Tanelorn.net

Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspieltheorien => Thema gestartet von: Der Nârr am 24.08.2016 | 18:48

Titel: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 24.08.2016 | 18:48
Ich entdecke gerade den Illusionismus für mich, habe aber Verständnisfragen, bei denen mir Theoretiker vielleicht helfen können.

In der FAQ von Georgio heißt es nun:

Spielarten und Spielstile (I)

Illusionism
Kurz: Wenn nur der SL das Spiel vorantreibt und die Spieler es nicht wissen.
Erklärung: Ein Spielleiter-Stil bei dem die Spieler im Glauben gelassen werden, die Spielentwicklung maßgeblich und gezielt beeinflußen zu können, obwohl der SL die alleinige Entscheidungsgewalt für sich behält.
Warum?: Eine weit verbreitete Spielform mit der der Widerspruch des “Impossible Thing…” aufgelöst werden soll. In den Augen einiger ist sie im Kern dysfunktional, da sie eine Täuschung der Spieler voraussetzt.

Für mich klingt dies zunächst sehr negativ. Den Spielern wird etwas vorgegaukelt und sie könnten nichts maßgeblich oder gezielt beeinflussen.  Also wie in der Definition angedeutet eben "im Kern dysfunktional". Leider legt die Formulierung der Definition nahe, dass es tatsächlich so ist und ich weiß nicht, ob die Definition da nicht vielleicht genau so formuliert wurde, dass sie der Kritik entspricht.

Vielleicht habe ich ein anderes Verständnis davon, wie tief greifend und das Spiel durchdringend Illusionismus ist. Ich kann mir vorstellen, dass es sich in einer extremen Form so verhalten kann. Daher möchte ich mal zwei Beispiele geben, wo ich Illusionismus einsetze:

1. Vor kurzem hatten die Spieler die Möglichkeit, in einer magischen Angelegenheit eine Wahrsagerin oder einen Magier um Hilfe zu bitten. Die Wahrsagerin hätte sie auf eine Traumreise geschickt, der Magier zu einem entlegenen Ort im Sumpf. In beiden Fällen hätte es mit kleinen Änderungen denselben Inhalt gegeben - eine Zufallsbegegnung wäre eine andere gewesen, ein paar Rahmenbedingungen wären andere (man gelangt in den Traum anders als in den Ort im Sumpf), ein wenig wäre die Stimmung eine andere (im Sumpf ist man noch auf derselben Welt, im Traum gibt es surreale Elemente). Aber die Gegner und ihre Werte sowie der konkrete Ort und was da zu tun war wären gleich gewesen. So gesehen habe ich die Spieler um eine Entscheidung beraubt - egal was sie tun, erleben sie im Grunde das gleiche. Warum ich das gemacht habe? Effizientes Spielleiten natürlich: Nur eine Sache vorbereiten, aber den Spielern eine Wahlmöglichkeit zu geben. Und natürlich hat die Wahl auch Auswirkungen. Stehen sie beim fremden Magier im Schuld oder haben sie sich auf die verrückte Wahrsagerin verlassen, ohne konkrete Nachteile beim NPC, dafür ist es in der Traumwelt etwas schwieriger, da die SC keine Ausrüstung mitnehmen konnten? Und erlebt man etwas im Sumpf, dann ist dort ein Ort etabliert. Sie hatten sich für die Traumwelt entschieden, nun wurde eben diese Traumwelt als möglicher weiterer Spielort etabliert, an den die Helden vielleicht noch öfter gelangen. Eine völlige Entwertung hat also nicht stattgefunden. Darüber hinaus kann ich nun im Sumpf einen anderen Ort platzieren. Die Spieler verpassen also auch nichts.

2. Ich habe wenig Zeit zur Abenteuervorbereitung, habe aber einen fertigen Dungeon vorbereitet. Der Dungeon ließe sich an einer Vielzahl an Orten plausibel unterbringen und es ließe sich aus einer Vielzahl an Quellen heraus auf ihn verweisen. Sobald die Spieler eine dieser Quellen erreichen, kann ich sie auf den Dungeon verweisen - ich könnte sie ihn sogar unterwegs zu einem anderen Ort als Random Encounter platzieren. Im Grunde ist es wie eine Zufallstabelle - nur dass in der Zufallstabelle keine Monster stehen, sondern der Dungeon und die Frage ist, wann darf ich auf die Zufallstabelle würfeln. So wie ich bestimme, im Wald auf die Wald-Zufallstabelle zu würfeln und im Dungeon Level 5 auf die Dungeon Level 5 Tabelle, kann ich auch bestimmen, in der Wüste meinen Wüsten-Dungeon zu platzieren - ohne mir vorher überlegt zu haben, auf welchem Hexfeld genau er zu stehen hat.

Ich kombiniere illusionistische Elemente also gerade auch mit Sandboxing.

Ferner bilden Illusionismus und Ergebnisoffenheit bei mir keinen Widerspruch. Mittels Illusionismus bringe ich vielleicht ein Problem, eine schwierige Situation, einen NSC, Gegner oder Dungeon ein. Aber ich gebe nicht vor, wie dies zu lösen ist. Die Spieler können gewinnen oder verlieren, die Herausforderungen bewältigen oder auch nicht. Und ihre Entscheidungen haben Gewicht - wie sie damit überhaupt umgehen. Und nach der Festlegung hat das ganze auch Konsequenzen.

Das ist ein bisschen wie Schrödingers Katze. Der Dungeon ist halt erst da, wenn man nachguckt.

Ich mache das eben auch, weil die Sandbox für mich so leichter von Sitzung zu Sitzung vorzubereiten ist. Es ist effizient. Aber der Illusionismus durchdringt auch nicht das ganze Spiel. Wenn ein Ort festgelegt ist und die Spieler gehen in die falsche Richtung, dann finden sie den Ort nicht, auch wenn das der eigentliche nächste Schritt im Abenteuer ist. Wenn die Spieler einen Ort suchen von dem ich auch nur weiß "der ist ungefähr da" lasse ich sie würfeln und wenn sie Probe schaffen kommen sie an und wenn die Probe misslingt eben nicht. Ergebnisoffenes Spiel halt. Sie können auch danach weitere Vorteile einkaufen, z.B. eine Suchmannschaft organisieren oder warten bis die Lichtverhältnisse besser sind oder oder oder. Aber ob ich mich entscheide, in der Taverne nach den neuesten Gerüchten zu hören und in die Dunkelwüste zum Dungeon geschickt zu werden oder den Magier frage ob man für ihn magische Materialien benötit und dann in die Finsterwüste geschickt wird, wo dann derselbe Dungeon ist... Das ist doch keine Spielerentscheidung, die man entwerten würde, wenn man da ein wenig Illusionismus betreibt und man erst nach Wahl der Spieler festlegt, dass da nun dieser vorbereitete Dungeon ist.

Es besteht womöglich auch eine Nähe zu nebellands Methodischer Spielleitung. Es ist ein paar Jahre her, dass ich es gelesen habe, aber soweit ich mich erinnere geht es in eine ganz ähnliche Richtung, nur dass es da hauptsächlich um die Verteilung von Informationen geht, um Flaschenhälse in Abenteuern zu reduzieren, soweit ich mich erinnere.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: fivebucks am 24.08.2016 | 19:06
Ja, so gehts...  :d
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: 1of3 am 24.08.2016 | 19:13
Man kann das Gedankenexperiment noch mal weiterspinnen: Was wenn du nichts vorbereitet hättest, also weder etwas für die Traumwelt noch für den Sumpf, sondern frei improvisiert hättest? Dann hätten die Spieler ja auch nicht mehr Entscheidung gehabt.

Oder wenn du jetzt eine Zufallstabelle benutzt hättest und die sowohl für den Sumpf als in der Traumwelt bemüht hättest, dann macht die Entscheidung ja keinen Sinn. Ist ja die gleiche Zufallstabelle.

Und überhaupt: Sie konsultieren diese Leute doch zum Erreichen irgendeines Ziels. Und das Ziel lässt sich doch auf beide Weisen erreichen. Also ist die Entscheidung so oder so nicht entscheidend für das Erreichen des Ziels und "ändert die Spielentwicklung nicht maßgeblich". Oder wie?

Kurz und gut: Die ganzen Diskussionen, um "Ergebnisoffenheit" gehen fehl, schlicht und ergreifend, weil gar nicht vorher feststeht, was eigentlich das Ergebnis ist, das da offen bleiben soll, oder welche Beeinflussung des Spielverlaufs eben "maßgeblich" ist.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: am 25.08.2016 | 08:57
Nein, 1of3. Da unterliegst Du meiner Ansicht nach einem Fehlverständnis. Ich bin ein bisschen bestürzt über diesen kompletten Thread hier, denn er zeigt, dass das ganze Thema meiner Ansicht von sehr vielen Leuten noch nicht hinreichend durchdrungen wurde.

Der Autor dieses Topics, Der Narr, beispielsweise wehrt sich massiv gegen Würfeldrehen und hält das für eine unterlegene, schlechte Technik. Soweit würde ich sogar noch mitgehen. Entscheidend ist aber nicht, ob der eine an Würfeln dreht oder der andere Railroading betreibt - oder meinetwegen auch wie hier im Thread propagiert Railroading in Form von Illusionismus. Entscheidend für die Bewertung eines Umstands und für das Verständnis des Themas ist meiner Ansicht nach etwas anderes. Die zentrale Frage lautet:

Handelt der SL mit der Absicht einer dramaturgischen Gestaltung?

In diesem Thread lautet die Antwort eindeutig: JA. Außerdem wird hier sehr schnell klar, dass Würfeldrehen, Railroading, goldene Regel und Illusionismus allesamt Teil eines dramaturgiegetriebenen Maßnahmenpaketes sind. Es ist nämlich vollkommen egal, ob es eine Zufallstabelle gibt, auf der der SL "zufällig" den bereits vorbereiteten Dungeon "erwürfelt" (vulgo: Würfeldrehen) oder ob es halt nur einen einzigen Dungeon gibt und der halt überall auftauchen kann (vulgo: Railroading). Letztendlich kann man mit verschiedenen Techniken das gleiche Resultat erreichen: eine dramaturgiegetriebene Spielleitung.

Ich habe mit derlei Techniken wenig Probleme. Es muss halt nur der gefestigte Eindruck bei mir in der Rolle des SL entstanden sein, dass das für die Gruppe in Ordnung ist und ich mich nicht über die anderen Köpfe hinweg in Willkür übe. Genau so etwas beschreibe ich ja andauernd, wenn ich davon spreche, dass ein gesund dosiertes Maß an handlungsbeschneidenden Maßnahmen durch den SL durchaus sinnvoll sein kann. Das ist sogar ausgesprochen sinnvoll. NATÜRLICH kann man einen cooleren Dungeon bauen, wenn man den nicht improvisieren muss. Also: Railroading oder goldene Regel oder Illusionismus oder Würfel drehen. Im Kern das gleiche. Es kommt da auf das richtige Händchen des SL an. Innerhalb des Dungeon dann wieder volle Freiheit? Wunderbar!

Was mich an diesem Thread so sprachlos macht, ist der Autor und dessen bisherige Inhalte. Das ist so eine unfassbare Diskrepanz zwischen den Äußerungen und der Praxis am Spieltisch. Irgendwo muss da noch - vielleicht auch bei mir - ein ganz gewaltiges Missverständnis verborgen sein. Denn wenn ich von Würfeldrehen, Railroading, goldener Regel und so weiter spreche, dann meine ich EXAKT solche Situationen wie die hier beschriebenen.

Derlei SL-Techniken sind heikel, weil sie in die Handlungsfreiheit der Spieler eingreifen.
Sie sind plump, weil im Kern ja "die Story" mit dem Holzhammer auf die Schiene gezwungen wird.
Und sie sind schwierig dosierbar, weil die individuellen Präferenzen der Spieler in Reaktion auf freiheitsraubende Maßnahmen höchst unterschiedlich sind.

Dennoch halte ich den behutsamen Einsatz von derlei Techniken, wenn denn der berechtigte Eindruck der Akzeptanz in der Runde besteht, für vollkommen legitim und sogar hilfreich. Case closed.

Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Endless am 25.08.2016 | 09:10
Ich kenne viele Spieler, die diese Illusion wollen, mich eingeschlossen. Für uns ist es also sicher nicht negativ.

Wenn ich mal der Definition folge, wäre dann nicht jede Form von Improvisation eine Art des Illusionismus? Wenn der Spielleiter nicht immer wieder deutlich deklariert, sich irgendein Spielelement spontan ausgedacht zu haben, ist doch das Ziel der Improvisation in den allermeisten Fällen die Erzeugung einer Illusion von Konzeptsicherheit und stimmungsvollem Design, oder überseh ich da was?

So gesehen sehe ich es sogar als Teil der spielleiterischen Aufgabe zu entscheiden, wann und wie ein bestimmter Dungeon oder ein anderes Element in die gespielte Geschichte eingewoben wird. Diese Willkür ist also im Grunde immer vorhanden.. ist das dann illusorisch? Betrügt man damit die Spieler? Doch nur wenn sie zu jeder Zeit absolute Überwachung und Kontrolle über den Spielverlauf einfordern.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: KhornedBeef am 25.08.2016 | 09:16
[...] ist das dann illusionistisch? Betrügt man damit die Spieler? Doch nur wenn sie zu jeder Zeit absolute Überwachung und Kontrolle über den Spielverlauf einfordern.
Fixed it for you. Wobei ich keine Garantien abgebe, Fachwörter ausnahmslos richtig zu gebrauchen, das wäre völlig illusorisch :)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Wellentänzer am 25.08.2016 | 09:17
Wenn ich mal der Definition folge, wäre dann nicht jede Form von Improvisation eine Art des Illusionismus?

Nein. Du kannst entweder den natürlichen Fortgang der Spielwelt in Abhängigkeit der Aktionen der Spieler zu simulieren versuchen. Das ist dann keinerlei Illusionismus. Oder Du kannst, etwa weil Du gerade eh einen saucoolen Dungeon vorbereitet hast, die Spieler in eine bestimmte Richtung manövrieren. Das sind dann Aktivitäten des SL mit einer dramaturgiegetriebenen Absicht. Letztendlich kann man das als Spieler erst nach einer gewissen Zeit erkennen. Die meisten SPieler, die ich so kenne, hätten tatsächlich gegen sanfte, dramaturgische Eingriffe des SL nichts einzuwenden. Stimmt.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Boba Fett am 25.08.2016 | 09:22
Illusionismus ist dysfunktional? Ja, ist er wohl.
Wer würde bestreiten, dass man seinen Spielleiter nicht irgendwann gut genug kennt, um zu erkennen, wann er den Leuten Handlungsoptionen vorgaukelt, die gar nicht existieren.

Trotzdem kann Illusionismus in Rollenspielgruppen funktionieren - immerhin beweisen das viele Gruppen.
Und zwar immer dann, wenn man entweder nichts anderes kennt oder sich bewußt darauf einläßt.

Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 25.08.2016 | 09:26
Wenn ich mal der Definition folge, wäre dann nicht jede Form von Improvisation eine Art des Illusionismus?
Ja, das denke ich auch. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass der SL auch in der Improvisation seine Entscheidungen im voraus trifft und wenn es den Bruchteil einer Sekunde vorher ist und dass der SL dies aufgrund von Wissen über die Welt macht, er also nicht willkürlich entscheide, sondern die Entscheidung treffe, die die einzig richtige sei. Ich meine, so etwas beim RPG Pundit gelesen zu haben, kann mich aber auch irren.
Das Improvisieren von z.B. NPC im normalen Spiel würde ich da sowieso nicht drunter fallen lassen.

So gesehen sehe ich es sogar als Teil der spielleiterischen Aufgabe zu entscheiden, wann und wie ein bestimmter Dungeon oder ein anderes Element in die gespielte Geschichte eingewoben wird. Diese Willkür ist also im Grunde immer vorhanden.. ist das dann illusorisch? Betrügt man damit die Spieler? Doch nur wenn sie zu jeder Zeit absolute Überwachung und Kontrolle über den Spielverlauf einfordern.
Es wird deutlicher beim Dungeon. Steht der Dungeon vorher fest, hast du tolles freies Spiel mit lauter Entscheidungen, die etwas wert sind. Es macht einen Unterschied, ob du links oder rechts gehst - vielleicht kämpfst du zuerst gegen die Goblins oder zuerst gegen die Hobgoblins, ein maßgeblicher Einfluss der Spieler auf die Story. Wenn ich die Räume oder Gegner aber in einer festgelegten Reihenfolge abarbeite, egal ob die Spieler links oder rechts gehen, und sie zuerst gegen die Goblins und dann die Hobgoblins kämpfen müssen, dann ist das Illusionismus. Sie denken, sie hätten Einfluss darauf gehabt, ob sie links oder rechts gehen, in echt hatten sie die Wahl aber gar nicht. Denn die Wahl zwischen Goblins oder Hobgoblins ist ihnen ja genommen worden.

Die Frage wäre, wie Willkür und Illusion überhaupt zusammen hängen. Ich denke, das muss überhaupt nicht sein. Wenn ich den Raum links und rechts im voraus verteile ist das ja auch Willkür. Es ist also nicht willkürlicher, wenn ich es im Nachhinein festlege, sondern einfach ein anderes Kriterium, nach dem ich arbeite.



Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Maarzan am 25.08.2016 | 09:30
Bezgl. Wortabgrenzungen:

Wenn die Spieler wissen, dass - z.B. wegen bekannterweise begrenzter Spielzeit auf einem Con - der Spielleiter das Spiel letztlich scripted war das meiner Erinnerung nach Partizipismus.

Wird nur die Ablaufrichtung (bekannterweise) vorgegeben, aber die Handlungen an den Stationen nur wo es unbedingt notwendig ist die nächste Station zu erreichen, hieß es meine ich Trailblazing.

Und Illussionismus ist es, wenn die Spieler nichts von der Manipulation wissen und glauben frei handeln zu können.

Edit: Wollen sie das aber, gibt es eben üblicherweise Stunk, wenn sie dahinter kommen - ebenso üblicherwiese, weil es irgendwann einmal einen Richtungskonflikt gibt, den die Spieler dann nicht "schlucken" oder der Spieleliter sich mit irgend einem Detail verhaspelt und in Widersprüche verwickelt hat und dann zu grob oder einmal zu oft Schienen legen musste.


Bezgl. Improvisationen:
Die wird es immer geben müssen. Die entscheidende Frage ist dann in wie weit der Spielleiter diese Entscheidungen nach dem Geiste des vorher in Aussicht gestellten Spielstils trifft.






Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: 1of3 am 25.08.2016 | 09:33
Nein, 1of3. Da unterliegst Du meiner Ansicht nach einem Fehlverständnis. Ich bin ein bisschen bestürzt über diesen kompletten Thread hier, denn er zeigt, dass das ganze Thema meiner Ansicht von sehr vielen Leuten noch nicht hinreichend durchdrungen wurde.

Ja, also das nehme ich auch bei einer anwesenden Person an. Die Frage ist doch nicht, ob das Spiel "dramaturgiegetrieben" ist oder dergleichen. Die Frage ist, wie man effizient Spielrunden vorbereitet. Ich zitiere den Eingangsbeitrag:

Zitat
Warum ich das gemacht habe? Effizientes Spielleiten natürlich: Nur eine Sache vorbereiten, aber den Spielern eine Wahlmöglichkeit zu geben.

Die überhaupt höchste Wahrscheinlichkeit, dass jemand "Railroading!" schreit, ist nicht, der Wunsch der SL irgendeine Dramaturgie zu erschaffen. Meistens ist es eben genau, dass nur dies oder jenes "vorbereitet" ist, aber die Grenzen dieser Vorbereitung nicht klar kommuniziert wurden. Was der Standard für hinreichende Vorbereitung ist, ist natürlich von Person zu Person verschieden.

Ich beschreibe mal eine typische Situation: Wir haben auf Eberron gespielt und es begab sich, dass die SCs von Sharn her zum südlichen Kontinent Xendrik fuhren, um in der dortigen Ansiedlung etwas zu erledigen. Dies ging von statten. Nach Erledigung der Sache wollte die Truppe "den Dschungel erforschen". Meine Vorstellung war allerdings gewesen, dass sie das nächste Schiff zurück nehmen und jene Dinge erledigen, die zu Hause eben so waren.

Hier lag offensichtliche Fehlkommunikation vor.
Was ich dachte gesagt zu haben: Geht mal dahin, macht diesen Auftrag und dann machen wir mit der Haupthandlung weiter.
Was die Truppe gehört hat: Wir sollen auf einen unerforschten Kontinent voller Ruinen, Monster und Abenteuer? BINGO!

Ich hätte jetzt natürlich versuchen können, sie in fiktionaler Verpackung (durch Auftraggeber, Belohnung, Drohung) darauf hinzuweisen, was ich vorbereitet hatte, dass sie also das nächste Schiff zurück nähmen. Mit dieser Maßnahme hätte ich ganz sicher Schreie wegen "Railroading!" provoziert. Ich wählte nach kurzem Zögern die vernünftige Reaktion: "Tja, also, das hab ich nicht vorbereitet." - "Kein Problem, Stefan, das kriegst du hin."

Die Runde lief dann ganz OK weiter. Ich möchte hinzufügen, dass ich die Runde nicht als besonders "dramaturgisch" in irgendeiner Weise bezeichnen würde. Es war D&D4; man haute vor variabler Szenerie verschiendentliche Monster tot. Aber hier zeigt sich: "Railroading!" ist nichts, was man tut, sondern Ergebnis eines Kommunikations-GAUs. Wir wären nie in diese Situation gelangt, wenn ich vorher anders kommuniziert hätte.

Wenn du also vermeiden willst, dass dir "Railroading!" vorgeworfen wird, musst du nicht anders vorbereiten oder alles einplanen oder interessenlos agieren oder irgendwas von diesen tollen Tipps. Statt dessen: Mache glasklar, wo das Abenteuer ist. Der Glaube, dass Spieler auf jeden Fall unerwartete Dinge tun, ist falsch. Wenn es zu dieser Situation kommt, hast du dich selbst überlistet.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: KhornedBeef am 25.08.2016 | 09:40
[...] Mache glasklar, wo das Abenteuer ist. [...]
Das ist ein schöner Tipp, den man nie vergessen sollte. Nichtmal in Gruppen, die eigentlich wegen was anderem am Tisch sind.

Zu den unerwarteten Dingen, ich sage nur

1of3: "Den Charakteren ist ja klar, was zu tun ist"
Ein bestimmte Sorte Spieler: "Challenge accepted!"

Aber wenn man seine Pappenheimer kennt ist das wahrscheinlich alles schon soweit, dass die wissen, wie sie sich austoben, ohne deinen Plot/Abenteuer zu vernichten ;)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Endless am 25.08.2016 | 09:41
Fixed it for you. Wobei ich keine Garantien abgebe, Fachwörter ausnahmslos richtig zu gebrauchen, das wäre völlig illusorisch :)

thx for the spellcheck :P ;)

Nein. Du kannst entweder den natürlichen Fortgang der Spielwelt in Abhängigkeit der Aktionen der Spieler zu simulieren versuchen. Das ist dann keinerlei Illusionismus. Oder Du kannst, etwa weil Du gerade eh einen saucoolen Dungeon vorbereitet hast, die Spieler in eine bestimmte Richtung manövrieren. Das sind dann Aktivitäten des SL mit einer dramaturgiegetriebenen Absicht. Letztendlich kann man das als Spieler erst nach einer gewissen Zeit erkennen. Die meisten SPieler, die ich so kenne, hätten tatsächlich gegen sanfte, dramaturgische Eingriffe des SL nichts einzuwenden. Stimmt.

Okay ja. Wobei "natürlicher Fortgang" ja auch eher eine subjektive Einschätzung ist und in erster Linie wohl davon abhängt, was der Spielleiter (und im Nachhinein die Spieler) als natürlich empfinden. Man könnte ja theoretisch auch nur die Illusion aufbauen, dass das ein natürlicher Fortgang ist, wenn man die Simulation etwas in die eine Richtung drückt .. also im Grunde beide Möglichkeiten miteinander vereint. Ich hab das Gefühl, dass das in vielen Runden der Fall ist. Wann bekommt ein subjektiver Mensch schon immer eine astreine, objektive Simulation hin?

Ja, das denke ich auch. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass der SL auch in der Improvisation seine Entscheidungen im voraus trifft und wenn es den Bruchteil einer Sekunde vorher ist und dass der SL dies aufgrund von Wissen über die Welt macht, er also nicht willkürlich entscheide, sondern die Entscheidung treffe, die die einzig richtige sei. Ich meine, so etwas beim RPG Pundit gelesen zu haben, kann mich aber auch irren.

Das stimmt schon so, denke ich. Wenn man nicht völlig willkürlich improvisiert wird man sicher vorher immer versuchen Kohärenz zu bewahren, sonst fällts auch zu sehr auf oder stört. Aber ob das verhindert, das man die Illusion aufbaut? Gerade dann lenkt man doch, möglicherweise noch ohne Einflussnahme der anderen Spieler, weil man in diesem "Bruchteil der Sekunde" völlig subjektiv bewertet. Und ob dabei das einzig Richtige bei rauskommt ist ja dann wieder Gegenstand der Debatte am Tisch. Wenn nur einer findet, dass dem nicht so ist, wird aus der folgerichtigen Simulation ein illusionistischer (KhornedBeef ;)) Versuch der Einflussnahme durch den Spielleiter?

Zitat
Es wird deutlicher beim Dungeon. Steht der Dungeon vorher fest, hast du tolles freies Spiel mit lauter Entscheidungen, die etwas wert sind. Es macht einen Unterschied, ob du links oder rechts gehst - vielleicht kämpfst du zuerst gegen die Goblins oder zuerst gegen die Hobgoblins, ein maßgeblicher Einfluss der Spieler auf die Story. Wenn ich die Räume oder Gegner aber in einer festgelegten Reihenfolge abarbeite, egal ob die Spieler links oder rechts gehen, und sie zuerst gegen die Goblins und dann die Hobgoblins kämpfen müssen, dann ist das Illusionismus. Sie denken, sie hätten Einfluss darauf gehabt, ob sie links oder rechts gehen, in echt hatten sie die Wahl aber gar nicht. Denn die Wahl zwischen Goblins oder Hobgoblins ist ihnen ja genommen worden.

Ah okay. Ja, das kann ich nachvollziehen.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Maarzan am 25.08.2016 | 09:43
Die Situation vom 1of3 ist sicher eine Variante. Allerdings eine, wo die Auflösung dann doch recht einfach ist, weil kein Interessenskonflikt vorliegt und es tatsächlich nur eine Kommunikationspanne ist.

Und sobald man "im richtigen Abenteuer ist" geht es ja auch wieder normal weiter.

Der "dramagetriebene" Fall ist in der Sicht problematischer und somit präsenter, weil es nicht nur um das Finden des Abenteuerbereichs geht, sondern auch der Rest unter der "Storyqualitätsprämisse" vom SL gegängelt wird, bzw. der Abenteuerbereich ganz wo anders liegt als vorher "verkauft".



Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Wellentänzer am 25.08.2016 | 09:53
Wenn du also vermeiden willst, dass dir "Railroading!" vorgeworfen wird, musst du nicht anders vorbereiten oder alles einplanen oder interessenlos agieren oder irgendwas von diesen tollen Tipps. Statt dessen: Mache glasklar, wo das Abenteuer ist. Der Glaube, dass Spieler auf jeden Fall unerwartete Dinge tun, ist falsch. Wenn es zu dieser Situation kommt, hast du dich selbst überlistet.

Hm, jetzt verstehe ich Dich besser und Du hast auch gar nicht falsch verstanden. Sorry dafür. Du haust auf die gleiche Pauke wie ich nur mit ner anderen Perspektive.

Was mich daran so wundert: das ist doch blanker Partizipationismus!

Ich finde das total in Ordnung, aber jahrelang wurde man doch hier im Forum mit dem Gegenteil beschallt: Freiheit für die Spieler!!! Dass sich der Wind so schnell wieder gedreht hat, finde ich vollkommen überraschend.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 25.08.2016 | 10:02
Ja, also das nehme ich auch bei einer anwesenden Person an. Die Frage ist doch nicht, ob das Spiel "dramaturgiegetrieben" ist oder dergleichen. Die Frage ist, wie man effizient Spielrunden vorbereitet.
Ja, genau. Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt "nicht dramaturgiegetriebenes" Spiel geben kann. Selbst wenn ich eine ARS-zertifizierte Sandbox leiten würde, wäre ja die Gestaltung der Sandbox selbst schon dramaturgiegetrieben gewesen. Selbst wenn ich eine Sandbox mit Zufallstabellen komplett auswürfle - die Erstellung der Tabellen war ja dramaturgiegetrieben. Und wenn ich die Sandbox oder die Tabellen vorher kaufe und sie von jemand Fremden sind, dann ist die Wahl ja dramaturgiegetrieben, z.B.: "Dwimmermount, epischer Megadungeon? Klingt nach einer coolen (=dramaturgiegetrieben) Sandbox, nehm ich, leite ich."

Was ich dachte gesagt zu haben: Geht mal dahin, macht diesen Auftrag und dann machen wir mit der Haupthandlung weiter.
Was die Truppe gehört hat: Wir sollen auf einen unerforschten Kontinent voller Ruinen, Monster und Abenteuer? BINGO!
Mir ist kürzlich etwas ähnliches in kleiner passiert - da hatte ich nun den Dungeon und die verschiedenen Möglichkeiten zu ihm zu gelangen, aber vorher gab es eine Fluff-Szene mit Pilgern, die durch ein Dorf kamen. Zwei Stunden Beschäftigung mit den Pilgern später hatten die Spieler sich entschieden, sich den Pilgern anzuschließen bzw. ihnen sogar vorauszureiten und den Pilgerort vor ihnen zu erkunden. Tja, da muss man dann durch und fröhlich improvisieren. Allerdings muss ich sagen, dass ich genau diese eigenen Aktionen der Spieler auch haben und sehen will. Wenn die sich für die Pilger interessieren mache ich ja auch lieber was mit den Pilgern als mit dem Kram den ich mir im stillen Kämmerlein ausdenke.

Allerdings muss ich auch sagen, dass nach dem letzten SL, der eben wirklich immer sehr klar gemacht, wo das Abenteuer ist, die Spieler natürlicherweise bei allem was einen Namen hat oder irgendwie aus dem Rahmen fällt das Abenteuer vermuten. Das ist ja auch eine effektive Strategie, die die Spieler anwenden und zeigt eigentlich, dass man es mit einer sehr freundlichen Gruppe zu tun hat, die auf alles eingeht :). Dummerweise habe ich eine Namensliste und bei mir hat jeder NPC potentiell einen Namen, hrhrhr.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Crimson King am 25.08.2016 | 10:03
Die wesentliche Frage, ob bei so etwas nun Illusionismus vorliegt oder nicht, ist doch, ob hier eine Spielerentscheidung entwertet und dies dem Spieler verschleiert wird. Um zu erkennen, ob eine Spielerentscheidung entwertet wird, müsste man erst mal wissen, welche Entscheidung die Spieler treffen. Denn einfach nur nach a oder b gehen ist es nicht. Man geht ja aufgrund einer bestimmten Motivation nach a oder b. So lange diese Motivation bedient wird, sehe ich hier keinen Illusionismus. Der wäre gegeben, wenn die Spieler dort auf etwas treffen wollten, von dem sie ausgehen konnten, dass es da ist, aber durch den Dungeon ersetzt wurde, oder wenn sie davon ausgehen konnten, dass ihre Entscheidung dazu führt, dass sie keinen Dungeon betreten müssen etc.

Railroading, das hinter dem Begriff des Illusionismus steckt, beinhaltet ja nicht nur eine Entwertung oder Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten der Spieler, sondern auch die Motivation seitens der Spielleitung, die Entwertung oder Einschränkung gegen die Interessen der Spieler vorzunehmen. Und letzteres ist hier zunächst mal nicht der Fall.

Insofern: das hier läuft vermutlich nicht auf Illusionismus raus, sondern auf blanken Partizipationismus.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: am 25.08.2016 | 10:06
Ja, genau. Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt "nicht dramaturgiegetriebenes" Spiel geben kann. Selbst wenn ich eine ARS-zertifizierte Sandbox leiten würde, wäre ja die Gestaltung der Sandbox selbst schon dramaturgiegetrieben gewesen. Selbst wenn ich eine Sandbox mit Zufallstabellen komplett auswürfle - die Erstellung der Tabellen war ja dramaturgiegetrieben. Und wenn ich die Sandbox oder die Tabellen vorher kaufe und sie von jemand Fremden sind, dann ist die Wahl ja dramaturgiegetrieben, z.B.: "Dwimmermount, epischer Megadungeon? Klingt nach einer coolen (=dramaturgiegetrieben) Sandbox, nehm ich, leite ich."

Eine Sandbox muss im Vorfeld natürlich dramaturgiegetrieben konstruiert werden. Entscheidend ist aber, dass die Handlungsmaschine nach Anlaufen NICHT MEHR nach dramaturgiegetriebenen, sondern nach simulativen Mustern arbeitet. Sonst isses keine Sandbox mehr. Das konstitutive Element einer Sandbox ist die Simulation des Geschehens anhand klarer Regeln oder aus der Weltlogik abgeleiteter Rulings. Während des Spiels gilt das Credo "Der SL hat kein Eigeninteresse zu verfolgen. Er hat die Welt zu simulieren.". Das ist ein fundamentaler Unterschied zu dramaturgiegetriebenen SL, die gerne mal sowas wie die Rule of Cool nutzen.

@ Crimson: Ja klar. Aber ob es sich nun um Illusionismus (also verborgene Bahnung des Spielgeschehens gegen den Willen der Spieler) oder Partizipationismus (also verborgene Bahnung des Spielgeschehens mit dem Einverständnis der Spieler) handelt, finde ich letztlich nicht so bedeutsam für die Diskussion im Thread. Da unterwerfen wir uns quasi freiwillig und ohne Not den Wortungetümen der Forge. Oder?
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Crimson King am 25.08.2016 | 10:10
Eine Sandbox muss im Vorfeld natürlich dramaturgiegetrieben konstruiert werden.

