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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspieltheorien => Thema gestartet von: am 21.08.2016 | 23:21

Titel: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: am 21.08.2016 | 23:21
Zunächst sorry für den langen Post. Tochter ist im Bett und wie angekündigt (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,99407.msg134405986.html#msg134405986) habe ich mir Mühe gegeben und einen für mich neuen Punkt zusammengeschrieben. Vielleicht findet Ihr das ja ebenso erhellend und spannend wie ich. Würde mich freuen.

Ein seit Jahren immer wieder beliebtes Thema in Rollenspielforen sind Eingriffe von Spielleitern in die Handlungsoptionen von Spielern anhand der berühmt-berüchtigten "goldenen Regel" (auf die Schnelle definiert als Metaregel, welche es dem SL nach Bedarf erlaubt, die anderen Regeln zu brechen; bitte darüber ebenso wie über die anderen Begrifflichkeiten keine Definitionskriege starten; danke!). Um diese goldene Regel herum hat sich erstens ein ganzes Arsenal an "Fachbegriffen" gebildet, die mehr oder weniger sinnvoll erscheinen: Railroading, Trailblazing, Illusionismus, Partizipationismus, Storytelling, Würfeldrehen, Roads To Rome und vieles mehr. You name it. Ganze Essays wurden verfasst über den Umstand der vorgeblichen Unvermeidbarkeit von Story-Hoheit beim Spielleiter und Charakter-Hoheit bei den Spielern, etwa "The Impossible Thing Before Breakfast (http://ptgptb.org/0027/theory101-02.html)". Mit den ganzen Begrifflichkeiten kann ich wenig anfangen und finde sie eher verwirrend als hilfreich. Die Vielzahl verdeutlicht aber die Wichtigkeit des Problems.

Was mich dabei fasziniert, ist das Meinungsspektrum in Bezug auf die goldene Regel. Die gravierend unterschiedlichen Haltungen sind meiner Ansicht nach noch nie richtig beschrieben und erklärt worden. Das ist merkwürdig, weil sich daraus massive Auswirkungen auf die Praxis am Spieltisch ebenso wie für das theoretische Verständnis von Rollenspielen ergeben. Mich treibt insbesondere die Frage um:

Warum gelangen aufgeklärte Rollenspieler zu so drastisch unterschiedlichen Bewertungen der Nützlichkeit und Angemessenheit der goldenen Regel im Rollenspiel?

Ich finde, dass das ein ganz entscheidender Punkt ist, und versuche den zu beantworten.

In einer Umfrage hier im Forum antworten beispielsweise knapp 40% der Spielleiter, beim Spiel an den Würfeln zu drehen. Der Rest verneint das. Hier (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,99407.0.html). Die Diskrepanzen in der sich ergebenden Diskussion erscheinen unüberbrückbar. Zudem reden wir hier nicht über irgendwelche DSA-Highlords mit übersteigertem Machtmotiv und auch nicht über irgendwelche Vollhonks, die zu lange im eigenen Saft geschmort haben. Nein, die knapp 40% aus dem Tanelorn dürften mehrheitlich das sein, was ich unter aufgeklärten, erfahrenen, reflektierten Menschen verstehe. Zumindest nehme ich einen Großteil der Leute, die sich im Thread entsprechend äußern, so wahr (Luxferre, Rhyaltar, Blizzard etc.). Die Argumente sind vollständig ausgetauscht, eine Einigung ist nicht in Sicht. Die Mehrheit im Tanelorn lehnt Würfeldrehen kategorisch ab. Warum ist das so?

Parallel scheint es für mich zwei "Lager" derjenigen zu geben, die die goldene Regel konsequent ablehnen. Dabei handelt es einerseits um die Leute, denen diese Metaregel aus der Perspektive der Regelverletzung gegen den Strich geht. Hintergrund ist da vornehmlich die Verletzung der Weltensimulation bzw. die unzulässige Manipulation von Herausforderungen. Da geht es sehr viel um Transparenz, klare Regeln und Mitwirkung am Spieltisch, in Summe also die sogenannte Verfahrensfairness. Die Anwendung der goldenen Regel führt zu Verletzungen gleich aller drei Prinzipien von Verfahrensfairness. Dazu gab es schon mal einen längeren Thread hier im Forum. Es gibt Gründe, weshalb die begeisterten Simulationisten die guten Sandboxes und co. die Dinger so mögen und genau so handhaben. Mehr hier (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,45238.0.html). Ich kann nachvollziehen, weshalb man das super finden kann, auch wenn es nicht so mein paar Schuhe ist. Ich kann auch nachvollziehen, weshalb man die goldene Regel vor diesem Hintergrund als Verletzung grundlegendster Prinzipien empfindet bzw. fast sogar empfinden muss.

Parallel scheint es eine wachsende Gruppe von Personen zu geben, welche Rollenspiel gerne stärker aus einer Metaperspektive betreiben. Das Erstarken von FATE und Storygames ist für mich damit eng verbunden, Begriffe wie Player Empowerment sowie eine Demokratisierung des Spieltisches sind zentrale Elemente der Ansätze. Auch aus dieser Warte muss die goldene Regel natürlich vollkommen absurd wirken, denn sie läuft selbstredend dem Player Empowerment ebenso wie der Demokratisierung des Spieltisches komplett entgegen.

Nun bleibt jedoch die dritte Gruppe, bestehend aus aufgeklärten, reflektierten, erfahrenen Rollenspielern, die die goldene Regel dennoch schätzen. Warum nur? Man könnte einerseits mit den Nachteilen beispielsweise von Player Empowerment argumentieren, welche einige Leute dann halt doch nolens volens wieder zur goldenen Regel greifen lassen. Sowas wurde hier im Forum (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,38749.0.html) schon mal diskutiert, ist aber leider nur unzureichend reflektiert und in der Folge abgeschmettert worden. Schade, aber nicht zu ändern.

Vielversprechender an dem Punkt, wo wir heute stehen, erscheint mir eine andere Perspektive. Und nun kommen wir zu J.R.R. Tolkien und seinem Essay namens "On Fairy-Stories". Ich hatte mir den Text damals reingezogen, weil ich mir ein paar Kniffe und Tricks zum Settingdesign vom Meister erhofft hatte. Da meine Lektüre schon einige Jahre zurückliegt und das Essay ebenso langen wie zutreffenden Eintrag bei Wikipedia hat, verweise ich fauler Weise für eine intensivere Orientierung darauf Hier (https://de.wikipedia.org/wiki/On_Fairy-Stories).

Wichtig für das Verständnis des zentralen Punktes ist die sogenannte "Suspension of Disbelief". Im Deutschen wird das Phänomen auch "Willentliche Aussetzung von Ungläubigkeit" genannt. Der deutsche Begriff war mir aber nicht geläufig und deshalb bleibe ich beim Denglischen in diesem Fall. Kern dieser Suspension of Disbelief ist der Wille des Lesers/Zuschauers/Rollenspielers, "sich auf eine Illusion einzulassen, um dafür gut unterhalten zu werden." Mehr hier (https://en.wikipedia.org/wiki/Suspension_of_disbelief). Einerseits muss ich in Diskussionen über goldene Regel in all ihren Varianten immer wieder an die Suspension of Disbelief denken.

FATE und Storygames (bitte auch hier keine Definitionskriege darüber, was FATE und Storygames sind etc.; danke!) gefallen mir nie so richtig gut. Der zwangsläufige Wechsel auf die Metaebene und das ganze Metaspiel sind für mich inkompatibel mit echtem Empfinden und wirklichem Mitfiebern. Ich kenne viele Leute, denen es ebenso geht. Das ist ein Grund, weshalb ich mit FATE & co. trotz vielfacher Versuche niemals so richtig warm damit geworden bin. Es ist mir außerdem intellektuell vollkommen klar, warum viele andere Leute eine solche Freude an diesen Spielen empfinden. Alles in Ordnung. Meine Sache ist das jedoch nicht, insbesondere weil meine Suspension of Disbelief zu schnell bricht. Hätte ich die Wahl zwischen Storygames und Rollenspiel mit goldener Regel, würde meine Wahl direkt und ohne Nachdenken auf die goldene Regel fallen. Scheiß auf Metaspiel, ich will drinbleiben im "richtigen" Spiel. Soll der SL bitte was machen, dass es weitergeht und ich bin happy damit. Das muss für Storygamer eine ziemliche Horrorvorstellung sein. Alle gut, jedem Tierchen sein Pläsierchen. Damit verstehe ich nun aber schon einmal das Zustandekommen der unterschiedlichen Wahrnehmungen der "Nützlichkeit" der goldenen Regel zwischen den Storygamern und mir.

Ein bisschen anders verhält es sich mit den Verletzungen der Verfahrensfairness durch die goldene Regel. Laut Tolkien ist für die Akzeptanz eines "secondary beliefs" (ergo etwa einer Fantaswelt) eigentlich gar keine "Suspension of Disbelief" notwendig. Damit eine Fantasywelt oder ein Märchen oder eine Fiktion akzeptiert wird, muss nach Tolkien eine interne Konsistenz und ein klares Regelgerüst bestehen. Erst wenn die Konsistenz durchbrochen wird, muss in einem Willensakt eine Suspension of Disbelief auf Kosten von Immersion wiederhergestellt werden. Ich fand das damals schon merkwürdig, denn es entspricht nicht meinen Erfahrungen. Wer bin ich aber, dass ich Tolkien im Bereich der Weltenschöpfung in Frage stellen würde? Mittlerweile glaube ich aber inspiriert durch die vielen Diskussionen in Rollenspielforen, dass das letztlich einfach eine Frage der persönlichen Präferenzen ist. Schließlich würden Tolkien an Rollenspielen mit absoluter Sicherheit die Simulationsgranaten ansprechen. Ich versteige mich darauf: Tolkien würde Traveller lieben. Natürlich müssen Simulationsfans aus den genannten Gründen aber zwangsläufig sehr kritisch gegenüber der goldenen Regel eingestellt sein. Entscheidend daran: Mir selbst geht es umgekehrt. Die Simulation von Welten im Rollenspiel über Zufallstabellen oder andere Hilfsmittel mag der kreativen Simulation förderlich sein, aber sie kostet Zeit. Man kann diese Zeit minimieren, aber das funktioniert nur bis zu einem gewissen Grad. Schneller ist in jedem Fall der Gedanke des SL. So ähnlich verhält es sich mit herausforderungsorientiertem Spiel. Das Nachschlagen von Verwundungen, berittenem Kampf, Giftschaden, kritischen Treffern oder Sonderfähigkeiten ist fester Bestandteil des Spiels, kostet aber Zeit. Mir ist in solchen Fällen zumeist lieber, wenn der SL handwedelt. Wenn er dabei an den Würfeln drehen muss, nehme ich das gerne in Kauf.

Vereinfacht gesagt: Lieber ein flüssiges Spiel mit goldener Regel als korrektes Vorgehen mit den entsprechenden Verzögerungen. Ich bin ungeduldig, schnell und emotional. Das hilft in vielen Situationen, wirkt sich aber mindestens ebenso häufig hinderlich aus. Es führt insbesondere dazu, dass ich die goldene Regel in einer fitten Runde einer Metaspiellastigkeit vorziehe.

Mit dem skizzierten Gedankengang kann ich nun viele hitzige Onlinediskussionen und das bisweilen existierende, gegenseitige Unverständnis besser nachvollziehen. Vielleicht geht es Euch ja ebenso.

Ansonsten: bitte diszipliniert Euch bei Beiträgen und formuliert insbesondere Kritik respektvoll. Die Kombination aus Ungeduld, Geschwindigkeit und Emotionalität ist in Rollenspielforen ein echter Stimmungstöter. Ich würde den Thread ungerne meinetwegen entgleisten sehen ;-)

EDIT: Typos, Link repariert und sprachliches Glätten.

EDIT EDIT: Eines hatte ich noch vergessen: teilweise lässt sich die Beliebtheit der Oldschool-Bewegung (OSR) sicherlich auch durch den obigen Gedankengang erklären. Wenn ich Simulation, Regeltreue und Herausforderungen haben möchte ohne gewaltige Zeitverluste, dann muss man Komplexität reduzieren. Das Credo "Rulings, not rules" überträgt sehr viel Verantwortung an den Spieler und bittet um schnelle, elegante Anwendung des gesunden Menschenverstandes bei ad hoc auftretenden Regelfragen ("rulings") im Gegensatz zu den rules heavy Simulationssystemen. OSR begleitet das reduktionistische Moment aber nicht nur regelseitig, sondern auch durch das Design. Die radikale Entschlackung der Regeln durch Rückbesinnung auf "die alten Tage" geht einher mit liebevoll-fanzineartigem Design, einer betonten Abkehr von als zu glatt empfundenen Systemen der Großverlage sowie der Rennaissance von klassisch-inkohärenten Abenteuern (gibt da natürlich auch Ausnahmen und lässt sich nicht komlpett pauschal über einen Kamm scheren, logo). Die Vereinfachung, Entschlackung und Rückbesinnung ist im abstrakten Sinne dieses Threads aber nichts anderes als Zeitgewinn und dient nicht zuletzt auch der Verhinderung der ungeliebten Dramaturgien.

Und genau an diesem Punkt schlägt Tolkiens Idee eines secondary beliefs bei mir dann wiederum in Richtung der goldenen Regel aus. Wenn ich mir das Gros an Material für OSR anschaue, dann kann ich das Ausmaß an freudvollem Trash nur mit großer Mühe schlucken. Tolkien hätte dazu vermutlich angemerkt, dass durch das Ausmaß an Inkonsistenz willentlich die Suspension of Disbelief angeworfen werden muss und das wiederum auf Kosten der Faszination geht (oder besser: die Leute aus dem Flow reißt). Das nur als schnelle Ergänzung. Passte hier ebenfalls gut rein. Seit Jahren frage ich mich, was mich an dem OSR-Zeugs so stört. Ich tue mich damit enorm schwer, obwohl ich das eigentlich sehr gerne spielen wollen würde. Ich finde viele OSR-Spiele wie auch deren Autoren und Umgebung total sympathisch. Ich möchte das wirklich mögen. Klappt aber nicht und zum ersten mal verstehe ich, weshalb das so sein könnte. Klar: das Design finde ich abstoßend und die Illus erinnern mich oft an das Gekrackel von Schulkindern. Aber es ist dann doch eher diese reduktionistische Komponente und der Gonzo-Faktor, der mich die Flucht ergreifen lässt. Dank der Überlegungen von Herrn Tolkien wirds mir nun erklärlich ;-)
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Runenstahl am 21.08.2016 | 23:48
Gut gesagt ! (Meiner Meinung nach).

Zitat
Die Argumente sind vollständig ausgetauscht, eine Einigung ist nicht in Sicht.

Doch. Man ist sich einig das man verschiedene Meinungen hat. Und solange das von allen akzeptiert werden kann ist alles gut. Kein Spielstiel ist "besser" als andere. Wichtig ist das man selbst Spaß hat. Hat man den nicht, dann sollte man sich eine Gruppe suchen die besser mit dem eigenen Stil harmonisiert.

Allerdings bekommen wir so keinen langen Thread zusammen. Das klappt viel besser mit Aussagen wie "Mein Stil XY ist der einzig wahre, alle anderen sind doof weil blah"  ;)
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Pyromancer am 22.08.2016 | 00:59
Die Simulation von Welten im Rollenspiel über Zufallstabellen oder andere Hilfsmittel mag der kreativen Simulation förderlich sein, aber sie kostet Zeit. Man kann diese Zeit minimieren, aber das funktioniert nur bis zu einem gewissen Grad. Schneller ist in jedem Fall der Gedanke des SL. So ähnlich verhält es sich mit herausforderungsorientiertem Spiel. Das Nachschlagen von Verwundungen, berittenem Kampf, Giftschaden, kritischen Treffern oder Sonderfähigkeiten ist fester Bestandteil des Spiels, kostet aber Zeit. Mir ist in solchen Fällen zumeist lieber, wenn der SL handwedelt. Wenn er dabei an den Würfeln drehen muss, nehme ich das gerne in Kauf.
Du schreibst viel Richtiges, aber ab diesem Punkt kann ich dir nicht mehr folgen. Ich sehe einfach nicht, wo mir hier (als SL gesprochen) Würfeldrehen einen Gewinn an irgend etwas bringt.
Wenn ich z.B. weiß, dass es eine "korrekte Vorgehensweise" für berittenen Kampf gibt, die mir in der konkreten Situation zu aufwändig ist (weil ich sie erst einmal im Regelwerk finden und dann durchlesen müsste), dann würde ich z.B. eine ad-hoc-Regel einführen, den Spieler eine Reiten-Probe mit -2 machen lassen (oder sonst irgend etwas), und je nach dem hat die Aktion eben geklappt oder nicht. Oder ich entscheide einfach willkürlich.

Wo hilft mir da das Würfeldrehen?
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Maarzan am 22.08.2016 | 08:00
Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen der goldenen Regel und dem SOD - eher im Gegenteil.

Und während du mit dem Bruch durch Metaelementen wie Fate usw Recht hast, wirkt für mich der (auch drohende) Bruch der Spielregeln ähnlich störend aus. Ich muss mich ständig parallel mitfragen: Was könnte der Spielleiter da abseits der bestehenden Spielweltrealität noch so gerade vorhaben, was ich bei meinen Spielentscheidungen berücksichtigen muss, um nicht vor die Pumpe/Schiene zu laufen?

Ich vermute wenn du das tatsächlich ernst meinst (was mir irgendwie doch schwer fällt zu glauben, wenn so viele Diskussionsteilnehmer in Foren von "Story", "Spannung", "Dramatik" und wie diese suchergestellt werden muss reden) liegt der Unterschied in unserer Auffassung in MASSIV anderen Spielerfahrungen.

