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Pen & Paper - Spielsysteme => Weitere Pen & Paper Systeme => Cypher System => Thema gestartet von: Viral am 12.09.2016 | 19:29

Titel: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Viral am 12.09.2016 | 19:29
irgendwie werde ich mit Numenera einfach nicht warm. Ich lese diese ganzen begeisterten Kommentare und Blogeinträge dazu und bei mir verstaubt das englische Regelwerk im Schrank, weils mich nicht anmacht. Evtl. hab ich auch zuviel von Numenera erwartet und es konnte nur meine hohen Erwartungen enttäuschen.

Im Einzelnen haben mich vorallem diese Dinge gestört:

- es gibt keine genauen Definitionen bzw. Angaben zu elementaren Dingen der Spielwelt. Z. B. was sind die Welten 1 - 8 so mal ganz konkret. Dann wird mir auch noch verkauft, dass es toll ist keine genauen Angaben zu haben, weil dadurch das Erzählen unterstützt wird ... ich denk mir bei solchen Aussagen, die waren wohl schlicht unmotiviert, das mal auszuformulieren und verkaufen mir es als "It is not a bug, it´s a feature."

- auch diese Intrusion-Punkte. Warum sollte ich das jetzt gut bzw. besser finden. Jetzt hab ich da so ne Metaressource die mir angibt, ob ich die Spieler zu oft geärgert hab. Ich fand manche Beispiele für Intrusions auch merkwürdig ... keine Ahnung, ob das folgende Beispiel im Buch war oder in einem Beitrag: Charakter seilt sich ab, der SL lässt das Seil reissen.
Dafür müssen Intrusionpunkte gezahlt werden ... ich find das schon doof, dass das Seil überhaupt reisst. Abenteurer werden doch ein halbwegs brauchbares Seil gekauft haben ... klar Abnutzung, schlechte Lagerung etc. ich find immer nenn Grund ... aber ich find so "Arsch-Geficke" nicht gut.

Für mich liest sich das Regelwerk streckenweise wie ein Core-Regelwerk für ein generisches System.

Evtl. kann man mich trotz meiner Bedenken trotzdem begeistern ... 

Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Achamanian am 12.09.2016 | 20:01
Die Intrusions-Beispiele sind teilweise echt bescheuert, auch, weil da ganz landläufige "Patzer" beschrieben werden, und die einfach nach belieben SC reinzuwürgen, geht m.E. gar nich. Der Mechanismus an sich ist, wenn man Verantwortungsvoll damit umgeht, allerdings spitze - man spart sich als SL jede Menge Kopfzerbrechen darüber, wann genau welche Wendung jetzt gerechtfertigt ist, wenn man weiß, dass die Spieler sowieso immer eine Belohnung bekommen, wenn das Schicksal gegen sie arbeitet.

Die lückenhaft beschriebe Welt ist halt genau das ... ich empfinde das tatsächlich eher auf der Feature-Seite, weil für sich genommen wahnsinnig viele tolle Ideen drinstecken, aber man muss schon selbst ein bisschen Zusammenhänge und Kontinuitäten stiften, damit sich das wie eine Runde Welt anfühlt.

Ansonsten verweise ich noch mal auf diesen Beitrag von mir:

http://www.tanelorn.net/index.php/topic,99566.msg134414500.html#msg134414500
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Viral am 12.09.2016 | 20:24
danke für das Video, zieh ich mir dann noch rein.

An sich bastle ich auch sehr gerne Welten zusammen, aber wenn ich ein Buch für den Preis kaufe, erwarte ich zumindest etwas mehr als - wir bieten schönen Fluff, aber den Hintergrund darfst du dir selber zurechtbiegen. Für mich fühlt sich das einfach unvollständig an und ich komm mir etwas vereppelt vor ... aber über Geschmack lässt sich bekanntlich viel streiten.

Ich hoffe ja noch, dass ich mal auf einer Con eine Runde spiele, die mich begeistern kann.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Deep_Impact am 13.09.2016 | 07:55
irgendwie werde ich mit Numenera einfach nicht warm. Ich lese diese ganzen begeisterten Kommentare und Blogeinträge dazu und bei mir verstaubt das englische Regelwerk im Schrank, weils mich nicht anmacht. Evtl. hab ich auch zuviel von Numenera erwartet und es konnte nur meine hohen Erwartungen enttäuschen.