Sollte, nicht muss. Klassische Hexcrawls scheißen glaube ich auf jedwede Form von Plotgetriebenheit, der meines Erachtens der bessere Begriff ist. Dramaturgie beinhaltet nicht nur, dass Handlung fortlaufen soll, sondern auch bestimmte Formen und Strukturen des Handlungsverlaufs.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Wellentänzer am 25.08.2016 | 10:12
Sollte, nicht muss. Klassische Hexcrawls scheißen glaube ich auf jedwede Form von Plotgetriebenheit, der meines Erachtens der bessere Begriff ist. Dramaturgie beinhaltet nicht nur, dass Handlung fortlaufen soll, sondern auch bestimmte Formen und Strukturen des Handlungsverlaufs.

Stimmt. Point taken. Ich hätte bei dem Begriff der Plotgetriebenheit die Befürchtung, dass dann direkt die Frage aufkommt "Was ist denn der Plot?". Damit stürzt Du Dich direkt in die nächste Diskussionsruine. Aber inhaltlich stimme ich zu und probiere das in Zukunft gerne aus.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 25.08.2016 | 10:13
Die wesentliche Frage, ob bei so etwas nun Illusionismus vorliegt oder nicht, ist doch, ob hier eine Spielerentscheidung entwertet und dies dem Spieler verschleiert wird. Um zu erkennen, ob eine Spielerentscheidung entwertet wird, müsste man erst mal wissen, welche Entscheidung die Spieler treffen. Denn einfach nur nach a oder b gehen ist es nicht. Man geht ja aufgrund einer bestimmten Motivation nach a oder b. So lange diese Motivation bedient wird, sehe ich hier keinen Illusionismus.
Wenn ich mir rückblickend in meinem Sumpf vs Traumwelt Beispiel die Wahl ansehe... In meiner Vorstellung ging es da vor allem um Sumpf oder Traumwelt, weil ich damit gearbeitet habe. Aber die Spieler haben die Wahl aufgrund sozialer Beziehungen getroffen - sie haben von beiden, Wahrsagerin oder Magier, zwar Hilfe erwartet, der Wahrsagerin aber eher ihr Vertrauen geschenkt. Und auf dieser sozialen Ebene hatte diese Wahl ja auch echte, konkrete, maßgebliche Auswirkungen. Ob es dann in die Traumwelt oder den Sumpf gegangen wäre und dass da jeweils die gleichen Encounter warteten, das war den Spieler weder bekannt noch für sie interessant. (Ich hatte es ihnen auch hinterher erklärt, wie ich das vorbereitet habe, weil ich wissen wollte, ob es so für die Spieler OK ist). Weil also die Entscheidung, die die Spieler treffen wollten (eine soziale) nicht entwertet wurde, wäre es kein Illusionismus?

Du würdest also der strengen Auslegung folgen, in der Illusionismus zwangsläufig eine Entwertung von Spielerentscheidungen ist? Das würde auf jeden Fall helfen, den Illusionismus-Begriff zu schärfen.

Ich muss doch noch mal in die Methodische Spielleitung von nebelland hineinlesen.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Greifenklause am 25.08.2016 | 10:19
Kurze Frage:
Seht ihr "Dramaturgie" als negativ konnotiert an?

Zu Illusionismus:
Ein ganz klares "kommt drauf an".
Als DSA-Fanboy stelle ich da gerne die "7 Gezeichneten-Kampagne" und die "Hinter dem Thron"-Kampagne gegenüber.
Aus meiner ganz subjektiven Sicht war erstere Railroading in Reinkultur und das im negativen Sinne, denn bei meinen Spielern kam durchaus rüber "Es ist an sich egal was wir machen, das Ende steht fest!" (Klar: Hatten wir auch schöne Momente, aber darum geht es hier nicht).

Die zweite hingegen ließ den Spielern viel Freiheiten für welche Seite sie sich entscheiden und oft auch, welche Miniplots sie wie lösen oder eben auch nicht. Auch der Spielleiter hatte extrem viele Freiheiten, welche Szenarien und Abenteuer er kombiniert. Wir hatten grßtls einen Schweinespaß (von manchen langatmigen Detektivplots abgesehen).
ABER auch hier stand das Ende fest. "Railroading durch die Hintertür", "Railroading mit mehreren Schienen", "Railroading mit Zwischenstop in der Sandbox", whatever.
War das Illusionismus? Sicher! Denn auch dort galt ""Es ist an sich egal was wir machen, das Ende steht fest!".
Nur halt mit dem Unterschied, dass es sich - auch bei gleichbleibendem Ergenis in 185 Gruppen - als ein "eigenes Werk" anfühlte.

Ich betrachte - zumindest dieses eine Beispiel - dies daher  als sehr positives Beispiel für Illusionismus.

EDIT zur Frage des Narren:
Man sollte vielleicht vorher "Entwertung von Spielerentscheidungen" definieren. Im moralischen Sinne? Oder nur im tatsächlichen Sinne (Ende steht eh fest)?
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Crimson King am 25.08.2016 | 10:20
@ Crimson: Ja klar. Aber ob es sich nun um Illusionismus (also verborgene Bahnung des Spielgeschehens gegen den Willen der Spieler) oder Partizipationismus (also verborgene Bahnung des Spielgeschehens mit dem Einverständnis der Spieler) handelt, finde ich letztlich nicht so bedeutsam für die Diskussion im Thread. Da unterwerfen wir uns quasi freiwillig und ohne Not den Wortungetümen der Forge. Oder?

Geht so. Ich finde, es ist schon ein Unterschied, ob die Spielleitung die Spieler einschränkt, oder ob die Spieler es selbst tun. Rollenspiel ist ja nun mal eine soziale Tätigkeit (und gerade die Forge hat ihre Theorien vor diesem Hintergrund erstellt, sie hat vor allem versucht, die sozialen Zusammenhänge im Rollenspiel zu beschreiben), und die Auswirkungen von Techniken auf das soziale Gefüge sind natürlich von Interesse. Wenn die Spieler irgendwann feststellen, dass all ihre ach so freien Entscheidungen in Wirklichkeit das Resultat knüppelharter Manipulation seitens des SL waren, reagieren sie möglicherweise ungehalten. Wenn sie dagegen feststellen, dass ihre Entscheidungen vor allem dort manipuliert wurden, wo die Spieler eh keine besonderen Interessen hatten, dürfte das eher unproblematisch sein.


Wenn ich mir rückblickend in meinem Sumpf vs Traumwelt Beispiel die Wahl ansehe... In meiner Vorstellung ging es da vor allem um Sumpf oder Traumwelt, weil ich damit gearbeitet habe. Aber die Spieler haben die Wahl aufgrund sozialer Beziehungen getroffen - sie haben von beiden, Wahrsagerin oder Magier, zwar Hilfe erwartet, der Wahrsagerin aber eher ihr Vertrauen geschenkt. Und auf dieser sozialen Ebene hatte diese Wahl ja auch echte, konkrete, maßgebliche Auswirkungen. Ob es dann in die Traumwelt oder den Sumpf gegangen wäre und dass da jeweils die gleichen Encounter warteten, das war den Spieler weder bekannt noch für sie interessant. (Ich hatte es ihnen auch hinterher erklärt, wie ich das vorbereitet habe, weil ich wissen wollte, ob es so für die Spieler OK ist). Weil also die Entscheidung, die die Spieler treffen wollten (eine soziale) nicht entwertet wurde, wäre es kein Illusionismus?

Meines Erachtens war das kein Illusionismus. Die für die Spieler relevanten Entscheidungen wurden nicht entwertet.


Kurze Frage:
Seht ihr "Dramaturgie" als negativ konnotiert an?

Nö. Dramaturgische Techniken sind in bestimmten Spielweisen hilfreich, in anderen eher störend, wie so ziemlich jede andere Technik auch.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Maarzan am 25.08.2016 | 10:23
Aber ob es sich nun um Illusionismus (also verborgene Bahnung des Spielgeschehens gegen den Willen der Spieler) oder Partizipationismus (also verborgene Bahnung des Spielgeschehens mit dem Einverständnis der Spieler) handelt, finde ich letztlich nicht so bedeutsam für die Diskussion im Thread. Da unterwerfen wir uns quasi freiwillig und ohne Not den Wortungetümen der Forge. Oder?

Das ist meines Erachtens der entscheidende Unterscheid, weil es den Unterschied macht zwischen informierten, damit willigen und idealerweise sogar in die Richtung aufmerksamen Mitspielern und solchen, die unwissend da ggf sogar "Plotbomben" gebaut haben, spätestens aber wenn sie stinkig werden, wenn sie für völlig legitim angenommene Spielbeteiligung jetzt wiederholt die Schiene zu spüren bekommen. 
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: ArneBab am 25.08.2016 | 10:34
Für mich wird eine Spielerentscheidung erst dann entwertet, wenn sich die Spieler explizit gegen etwas bestimmtes entscheiden und die  SL es trotzdem durchdrückt.

Sumpf vs. Traumwelt: Ihre Entscheidung wurde berücksichtigt: Das Szenario hatte als Hintergrund die Traumwelt, wie sie es wollten, und damit ist die Traumwelt entsprechend festgelegt — der Sumpf aber nicht.

Im Endeffekt geht es um die Intention: Wenn die SL der Intention der Spielerinnen und Spieler zuwider handelt, ist es ein Problem. Oft sieht man das daran, was passiert, wenn Leute versuchen, aus dem Plot auszubrechen. Greift die SL auf Zwang zurück oder führt Szenen ein, die zwar formell der Entscheidung der Leute folgen, aber die  Intention brechen, dann war das die negative Form von Illusionismus. Greift sie die Entscheidung auf und ändert die Situation entsprechend der Intention der Spielerinnen und Spieler, dann war es die positive Form von Illusionismus.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Sethomancer am 25.08.2016 | 10:36
Ich denke es gibt drei Arten von Illusionismus:

1. Den von den Spielern erwartete Illusionismus (aka Einstieg in die Runde), im Prinzip wissen ja alle das am Anfang die Charaktere zu einer Gruppe zusammen gefügt werden, viele wollen aber den indivduellen Auftritt ihres SCs, quasi hat der Spieler die Pseudowahl ein Teil der Gruppe zu werden.
2. Den von den Spielern geduldete Illusionismus, also das "Wir nehmen den Auftrag an..." ... den wir wollen ja das vorbereitete Szenario spielen
3. Den ungewollten Illusionismus:, also das offiziell kannst Du tun was Du willst, aber wenn es nicht zu meinem Abenteuer passt verbiege ich es dann entsprechend.

Letzendlich sehe ich daw als eine Art Stufensystem, während Stufe 1 noch eine schöne Sandbox erlaubt (die ja auch ihre simulatorischen Grenzen hat, die gerne durch eine schöne Iluusion verdeckt werden), wird es ab Stufe 2 zum Railroading (was auf diesem Level auch sehr spaßig sein kann und durchaus seine Berechtigung hat) und Stufe 3 wird dann zum Railroading mit SL Tyrannei (da bin ich dann ziemlich schnell raus).

Daher denke ich ein bißchen Illusionismus ist sehr schön, auch wenn ich es als Spieler besser weiß gebe ich mich doch gerne der Illusion der totalen Handlungsfreiheit hin (die in Wahrheit schon allein von System und der Gruppe eingeschränkt wird), nur wenn ich "betrogen" werde, also Entscheidungen die klar in die Spielerkompetenz gehören entwertet werden macht mit das keinen Spaß mehr.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Wulfhelm am 25.08.2016 | 10:42
Illusionismus (das, was der Narr beschreibt ist keiner, das ist einfach Improvisation) nervt mich ungemein. Bei ehrlichem Railroading* kann man sich wenigstens zurücklehnen, die Show (mehr oder minder, je nach Güte) genießen und sich durch belangloses Charakterspiel einbringen. Beim Illusionismus tappt man dann stattdessen sinnlos im Dunkeln.

* Wie wäre es mal mit einem weniger hässlichen Wort dafür? Sowas wie scripted play vielleicht?
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: KhornedBeef am 25.08.2016 | 10:45
Ich dachte beim Illusionismus merkt man nicht, dass man geführt wird? Wo wäre sonst die Illusion? Oder ich sage mal so, wenn man im Dunkeln tappt, merkt man ja, dass was schief läuft.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: 1of3 am 25.08.2016 | 10:47
Die wesentliche Frage, ob bei so etwas nun Illusionismus vorliegt oder nicht, ist doch, ob hier eine Spielerentscheidung entwertet und dies dem Spieler verschleiert wird. Um zu erkennen, ob eine Spielerentscheidung entwertet wird, müsste man erst mal wissen, welche Entscheidung die Spieler treffen. Denn einfach nur nach a oder b gehen ist es nicht. Man geht ja aufgrund einer bestimmten Motivation nach a oder b. So lange diese Motivation bedient wird, sehe ich hier keinen Illusionismus.

Ja. Damit veranschaulichst du passend, was das Problem ist: Es geht nicht um die "Entwertung" einer "Entscheidung". Es geht um das Verrauchen Lassen von Investment. Spieler investieren in NSCs, in Locations, in Ereignisse. Das siehst du gut bei den Pilgern vom Narren: Die Spieler haben in diese Pilgergruppe investiert: Spielzeit, Planung, Sympathie. Das lässt man doch nicht verkommen.

Mein schönstes Beispiel war der Aufwand, den meine Werwolfgruppe gemacht hat, um die 16-Jährige (vermutliche) Waise an der örtlichen Schule anzumelden. Also sie haben erst mal gegooglet, welche Unterlagen man da in Colorado eigentlich braucht. Und wie die High School in dem Ort heißt. Und was weiß ich. Und da wäre es doch schade diese Energie und diesen Einsatz nicht zu nutzen. Ich konnte natürlich liefern, habe ich doch Gilmore Girls und Veronica Mars sehr genossen.

Problematisch wirds jetzt, wenn da jemand säße, der diese Begeisterung aus irgendwelchen Gründen nicht teilen und dieses Investment nicht recht bedienen kann oder mag. Das könnte enttäuschend wirken. In so einer Situation wäre es dann angebracht gewesen, wiederum frühzeitig zu kommunzieren. Am besten, wenn der betreffende Spieler verkündet sich eine Teenagerin zu bauen. Spätestens aber, wenn die entsprechende Planung so richtig los geht. Womöglich ließe sich dann auch ne Lösung finden, also vielleicht die anderen Mitspieler für Mithilfe tappen oder so.

Kurz und gut: Es muss es also irgendjemand, ob SL oder SC-Spieler, vorschlagen, was Plot sein soll. Dann müssen wir uns darüber einig werden, egal ob das nun Intrigen in Sharn oder High-School-Drama in Manitou Springs ist. Es kann durchaus gute Gründe geben, warum Beteiligte nicht möchten, dass dies oder jenes als Plot breiten Raum einnimmt: Weil sie sich nicht kompetent fühlen, weil sie keine Zeit haben sich einzuarbeiten, weil es sie thematisch nicht anfixt oder weil es sie irgendwie triggert.

Wir können diese Kommunikation intime oder outtime haben. Problematisch wirds, wenn diese Kommunikation fehlschlägt.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Maarzan am 25.08.2016 | 10:48
Illusionismus (das, was der Narr beschreibt ist keiner, das ist einfach Improvisation) nervt mich ungemein. Bei ehrlichem Railroading* kann man sich wenigstens zurücklehnen, die Show (mehr oder minder, je nach Güte) genießen und sich durch belangloses Charakterspiel einbringen. Beim Illusionismus tappt man dann stattdessen sinnlos im Dunkeln.

* Wie wäre es mal mit einem weniger hässlichen Wort dafür? Sowas wie scripted play vielleicht?

Siehe oben.
Je nachdem ob generell durchgescriptet wird und Spielerbeitrag nur Fluff ist oder ob nur an den Schlüsselstellen gebogen wird und der sonstige Ablauf frei ist Partizipismus oder Trailblazing.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Wulfhelm am 25.08.2016 | 10:53
Ich dachte beim Illusionismus merkt man nicht, dass man geführt wird?
Das dachten die Spielleiter, bei denen ich das erlebt habe, auch... war aber falsch gedacht. ;)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: KhornedBeef am 25.08.2016 | 10:56
Das dachten die Spielleiter, bei denen ich das erlebt habe, auch... war aber falsch gedacht. ;)
Spielleiter:
(https://media3.giphy.com/media/l2oMUSdSyTqb6/200.gif)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Greifenklause am 25.08.2016 | 10:59
Zu "Illusionismus und Railroading":
Ich gebe ja auch offen zu, dass es unter uns SL viele gibt und ich rechne mich dazu, die durchaus ihren Abenteuern ein Wunschende haben, von dem sie höchst ungern abweichen.
Da lässt man dann ungern "ausbrechen".
Aber auch zwischen "dem vorgeschriebenen Pfad/Zaunpfahl folgen", "auf dem Holzweg sein (also auch Sicht des Spielers)", "Ausbrechen, gut gemeint" und "Ausbrechen aus Bösartigkeit/Bräsigkeit" bestehen Unterschiede, aber fließende Grenzen.

Natürlich habe ich Probleme (also ich jedenfalls), wenn Spieler plötzlich ein Lösung aus dem Hut zaubern, mit der ich nur nicht gerechnet habe, sondern die auch meine vorbereitete "Plot-Abfolge" wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen lässt.
Und ja, dann tue ich dann schwer, das zu berücksichtigen. Früher hätte ich da mit "mächtigen NSC", stark erschwerten Proben oder stänigen Ergänzungen gearbeitet.
Heute versuche ich, das alternative Vorgehen der Spieler wenigstens im Ansatz zu berücksichtigen. Irgendwie halt.

