenspiel. Dabei wäre ein Rollenspiel vermutlich eher eine Unterart des Erzählspiels. Die Trennung stammt bei mir eher aus dem Drang heraus, das irgendwie zu unterscheiden und ist (bisher) nicht intellektuell unterlegt. Letztlich wird natürlich bei beidem erzählt und im Ideallfall bei beiden von Spieler und Leiter, sofern das Erzählspiel einen Spielleiter hat.

Ein Beispiel wäre das Nipajin-Szenario Geschlossene Gesellschaft im Unterschied zu Robert Redshirt. Während der Spieler bei GG eine Rolle übernimmt und durch die Handlung der Rolle zur Handlung des Szenarios beiträgt, sehe ich den Fokus bei RR mehr darauf, dass man gemeinsam erzählt, was Robert so zustößt, weshalb ich das eher als Erzählspiel sehen würde und weniger als Rollenspiel. Das liegt auch daran, dass die Spielercharaktere wenig im Fokus stehen, sondern der NSC Robert. Ob ich als Spieler Kameramann oder Kostümbildner bin, ist eigentlich nicht so interessant. Interessant ist letztlich mehr, wie die Show verläuft, in der mein Charakter ja gar nicht zu sehen ist.

Ein weiteres Beispiel wären für mich die Hobbitgeschichten aus dem Grünen Drachen. Die könnte ich als Rollenspiel begreifen, wenn ich mir klar mache, dass jeder einen Hobbit spielt, der in der Taverne mit seinen Räuberpistolen prahlt. Ich würde es allerdings eher als Erzählspiel begreifen, weil der Spieler eines Hobbits auch das ganze Drumherum (in Abhängigkeit der Karten) bestimmt und es mir zufällt, eine ganze Geschichte zu erzählen, in die die anderen Spieler nur gelegentlich mal mit ihren Gefahrenkarten eingreifen, während man im Der Eine Ring Rollenspiel wieder einen Hobbitcharakter hätte, den man übernimmt, während das Drumherum wieder dem Spielleiter zufällt.

Wenn ich die Idee hinter Microscope richtig verstehe, das ich nur aus Teasern kenne, dann wäre das ein super Beispiel für ein Erzählspiel. Dabei scheint es ja darum zu gehen, die Chronik einer Welt zu erzählen und die Rollen, die man im Einzellfall übernimmt, wechseln sich ab und sind nur ein Teil der Summe, die das Spiel ausmach. Am Ende scheint man ja zurückzuschauen, wie die Chronik der Welt, die gemeinsam erzählt hat, verlief.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: WeepingElf am 25.04.2015 | 21:24
Ich mache für mich immer den Unterschied, dass ich beim Rollenspiel eine einzelne Rolle übernehme und damit zur Geschichte/Handlung beitrage, während die Aufgabe eines Spielers in einem Erzählspiel deutlich weiter als ein Charakter reicht. Der Charakter tritt dann ein wenig in den Hintergrund und das Drumherum hat deutlich mehr Gewicht als bei einem Rollenspiel. Dabei wäre ein Rollenspiel vermutlich eher eine Unterart des Erzählspiels. Die Trennung stammt bei mir eher aus dem Drang heraus, das irgendwie zu unterscheiden und ist (bisher) nicht intellektuell unterlegt. Letztlich wird natürlich bei beidem erzählt und im Ideallfall bei beiden von Spieler und Leiter, sofern das Erzählspiel einen Spielleiter hat.

Ja, so ähnlich sehe ich das auch.  Man kann da aber keine scharfen Grenzen ziehen, sondern man hat eher so was wie ein Kontinuum, das von "Gesellschaftsspiel" zu "Erzählabend" reicht.  An dem einen Ende spielt man halt ein Spiel, wie z. B. Schach oder Mensch ärgere Dich nicht, am anderen Ende werden reihum Geschichten erzählt (jeder erzählt seine eigene Geschichte).  Irgendwo dazwischen liegen Rollenspiele und Erzählspiele, wobei das Rollenspiel von den beiden etwas näher am Pol "Gesellschaftsspiel" und das Erzählspiel etwas näher am Pol "Erzählabend" liegt.  Das kann man aber praktisch beliebig differenzieren, so sind z. B. im Bereich Rollenspiel "klassische" Spiele wie D&D oder DSA "spieliger" als etwa die schon deutlich "erzähligeren" World-of-Darkness-Spiele, und die neumodischen Storygames sind noch einen Zacken "erzähliger".  Es ist auch eine Sache des Spielstils; die meisten Rollenspiele kann man "spieliger" oder auch "erzähliger" spielen.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: 1of3 am 25.04.2015 | 21:35
Schon die Idee, dass das ein eindimensionales Kontinuum sei, ist verfehlt.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Mentor am 25.04.2015 | 21:43
Interessanter Denkanstoß.

Bei einem Erzählspiel würde ich mir erwarten, dass "jeder SL ist" und ich mir in der Handlung direkt ein Fakt wünsche (was nach irgend welchen Regeln dann passiert oder auch nicht). Bei einem Rollenspiel hingegen kann ich nicht direkt auf die Handlung Einfluss nehmen, sondern muss meinen, mir exklusiv unterstellten Charakter mit seinen Limitierungen was machen lassen, dass das passiert, und jemand anderer (SL) denkt sich die Auswirkung aus.