Ich habe das heimliche Würfeldrehen und Regelbrechen bisher ausschließlich mit der Zielsetzung der Durchsetzung der eigenen Storypräferenzen erlebt. Theoretisch könnte man damit auch Simulationslücken schließen, aber an einem Tisch, welcher diesen Fokus hat, fällt so eine Abweichung in den Regeln sowieso früher oder später auf und führt dann zu Nachfragen, alleine weil man ja auch etwas an der Situation falsch verstanden haben könnte. Also kommt so etwas auch besser direkt auf den Tisch und ist dann auch meist schnell abgehandelt oder es zeigt sich eben, dass es nicht für alle zum Besseren führt.

Den Beschleunigungseffekt von "Regelschätzen" kenne ich allerdings auch. Aber das ist dann ja üblicherweise kein Momentanproblem, sondern eher etwas Grundlegendes des gewählten Systems und damit einer Hausregel wert. Wir hatten z.B. bei Rolemaster einmal über die kritischen Tabellen diskutiert. Einigen Leuten stank, dass mit dem unabhängigen 2. Wurf seltsame Ergebnisse bei rauskämen, das sich ein paar Krits arg häuften und das nach Plan jemand der nur mit dem Kopf aus der Deckung guckte am Fuß getroffen werden könnte. Also ist als Hausregel rausgekommen, der Spielleiter schätzt die Kritischen nach einem Musterblatt ab, wobei auch die kleineren Treffer höherer Grade unangenehm wurden, aber die Instakills dafür etwas später und bei A gar nicht auftraten. Und sollte jemand sich ungerecht behandelt fühlen würde für diesen - aktiv wie passiv - ohne weitere Diskussion sofort und dauerhaft auf die Standardtabellen zurück gegangen.

Und diese Ermächtigung gilt eben für diesen einen genau bestimmten Bereich mit der entsprechenden groben Zielvorgabe (unter anderem über dieses Musterblatt) und nicht überall nach Gutdünken.

Den Zusammenhang mit Würfeldrehen sehe ich hier auch nicht. Die Würfelwürfe werden nicht schneller, indem da noch jemand was ran dreht.

Ebenso hätte man es mit weiteren Dingen in der Richtung regeln können: Der Spielleiter rät in Sinne und Geiste der bestehenden Regeln und wenn jemand protestiert, wird eben doch nachgeschaut. Genau diese Berufungsmöglichkeit, weil jemand die SL-Vorstellung doch nicht besser findet, fällt mit der goldenen Regel aber raus und macht damit alle anderen Regeln und Absprachen für die Tonne. 

Die Notwendigkeit der goldenen Regel zur Vereinfachung/Beschleunigung sehe ich daher nicht. Vielmehr sehe ich diese weiterhin als trojanisches Pferd, welches die ursprüngliche Funktion der bestehenden Regeln einseitig unterläuft und massive Missbrauchsmöglichkeiten öffnet ohne Verbesserungen zu bieten, welche nicht durch minimale Absprachen besser gelöst werden könnten.


In Summe: Die goldene Regel würde nur dann problemlos funktionieren, wenn ein entsprechender stilbezogen konsistenter und "gutwilliger" Spielleiter einer Gruppe dieses Stils sie konsequent im Sinne dieses stils anwenden würde - und dann bräuchte man sie üblicherweise in der massiven Form nicht, sondern könnte das auch anders mit weniger Generalermächtigung lösen.
Statt dessen hat man damit ein Instrument erschaffen, welches für den vorgegebenen Zweck völlig überdimensioniert ist und statt dessen Tür und Tor aufreißt, um einen eigenen Stil/Vorstellungen gegen eine anderweitig interessierte (und mit der Masse an anderen Regeln ggf täuschend geköderten) Spieler durchzudrücken. Und die entsprechenden Problemschilderungen mit einer gewissen Sorte Spielleiter zeigt ja auch, dass diese Vorgehensweise auch zahlreich vor kommt und zu massig Unmut führt. 
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: bobibob bobsen am 22.08.2016 | 08:22
Zitat
Warum gelangen aufgeklärte Rollenspieler zu so drastisch unterschiedlichen Bewertungen der Nützlichkeit und Angemessenheit der goldenen Regel im Rollenspiel?

Weil sie persönlich schlechte Erfahrungen damit gemacht haben. Ist wie mit dem Kommunismus in der Theorie toll in der Praxis eher nicht.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Infernal Teddy am 22.08.2016 | 08:39
massive Missbrauchsmöglichkeiten

Dafür brauche ich als Spielleiter allerdings keine regel die es mir erlaubt.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Samael am 22.08.2016 | 08:57
Ich schließe mich den Vorrednern an: Würfel drehen und komplizierte "sub-rulesets" nicht nachschlagen sondern durch ein (hoffentlich ab dann immer gültiges...)  "ruling" überschreiben ist überhaupt nicht dasselbe.

Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: nobody@home am 22.08.2016 | 09:18
Dafür brauche ich als Spielleiter allerdings keine regel die es mir erlaubt.

Strenggenommen schon. "Der Spielleiter darf erst mal alles" ist ja auch nichts anderes als eine Spielregel -- und daß es in der Praxis nicht allzuviele Systeme geben mag, die den SL einfach als einen weiteren Mitspieler behandeln, der sich gefälligst auch an konkrete Regeln wie alle anderen zu halten hat (jedenfalls in dem Rahmen, in dem irgendein Spiel das den konkreten Leuten am Tisch oder auf dem Spielfeld jemals bindend vorschreiben kann), heißt nicht, daß sie prinzipiell unvorstellbar wären.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Der Nârr am 22.08.2016 | 09:34
Ich habe das heimliche Würfeldrehen und Regelbrechen bisher ausschließlich mit der Zielsetzung der Durchsetzung der eigenen Storypräferenzen erlebt.
Würfel drehen wird häufig damit begründet, dass es den Spielern zugute kommt - z.B. sei es ja blöd für die Spieler, wenn ihr Charakter stirbt und darum sei es besser, wenn der Charakter überlebt. Gerne wird dann mit sehr simplen Beispielen gearbeitet, z.B.: Der SC springt über eine Schlucht. Die Probe misslingt um 1 Punkt. Anstatt den Charakter sterben zu lassen, schenkt man ihm den einen Punkt, damit er doch überlebt. Spieler ist glücklich, Story super. Beispiele dieser Art ignorieren folgende Elemente:

- Was ist, wenn die Probe um mehr als 1 Punkt misslingt? Wäre der Spieler dann nicht auch glücklicher, wenn er noch überlebt? Wo ziehe ich die Grenze? Und ist die Grenze systemunabhängig, um 1 Punkt daneben kann ja je nach System unterschiedliches bedeuten.
- Was ist mit Neid unter Spielern? Es wird ja eine Regel gebrochen, das ist erstmal eine unfaire (hier: positiv unfaire) Behandlung eines Spielers. Wieso kriegt der das und nicht ich? Immerhin bin ich, der das nicht bekommen hat, ja im Recht (ich habe die Regeln auf meiner Seite!).
- Wieso ist es besser für die Story, dass der Spielercharakter überlebt? Vielleicht ist die interessantere Story ja, dass die anderen Spielercharaktere mit dem Verlust und der Trauer umgehen müssen. Wer entscheidet wie was besser für die Story ist und wer entscheidet, wann und wie man Regeln zugunsten Story außer Kraft setzt?
- Wieso verlangt der Spielleiter überhaupt Proben, bei denen er nicht bereit ist die Konsequenz zu tragen, wenn 99% der Spiele ohnehin es dem Spielleiter auferlegen zu entscheiden, ob er überhaupt eine Probe verlangt?
- Und wenn er verlangt, wieso legt er eine mögliche Konsequenz fest (den Tod des SC), die er nicht bereit zu tragen ist?

Ähnlich problematisch finde ich Aussagen wie "ich lasse keinen SC sterben, weil er 1x im Kampf würfelt" - das kenne ich gerade von DSA-Spielleitern, aber gerade in DSA stirbt man nicht von einem schlechten Wurf - der steht immer am Ende einer ganzen Reihe von Würfen und Entscheidungen (greife ich an, fliehe ich, welches Manöver benutze ich usw.), die Auffassung dass ein Wurf über Leben und Tod entscheidet ist meist eine Illusion die der Komplexität der Systeme nicht gerecht wird. Und wieder: Wenn man nicht bereit ist, den Spielercharaktertod als Konsequenz zu tragen, warum formuliert man die Regel nicht um so dass man nur kampfunfähig wird? Das ermöglicht die faire und gerechte Behandlung der Spieler und man ist nicht mehr abhängig von der Gnade des Spielleiters, die Regel zu brechen.

Schließlich: Wieso darf nur der Spielleiter entscheiden, was besser für die Story ist? Wieso entscheiden dann nicht auch die Spieler, dass dem SL mal eine Probe gelingt oder misslingt oder dass ihr Attackewurf gelingt, wo sie doch nur 1 Punkt daneben sind? Wieso diese Grenze beim Spielleiter?

Davon ab. Ich verstehe nicht, was das neue Argument sein soll. Ja, manche Spieler mögen schnelleres Spiel, für manche ist es ok, Regeln nachzuschlagen. Und ja, es gibt Unterschiede zwischen Würfel drehen, Regeln nachschlagen oder improvisieren oder bewusst ein System zu wählen, das zu den eigenen Spielvorlieben passt. Aber das ist doch nichts neues.

Aber ich hatte darüber auch schon vor Jahren Diskussionen. In meiner DSA-Runde war das toll. Reiterkampf war da so ein Knackpunkt. Ich hatte Spieler, die lieber die umfangreichen, komplizierten Reiterkampf-Regeln in DSA hatten, gleichzeitig aber wollten sie, dass ich die Regeln nicht benutze, sondern lieber einfach was entscheide, damit das Spiel weiter geht, weil natürlich niemand die ach so tollen Reiterkampf-Regeln beherrschte. Aber es gab ein gutes Gefühl, dass da diese tollen komplexen Regeln im Buch stehen, weil es anscheinend das Gefühl gab, ein besseres Spiel zu spielen, auch wenn die Regeln gar nicht benutzt wurden. Ich dagegen vertrat die Auffassung, dass ich lieber Savage Worlds spiele mit weniger komplizierten Regeln, in denen ich dann zwar Reiterkampf-Regeln geringerer Komplexität habe, die ich aber auch tatsächlich nutzen würde. Für mich ist es einfach auf der Hand liegend, lieber ein Spiel zu nehmen das mir in der Komplexität entspricht und dessen Regeln ich dann benutze als ein Spiel zu nehmen, das meine Bereitschaft (oder sogar Kompetenz) übersteigt komplexe Regeln zu lernen und anwenden zu können und bei dem ich dann die Regeln eben nicht mehr benutze.

Aber das ist ja auch nur ein kleiner Ausschnitt der goldenen Regel.

Den Bezug zu SoD oder Tolkien verstehe ich leider gar nicht.

Übrigens gibt es auch in der OSR Spiele, die ohne Gonzo auskommen. Aktuell wäre da zum Beispiel Beyond the Wall and Other Adventures zu nennen.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: KhornedBeef am 22.08.2016 | 09:36
Spannender Artikel, schöne Übertragung. Hat mir gedanklich was gebracht.
Ich fühle mich allerdings in der Einleitung nicht repräsentiert: Ich habe gegen Würfeldrehen gestimmt, würde aber rulings, Handwedeln und brachiale SL-Eingriffe nicht kategorisch ausschließen. Aber eben durch genau das, dass der SL sagt "Tatsächlich passiert aber das", aus genau dem Grunde, den du ansprichst: Weil es in der Welt Sinn ergibt, d.h. man kommt nicht in den den SoD-Bereich gemäßg Tolkiens Essay. Natürlich setzt das voraus, dass der SL dieses "Sinn ergeben" für alle Spieler halbwegs trifft.
Warum ich trotzdem die Würfel nicht drehe, gehört nicht zum Topic, das schreibe ich in den Mutter-Thread.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Rhylthar am 22.08.2016 | 09:44
Zitat
Ich habe das heimliche Würfeldrehen und Regelbrechen bisher ausschließlich mit der Zielsetzung der Durchsetzung der eigenen Storypräferenzen erlebt.
Das markierte ist nicht zwangsläufig dasselbe, es sei denn, man definiert Würfeldrehen schon als Regelbruch, wobei man es dann ja nicht separat aufführen müsste.

Wenn ich "Würfel drehe" (Erläuterung, wie ich dies meine, habe ich im anderen Thread geschrieben), passiert dies innerhalb der Regeln. Z. B. einem Gegner mehr HP zu geben, ohne sein von den Regeln vorgegebenes Limit zu überschreiben, ist für mich kein Regelbruch. Im Fähigkeiten zu geben, Werte anzupassen, ohne es ad absurdum zu führen, bricht nicht die in den entsprechenden Büchern veröffentlichten Regeln.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: murksmeister am 22.08.2016 | 09:50
Und während du mit dem Bruch durch Metaelementen wie Fate usw Recht hast, wirkt für mich der (auch drohende) Bruch der Spielregeln ähnlich störend aus. Ich muss mich ständig parallel mitfragen: Was könnte der Spielleiter da abseits der bestehenden Spielweltrealität noch so gerade vorhaben, was ich bei meinen Spielentscheidungen berücksichtigen muss, um nicht vor die Pumpe/Schiene zu laufen?

Das ist ein Punkt den ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Ich empfinde railroading als Spieler ebenfalls nervig, aber ich hatte noch nie Angst, dass ich dem SL auf den Leim gehe und nun seine Story spielen "muss". Ich gehöre nun auch zu der Fraktion die dem SL gerne die Storyhoheit zuspricht, aber ich habe es wirklich nie verstanden, warum manche Spieler Angst haben in ebendiese Story zu stolpern (Stichwort Illusionismus)? Vielleicht eine Frage des bevorzugten Spielstils, aber ich freue mich über nette Stories, vor allem dann wenn sich der SL die Mühe gemacht hat meinen Charakter bei dessen Interessen abzuholen. Für mich ist der Weg zur Schiene der entscheidende, weniger ob es eine Schiene gibt.

Zum Thema: Danke für diese schönen Ausführungen zu dem Thema, ich finde es immer gewinnbringend solche Sachen mal in einem zusammengefassten Text zu lesen. Ich persönlich mag handwedeln und Würfeldrehen, solange die SL-Willkür ebenfalls einer gewissen Konsistenz folgt (und ja ich weiß dass das zu Definitionsproblemen führt). Aber wie du schon selbst gesagt hast, man ist sich nunmal einig sich nicht einig zu sein.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: am 22.08.2016 | 09:52
Spannender Artikel, schöne Übertragung. Hat mir gedanklich was gebracht.
Ich fühle mich allerdings in der Einleitung nicht repräsentiert: Ich habe gegen Würfeldrehen gestimmt, würde aber rulings, Handwedeln und brachiale SL-Eingriffe nicht kategorisch ausschließen. Aber eben durch genau das, dass der SL sagt "Tatsächlich passiert aber das", aus genau dem Grunde, den du ansprichst: Weil es in der Welt Sinn ergibt, d.h. man kommt nicht in den den SoD-Bereich gemäßg Tolkiens Essay. Natürlich setzt das voraus, dass der SL dieses "Sinn ergeben" für alle Spieler halbwegs trifft.
Warum ich trotzdem die Würfel nicht drehe, gehört nicht zum Topic, das schreibe ich in den Mutter-Thread.

Jau, verstehe. Ich hatte mich missverständlich ausgedrückt. Pyromancer hat da ebenfalls vollkommen zu Recht nachgefragt. Samael auch. Ich bezog den von Pyromancer markierten Satz auf den ganzen Abschnitt und nicht nur auf die zitierte Stelle. Würfeldrehen ist bei der Beschleunigung des Spiels bezogen auf Nachschlagen etc. sicherlich keine besonders clevere Wahl. Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt.

@ Marzaan, Bobibob, Narr: Ihr solltet Euch dann vielleicht mal fragen, weshalb 40% der SL hier im Forum dennoch an den Würfeln drehen. Eure Antwort lautet implizit oder explizit: Idioten, die die Wahrheit nicht erkennen. Ich halte diesen Gedankengang für einen echten Bumerang und habe deshalb ein paar Gedanken entwickelt, die die Welt schlicht besser erklären.

Anders ausgedrückt: es gab mal so einen Wissenschaftstheoretiker namens Thomas S. Kuhn. Der hat sich mit Paradigmenwechseln in der Wissenschaft beschäftigt. Im Rollenspielbereich sehe ich da große Parallelen. Ganz früher gabs das Story-Paradigma von DSA und den damit verbundenen Ideen von "wertvollem Rollenspiel". Dieses Paradigma wurde Anfang des neuen Jahrtausend gekippt. Seitdem gelten nur solche SL als honorig und kompetent, die sich gewissen Prinzipien der Spielleitung verbunden fühlen. Die goldene Regel ist extrem explizit nicht Teil dieser Prinzipien. Diese Sichtweise hat sich sehr weit verbreitet und gilt im Tanelorn eigentlich als Konsens. Nicht erklärlich bleiben jedoch diejenigen Gruppen, die sich trotz kompetenter, motivierter Beteiligter wieder abgewandt haben von der reinen Lehre. Mittlerweile geben tatsächlich wieder 40% der Leute an, dass sie als SL an Würfeln drehen. Das passt so überhaupt gar nicht zum herrschenden Paradigma des "guten Spielleitens". Auch die Erklärung, dass das alles Ahnungslose oder Arschlöcher sind, scheint mir wenig griffig zu sein. Deshalb finde ich es naheliegend, dass man mit offenen Augen nach Erklärungen sucht und nicht stur an den offenkundig unzutreffenden Altüberzeugungen festhält. Darum habe ich mich bemüht.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Maarzan am 22.08.2016 | 10:07
Das markierte ist nicht zwangsläufig dasselbe, es sei denn, man definiert Würfeldrehen schon als Regelbruch, wobei man es dann ja nicht separat aufführen müsste.