Und wenn der Fall dann entsteht, dass ich von meiner Railroad nicht abspringen kann/will/sollte, dann versuche ich das alternative Vorgehen der Spielleiter halt durch diverse Goodies oder liebevolle Fluffergänzungen wenigstens zu honorieren als Austausch für einen Plotwechsel.

Oder um das Beispiel der Eisenbahn beim Railroading zu bemühen:
-- Sie werden in die erste Klasse upgedatet
-- Sie dürfen einen Blumenkorb und Gardinen am Fenster anbringen
-- Sie dürfen aus dem Fenster auf Bisons schießen

Immer noch Railroad und wenn gut verpackt Illusionismus, aber liebevoller.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Luxferre am 25.08.2016 | 11:10
Zitat von: FORGE
Illusionism
    A family of Techniques in which a GM, usually in the interests of story creation, story creation, exerts Force over player-character decisions, in which he or she has authority over resolution-outcomes, and in which the players do not necessarily recognize these features.

Ja. Sehr negativ behaftet.
Ausnahme: man redet VORHER darüber oder man kennt sich so gut, dass man nicht miteinander reden muss.

Ich kann Wellentänzers Fassungslosigkeit gut nachvollziehen. Wer Illusionismus gutheißt und Würfeldrehen (eine gängige Technik des Illusionismus) ablehnt, hat ein etwas zwiegespaltenes Verhältnis oder Verständnis zu/von einem der beiden Teile.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Greifenklause am 25.08.2016 | 11:16
@Luxferre
Dankeschön für die Klarstellung.
Ich verwende beides - oder alles- und hatte damit früher Probleme, aber heute nicht mehr.
Gerade, weil ich aus mehreren Methoden schöpfe, gerade weil man sich mehr Gedanken über die Spieler macht,
Kritik leichter annimmt und gar nicht mehr von "richtige Spielweise(tm)" ausgeht.
Und aus meiner Sicht: Weil der Spaß im Vordergrund steht und nicht "DAS ABENTEUER(tm)" oder "ich bin ein erfahrener Spielleiter mit einer voll geilen und voll lange ausgearbeiteten Idee(tm)".

Aufs Ergebnis kommt es an, die Details sind nicht unwichtig aber zweitrangig. Wenn Illusionismus zum Ziel führt, super! Wenn nicht, Vorsicht!
Wenn sie was kaputt macht, FINGER WEG!
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Luxferre am 25.08.2016 | 11:18
Wenn Illusionismus zum Ziel führt, super!

Wessen Ziel?
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: am 25.08.2016 | 11:20
Ja. Sehr negativ behaftet.
Ausnahme: man redet VORHER darüber oder man kennt sich so gut, dass man nicht miteinander reden muss.

Ich kann Wellentänzers Fassungslosigkeit gut nachvollziehen. Wer Illusionismus gutheißt und Würfeldrehen (eine gängige Technik des Illusionismus) ablehnt, hat ein etwas zwiegespaltenes Verhältnis oder Verständnis zu/von einem der beiden Teile.

Ja, absolut. Ich würde sagen: Wer das eine gutheißt und das andere ablehnt, hat ganz Fundamentales noch nicht verstanden. Leider.

Mich würde sehr interessieren, wie viele der Leute, die dem Ausgangspost in diesem Thread zustimmen, bei dieser Umfrage zum Würfeldrehen im Gegensatz dazu aus Sicht des SL mit "Nein" abgestimmt haben. Das waren ja immerhin gut 60% der Leute. Ich bin mir ehrlich gesagt sicher, dass viele davon gar nicht hinreichend begriffen haben, dass Würfeldrehen und Illusionismus im ihrem Wesenskern identisch sind.

Schade. Ich hatte gehofft, dass die Durchdringung des Themas bereits weiter fortgeschritten wäre. Das erodiert für mich auch die Basis einer Diskussion unter Gleichgesinnten. Ich komme mit absoluter Sicherheit zunehmend arrogant, autoritär und arschlochmäßig daher. Das liegt aber auch daran, dass ich mich teilweise wie ein Grundschullehrer fühle, der mit den Leuten erst mal das kleine 1x1 ausklamüsern muss. Frustrierend für alle Beteiligten. Insofern danke ich für diesen erhellenden Thread und verschwinde wieder ein bisschen in Torpor.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: KhornedBeef am 25.08.2016 | 11:28
Hm, naja, MOment. Theoretisch kann man Würfeldrehen als Regelbeugen = Schummeln auf der mechanischen Ebene sehen, und trotzdem auf der Ebene der, äh, Umweltkontrolle auf der Spielweltebene Illusionismus betreiben. Beispiel mit den Orks oder whatever oben: Wenn die Spieler einen Kampf nur knapp schaffen sollen und zu krass würfeln, dann kann man den Orks plötzlich unsichtbare Schadensresistenz geben, an deren Widerstandswürfeln (oder so) drehen, andererseits aber auch einfach Verstärkungen aus dem Busch springen lassen. Weisste was ich meine?
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 25.08.2016 | 11:30
Ja, danke für die Klarstellung. Dann wäre noch mal in Stein gegossen, dass ich nicht über Illusionismus geredet habe, wie über den Thread ja bereits klar wurde. Mein Missverständnis - ein zu breites Verständnis von Illusionismus - ist nun hinreichend geklärt. Mein Kenntnisstand war, dass selbst die nicht-linearen Abläufe von nebelland als verkappter Illusionismus gelten würden. Woher ich das habe, weiß ich nicht.

Ehrlich gesagt kann ich mir dann gar nicht mehr vorstellen, was eigentlich der Unterschied zwischen Railroading und Illusionismus ist bzw. zwischen Railroading und Illusionismus, bei dem die Tarnung aufgeflogen ist. Eventuell ist die Unterscheidung überhaupt nicht erforderlich und es handelt sich um einen Spielstil mit verschiedenen Ausprägungen. Dazu könnte man Parameter ausmachen. Aber andererseits... es lohnt auch nicht. Wichtiger finde ich, konkrete Techniken zu erarbeiten. Es besteht ja offenbar eine Unfähigkeit, selbst was Schummeln ist und wie man es einsetzt so zu beschreiben, dass ein Konsens hergestellt werden kann.

Hinzufügen möchte ich allerdings, dass Illusionismus nur dann negativ behaftet sein kann, wenn man diese Spielerentscheidungen und freie Wahl usw. als Spaßquelle oder Spielziel ausmacht. Das ist ja nicht bei jedem der Fall und dann ist Illusionismus auch nicht negativ behaftet. Ich würde diese negative Sichtweise also immer unter dem Vorbehalt sehen, dass es nicht universell sein kann, sondern nur aufgrund einer Vorstellung existieren kann, deren Zielvorstellungen und Spaßquellen mit denen des Illusionismus im Widerspruch stehen.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Maarzan am 25.08.2016 | 11:34
Ja, absolut. Ich würde sagen: Wer das eine gutheißt und das andere ablehnt, hat ganz Fundamentales noch nicht verstanden. Leider.

Mich würde sehr interessieren, wie viele der Leute, die dem Ausgangspost in diesem Thread zustimmen, bei dieser Umfrage zum Würfeldrehen im Gegensatz dazu aus Sicht des SL mit "Nein" abgestimmt haben. Das waren ja immerhin gut 60% der Leute. Ich bin mir ehrlich gesagt sicher, dass viele davon gar nicht hinreichend begriffen haben, dass Würfeldrehen und Illusionismus im ihrem Wesenskern identisch sind.

Schade. Ich hatte gehofft, dass die Durchdringung des Themas bereits weiter fortgeschritten wäre. Das erodiert für mich auch die Basis einer Diskussion unter Gleichgesinnten. Ich komme mit absoluter Sicherheit zunehmend arrogant, autoritär und arschlochmäßig daher. Das liegt aber auch daran, dass ich mich teilweise wie ein Grundschullehrer fühle, der mit den Leuten erst mal das kleine 1x1 ausklamüsern muss. Frustrierend für alle Beteiligten. Insofern danke ich für diesen erhellenden Thread und verschwinde wieder ein bisschen in Torpor.

Man kann das auch auf taktischer und strategischer Ebene trennen. Beim Illussionismus ist ja nicht festgelegt wie weit der Spielleiter die Kontrolle dann treibt.
Bleibt es auf der "strategischen" Ebene, z.B. dieses Abenteuer wird stattfinden egal wohin ihr geht, kann es immer noch eine "taktische" Ebene darunter geben, welche dann offen abgehandelt wird und für einen wesentlichen Teil der Spieler denke ich einen genügend guten Kompromiss darstellt, welche aber protestieren würden, wenn dann im Abenteuer bei ihren jeweiligen taktischen Aktionen dann auch noch Würfel gedreht würden oder spontane  "Sonderregeln" ihnen plötzlich regelmäßig ins Werk pfuschen würden.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Luxferre am 25.08.2016 | 11:38
Hm, naja, MOment. Theoretisch kann man Würfeldrehen als Regelbeugen = Schummeln auf der mechanischen Ebene sehen, und trotzdem auf der Ebene der, äh, Umweltkontrolle auf der Spielweltebene Illusionismus betreiben. Beispiel mit den Orks oder whatever oben: Wenn die Spieler einen Kampf nur knapp schaffen sollen und zu krass würfeln, dann kann man den Orks plötzlich unsichtbare Schadensresistenz geben, an deren Widerstandswürfeln (oder so) drehen, andererseits aber auch einfach Verstärkungen aus dem Busch springen lassen. Weisste was ich meine?

Illusionismus = Werkzeugkasten
Würfeldrehen = EIN Werkzeug daraus


Hinzufügen möchte ich allerdings, dass Illusionismus nur dann negativ behaftet sein kann, wenn man diese Spielerentscheidungen und freie Wahl usw. als Spaßquelle oder Spielziel ausmacht. Das ist ja nicht bei jedem der Fall und dann ist Illusionismus auch nicht negativ behaftet. Ich würde diese negative Sichtweise also immer unter dem Vorbehalt sehen, dass es nicht universell sein kann, sondern nur aufgrund einer Vorstellung existieren kann, deren Zielvorstellungen und Spaßquellen mit denen des Illusionismus im Widerspruch stehen.

Gilt doch für alle Schlagwörter.
Es gibt Gruppen, in denen Illusionismus oder nur ein Bruchteil dessen negativ behaftet ist. Es gibt Gruppen, die gehen voll auf Railroading ab. Es gibt Gruppen, die spielen seit Jahrzehnten, ohne jemals EIN Wort von diesem Theoriegedöns gelesen oder verstanden haben ... erfolgreich.
Es ist alles eine Sache der Gruppe und NIEMALS eine sakrosankte Wahrheit in irgendeinem Rollenspielforum ;)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Wulfhelm am 25.08.2016 | 11:39
Wer Illusionismus gutheißt und Würfeldrehen (eine gängige Technik des Illusionismus) ablehnt, hat ein etwas zwiegespaltenes Verhältnis oder Verständnis zu/von einem der beiden Teile.
Wieso denn das? Ich meine, ich finde weder das eine noch das andere so richtig gut, aber nur weil Würfeldrehen eine Technik ist, die man zwecks Illusionismus einsetzen kann, heißt das doch nicht, dass man sie nicht für anderes einsetzen kann.
Würfeldrehen wird nach meiner Erfahrung in fast allen Fällen benutzt, um das Ableben eines wichtigen (meistens: Spieler-) Charakters oder ähnlich einschneidende Ereignisse, die durch sehr unwahrscheinliche Würfelergebnisketten innerhalb des (meistens: Kampf-) Systems eintreten würden, nicht eintreten zu lassen. Im Grunde genommen ist das die unverregelte Vorstufe von Edge/Gummipunkten. Zum Einsatz mit dem Zweck, einen Plot ablaufen zu lassen oder Entscheidungen (statt Würfelergebnissen) zu entwerten, ist da erst mal gar nichts gesagt.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: KhornedBeef am 25.08.2016 | 11:40
Ja, danke für die Klarstellung. Dann wäre noch mal in Stein gegossen, dass ich nicht über Illusionismus geredet habe, wie über den Thread ja bereits klar wurde. Mein Missverständnis - ein zu breites Verständnis von Illusionismus - ist nun hinreichend geklärt. Mein Kenntnisstand war, dass selbst die nicht-linearen Abläufe von nebelland als verkappter Illusionismus gelten würden. Woher ich das habe, weiß ich nicht.

Ehrlich gesagt kann ich mir dann gar nicht mehr vorstellen, was eigentlich der Unterschied zwischen Railroading und Illusionismus ist bzw. zwischen Railroading und Illusionismus, bei dem die Tarnung aufgeflogen ist. Eventuell ist die Unterscheidung überhaupt nicht erforderlich und es handelt sich um einen Spielstil mit verschiedenen Ausprägungen. Dazu könnte man Parameter ausmachen.

Hinzufügen möchte ich allerdings, dass Illusionismus nur dann negativ behaftet sein kann, wenn man diese Spielerentscheidungen und freie Wahl usw. als Spaßquelle oder Spielziel ausmacht. Das ist ja nicht bei jedem der Fall und dann ist Illusionismus auch nicht negativ behaftet. Ich würde diese negative Sichtweise also immer unter dem Vorbehalt sehen, dass es nicht universell sein kann, sondern nur aufgrund einer Vorstellung existieren kann, deren Zielvorstellungen und Spaßquellen mit denen des Illusionismus im Widerspruch stehen.
Verstehe was du meinst. Der Unterschied besteht vielleicht, wie irgendwo anders gesagt, in der Geisteshaltung des SLs, oder aber im Maß der "Grobheit", mit der die Spieler auf die Schiene geschubst werden. Ich persönlich fühle mich wohl eher gerailroadet, wenn eine getroffene Entscheidung instantan, und sichtbar, durch die SL entwertet wird, als wenn ich eine Session später entdecke, dass eine bestimmte Aktion (auch in Spielweltlogik) überflüssig war. Vielleicht will ich mich ja übertölpeln lassen.

Oh, guter Gedanke, auch querverbindend zu "suspension of disbelief". Rollenspiel ist vielleicht wie ein Zauberkunststück. Ja, ich weiß intellektuell, dass der Zauberer mich dazu bringen muss, im richtigen Moment woanders hinzugucken, damit ich die Münze nicht sehe. Aber ich will dass er es gut macht, durch Charme und Fingerspitzengefühl, und nicht einfach sagt "guckt mal weg!" und danach sehe ich noch ganz eindeutig wo er die Hand verkrampft, um die zweite Münze zu halten.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: KhornedBeef am 25.08.2016 | 11:42
Illusionismus = Werkzeugkasten
Würfeldrehen = EIN Werkzeug daraus
[...]
Gee, thanks Captain!
Ich wollte ja auch nur darauf hinweise, dass es Wekrzeuge auf verschiedenen Ebenen gibt, und Leute eben Werkzeuge auf der einen Ebene nicht mögen (sagen wir weil sie Feen sind und die Werkzeuge aus Eisen) und auf einer anderen schon (z.B. einen Gummihammer mit Holzgriff).

Edit: Sorry für Konsekutivpost :(
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 25.08.2016 | 11:50
Man kann das auch auf taktischer und strategischer Ebene trennen. Beim Illussionismus ist ja nicht festgelegt wie weit der Spielleiter die Kontrolle dann treibt.
Bleibt es auf der "strategischen" Ebene, z.B. dieses Abenteuer wird stattfinden egal wohin ihr geht, kann es immer noch eine "taktische" Ebene darunter geben, welche dann offen abgehandelt wird und für einen wesentlichen Teil der Spieler denke ich einen genügend guten Kompromiss darstellt, welche aber protestieren würden, wenn dann im Abenteuer bei ihren jeweiligen taktischen Aktionen dann auch noch Würfel gedreht würden oder spontane  "Sonderregeln" ihnen plötzlich regelmäßig ins Werk pfuschen würden.
Ich würde hier von zwei Modi des Spiels sprechen, angelehnt an nebelland vom dramatischen und vom taktischen Modus. Spielt man "eigentlich" im dramatischen Modus, verwendet aber ein Regelwerk mit taktischen Sub-Systemen (z.B. Kampf in DSA4), besteht die Gefahr des Konflikts. Nämlich immer dann, wenn die Spieler im taktischen Sub-System auch den taktischen Modus erwarten, nämlich herausforderungsbasiertes, unparteiisches Spiel ohne eigene Agenda des SL (also nicht plotgetrieben, dramaturgiegetrieben, wie auch immer), der SL aber im dramatischen Modus verbleibt und z.B in Folge schummelt.

