Autor Thema: „Schwierige“ Charakterzüge als Anreiz zum Charakterspiel  (Gelesen 1130 mal)

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Offline flaschengeist

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Ich bin aktuell am überlegen, ob ich in meinen System noch eine Seite mehr verwenden soll, Beispiele dafür anzuführen, wie Charakterzüge der Kategorie „Neugierig“, „Jähzornig“ etc. sich als Aufhänger für bereicherndes Charakterspiel eigenen. Inspiriert hat mich dazu die Erfahrung mit meiner Arcane Codex 3 (AC) Runde. In AC gibt es ein Vor- und Nachteilssystem, das die Wahl entsprechender Charakterzüge mit Zusatzpunkten für mechanische Vorteile belohnt. Gleichzeitig ist verregelt, wie sich Charakterzüge auswirken. Bei Neugier muss der Charakter z.B. in entsprechende Situationen mit Willenskraft proben, ob er seiner Neugier wiederstehen kann. Die Erfahrung ist, dass das Vorhandensein solcher Eigenschaften das Charakterspiel bereichert.

Aus Balance-Gründen würde ich allerdings solche Eigenschaften nicht mit Generierungspunkten o.ä. belohnen. In meinem System ist es schlicht so, dass man durch Ausspielen einer solchen Eigenschaft zum eigenen Nachteil jedem Charakter der Gruppe ein Karma (das sind Schicksalspunkte/Bennys) zurückgeben kann. Allerdings nimmt dieser Mechanismus bisher relativ wenig Raum im Regelwerk ein. Es gibt auf der einen Seite eine Tabelle mit 20 exemplarischen Persönlichkeitseigenschaften und auf der anderen folgenden Abschnitt (unter Möglichkeiten, Karma zurück zu erhalten):

Der Spieler nimmt durch Ausspielen der Charakterrolle wissentlich Nachteile in Kauf. Beispiele wären der jähzornige Charakter, der ein überlegenes Gegenüber beleidigt, der Naivling, der sich über den Tisch ziehen lässt, der Loyale, der sich in den Pfeil wirft, um seinen Kameraden zu schützen oder der Übermütige, der mit seinem Frontalangriff einen sorgfältig ausgearbeiteten Plan über den Haufen wirft.

Ich stelle mir nun die Frage, ob ich diesem Thema einen ganzen Abschnitt widmen soll. Das würde dann so aussehen, dass ich für jeden geeigneten Charakterzug der Tabelle Persönlichkeitseigenschaften mehrere Beispiele nach obigem Muster gebe. Meine Fragen an euch lauten:

1. Wie findet ihr solche Anreizmechanismen generell?
2. Falls ihr sowas mögt, würden ihr euch Beispiele wünschen?

Natürlich darf auch sonst alles gesagt werden, was dazu so einfällt ;).
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittelgewichtiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/

Offline Isegrim

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Problem ist oft, dass man nicht seinen Charakter in Schwierigkeiten bringt, sondern die ganze Gruppe. Sollte also vielleicht auch in der Gruppe besprochen werden.
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Offline YY

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1. Wie findet ihr solche Anreizmechanismen generell?

Geht so...

Mein Lieblingsbeispiel ist in der Hinsicht Pendragon - da ist das ein zentraler Spielmechanismus, der dann auch entsprechend das Spiel treibt und an sich zieht.
So in den Mittelpunkt gestellt, funktioniert das gut.

Abseits davon sind das in konventionelleren Spielen meiner Erfahrung nach eher mittelprächtige bis halbgare Einschübe, die eher stören als zum Spiel beitragen. 
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline Zarkov

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Auf Fehlschläge und Komplikationen muß das Spiel, also eigentlich: müssen Regeln und Spieler dann natürlich ausgerichtet sein. Wenn ja, ist das allerdings eine sehr brauchbare Art, mit solchen Charakterzügen umzugegen.

Kleine Anmerkung aus Erfahrung: Wenn negative Züge eine Währungsquelle sein sollen, werden sie wertvoll und damit begehrt, falls die Spieler diesen Anreiz verfolgen. Die Regeln müssen also dafür sorgen, daß man sein Männchen nicht einfach mit drei Dutzend Nachteilen beladen kann. Entweder indem man jedem x Traits gewährt, oder indem man auch nachteilige Züge mit einem Preis versieht.
« Letzte Änderung: 21.11.2020 | 19:18 von Zarkov »
»… hier wirkt schon uneingeschränkt das sogenannte Lemsche Gesetz (Niemand liest etwas; wenn er etwas liest, versteht er es nicht; wenn er es versteht, vergißt er es sofort) …«*

Offline Zarkov

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Kleiner Nachtrag: Die schlechteste Art, negative Charakterzüge zu handhaben, ist meiner Meinung der klassische Ansatz. D.h., man holt sich Nachteile für sein Männchen, um Charakterpunkte rauszuschlagen; der Spielleiter ist dann dafür verantwortlich, die Nachteile auch im Spiel nachteilig einzubringen; und die Spieler sind unglücklich, weil sie ja eigentlich nur ein besseres, also kompetenteres Männchen wollten und jetzt sich aber einen reinwürgen lassen müssen, und dann ist der Spielleiter auch unglücklich, und stillschweigend läßt man die negativen Charakterzüge dann links liegen, etc, ach, das Elend.