Insofern empfinde ich Robert Redshirt eher als Rollenspiel, weil die Spieler den NSC nicht steuern, sondern der nur "die Welt ist", die auf die Handlungen der Crew/SC reagiert. "Eher" deshalb, weil es andere Rahmenbedingungen gibt, wie die Zeitlimitierung oder (bzw. als Folge) dass die SCs meist nicht mit einander in-Charakter reden.

Western City ist für mich aber gefühlt Erzähl- und nicht Rollenspiel. Auch wenn dort streng genommen durch die Charaktere mit der Welt interagiert wird. Aber dadurch, das jeder alles sein kann (wenn der SC ersteigert wird) und erst mal ein Plot fixiert wird, und dann versucht wird, den zu erreichen.

Auf die Schnelle fällt mir jetzt kein Beispiel ein für ein (subjektives) Erzählspiel, das einen SL hat. Vielleicht hats also mit dem SL/no-SL zu tun, vielleicht aber auch, ob die SCs zum miteinander Reden kommen.

Wobei, ob die SCs miteinander Reden oder nicht, würde für mich zur Einteilung Charakterspiel oder nicht gehören, nicht Erzähl/Rollenspiel. Rollenspiel ist auch für mich in der 3ten Person in Ordnung.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Nørdmännchen am 25.04.2015 | 22:36
Die beiden Begriffe (in Ableitung aus dem derzeitigen Sprachgebrauch) noch eindeutig zu definieren, dürfte sich mMn ziemlich unmöglich gestalten. Ich könnte nicht mal meine subjektive Denotation eingrenzen, da ich je nach Gesprächspartner und Gespräch feststelle, dass ich die Begriffe unterschiedlich einsetze - je nachdem, was kommuniziert wird und auf welche Bedeutungen mein Gegenüber und ich uns intuitiv oder bewusst einigen.
Sprich: die Begriffe sind im Speziellen manchmal hilfreich, verallgemeinert aber nicht mehr "bedeutungs-scharf". Außer vielleicht: im Erzählspiel muss (nicht kann) etwas erzählt werden, im Rollenspiel müssen die Spielenden fiktionale (nicht mal unbedingt fiktive) Rollen übernehmen. (Aber da könnte ich auch "blablasülzsupp" schreiben und hätte ähnlich viel Information von mir gegeben.)

Ausgehend von der SL/Spieler Idee würde ich vorschlagen, die Vielzahl an Tätigkeiten und Methoden zu kategorisieren, die mittlerweile unter diese Vokabeln subsumiert werden. Daraus könnten dann evtl. sinnige "Spieltypen" abgeleitet werden.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Ich habe keine Ahnung, ob jemand den Aufwand betreiben möchte.  ;)
Ansonsten nochmal die Rückfrage, ob Du (Mentor) mit dem Thread eine spezielle Art von Erkenntnisgewinn suchst? Also z.B. eine klare Verwendbarkeit der beiden Begriffe; eine Entstehungsgeschichte; ein sinnvolles Label für konkrete Spiele...?
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Mentor am 25.04.2015 | 22:55
Die beiden Begriffe (in Ableitung aus dem derzeitigen Sprachgebrauch) noch eindeutig zu definieren, dürfte sich mMn ziemlich unmöglich gestalten.
....
Ansonsten nochmal die Rückfrage, ob Du (Mentor) mit dem Thread eine spezielle Art von Erkenntnisgewinn suchst?
Ich hatte auch nicht um eine Begriffsdefinition, Kategorisierung oder eine wissenschaftliche Abhandlung oder eine Verschwörungstheorie gebeten. Ich suche lediglich individuelle, ganz persönliche Meinungen zu den im OP gestellten fragen, total eigennützig um meinen Horizont zu erweitern, wie man das sehen kann. Vorzugsweise mit Beispielen, was jemand für A, B, beides oder keines hält.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Haukrinn am 26.04.2015 | 00:15
Rollenspiel: Mein Ziel als Spieler ist es die Rolle eines Charakters zu übernehmen (egal ob erzählerisch, taktisch oder sonstwie). Spielmechaniken zielen darauf ab darzustellen was ein Charakter tut und vor allem ob ihm dies gelingt.

Erzählspiel: Mein Ziel als Spieler ist es an der Gestaltung einer Geschichte mitzuarbeiten. Spielmechaniken zielen darauf die Geschichte weiter zu spinnen. Dies muss nicht auf die Charaktere beschränkt sein.

Fies sind dann die Spiele die behaupten Rollenspiel zu sein (Stichwort *World) aber in Wirklichkeit Erzählspiele sind...  8)
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Belphégor am 26.04.2015 | 00:24
Ich sehe das wie Miriam und Haukrinn: Bei Erzählspielen steht die Geschichte im Vordergrund, beim Rollenspiel der Charakter. Die gehen aber fließend ineinander über.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Auribiel am 26.04.2015 | 00:49
Gibt es für euch eine Unterscheidung dieser zwei Begriffe? Ist das eine eine Unterkatgorie des anderen? Gibt es Überlappungen? Äpfel und Birnen? Wenn ihr Beispiele für Spiele nennen könnt, die für euch das eine sind aber das andere nicht, wäre das auch interessant...