In DSA gibt es z.B. ein altes Abenteuer namens "Erben des Zorns". In diesem sollen die Spieler im Endkampf brav ihre Attacken würfeln, der Spielleiter hat aber gar keine Werte für den Endgegner und soll den Kampf einfach so gestalten, dass er spannend wird, sprich: der Spielleiter soll schummeln. Die Spieler werden betrogen - der taktische Modus wird überhaupt nicht angeworfen, sie machen nur Alibi-Würfe. Den Spielern wird vom Abenteuer unterstellt, dass auch wenn die Spieler vielleicht im voraus einverstanden damit waren, dass das Abenteuer in eine bestimmte Richtung gelenkt wird, sie auch damit einverstanden sind, dass im Endkampf der taktische Modus einseitig aufgehoben und damit zu einer Farce verwandelt wird - solang die Spieler das Gefühl haben, einen spannenden Kampf zu erleben. Und da fällt es mir in der Tat schwer, selbst neutral zu bleiben, denn ein SL der das mit mir machen wollte mit dem hätte ich ein ernstes Wörtchen zu reden. Bei uns war es übrigens damals so, dass der SL offen gesagt hat wie die Autoren sich den Endkampf vorstellen. Wir haben dann beschlossen, uns das nicht zu geben und den Endkampf komplett zu überspringen. ("Ihr gewinnt. War ganz toll spannend.")
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Wulfhelm am 25.08.2016 | 11:59
Illusionismus = Werkzeugkasten
Würfeldrehen = EIN Werkzeug daraus
Sehe nicht, wo diese Analogie passt. Zutreffender wäre:
Illusionismus = Kuchen.
Würfeldrehen = Zucker.

Ich kann Zucker aber auch nehmen, wenn ich sagen wir Kompott herstellen will und keinen Kuchen. Und ich kann auch mal Kuchen ohne Zucker machen (im Bild bleibend, z.B. wenn ich Illusionismus in einem würfellosen System betreibe.)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: 1of3 am 25.08.2016 | 11:59
Mich würde sehr interessieren, wie viele der Leute, die dem Ausgangspost in diesem Thread zustimmen, bei dieser Umfrage zum Würfeldrehen im Gegensatz dazu aus Sicht des SL mit "Nein" abgestimmt haben. Das waren ja immerhin gut 60% der Leute. Ich bin mir ehrlich gesagt sicher, dass viele davon gar nicht hinreichend begriffen haben, dass Würfeldrehen und Illusionismus im ihrem Wesenskern identisch sind.

Ne. Also abgesehen von der Tatsache, dass Dinge keinen Wesenskern haben (sprachliche Wende, you know), gibt es merkliche Unterschiede zwischen dem, was der Narr im Eingangsbeitrag beschrieben hat und der Lüge über ein Würfelergebnis.

Was nicht kommuniziert und nur in deinem Kopf ist, ist eben nur in deinem Kopf. Der Würfel liegt auf dem Tisch. Irgendwo dazwischen kommen NSC deren Werte, sowie  Herausforderungen deren Schwierigkeit man sich "nur so ungefähr" ausgedacht hat, so dass ein gewisser Interpretationsspielraum bei Würfelergebnissen herrscht. Weshalb ich als SL Spiele präferiere, wo ich keine Schwierigkeiten und NSC-Werte festlege. Oder dies nach so eindeutigen Verfahren passiert, dass Mauschelei sich offenbart.

So oder so gilt aber: Was nicht gesagt ist, ist nicht gesagt. Elemente sind erst gültig, wenn sie der Gruppe bekannt und akzeptiert sind. Was ich mir ausgedacht habe, zählt genauso wenig wie: "Mein Charakter ist halt so!" Also nicht.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Wulfhelm am 25.08.2016 | 12:14
In DSA gibt es z.B. ein altes Abenteuer namens "Erben des Zorns". In diesem sollen die Spieler im Endkampf brav ihre Attacken würfeln, der Spielleiter hat aber gar keine Werte für den Endgegner und soll den Kampf einfach so gestalten, dass er spannend wird, sprich: der Spielleiter soll schummeln. Die Spieler werden betrogen - der taktische Modus wird überhaupt nicht angeworfen, sie machen nur Alibi-Würfe.
Wenn wir schon mal beim DSA-Bashing sind, um Dinge zu verdeutlichen, nehmen wir doch mal mein Lieblingsbeispiel aus einem richtig alten Abenteuer:

Wenn die Helden das Seeufer erreichen, können sie entscheiden, ob sie auf der Piste nach Frigorn bleiben oder über den See fahren wollen. [...]Ganz gleich, für welche Möglichkeit sich die Helden entscheiden, sie geraten in jedem Fall in einen Hinterhalt der Yetis. [...]
Wahrscheinlich werden einige Spieler sehr empört auf den Yeti-Überfall reagieren, weil die Helden völlig chancenlos sind. Daran ist leider nichts zu ändern. Lassen Sie sich dennoch auf keine Kompromisse ein, weil sonst der Fortgang des Spiels gefährdet wäre.
Am besten verteidigen Sie sich offensiv gegen alle Vorwürfe: Wurden die Spieler auf dem See überfallen, sagen Sie: »Ihr hättet ja auf der Piste bleiben können, warum mußtet ihr unbedingt auf dem See herumrodeln?«
Sind die Helden aber auf der Piste geblieben, sagen Sie: »Man hat euch doch gewarnt: Haltet euch von Frigorn fern. Nun habt ihr die Bescherung!« Auf die Spieler warten noch eine Menge spannende Erlebnisse. Sie werden Ihnen den Überfall durch die Schneemenschen bald verziehen haben...


Unter dem Nordlicht... muss die Freiheit wohl eingegrenzt sein... ♫  >;D

Das ist die reinste, direkte (und meiner Erfahrung nach völlig erfolglose) Art von Illusionismus: Den Spielern einfach vorzulügen, es wären ihre Entscheidungen und nicht der unverrückbar feststehende Plot gewesen, die sie in die Bredouille gebracht hätten. (Das von Dir angesprochene: "Würfeln Sie den Kampf aus, aber das Ergebnis steht fest, wurde da in der Folge natürlich auch verwendet.)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Erg am 25.08.2016 | 12:27
Ist Illusionismus immer schlecht ?
Je nach Definition. Wenn Illusionismus getarntes Railroading ist (inkl. Entwerten von Spielerentscheidungen), dann ja.
Allerdings würde ich die Verwendung von "Schrödingers Dungeon", auf den die Gruppe trifft, egal ob sie rechts oder links geht, durchaus als Illusionismus betrachten. Die Illusion besteht im vorgaukeln eines kausalen Zusammenhangs zwischen Entscheidung und späterem Geschehen.
Ob das schlecht ist, hängt davon ab, warum die Gruppe rechts oder links geht.  Haben die Gründe mit dem Dungeon zu tun (z.B. nach links, denn rechts könnte ein Dungeon sein), dann wäre es schlecht, ihnen den Dungeon zwischen die Beine zu werfen. Hat die Entscheidung andere Gründe, sehe ich kein Problem, da wird die Entscheidung in keiner Weise entwertet (da über den Dungeon ja gar nicht entschieden wurde), sie hat auch Konsequenzen (fürderhin ist der Dungeon rechts bzw. links).
(über mein Unverständnis für die Auffassung, dem SL die Gestaltungsfreiheit bezüglich der Spielelemente nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Spiel zuzugestehen, der vor dem "Öffnen der Kiste" liegt, habe ich mich schon Andernorts geäußert)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: 1of3 am 25.08.2016 | 12:36
Am besten verteidigen Sie sich offensiv gegen alle Vorwürfe: Wurden die Spieler auf dem See überfallen, sagen Sie: »Ihr hättet ja auf der Piste bleiben können, warum mußtet ihr unbedingt auf dem See herumrodeln?«
Sind die Helden aber auf der Piste geblieben, sagen Sie: »Man hat euch doch gewarnt: Haltet euch von Frigorn fern. Nun habt ihr die Bescherung!« Auf die Spieler warten noch eine Menge spannende Erlebnisse. Sie werden Ihnen den Überfall durch die Schneemenschen bald verziehen haben...[/i]

Faszinierend. Als Nicht-DSAler habe ich sowas nie zu Gesicht bekommen. Übrigens auch Danke an Babo: Er ist der erste SL, der mir erzählt hat, er habe so etwas wie präferierte Ausgänge.

Die dem Meister angeratene Verteidigung ist aber eben keine. Also womöglich noch das: "Man hatte euch doch vor Frigorn gewarnt." Anders herum wird aber kein Schuh draus: Wenn nirgendwo angezeigt war, dass die Wahrscheinlichkeit für Yeti-Angriff auf dem Festland niedriger ist, verpufft das Argument. Wir wiederholen: Was nur in deinem Kopf ist, zählt in keine Richtung.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Greifenklause am 25.08.2016 | 12:43
Wessen Ziel?
Ziel= "Spaß". Stand doch im Post ?!

Genauer "Die Gesamtsumme des Spaßes aller Teilnehmer bei gleichzeitiger Beachtung eines Mindestspaßes jedes Teilnehmers!"

Manchmal verwirrst du mich, konnte man meinen Post echt falsch verstehen?
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Luxferre am 25.08.2016 | 12:49
Sehe nicht, wo diese Analogie passt. Zutreffender wäre:
Illusionismus = Kuchen.
Würfeldrehen = Zucker.

Ich kann Zucker aber auch nehmen, wenn ich sagen wir Kompott herstellen will und keinen Kuchen. Und ich kann auch mal Kuchen ohne Zucker machen (im Bild bleibend, z.B. wenn ich Illusionismus in einem würfellosen System betreibe.)

Möchtest Du ernsthaft darüber diskutieren, ob "Zutat in einem Kuchen" eine bessere Analogie ist, als "Werkzeug in einem Werkzeugkoffer mit der Beschriftung Illusionismus"?


Ziel= "Spaß". Stand doch im Post ?!
Genauer "Die Gesamtsumme des Spaßes aller Teilnehmer bei gleichzeitiger Beachtung eines Mindestspaßes jedes Teilnehmers!"
Manchmal verwirrst du mich, konnte man meinen Post echt falsch verstehen?

Ich wollte es nur klarer formuliert haben. Das Ziel "Spaß" kann auch der alleinige Spaß des SL mit seinem Script sein.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Rhylthar am 25.08.2016 | 12:52
Zitat
Es geht um das Verrauchen Lassen von Investment.
In diese Falle bin ich mal getappt...und bin nur mit Mühe wieder rausgekommen.

Celtic Double-Cross (Shadowrun):
Meine Spieler gehörten zu den klassischen "Planern"; dies machte ihnen total viel Spaß. Aus ihren Augen alles narrensicher abgedeckt (und ja, in der Nachbetrachtung gab es da nicht viele Schlupflöcher) und viel Spielzeit darin investiert. Naja, der Name des Abenteuers sagt es ja, sie wurden trotzdem beschissen. Ganz egal, was sie gemacht hätten, es wäre genauso gekommen.

Jo, da brauchte ich die ganz große Kelle, um die Suppe mit, vorsichtig ausgedrückt, irritierten Spielern (und einem Haufen SC, die in Tír na nÓg festhingen) wieder auszulöffeln.

Prinzipiell mag ich aber gut gemachten Illusionismus, sowohl als Spieler als auch SL.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: KhornedBeef am 25.08.2016 | 12:52
Möchtest Du ernsthaft darüber diskutieren, ob "Zutat in einem Kuchen" eine bessere Analogie ist, als "Werkzeug in einem Werkzeugkoffer mit der Beschriftung Illusionismus"?
Kuchen ist ein Ziel, Werkzeugkoffer....gnnn, ja, ich weiß, in diesem Zusammenhang aber nicht...
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Greifenklause am 25.08.2016 | 12:54
Ist Illusionismus immer schlecht ?
Je nach Definition. Wenn Illusionismus getarntes Railroading ist (inkl. Entwerten von Spielerentscheidungen), dann ja...

Nein, gerade DANN NICHT*.
Illusionismus ist die schönste Verpackung für Railroading. Manche Spieler wollen eben genau dieses:
Die Illusion, es sei kein Railroading.
Railroading, dass ich nicht erkenne, nehme ich sehr gerne hin.
Anders: Bei den meisten offiziellen Abenteuern steht das Ende fest.
Aber je schöner der Weg dorthin verpackt ist, je subtiler die Zaunpfähle sind, desto eher nehme ich das hin.
Insbesondere bei Großkampagnen.


*UU ergänze "Unter Umständen"

EDIT:
Denn uU ist es auch ne Frechheit, wenn die Spieler ausdrücklich kein Railroading wollen, also gar keines,
und der Spielleiter sie nach Strich und Faden verarscht, um sein Railroadabenteuer durchzuziehen.
Hingegen kenne ich viele Spieler, die "sanftes Railroading" bevorzugen oder sich zwar gerne "motivieren" lassen, in eine vom SL/Abenteuer befürwortete Richtung zu gehen, aber eben nur ungern "drängen".
Und solche Spieler kommen auch oft (nicht alle, aber hinreichend viele) damit klar, wenn man mit "korrigierten Würfelwürfen" arbeitet, SOFERN die GEDULDETE Täuschung nicht zu OFFENSICHTLICH ist.

Individuelle Motivation der individuellen SCs ist im Grunde auch nur ein Illusionistiktrick, um doch noch die Railroad fahren zu können.
Und ja, den finde ich gut und praktiziere ihn sehr oft.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Wulfhelm am 25.08.2016 | 12:57
Möchtest Du ernsthaft darüber diskutieren,
Nein, denn zu diskutieren gibt's da nichts. Ich kann Illusionismus betreiben, ohne an Würfeln zu drehen und ich kann an Würfeln drehen, ohne Illusionismus zu betreiben. Is' halt so.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Sethomancer am 25.08.2016 | 13:04
Nein, denn zu diskutieren gibt's da nichts. Ich kann Illusionismus betreiben, ohne an Würfeln zu drehen und ich kann an Würfeln drehen, ohne Illusionismus zu betreiben. Is' halt so.
ich kann auch einen Werkzeugkoffer ohne Hammer besitzen oder einen Hammer in der Schreibtischschublade unterbringen.

Tatsache ist, daß Illusionismus eine Sammlung von Methoden ist und Würfel drehen eine Methode die man unter Anderen in diesem Rahmen benutzen kann aber nicht zwangsläufig muss. Beide Beispiele ( Werkzeugkoffer-Werkzeug/ Kuchen-Zucker) sagen für mich da genau das gleiche aus.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Wulfhelm am 25.08.2016 | 13:24
Die dem Meister angeratene Verteidigung ist aber eben keine. Also womöglich noch das: "Man hatte euch doch vor Frigorn gewarnt." Anders herum wird aber kein Schuh draus: Wenn nirgendwo angezeigt war, dass die Wahrscheinlichkeit für Yeti-Angriff auf dem Festland niedriger ist, verpufft das Argument.
Joa, ist halt 'ne lahme Ausrede, und wirkte auch schon anno dazumal so.

Aber der vorgegebene Yeti-Überfall war ja nur die Spitze des... kicher... Eisbergs. Den Kampf, wenn es einen gab, hat man automatisch verloren, konnte aber nicht sterben, sondern wurde automatisch ohnmächtig geschlagen ("wovon sie sich aber schnell erholen") und aller Ausrüstung beraubt. Dann musste man in einem Ort Zuflucht suchen, wo einem nur ein böser Magier Obdach gewährte... nachdem er die Helden gezwungen hat, mit Blut einen magischen Zwangsvertrag zu unterschreiben, damit sie seinen Auftrag erfüllen, in dessen Verlauf sie die eigentliche gute NSC treffen, mit der sie zusammenarbeiten müssen, aber wenn das nicht so richtig klappt, zwingt besagte NSC sie mit ihrem umwerfenden Charisma dazu usw. usf.

Das Abenteuer gibt es noch für wenig Geld als PDF zu kaufen. Wenn man mal einen faszinierenden Einblick in die dunkle Vorzeit des deutschen Rollenspiels haben will, oder ein abschreckendes Fallbeispiel für übelstes Railroading braucht...  ;)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Maarzan am 25.08.2016 | 13:26
Ich sehe Illussionismus als eine Beschreibung eines Spieltyps (nicht Stil, weil es nur den SL so betrieben und angestrebt wird udn damit letztlich disfunktional ist) mit dem Spielziel einen bestimmten Handlungsfluss (ggf unterschiedlicher Tiefe des Zwangs) zu erzwingen.

Railroading (wobei das ja eigentlich schon wieder eine Sammlung ist)  und Würfeldrehen sind dann Werkzeuge dazu.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Luxferre am 25.08.2016 | 13:57
Nein, denn zu diskutieren gibt's da nichts. Ich kann Illusionismus betreiben, ohne an Würfeln zu drehen und ich kann an Würfeln drehen, ohne Illusionismus zu betreiben. Is' halt so.

Ich bleibe mal bei deiner Analogie.
Kuchen kann man ohne Zucker backen, schmeckt aber scheiße.
Ich habe einen Werkzeugkoffer, wo ich meine Werkzeuge benutzen kann, aber nicht muss.
Das Ergebnis ist das gleiche, aber Du hast eine Zutat kategorisch ausgeschlossen, während ich diese weiterhin dabei habe.

Muss man nicht diskutieren, gebe ich dir recht.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: KhornedBeef am 25.08.2016 | 14:10
[...]
Kuchen kann man ohne Zucker backen, schmeckt aber scheiße.
[...]
Geschmackssache!  >;D
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Crimson King am 25.08.2016 | 14:16
Railroading und Illusionismus sind keine Werkzeuge und keine Werkzeugsets, sondern soziale Interaktionen zwischen den Spielteilnehmern.

Würfeldrehen ist eine Technik, die innerhalb dieser sozialen Interaktion verwendet werden kann.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Luxferre am 25.08.2016 | 14:20
Railroading und Illusionismus sind keine Werkzeuge und keine Werkzeugsets, sondern soziale Interaktionen zwischen den Spielteilnehmern.