Wenn ich "Würfel drehe" (Erläuterung, wie ich dies meine, habe ich im anderen Thread geschrieben), passiert dies innerhalb der Regeln. Z. B. einem Gegner mehr HP zu geben, ohne sein von den Regeln vorgegebenes Limit zu überschreiben, ist für mich kein Regelbruch. Im Fähigkeiten zu geben, Werte anzupassen, ohne es ad absurdum zu führen, bricht nicht die in den entsprechenden Büchern veröffentlichten Regeln.

OK, ich habe Würfeldrehen hier etwas wörtlicher gemeint und daher extra zusätzlich aufgeführt zu den spontan geänderten Regeln. Aber das ist vermutlich Detailkram.

Das ist ein Punkt den ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Ich empfinde railroading als Spieler ebenfalls nervig, aber ich hatte noch nie Angst, dass ich dem SL auf den Leim gehe und nun seine Story spielen "muss". Ich gehöre nun auch zu der Fraktion die dem SL gerne die Storyhoheit zuspricht, aber ich habe es wirklich nie verstanden, warum manche Spieler Angst haben in ebendiese Story zu stolpern (Stichwort Illusionismus)? Vielleicht eine Frage des bevorzugten Spielstils, aber ich freue mich über nette Stories, vor allem dann wenn sich der SL die Mühe gemacht hat meinen Charakter bei dessen Interessen abzuholen. Für mich ist der Weg zur Schiene der entscheidende, weniger ob es eine Schiene gibt.

Da haben wir uns wohl falsch verstanden. Ich meinte die Situation, wo man noch nicht ganz sicher ist wo man dran ist oder aus anderen Gründen noch nicht so weit ist die Runde zu verlassen und neben den Überlegungen "Was würde ich als Charakter hier jetzt machen" immer noch im Hinterkopf behalten muss "Und was stellt sich der Spielleiter nun vor und muss ich berücksichtigen, obwohl es aus dem Setting heraus sich so nicht ergibt." Der Kontakt mit der Schiene erfolgt ja auch nicht unbedingt durch sanftes Einfangen, sondern oft genug durch hartes Aufschlagen und schon so etwas wie Abstrafung.

Ein stilles "Reingleiten" auf die Schiene wäre da wohl tasächlich das, was als erfolgreicher Illusionismus bis zu einem Misserfolg erst gar nicht wahrgenommen wird und wenn erst nachträglich ggf zu Frust führt. Aber im Spiel selbst erst einmal bis dahin unerkannt bleibt.
In meinem Fall oben hat es schon die ersten harten Kontakte mit der Schiene und folgend wenigstens Desorientierung gegeben.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Chruschtschow am 22.08.2016 | 10:12
Sicher, Marzaans und Narrs umfangreiche Reaktion auf eine Detailfrage zeigen, dass das insgesamt noch nicht ganz klar ist, welches Paradigma welche Funktion wie erfüllt. Ich gehe da auch nicht mit jedem Satz und Satzzeichen bei Wellentänzer konform. Aber es geht hier ja weniger darum, wie sich die einzelnen Positionen im Detail unterscheiden oder wer was wann wo wie gesagt hat. Es geht eher darum, warum es verschiedene Positionen gibt, die nicht in einer eigenen zusammen gefasst werden. Ich habe aber durchaus den Eindruck, dass Wellentänzer da was ganz treffendes sagt und der Kern seines Textes wirklich gut die verschiedenen Positionen begründet. Ich sehe da dank seines Textes auch einen starken Zusammenhang mit der willentliche Aussetzung von Ungläubigkeit bzw. einer glaubhaften sub-creation zur Erzeugung eines secondary belief, wie es im Essay wohl heißt.

Ich versuche das mal aufzudröseln, wie ich es verstanden habe und einordne.

Grundsätzlich sind wir erst ein Mal alle als Rollenspieler unterwegs. Wir begeben uns innerhalb einer Rolle in eine fiktive Umgebung und agieren dort gemäß unserer Rolle. Im Gegensatz zu Tolkiens Autoren haben wir also mehrere Akteure, die aus eigenem Antrieb Einfluss auf die Welt nehmen. Wir nehmen also Positionen in dieser Welt ein und wollen da sinnvoll handeln, egal welche Spielposition wir einnehmen.

Die fiktive Umgebung soll für alle Akteure glaubwürdig und in sich konsistent sein. Ist sie das nicht, benötige ich die willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit. Und ich denke an der Stelle setzt dann auch die Sache mit der goldenen Regel (zum Teil) an, wenn auch nicht ganz in dem Sinne wie Wellentänzer es teils beschreibt.

Und wie stelle ich die Glaubwürdigkeit und Konsistenz dieser Welt nun her? Und da landen wir im Prinzip bei den Spielarten aus dem anderen Thread (und wahrscheinlich noch ein paar mehr).

Das sind dann die drei Positionen. Wahrscheinlich sind die Fronten dazwischen gar nicht so hart. Ich habe mit Sicherheit schon alles drei gespielt. Und ich habe zum Beispiel auch gemischt gespielt. Zwei von drei geht wahrscheinlich. Aber wenn man halt sehr stark auf einen der Punkte setzt, schließt er die anderen aus, weil jede Methode - jedes Paradigma - für sich die Steuerung der sub-creation fordert.

Klar, mein persönliche Tendenz geht im Moment zum ersten Punkt, sonst würde ich nicht jedem Fate unter die Nase reiben. Aber als Spieler kann ich auch mit den anderen beiden leben, mit dem zweiten Punkt besser als dem dritten. Aber das sind dann wahrscheinlich nur noch persönliche Vorlieben.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: KhornedBeef am 22.08.2016 | 10:13
@Wellentänzer. Jo, danke dir :)
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Wellentänzer am 22.08.2016 | 10:15
@ Chruschtschow: Das ist eine wirklich tolle Zusammenfassung des Kerns dessen, was ich sagen wollte. Herzlichen Dank!
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Achamanian am 22.08.2016 | 10:18
Danke erst mal für die ausführliche Darstellung, Wellentänzer, die meisten Fürs und Widers sind damit für meinen Geschmack schon abgedeckt.

Ich habe lediglich etwas dagegen, "Würfeldrehen", "Die goldene Regel" und "Rulings" in einen Topf zu werfen. Wie schon im anderen Thread gesagt: Die Ablehnung des Würfeldrehens ist nicht unbedingt dem Glauben geschuldet, dass Regeln heilig wären, d.h. man kann durchaus konsequent Würfeldrehen ablehnen, aber immer wieder Rulings anwenden.

Ein Knackpunkt, der mir jetzt langsam klarer wird, ist dabei tatsächlich die Einstellung zur Meta-Ebene. (Wobei ich die gar nicht mit dem Begriff Player-Empowerment in Verbindung bringen würde, der klingt gleich wieder nach einem antagonistischen Verhältnis zwischen SL und Spielern, das ich so gar nicht erlebe.) Für manche Gruppen ist der fließende Wechsel zwischen einer Ebene innerhalb der Geschichte und der Meta-Ebene kein Problem, sogar erwünscht, in anderen wird der Wechsel dagegen als Bruch empfunden (seltsamerweise ist da das Würfeln an sich scheinbar weitgehend ausgenommen, das ist für die meisten noch kein Bruch - sondern erst das Reden über den Inhalt der gemeinsamen Fiktion als Fiktion, also z.B. die Frage: "Wie könnte es jetzt weitergehen?").
Jetzt gibt es einen typischen Probenablauf für Leute, die sich auf der Metaebene wohlfühlen, und der durch das PbtA-System (glaube ich, so gut kenne ich es nicht) auch relativ klar kodifiziert worden ist: Der Spieler erklärt, was sein SC erreichen will, die SL bietet offen die möglichen Konsequenzen für Erfolg und Fehlschlag dar, der Spieler entscheidet, ob er den Wurf macht ... und dann tritt eben die entsprechende Konsequenz ein.
Bei diesem Ablauf macht Würfeldrehen überhaupt keinen Sinn - man hat sich ja bereits vorher über die möglichen Konsequenzen verständigt, der Würfel ist nur dazu da, zwischen mehreren interessanten Alternativen zu entscheiden. Allerdings spricht dieser Ablauf in keiner Weise gegen Rulings, solange die vor dem Würfeln eingebracht werden, und auch nichts gegen die Goldene Regel: Auch bei diesem Ansatz kann die SL ja sagen: "Leute, die Reiterkampfregeln sind für diesen Fall einfach zu kompliziert, Würfel jetzt mal, wenn du unter deinem Reitwert bleibst, durchbohrst du ihn mit der Lanze, landest du darüber, dann wirft er sich rechtzeitig beiseite, und wenn du patzt, fällst du vom Pferd."

Wenn man dagegen keinen Bock auf die Metaebene hat, muss eine Probe anders stattfinden: Der Spieler erklärt seine Absicht, würfelt und behandelt sein Ergebnis dann als Eingabe in die "Black Box" SL, die anschließend das Ergebnis der Handlung ausspuckt. So muss der Spieler sich nicht mit der Meta-Ebene der Handlung (welche verschiedenen Konsequenzen sind hier denkbar/passend) auseinandersetzen und kann - abgesehen von dem kurzen Moment des Würfelns - so tun, als sei er der handelnde SC und die SL sei die Welt, die von seinem Handeln in nicht ganz berechenbarer Weise beeinflusst wird.
Hier muss die SL dann allein entscheiden, welche Interpretationen eines Würfelergebnisses für den Fortgang der Geschichte einen Sinn ergeben, und wenn ihr zu den Würfelergebnis partout nichts Vernünftiges einfallen will - tja, dann spricht eigentlich auch nichts gegen das Würfeldrehen.

Was macht das Spiel mit Wechsel auf die Meta-Ebene attraktiv? Für mich:
- Ich bin als SL vom "Perfektionszwang" entbunden
- Es ist m.E. attraktiv für Gruppen, in denen viele Leute Spielleitungs-Erfahrung und prinzipiell auch Spaß an der SL-Rolle haben, denn das Meta-Spiel ermöglicht es allen, immer wieder kurz in eine SL-Perspektive zu wechseln. Wie schon im anderen Thread gesagt: Ich sitze meistens mit Leuten am Tisch, die ich für ihre tollen, überraschenden Ideen schätze (nicht nur Handlungsideen für ihre SC, sondern Schauplatz- und Storyideen), und diese Ressource soll ich nicht anzapfen?
- Es spart Zeit beim Spielen. Wenn man sich auf der Meta-Ebene verständigt, ist es viel leichter, festzustellen, ob eine Szene jetzt noch für irgendjemanden interessant sind, wann der Zeitpunkt zum Würfeln gekommen ist und zu welchen Stakes. Man kriegt mehr Story pro Spielsitzung dabei raus.

Was die weitgehende Ausklammerung der Meta-Ebene auf Spielerseite attraktiv macht, kann ich tatsächlich nur abstrakt mutmaßen ... ich weiß zwar, dass ich irgendwie mal so gespielt habe, kann den Reiz daran aber nicht mehr empfinden. Meine trübe Erinnerung sagt mir, dass es dabei wohl tatsächlich um das Gefühl gehen muss, sich vollständig in einer anderen Welt zu bewegen und um die Herausforderung, seine Figur möglichst vollumfänglich zu verkörpern. Und es leuchtet mir durchaus ein, dass dabei der Außenblick störend ist, der einem aufgezwungen wird, wenn die SL plötzlich sagt: "So, dann klären wir jetzt mal, was die möglichen Ergebnisse deines Wurfes sind", oder schlimmer noch: "So, das Würfelergebnis geht jetzt ja gar nicht, sorry, das habe ich nicht bedacht. Lass uns mal zusammen überlegen, was jetzt ein guter Fortgang der Story ist." Wahrscheinlich wird hier ein gemeinsames Scheitern empfunden - die Rollenspielwelt ist plötzlich keine "echte" Welt mehr, in der die Ereignisse genau einen faktischen Verlauf nehmen und keinen anderen, sondern sie ist eine fiktive Welt, in unglaublich viele Entwicklungen bereits angedacht und sogar schon teilweise auserzählt nebeneinander stehen, und man sucht sich dann eine aus, macht also gedankliche Mini-Sprünge vor und zurück entlang verschiedener Parallelverläufe.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: bobibob bobsen am 22.08.2016 | 10:18
Zitat
@ Marzaan, Bobibob, Narr: Ihr solltet Euch dann vielleicht mal fragen, weshalb 40% der SL hier im Forum dennoch an den Würfeln drehen. Eure Antwort lautet implizit oder explizit: Idioten, die die Wahrheit nicht erkennen. Ich halte diesen Gedankengang für einen echten Bumerang und habe deshalb ein paar Gedanken entwickelt, die die Welt schlicht besser erklären.

Nö aus meiner Sicht: Glückspilze die in extrem homogenen Gruppen spielen. Ein Mitspieler reicht ja den das stört und schon bricht andauernd die Diskussion aus und ob das dann tatsächlich zu einer Zeitersparniss führt wiederspricht meinen Erfahrungen (siehe Würfeldrehen mit 17 Seiten und null Konsens). Die Wahrscheinlichkeit spricht einfach dagegen das eine 5 bis 6 köpfige Gruppe nur aus den der einen oder anderen Seite bestehen. Meine Gruppen bestehen alle aus Pro´s und Kontra`s. Die Würfeldreher sind meist liberaler und können sich oft eher damit abfinden das keine Würfel gedreht werden als umgekehrt.
Am schlimmsten finde ich aber wenn man vorher darüber spricht und die SL sich dann darüber hinweg setzt (für die gute Story). Das ist mir schon mehrfach passiert daher bin ich da gebranntes Kind.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Chiungalla am 22.08.2016 | 10:21
Das Problem ist doch ganz einfach.

Die Leute denken das ihr persönliche Einstellung auf überzeugenden Argumenten beruht.
Vielmehr hatten sie die Einstellung schon vor den Argumenten.
Und letztendlich entscheided die Einstellung darüber welche Argumente sie überzeugend finden.

Jeder von uns hat innerhalb und außerhalb des Hobbies Erfahrungen gemacht die seine emotionale Reaktion zu diesem Thema formen. Jeder hat eine Meinung dazu wie bindend Regeln sein sollten, weil uns Regeln im täglichen Leben begegnen. Der eine übertritt sie regelmäßig, der andere regt sich über diejenigen auf die sie täglich übertreten (weil er vielleicht mal Opfer einer solchen Übertretung war). Jeder hat eine Meinung zur Ehrlichkeit. Und je nachdem ob man gelogen hat oder belogen wurde, ob man von sich spontan ändernden Regeln profitiert hat oder sie einem geschadet haben, hat man an dieser Stelle halt eine andere Einstellung. Im Grunde reicht ein schlechter Spielleiter der die goldene Regel missbraucht um einen noch Jahre später zu beeinflussen. Genau so wie eine Serie von positiven Erfahrungen zu dem Thema die Einstellung beeinflusst.

Und genau deshalb kann man das nicht ausdiskutieren.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: 1of3 am 22.08.2016 | 10:25
Zitat
Vereinfacht gesagt: Lieber ein flüssiges Spiel mit goldener Regel als korrektes Vorgehen mit den entsprechenden Verzögerungen.

Als Knackpunkt erscheint mir dies: Wie behandelt man auftretende Regelprobleme am besten?

Soll man das Problem sofort ansprechen und eine ad-hoc-Regelung finden? Soll darüber diskutiert werden? Oder lieber erstmal stillschweigend handwedeln? Oder doch vorläufig die originale Regel verwenden?

So wie du schreibst, Wellentänzer, präferierst du bei auftretenden Problemen eine Form von stillschweigendem Handwedeln. Ich bin mir gar nicht sicher, was ich vorziehen würde. Als SL würde ich vermutlich das Problem ansprechen und Meinungen einholen. Aber wenn ich die entsprechende Regel nicht kenne...

Womöglich "befrüchten" viele Leute, die sich gegen eine "goldene Regel" aussprechen, dass mit der Akzeptanz dieser REGEL die Anwendung zum Normalfall wird, während sie eine entsprechende Notfallmaßnahme, Ausnahmebehandlung, Wie-auch-Immer womöglich akzeptieren würden.

Darauf deutet hin, dass gegen eine "goldene Regel" gern sinngemäß vorgebracht wird: "Warum sollten Autoren das in ihr Buch schreiben? Wenn uns was nicht gefällt, werden wir das zu ändern wissen. Glauben die vielleicht nicht daran, dass ihr eigenes Regelwerk funktional ist?" Für diejenigen, die solches äußern ist entsprechendes Vorgehen also außerhalb der Regeln.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: KhornedBeef am 22.08.2016 | 10:27
Das Problem ist doch ganz einfach.

Die Leute denken das ihr persönliche Einstellung auf überzeugenden Argumenten beruht.
Vielmehr hatten sie die Einstellung schon vor den Argumenten.
Und letztendlich entscheided die Einstellung darüber welche Argumente sie überzeugend finden.

Jeder von uns hat innerhalb und außerhalb des Hobbies Erfahrungen gemacht die seine emotionale Reaktion zu diesem Thema formen. Jeder hat eine Meinung dazu wie bindend Regeln sein sollten, weil uns Regeln im täglichen Leben begegnen. Der eine übertritt sie regelmäßig, der andere regt sich über diejenigen auf die sie täglich übertreten (weil er vielleicht mal Opfer einer solchen Übertretung war). Jeder hat eine Meinung zur Ehrlichkeit. Und je nachdem ob man gelogen hat oder belogen wurde, ob man von sich spontan ändernden Regeln profitiert hat oder sie einem geschadet haben, hat man an dieser Stelle halt eine andere Einstellung. Im Grunde reicht ein schlechter Spielleiter der die goldene Regel missbraucht um einen noch Jahre später zu beeinflussen. Genau so wie eine Serie von positiven Erfahrungen zu dem Thema die Einstellung beeinflusst.