Rollenspiel ist ein allgemeiner Begriff, der für mich jegliche Spielform umfasst, in der ich eine oder mehrere Rollen übernehme.
Erzählspiel ist für mich eine Unterform des Rollenspiels, ich würde hier eher davon ausgehen, dass in einem Erzählspiel die Regeln ggf. weniger wichtig sind und es mehr auf das (gemeinsame aber auch geführte) Erzählen der Geschichte ankommt. Das soll nicht Handwedeln bedeuten, ich gehe bei einem Erzählspiel einfach von weniger dichten Regeln aus.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Skyrock am 26.04.2015 | 03:03
Erzählspiel war mal eine Bezeichnung von WW für die Zwecke des Marketings seiner Spiele, zu Zeiten als sie noch relevant waren.

Benutzt das im Jahr 2015 noch irgendwer, ohne retro-ironisch im Hipstersinne zu sein? Kam mir schon seit Jahren nicht mehr unter außerhalb des Kontexts der Neuaufgüsse der Spiele des o.g. Verlages.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Miriam am 26.04.2015 | 12:09
Da ich zwei Mal erwähnt wurde, zwei Anmerkungen:

Ja, so ähnlich sehe ich das auch.  Man kann da aber keine scharfen Grenzen ziehen, sondern man hat eher so was wie ein Kontinuum, das von "Gesellschaftsspiel" zu "Erzählabend" reicht.

Wenn ich dich richtig verstehe, sehe ich das gar nicht ähnlich wie du. Ob ich ein Rollenspiel "spielig" oder "erzählig" gestalte ist für mich eine Frage der Spielertypen und -Vorlieben, nicht der Unterscheidung zwischen Rollen- und Erzählspiel. Daher würde ich beispielsweise D&D und besonders die WoD unter Rollenspiel einordnen, selbst wenn sich eine Gruppe bei D&D nur von taktischem Kampfencounter zu taktischem Kampfencounter hangelt und eine Vergleichsgruppe in der WoD ausschweifend auf die Handlungen und Innenansichten der Charaktere eingeht, Gespräche ausspielt und ähnliches und nur in Ausnahmefällen mal zu den Würfeln greift.

Ich sehe das wie Miriam und Haukrinn: Bei Erzählspielen steht die Geschichte im Vordergrund, beim Rollenspiel der Charakter. Die gehen aber fließend ineinander über.

Wobei in meinen Augen das vielleicht tendenziell so ist, aber nicht notwendigerweise, falls ich dich nicht ohnehin missverstehe. Auch beim Rollenspiel ist mir eine gute Geschichte sehr wichtig (auch hier Stichwort: Spielertypen und -Vorlieben!). Der eigentliche Unterschied liegt für mich darin, a) worauf der Fokus der Geschichte liegt und b) was die Spieler dazu beitragen. Wenn die Spieler ihren Charakter beitragen und die Geschichte von den Abenteuern dieser Gruppe handeln, bewegt man sich bei den Rollenspielen. Wenn einer der Foki erweitert wird, d.h. die Spieler mehr beitragen und die Geschichte weniger scharf auf die Abenteuer der Gruppe fokusiert sind, dann bewegt man sich Richtung Erzählspiel.

Was die Regeln angeht, auf die ich in meinem ersten Post nicht eingegangen bin:
Von Rollenspielregeln erwarte ich, dass sie charakterzentriert sind. D.h. wie wirkt die Umwelt auf die Charaktere ein bzw. umgekehrt. Bei einem Erzählspiel geht es darum, Erzählrechte über die Charaktere hinaus zu verteilen und zu klären, wie die Gegenstände dieser Erzählrechte miteinander interagieren. Auch hier ist das Rollenspiel für mich eine Unterart des Erzählspiels, weil sich beim Rollenspiel die Gegenstände der Erzählrechte auf Seiten der Spieler auf die Charaktere beschränkt und auf Seiten des Spielleiters auf "die Welt". Da finde ich Haukrinns Beschreibung recht gut. Ich würde allerdings Auribiels Vorstellung nicht teilen, dass Erzählspiele notwendig weniger dichte Regeln als Rollenspiele haben müssen.

@Mentor (Betr. Robert):
Ich finde deine Erklärung recht schlüssig. Bei Redshirt interpretiere ich die Regeln allerdings so, dass die Spieler "typische" Spielleiteraufgaben übernehmen. Aus Sicht der Geschichte sind die Charaktere der Spieler eigentlich nur Statisten, während Robert Protagonist ist. Der Geschichtenfokus liegt für mich auf den Ereignissen der Show, bei denen die Spielercharaktere nur im Hintergrund vorkommen. Interessanterweise stören meinen Rollenspielbegriff die beiden Elemente, die RR für dich nur "eher" zu einem Rollenspiel machen überhaupt nicht. Die Zeitbeschränkung könnte in meinen Augen in jedem Rollenspiel eingeführt werden, ohne dass es ein Erzählspiel wird, bswp. als Stilmittel, um die Spieler bei bestimmten Entscheidungen oder Vorbereitungen unter den Zeitdruck zu stellen, unter dem ihre Charaktere auch leiden (nicht notwendig in 1:1 der gleichen Zeitspanne). Dass die Spieler meistens nicht in-charakter miteinander reden, fällt für mich in deinen letzten Abschnitt.