Würfeldrehen ist eine Technik, die innerhalb dieser sozialen Interaktion verwendet werden kann.

Danke fürs Aufdenbodendertatsachenholen  :d
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Wulfhelm am 25.08.2016 | 14:25
Geschmackssache!
Bei einem guten Honigkuchen ist Zucker doch nachgerade ein Sakrileg! :d

Das Ergebnis ist das gleiche, aber Du hast eine Zutat kategorisch ausgeschlossen, während ich diese weiterhin dabei habe.
Öh, was? Wie kommste denn auf sowas? Aber nur zur Klarstellung, weil dieser ganze Analogiekram offensichtlich nicht gerade erhellend wirkt:

Ich kann Illusionismus betreiben, ohne an Würfeln zu drehen und ich kann an Würfeln drehen, ohne Illusionismus zu betreiben. Is' halt so.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 25.08.2016 | 17:43
Hingegen kenne ich viele Spieler, die "sanftes Railroading" bevorzugen oder sich zwar gerne "motivieren" lassen, in eine vom SL/Abenteuer befürwortete Richtung zu gehen, aber eben nur ungern "drängen".
Ich bin am Überlegen, ob es so etwas wie „sanftes Railroading“ gibt, neige aber dazu, in solchen Fällen nicht von Railroading zu sprechen. Eine Richtung vorgeben kann man ja zum Beispiel leicht mit Auftraggeber. Dann folgt man Hinweisen und die führen nun mal irgendwo hin. Railroading nenne ich es immer da, wo Spielerhandlungen komplett entwertet werden. Und da denke ich dann eben an Abenteuer wie Erben des Zorns oder eben auch „Unter dem Nordlicht“ - das hatte ich seinerzeit auch *genau so* geleitet, als es für DSA3 als „Klassiker“ neu aufgelegt worden war.

In Erben des Zorns habe ich folgendes erlebt: In einer Region gab es eine Räuberbande, die Bauern entführt hat. Wir haben alles mögliche versucht, um Hinweise zu finden: Wir haben mit Bauern gesprochen, wir haben nach Fährten gesucht usw. usf. Alles ergebnislos. Denn das Abenteuer sah vor, dass eines Abends in der Taverne jemand auftaucht, der sog. Muchacho, der uns dann denn nächsten Hinweis gibt. Das ist für mich Railroading. Da wird nicht „eine Richtung“ vorgegeben, sondern es ist auch der Weg vorgegeben, wie man in diese Richtung zu gehen hat und willst du eine Abkürzung gehen oder nicht mal das, sondern willst lieber einfach die ländliche Route nehmen, bekommst du eins auf die Finger und wirst auf die Schienen zurückgescheucht. Gibst du nur die Richtung vor – z.B. die Bande von Kidnappern – kann immer noch freigestellt sein, wie die Spieler nun weiter vorgehen. Sie können eigene Lösungsstrategien entwerfen und einen eigenen Weg entdecken, das aufgezeigte Ziel zu erreichen.

Ich habe sehr lange unter einem Spielleiter gespielt, der die Richtung aufzeigt. Wir haben die Zaunpfähle auch immer dankbar aufgegriffen. Aber die Zaunpfähle haben uns immer nur gesagt: Was wollen wir erreichen? Sie haben nie gesagt: Wie wollen wir das tun? Natürlich gab es durch die Struktur des Abenteuers manchmal nur einen „logischen“ Weg. Aber auch das ist für mich noch lange kein Railroading. Das ist so wie die Schwäche eines Vampirs. Wenn der Vampir nur durch einen Pflock durch das Herz getrieben zu töten ist, dann ist es doch kein Railroading, wenn die Spieler herausfinden, dass sie den Vampir so töten müssen und nun einen Pflock benötigen, um ihn dem Vampir durchs Herz zu treiben. Wenn die Spieler das Gerücht aufschnappen, dass es in der Gegend eine Bande von Kidnappern gibt (= in eine Richtung schicken), fangen sie an, Hinweise zu sammeln. Vielleicht befragen sie Zeugen, untersuchen Tatorte, sprechen mit den Behörden... Wenn die Hinweise sich dann zu einem Bild formen und sie daraus z.B. erahnen, in welchem Gebiet die Kidnapper ihr Lager haben und sie dort weiter erkunden, ist das doch auch kein Railroading. Da werden die Spieler doch nicht zu etwas gezwungen oder gedrängt.

Aus meiner Sicht wird das klar, wenn man Abenteuer wie Erben des Zorns oder auch Unter dem Nordlicht heranzieht. In Unter dem Nordlicht gibt es ja sogar diesen epischen Endkampf, ðer zwischen NSC abläuft und die Spieler zu Zuschauern degradiert. Wenn ich mich recht erinnere, wurden dort Plot-Devices (magische Barrieren) eingesetzt, damit die Spieler auch ja nicht eingreifen können.

Aus einem DSA-Abenteuer kann ich ein anderes gutes Beispiel bringen. Da gibt es einen Vorlesetext, an dessen Ende die Spieler mit einem Riesen konfrontiert sind. Unterbrechen die Spieler den SL um zu reagieren, sol der SL sie ermahnen ihn ausreden zu lassen. Beschweren die Spieler sich am Ende, nun einen Riesen vor sich zu haben, soll er ihnen sagen, sie hätten halt eher sagen sollen dass sie weglaufen wollen. Das ist Railroading. Geskriptete Szenen, in denen man nicht eingreifen kann und die die Spieler erleiden müssen, ganz passiv.

Damit das nicht nur nach DSA-Bashing aussieht: Auch die Witchfire-Kampagne für Iron Kingdoms enthält diverse Railroading-Elemente, da müsste ich nur genauer reinschauen - es ist da aber auch verwirrend, da die Kampagne auch sehr viele Freiheiten lässt und z.B. voller Dungeons ist, das Hauptproblem war IIRC ein Mary-Sue-NSC, der die Spieler mehrfach begleitet sowie ein paar geskriptete Szenen. Kürzlich bin ich auch in Savage Worlds über ein PPK-Abenteuer gestolpert, in dem ein NSC per Plot Device immun gemacht wurde – er kann mit Mitteln des Spiels nicht besiegt werden. Seine Superkraft funktioniert genau so, dass er einfach nicht besiegt werden kann - bis zu einem späteren Zeitpunkt, an dem er nicht mehr „wichtig“ ist.

Naja. Daher bin ich skeptisch mit „sanften Railroading“. Entweder ist das gar kein Railroading oder es ist gar nicht so sanft wie gemeint... Ansonsten läuft man m.E. Gefahr, Railroading so breit aufzufassen, dass der Begriff nicht viel mehr sagt als "der SL hat ein Abenteuer vorbereitet".
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Rhylthar am 25.08.2016 | 19:29
@ Der Narr:
Neuer Sport: Threadübergreifendes Zitieren!

Habe hier rauskopiert, mehr dann bei den AP und Railroading!
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Eulenspiegel am 25.08.2016 | 19:35
Aber der vorgegebene Yeti-Überfall war ja nur die Spitze des... kicher... Eisbergs. Den Kampf, wenn es einen gab, hat man automatisch verloren, konnte aber nicht sterben, sondern wurde automatisch ohnmächtig geschlagen ("wovon sie sich aber schnell erholen") und aller Ausrüstung beraubt. Dann musste man in einem Ort Zuflucht suchen, wo einem nur ein böser Magier Obdach gewährte... nachdem er die Helden gezwungen hat, mit Blut einen magischen Zwangsvertrag zu unterschreiben, damit sie seinen Auftrag erfüllen, in dessen Verlauf sie die eigentliche gute NSC treffen, mit der sie zusammenarbeiten müssen, aber wenn das nicht so richtig klappt, zwingt besagte NSC sie mit ihrem umwerfenden Charisma dazu usw. usf.
Ja, die Eisenbahnschienen sind dort offensichtlich. Aber von Illusion ist dort nichts zu bemerken.

Ganz am Anfang mit dem Yeti-Überfall versucht der Autor ja wenigstens, ein wenig Illusion zu erzeugen. Auch wenn ihm das nicht gelingt. Aber später im Abenteuer unternimmt er nichtmal den Versuch der Illusion, sondern zeigt die Eisenbahnschienen ganz offensichtlich.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: 1of3 am 25.08.2016 | 19:50
Also ich steh ja voll auf Vorlesetexte. Dann aber richtig. Für Star Wars Saga - Dawn of Defiance gabs zum Beispiel für jeden Abschnitt der Kampagne einen star-wars-mäßigen Trailer auf Youtube, wo der Text wie es sich gehört in die Weiten des Weltalls entschwindet. (https://www.youtube.com/watch?v=Uv6B-HD8uJY)

Und was geskriptete Szenen angeht, Spiele wie Fate erlauben solche Szenen ganz explizit. Kriegst halt nen Fatepunkt dafür. (Die Methode findet sich häufiger.)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: ArneBab am 25.08.2016 | 21:35
Ja, absolut. Ich würde sagen: Wer das eine gutheißt und das andere ablehnt, hat ganz Fundamentales noch nicht verstanden. Leider.
Will heißen: Deine Definition von Illusionismus ist kein Konsens. Das ist ein wichtiges Ergebnis.

der mit den Leuten erst mal das kleine 1x1 ausklamüsern muss.
Das heißt, es braucht mehr Grundlagenarbeit, um Definitionen zu finden, denen sich alle Beteiligten anschließen können.

Was dafür allerdings nicht funktioniert ist, eine Methode zu definieren, mit der sich Leute identifizieren, die aber von der Definition rein negativ besetzt wird.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: ArneBab am 25.08.2016 | 21:42
Denn uU ist es auch ne Frechheit, wenn die Spieler ausdrücklich kein Railroading wollen, also gar keines,
und der Spielleiter sie nach Strich und Faden verarscht, um sein Railroadabenteuer durchzuziehen.
Wenn eine SL sagt „ihr habt alle Freiheiten“ und wir die dann doch nicht haben, dann stört mich das. Wenn mir jemand sagt „wir spielen immer hart nach den Regeln“, aber dann höchstens alle paar Jahre mal ein SC stirbt, dann stört mich das in einer Diskussion aus prinzipiellen Gründen (aber weniger im praktischen Spiel: Ich mag keinen Charaktertod).

Wer nicht mit diesen Prämissen anfängt, sondern den Anderen klar sagt, dass er oder sie auch eigene Ideen umsetzen will, hat als SL viel mehr Freiheit.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: ArneBab am 25.08.2016 | 21:47
Da wird nicht „eine Richtung“ vorgegeben, sondern es ist auch der Weg vorgegeben, wie man in diese Richtung zu gehen hat und willst du eine Abkürzung gehen oder nicht mal das, sondern willst lieber einfach die ländliche Route nehmen, bekommst du eins auf die Finger und wirst auf die Schienen zurückgescheucht.
Das klingt für mich nach typischen 2000-er Computerrollenspielen. Selbst wenn du schon weißt, mit welcher Methode du die Tür aufkriegst, musst du trotzdem erst noch den richtigen Statisten fragen. Vorher funktioniert die Methode nicht (meist, weil einen sonst die Gegner hinter der Tür im Handumdrehen zerlegen würden).
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: ArneBab am 25.08.2016 | 21:50
Faszinierend. Als Nicht-DSAler habe ich sowas nie zu Gesicht bekommen.
Ich habe das auch als Ex-DSAler nie zu Gesicht bekommen ☺ (trotz der 20-30 DSA-Abenteuer hier neben mir, die ich größtenteils sehr gut finde — auch die Sieben Gezeichneten, obwohl wir nur bis zu Siebenstreich kamen).
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Maarzan am 25.08.2016 | 21:55

Wer nicht mit diesen Prämissen anfängt, sondern den Anderen klar sagt, dass er oder sie auch eigene Ideen umsetzen will, hat als SL viel mehr Freiheit.

Findet dann aber ggf keine Mitspieler.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Eulenspiegel am 25.08.2016 | 21:57
Lieber kein Rollenspiel als schlechtes Rollenspiel. Ich halte nicht viel davon, mich zu verbiegen. Das trifft sowohl für mich als Spieler als auch für mich als SL zu.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Maarzan am 25.08.2016 | 22:00
Lieber kein Rollenspiel als schlechtes Rollenspiel. Ich halte nicht viel davon, mich zu verbiegen. Das trifft sowohl für mich als Spieler als auch für mich als SL zu.

Ja, aber der Spielleiter, der zu manipulieren und täuschen bereit ist, hat eben die Gelegenheit sich unter falscher Flagge eine Runde zu besorgen und hofft dann damit durch zu kommen.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: ArneBab am 25.08.2016 | 22:05
Da gibt es einen Vorlesetext, an dessen Ende die Spieler mit einem Riesen konfrontiert sind. Unterbrechen die Spieler den SL um zu reagieren, soll der SL sie ermahnen ihn ausreden zu lassen. Beschweren die Spieler sich am Ende, nun einen Riesen vor sich zu haben, soll er ihnen sagen, sie hätten halt eher sagen sollen dass sie weglaufen wollen. Das ist Railroading. Geskriptete Szenen, in denen man nicht eingreifen kann und die die Spieler erleiden müssen, ganz passiv.
Hier gibt es zwei Aspekte: Es gibt eine geskriptete Szene, und es gibt Betrug.

Durch „wenn sie dich unterbrechen, sag ihnen, sie sollen dich ausreden lassen“ plus „sag ihnen halt, sie hätten dich unterbrechen sollen“ werden die Spielerinnen und Spieler betrogen.

Würde die SL aber sagen „Jetzt kommt eine Vorleseszene, bitte lasst sie mich zu Ende führen, ich verspreche euch, dass es spannend wird“, dann ist das kein Betrug, sondern klare Prämisse des Spiels: Jetzt sind die Spielerinnen und Spieler grade nicht dran. Entsprechend werden sie auch nicht versuchen, etwas zu tun, das entwertet würde.

„Überblendung: Ihr steht auf dem Bergpfad. Vor euch verbreitert er sich in eine Schlucht, hinter euch stürzen Steine in die Tiefe. Dann hört ihr Schläge wie Donnergrollen. Der Boden bebt, dann taucht ein riesenhafter Kopf am Ende der Schlucht auf. Ein Riese tritt in die Schlucht und versperrt euch den Weg, in der Hand einen monströsen Eichenstamm. Ihr seid dran. Was tut ihr?“

Damit das geht, muss allerdings abgestimmt sein, wie weit die SL im Spiel festlegen darf, was passiert.

Wenn das nicht klar ist, passiert sowas wie das folgende:

SL: „Plötzlich springt ein Schatten vom Dach und landet direkt zwischen euch. Er flüstert: »Wagt euch nicht weiter vor, sonst werdet ihr unseren Zorn spüren…«“

Spieler: „Er ist nicht gepanzert, oder? Wieviel Schaden macht eigentlich meine Flechette-Pistole Point-Blank auf die Schläfe? Ich drück ab.“

Mit diesen Worten verging ein aufwändig erschaffener NSC. Manchmal war ich als Spieler wirklich nicht nett. Heute würde ich das vermutlich nicht mehr machen, sondern die SL sanft darauf hinweisen, dass es geschickter wäre, den NSC woanders zu plazieren, weil es sonst wenig plausibel ist, dass er die Begegnung überlebt. Oder wenigstens ein paar Hinweise auf versteckte Scharfschützen zu streuen…
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: ArneBab am 25.08.2016 | 22:08
Findet dann aber ggf keine Mitspieler.
Dann haben wir ein Kommunikationsproblem (in der Rollenspielgemeinschaft).

Eigene Ideen umsetzen zu wollen heißt ja nicht, dass die Spielerinnen und Spieler nur dem Plot der SL zu folgen haben. Sobald ich ein gekauftes Abenteuer leite ist klar, dass die Handlung sich in einem bestimmten Rahmen bewegen wird.

PS: Sorry für die vielen Beiträge in Folge. Ich habe den Thread heute Abend erst angefangen zu lesen und Aspekte gesehen, die ich noch nicht ausreichend beantwortet fand…
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Maarzan am 25.08.2016 | 22:17
Dann haben wir ein Kommunikationsproblem (in der Rollenspielgemeinschaft).

Eigene Ideen umsetzen zu wollen heißt ja nicht, dass die Spielerinnen und Spieler nur dem Plot der SL zu folgen haben. Sobald ich ein gekauftes Abenteuer leite ist klar, dass die Handlung sich in einem bestimmten Rahmen bewegen wird.