Erstmal glaube ich nicht, dass man jeden heißen Scheiß gut finden muss bzw. dass es einen flashen muss. Manchmal ist es einfach überhyped Standardkost, manchmal stimmt die Chemie nicht und manchmal ist es eben doch nur dampfende K***e. Während ich das Cypher System nach der ersten Demo sofort gut fand, war Numenera bestenfalls Liebe auf den zweiten Blick.

GM Intrusions sind ein leidliches Dauerthema, es gibt etliche Artikel, die sich nur um diesen Aspekt drehen und selbst die Macher scheinen erkannt zu haben, dass die Beispiele im GRW nicht so richtig gut waren. Eine Intrusion ist glaube eher als Angebot zu verstehen und nicht als ein Reinwürgen. Davon ab, hab ich das glaub schon etliche male geschrieben, ist die Benennung der Resource als EP ganz großen Unsinn, denn das löst den rollenspielerischen Hort-Reflex aus und das Abwehren einer Intrusion wird damit als Bestrafung empfunden.
Ich würde auch unterscheiden zwischen der freiwilligen und der erzwungenen Intrusion. Ersteres ist das Angebot einer Komplikation, wobei sich der GM nie sicher sein kann, ob sie angenommen wird. Damit sollten es auch wirklich Dinge sein, die das Spiel bereichern und nicht zwingend sind. Letztere sind in der Regel die typischen 1er-Patzer. Die kann man wie in jedem anderen Regelwerk abhandeln oder interessanter gestalten. Aber auch hier gilt das gleich wie in jedem anderen Spiel, die Auswirkung eines Patzer unterliegen der Kreativität der am Tisch sitzenden.

Diese ganze "Alles ist wierd und das ist gut so!"-Sache in Verbindung mit eher schlanken Setting-Informationen ist schon Geschmackssache. Aber wenn man den Teil nicht mag, sollte man vielleicht einfach mal versuchen die 08/15-Numenera-Regeln in ein Setting zu übertragen in dem man sich sicher fühlt. Ja, ein klassisches Fäntelalter Aventurien wird sich vielleicht etwas komisch anfühlen mit Charakteren die "reitet den Blitz" oder "Existiert Teils Phasenverschoben" haben - aber machbar wäre es. Es gibt ja auch mehr als genug säkulare Fokusse.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Achamanian am 13.09.2016 | 08:11


An sich bastle ich auch sehr gerne Welten zusammen, aber wenn ich ein Buch für den Preis kaufe, erwarte ich zumindest etwas mehr als - wir bieten schönen Fluff, aber den Hintergrund darfst du dir selber zurechtbiegen. Für mich fühlt sich das einfach unvollständig an und ich komm mir etwas vereppelt vor ..

Meine Erwartungen waren da tatsächlich auch erst ein bisschen enttäuscht, das Buch verspricht ja schon eine Weltbeschreibung - man bekommt dann eben eher einen Baukasten.
Das Feature daran ist, dass die Bauteile aber wirklich Ready-to-Use-sind - wenn man sich keinen zu großen Kopf macht, kann man die jederzeit und überall ohne viel Vorbereitung verwenden und sehen, was sich aus ihnen ergibt. Eigentlich das gleiche Prinzip wie bei der Charaktererschaffung - man steckt ein paar Teile zusammen und spielt dann einfach mal mit dem Zeug, was rauskommt, und in der Regel funktioniert das auch.

Tatsächlich habe ich beim Lesen auch mehr den Wunsch nach einer konsistenten, durchgestylten Welt. Beim Spielen/Leiten habe ich aber erfahrungsgemäß mehr Spaß an diesen Ideensteinbrüchen - meine beiden letzten langen Runden waren Ashen Stars und Numenera, die beide so aufgebaut sind.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Aendymion am 13.09.2016 | 09:54
Die Sache mit dem Ideenbaukasten und der inkonsistenten Weltbeschreibung wird ja oft kritisiert. Da aber gerade diese Freiheit und diese Offenheit der Weltbeschreibung explizit von Cook so gewollt ist, sehe ich es weniger als Fehler als ein entscheidendes Merkmal des Spiels. Und das gefällt logischerweise nicht jedem. Mir geht die Detailverliebtheit von DSA oder anderen sehr gut ausgearbeiteten Hintergründen inzwischen ziemlich auf die Nerven, weshalb ich Numenera als große Entlastung empfunden hab.