Wobei, ob die SCs miteinander Reden oder nicht, würde für mich zur Einteilung Charakterspiel oder nicht gehören, nicht Erzähl/Rollenspiel. Rollenspiel ist auch für mich in der 3ten Person in Ordnung.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Haukrinn am 26.04.2015 | 12:53
Da finde ich Haukrinns Beschreibung recht gut. Ich würde allerdings Auribiels Vorstellung nicht teilen, dass Erzählspiele notwendig weniger dichte Regeln als Rollenspiele haben müssen.

Da schließe ich mich an. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage mal, rein aus der Erfahrunghaltung, das Erzählspiele (da würde ich neben *World auch In a wicked age, Western City, FIASKO u.ä. mit rein zählen) sogar viel empfindlicher darauf reagieren wenn Situationen aufkommen die von den Regeln nicht erfasst werden. Oder noch besser, wenn eine Gruppe anfängt die Regeln außer Acht zu lassen beim spielen. In der Hinsicht sind Erzählspiele viel näher an Gesellschaftsspielen dran als an "klassischen" Rollenspielen, die sich da doch in aller Regel als deutlich robuster erweisen.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Ucalegon am 26.04.2015 | 12:55
Erzählspiel = storygame?
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Auribiel am 26.04.2015 | 13:00
Da schließe ich mich an. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage mal, rein aus der Erfahrunghaltung, das Erzählspiele (da würde ich neben *World auch In a wicked age, Western City, FIASKO u.ä. mit rein zählen) sogar viel empfindlicher darauf reagieren wenn Situationen aufkommen die von den Regeln nicht erfasst werden. Oder nach besser, wenn eine Gruppe anfängt die Regeln außer Acht zu lassen beim spielen. In der Hinsicht sind Erzählspiele viel näher an Gesellschaftsspielen dran als an "klassischen" Rollenspielen, die sich da doch in aller Regel als deutlich robuster erweisen.

Hatten wir denn jetzt eine verbindliche Festlegung, was Erzählspiele sind?  wtf?
Außerdem habe ich gerade bei FIASKO die Erfahrung gemacht, dass die Erzählungen weit wichtiger als die Regeln sind.

Natürlich gibt es Erzählspiele, die näher an Gesellschaftsspielen dran sind (z.B. "Es war einmal..."), aber wenn ich Erzählspiele im selben Zusammenhang wie Rollenspiel erwähne, bekommt das für mich eine andere Konnotation - eben die Hervorhebung des Anteils der Erzählung im Rollenspiel. Und das (nicht immer, aber gerne) unter Reduktion des Regelteils. Oder mal anders: Die Regeln folgen der Vorgabe Erzählspiel. Natürlich kann ich auch mit einem sehr regellastigen System "Erzählspiel" betreiben, aber man kann es eben TROTZ des regellastigen Systems und nicht WEGEN dem regellastigen System.

Rein subjektiv gesehen.


[Edit]Wobei meine Sicht da sicher auch durch WW beeinflusst wurde, die sich ja im Rollenspielbereich "Erzählspiel" als erstes auf die Flagge geschrieben hatten.[/Edit]
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Belphégor am 26.04.2015 | 13:01
Auch beim Rollenspiel ist mir eine gute Geschichte sehr wichtig (auch hier Stichwort: Spielertypen und -Vorlieben!). Der eigentliche Unterschied liegt für mich darin, a) worauf der Fokus der Geschichte liegt und b) was die Spieler dazu beitragen. Wenn die Spieler ihren Charakter beitragen und die Geschichte von den Abenteuern dieser Gruppe handeln, bewegt man sich bei den Rollenspielen. Wenn einer der Foki erweitert wird, d.h. die Spieler mehr beitragen und die Geschichte weniger scharf auf die Abenteuer der Gruppe fokusiert sind, dann bewegt man sich Richtung Erzählspiel.
Ja, so meinte ich das auch. D&D und die WoD sind für mich ebenfalls beides Rollenspiele, mit starkem Schwerpunkt auf die Gruppe und ihrer Geschichte. Es war einmal ist hingegen ein klares Erzählspiel - dort geht es nicht darum, meinen Charakter herauszustellen, sondern gemeinsam eine Geschichte zu erzählen.

Bei Robert Redshirt habe ich zwar einen Charakter, aber die Regeln konzentrieren sich meines Gefühls nach darauf, was mit Robert und der Quote passiert - nicht auf die Erlebnisse meines Charakters. Es geht nicht darum, ob ich den Maskenbildner oder die Kamerafrau spiele, sondern darum, dass Robert vor laufender Kamera beinahe zu Tode kommt. Von daher würde ich Robert Redshirt eher als Erzählspiel einordnen, es aber nicht eindeutig (das meinte ich mit "fließender Übergang": es gibt sowohl Rollenspiel- als auch Erzählspielelemente).
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Infernal Teddy am 26.04.2015 | 13:02
Ich sehe keinen Unterschied *Schulterzuck*
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: 1of3 am 26.04.2015 | 13:03
Zitat
Oder nach besser, wenn eine Gruppe anfängt die Regeln außer Acht zu lassen beim spielen. In der Hinsicht sind Erzählspiele viel näher an Gesellschaftsspielen dran als an "klassischen" Rollenspielen, die sich da doch in aller Regel als deutlich robuster erweisen.