Kommunikation ist eine gute bis unersetzliche Grundlage für einen gemeinsamen Gruppenstart.
Aber wenn die Geschmäcker dann zu weit auseinander liegen, kann das Ergebnis der Kommunikation eben immer noch ein allgemeines "Ohne mich!" sein.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Wulfhelm am 25.08.2016 | 22:24
Durch „wenn sie dich unterbrechen, sag ihnen, sie sollen dich ausreden lassen“ plus „sag ihnen halt, sie hätten dich unterbrechen sollen“ werden die Spielerinnen und Spieler betrogen.
Eigentlich noch nicht mal betrogen, sondern einfach plump angelogen. "Haha, ihr hättet eben sagen müssen, dass ihr weglauft und..." "DU HAST GERADE NOCH GESAGT, WIR SOLLEN DICH AUSREDEN LASSEN, DU ARSCH! Ich geh' nach hause. Verhohnepiepeln kann ich mich selber!"  >;D

Zitat
Würde die SL aber sagen „Jetzt kommt eine Vorleseszene, bitte lasst sie mich zu Ende führen, ich verspreche euch, dass es spannend wird“, dann ist das kein Betrug, sondern klare Prämisse des Spiels: Jetzt sind die Spielerinnen und Spieler grade nicht dran. Entsprechend werden sie auch nicht versuchen, etwas zu tun, das entwertet würde.
So muss man es an sich machen; es gibt allerdings eventuell immer noch Probleme, wenn es dem Empfinden der Spieler nach (wenn die auf so was Wert legen) zu unplausibel wird - wenn z.B. der Bösewicht seine lange Ansprache hält, während die Zeitbombe schon am Ticken ist und die SC einfach brav zuhören sollen.

Ich persönlich find's ja im Rollenspiel gerade schön, wenn die Handlungen nicht nach den Klischeemustern von Groschenromanen ablaufen, sondern die abgefahrenen, auch gerne mal ruchlos effizienten Lösungen der Spieler zum Tragen kommen.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: nobody@home am 25.08.2016 | 23:04
Ich persönlich find's ja im Rollenspiel gerade schön, wenn die Handlungen nicht nach den Klischeemustern von Groschenromanen ablaufen, sondern die abgefahrenen, auch gerne mal ruchlos effizienten Lösungen der Spieler zum Tragen kommen.

Schon richtig...solange man dabei nicht vom einen Extrem ins andere fällt und jetzt diese "ruchlos effizienten Lösungen" ständig anstandslos durchwinkt. Ein bißchen Herausforderung darf durchaus auch dabei noch sein, und der eine oder andere Fiesling darf ruhig die Evil Overlord List wenigstens ausschnittsweise gelesen haben. (Ich meine, ehrlich, wer mit drei Gehirnzellen im Kopf hält schon einen langen Monolog vor noch freien und bewaffneten Feinden?) ;)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: ArneBab am 26.08.2016 | 01:37
Kommunikation ist eine gute bis unersetzliche Grundlage für einen gemeinsamen Gruppenstart.
Aber wenn die Geschmäcker dann zu weit auseinander liegen, kann das Ergebnis der Kommunikation eben immer noch ein allgemeines "Ohne mich!" sein.
Das ist klar, aber eher unwahrscheinlich, wenn die SL mit „etwas eigene Ideen“ nicht meint, dass ein Großteil der Geschichte nach ihrer Vorstellung ablaufen muss. Zumindest wenn die Kommunikation klappt, und die andern nicht bei „etwas eigene Ideen“ denken es wäre gemeint „ihr tut was ich sage“.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Maarzan am 26.08.2016 | 07:57
Das ist klar, aber eher unwahrscheinlich, wenn die SL mit „etwas eigene Ideen“ nicht meint, dass ein Großteil der Geschichte nach ihrer Vorstellung ablaufen muss. Zumindest wenn die Kommunikation klappt, und die andern nicht bei „etwas eigene Ideen“ denken es wäre gemeint „ihr tut was ich sage“.

Nach meiner erafhrung ganz und gar nicht unwahrscheinlich. Es gibt nicht umsonst die ganzen Theorien und Typisierungen, warum denn verschiedene Leute am Spieltisch nicht miteinander können.

Und wenn die Spieler Alternativen haben (und sei es auf Brett- oder Kartenspiele auszuweichen oder eben ins Kino zu gehen oder sich einer aus ihren reihen dann doch breitschlagen läßt etwas zu leiten, mehr noch aber bei mehreren Angeboten) dann muss der Spielleiter eben etwas passendes anbieten.

Ich sehe eine Kernursache für all die Systemkriege und flamewars gerade da drin, dass die einzelnen, teilweise inkompatiblen Teilgruppen des Hobbies um potentielle Mitspieler ringen.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: ArneBab am 26.08.2016 | 11:35
Nach meiner erafhrung ganz und gar nicht unwahrscheinlich. Es gibt nicht umsonst die ganzen Theorien und Typisierungen, warum denn verschiedene Leute am Spieltisch nicht miteinander können.

Und wenn die Spieler Alternativen haben (und sei es auf Brett- oder Kartenspiele auszuweichen oder eben ins Kino zu gehen oder sich einer aus ihren reihen dann doch breitschlagen läßt etwas zu leiten, mehr noch aber bei mehreren Angeboten) dann muss der Spielleiter eben etwas passendes anbieten.

Ich sehe eine Kernursache für all die Systemkriege und flamewars gerade da drin, dass die einzelnen, teilweise inkompatiblen Teilgruppen des Hobbies um potentielle Mitspieler ringen.
Ich glaube, dass der Großteil dieser Kriege von einer sehr kleinen Untergruppe gefochten wird und der Großteil der Leute dann halt nutzt, was sie schon haben oder was grade von der kleinen Gruppe als Hip erkämpft wurde.

Es gibt ein paar wenige Leute, mit denen ich persönlich nicht kann. Mit denen möchte ich nicht spielen. Ansonsten hatte ich bisher schon bei den verschiedensten Spielen und den verschiedensten Stilen Spaß.

Deswegen denke ich, dass mit etwas Offenheit in fast allen Gruppen ein Kompromiss gefunden werden kann, der allen Beteiligten viel Spaß macht.

Den Ansatz „Typisierungen, warum denn verschiedene Leute am Spieltisch nicht miteinander können“ finde ich deswegen schon völlig falsch gedacht. Der richtige Ansatz wäre: „Wie können wir dafür sorgen, dass verschiedene Leute, die sich persönlich mögen, zusammen Spaß haben können, selbst wenn ihre Spielstile sich unterscheiden?“

Wir sind als Rollenspieler schon eine kleine Gruppe. Jetzt noch die Hälfte der Leute auszuschließen, weil sie einen anderen Spielstil haben, halte ich nicht für sinnvoll.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Maarzan am 26.08.2016 | 12:00
Ich glaube, dass der Großteil dieser Kriege von einer sehr kleinen Untergruppe gefochten wird und der Großteil der Leute dann halt nutzt, was sie schon haben oder was grade von der kleinen Gruppe als Hip erkämpft wurde.

Es gibt ein paar wenige Leute, mit denen ich persönlich nicht kann. Mit denen möchte ich nicht spielen. Ansonsten hatte ich bisher schon bei den verschiedensten Spielen und den verschiedensten Stilen Spaß.

Deswegen denke ich, dass mit etwas Offenheit in fast allen Gruppen ein Kompromiss gefunden werden kann, der allen Beteiligten viel Spaß macht.

Den Ansatz „Typisierungen, warum denn verschiedene Leute am Spieltisch nicht miteinander können“ finde ich deswegen schon völlig falsch gedacht. Der richtige Ansatz wäre: „Wie können wir dafür sorgen, dass verschiedene Leute, die sich persönlich mögen, zusammen Spaß haben können, selbst wenn ihre Spielstile sich unterscheiden?“

Wir sind als Rollenspieler schon eine kleine Gruppe. Jetzt noch die Hälfte der Leute auszuschließen, weil sie einen anderen Spielstil haben, halte ich nicht für sinnvoll.

"oder was gerade von einer kleinen Gruppe als hip verkauft wurde"

Und genau daran entzünden sich dann die flamewars


Lange Zeit gab es überhaupt keine "Sprache" für einen Kompromis. Da hat der andere, der anders spielte als man selbst gewohnt war einfach "falsch" gespielt.
Was sind da Stunden an Streitgesprächen ins Land gegangen damals.

Mir hat damals GDS extrem geholfen doe Positionen meiner Mitspieler überhaupt erst zu verstehen und damit auch was ich anbieten kann, um mit ihnen zu Kompromissen zu kommen.

Der unüberbrückbare Disput lag dann aber nicht in GDS sondern "quer" dazu: Weg vs. Ziel.
Manche Leute waren nicht an der Entwicklung im Spiel selbst interessiert, sondern an dem erzielten Ergebnis. Und das läßt sich eben so nicht sichern, außer alle Leute gehen konform und ziehen in eine Richtung oder einer gibt gegen abweichende Meinungen die Richtung verbindlich vor.
Ersteres benötigt keinen Kompromiss, letzteres erlaubt keinen.

Und weil wir eine kleine Gruppe sind und nicht jeder passende Mitspieler finden, gibt es den Kampf mit Klauen und Zähnen um die paar Neulinge und Unentschlossenen bzw. das "Räubern" in fremden Gefilden durch Täuschung und Manipulation.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Isegrim am 26.08.2016 | 12:33
Ich sehe eine Kernursache für all die Systemkriege und flamewars gerade da drin, dass die einzelnen, teilweise inkompatiblen Teilgruppen des Hobbies um potentielle Mitspieler ringen.

Ein verwandtes Hobby hatte diese Diskussion schon. Inwieweit die was gebracht hat... war und ist Anlass für die flame wars der Zukunft... Hach, da kommen Erinnerungen hoch...

http://www.larpwiki.de/Meinung/Spielphilosophie/TeilungDerLARPSzene
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 26.08.2016 | 13:21
Wobei ich den Eindruck habe, dass eine etwaige Teilung eher mit den Thematischen Rollenspielen aufkam. In der Community ist diese Teilung stark bestritten worden. Ich kenne aber nur sehr, sehr wenige, die TRS neben RS überhaupt spielen wollen und ich kenne niemanden persönlich, der nur TRS spielt. Die Mehrheit der Spieler die ich kenne spielt nur RS. Das spricht ja eigentlich für eine Teilung und dass die Teilung schon recht weit vorangeschritten ist, so dass man auch in eher homogenen Gruppen spielt.

Die Forge hat sicher ihren Teil beigetragen, zum Beispiel mit Definitionen von Spielweisen, die deutlich abwertend sind und das unter der Annahme, dass diese Definitionen universell sind. Und dann kommen eben auch noch Leute wie der RPG Pundit dazu, die über andere Spielstile einfach nur ablästern. Und wenn man dann meint, dass sei das Hobby, hat man ein echtes Problem.

Heutzutage kämpfen wir mit einem Begriffsinventar, das einerseits in Stein gemeißelt ist - die Forge hat das damals so definiert, daher darf man den Begriff nicht anders defineren oder verstehen - andererseits aber auch offensichtlich ungenügend ist, um unsere Spielerfahrungen zum Ausdruck zu bringen. Viele dieser Begriffe rufen auch Verunsicherung hervor, gerade wenn sie negativ behaftet sind und ein bisschen kann man dann auch nachvollziehen, warum Spieler darauf mit Spott oder Angriffen reagieren.

Toll fand ich z.B. auch das Gespräch zwischen Zak Smith und John Wick (https://www.youtube.com/watch?v=jFqVdN09iyg), wo man bei John Wick finde ich merkt, was für Verwirrung die theoretische Auseinandersetzung mit Rollenspiel haben kann, wenn man den Bezug zum Spielen verliert.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Maarzan am 26.08.2016 | 13:26
"Thematisches Rollenspiel" kann ich jetzt begrifflich mal nicht füllen.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 26.08.2016 | 13:30
Das war der Gegenbegriff zu ARS (Abenteuerrollenspiel) und wurde von Verfechtern des ARS als "anderes Hobby" deklariert. Wo genau der Begriff des thematischen Rollenspiels (TRS) her kam, weiß ich auch nicht. Gemeint war im Grunde, salopp gesagt, so modernes Indiezeugs mit Metaressourcen. Viele haben es als Abwertung ihrer Spielweise verstanden und dabei übersehen, weil die ARS-Verfechter ihre Spielweise schon als das "eigentliche" oder "ursprünglichere" Rollenspiel sahen.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Horadan am 26.08.2016 | 14:19
Das ist für mich Railroading. Da wird nicht „eine Richtung“ vorgegeben, sondern es ist auch der Weg vorgegeben, wie man in diese Richtung zu gehen hat und willst du eine Abkürzung gehen oder nicht mal das, sondern willst lieber einfach die ländliche Route nehmen, bekommst du eins auf die Finger und wirst auf die Schienen zurückgescheucht.
Das ist doch mal eine gute Definition des Begriffes :headbang:
Für mich jedenfalls ist das das erste Mal, dass ich das so lese und sage: "Ja, passt!" (Aber wahrscheinlich gab's das vorher auch schon und ich hab's halt nur nicht gesehen ...)

Im Übrigen finde ich den Faden hier echt hilfreich :d , also weitermachen. 8) ;)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Glühbirne am 26.08.2016 | 14:27

Heutzutage kämpfen wir mit einem Begriffsinventar, das einerseits in Stein gemeißelt ist (...)

Ist es das? Ich hätte die Spieweise im Eingangspost nie für Illusionismus gehalten. Für ökonomisches Vorbereiten, aber nicht für Illusionismus. und wenn du heute in einem interessiertem Forum, wie hier im Tanelorn User nach Illusionismus fragst, wird jeder irgendwas anderes dafür halten. Es ist eben keine Naturwissenschaft.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: ArneBab am 26.08.2016 | 15:44
Ist es das? Ich hätte die Spieweise im Eingangspost nie für Illusionismus gehalten. Für ökonomisches Vorbereiten, aber nicht für Illusionismus. und wenn du heute in einem interessiertem Forum, wie hier im Tanelorn User nach Illusionismus fragst, wird jeder irgendwas anderes dafür halten. Es ist eben keine Naturwissenschaft.
Das stimmt zwar, aber das hindert Leute ja nicht daran, ihre Definition als die einzige korrekte anzusehen — was, soweit ich es verstanden habe, genau das Argument war, warum es ein Problem ist.

Für Einzelne in Stein gemeißelt, nur eben nicht bei Allen das gleiche. Und das macht eine Diskussion schwierig, weil man erstmal definieren muss, worüber man eigentlich diskutiert — und was die zur Definition genutzten Begriffe bedeuten.

(selbst bei „Entscheidungen entwerten“ bin ich mir nicht sicher, ob wir alle das gleiche darunter verstehen)
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: 1of3 am 26.08.2016 | 16:08
(selbst bei „Entscheidungen entwerten“ bin ich mir nicht sicher, ob wir alle das gleiche darunter verstehen)

Interessante Frage.  Es gibt hier natürlich das hübsche Forenspiel "Spielerentscheidungen entwerten" (http://tanelorn.net/index.php/topic,53993). Hier geht es darum wie der missgünstige Dschinn die Handlung des Spielers ins Gegenteil zu kehren, mit negativen Auswirkungen zu spicken oder sonstig zu einem schlechten Ende zu führen.

Das tut wohl niemand. Und wenn es jemand mit Absicht täte, hätte die Person wohl alsbald keine Mitspieler mehr. Ich hatte ja oben schon mal die Theorie geäußert, dass das entsprechende Gefühl eintritt, wenn Investment nicht honoriert wird und dies eigentlich gemeint ist. Zur Vermeidung des selben wäre als festzuhalten:

- Achte darauf, wofür deine Mitspieler brennen.

Und anders herum:

- Zeig dein Squee.

Wenn jetzt jemand eine Interpretation hat, die zu meiner nicht zu passen scheint, mag ich sie gern lesen.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 27.08.2016 | 07:57
Squee? Das Wort war mir gänzlich unbekannt und ich finde dazu nur "Gekreische".

Dass unter der Entwertung von Entscheidungen verschiedenes verstanden werden kann, glaube ich sofort. Das macht es ja so schwierig, diese Dinge zu klären und ruft auch Unverständnis hervor - wie das von Wellentänzer, der nicht versteht, wie ich einerseits Würfeldrehen ablehnen kann und so spielleite wie im Eingangspost beschrieben, der sogar meine Äußerungen für Propaganda für Illusionismus hält, während wieder andere mit Verweis auf die Forge ablehnen, dass meine Beispiele überhaupt unter den Typus Illusionismus fallen. Da herrschen also ganz offensichtlich deutliche Diskrepanzen vor, was man unter "Würfeldrehen", "Illusionismus", "Entwertung von Spielerentscheidungen" versteht. Mein Verständnis von Illusionismus und Entwertung von Spielerentscheidung ist in diesem Thread auch vertieft worden.