In meiner aktuellen Kampagne in einem der Königreiche in der Heimfeste (dem zivilisierten Gebiet im Westen der Neunten Welt) habe ich sehr viel Hintergrund zum Königreich, der Gesellschaft, den Machtverhältnissen, etc. im Laufe der Abenteuer dazu "erfunden". Das hat mir aber sehr viel Spaß gemacht, da mir das Setting ne Menge Freiheiten lässt und ich keine Angst haben musste, irgendwo mit offiziellen Vorgaben zu kollidieren oder nen Metaplot zu verletzen.

Habe dazu in meinem Blog auch mal einen Artikel geschrieben, der sich mit dem Thema der mangelnden Konsistenz der Welt und dem fehlendem Metaplot beschäftigt:

https://aendymion.wordpress.com/2016/08/15/gedankensplitter-numenera-und-der-metaplot/ (https://aendymion.wordpress.com/2016/08/15/gedankensplitter-numenera-und-der-metaplot/)
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Luxferre am 13.09.2016 | 10:19
Wenn ich gerade überlegen sollte, mir Numenéra zuzulegen, dann würde mich die mangelnde Weltenbeschreibung schon abschrecken. Wenn ich es richtig verstehe, gibt es eigentlich nur sehr, sehr wenige Settingbeschreibungen und wichtige Dinge, wie die 9 Welten werden dabei außer Acht gelassen, richtig? Flasht mich jetzt eher ab. Auch wenn ich viele Weiße FleckenTM als optimal für mich empfinde, sollten grundlegende Dinge doch bitte enthalten sein.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Achamanian am 13.09.2016 | 10:27
Wenn ich gerade überlegen sollte, mir Numenéra zuzulegen, dann würde mich die mangelnde Weltenbeschreibung schon abschrecken. Wenn ich es richtig verstehe, gibt es eigentlich nur sehr, sehr wenige Settingbeschreibungen und wichtige Dinge, wie die 9 Welten werden dabei außer Acht gelassen, richtig? Flasht mich jetzt eher ab. Auch wenn ich viele Weiße FleckenTM als optimal für mich empfinde, sollten grundlegende Dinge doch bitte enthalten sein.

Es gibt durchaus viel Weltbeschreibung - fast 100 Seiten im englischen Original, zusätzlich ein Haufen Settinginfos in den Abenteuern. Durchaus auch mit übergreifenden Elementen wie der Bernsteinkirche und anderen Kulten und Organisationen. Man steht da nicht im Regen. Es ist eben nur keine durchdesignte Welt voller Querbezüge - genau da kommt sie mir entgegen, weil sie eben so offensiv dazu einlädt, mit Elementen zu spielen. Man muss aber wohl schon eine gewisse Toleranz für Brüche und vielleicht auch für ein bisschen Ironie haben.
Was tatsächlich "fehlt", sind irgendwelche konkreten Hinweise auf die Vorläuferzivilisationen - Artefakte und Cyphers werden nur der Wirkung und evtl. dem Aussehen nach beschrieben. Aus beidem kann man natürlich versuchen, Schlüsse über ihre Urheber und ihren ursprünglichen Zweck zu ziehen, aber eigentlich sieht das Setting das so nicht vor - insofern ist die Behauptung, es ginge um "Discovery", auch etwas irreführend. Es geht zwar schon darum, Dinge zu entdecken, dann aber doch eher um deren nutzbringenden Einsatz in der Gegenwart als um die Frage, welche Bedeutung oder welchen Ursprung sie haben.
Ich finde das okay. Nach einer fast dreijährigen Kampagne kann ich sagen, dass solche Infos nie wirklich wichtig waren bzw. dass es immer am spaßigsten ist, wenn alle am Tisch gemeinsam theoretisieren, woher etwas nun kommt und was es bedeutet und man diese Theorien dann als SL aufnehmen und noch ein paar Andeutungen in die Richtung nachschieben kann.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: bobibob bobsen am 13.09.2016 | 10:43
Ich bin damit sehr zufrieden. Das die acht Hochkulturen nicht beschrieben werden finde ich ok, das Wissen ist verloren gegangen und wir erforschen das gemeinsam. Ich habe jedem meiner Mitspieler gebeten mir einen kleinen Abriss über eine dieser anzufertigen. Wenn ich mir so überlege was wir über die ägyptische Kultur wissen , die ja nur 3t Jahre zurückliegt was wird die Menscheit wohl noch darüber wissen in 1000000t Jahren.Die Welt wird ja auch nur zu ca.ein Zehntel beschrieben. Da bleibt viel Platz für Eigenes.
Die intrusions finde ich so wie sie im Grw stehen auch eher schlecht gewählt. Das man sie aber abwehren kann finde ich extre gut. Nicht immer trifft man den Geschmack der Mitspieler. Mir fällt es inzwischen recht leicht was passendes zu improvisieren.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Luxferre am 13.09.2016 | 11:46
Danke für die -wichtige!- Erläuterung, Rumpel.
Denn bisher klang sehr durch, dass das Setting völlig unzureichend beschrieben sei. Eher abschreckend für potentielle Käufer.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Achamanian am 13.09.2016 | 11:50

Denn bisher klang sehr durch, dass das Setting völlig unzureichend beschrieben sei. Eher abschreckend für potentielle Käufer.