Und genau deshalb kann man das nicht ausdiskutieren.
Das ist ein wunderbare empirische Ergänzung. Man kann sich natürlich trotzdem vorsichtig an eine Ausleuchtung der geronnenen jeweiligen Erfahrungswelten machen.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Maarzan am 22.08.2016 | 10:33
...

@ Marzaan, Bobibob, Narr: Ihr solltet Euch dann vielleicht mal fragen, weshalb 40% der SL hier im Forum dennoch an den Würfeln drehen. Eure Antwort lautet implizit oder explizit: Idioten, die die Wahrheit nicht erkennen. Ich halte diesen Gedankengang für einen echten Bumerang und habe deshalb ein paar Gedanken entwickelt, die die Welt schlicht besser erklären.

...

Aus meinem persönlichen Erfahrungsschatz:
a) Faulheit bzw. Unvermögen bei der Beherrschung des gewählten Systems. 
b) Einzelfehler, die kaschiert werden sollen ohne dass dies wer merkt.
c) Überbordene Überzeugtheit des Primat des von ihnen bevorzugten künstlerischen Idealbilds.
d) Angelernte Gewohnheit und eine rein am oberflächlichen Ergebnis orientierte aus Vorgängerrunden oder Medienvorbildern gewonnene Vermutung, dass das eben das ist, was erwartet wird, sei es "Spannung" oder "Herausforderung".
e) teilweise etwas ungenaue/unübereinstimmende Definition von "Würfeldrehen" hier.

Zur SOD:
Regeln und Vorbeschriebungen sind ein entsprechende Werkzeug zum Abgleich der Vorstellungswelten und erauben es außerdem den Beteiligten Vorstellungen und Überlegungen zu treffen, ohne für jedes Detail beim Spielleiter nach zu fragen.
Wenn diese Vorgaben nicht mehr gelten hängen die Beteiligten plötzlich im leeren Raum und komplett am Tropf der ihnen so nicht einsichtigen Spielleitervorstellungen. Also mündet das aus Spielersicht in der Notwendigkeit jedes Detail entsprechend präzise nach zu fragen und den Spielleiter somit effektiv zu einer Voraussage ähnlich dem zu zwingen, was ein Regelwerk bieten würde oder eben in der Hinsicht aufzugeben und mehr oder weniger sich auf eine passive, nicht mehr tiefergreifend selber denkende Rolle zu beschränken (weil dafür fehlt die entsprechende Informationsbasis). Wer natürlich nie etwas anderes gewohnt ist und eine Vorstellung der anderswo möglichen Optionen gewonnen hat oder wem die dazu notwenige Arbeit im Vergleich zu der durch sie gebotenen Freiheit zu hoch ist, der fährt mit Illusionismus natürlich auch als Spieler zufriedenstellend.
Aus Spielleitersicht ist das umgekehrt hingegen plötzlich ganz einfach (außer jemand beginnt tatsächlich penetrant nach zu fragen): Es gibt keine zu berücksichtigenden Nebenkompetenzen mehr und man hat quasi völlige Kontrolle über alle Ausprägungen und Einflussfaktoren.

Wenn man z.B. nur mal in ein Spiel reinschnuppern will, macht man sich ja auch üblicherweise nicht die Arbeit oder hat gar nicht die Möglichkeit sich in alles rein zu lesen. Das ist dann einfach eine Frage des Aufwands. Aber wenn man dabei und das näher erkunden bleiben will, sieht das schon ganz anders aus.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: YY am 22.08.2016 | 10:39
- Wieso verlangt der Spielleiter überhaupt Proben, bei denen er nicht bereit ist die Konsequenz zu tragen, wenn 99% der Spiele ohnehin es dem Spielleiter auferlegen zu entscheiden, ob er überhaupt eine Probe verlangt?
- Und wenn er verlangt, wieso legt er eine mögliche Konsequenz fest (den Tod des SC), die er nicht bereit zu tragen ist?

A thousand times this.

Zu meinen DSA-Zeiten habe ich das oft erlebt, dass die Würfel bzw. die Forderung nach einem Wurf schneller war(en) als der Kopf.
Wer als SL erst mal würfeln lässt und dann überlegt, der muss sich an dieser Stelle öfter mal revidieren, aus genau den zwei zitierten Faktoren.

Das passiert natürlich meistens aus der Situation heraus, aber mit kurzem Nachdenken im Vorfeld hätte man damit einen Großteil der Situationen entschärft, die ein Würfeldrehen "verlangen" - sofern es da wirklich an einem einzelnen Wurf hängt.

Mit Reihen von Würfen ist es immer noch ähnlich. Auch da ließe sich im Vorfeld noch durch eher kleinere Eingriffe korrigieren, aber wenn man das zu lange laufen lässt, hängt es am Ende der Ereigniskette doch wieder an einem einzelnen Wurf, dessen Ergebnis man ignorieren oder massiv abändern muss. Daher auch der Gedanke von "es soll ja keiner wegen einem einzigen schlechten Wurf sterben". Obwohl das wie schon angesprochen kein einzelner Wurf ist, auch wenn man es so wahrnimmt.

Kleiner Sonderfall hierbei:
Der SL versucht es möglichst spannend zu machen und lässt bewusst laufen bis kurz vor den Punkt, wo die SCs endgültig scheitern.
Dann passiert es mit steigender Abenteuerzahl natürlich zwangsweise, dass man ab und zu drehen muss.

Und an der Stelle gibt es die einen Spieler, denen die Illusion von Spannung reicht und andere, die sich dann um ihre Spannung betrogen fühlen und lieber komplett "ungedrehte" Aktionen hätten, die dann eben nicht jedes Mal super knapp ausgehen, sondern auch einfach mal problemlos laufen. Dafür sind auftretende Probleme dann garantiert echte Probleme.

Die goldene Regel ist extrem explizit nicht Teil dieser Prinzipien. Diese Sichtweise hat sich sehr weit verbreitet und gilt im Tanelorn eigentlich als Konsens. Nicht erklärlich bleiben jedoch diejenigen Gruppen, die sich trotz kompetenter, motivierter Beteiligter wieder abgewandt haben von der reinen Lehre. Mittlerweile geben tatsächlich wieder 40% der Leute an, dass sie als SL an Würfeln drehen.

Ich führe das zum allergrößten Teil auf die (bisweilen auch eher unbewusste) Absicht zurück, eine spannende und gute Geschichte zu erzählen (also Maarzans Punkte c und d).
Das ist natürlich ziemlich Geschmackssache, aber solange SL und Spieler da halbwegs auf einer Linie liegen, ist das relativ unproblematisch.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Chruschtschow am 22.08.2016 | 10:43
@Marzaan:
Du gehst davon aus, dass Spieler nur aus Unvermögen oder Faulheit eine Auseinandersetzung mit dem System meiden. Das ist eine Fehlannahme. Manche Spieler möchten eben, dass für ein mögichst immersives Spielerlebnis die "Spiel-Engine" möglichst verdeckt läuft. Und dann wird der Spielleiter eben nicht nur als Moderator zwischen Weltensimulation und Spielern oder als Moderator zwischen den verschiedenen Spielern benötigt, sondern greift selbst als "Geschichtenerzähler" mit umfassenden Rechten ein. Ich kenne genug Spieler, die das wollen und auch so oder so ähnlich formuliert haben.

Das ist nicht jedermanns Sache, meine auch nicht (mehr). Allerdings ist die Vehemenz, mit der du da drauf prügelst auch kaum zu rechtfertigen.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Der Nârr am 22.08.2016 | 10:50
@ Marzaan, Bobibob, Narr: Ihr solltet Euch dann vielleicht mal fragen, weshalb 40% der SL hier im Forum dennoch an den Würfeln drehen. Eure Antwort lautet implizit oder explizit: Idioten, die die Wahrheit nicht erkennen. Ich halte diesen Gedankengang für einen echten Bumerang und habe deshalb ein paar Gedanken entwickelt, die die Welt schlicht besser erklären.
Naja, ich habe ja über mich geschrieben und auch geschrieben, dass ich viele Fragen dazu habe, die mir beantwortet werden müssten. Wer in meiner Runde würfeldrehen will oder möchte, dass ich als SL würfeldrehe, muss mir halt diese Fragen beantworten können - das kann aber leider meist niemand. Runden, die Würfeldrehen und damit zufrieden sind, kann es ruhig geben und ich glaube auch, dass die Spaß damit haben können - als Idioten würde ich sie niemals bezeichnen. Durchaus würde ich aber von unterschiedlicher Kompetenz im Spielen sprechen. So wie es Leute gibt, die besser (oder anders) Fußball spielen können oder Schach oder Call of Duty gibt es auch Leute, die besser (oder anders) Rollenspiel spielen können. Das ist aber etwas völlig anderes als die Frage, ob es Spaß macht und wer jemanden als Idiot oder Arschloch bezeichnet, weil jemand weniger gut spielt (oder besser: anders spielt), der hat den Schuss nicht gehört. Rollenspiel ist auch keine Religion und man muss Andersspielende nicht zu Häretikern erklären.

Spieler haben ja auch sehr unterschiedliche Spaßquellen. Ich würde jemanden nicht als Idioten bezeichnen, nur weil er eine andere Spaßquelle hat. Daher sehe ich mich da nicht von einem Bumerang getroffen. Dass die Andersspielenden Arschlöcher und Idioten sind, hast ja du geschrieben und ich sehe das ehrlich nicht in meinem Post :).

Ferner ändern sich meine Überzeugungen ständig. Auch wenn ich keine Würfel drehe, spiele ich sicher alles andere als reines Abenteuerrollenspiel oder so. Ich verwende z.B. auch elementare Ideen von methodischem Spielleiten und kombiniere gerade eine Sandbox mit vielen Simulations-Elementen mit ganz starken Anklängen von Illusionismus (oder Many Ways to Rome oder so). Da würden sich Hardcore-ARS'ler auch schwer mit tun, für mich ist es effizientes Spielleiten (z.B. zeitsparendere Vorbereitung). In einem Jahr spiele ich vielleicht wieder ganz anders. Bald leite ich auch eine zweite Kampagne parallel, die ich wiederum auch anders leiten werde und die eher geführt-storylastig wird - ergebnisoffen in den einzelnen Abenteuern, aber von Abenteuer zu Abenteuer mit starkem roten Faden. Aber den Schuh, in einer einzelnen Situation über den richtigen Ausgang entscheiden zu müssen um über das Wohl der Story zu bestimmen, den ziehe ich mir echt nicht gerne an und ich glaube das ist etwas, was bei mir über die kommenden Jahre noch stabil sein wird :).

Was ich also z.B. tatsächlich für obsolet halte sind bestimmte Spielstile als Kategorien aufzubauen. Das können immer nur Idealtypen sein, dass heißt es gibt eigentlich ein breites Kontinuum und aus der Beobachter-Perspektive kann man eher nur davon sprechen, dass jemand mehr ARS ist oder weniger Storyteller.

Jedenfalls hatte ich gehofft, du oder jemand anderes könnte noch mal in anderen Worten erklären, wo vom SoD und Tolkien der Sprung zu Würfeldrehen steckt. Ich sehe da wirklich den entscheidenen Punkt und den notwendigen Gang der Argumente. Wenn ich z.B. mit SoD Probleme bei einem Gonzo-Spiel habe, würde ich dann im Gonzo-Spiel öfter oder weniger oft Würfeldrehen oder was?
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: KhornedBeef am 22.08.2016 | 10:57
@Der Narr: In Anlehung an eine schöne Forensignatur hier: Jemandem zu erklären warum er schlechter fantasiespielt als du, ist, als würdest du deinem besten Freund erklären, warum genau seine Freundin hässlich ist: Du hast vielleicht deine Gründe, vielleicht hast du sogar recht, aber am Ende bist du halt trotzdem ein Arsch :). Will sagen, damit verbrennst du völlig klar jede Diskussion.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Lord Verminaard am 22.08.2016 | 10:57
Suspension of Disbelief ist übrigens, soweit ich das mitbekommen habe, etwas, womit sich schon intensiv beschäftigt wird, nur halt nicht bei den Forgern. Für die Skandinavier oder auch Azundris war der Begriff wohl sehr zentral, aber da bin ich der falsche, um da sinnvoll was zu verlinken. Der Begriff scheint nützlicher als "Immersion", aber letztendlich ebenso wenig messbar wie etwa dieses Authentizitätsgefühl, das die Hardcore-OSR-Sandboxer für sich reklamieren, wenn sie gnadenlos simulativ spielen und dafür mit Antiklimax oder TPK "belohnt" werden.

Ich persönlich habe diese behauptete Gegensätzlichkeit von Meta-Ebene und SoD nie nachvollziehen können. Wenn die SoD leidet, dann nach meinem Empfinden nicht deshalb, weil es eine Meta-Ebene gibt, sondern weil ein Mitspieler auf dieser Meta-Ebene etwas tut, das die SoD stört, also in einer Weise in die Fiktion eingreift, die sich nicht "richtig" anfühlt. Denn, Überraschung, beim Spiel ohne explizite Regeln für die Meta-Ebene gibt es ja auch eine Meta-Ebene, nur wird diese typischer Weise allein beim SL angesiedelt. Und der SL-Burnout aufgrund dieser "Allzuständigkeit" war es ja auch, der die Leute ursprünglich mal losgehen und diese "Storygames" im weitesten Sinne schreiben ließ.

Wenn jetzt also die Meta-Ebene beim SL hängt, dann gibt es für den Spieler zwei Möglichkeiten: Entweder, er spielt einfach drauflos und schert sich nicht um die Meta-Ebene und macht den Method Actor. Der SL soll dann also aus dem, was die SoD-immersierenden Egomanen am Spieltisch hinspielen, auf magische Weise eine dramatische Handlung spinnen und auch noch aufpassen, dass keiner der Spieler aus der Geschichte heraus geschrieben wird. Und um das überhaupt schaffen zu können, ist Würfeldrehen noch der kleinste Trick, dessen er sich bedienen muss. Es ist halt ein echter Scheißjob für den SL, weil die Spieler gegen ihn arbeiten. Das ist, nach Forge, das Impossible Thing Before Breakfast (oder jedenfalls nah genug dran).

Oder der Spieler spielt nicht einfach drauflos, sondern versucht eben, dem SL zu helfen. Das ist, nach Forge, Parcipationism. Jetzt arbeiten aber doch wieder alle auf der Meta-Ebene, nur dass sie sich das Leben schwer machen, weil sie es ja nicht sagen dürfen. Weil das angeblich schlecht für die SoD ist. Wo ich dann komme und sage, es wäre doch viel einfacher, mal kurz OT anzusagen, worauf man eigentlich hinaus will, dann kann man sich das Ratespielchen sparen und sich wieder der Fiktion widmen, das macht doch SoD viel einfacher. Geht jedenfalls mir so. Ob man dafür jetzt groß Forge-mäßige Meta-Regeln braucht, ich jetzt eher nicht, aber das steht ja auf einem anderen Blatt.

Würfel drehen muss man ja nur dann, wenn man tricksen will, ohne dass die anderen es merken, ob nun zum Wohle der SoD oder was auch immer. Das war vielleicht irgendwann mal effektiv, aber so erfahren, wie wir alle inzwischen nun sind, ist das doch eher etwas albern, zu denken, dass man damit wirklich noch jemanden an der Nase rumführen kann. Dann kann doch genauso gut sagen, das würfel ich jetzt gar nicht erst, weil ich ein bestimmtes Ergebnis haben möchte.  Oder?
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Maarzan am 22.08.2016 | 10:58
@Marzaan:
Du gehst davon aus, dass Spieler nur aus Unvermögen oder Faulheit eine Auseinandersetzung mit dem System meiden. Das ist eine Fehlannahme. Manche Spieler möchten eben, dass für ein mögichst immersives Spielerlebnis die "Spiel-Engine" möglichst verdeckt läuft. Und dann wird der Spielleiter eben nicht nur als Moderator zwischen Weltensimulation und Spielern oder als Moderator zwischen den verschiedenen Spielern benötigt, sondern greift selbst als "Geschichtenerzähler" mit umfassenden Rechten ein. Ich kenne genug Spieler, die das wollen und auch so oder so ähnlich formuliert haben.

Das ist nicht jedermanns Sache, meine auch nicht (mehr). Allerdings ist die Vehemenz, mit der du da drauf prügelst auch kaum zu rechtfertigen.

Meine Punkte bezogen sich auf die Spielleitermotivation. Dein Einwurf bezgl. dem Spieler wäre unter dem SOD-Teil zu finden.

Bezgl. Metaebene und SOD.

Für eine entsprechende SOD bei aktiven Verhalten gehört auch ein enstprechendes Verständnis des SIS und Konsistenz desselben. Das funbktioniertnicht bei reinem SL-Fokus.

Dazu sehe ich es als grundlegenden Fehler anzunehmen, das jemand mit einem Immersionsfokus gesteigerten Wert auf Drama oder Spannung legt. Da gehen meines Erachtens die enstprechenden Spielleitermambitionen durch, die auf die Spieler projeziert werden.

Zumindest für meine Immersion ist auch nicht das komplette Ignorieren der Metaebene notwendig, sondern die strikte Trennung während des eigentlichen Spiels - und das heißt primär während der Entscheidungsfindung für den Charakter. Dies führt dann zu einem entsprechend hohen Aufwand vor dem Spiel und ggf zwischen Episoden, aber während der Handlung tut Meta entsprechend weh.
Komplexe Regeln wiederum stehen dem solange das irgendwo settingsnah bleibt nicht entgegen. Mit der enstprechenden Übung wird das quasi nebenbei mit übersetzt und erlaubt so erst ein gesteigertes Gefühl von "Verstehen" der Welt. Enstprechend wieder der Bruch, wenn plötzlich etwas nach den Regeln so Erwartetes nicht funktioniert und massive Enttäuschung, wenn klar wird, dass es dafür dann keine befriedigende innere Erklärung gibt.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Greifenklause am 22.08.2016 | 11:12
Das Problem ist doch ganz einfach.