Das liegt daran, dass die Dinge, die in "klassischen" Spielen üblicher Weise als "Regeln" bezeichnet werden, nicht wirklich die Regeln sind. Oder zumindest nicht die relevanten. Klassische Rollenspiele gehen davon aus, dass man eben schon weiß, wie man Rollenspiel spielt und im Zweifelsfall hat die SL recht. Das ist der Regelkern und den kann man nicht kaputt schießen, denn dann tritt automatisch der Regelkern ein.

Wenn du forgianisches Design machst, gibt es keine Regeln vor den Regeln. Es gibt auch keine SL, es sei denn die Regeln ordnen dies an und sagen, was diese so genannte SL tun soll. Da aber eben die Regeln hier wirklich die Regeln sind, können die auch kaputt gehen.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Bad Horse am 26.04.2015 | 19:57
Nur kurz eingeworfen:

Bei einem Rollenspiel möchte der Spieler gemeinhin, dass der Charakter seine Ziele erreicht. Der Erfolg des Charakters ist auch für den Spieler ein Erfolg.

Bei einem Erzählspiel möchte der Spieler gemeinhin, dass dem Charakter etwas Interessantes passiert. Erfolg ist nur eine der vielen Möglichkeiten, und wenn der Erfolg des Charakters weniger interessant ist als sein Scheitern, dann ist das Scheitern des Charakters ein Erfolg für den Spieler.

Das ist wohl nicht das einzige Kriterium, um die beiden Spielarten zu unterscheiden, aber ich finde das ziemlich wichtig.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Irian am 26.04.2015 | 20:25
Bei einem Rollenspiel möchte der Spieler gemeinhin, dass der Charakter seine Ziele erreicht. Der Erfolg des Charakters ist auch für den Spieler ein Erfolg.

Das ist aber ein arg gamistischer Ansatz. Ich hab auch schon Rollenspiele gespielt, z.B. eine Runde GURPS Discworld, wo der Erfolg des Charakters eher eine Überraschung gewesen wäre und nicht das Ziel. Das Ziel waren hierbei eher die Lacher, die Stimmung.

Bei einem Erzählspiel möchte der Spieler gemeinhin, dass dem Charakter etwas Interessantes passiert.

Du willst also Rollen-/Erzählspiel nach "gamistisch"/"dramatisch" unterscheiden. Ist sicher ein Gedanke, aber für mich letzten Endes nicht zielführend, weil für mich beides Rollenspiel ist.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: WeepingElf am 26.04.2015 | 20:41
Wenn ich dich richtig verstehe, sehe ich das gar nicht ähnlich wie du. Ob ich ein Rollenspiel "spielig" oder "erzählig" gestalte ist für mich eine Frage der Spielertypen und -Vorlieben, nicht der Unterscheidung zwischen Rollen- und Erzählspiel.

Verstehe.  Wir kommen da ja ziemlich schnell zu der GNS-Typologie, und da geht es ja um Spielermotivationen innerhalb des Gesamtzusammenhangs Rollenspiel.  1of3 hat Recht, dass es kein eindimensionales Kontinuum zwischen "Spiel" und "Erzählabend" gibt, wie er aus meinem Post herauszulesen meinte; dabei hatte ich das "Spiel"-vs-"Erzählabend"-Ding nur als Modell verstanden wissen wollen, das lediglich einen bestimmten Aspekt der Sache betrachtet.  Aber das gehört, denke ich, ins Theorieforum.

Zitat
Daher würde ich beispielsweise D&D und besonders die WoD unter Rollenspiel einordnen, selbst wenn sich eine Gruppe bei D&D nur von taktischem Kampfencounter zu taktischem Kampfencounter hangelt und eine Vergleichsgruppe in der WoD ausschweifend auf die Handlungen und Innenansichten der Charaktere eingeht, Gespräche ausspielt und ähnliches und nur in Ausnahmefällen mal zu den Würfeln greift.

Ja, meiner Meinung nach sind die WoD-Spiele wirkliche Rollenspiele, auch wenn sie vom Verlag als "storytelling games" bezeichnet werden.  Sie sind sogar mehr Rollenspiel als D&D, das allzu oft zu dem skirmish wargame degeneriert, aus dem es vor 40 Jahren mal hervorgegangen ist.  In den WoD-Spielen wird, so weit ich das als Nicht-WoD- (aber auch Nicht-mehr-D&D-) Spieler überblicken kann,  die Rolle mit mehr Tiefe ausgespielt als in D&D.  Die meisten anderen gängigen Rollenspiele liegen dann irgendwo dazwischen.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Pyromancer am 26.04.2015 | 20:48
Du willst also Rollen-/Erzählspiel nach "gamistisch"/"dramatisch" unterscheiden. Ist sicher ein Gedanke, aber für mich letzten Endes nicht zielführend, weil für mich beides Rollenspiel ist.