"Entwertung von Spielerentscheidungen" finde ich auch sehr schwer zu definieren. Es ist ja auch gut und richtig, dass nicht jede Entscheidung zum Erfolg führt. Eine schlechte Entscheidung bleibt ja eine schlechte Entscheidung. In der Praxis ist das ja eine Aussage, die sich auch sehr stark auf Gefühle und Befindlichkeiten bezieht - fühlt sich jemand gegängelt oder in eine Richtung gezwungen? Dann hat man schnell so etwas wie „Railroading ist es, wenn die Spieler es merken“, was vielleicht gar nicht die schlechteste Definition ist: „Entwertet ist eine Entscheidung, wenn der Spieler sie entwertet fühlt.“

Ich finde auch, dass nur weil man nicht nach Geschmack der Spieler leitet und ihnen Puderzucker in den Arsch bläst, es sich nicht gleich um Entwertung ihrer Entscheidungen handelt. Handlungen haben Konsequenzen. Eine Entwertung liegt im Grunde doch dann vor, wenn eine Handlung nicht die angemessenen Konsequenzen trägt - also auch im positiven Sinne, nicht nur im negativen Sinne. Der Spieler macht etwas Idiotisches, der SL lässt das durchgehen, weil es sein Abenteuer gefährt - ist ja auch eine Entwertung der Entscheidung, obwohl der Spieler vielleicht gar nicht die Absicht hatte, etwas Idiotisches mit idiotischer Konsequenz zu machen, sondern einfach nur nicht nachgedacht hat. Dem Spieler widerfährt also etwas positives (er bekommt eine angemessene negative Konsequenz nicht zu spüren), trotzdem wäre es eine Entwertung. Natürlich hakt diese Vorgehensweise wieder daran, dass niemand sagen kann, was nun eine „angemessene Konsequenz“ wäre :). Aber ich würde z.B. Ablehnen, das Honorieren von Investment als Entwertung zu bezeichnen. Das Investment mag ja toll sein, aber wenn die Entscheidung des Spielers nicht zum Erfolg führt, führt sie nicht zum Erfolg. Da hatte ich aber auch neulich eine (kurze) Diskussion mit einem Spieler. Ich hatte die Spieler würfeln lassen, ob sie ein Versteck finden. Das Finden des Verstecks war erforderlich, damit ein bestimmtes Problem ("Abenteuer") erfolgreich gelöst werden kann, also ein Flaschenhals. Es war mir als interesseloser SL aber nun egal, ob die Spieler das Versteck finden, wann sie es finden und ob sie das Problem überhaupt erfolgreich lösen. In dem Fall wurde die Probe (unter zudem schlechten Bedingungen) vergeigt, sie haben das Versteck nicht gefunden. Die Spieler haben sich angestrengt und sich eine Strategie überlegt, das Versteck zu finden (Beschatten von Leuten usw.), die dann auch zum Erfolg führte. Für mich als SL eine gelungene Sache. Nun meinte ein Spieler aber, er hätte die Spieler das Versteck einfach sofort finden lassen, weil es ja für den Fortgang der Geschichte wichtig war. Ich kann das nachvollziehen, es so machen zu wollen, für mich wäre aber gerade das doch auch eine Entwertung gewesen. Wenn die Spieler nun mal unvorbereitet, nachts und allein ein größeres Gebiet absuchen, wird das von mir als ziemlich schlechte Entscheidung bewertet (bessere Entscheidung wäre tagsüber zu suchen und Helfer einzuspannen), also habe ich - nach ganz normalen SL-Rechten, da braucht man keine goldene Regel für - eine Probe verlangt, getreu dem Motto: Sie könnten das Versteck finden, sie könnten es aber auch übersehen.

Das Potential zur Spielerentwertung hat man also eigentlich immer, wenn man eine Probe würfelt: „Wieso muss ich würfeln, ob ich den Baum hoch komme, das Schloss knacke, den Hyperraum-Plot richtig berechne - das entwertet ja total meine Entscheidung.“

Von Entwertung kann man eigentlich nur reden, wenn man in einer konkreten Situation dem eine andere Bewertung entgegenstellen könnte, die aus irgendwelchen Gründen als die „eigentlich angemessene“ erscheinen muss. Aber für dies irgendwelchen Gründe braucht man nun Kriterien, sonst ist die Definition unvollständig.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Rhylthar am 27.08.2016 | 08:22
"Entwertung von Spielerentscheidungen" ist für mich schwer zu greifen, weil es ein sehr universaler Ausdruck ist, der bei mir folgende Fragen aufwirft:

a) Sind alle Spielerentscheidungen gleichwertig?
b) Wie findet die "Entwertung" statt?
c) Was sind die Konsequenzen der "Entwertung" für den Spieler/seinen SC?
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: KhornedBeef am 27.08.2016 | 08:32
"Entwertung von Spielerentscheidungen" ist für mich schwer zu greifen, weil es ein sehr universaler Ausdruck ist, der bei mir folgende Fragen aufwirft:

a) Sind alle Spielerentscheidungen gleichwertig?
b) Wie findet die "Entwertung" statt?
c) Was sind die Konsequenzen der "Entwertung" für den Spieler/seinen SC?
Ich wäre da bereit mit der guten alten "porn"- Definition zu arbeiten: Du erkennst es, wenn du es siehst. Das reicht für die meisten Fälle.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: 1of3 am 27.08.2016 | 08:39
Squee? Das Wort war mir gänzlich unbekannt und ich finde dazu nur "Gekreische".

Das Geräusch das Teenies von sich geben, wenn sie etwas toll finden. Oder allgemeiner das auslösende Gefühl. Wir sollten alle mehr Squee haben.

Also: Niemand kann auf das eingehen, was du willst, wenn du nicht deutlich zeigst, wofür du dich begeisterst.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 27.08.2016 | 08:40
Mir fällt da ein gutes Beispiel ein.

Meiner Meinung nach wird ja der berühmte Kiesow-Artikel "Auf ein Wort" gerne sehr einseitig gelesen.

Darin gibt es das Beispiel, in dem ein Spieler Krokodile im Sumpf abrichten möchte, mit seinem hohen Abrichten-Wert. Der SL würgt das ab. Gemeinhin wird das gerne als Beispiel angeführt, was für ein böser Railroading-SL das ist, der Spieler-Entscheidungen einfach entwerte und abwürgt, während angeblich Kiesow das Verhalten des SL gut fndet. Meine Meinung ist ja, dass auch der SL hier als Negativ-Beispiel dient - weder Spieler noch SL kommen gut weg. Aber jetzt mal konkret die Krokodile.

Da sind ein paar wilde Krokodile im Sumpf und der Spieler will sie mit einer Probe abrichten und auf ihnen reiten? Sag mal geht es noch?

Die Vorstellung ist so abwegig, da wäre ich als Spielleiter auch erstmal baff.

Läuft für mich in einer Kategorie mit einer Situation, die ich mal in einer Hotzenplotz-Fantasy-Runde erlebt habe: „Ich renne den Baum hoch und hole den McGuffin aus der Baumkrone." Sorry what? Du läufst den Baum hoch? Hast nen tollen Athletik-Wert und kannst das deshalb? Ach, das müsste schon so klappen weil du ja so schnell bist?

So etwas nicht zu erlauben ist doch keine Entwertung von Spielerentscheidungen.

Das ist auch etwas, was im Kiesow-Artikel gesagt wird. Wenn die Spieler Bullshit labern, bekommen sie halt vom SL Bullshit zu hören.

Da gelangt man dann tatsächlich in den Bereich sozialer Kompetenz: Wie geht man damit um, wenn ein Spieler Bullshit labert und mit seiner Abrichten-Probe mal eben ein paar Krokodile als Reit-Krokodile abrichten möchte? Es ist natürlich besser, in diesem Fall zu erklären, warum man das nicht macht, das mann stärker realitätsbezogen spielt und man auch mit einem hohen Abrichten keine Zauber vollbringen kann und dann könnte man erklären, was er realistisch mit einer Abrichten-Probe erreichen könnte. Also kein "Ja, aber" sondern "Nein, aber".

Aber wie gesagt: Vielerorts wird diese SL-Handlung, die Probe nicht zu gestatten, als ach so schlimme Entwertung durch einen Kiesow-zertifizierten Erzählonkel verstanden. Dabei hat das ganz viel erstmal mit Konventionen, Suspension of Disbelief usw. zu tun. Ein Konflikt ist natürlich da, da die Krokodil-Sequenz für den Spieler ja kein Immersionsbruch wäre, wenn er jetzt auf den Krokodilen reiten würde - aber beim SL würde es ja zum Immersionsbruch führen (weil es nicht zu seiner Vorstellung von Genre, Setting usw. passt), also hat er auch ein Recht zum Veto und wenn er mit goldener Regel spielt (was in DSA wahrscheinlich ist) ist es ja auch sein gutes Recht, zum Wohl der Runde (und Durchsetzung des kohärenten Genres und Settings) seine Auslegung durchzusetzen. In einer demokratischen Runde könnte man an solch einer Stelle auch eher andere Spieler zu Wort kommen lassen und am Ende könnte tatsächlich der Beschluss stehen, dass man fantastischer spielen möchte wo die Helden schon mal spontan in 5 Minuten Krokodile zum Reiten abrichten.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: KhornedBeef am 27.08.2016 | 08:50
. In einer demokratischen Runde könnte man an solch einer Stelle auch eher andere Spieler zu Wort kommen lassen und am Ende könnte tatsächlich der Beschluss stehen, dass man fantastischer spielen möchte wo die Helden schon mal spontan in 5 Minuten Krokodile zum Reiten abrichten.
Wenn sich jemand so offen gegen meine Vorstellung  der Spielweltlogik stellt, würde ich genau das machen : Hey Leute, was  glaubt ihr? Es ist aber völlig legitim, wenn man sich als Gruppe auf ein Genre festlegt und die SL  in erster Instanz Hüter dessen ist. Bei richtig steifem Gegenwind würde ich immer noch die Gruppe fragen, aber das ist rein persönlich. Man kann der SL  auch absolute Autorität geben und nach der Session Feedback holen.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Glühbirne am 27.08.2016 | 09:08
Mir fällt da ein gutes Beispiel ein.

Meiner Meinung nach wird ja der berühmte Kiesow-Artikel "Auf ein Wort" gerne sehr einseitig gelesen.

Darin gibt es das Beispiel, in dem ein Spieler Krokodile im Sumpf abrichten möchte, mit seinem hohen Abrichten-Wert. Der SL würgt das ab. Gemeinhin wird das gerne als Beispiel angeführt, was für ein böser Railroading-SL das ist, der Spieler-Entscheidungen einfach entwerte und abwürgt, während angeblich Kiesow das Verhalten des SL gut fndet. Meine Meinung ist ja, dass auch der SL hier als Negativ-Beispiel dient - weder Spieler noch SL kommen gut weg. Aber jetzt mal konkret die Krokodile.

Da sind ein paar wilde Krokodile im Sumpf und der Spieler will sie mit einer Probe abrichten und auf ihnen reiten? Sag mal geht es noch?

Die Vorstellung ist so abwegig, da wäre ich als Spielleiter auch erstmal baff.

Läuft für mich in einer Kategorie mit einer Situation, die ich mal in einer Hotzenplotz-Fantasy-Runde erlebt habe: „Ich renne den Baum hoch und hole den McGuffin aus der Baumkrone." Sorry what? Du läufst den Baum hoch? Hast nen tollen Athletik-Wert und kannst das deshalb? Ach, das müsste schon so klappen weil du ja so schnell bist?

So etwas nicht zu erlauben ist doch keine Entwertung von Spielerentscheidungen.

Das ist auch etwas, was im Kiesow-Artikel gesagt wird. Wenn die Spieler Bullshit labern, bekommen sie halt vom SL Bullshit zu hören.

Da gelangt man dann tatsächlich in den Bereich sozialer Kompetenz: Wie geht man damit um, wenn ein Spieler Bullshit labert und mit seiner Abrichten-Probe mal eben ein paar Krokodile als Reit-Krokodile abrichten möchte? Es ist natürlich besser, in diesem Fall zu erklären, warum man das nicht macht, das mann stärker realitätsbezogen spielt und man auch mit einem hohen Abrichten keine Zauber vollbringen kann und dann könnte man erklären, was er realistisch mit einer Abrichten-Probe erreichen könnte. Also kein "Ja, aber" sondern "Nein, aber".

Aber wie gesagt: Vielerorts wird diese SL-Handlung, die Probe nicht zu gestatten, als ach so schlimme Entwertung durch einen Kiesow-zertifizierten Erzählonkel verstanden. Dabei hat das ganz viel erstmal mit Konventionen, Suspension of Disbelief usw. zu tun. Ein Konflikt ist natürlich da, da die Krokodil-Sequenz für den Spieler ja kein Immersionsbruch wäre, wenn er jetzt auf den Krokodilen reiten würde - aber beim SL würde es ja zum Immersionsbruch führen (weil es nicht zu seiner Vorstellung von Genre, Setting usw. passt), also hat er auch ein Recht zum Veto und wenn er mit goldener Regel spielt (was in DSA wahrscheinlich ist) ist es ja auch sein gutes Recht, zum Wohl der Runde (und Durchsetzung des kohärenten Genres und Settings) seine Auslegung durchzusetzen. In einer demokratischen Runde könnte man an solch einer Stelle auch eher andere Spieler zu Wort kommen lassen und am Ende könnte tatsächlich der Beschluss stehen, dass man fantastischer spielen möchte wo die Helden schon mal spontan in 5 Minuten Krokodile zum Reiten abrichten.

Das denke ich mir genauso jedesmal, wenn jemand darüber einen Rant schreibt. Tausend dank für diese Worte. ;D
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: nobody@home am 27.08.2016 | 09:21
Das Potential zur Spielerentwertung hat man also eigentlich immer, wenn man eine Probe würfelt: „Wieso muss ich würfeln, ob ich den Baum hoch komme, das Schloss knacke, den Hyperraum-Plot richtig berechne - das entwertet ja total meine Entscheidung.“

Umgekehrt gibt's natürlich auch den Ansatz: "Wieso habe ich eigentlich Eigenschaften/Fertigkeiten/wasauchimmer auf meinem Bogen stehen, auf die wir nie würfeln, weil der SL das alles eh im Alleingang entscheidet? Das entwertet doch total meinen Charakter!" (In dem Fall sogar "entwerten" im Wortsinne, weil es ja gerade die Spielwerte des besagten Charakters sind, die nicht zum Tragen kommen...) ;)

Läßt sich mMn einigermaßen entschärfen, wenn man Proben nicht einfach immer nur lapidar als "klappt/klappt halt nicht" abhandelt. Ein Versteck muß gefunden werden, damit das Abenteuer weitergehen kann? Okay, dann fällt "ihr findet das halt nicht" als Fehlschlagsoption eben aus -- dann wird die interessante Frage vielleicht eher "wie schnell findet ihr das Versteck und was geht dabei schief, wenn ihr eure Suche so richtig vergeigt?"
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: 1of3 am 27.08.2016 | 09:39
Kann man machen. Gefällt mir dann trotzdem nicht. Dieser Ansatz geht davon aus, dass der Charakterbogen so eine Art Beschreibung ist, auf die man im Bedarfsfall zurückgreift. Das halte ich für verfehlt. Ich will einen Charakterbogen als Interface. Es muss vorher klar sein, wann man welchen Knopf drücken kann. Und diese Knöpfe sind bitte wohl unterschieden, wirksam und anschaulich.

Das Abrichten in dem Spiel, aus dem das Beispiel kommt, ist eben nichts davon.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 27.08.2016 | 10:03
Ja. Leider gibt es viele Spiele, in denen nicht erklärt wird, was man mit den Fertigkeiten überhaupt erreichen kann. Wahrscheinlich sind das sogar die meisten klassischen, fertigkeitsbasierten Rollenspiele. Wenn dann auch nicht ausreichend erläutert wird, wie man sich mit den Spielern darauf verständigt, was die Fertigkeiten bedeuten, kann es zu Konflikten im Spiel kommen. Darum gab es wohl in Spielen wie D&D 3 den Versuch, Fertigkeiten positiv zu definieren, also nicht einfach nur eine Fertigkeit mit einer vagen Beschreibung hinzuklatschen, sondern konkret zu benennen was man damit kann und wie das funktioniert. Entweder erlaubt die Regel dann das Abrichten von Krokodilen im Sumpf (und dann hat der Spieler ein Recht darauf, es nach diesen Regeln auszuführen) oder die Regel erlaubt dies nicht.

Ich habe es so verstanden, dass diese Spielart mit klaren Handlungsmöglichkeiten (wie in einem Brettspiel - du kannst genau die eindeutig definierten Züge ausführen), die keine Rulings im Old-School-Sinne erfordern, als "New School" bezeichnet wird. Ein Beispiel wäre Savage Worlds, wo bei den Fertigkeiten immer wieder konkret steht, was man damit machen kann und wie sie funktionieren.

Versucht man ein Spiel auf New-School-Art zu spielen, das aber überhaupt nicht die nötigen Antworten und Lösungen liefert (z.B. eben einen Abrichten-Skill mit Wert liefert, ohne aber eindeutig zu klären, was man damit machen kann), führt es zum Konflikt. Der Spieler will von seinem Recht Gebrauch machen, eine Probe auf Abrichten abzulegen und sich die Krokodile untertan zu machen (für ihn logische Konsequenz), während der SL dieses Recht in der puren Existenz der Fertigkeit nicht gefragt sieht und ein Ruling aussprechen möchte ("Die Regel liefert überhaupt keine Antwort darauf, ob man damit aus wilden Krokodilen Reit-Krokodile machen kann, also entscheide ich das jetzt.") Der Spieler sieht sich in seinen Rechten untergraben, der SL fühlt sich in seiner Autorität angegriffen.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Rhylthar am 27.08.2016 | 10:15
Und selbst bei D&D 3.5 kann es zum Konflikt kommen:
Kann man nur das, was bei den Fertigkeiten steht, oder sind dies Beispiele, an denen man sich als SL/Spieler orientieren kann/sollte/muss?
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Der Nârr am 27.08.2016 | 10:26
Stimmt, das kommt dann auch noch dazu.
Titel: Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
Beitrag von: Bad Horse am 4.09.2016 | 13:39
Ich habe die Diskussion über Charakterbeschreibungen mal abgetrennt und hierhin verschoben: http://www.tanelorn.net/index.php/topic,99642.0.html