Ne, das wäre ein falscher Eindruck ... man muss auch noch dazu sagen, dass sich dann auch noch so einiges in Sachen Setting über das umfangreiche Bestiary im Grundbuch und über die Cyphers und Artefakte vermittelt. Ich sage mal: Ein durchgestaltetes Splittermond/Lorakis ist das nicht. Aber es stellt doch seeehr viel mehr sofort verwendbares Material bereit, als man es z.B. von den Fate Worlds of Adventure (als ganz konkreten Vergleich im ähnlichen Genre: Masters of Umdaar) gewohnt ist.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Deep_Impact am 13.09.2016 | 12:09
Wenn man bedenkt wie klein der beschriebene Kartenausschnitt ist, dann sind gut 100 Seiten schon ganz ordentlich.

Das Spiel hat aber eben keinen großen Überbau, der den "Helden" als Ziel gelten mag. Der Weg ist das Ziel, um es mal etwas abgedroschen zu formulieren. Entdecken muss man mögen, wenn die Spieler da nicht drauf einsteigen, funktionieren ganz viele Abenteuer nicht.

"Vor euch erhebt sich eine mytische Kuppel direkt aus dem Fluss. Drumherum stehe Personen in gelben Roben und vollführen etwas, was wie ein Ritual erscheint."
"Aha"
"Dann öffnet sich eine Tür. Die Kultisten verschwinden darin und die Kuppel löst sich in Luft auf."
"Okay... Wir gehen dann mal weiter...."


Jetzt kann man die GM-Intrusion-des-Todes rausholen oder das Abenteuer weglegen :D Gut, dass ist aber ja kein Numenera-spezifisches Problem.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Viral am 13.09.2016 | 20:55
@Deep_Impact
erforschen, Sandboxen etc. mag ich sehr gerne als Spieler und Spielleiter. Mir ging es eben nach dem Durchlesen des Buches so ... mann da muss ich aber noch einiges an Arbeit reinstecken (im Vergleich zu anderen Spielen), damit ich der Spielwelt genügend Substanz gegeben habe, dass es meinen Ansprüchen genügt.

@Topic
Die Abenteuer kenn ich jetzt nicht, da der Funke beim GRW einfach nicht übergesprungen ist. Kann mir jemand ein gutes Abenteuer empfehlen, wo man konkretere Infos zum Hintergrund bekommt. Weil wenn ich mir ein Abenteuer hole und ich dann auch nur wieder eher zu Infobrocken bekomme ohne viel Tiefgang wäre ich wohl gänzlich abgeschreckt. Ich hoffe ja noch, dass ich z. B. auf der Cat Con in Ulm Ende September einen One-Shot spielen kann, damit ich das Ganze in Action sehe ...


Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Aendymion am 14.09.2016 | 00:05
@Viral Ich glaube nicht, dass du das, was du vermisst, in einem der offiziellen Abenteuer finden wirst, ich finde die alle nicht so gut, dass ich sie ohne eigene Ausschmückungen leiten würde. Vielleicht noch "Devil's Spine", das ist ne vierteilige Mini-Kamapgne. Vielleicht sind für dich die Kurzgeschichten aus der Anthologie "Tales from the Ninth World" hilfreicher, um das Flair der Welt einzufangen.

Letztlich glaube ich aber ein bisschen, dass Numenera einfach nicht das bietet, was du zu suchen scheinst. Die weißen Flecken auf der Karte und im Hintergrund sind bewusst so gesetzt. Die Autoren machen an verschiedenen Stellen deutlich, dass sie z.B. niemals erklären werden, was die acht Vorgängerzivilisationen waren, weil sie dem SL Freiheiten lassen wollen. Je genauer diese Zivilisationen beschrieben würden, umso berechenbarer wären ihre Hinterlassenschaften. Das Unbekannte lässt eben die meiste kreative Freiheit.