Die Leute denken das ihr persönliche Einstellung auf überzeugenden Argumenten beruht.
Vielmehr hatten sie die Einstellung schon vor den Argumenten.
Und letztendlich entscheided die Einstellung darüber welche Argumente sie überzeugend finden.

Jeder von uns hat innerhalb und außerhalb des Hobbies Erfahrungen gemacht die seine emotionale Reaktion zu diesem Thema formen. Jeder hat eine Meinung dazu wie bindend Regeln sein sollten, weil uns Regeln im täglichen Leben begegnen. Der eine übertritt sie regelmäßig, der andere regt sich über diejenigen auf die sie täglich übertreten (weil er vielleicht mal Opfer einer solchen Übertretung war). Jeder hat eine Meinung zur Ehrlichkeit. Und je nachdem ob man gelogen hat oder belogen wurde, ob man von sich spontan ändernden Regeln profitiert hat oder sie einem geschadet haben, hat man an dieser Stelle halt eine andere Einstellung. Im Grunde reicht ein schlechter Spielleiter der die goldene Regel missbraucht um einen noch Jahre später zu beeinflussen. Genau so wie eine Serie von positiven Erfahrungen zu dem Thema die Einstellung beeinflusst.

Und genau deshalb kann man das nicht ausdiskutieren.

Wobei ich hier betonen möchte, dass die Einstellung zu Regeln in der Realität und die Einstellung zu Regeln im Rollenspiel gänzlich andere sein können, insbesondere hinsichtlich ihrer Wichtung.

Aus deinem Post könnte man stark übertrieben schließen: "Wer gerne lügt, der dreht auch gerne Würfel!", was sicher nicht beabsichtigt war.
Ich beispielsweise drehe eher der Harmonie (im weitesten Sinne wegen). Wieder andere aus anderen Gründen.

Aber deine anderen Kernaussagen fand ich sehr schön!
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Blechpirat am 22.08.2016 | 11:17
Was macht das Spiel mit Wechsel auf die Meta-Ebene attraktiv? Für mich:
- Es spart Zeit beim Spielen. Wenn man sich auf der Meta-Ebene verständigt, ist es viel leichter, festzustellen, ob eine Szene jetzt noch für irgendjemanden interessant sind, wann der Zeitpunkt zum Würfeln gekommen ist und zu welchen Stakes. Man kriegt mehr Story pro Spielsitzung dabei raus.

Das ist etwas, was ich zwar beobachtet, aber nicht erkannt habe. Vielen Dank!
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: KhornedBeef am 22.08.2016 | 11:18
Wobei ich hier betonen möchte, dass die Einstellung zu Regeln in der Realität und die Einstellung zu Regeln im Rollenspiel gänzlich andere sein können, insbesondere hinsichtlich ihrer Wichtung.

Aus deinem Post könnte man stark übertrieben schließen: "Wer gerne lügt, der dreht auch gerne Würfel!", was sicher nicht beabsichtigt war.
Ich beispielsweise drehe eher der Harmonie (im weitesten Sinne wegen). Wieder andere aus anderen Gründen.

Aber deine anderen Kernaussagen fand ich sehr schön!
Manche Leute lügen gerne aus Harmoniegrunden, wie man hört :) es geht ja am Ende um die Gewichtung bestimmter Werte, Ethik und so. Muss man nicht 1-zu-1 übersetzen, aber das man seine gemachten Erfahrung durch eine Vorstellung der Welt erklärt haben möchte und dass auf andere überträgt ist ja tatsächlich normal.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Der Nârr am 22.08.2016 | 11:27
Ich lüge im privaten Umfeld, würde aber keine Würfel drehen!
Würfel drehen muss man ja nur dann, wenn man tricksen will, ohne dass die anderen es merken, ob nun zum Wohle der SoD oder was auch immer. Das war vielleicht irgendwann mal effektiv, aber so erfahren, wie wir alle inzwischen nun sind, ist das doch eher etwas albern, zu denken, dass man damit wirklich noch jemanden an der Nase rumführen kann. Dann kann doch genauso gut sagen, das würfel ich jetzt gar nicht erst, weil ich ein bestimmtes Ergebnis haben möchte.  Oder?
Wenn ich es richtig verstehe, geht es ja um die goldene Regel im Allgemeinen und die bezieht sich nicht nur auf das Würfel drehen.

Ich würde sogar sagen dass es Spieler gibt, die felsenfest verneinen würden, dass die goldene Regel das Drehen von Würfeln erlaubt :).
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Chiungalla am 22.08.2016 | 11:32
Aus deinem Post könnte man stark übertrieben schließen: "Wer gerne lügt, der dreht auch gerne Würfel!", was sicher nicht beabsichtigt war. Ich beispielsweise drehe eher der Harmonie (im weitesten Sinne wegen).

Und was glaubst Du ist der häufigste Grund aus dem Menschen lügen? Hinweis siehe oben.
Wir finden dann nur Synonyme und Erklärungen die es uns und anderen leichter machen die Tatsache zu ignorieren, dass wir Lügner sind.

Nein, er hat nicht gelogen. Er hat nur die Würfel gedreht. Er hat gesagt das er eine 6 gewürfelt hat während in Wahrheit eine 20 hinterm Spielleiterschirm lag... ähm... aber er hat nicht gelogen.  8)
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: KhornedBeef am 22.08.2016 | 11:35
Ich lüge im privaten Umfeld, würde aber keine Würfel drehen!
Und wie soll ich den Rest jetzt glauben hier???  ;)
Zitat
Wenn ich es richtig verstehe, geht es ja um die goldene Regel im Allgemeinen und die bezieht sich nicht nur auf das Würfel drehen.

Ich würde sogar sagen dass es Spieler gibt, die felsenfest verneinen würden, dass die goldene Regel das Drehen von Würfeln erlaubt :).
Siehe meine Überlegung mit Rumpel im anderen Thread: Für manche Spieler sind die Würfel eher teil der fiktiven Spielrealität als der unseren, daher nicht davon betroffen!
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Greifenklause am 22.08.2016 | 11:45
@KhornedBeef
Eher nein. Wenn ich drehe, tue ich das bewusst, um einen von drei Fällen zu erreichen
1) SC retten (selten nötig)
2) Plot retten (selten nötig)
3) Spannung/Dramaturgie/Suspension of Belief in exakt diesem Moment zu unterstützen (der häufigste Fall)

Ersteres tu ich aus Harmoniegründen, zweites tat ich aus fetischistischen Gründen und mache es heute nur noch selten, weil es der "Harmonie" eher widerspricht. Drittes tu ich aus meinem Kernansprach heraus, den Spielern eine (in deren Augen) gute Story zu liefern.
Gerade bei 3 ist mein Anspruch so diametral von einem Lügen in Realitas entfernt, jedenfalls was den moralischen Vektor betrifft, dass ich die nur mit Kopfschmerz unter einen Hut bekäme.
Die Frage ergibt sich bei mir bei 3 auch nicht. Ist es doch MEINE* Aufgabe, eine gute Story zu liefern. Und dem ordne ich fast alles andere unter.
Vielleicht ist mein Eingang aber auch zu manchen anderen Konzepten so grundverschieden, und es fällt mir deshalb so schwer so anders zu definieren...

(* Andere Spielleiter sehen für sich andere Aufgaben, auch ok!)

@ Chiungalla
Danke, so verstehe ich dich schon besser.
Kann aber auch immer noch nicht ganz folgen.
S.o.
Ich lüge nicht, ich erzähle eine Geschichte.
Diese Geschichte erzähle ich mal mit Würfeln, mal ohne = beides Standard in fast jedem Rollenspiel.
Mal erzähle ich sie aber auch mit Würfeln und dann plötzlich doch ohne oder entscheide mich kurzfristig um = Würfeldrehen und andere Varianten.

So klarer, wie ich empfinde?

(Und jetzt bitte nicht streiten, wieviel Anteil Spieler am Geschichten erzählen haben oder haben sollten, das verfälscht meine Aussage ja nicht)
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: am 22.08.2016 | 11:58
@ all: Bitte denkt daran, dass es in diesem Thread NICHT um Definitionsfragen gehen soll und auch NICHT um die Berechtigung oder qualitative Beurteilung der Anwendung der goldenen Regel. Ich möchte in diesem Thread gerne erfahren, ob Ihr Euch ebenfalls vorstellen könnt, dass die große Bandbreite von Meinungen zur goldenen Regel eng mit der Suspension of Disbelief zusammenhängt. Ich hatte explizit drei Ansichten unterschieden.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Pyromancer am 22.08.2016 | 12:47
Eher nein. Wenn ich drehe, tue ich das bewusst, um einen von drei Fällen zu erreichen
[...]
3) Spannung/Dramaturgie/Suspension of Belief in exakt diesem Moment zu unterstützen (der häufigste Fall)

Meiner Erfahrung nach ist Würfel drehen der Spannung gerade abträglich. Das war schon "damals" so, als ich gerade mit dem Rollenspiel angefangen hatte, und die SL natürlich hinter seinem Schirm gewürfelt und gedreht hat: Die richtig spannenden Momente waren da die (sehr seltenen) SC-gegen-SC-Aktionen, weil die Spieler natürlich offen gewürfelt haben, und am Ergebnis eben nicht gedreht werden konnte.

Im normalen Abenteuerverlauf war die Spannung eher auf Kinderfilm-Niveau: Es wurde schon ein bisschen spannend, aber jedem war klar, dass die SCs überleben und nichts allzu schlimmes passieren wird, weil die SL das hinter dem Schirm schon hindreht.

Nervenzerfetzende Spannungs-Momente, in denen jeder auf der Stuhlkante sitzt und atemlos mitfiebert habe ich in Würfeldreher-Runden nicht ein einziges Mal erlebt.

Ähnlich ist es mit der SoD: Wenn die SL offen würfelt, und es fällt ein Extrem-Ergebnis, dann kann ich das problemlos akzeptieren. Wenn die Würfeldreher-SL hinter dem Schirm würfelt und dann erzählt: "Ja, da hat er halt die 100 gewürfelt, und deshalb passiert jetzt...", dann ist das für mich immer seltsam (mir fällt gerade kein besseres Wort ein).
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Greifenklause am 22.08.2016 | 13:07
@ Pyromancer
Meine "Ur-Erfahrungen" sind gar nicht mal so verschieden von deinen.

Sehr wohl sind aber meine Erfahrungen der letzten Jahre diametral andere. Wir haben das Instrument nur verfeinert, statt abgeschafft.
Es waren tierisch spannende Abenteuer dabei.
Wenn aber ein SL ein Abenteuer verkorkst hatte, lag es nie an der "Nachkorrektur". In manchen Fällen hätte die aber auch nichts mehr retten können.

Und Spannung generiere ich weder als SL noch als Spieler aus Heldentod. Im Gegenteil. Was ich aber spannender finde, wesentlich spannender, sind Verletzungen, Schmerz, Sichaufräppeln.

"Der Tod nützt mir nichts". Dennoch haben wir eine Restangst. Das mögt ihr als paradox ansehen, aber es ist so.
Vielleicht liegt es gerade daran, dass  nicht jeder -wechselnde SL- exakt die gleichen Maßstäbe anlegt.
Komisch, macht trotzdem Spaß...

Andere haben da lieber mehr Ähnlichkeit. Ich bezweifel nur, dass das durch schlichtes "Nicht Würfel drehen" oder andere Mittel möglich sei.
Gebe aber offen zu, dass wenn ich Angst vor starker Unähnlichkeit im Leiten auch erst alle Hausregeln wegkürzen würde. Die weniger berechenbaren zuerst.

Und auch die Quote von "Wellentänzers Typen" spielen da eine starke Rolle, die einem ehr zum einen oder anderen tendieren lassen, sei es aus Zwang, Vorsicht oder Spaß oderoderoder

Was ich extrem faszinierend finde, ist aber sich über Spielertypen und "warum verstehen sich Veteran A und B nicht?" überhaupt mal Gedanken zu machen.

TOP!
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Chiungalla am 22.08.2016 | 13:23
Ich lüge nicht, ich erzähle eine Geschichte.

Das widerspricht sich nicht. Geschichte erzählen klingt nur viel positiver als lügen. Siehe Synonyme in meinem letzten Beitrag.

Im Idealfall bekommst Du von Deiner Gruppe ein Mandat um zu lügen: "Dreh die Würfel, brech die Regeln, aber erzähl uns nichts davon, damit wir eine spannende Geschichte erleben können und die Suspension of disbelieve hält."

Das löst dann das ethische Problem das normalerweise mit Lügen einher geht. Dann ist Lügen am Spieltisch nicht problematischer als Lügen am Poker-Tisch. Aber es ist immer noch eine Lüge. Und Lügen am Pokertisch haben auch schon die eine oder andere Beziehung nachhaltig belastet.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Erg am 22.08.2016 | 13:29
Zunächst:

...
Ähnlich ist es mit der SoD: Wenn die SL offen würfelt, und es fällt ein Extrem-Ergebnis, dann kann ich das problemlos akzeptieren. Wenn die Würfeldreher-SL hinter dem Schirm würfelt und dann erzählt: "Ja, da hat er halt die 100 gewürfelt, und deshalb passiert jetzt...", dann ist das für mich immer seltsam (mir fällt gerade kein besseres Wort ein).

Das kann man beheben, indem man Extremergebnisse (besonders solche zuungunsten der Spieler) nachträglich "veröffentlicht" (es drehen vermutlich nur Wenige tatsächlich die Würfel auf eine bestimmte Zahl, wenn sie "Würfel drehen"). In meiner "Hausgruppe" ist das üblich.

Zum Eigentlichen: SoD spielt bei der Frage nach der "goldenen Regel" meiner Meinung nach eine große Rolle: Zum einen ist mir das Ausdiskutieren von Spielweltereignissen viel zu "Meta", das beißt sich ganz extrem mit meinem präferierten Spilstil. Zum anderen sollen die Spielweltereignisse (zumindest in der Rückschau) plausibel erscheinen, was der reine Zufall/die reine Regelanwendung u.U. nicht liefert. Deshalb brauche ich einen SL, der die Kannten glättet (indem er Plausibilität nachträglich herstellt oder das Unplausible gleich wegläßt/ersetzt). Das widerspricht auch nicht einer eher simulationistischen Herangehensweise (eher im Gegenteil), denn ich kenne kein System, dessen Regeln immer zu plausiblen Ergebnissen führen.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Sethomancer am 22.08.2016 | 13:29
Ich denke mal die Einstellung zur goldenen Regel ist auch stark abhänig davon in welcher Rolle man den Spielleiter sieht.

Manche Gruppen fühlen sich halt wohler mit einem authoritärem SL der es ihnen erlaubt, die Welt ganz aus den Augen ihrer CHaraktere zu sehen, und ihen netterweise die ganze Metaproblematik abnimmt. Diese Spieler haben wahrscheinlich kein Problem mit der goldenen Regel (wahrscheinlich intressiert es sie nichtmal).

Dann gibt es die Gruppen die lieber einen kooperativen SL habe, der allen erlaubt sich fröhlich auf der Metaebene mitzutummeln und eher den Moderator und Mediator mimmt. Diese Spieler wollen und brauchen keine goldene Regel (für den SL), weil dort sämtliche Probleme im Plenum gelöst werden.

Dann gibt es die Gruppen, die den SL als Verwalter eines simulatorischen Systems sehen. Da dort der SL eher ein Schiedsrichter ist dem die (letzte) Interpretation der Regeln obliegt wird dort die goldene Regel vollkommen abgelehnt.

Natürlich sind die meisten Gruppen irgendwas dazwischen, vor allem wenn man (wie häufig erlebt) Spieler mit verschiedenen Ansätzen in der selben Gruppe hat.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Greifenklause am 22.08.2016 | 13:30
...
Im Idealfall bekommst Du von Deiner Gruppe ein Mandat um zu lügen: "Dreh die Würfel, brech die Regeln, aber erzähl uns nichts davon, damit wir eine spannende Geschichte erleben können und die Suspension of disbelieve hält."

...

Mit dieser Definition kann ich leben. Finde "lügen" nur zu negativ konnotiert.
"Illusion" passt vielleicht besser.
Auf der anderen Seite schaffen alle SL eine "Illusion".
Wir verwenden nur unterschiedliche Werkzeuge.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Pyromancer am 22.08.2016 | 13:32
@ Pyromancer
Meine "Ur-Erfahrungen" sind gar nicht mal so verschieden von deinen.

Sehr wohl sind aber meine Erfahrungen der letzten Jahre diametral andere. Wir haben das Instrument nur verfeinert, statt abgeschafft.
Es waren tierisch spannende Abenteuer dabei.
Wenn aber ein SL ein Abenteuer verkorkst hatte, lag es nie an der "Nachkorrektur". In manchen Fällen hätte die aber auch nichts mehr retten können.

Und Spannung generiere ich weder als SL noch als Spieler aus Heldentod. Im Gegenteil. Was ich aber spannender finde, wesentlich spannender, sind Verletzungen, Schmerz, Sichaufräppeln.

Ich fände es unheimlich hilfreich, wenn du (an anderer Stelle, nicht hier! Am besten in einem extra Thread im Spielleiter-Bereich) mal im Detail beschreibst und erklärst, wie du das Werkzeug "Würfeldrehen" effektiv einsetzt - am besten mit konkreten Beispielen vom Spieltisch.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: KhornedBeef am 22.08.2016 | 13:32
Ich bei Chiungallas Post innerlich: "Vorsicht, Chiungalle, das Eis da sieht dün-"
*krackksplooosh*

Jep, ich sehe eine "Lügen-Diskussion" kommen...

Edit:
Bei Grabthars hammer, bei den Sonnen von Worvan, du sollst gerächt in die SC geschoben werden!
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Forlorn am 22.08.2016 | 13:32
Mit dieser Definition kann ich leben. Finde "lügen" nur zu negativ konnotiert.
"Illusion" passt vielleicht besser.
Auf der anderen Seite schaffen alle SL eine "Illusion".
Wir verwenden nur unterschiedliche Werkzeuge.