Ich übertreibe etwas, aber bei "konventionelleren Spielen", d.h. für mich in diesem Fall: Spielen, bei denen Spieler Fehlschläge und Komplikationen scheuen wie der Teufel das Weihwasser, weil sie leicht das Spiel sprengen, ist das so meine Erfahrung.
»… hier wirkt schon uneingeschränkt das sogenannte Lemsche Gesetz (Niemand liest etwas; wenn er etwas liest, versteht er es nicht; wenn er es versteht, vergißt er es sofort) …«*

Offline Der Läuterer

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Spielst Du vornehmlich mit Storytellern, dann machen die so etwas, ohne auf Vorteile im Spiel zu geiern - einfach aus Spass an der Freude.
Spielst Du vornehmlich mit Powergamern, dann nehmen sie die Vorteile mit, ignorieren aber die Nachteile.

Die Regel als solche ist gut, allein es hapert bei der konsequenzen Umsetzung.
Die Nachteile während des Spiels wurden ja bereits genannt.
Power Gamer: 38% | Butt-Kicker: 8% | Tactician: 67% | Specialist: 38%
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Nur wenige Menschen sind stark genug, um die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit zu hören.
- Luc de Clapiers Marquis de Vauvenargues -

Offline Maarzan

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Man muss sich halt klar machen, dass man mit der Gestaltung eben auch das Spielverhalten beeinflusst - das ist ja auch oft genug der Grund der Verregelung, insbesondere der Belohnung.
Und erziehen will man dann ja primär Leute, welche es nicht so schon im gewünschten Maße so spielen wie beabsichtigt, oder wenn mna bewußt andere Leute mit ins Boot holen will als die eigene Kernkundschaft. 

Nominell braucht es der SIM- oder Storyspieler gar nicht.
Ein GAM-Spieler braucht es auch nicht, aber insbesondere mit Kompensation wird es dann zu einer weiteren Optimierungsaufgabe - im Fall von Vorabpunkten wird es eine Wette bezgl. zukünftiger Risiken, mit kontinuierlicher Belohnung wird es ein "farming"-Spiel, welches den Charakter des weiteren Spiels generell verändern kann.

Wenn, ist es also der Versuch die - zahlenmäßig wohl immer noch größte Gruppe - Gamisten für ein SIM oder Storygame verdaulicher zu machen.

Bezgl. "Gruppenleiden":
Wenn man das konsequent als Herausforderung spielt, müsste man der Gruppe dann die Option geben SC anderer Spieler als zu große Belastung abzulehnen. Dann ist die Frage: Ist das "hunted" von SC A es uns wert, dass er uns am Tag doppelt so viel z.B. Heilen kann.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline unicum

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Ich finde etwa das System von Deadlands ganz okee,.. allgemein muss ich aber sagen das man solche Vor und Nachteile dann doch während einer gemeinsamen Charaktererstellung absprechen sollte. Eigentlich bin ich sogar begeistert davon, wenn da nicht ...

Es gibt Nachteile welche eine Figur auf ihrem Bogen hat die aber eigentlich die ganze Gruppe betreffen.

Ich hatte leztens in einem anderen Forum etwa die Diskussion wo es darum ging das Zwerge (Halblinge, Gnome wasauchimmer) etwa ein nachteil sind wenn man zu Fuß unterweg ist und sich vieleicht "schnell" absetzen will. Dann hat man die Wahl: Ich lasse den Fußlahmen zurück, oder es wird eben nix mit "schnell absetzen".

Bei einigen characterzügen ist es schnell abzusehen das es eben in der Gruppe nicht nur zu einem Characterspiel kommen kann sondern zu echtem Krach. Der eine nimmt "Blutrünstig" und der andere "pazifist" - ja die beiden könenn sich abendfüllend miteinander beschäftigen.

Offline flaschengeist

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Danke erstmals für eure Antworten. Ich glaube, ich habe die Idee nicht deutlich genug erklärt:
1. Es geht nur um Persönlichkeitseigenschaften, nicht um "gejagt", "einarmig", "verschuldet", "Erzfeind" etc.
2. Es gibt keine permanenten Vorteile für das Ausspielen der Nachteile, nur Aufladen von Karma, das sich auch auf andere Arten erneuert.
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
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