Cook erklärt im SL-Kapitel, dass man explizit oft keine Erklärungen für seltsame Dinge geben soll. So fühlt sich ein Bewohner der Neunten Welt: Er checkt nicht viel von dem, was um ihn herum passiert. Er kann auf Entdeckungsreise gehen, er wird tolle Sachen erleben, aber schlauer wird er danach nicht sein.

Wer einen zusammenhängenderen Background möchte, muss dir vielen losen Enden als SL selbst verknüpfen. Und eine Stärke der offenen Weltbeschreibung ist aus meiner Sicht, dass gerade das bei Numenera super klappt.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: aikar am 14.09.2016 | 07:51
Ja, Numenera ist nur grob beschrieben, aber es liefert (zumindest mir) schon beim Durchlesen dermaßen viel Abenteueraufhänger und Ideen, das das nie ein Problem war. Da habe ich mir z.B. bei 13th Age oder Symbaroum deutlich schwerer getan.

Es sind auch zu jedem Gebiet schon in den Hintergrundbänden jeweilse 3-6 Abenteueraufhänger dabei.

Es gibt (auf Englisch) inzwischen ja auch mehrere Hintergrund-Erweiterungsbände. Die liefern aber größtenteils noch zusätzliche neue Gegenden, anstatt die bestehenden zu vertiefen.

Was man als Spielleiter bei Numenera wirklich braucht, ist eine Bereitschaft zu improvisieren. Ich habe meistens nur eine Seite mit Notizen vorbereitet. Ein paar NSCs, ein paar Kreaturen, ein paar Orte.
Aber Improvisieren bei Numenera ist leichter als man meinen möchte, weil einem das Setting keinerlei Steine in den Weg legt. Etwas wäre in der aktuellen Situation cool - mach es!

Numenera ist auch ein Setting, bei dem ich im Gegensatz zu meinen sonstigen Gewohnheiten, die Spieler nicht die Hintergrundtexte lesen gelassen, sondern nur eine Zusammenfassung gegeben habe. Ich nehme mir aus dem Hintergrund, was mir gefällt, das reicht eigentlich immer für den Szenario-Einstieg und der Rest ergiebt sich während dem Spiel.

Hier schlägt auch das Konzept der SL-Eingriffe rein. Es erspart einem SEHR viele sonst nötige Detailregeln. Der Spielleiter hat eine Idee - Ein neues Problem, eine neue Fähigkeit für eine Kreatur o.Ä.? Er gibt den Spielern einen Punkt und bringt sie rein. Kein langes Nachschlagen, keine Diskussionen und die Spieler haben durch die Punkte auch was davon. Alle sind zufrieden.
Das einzige was wir gleich von Anfang an gemacht haben war, die Eingriffs-Punkte von den XP zu trennen. Erstere werden bei uns für kurzfristige Sachen verwendet (Klassisches Schicksalspunkte), statt letzterer gibt es fixe Aufstiege nach den Abenteuern.
Das ist sogar als Optionalregel im Buch, geht nur ziemlich unter, löst aber einen der Hauptkritikpunkte am Cypher-System.

Ein weiterer Vorteil, der sich aus der sehr offenen Welt ergiebt, ist, dass du dich nicht in Widersprüche verstricken kannst.
Du willst ein Dorf, das komplett auf einer riesigen Kreatur gebaut ist oder deren Bewohner zweimal am Tag die Dimension wechseln? Kein Problem, kann man jederzeit überall platzieren.
Dicht beschriebene Settings habens da schwer.

Du kannst auch problemlos Abenteuer oder Orte aus anderen Settings anpassen und verwenden. Und dabei steht dir sowohl Fantasy als auch SciFi zur Verfügung.

Es hat auch oft gut funktioniert, einfach ein paarmal auf den Tabellen aus "Injecting the Weird" (Im Deutschen als "Eine Prise Seltsames" im "Die Geschichte-am-Schopfe-Packen"-Begleitheft dabei) zu würfeln oder eine der wirklich kreativen Kreaturen als Basis zu nehmen um einen ganzen Abend voll zu machen.
Die Tabellen ersetzen auch gut die Beschreibungstiefe.

Man startet einfach mal das Szenario und wenn man an einer Stelle ein Detail braucht, schaut man in die Tabellen.