Ja, nach der "Lügendefinition", lügt uns auch jeder Autor, jeder Regisseur und jeder Spieleentwickler die Hucke voll, weil er eine Geschichte erzählt, die so nicht passiert ist.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Greifenklause am 22.08.2016 | 13:35
ne, lasst mal: Ich hab ja Chiungallas "Lügen"-Definition schon irgendwie geschluckt.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Greifenklause am 22.08.2016 | 13:39
Ich fände es unheimlich hilfreich, wenn du (an anderer Stelle, nicht hier! Am besten in einem extra Thread im Spielleiter-Bereich) mal im Detail beschreibst und erklärst, wie du das Werkzeug "Würfeldrehen" effektiv einsetzt - am besten mit konkreten Beispielen vom Spieltisch.
Gerne!

Was rein subjektives wie "Würfeldrehen nach Trollstime"? oder lieber "Wann dreht ihr Würfel?"
(Einen "Rant" werde ich aus naheliegenden Gründen nicht starten und einen "Habmichlieb"-Thread ebenfalls nicht.)
Dann können wir hier und drüben etwas entschlacken.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Wellentänzer am 22.08.2016 | 13:42
Würdet Ihr Euch wohl an den OP halten, meine erste diesbezügliche Bitte nicht ignorieren und Euch fortan inhaltlich wieder mit dem eigentlichen Thema des Threads befassen? Danke!
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Pyromancer am 22.08.2016 | 13:45
Gerne!

Was rein subjektives wie "Würfeldrehen nach Trollstime"? oder lieber "Wann dreht ihr Würfel?"

Mir wäre eine rein subjektive, aus deiner Praxis gespeiste Herangehensweise am liebsten!
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Yney am 22.08.2016 | 15:40
Wellentänzer, ich habe den Eingangstext von dir mit Genuss gelesen
Zitat
Mit dem skizzierten Gedankengang kann ich nun viele hitzige Onlinediskussionen und das bisweilen existierende, gegenseitige Unverständnis besser nachvollziehen. Vielleicht geht es Euch ja ebenso.
Ja, tut es!

An mancher Stelle weiter oben tauchten Formulierung auf wie: "Ich kann nachvollziehen, dass jemand es anders macht als ich …" Wenn darauf eine Darstellung folgt, in der klar wird, dass die eigene Spielweise aber doch die reifere (oder "bessere") sei, dann entwertet das dieses Verständnis meiner Ansicht nach. Ich hoffe aber einfach mal, dass (wie so oft bei geschriebenem Meinungsaustausch) das eigentlich nicht so gemeint war.
Aber gerade deshalb: Es besteht ein Unterschied zwischen: "Ich (persönlich) finde das besser weil …" und "Das ist besser, weil …"
Also: Spielen – und spielen lassen (und trotzdem drüber reden ;) )

Und wenn das zu sehr nach Moralapostel, Besserwisser oder Schlimmeren klingt: Ich bitte um Entschuldigung, auf Füße treten oder selbst "besser" sein lag mir fern, es lag mir nach den diversen mit Genuss gelesenen Beiträgen am Herzen.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: NARF! am 22.08.2016 | 16:54
@Der Narr: In Anlehung an eine schöne Forensignatur hier: Jemandem zu erklären warum er schlechter fantasiespielt als du, ist, als würdest du deinem besten Freund erklären, warum genau seine Freundin hässlich ist: Du hast vielleicht deine Gründe, vielleicht hast du sogar recht, aber am Ende bist du halt trotzdem ein Arsch :). Will sagen, damit verbrennst du völlig klar jede Diskussion.

Ich würde hier noch ergänzen: "... und du verkennst völlig die Fehlbarkeit und im Kontext möglicherweise absolute Irrelevanz deiner subjektiven Einschätzung."

dazu zum Topic:
Das Ziel einer Diskussion ist ja im besten Fall Erkenntnisgewinn, der über Prüfbarkeit und logische Inbetriebnahme anderer Meinungen funktioniert. Deswegen ist natürlich erstmal klar, warum diese Selbstreflektion for the sake of the argument ausgesetzt wird, um die ankommende Meinung durch den Hindernisparkour laufen zu lassen und am Ende schauen zu können, ob noch was übrig bleibt, mit dem man einverstanden sein will. Leider vergisst man darüber gerne mal völlig diese Selbstreflektion wieder einzuschalten und verweilt im Zyklus des Unverständnis, der immer wieder ohne Rücksicht auf die eigene Fehlbarkeit die Punkte der fremden Meinung versucht anhand der bereits bestehenden, eigenen Meinung zu falsifizieren. Und damit sind wir eigentlich wieder bei der Einflussnahme von Suspension of Disbelief, die Wellentänzer in Bezug auf die Goldene Regel und die erfahrene Diskrepanz zwischen allgemeinem Tonus im Bezug darauf und die Konzeption von "gutem Spielleiten" gezogen haben möchte.

Ich persönlich glaube, dass das gesamte Konzept der willentlichen Lückenfüllung durch den Spielfluss brechende Unannehmlichkeiten (in Form von Goldene Regel, Rulings etc.) letztlich vielmehr mit der Individualität und Synergie der Gruppenzusammenstellung zu tun hat, als es der theoretische Diskurs bisher berücksichtigen konnte oder wollte. In der Theorie kommt es daher zu einem vermeintlichen Konsens, der sich mit der Spielpraxis (anhand der Umfrageauswertung) nicht vollständig einvernehmen lässt. Deswegen lässt sich auch kein theoretisches Gerüst darum aufbauen, ob und inwiefern Dinge wie die Goldene Regel umsetzbar oder erwünschenswert für Spielvorliebe XY sind. Die Entscheidung darüber wird über die Gruppenchemie getroffen. Deswegen glaube ich, dass - so schmerzhaft das vielleicht ist - die tatsächlich wichtigste Erkenntnis der gesamten Debatte aus bobibob bobsens Zitat zu nehmen ist:

Zitat
Nö aus meiner Sicht: Glückspilze die in [extrem] homogenen Gruppen spielen.

Ich hänge mich mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass der angegeben hohe Prozentteil der würfeldrehenden SLs durch die reine Möglichkeit besteht, es zu tun. Das klingt erstmal redundant, ist aber im Grunde die einzig wirkliche relevante Information. Ob und inwiefern diese Maßnahmen ergriffen werden entscheidet sich durch den am Tisch vorhandenen, synergetischen Willen zur Unterdrückung der individuellen Suspension of Disbelief. Man kann es auch einfach "Egopotential" nennen, was übrigens neutral gemeint ist.

Deswegen haben auch beide Seiten (pro und contra) recht, wenn sie sich um Beispiele streiten, die unter anderem Der Narr aufgebracht hat. Diese Liste an Konterpunkten:

Zitat
- Was ist, wenn die Probe um mehr als 1 Punkt misslingt? Wäre der Spieler dann nicht auch glücklicher, wenn er noch überlebt? Wo ziehe ich die Grenze? Und ist die Grenze systemunabhängig, um 1 Punkt daneben kann ja je nach System unterschiedliches bedeuten.
- Was ist mit Neid unter Spielern? Es wird ja eine Regel gebrochen, das ist erstmal eine unfaire (hier: positiv unfaire) Behandlung eines Spielers. Wieso kriegt der das und nicht ich? Immerhin bin ich, der das nicht bekommen hat, ja im Recht (ich habe die Regeln auf meiner Seite!).
- Wieso ist es besser für die Story, dass der Spielercharakter überlebt? Vielleicht ist die interessantere Story ja, dass die anderen Spielercharaktere mit dem Verlust und der Trauer umgehen müssen. Wer entscheidet wie was besser für die Story ist und wer entscheidet, wann und wie man Regeln zugunsten Story außer Kraft setzt?
- Wieso verlangt der Spielleiter überhaupt Proben, bei denen er nicht bereit ist die Konsequenz zu tragen, wenn 99% der Spiele ohnehin es dem Spielleiter auferlegen zu entscheiden, ob er überhaupt eine Probe verlangt?
- Und wenn er verlangt, wieso legt er eine mögliche Konsequenz fest (den Tod des SC), die er nicht bereit zu tragen ist?

stellt am Ende nämlich im Grunde nur eine Frage: was ist, wenn (Jemand in) meine(r) Gruppe das anders sieht/nicht will?
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Chruschtschow am 22.08.2016 | 18:14
Ich würde mich sogar aus dem Fenster lehnen und dem würfeldrehenden SL und sein doch recht häufiges Auftreten durchaus auch (nicht ausschließlich!!!) auf die Heterogenität von Gruppen zu schieben. Der wird dann nämlich mit so vielen erzählerischen Rechten - eben auch der Manipulation des Würfelergebnisses - ausgestattet, um dann die konsistente Sekundärwelt willkürlich herzustellen. Dass man sich erst ein Mal zusammensetzt und das jenseits von Quellenbüchern mal gemeinsam klärt, ist nämlich so ein neumodischer Hippie-Kram, denn es nur mit einer 2 vorne in der Jahreszahl gibt. ;) (... und ich liebe es! Also das vorhergehende Klären.)

Es gibt genug Leute, die das nämlich nicht machen und direkt losspielen wollten. Habe ich auch schon gehabt, früher auch genau so gemacht. Die meisten Leute in der Richtung sind dann aber mit dem starken SL zufrieden. Es ist halt eine andere Spielweise.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Sethomancer am 22.08.2016 | 18:41
Es gibt genug Leute, die das nämlich nicht machen und direkt losspielen wollten. Habe ich auch schon gehabt, früher auch genau so gemacht. Die meisten Leute in der Richtung sind dann aber mit dem starken SL zufrieden. Es ist halt eine andere Spielweise.
Ist ja auch die Frage, spielt man einen One-Shot oder eine Kampagne.
Und wie lange spielt die Gruppe schon zusammen, wie gut kennt man sich.
Bei einer neuen Gruppe für eine Kampagne find ich das schon toll, vorher auch masl über Erwartungen, Spielwelt und Hintergrund zu reden.
Bei One-Shots ist dafür ein authoritätrer SL wahrscheinlich praktischer (wir machen halt mal eben)
Bei sehr vertrauten Gruppen ist das ganze Thema wahrscheinlich sowieso obsolet, da hat man seinen Spielstil gefunden und dreht wahrscheinlich nur noch hin und wieder am Stellrad.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Greifenklause am 22.08.2016 | 18:49
Ich fände es unheimlich hilfreich, wenn du (an anderer Stelle, nicht hier! Am besten in einem extra Thread im Spielleiter-Bereich) mal im Detail beschreibst und erklärst, wie du das Werkzeug "Würfeldrehen" effektiv einsetzt - am besten mit konkreten Beispielen vom Spieltisch.

Hier bitte: http://www.tanelorn.net/index.php?topic=99486.msg134406549#msg134406549
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Sashael am 22.08.2016 | 19:24
Ich habe die Goldene Regel vor allem bei WhiteWolf-Spielen kennengelernt und ich habe ihre Anwendung jedesmal als Bruch meiner SoD wahrgenommen. Ich wurde jedesmal komplett aus der Immersion gerissen, weil ein SL die bekannten Regeln gebrochen hat, um eine "bessere" Story zu erhalten. Das läuft halt dann komplett gegen die Wand, wenn sich die Meinungen von SL und Spielern darüber was genau eine "bessere" Story ausmacht, unterscheiden.
Je stärker die Meinungsdifferenz, desto brutaler der Bruch der SoD.

Daher halte ich von der Goldenen Regel überhaupt nichts (mehr).
Ich verstehe die Gründe, wenn jemand sie anwendet, aber ich halte ihre Anwendung für Selbsttäuschung.
"Ich will den Spielern eine bessere Story bieten und die derzeit laufenden Ereignisse und Aktionen laufen meiner Vorstellung davon zuwider und deshalb breche ich jetzt mal besser die Regeln, denn eine bessere Story ist das, was jeder will."

Hmm ...

Wenn ich so darüber nachdenke ...
Könnte es sein, dass eine Gruppe von potentiellen SLs, die allesamt sehr individuelle Vorstellungen von guten Geschichten haben, mit einem sehr autark agierenden SL weniger gut klarkommt als eine Gruppe von Nur-Spielern, die dem SL dankbar sind, dass er sich so viele Gedanken über eine "gute" Geschichte gemacht hat?
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: NARF! am 22.08.2016 | 20:01
Könnte es sein, dass eine Gruppe von potentiellen SLs, die allesamt sehr individuelle Vorstellungen von guten Geschichten haben, mit einem sehr autark agierenden SL weniger gut klarkommt als eine Gruppe von Nur-Spielern, die dem SL dankbar sind, dass er sich so viele Gedanken über eine "gute" Geschichte gemacht hat?

Kann man so glaube ich keine wirkliche pauschale Aussage darüber treffen. Persönlichkeit und Ego machen deutlich mehr aus, als die Haupt"beschäftigung" als Spieler oder Spielleiter, meiner Meinung nach. Ich bin überwiegend Letzteres und als Spieler dafür bekannt, so gut wie alles mitzumachen, um meinem Spielleiter widerum seinen Job möglichst einfach zu machen, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass es nicht immer leicht ist oder eben bei bestimmten Leuten weiß, dass sie mit Improvisation etc. Schwierigkeiten haben. Das bedeutet auch, dass ich überhaupt keine Probleme damit habe, die Bestimmungshoheit über meinen Charakter o. ä. abzugeben. Der SL soll ruhig railroaden, Würfel drehen und alles machen dürfen, damit wir zusammen ne gute Zeit haben. Im Bezug auf das thread topic ist meine SoD also so ziemlich unendlich. Und das hab ich so eigentlich auch bei anderen SLs bemerkt, mit denen ich als Spieler in einer Gruppe gespielt habe.

Ich persönlich drehe als SL übrigens keine Würfel, es sei denn der ganze Tisch ist sich einig, dass das gewürfelte Ergebnis doof ist und fordert ein/wünscht, dass wir das besser anders machen. Kam aber schon lange nich mehr vor. Das nur für den Kontext. Und das greift auch in meinen vorherigen Beitrag ein: mit mir als Spieler in der Gruppe steigt die Wahrscheinlichkeit für Würfeldreherei und andere Überbrückungen durch den SL einfach dadurch, dass ich sie zulasse. Das ist in meinen Augen die einzige relevante Information um irgendeine Aussage über die Korrelation, Wahrscheinlichkeit, Häufigkeit oder Nützlichkeit solcher Maßnahmen zu treffen.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Crimson King am 22.08.2016 | 20:03
Ich finde den Ausgangspost grandios und verlinke ihn mal im Best of Tanelorn. Vermis Anmerkung zum Thema Metagaming ist allerdings auf vergleichbarem Niveau.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Sashael am 22.08.2016 | 20:08
Das bedeutet auch, dass ich überhaupt keine Probleme damit habe, die Bestimmungshoheit über meinen Charakter o. ä. abzugeben. Der SL soll ruhig railroaden, Würfel drehen und alles machen dürfen, damit wir zusammen ne gute Zeit haben. Und das hab ich so eigentlich auch bei anderen SLs bemerkt, mit denen ich als Spieler in einer Gruppe gespielt habe.
Hm ... vielleicht gilt das weiter oben vorgebrachte Argument mit den homogenen Gruppen.
Ich versuche auch immer, dem SL zuzuarbeiten, aber die Goldene Regel habe ich zu oft in der Art "Ähm ... ja ... also eigentlich würde deine Aktion laut Regeln klappen, aber zum Wohle der Story klappt das jetzt mal nicht". Und da hab ich mittlerweile nicht mal den Ansatz einer Lunte, da geh ich sofort hoch. ;)
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Ucalegon am 22.08.2016 | 20:12
Vermis Anmerkung zum Thema Metagaming ist allerdings auf vergleichbarem Niveau.

Eben dies.  :d Bisher der einzige Post in dieser verquasten Diskussion, dem ich ohne Weiteres zustimme.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Greifenklause am 23.08.2016 | 12:55
... aber die Goldene Regel habe ich zu oft in der Art "Ähm ... ja ... also eigentlich würde deine Aktion laut Regeln klappen, aber zum Wohle der Story klappt das jetzt mal nicht". Und da hab ich mittlerweile nicht mal den Ansatz einer Lunte, da geh ich sofort hoch. ;)

Was ist mit dem umgekehrten Fall?
"Ähm ... ja ... also eigentlich würde deine Aktion laut Regeln nicht klappen, aber zum Wohle der Story klappt das jetzt mal ..."
Empfindest du das als besser? (Frage nach der subjektiven Einschätzung)
(Das ist nämlich ein Teilgebiet, bei dem ich mir selbst nicht immer sicher bin. Aber in letzter Zeit praktizieren wir das sehr vorsichtig so)
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Blechpirat am 23.08.2016 | 13:28
Mal eine Verständnisfrage / steile These:

Braucht man eine goldene Regel/Würfeldrehen eigentlich nur in simulierenden Systemen?

Ich mache das nicht, aber bei mir wird auch praktisch nicht simuliert. Ich habe gerade den Eindruck, dass hier ein Mechanismus besprochen wird, der eigentlich besagt: Lieber SL, du bist Gralshüter der Spielweltkoherenz. Wenn unsere Regeln in ihrer Weltensimulation etwas unsinniges / deine Story störendes produzieren, dann darfst du das (offen/verdeckt) abändern.

Was denkt ihr?
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Chiungalla am 23.08.2016 | 13:36
Was ist mit dem umgekehrten Fall?

Eigentlich müsstest Du jetzt würfeln. Aber weil ich nicht will das Du scheiterst lass ich Dich gar nicht erst würfeln.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Erg am 23.08.2016 | 13:38
Mal eine Verständnisfrage / steile These:

Braucht man eine goldene Regel/Würfeldrehen eigentlich nur in simulierenden Systemen?

