Es gibt Berufenere als mich, die zum Zalozhniy Quartet etwas schreiben können. Hat aber bisher niemand getan. Also schildere ich mal meinen Leseeindruck:
The Zalozhniy Quartet sind vier eng zusammenhängende Abenteuer mit gemeinsamem Plot. Die Abenteuer sind abwechslungsreich und besitzen jedes ein eigenes Kernproblem: Flucht, Informationssuche unter erschwerten Bedingungen, Heist-Storie und Kampf gegen übernatürliche Gegner. Schauplätze sind Osteuropa, Wien, Zürich und der arabische Raum vom Libanon bis Saudi-Arabien.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das Zalozhniy-Quartett eher für tollkühne Draufgänger oder vorsichtige Planer geschrieben ist. Um sich auf diese Handlung einzulassen, muss man ein Stück weit tollkühn sein. Wenn man es aber permanent ist, dann überlebt man wahrscheinlich höchstens drei, vier Szenen. Streckenweise kommen mir die Gegner und die Handlung extrem brutal vor. Kann das eine Gruppe wirklich erfolgreich abschließen? Und was geschieht eigentlich, wenn die Spieler vor allem am Überleben ihrer Charaktere interessiert sind? ("Wir brauchen jetzt gerade mal Urlaub auf den Malediven!") Ich bin auch durchaus angewidert von den knallharten Mafiositypen und insbesondere den geschilderten Auswüchsen der Zwangsprostitution, Elendsbordellen und Sexsklavinnen-KZ´s (2 derartige Szenen gibt´s im gesamten Band. Das ist nicht das Kernthema - aber trotzdem Anlass für Unbehagen). Die Abenteuer sind jedenfalls heftig und lassen nichts aus. Vielleicht muss das so sein, in einem Horrorrollenspiel in der Welt von heute, weiß ich nicht...
...aber es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich ein paar ausgesprochen herzliche, freundliche und hilfsbereite Osteuropäer kenne. Das muss auch mal gesagt werden!
Nun das Großartige: Das Großartige ist die Flexibilität der Abenteuer. Zu fast jeder Szene, zu jedem wichtigen Szenenelement, zu vielen Nichtspielercharakteren, letztlich auch zur Szenenfolge bekommt der Spielleiter immer und immer wieder eine Fülle von Alternativen angeboten, aus denen er sich fast sein eigenes Abenteuer zusammenstellen kann. Manchmal betrifft das Voreinstellungen, durch die der Spielleiter das Abenteuer in eine bestehende Kampagne einbauen oder an seinen Spielstil anpassen kann. Manchmal lassen sich die verschiedenen Möglichkeiten aber auch im Spiel nutzen: "Was? Die Spieler sind auf diesen Hinweis nicht angesprungen? Macht nichts, verwende ich eben einen anderen!" Die Konsequenz, mit der das hier an das Grundregelwerk anknüpft und durchgezogen wird, hat mich wirklich beeindruckt. Das ist ein Abenteuerband aus dessen Ideen andere Spiele zehn Bände gemacht hätten!
Und dafür, trotz dickem Kloß im Hals, 5 Punkte.