Wir spielen inzwischen seit knapp 3 Jahren. Es hat sich inzwischen auch ein sehr epischer Kampagnenhandlungsstrang ergeben, aber der war am Anfang nur sehr grob geplant. Ein spezieller Gegnertyp kam sehr gut rüber, also wurde eine Weltverschwörung dieser Gegner etabliert, deren Zerschlagung jetzt das Hauptziel der Kampagne ist.
Parallel dazu ist die Kampagne eine Entdeckungsreise durch die Heimfeste und die östlichen Länder.
Die SCs bleiben bei uns nie lange an einem Ort, sondern ziehen nach jedem Abenteuer weiter. Dadurch kann Numenera seine Vorteile voll ausleben.

Was mir am Regelsystem (neben den SL-Eingriffen) wirklich gefällt sind die namensgebenden Cypher. Die ständig wechselnden Einmal-Fähigkeiten bringen sehr viel Abwechslung und kreative Lösungen ins Spiel. Meine Spieler haben sogar eine für mich unerklärliche Vorliebe für Seltsamkeiten, also Gegenstände, die auf den ersten Blick erstmal sinnlos sind, entwickelt.

Alles in allem ist Numenera das beste, was mir je im Rollenspiel passiert ist. Es mag nicht jedermans Sache sein, aber ich denke es ist ein perfekter Kompromiss für Spielleiter und Gruppen, die Freiheit schätzen, aber kein völlig eigenes Setting bauen wollen.

Achja und entgegen der Kommentare von Monte Cook im Buch: Wie hoch du den Weird-Faktor drehst ist allein deine Sache. Bei uns schwankt die Kampagne ständig zwischen klassischer Fantasy, Space Opera-SciFi und Alice im Wunderland.

Und was die Beschreibungen der Welten 1-8 angeht: Frag dich einfach mal ernsthaft, wie oft du bei anderen, dichter beschriebenen Settings tatsächlich die historischen Infos der Zivilisationen von vor 20.000 Jahren gebraucht hast. Man verwendet vielleicht mal ein Artefakt aus der Zeit oder eine alte Ruine, aber das wars auch schon. Und das kannst du auch bei Numenera machen.
Ich halte es da so wie auch beim Rest von Numenera: Ich bringe in einem Szenario was ins Spiel, wenn es bei den Spielern ankommt, wird es später wieder verwendet. So haben wir eine Zivilisation aus einem früheren Zeitalter, deren Technologie vor allem auf verschiedenfarbigen Kristallen beruht(e). Auf dereren Hinterlassenschaften sind die Spieler inzwischen hin und wieder gestoßen und haben sie wiedererkannt. Sie wissen inzwischen auch, dass diese Zivilisation in einen großen, interplanetaren Krieg verstrickt war, aber das wars schon.
Mehr wissen die Spieler aber in anderen Settings meist auch nicht über die alten Völker.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Achamanian am 14.09.2016 | 08:43

@Topic
Die Abenteuer kenn ich jetzt nicht, da der Funke beim GRW einfach nicht übergesprungen ist. Kann mir jemand ein gutes Abenteuer empfehlen, wo man konkretere Infos zum Hintergrund bekommt. Weil wenn ich mir ein Abenteuer hole und ich dann auch nur wieder eher zu Infobrocken bekomme ohne viel Tiefgang wäre ich wohl gänzlich abgeschreckt.

Ich würde auch sagen: Das gibt es bei Numenera einfach nicht. Wenn überhaupt, dann bieten die Settingbücher - vor allem das Ninth World Guidebook - noch mal tiefergehende Ausarbeitungen für einzelne Regionen, aber auch da geht es nicht so sehr in die Tiefe, wie du wir das wahrscheinlich wünschst. Aikar hat die Vorzüge von Numenera ja noch mal sehr umfassend dargestellt, und dazu gehört eben eher Settingvielfalt als Settingtiefe - wenn du großen Wert auf letzteres legst, dann solltest du von Numenera wahrscheinlich einfach die Finger lassen.

Wenn du allerdings nur Sorge hast, nicht genug Settingmaterial an die Hand zu bekommen - da sehe ich wie gesagt kein Problem. Wenn man bereit ist, zu improvisieren und die verschiedenen Bausteine spontan irgendwie zusammenzusetzen, kommt eigentlich immer was Schönes bei raus.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: nobody@home am 14.09.2016 | 09:09
Und was die Beschreibungen der Welten 1-8 angeht: Frag dich einfach mal ernsthaft, wie oft du bei anderen, dichter beschriebenen Settings tatsächlich die historischen Infos der Zivilisationen von vor 20.000 Jahren gebraucht hast. Man verwendet vielleicht mal ein Artefakt aus der Zeit oder eine alte Ruine, aber das wars auch schon. Und das kannst du auch bei Numenera machen.
Ich halte es da so wie auch beim Rest von Numenera: Ich bringe in einem Szenario was ins Spiel, wenn es bei den Spielern ankommt, wird es später wieder verwendet. So haben wir eine Zivilisation aus einem früheren Zeitalter, deren Technologie vor allem auf verschiedenfarbigen Kristallen beruht(e). Auf dereren Hinterlassenschaften sind die Spieler inzwischen hin und wieder gestoßen und haben sie wiedererkannt. Sie wissen inzwischen auch, dass diese Zivilisation in einen großen, interplanetaren Krieg verstrickt war, aber das wars schon.
Mehr wissen die Spieler aber in anderen Settings meist auch nicht über die alten Völker.