Ich mache das nicht, aber bei mir wird auch praktisch nicht simuliert. Ich habe gerade den Eindruck, dass hier ein Mechanismus besprochen wird, der eigentlich besagt: Lieber SL, du bist Gralshüter der Spielweltkoherenz. Wenn unsere Regeln in ihrer Weltensimulation etwas unsinniges / deine Story störendes produzieren, dann darfst du das (offen/verdeckt) abändern.

Was denkt ihr?

Ich denke, man braucht sie gar nicht, aber sie macht das SL-Leben deutlich leichter. Je weniger ich während des Spiel nachjustieren kann, desto penibler muß ich vorbereiten. Wenn Simulation und plausibles Geschehen keine Rolle spielen, würde ich vermuten, sie für weniger erforderlich zu halten (was ich allerdings noch nicht ausprobiert habe).
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Maarzan am 23.08.2016 | 13:46
Ich sehe mich als simulieren und habe erhebliche Probleme mit der "goldenen Regel" .
In dem Sinne sehe ich den Zusammenhang überhaupt nicht.

edit: @ Blechpirat gerichtet
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Der Nârr am 23.08.2016 | 14:19
Der Ausgangspost sagte ja auch, dass Simulieren (z.B. wie bei Tolkien, Traveller) sich gerade *nicht* mit der goldenen Regel verträgt. Darum geht es doch. Ich kann das Argument aber nicht nachvollziehen und frage daher erneut, warum da ein Zusammenhang (dieser Art) bestehen soll und woraus der sich ableitet. Darum habe ich ja auch viele Probleme genannt, die absolut nichts mit Simulation oder Nicht-Simulation zu tun haben (finde ich). Da kommt man dann aber vermutlich auch nicht mehr drum herum, ausführlicher über "Simulation" zu sprechen, daher würde ich auch gerne fragen, was der Opener denn überhaupt mit Simulation meint bzw. mit Spielen, die Simulation betreiben. Viele verstehen darunter ja auch Spiele, die durchaus auf Indie-Elemente zurückgreifen, um spezielle Genres zu simulieren (z.B. Marvel Heroic Roleplay das ja nun schon eine Nummer anders ist als Traveller, aber eben das Marvel-Comic-Universum simuliert und wie sich Geschichten darin verhalten).

Ich würde da aber auch noch die Rückfrage stellen wollen, ob Ermächtigungen des SL im Rahmen des Regelwerks (z.B. OSR-Spiele: der SL soll Rulings treffen, Fate: Der SL darf Ideen der Spieler mit einem Veto kontern, in beiden Fällen natürlich nur zum Wohl des Spieles, wobei jeweils unterschiedliche Vorstellungen davon herrschen können, was jeweils das Wohl des Spieles genau ist) auch unter die goldene Regel fallen. Ich glaube nämlich, dass es Bereiche in z.B. der OSR und klassisch simulierenden Spielen (also z.B. Runequest-Derivate, GURPS usw.) gibt, wo von der goldenen Regel Gebrauch gemacht wird, ohne dies so zu bezeichnen, da als Wohl hier die "Simulation" oder "Kohärenz" geltend gemacht wird. Führt man dieselben Dinge durch nur zum Wohl der "Story" oder "des Spielerlebnisses", dann ist es auf einmal die goldene Regel.

Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Maarzan am 23.08.2016 | 14:29
Ich rate einmal und vermute, dass da der "erweiterte" Simulationsbegriff der GNS Schuld dran sein könnte. Da war dann ja alles Simulation, was nicht woanders drunter fiel.

Ich habe schon mal wo vorgeschlagen, dass man vermutlich mit GamismDramatismSimulation und einer Querteilung nach Ziel und Weg-Prio deutlich besser fährt als mit der "modernen" Verhunzung.

Und für alles, was Ziel-Priorität hat, könnte so ein Würfeldrehen durchaus passend sein - soweit sich die Gruppe über dieses Ziel einig ist. Nichts ist mehr Schlachtfest als zwei kollidierende "bessere Stories" und ihre überzeugten Verfechter ...  ~;D
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Blechpirat am 23.08.2016 | 14:33
Kann man sich darauf einigen, dass beides nur ein Thema für Systeme mit Task Resolution (statt Scene Resolution) ist?
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Dragon am 23.08.2016 | 15:04
Zitat
Ein stilles "Reingleiten" auf die Schiene wäre da wohl tasächlich das, was als erfolgreicher Illusionismus bis zu einem Misserfolg erst gar nicht wahrgenommen wird und wenn erst nachträglich ggf zu Frust führt. Aber im Spiel selbst erst einmal bis dahin unerkannt bleibt.
In meinem Fall oben hat es schon die ersten harten Kontakte mit der Schiene und folgend wenigstens Desorientierung gegeben.

Dem kann ich nur zustimmen. Ich denke das einige von uns auch deswegen so stark gegen SL-Willkür in welcher Form auch immer, sind, weil sie eben schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wenn ich mich im Spiel nicht auf die Regeln verlassen kann, sondern ständig Angst haben muss vor eine unsichtbare SL-Wand zu laufen (die für mich nicht vorhersehbar ist), hat man halt irgendwann keinen Bock mehr.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Sashael am 23.08.2016 | 20:49
Was ist mit dem umgekehrten Fall?
"Ähm ... ja ... also eigentlich würde deine Aktion laut Regeln nicht klappen, aber zum Wohle der Story klappt das jetzt mal ..."
Empfindest du das als besser? (Frage nach der subjektiven Einschätzung)
(Das ist nämlich ein Teilgebiet, bei dem ich mir selbst nicht immer sicher bin. Aber in letzter Zeit praktizieren wir das sehr vorsichtig so)
Musste ich jetzt mal drüber nachdenken, aber im Grunde kommen wir wieder auf die gleiche Frage: Was ist eine "bessere" Story? Und wer entscheidet, was die "bessere" Story ist?

Allerdings ist meine klare Aversion gegen die andere Aktion wohl darin begründet, dass ich sie live und in Farbe so oft "genießen" durfte, dass ich sie nur noch hasse, während ich es glaub ich nur ein- oder zweimal erlebt habe, dass ein SL seine Meinung zu dem nötigen Würfelwurf geändert hat, wenn man gescheitert ist.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Crimson King am 23.08.2016 | 21:39
Kann man sich darauf einigen, dass beides nur ein Thema für Systeme mit Task Resolution (statt Scene Resolution) ist?

Ich bemühe mich mal, Licht ins Dunkel zu bringen.

Die Goldene Regel findet in ihrer funktionalen und kohärenten Form Anwendung in Runden, in denen bestimmte Formen von Story, Stil und Stimmung emuliert werden sollen mit dem Ziel, diese beim Mitspielen auch mit zu erleben. In Sandboxrunden hat z.B. die Simulation das Primat, in Dramarunden die Konflikte und ihre Resolution. In solchen Runden, wie ich sie hier meine, hat das Erleben der Spielinhalte das Primat. Rollenspiel wird von Spielerseite aufgefasst als das interaktives Geschichtenerleben. Man kann die Geschichte grundsätzlich mitgestalten, aber das Ziel ist dabei nicht, den Plot mit den eigenen Ideen voran zu treiben, sondern sich von der von der Spielleitung erzählten Geschichte voran treiben zu lassen und mit dieser Geschichte zu interagieren. Jede Form von Metagaming stört dabei nur, insbesondere solches, das einem Informationen über den weiteren Verlauf der Geschichte oder gar Rechte an der Erzählung jenseits des eigenen Charakters gibt, und wird deshalb, wie Vermi treffend bemerkt hat, vollständig an die Spielleitung ausgelagert, damit man sich ganz dem Erleben hingeben kann. An der Stelle greift auch Vermis Einwand, kurze Sprünge auf die Metaebene würden weniger stören als Brüche in der Fiktion, die durch schlecht abgestimmte Anwendungen der Goldenen Regel hervor gerufen werden, nur bedingt. Diese Spieler empfinden Metaspiel in der Tat als extrem störend mit porenziell problematischen Nebeneffekten wie zu viel Metawissen, und sie sind an konkreten Erzählrechten, die über ihren Charakter hinaus gehen, nicht interessiert. Sie wollen nichts anderes als Actor Stance. Diese Spielweise habe ich vor ein paar Jahren mal als Erlebnisrollenspiel bezeichnet, und mir persönlich macht sie mit einem guten Erzählonkel auch jede Menge Spaß.

Die Spielweise beißt sich darüber hinaus auch nicht mit Handlungsoffenheit oder Bass Playing. Womit sie sich beißt, ist der Ansatz der Neutralität der Spielleitung. Diese hat in dieser Spielform die Verantwortung, die Spielwelt so zu gestalten und zu verkörpern, dass die Spieler in Situationen geraten, die im Sinne des gewünschten Spielerlebnisses sind. Dabei ist die Goldene Regel natürlich äußerst hilfreich.

Die Spielform beißt sich in der Tat mit Stake Resolution, weil das Setzen der Stakes immer etwas metagamiges hat. Stake Resolution würde aber funktionieren, wenn die Spielleitung geeignete Stakes hinter dem Schirm definiert und den Spieler entsprechend mit Ergebnissen versorgt. Das ist aber krass intransparent und birgt dementsprechende Gefahren.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Crimson King am 23.08.2016 | 21:49
Ich würde da aber auch noch die Rückfrage stellen wollen, ob Ermächtigungen des SL im Rahmen des Regelwerks (z.B. OSR-Spiele: der SL soll Rulings treffen, Fate: Der SL darf Ideen der Spieler mit einem Veto kontern, in beiden Fällen natürlich nur zum Wohl des Spieles, wobei jeweils unterschiedliche Vorstellungen davon herrschen können, was jeweils das Wohl des Spieles genau ist) auch unter die goldene Regel fallen.

Rulings sind keine Anwendung der Goldenen Regel, haben aber eine Verwandtschaft. In beiden Fällen können Spielregeln während der Sitzung ad hoc geändert werden. Der Unterschied liegt darin, dass Rulings vor ihrer Anwendung angesagt werden sollen und ihre Anwendung sowie die daraus folgenden Ergebnisse vollständig transparent sind. Eine Ermächtigung der Spielleitung, Regeln ad hoc zu ändern oder zu ignorieren, ist zunächst mal intransparent, es sei denn, die Spielleitung sagt jedes Mal an, dass sie gerade die Goldene Regel anwendet. Dies ist aber üblicherweise nicht gewünscht.

Das Veto der Spielleitung gegen reguliertes Player Empowerment wie die Deklarationen bei FATE kann man grundsätzlich als explizite Ausgestaltung einer Anwendung der Goldenen Regel auffassen.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Wellentänzer am 24.08.2016 | 00:37
@ Crimson: Ganz genau. Ja.

Nur das hier würde ich deutlich abgeschwächter formulieren:
Man kann die Geschichte grundsätzlich mitgestalten, aber das Ziel ist dabei nicht, den Plot mit den eigenen Ideen voran zu treiben, sondern sich von der von der Spielleitung erzählten Geschichte voran treiben zu lassen und mit dieser Geschichte zu interagieren.

Allerdings habe ich mehrere Jahre in einer fantastischen Runde unter einem SL genießen dürfen, der das so extrem betrieben hat, wie Du andeutet. Wahnsinnig viel RailroadingAnteil, aber unfassbar geil. Der Typ hat seine interaktiven Filme mit so wahnsinnig viel Energie, Charisma, Kreativität und shauspielerischer Brillanz über Jahre durchgezogen, dass ich mich jede Woche aufs Neue tierisch auf die Runde gefreut habe. Diese Runden waren aber so geil WEGEN und nicht trotz Railroading und Würfeldrehen. Solch ein Niveau kann definitiv, und da lege ich mich absolut fest, niemand ohne akribischste Ausgestaltung im Vorfeld erreichen. Das war auch auf Seiten der Spieler blankester Partizipationismus. Wir wollten  unbedingt den Schienen folgen, weil wir von diesem grandiosen Feuerwerk nichts, aber auch wirklich gar nichts verpassen wollten. Das war der totale Knüller aufgrund der Brillianz des SL, der das aber nur durch extrem gezielte Vorbereitung erreichen konnte. Habe ich in der Form vorher und  nachher nie wieder erlebt, solch ein Schienennetz. Aber keine Minute habe ich davon bereut.

War das eine gute Runde? Ja. Ohne jeden Zweifel. Gab es explizite Absprachen über diesen Stil. Nein. Wir waren alle imstande, uns ebenso elegant wie implizit zu verständigen. War der SL vielleicht gar moralisch verkommen? Nein. Ein ganz toller Mensch.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Sashael am 24.08.2016 | 05:57
Okay ... aber das ist wirklich überhaupt nicht meine Art zu spielen und das macht wiederum imho klar, warum so viele Leute gegen Würfeldrehen sind. Es ist eine sehr spezielle Art, Rollenspiel zu spielen.

Noch niemand hat es geschafft, mich so mitzureißen und ich möchte behaupten, dass das auch niemand jemals schaffen wird. Ich will nicht nur mitgestalten, ich MUSS, sonst verliere ich jedes Interesse an der Runde. So ein Railroading ist für mich gleichbedeutend mit "ein Buch lesen" oder "ein Computeradventure spielen" und das krieg ich schneller zu Hause alleine hin.
Im Rollenspiel MUSS ich frei aktiv sein können und darf nicht einem feststehendem Plot ausgesetzt sein, den ich nur noch nachspielen darf. Und niemand schafft es, mir so eine Schiene hinzulegen, dass ich sie nicht bemerke. Selbst wenn ich die Story toll finde, kann ich nicht mehr mitfiebern. Es MUSS Unsicherheit herrschen, was als Nächstes geschehen könnte und ob die Aktionen der Gruppe den Verlauf diktieren, oder ob es total egal ist, was man macht.

Es gibt nicht ohne Grund das Forenspiel "Spielerentscheidungen entwerten" im Tanelorn. Dort kann man in überzeichneter und spaßiger Weise etwas tun, was man im Rollenspiel hasst: Spielercharaktere zu Statistenrollen verdammen.

Absolut nicht mein Ding. Und jede Runde, die so abläuft, wäre für mich der Horror.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Rhylthar am 24.08.2016 | 06:05
Und ich bin wohl das genaue Gegenteil!  :D

Wenn ein SL es schafft, mir die Schiene durch seine Ausarbeitung/Gestaltung richtig schmackhaft zu machen, so dass ich gar nicht das Bedürfnis habe, stark nach links oder rechts auszubrechen, sondern einfach nur nach vorne will, dann ist das für mich nahezu perfekt. Egal, ob D&D-AP, Shadowrun-Kampagne oder auch Cthulhu.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Crimson King am 24.08.2016 | 07:14
Okay ... aber das ist wirklich überhaupt nicht meine Art zu spielen und das macht wiederum imho klar, warum so viele Leute gegen Würfeldrehen sind. Es ist eine sehr spezielle Art, Rollenspiel zu spielen.

Ich würde ja behaupten, dass das eine sehr weit verbreitete Art ist, Rollenspiel zu spielen. Der SL gibt die Story vor, die Spieler folgen ihr.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: KhornedBeef am 24.08.2016 | 07:24
Ich würde ja behaupten, dass das eine sehr weit verbreitete Art ist, Rollenspiel zu spielen. Der SL gibt die Story vor, die Spieler folgen ihr.
+1
Vielleicht seltener als früher, aber ich halte das auch für verbreitet.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Sashael am 24.08.2016 | 07:34
Ich würde ja behaupten, dass das eine sehr weit verbreitete Art ist, Rollenspiel zu spielen. Der SL gibt die Story vor, die Spieler folgen ihr.
Nach meinen Erfahrungen würde ich sagen: Du hast absolut recht. ;)

Ändert aber Null an meinen Vorlieben. Und spätestens beim Würfel drehen kotzt mich das nur noch an. ;)
Nichts ruiniert meine Immersion stärker als die Erkenntnis, dass meine Entscheidungen egal sind.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Greifenklause am 24.08.2016 | 08:08
@ Sashael
Das ist ja auch legitim.
Ich glaube sogar, dass unsere "negativen Erfahrungen" gar nicht so wahnsinnig verschieden sind.
Nur, dass du- was total ok ist - Railroading und Würfeldrehen dadurch ablehnst
und ich es - was auch ok ist - verfeinere.

Zu Railroading:
Ich mag Abenteuer, wo ich auch links und rechts abbiegen kann und bewundere SL, die einen gut vorbereiteten Plot ohne zu Murren in die Tonne werfen, weil die Spieler einen anderen schönen Weg gegangen sind.

Bei Detektivabenteuern ist das anders: Ab einem bestimmten Zeitpunkt fordere ich Tips, ja sogar Railroading ein.

Oder anders: Die Mischung macht's (für mich)
Knallhartes "tut, was ihr wollt" lehne ich ebenso ab wie knallhartes Railroading.
Beide Extrem sind bezogen auf mein individuelles Spielgefühl zum Scheitern verurteilt.

... ist meine klare Aversion gegen die andere Aktion wohl darin begründet, dass ich sie live und in Farbe so oft "genießen" durfte, dass ich sie nur noch hasse, während ich es glaub ich nur ein- oder zweimal erlebt habe, dass ein SL seine Meinung zu dem nötigen Würfelwurf geändert hat, wenn man gescheitert ist.
In unserer Anfangszeit kam der andere Fall noch häufiger vor, heute kaum noch*.
Hingegen kommt der verbessernde Fall bei uns wesentlich häufiger vor.
Das kann auch gleich ein Probenverzicht sein.
Oder eine "sehr günstige Interpretation des Würfelwurfs".
Ab und zu ein "Ne, die Probe hast du doch geschafft, die 19 dort sei eine 2".

Viel häufiger im Vergleich ändere ich Gegnerwürfe ab. Hier halten sich begünstigende und benachteiligende Manipulationen etwa die Waage.