Ich glaube nicht, dass das Bad Horses Punkt ist.

Bei einem Rollenspiel... spiele ich eben eine Rolle. Charaktere wollen ihre Ziele erreichen; und dann tun sie eben Dinge, die sie für sinnvoll halten. Das können Dinge sein, von denen ich als Spieler weiß, dass das Blödsinn ist; aber wenn der Charakter das machen würde, dann spiele ich den Charakter halt so.
Bei einem Erzählspiel ist diese Charakter-Perspektive (bei mir zumindest) zwar noch da, aber nachrangig. D.h. als Spieler treffe Entscheidungen nicht nach der Maßgabe: "Was würde der Charakter jetzt tun?", sondern frage mich: "Was würde denn jetzt zu einer coolen Geschichte führen?"

Spiele ich das Spiel aus der Charakterperspektive, dann ist es ein Rollenspiel.
Spiele ich das Spiel aus der Autorenperspektive, dann ist es ein Erzählspiel.

In der Praxis wird natürlich oft hin- und hergewechselt, deshalb ist die Trennlinie hier auch nicht scharf.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Irian am 26.04.2015 | 20:58
Das wäre halt eine sehr riesige Grauzone, wo man die Extreme nie trifft, irgendwie, keine Ahnung wieviel Sinn es zur Unterscheidung macht. Klar, man kann evtl. sagen, dass beim Erzählspiel tendentiell eher mehr Wert auf das eine, beim Rollenspiel eher auf das andere gelegt wird, aber ich frage mich beim Rollenspiel auch, was für die Geschichte gut ist - und umgekehrt muss man natürlich beim Erzählspiel auch in nem Rahmen bleiben, den die Charaktere vorgeben (wobei das natürlich viel Freiraum läßt - Menschen sind selten so gepolt, dass in einer Situation nur eine Wahl möglich ist).
Wie Bad Horse schon gesagt hat, als einziges Kriterium taugt es weniger, ich würde pers. eher vermuten, dass es sich beim genaueren Hinschauen eher als Konsequenz von wichtigere Kriterien von selbst ergibt, aber das ist nur so ein Gefühl.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Mentor am 26.04.2015 | 21:06
Von dem, was ich hier bisher lese, müsste ich mich von nun an wohl eher Erzählspieler als Rollenspieler nennen müssen. Auch als Spieler pflege ich meine Charaktere jene Dinge tun zu lassen, die eine von mir erhoffte "coole" Auswirkungen auf die Welt/Geschichte haben (solange sie nicht konträr zur Motivation des Charakters sind) und nicht eine Charakterstudie ausspiele, die nur nebenher einer Handlung folgt.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 26.04.2015 | 22:11
Rollenspiel:
Alle Spieler (mit Ausnahme des SLs) besitzen einen eigenen SC, der ihnen gehört. Es wird hauptsächlich über diese eigene Figur in das Geschehen eingegriffen.

Erzählspiel:
Alle Figuren können von allen Spielern gesteuert werden. Keine Figur gehört irgendjemanden. (Man kann höchstens festlegen, dass die Figur für diese eine Szene mir gehört. In der nächsten Szene darf die Figur dann aber wieder von jemand anderen gesteuert werden.)
Es ist auch üblich, dass die Spieler direkt (also ohne Umweg über eine Figur) in die Szene eingreifen.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Anastylos am 27.04.2015 | 00:55
In etlichen Rollenspielen kann man durch das ausgeben von Punkten (wie auch immer die genannt werden) Fakten erschaffen und die welt direkt verändern, ohne Umweg über den Charakter.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: 1of3 am 27.04.2015 | 05:17
Bis jetzt also Stand:

Rollenspiel:
Party+SL
Identifikation mit eigenem Charakter
Brettspielemente

Erzählspiel:
Designer-Spiel
Erzählrechte
Autorenperspektive

Das eigentlich relevante hat Nørdmännchen schon dargestellt: Je nachdem welche Kriterien Merkmale man braucht, kann man die Begriffe im Gesprächsverlauf nutzen. Was sie genau bedeuten, zeigt sich nur darin.

Es handelt sich also nicht um Fachbegriffe, sondern um natürlich-sprachliche. Die funktionieren immer so.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: ArneBab am 27.04.2015 | 11:43
Rollenspiel ist ein allgemeiner Begriff, der für mich jegliche Spielform umfasst, in der ich eine oder mehrere Rollen übernehme.
Erzählspiel ist für mich eine Unterform des Rollenspiels
Das sehe ich auch so: Erzählspiel als Versuch, eine Unterform des Rollenspiels von anderen Unterformen abzugrenzen. Sozusagen als Genre.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: 1of3 am 27.04.2015 | 12:56
Das sehe ich auch so: Erzählspiel als Versuch, eine Unterform des Rollenspiels von anderen Unterformen abzugrenzen. Sozusagen als Genre.