Schon -- aber die meisten anderen Settings geben dann auch eher nicht so mit ihrer ewig langen Vorgeschichte an. ;) Wenn ich weiß, daß mein Charakter ausdrücklich in der "neunten" Welt lebt und im Prinzip jederzeit mit Hinterlassenschaften der ersten acht konfrontiert werden kann (womöglich sogar, weil er gezielt nach ihnen sucht), dann erzeugt das natürlich ein ganz anderes Interesse an der Vergangenheit als "wir leben im Hier und Jetzt und müssen da klarkommen, und nach den Altvorderen die Sintflut".

Und auch die Idee des "improvisier halt mal!" scheint sich da -- als Außenstehender, ich habe Numenera selbst nicht und das Cypher-System ist eher nicht so meins -- mit anderen Teilen der Präsentation ein bißchen zu beißen: wenn ich als SL ohnehin nicht viel Detail will, um mir und den Spielern möglichst viele kreative Freiräume zu lassen, wofür brauche ich dann andererseits ausgewachsene hundert (oder so) Seiten konkret-"offizielle" Weltbeschreibung? Zur Inspiration alleine komme ich mit deutlich weniger aus...
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Viral am 14.09.2016 | 09:13
ich denk mal leiten werde ich es wohl nicht so bald, aber ich hätte auf alle Fälle Interessse es zu spielen - so lange der SL nicht zu kindisch-dämliche Intrusions macht.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Achamanian am 14.09.2016 | 09:46
Und auch die Idee des "improvisier halt mal!" scheint sich da -- als Außenstehender, ich habe Numenera selbst nicht und das Cypher-System ist eher nicht so meins -- mit anderen Teilen der Präsentation ein bißchen zu beißen: wenn ich als SL ohnehin nicht viel Detail will, um mir und den Spielern möglichst viele kreative Freiräume zu lassen, wofür brauche ich dann andererseits ausgewachsene hundert (oder so) Seiten konkret-"offizielle" Weltbeschreibung? Zur Inspiration alleine komme ich mit deutlich weniger aus...

Es ist halt eine Kramkisten-Welt, So ein großer Karton voller bunt gemischter Playmobil- und He-Man-Figuren. Den kann man zum Improvisieren schon toll gebrauchen. Die ganzen Settingsachen funtionieren bei Numenera eher wie klassischerweise ein Bestiarium: Man pickt sich immer wieder neue Sachen raus. Bei einem Bestiarium ist mehr ja durchaus auch einfach mehr, auch wenn man längst nicht alle Kreaturen verwendet ...
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Aendymion am 14.09.2016 | 09:55
Im neusten Settingband, dem Torment Explorer's Guide wird das Setting des PC-Spiels Torment: Tides of Numenera vorgestellt. Die im Buch beschriebenen Orte haben tatsächlich für sich genommen mehr gemeinsame Backstory, inklusive Infos zur Geschichte der Region und Städte, sowie Organisationen und Beziehungen untereinander. Es gibt auch die spielmechanische Option, dass alle Charaktere sehr eng mit der Backstory der Region (und Computerspiels) verwoben sind.

Trotzdem bleibt das Buch ein Numenera-Quellenbuch und an vielen Stellen wird eher in die Breite als in die Tiefe gegangen. Manche Sachen bleiben (selbst mir zu)  vage. Aber man merkt schon nen Unterschied zum Ninth World Guidebook. Die beschriebene Region ist auch deutlich kleiner.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: bobibob bobsen am 14.09.2016 | 10:19
So klein ist der beschreiben Bereich ja nun auch nicht. Wenn ich mich recht erinnere sind das so ca. 3000x3000 Meilen, da finde ich 100 Seiten nicht wirklich viel. Aus dem Gedächtnis heraus werden die Regionen so wie das Setting beschrieben also nur grob.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Wisdom-of-Wombats am 17.09.2016 | 23:21
Bin ich der einzige, der findet, dass das Numenera Setting zuviel Beschreibung hat? Ich glaube hier trifft deutsche Erwartungshaltung geprägt durch Setting-Ungetüme wie Aventurien, Lorakis oder Golarion (um nicht nur deutsche Welten zu nennen) auf die eher gröbere Beschreibung aus Ami-Land. Bei Numenera stelle ich regelmäßig fest, dass Setting ist mir viel zu viel beschrieben, um meine eigenen verrückten Ideen unterzubringen. Das Nihliesh meiner Kampagnen hat mit dem Nihliesh aus dem Buch nur teilweise zu tun.