So oder so verwende ich das aber auch nicht immer oder regelmäßig.
Ich bevorzuge andere Mittel der "Goldenen Regel" (wenn ich sie überhaupt richtig verstanden habe) als das Würfeldrehen,
greife aber durchaus auf letzteres zurück.

Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Arldwulf am 24.08.2016 | 09:06
Der ganze Sinn von Regeln ist es Spielleitern und den Spielern zu helfen die Situationen aufzulösen welche im Spiel vorkommen. Die goldene Regel und auch Würfel drehen kann ab und an eine Lösung sein, doch wenn dies häufiger vorkommt verwendet man offenbar nicht die richtigen Werkzeuge für das eigene Spiel und bekommt davon nicht die Hilfe die man braucht.

Insofern ist das immer ein Notbehelf.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Yney am 24.08.2016 | 14:02
Crimson King:
Zitat
Ich bemühe mich mal, Licht ins Dunkel zu bringen.
und der Rest dieses Beitrags.
Schön auf den Punkt gebracht - und es wurde Licht!

Zitat
Ich würde ja behaupten, dass das eine sehr weit verbreitete Art ist, Rollenspiel zu spielen. Der SL gibt die Story vor, die Spieler folgen ihr.

Aus dem Bauch heraus wäre es für mich persönlich ein Teil der Definition von Rollenspiel (nicht schimpfen: persönliche Meinung ;) ).
Nach all den Jahren und inzwischen einer gefestigten Welt und nicht nur Abenteuerfragmenten im Kopf hat sich das verfeinert. Meine Spieler dürfen (und können dank genügend Material auch meist) machen was sie möchten. Aber zugleich gibt es Zusammenhänge und Geheimnisse zu entdecken, wenn man seine Nase tiefer in etwas hinein steckt. Es mag Situationen geben, durch die die Spieler in eine spannende Geschichte (Abenteuer, ich spreche liebet von Erlebnis) hinein rutschen. Den Anstoß dazu kann ein Handeln der Spieler sein (Zufall, Neugierde …), das kann aber auch ein Schubs von mir sein (dem man sich je nach Situation mit mehr oder weniger Sturheit natürlich auch widersetzen kann und der meist kommt, wenn ich das Gefühl habe meine Freunde hätten gerne mal wieder einen konkreten Aufhänger für eine Geschichte). Früher waren diese Schubser häufiger, offensichtlicher und auch zwingend notwendig, denn an vielen "freien" Weggabelungen waren 2 von vier Abzweigungen leider nach kurzer Zeit durch ein "Vorsicht Baustelle" Schild blockiert. Dass ich nicht alles ausgearbeitet oder auch für Improvisation grob skizziert parat hatte wussten auch die Spieler und in stillem Einvernehmen haben Sie sich dann auch schubsen lassen.
War das dann die goldene Regel, wenn ich da relativ offensichtlich gelenkt habe? War es Allmachtsphantasie des Spielleiters? Oder einfach eine Notwendigkeit über deren Ursachen sich alle am Tisch ja im Klaren sind?
Das kann man natürlich unterschiedlich sehen. Fakt ist: Wir hatten Spaß – und darauf kommt es an.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Erg am 24.08.2016 | 14:43
@ Crimson: Ganz genau. Ja.

Nur das hier würde ich deutlich abgeschwächter formulieren:
Allerdings habe ich mehrere Jahre in einer fantastischen Runde unter einem SL genießen dürfen, der das so extrem betrieben hat, wie Du andeutet. Wahnsinnig viel RailroadingAnteil, aber unfassbar geil. Der Typ hat seine interaktiven Filme mit so wahnsinnig viel Energie, Charisma, Kreativität und shauspielerischer Brillanz über Jahre durchgezogen, dass ich mich jede Woche aufs Neue tierisch auf die Runde gefreut habe. Diese Runden waren aber so geil WEGEN und nicht trotz Railroading und Würfeldrehen...

Mir ist nicht klar, was die "goldene Regel" mit Railroading zu tun hat (außer, daß ersterer Anwendung Zweiteres erleichtert)
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Der Nârr am 24.08.2016 | 19:32
Es gab mit einem Post von mir einige Verständnisprobleme, die ich hier im Thread noch einmal kurz aufgreifen wurde.

Mir wurde unterstellt, ich würde Spieler, die die "goldene Regel" verwenden, als schlechtere Spieler bezeichnen bzw. mich als besseren/kompetenteren SL. Die Grundlage dafür war dieser Abschnitt eines Posts hiers im Thread:

Naja, ich habe ja über mich geschrieben und auch geschrieben, dass ich viele Fragen dazu habe, die mir beantwortet werden müssten. Wer in meiner Runde würfeldrehen will oder möchte, dass ich als SL würfeldrehe, muss mir halt diese Fragen beantworten können - das kann aber leider meist niemand. Runden, die Würfeldrehen und damit zufrieden sind, kann es ruhig geben und ich glaube auch, dass die Spaß damit haben können - als Idioten würde ich sie niemals bezeichnen. Durchaus würde ich aber von unterschiedlicher Kompetenz im Spielen sprechen. So wie es Leute gibt, die besser (oder anders) Fußball spielen können oder Schach oder Call of Duty gibt es auch Leute, die besser (oder anders) Rollenspiel spielen können. Das ist aber etwas völlig anderes als die Frage, ob es Spaß macht und wer jemanden als Idiot oder Arschloch bezeichnet, weil jemand weniger gut spielt (oder besser: anders spielt), der hat den Schuss nicht gehört. Rollenspiel ist auch keine Religion und man muss Andersspielende nicht zu Häretikern erklären.

Spieler haben ja auch sehr unterschiedliche Spaßquellen. Ich würde jemanden nicht als Idioten bezeichnen, nur weil er eine andere Spaßquelle hat. Daher sehe ich mich da nicht von einem Bumerang getroffen. Dass die Andersspielenden Arschlöcher und Idioten sind, hast ja du geschrieben und ich sehe das ehrlich nicht in meinem Post :).

Vorweg: Mir war unterstellt worden, ich würde Andersspielende als "Idioten" oder "Arschlöcher" bezeichnen. Das hatte mich emotional getroffen, da mir nichts ferner liegt und ich habe darum emotional geantwortet. Unter diesen Bedingungen lässt die Sprache leider oft an der nötigen Genauigkeit mangeln. Dies soll keine Darstellung als Opfer sein. Den Post habe ich verfasst und daher bin ich auch dafür verantwortlich. Ich möchte dennoch auf zwei Eigenheiten meines Posts hinweisen, in denen ich durchaus bewusst bestimmte Begriffe gewählt habe.

Zunächst spreche ich im Post überhaupt nicht von der goldenen Regel. An keiner Stelle kommt im Post "goldene Regel" auch nur vor. Ich spreche von Würfeldrehen bzw. Würfeldrehern. Das ist für mich ein wichtiger Unterschied: Nicht jede Anwendung der goldenen Regel ist eine Würfeldrehung. Und nicht jede Formulierung der goldenen Regel erlaubt überhaupt das Würfeldrehen. Das Würfeldrehen ist ein Sonderfall und ich kenne viele Spieler, die zwar zustimmen würden, dass der SL über Hausregeln oder die Anwendung der Regel bestimmen darf, aber die ablehnen, dass der SL auch die Würfel drehen darf. Das wäre der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist, dass ich bewusst von einem "Kompetenzunterschied" spreche und im weiteren betone, dass man eher von "anders spielen" als von "besser spielen" sprechen sollte. Wenn ich also die Begrifflichkeit "besser spielen" infrage spiele und durch "anders spielen" ersetzen möchte, wie kann mir dann vorgeworfen werden, ich würde von "besseren" und "schlechteren" Spielern sprechen?

Als Quell des Anders Spielens habe ich auch nicht Kompetenzen ("der spielt anders, weil er so ein inkompetenter Spieler ist"), sondern andere Spaßquellen ausgemacht. Das ist übrigens dasselbe, was die GNS-Theorie, Big Model oder Robin Laws Spielertypen machen. Verschiedene Spaßquellen ausfindig machen und daraus Spielerverhalten oder Systembau erklären. Also ein Gedanke, der in der Rollenspieltheorie wirklich nicht so fremd ist. Und genauso wie ich dem Unterschied und anders-sein eines Buttkickers, Powergamers und Tacticians nach Robin Laws völlig wertneutral gegenüber stehe, stehe ich auch anderen Spielformen erst einmal wertneutral gegenüber.

Die Wertneutralität endet erst da, wo mein eigener Spaß beginnt. Über meine Spielrunde, über das Spiel, das ich spielen möchte, habe ich natürlich Vorstellungen, was ich besser oder schlechter finde und mache das daran fest, was mir mehr Spaß macht. Selbst Spaß muss nicht derselbe Gradmesser sein - es kann auch sein, dass jemand das besser findet, was ihn stärker intellektuell oder kulturell ("Rollenspiel muss Kunst sein") reizt und fordert. Und das ist jedermans gutes Recht. Aber auch wenn ich sage: Mir macht jene Art von Spiel mehr Spaß mach und ich finde solche und solche SL besser (was ich zu 99% aus dem Bauch heraus sagen würde und nicht aufgrund theoretischer Analysen), ist das mehr eine Aussage über mich (was mag ich lieber) als über den SL und darum kann es natürlich gar keine universelle Gültigkeit haben für irgendjemanden anderen oder für irgendetwas, das nicht direkt meinen Spielspaß beträfe. In der eigenen Spielrunde sollte jeder das Recht haben zu sagen: Das gefällt mir nicht, das macht mir keinen Spaß.

Niemand sollte sich einreden lassen, seine Art zu spielen sei "falsch". Aber jeder sollte akzeptieren, dass die eigene Art zu Spielen nicht jedermans Sache ist. Und dann muss man abwägen: Kann ich mich anpassen? Kann ich mit einem Kompromiss leben? Oder sollte ich andere Leute suchen, die besser zu mir passen?

Ferner finde ich es unfair, in einem Forum eine Aussage vorgeworfen zu bekommen, von der man sich mehrmals deutlich distanziert hat. Unabhängig davon, ob man die Aussage tatsächlich getroffen hat oder nicht oder einfach etwas missverständlich formuliert hat - eine solche Distanzierung sollte im Rahmen des wohlwollenden Lesens akzeptiert werden oder eben die Möglichkeit gegeben werden, die Sache konkret zu klären. Leider habe ich erst aus PNs dritter erfahren, um welchen Post es überhaupt geht, der das Dilemma ausgelöst hat. Man hätte darüber direkt und schnell diskutieren können.

Noch einmal konkret zu Kompetenzen. Unabhängig vom Spielstil und den Spaßquellen bin ich überzeugt davon, dass man seine Kompetenzen als SL trainieren und verbessern kann. Das hat aber nichts mit goldenen Regeln zu tun oder ob man Sandbox oder ARS oder Railroading-DSA-Metaplots spielt. Da geht es z.B. um Pacing - dazu habe ich mich schon ausgiebig ausgelassen. Es kann auch um Moderationsfähigkeiten geben. Es kann um Regelkenntnis im allgemeinsten Sinne gehen. Es kann darum gehen, pünktlich und vorbereitet zum Spieltermin zu erscheinen. Könnte man seine SL-Kompetenzen nicht ausbauen, wäre wohl jeder SL-Tipp, der jemals irgendwo geschrieben wurde, obsolet.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Yney am 24.08.2016 | 20:12
Hallo Der Narr (die Anrede ist knifflig - ohne Artikel wird es gefährlich),
Sollte ich mit meiner Bitte in Post #50 mit beteiligt gewesen sein an der Tatsache, dass dich die Antworten auf deinen Beitrag getroffen haben, so bitte ich um Entschuldigung. Es bestättigt sich der "Verdacht", dass die Dinge eben wirklich oft nicht so gemeint sind, wie sie ankommen und dass da etwas schief laufen kann muss ja nicht am Sender liegen.
Spätestens mit dem letzten Post, vermutlich auch schon vorher, ist klar, dass du deine Schwerpunkte anders setzt, dieses Recht aber auch jedem anderen zugestehst.
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Sashael am 24.08.2016 | 20:14
Nach all den Jahren und inzwischen einer gefestigten Welt und nicht nur Abenteuerfragmenten im Kopf hat sich das verfeinert. Meine Spieler dürfen (und können dank genügend Material auch meist) machen was sie möchten. Aber zugleich gibt es Zusammenhänge und Geheimnisse zu entdecken, wenn man seine Nase tiefer in etwas hinein steckt. Es mag Situationen geben, durch die die Spieler in eine spannende Geschichte (Abenteuer, ich spreche liebet von Erlebnis) hinein rutschen. Den Anstoß dazu kann ein Handeln der Spieler sein (Zufall, Neugierde …), das kann aber auch ein Schubs von mir sein (dem man sich je nach Situation mit mehr oder weniger Sturheit natürlich auch widersetzen kann und der meist kommt, wenn ich das Gefühl habe meine Freunde hätten gerne mal wieder einen konkreten Aufhänger für eine Geschichte). Früher waren diese Schubser häufiger, offensichtlicher und auch zwingend notwendig, denn an vielen "freien" Weggabelungen waren 2 von vier Abzweigungen leider nach kurzer Zeit durch ein "Vorsicht Baustelle" Schild blockiert. Dass ich nicht alles ausgearbeitet oder auch für Improvisation grob skizziert parat hatte wussten auch die Spieler und in stillem Einvernehmen haben Sie sich dann auch schubsen lassen.
Das ist in meinen Augen so ziemlich das genaue Gegenteil von "Der SL gibt die Story vor und die Spieler folgen ihr".  :o

Wie oft habe ich erleben müssen, dass jegliches Abweichen vom Weg in Frust und Blockaden endete! Es gab genau EINE Story und die steckte im Kopf des SL. Und wenn man andere Vorstellungen von "besserer" Story hatte, wurde das Meister-Veto ausgepackt. Wenn die Würfel die Spielercharaktere an der "falschen" Stelle hätten scheinen lassen, wurden die Ergebnisse verfälscht. Wenn die Spieler nicht den Weg des SL gingen, scheiterten die Würfe sowieso, da unschaffbare Schwierigkeitsgrade gesetzt wurden.
Und diese SLs waren tatsächlich großartige Storyteller. Mit theoretisch großartigen Plots. Wenn sie nicht diese und die zugehörigen Lösungswege in Granit gemeißelt hätten. Die Vorbereitungen, die Musikauswahl, die Szenenbeschreibungen, die NSCs, die Handouts ... alles top! Aber wehe man versuchte anders zum Ziel zu kommen oder gestalterisch tätig zu werden.

Und ich hatte das Gefühl, dass das alles mit dem Erscheinen der WoD, wo ich diese Golden Rule zum ersten Mal schriftlich in einem offziellen Regelwerk niedergelegt sah, noch viel schlimmer wurde. Und zwar zum Teil explizit mit der Ansage "Zum Wohle der Story ignoriere ich deinen Würfelwurf und deine Absichten und erkläre, dass folgendes passiert: ...". Und weil ich damals keine Ahnung hatte, habe ich das geschluckt, weil "das stand ja so im Regelbuch" und wurde immer frustrierter über dieses Rollenspiel. Erst hier im Tanelorn habe ich gelernt, dass das (Achtung, nicht persönlich nehmen weil nicht so gemeint) totaler Müll ist und man einem entsprechenden SL auch mal sagen kann "Alter, du hast keine Ahnung von Spaß im Rollenspiel und was du da tust ist gequirlte Scheiße!"

Ich könnte nicht mehr so spielen, ich würde irre werden. Und wahrscheinlich würde ich anfangen, das Spiel zu torpedieren, einfach weil. Deshalb ist es besser, wenn man mir mit sowas erst gar nicht kommt. ;)

Rulings sind übrigens in meinen Augen keine Regelbrüche. Natürlich darf ein SL auch in kritischen Situationen ad hoc eine Hausregel festlegen, wenn das Nachschlagen im GRW wieder 10 Minuten dauern würde. Aber ein SL, der Regeln biegt, bricht oder ignoriert, oder Würfelergebnisse verfälscht, weil sie seiner Vision der Story im Wege stehen, geht einfach überhaupt gar nicht.

Und auch wenn ich rein intellektuell in der Lage bin zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die an dieser Form des Rollenspiels mehr Spaß haben und das auch genau so wollen, so bin ich emotional dann wiederum überhaupt nicht fähig, diesen Spaß nachzuvollziehen.  :)
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Yney am 24.08.2016 | 20:55
Nach solchen Erlebnissen kann ich das auch gut nachvollziehen.
Allerdings gruselt's mir immer mehr ob der anscheinend nicht gerade kleinen Schar von Spielleitern, die da draußen die Jünger vom rechten Pfade abbrachten (Ironie!).
Aber positiv betrachtet: So lange es einem nicht das ganze Hobby verhagelt …
Titel: Re: Einstellungen zur goldenen Regel, J.R.R. Tolkien und die Genese von SL-Haltungen
Beitrag von: Greifenklause am 25.08.2016 | 15:30
Nach solchen Erlebnissen kann ich das auch gut nachvollziehen.
Allerdings gruselt's mir immer mehr ob der anscheinend nicht gerade kleinen Schar von Spielleitern, die da draußen die Jünger vom rechten Pfade abbrachten (Ironie!).
Aber positiv betrachtet: So lange es einem nicht das ganze Hobby verhagelt …

Mayo, wir haben wirklich früher viel Mist verbreitet, weil wir "wussten" was gutes Rollenspiel(tm) ist und "dass der SL alles darf".
Bovine Fäkalien, aber man muss darauf erst Mal kommen. Bis dahin hatten es aber manche von uns anderen schon verleidet.

Je mehr man sich auf die Gruppe konzentriert, desto leichter fällt's ..... und plötzlich hat man auch mehr Spaß....oh Wunder!

Spielleiten ist ewiges Lernen (Achtung: Pathetisch)