Sofern wir die selbe Form meinen, halte ich den Begriff "Storygame" für sinnvoll. Da ist die Bedeutung deutlich enger gezogen. :)

"Genre" ist natürlich wieder so eine Sache. Genre meint in Rollenspielkreisen meist, ob es Fantasy oder SciFi ist. Das ist hier natürlich nicht gemeint.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Praion am 27.04.2015 | 13:47
Ich finde Erzählslpiel als Begriff super problematisch. Zum einen weil damit Spiele von "echten Rollenspielen" abgetrennt werden und somit wieder Kämpfe aufkommen (von beiden Seiten) und zum anderen weil eben nichts damit wirklich klar gemacht wird.

"Ezählspiel ist, wenn mehr geredet als gewürfelt, oder am besten gar nicht gewürfelt wird"
"Erzählspiel ist, wenn das was ich sage auch mechanisch von wert ist"
"Erzählspiel ist, wenn ich Details der Welt hinzuerfinden darf"

etc. etc. etc.
Genauso wie, "Narratives Spiel" von allen Leuten irgendwie anders verstanden wird. Wenn ich eine Definition geben MÜSSTE, dann würde ich Swords without Masters als ein  Erzählspiel beschreiben da wirklich alle Mechaniken nur aussagen wer wann was sagen darf. Die gesammten Mechaniken sind nur dafür da die Erzählung der Beteiligten zu leiten.

Kämpfe in DnD sind aber auch so. Nur wenn man dran ist (oder in X000 Spezialfällen) darf der Spieler etwas sagen das von Bedeutung für die mechanische Ebene des Spiels ist. Daher ist diese Definition auch nicht wirklich hilfreich und der Begriff ist eben super schwammig.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Thandbar am 27.04.2015 | 14:10
Das Wort "Erzählspiele" kenne ich eher aus dem pädagogischen Bereich, so als Auflockerungsübungen, wo Kinder zB was Verrücktes nach bestimmten Regeln zusammenfabulieren dürfen.
Als Schlagwort aus der deutschen Übersetzung der WoD-Spiele ist es mir noch ein Begriff. Ich habe es aber selber aktiv nie so verwendet, weil Vampire&Co für mich auch nicht wesentlich anders waren als andere P&P-Rollenspiele.

Das Wort "Rollenspiele" gibt es ja auch noch außerhalb von P&P. Entweder so als 'therapeutisches' Gespräch, wenn der eine als mein Vater und ich als meine Mutter sprechen darf, oder auch bei, äh, etwas schweinischeren Sachen. Bei Computerspielen gilt das "rollenspielhafte" oft als Möglichkeit, den eigenen Charakter oder den eigenen Account aufzuleveln oder Fertigkeitspunkte zu verteilen.

Wenn es um P&P geht, verwende ich nur den Ausdruck "Rollenspiel". 
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Lord Verminaard am 27.04.2015 | 15:46
Hallo Mentor,

hier mal etwas ungeordnet mögliche Bedeutungen, die dem "Erzählspiel" beigemessen werden.

1) Ein Spiel, bei dem man reihum eine Geschichte erzählt, ohne Merkmale des klassischen Rollenspiels (z.B. das Kartenspiel "Es war einmal").

2) Ein Spiel, das noch Merkmale des klassischen Rollenspiels aufweist, allerdings durch Spielregeln den Handlungsverlauf und das Erzählrecht bestimmt. Prototyp dieser Spiele ist Universalis, die meisten kommen von der Forge (indie-rpgs.com) bzw. ihrem Umfeld, ohne dass zugleich alle Spiele, die von dort kommen, zur Universalis-Familie gehören würden.

2a) Eine Unterform dieser Spiele, der die Interaktivität weitgehend abhandengekommen ist, da tatsächlich immer ein Spieler "dran ist" und erzählt; teilweise abwertend als "Parlor Games" bezeichnet.

3) Ein Rollenspiel von White Wolf ("Storytelling Game").

4) Ein Rollenspiel, das Leute mögen, die auf story-games.com posten ("Story Game").

5) Herkömmliches Rollenspiel mit einer bestimmten Gewichtung / einem bestimmten Spielstil, hier allerdings mit einer sehr großen Bandbreite von nicht deckungsgleichen Begriffen und Verständnissen. Es kursieren bei den "Theoretikern" diverse Begriffe wie Dramatism, Narrativism/Story Now, Participationism, Illusionism. Robin Laws hat seinen "Storyteller" (nicht zu verwechseln mit dem von White Wolf) und als grober Oberbegriff ist auch schon der Begriff "story-orientiert" vorgeschlagen worden, dem es aber an Griffigkeit mangelt.

Ich habe mich entschieden, den Begriff "Erzählspiel" für mich weiter zu verwenden, weil er meinen bevorzugten Spielstil am besten beschreibt, aber ich gebe mich keinerlei Illusionen über die Trennschärfe des Begriffs hin.

Hier mal ein kleiner Sneak Peak auf DANGER ZONE, ein Action-Rollenspiel für Erzählspieler aus meiner Feder, das erscheint, sobald jemand Zeit hat, es zu layouten. ;)

Gruß Vermi

Zitat
Kleiner Erzählspiel-Leitfaden

Keine Panik! Was du hier in Händen hältst, ist nur ein ganz normales Rollenspiel. Es gibt ja sogar eine Initiativregel! Man kann Kämpfe und Verfolgungsjagden auswürfeln, und auf dem Charakterbogen steht drauf, was dein Charakter kann und was nicht. Aber: DANGER ZONE hat eine klare Spielphilosophie, und die habe ich einfach mal „Erzählspiel“ genannt. Ich hätte auch „Dramatismus“ oder „story-orientiertes Rollenspiel“  dazu sagen können, oder „Karl Theodor“, aber mir gefällt „Erzählspiel“. Vorsicht: Wenn jemand anders dieses Wort benutzt, meint er damit vielleicht etwas anderes als ich!