Zur Ausgangsfrage: Meine Selling Points für den Numenera SL sind:
- Der SL würfelt nicht und kann sich auf die Story konzentrieren.
- Die Art und Weise wie Schwierigkeiten bei NSCs funktionieren, machen es richtig simpel einfach so einen NSC oder ein Monster aus dem Ärmel zu schütteln.
- Numenera ist vorbereitungsarm (wenn man die Regeln mal kennt reicht 1h locker für einen kompletten Spielabend)
- Die Welt bietet genug Anhaltspunkte, um eigene verrückte Ideen zu entwickeln, die trotzdem in die Welt passen
- Das System ist in 20 Minuten einem Neuling erklärt, der sofort Spaß haben kann
- Alle Regeln für einen Anfangscharakter passen auf das Charakterblatt (PreGens sind dadurch einfach vorzubereiten)
- Das System wird regelmäßig mit neuem Material unterstützt, man kann sich also gut einlesen

So, jetzt bin ich wieder richtig auf Numenera gehypte...
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: bobibob bobsen am 18.09.2016 | 00:21
Warum verlagert du dein Numenerasetting nicht einfach an den Rand der beschriebenen Teile. Da ist doch noch massig Platz?
Was in den Settingbeschreibungen steht ist für mich nicht in Stein gemeisselt. Nice to have aber wenn es uns nicht passt dann werfen wir es über Bord.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: D. Athair am 18.09.2016 | 00:33
... mal ein paar doofe Fragen:

Wofür braucht Numenera so viele Seiten?
144 Seiten Regeln (dt. Box) finde ich jetzt nicht so wenig - etwas weniger als Rolemaster Express und genauso viel wie DragonQuest.
Sind das Charaktererschaffung, Cyphers, Kreaturen, Beispiele und Tipps, die da so viel Platz brauchen?
Das Setting hat 200 Seiten, aber geht nicht in die Tiefe?

... lässt sich das Spiel "assoziativ" spielen?
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Wisdom-of-Wombats am 18.09.2016 | 00:42
Die Archetypen, Deskriptoren und Foki brauchen Platz zur Beschreibung. Genauso Bestiary, Cyphers und Artefakte. Aber das ist alles "Nachschlage Werk" und nicht Regeln. Die eigentlichen Regeln passen auf erheblich weniger Seiten.
Titel: Re: Überzeugt mich von Numenera (als SL)
Beitrag von: Aendymion am 18.09.2016 | 00:56
Die eignetlichen Regeln sind auf knapp 50 Seitem erklärt, inklusive Kampf. Dann gibt's noch ein paar Seiten mit optionalen Regeln. Alles andere sind Charakteroptionen, Kreaturenwerte, Cypher, etc. Und die muss man sich ja nicht am Stück durchlesen, um das Spiel spielen zu können.

Dadurch hat das System eine gewisse Eleganz, aber auch eine gewisse Schlichtheit. Das fängt ja schon damit an, dass es nur drei "Attribute" gibt und Dinge wie Charisma, Intelligenz und Weisheit (wenn man mal D&D zugrunde legt) in einem einzigen Wert "Intellekt" abgebildet sind. Aus die Skills sind ja sehr wenig ausdifferenziert. Das Spiel ist halt nix für Simulationisten, die gerne einen exakten Wert dafür haben wollen, wie gut ihr Charakter Angeln kann.

Und genau so ist es aus meiner Sicht mit der Spielwelt: Man erfährt, dass der König von Malevich ein 3-jähriger ist und die Regierungsgeschäfte von seiner Cousine geführt werden. Welche Pläne sie verfolgt, wie das Volk darauf reagiert oder welche Machtgruppen am Hofe ihre Intrigen spinnen, wird offen gelassen. Aber es ist ein toller Aufhänger und es bleibt mir die Freiheit, etwas Eigenes daraus zu machen.