Also, was zum Geier meine ich denn nun damit? Damit meine ich, dass die Beteiligten durch das Rollenspiel eine unterhaltsame Geschichte erzählen wollen. „Erzählen“ im Gegensatz zu „erleben“ heißt, dass jeder am Tisch seinen Teil zur Geschichte beiträgt, ganz bewusst.

Nun kommt bei jeder Art von Rollenspiel am Ende eine Geschichte raus, egal ob man „seinen Charakter ausspielt“ oder „das Abenteuer lösen will“, „die Welt erforschen“ oder einfach nur „Gegner plätten“. Die Charaktere erleben etwas, dadurch entsteht eine Handlung. Beim Erzählspiel aber ist diese „Geschichte“ ein Hauptgrund, warum man spielt – was nicht heißt, dass man nicht auch mal einfach nur „seinen Charakter ausspielen“ kann. „Erzählen“ ist nicht das Gegenteil von „erleben“, man kann und sollte beides gleichzeitig tun.

Alles kann, nichts muss, niemals blocken

In DANGER ZONE geht es darum, dass Spieler und Spielleiter die Geschichte gemeinsam erzählen. Jeder trägt seinen Teil dazu bei. Das funktioniert am besten, wenn man diesen goldenen Leitsatz aus dem Improvisationstheater beherzigt: „Alles kann, nichts muss, niemals blocken.“ In einer guten Erzählspielrunde  nehmen die Spieler das auf, was die anderen machen, und entwickeln es weiter. Sie spielen einander zu, nicht aneinander vorbei. Sie bauen aufeinander auf, statt einander zum Einsturz zu bringen.

Das heißt jetzt nicht, dass jede einzelne Aktion im Spiel ein dramatischer Höhepunkt sein muss. Eine Aktion kann auch einfach nur dazu dienen, diesen verdammten feindlichen Jäger endlich abzuschießen. Aber: Erzählspieler achten darauf, was die anderen tun. Sie verbauen sich nicht gegenseitig Möglichkeiten. Sie klauen sich nicht gegenseitig das Rampenlicht. Und manchmal treffen sie genau die Entscheidung, die für die Geschichte am spannendsten ist – und überraschen sich selbst und ihre Mitspieler damit.

Manche Spieler reiten ihre Charaktere so richtig in die Scheiße. Manche Spieler machen anderen Charakteren das Leben unnötig schwer. Oder unnötig leicht. Manche Spieler spielen ihren Charakter so richtig eklig und unausstehlich. Aber sie tun es so, dass die Gruppe Spaß daran hat, und nicht so, dass sie allen auf die Nerven gehen.

Und warum würfeln wir dann noch?

Wenn wir doch alles so erzählen wollen, wie es am Spannendsten und Interessantesten ist, warum sollten wir dann überhaupt noch einen Kampf auswürfeln? Ganz einfach: Weil’s Spaß macht! Das hier ist immer noch ein Spiel und kein Story-Workshop. Wenn man einen cleveren Geistesblitz hatte und dadurch den Kampf für sich entschieden hat, vielleicht auch was riskiert hat und dafür belohnt wurde, oder einfach nur entgegen aller Wahrscheinlichkeit saugut gewürfelt hat – das fetzt! Zufallselemente, Erfolg und Misserfolg auf Messers Schneide, können unheimlich spannend sein, und ein ehrlich verdienter Sieg schmeckt ungleich süßer als einer, den man geschenkt bekommt.

Worum es bei Kämpfen und Würfeln im Erzählspiel aber nicht geht, ist ein Wettstreit der Spieler untereinander oder eine Prüfung, ob ein Spieler „gut genug“ ist. Niemand soll durch Pech und Versagen zur Unzeit frustriert, um sein Rampenlicht betrogen oder aus der Geschichte heraus geschrieben werden. Der ehrlich verdiente Sieg ist der süßeste, aber manchmal ist der geschenkte Sieg immer noch besser als die ehrlich verdiente Niederlage. Wann das der Fall ist und wann nicht, müsst ihr als Gruppe für euch selbst erkennen. DANGER ZONE liefert euch durch die dramatischen Szenen und die Wagemut-Regeln Werkzeuge, die euch genau das erleichtern sollen.
Titel: Re: Erzählspiel vs. Rollenspiel
Beitrag von: Eulenspiegel am 28.04.2015 | 00:00
Wenn es um P&P geht, verwende ich nur den Ausdruck "Rollenspiel".
Logisch, P&P ist ja ein Subgenre von Rollenspiel. Es gibt prinzipiell drei Arten von Rollenspiel:
1) P&P
2) LARP
3) Computer-RPG

Erzählspiele sind aber keine Rollenspiele. Also sind sie insbesondere kein P&P.