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[Diskussion/Werkstatt] RA-Rollenspiel - eine Definition...

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pharyon:
Von der interessanten Diskussion nebenan ausgehend möchte ich hier mit eurer Hilfe aus einem anderen Blickwinkel heraus einer überwiegend akzeptierten Definition der Definition "P&P - Rollenspiel" herausarbeiten. Diese "Art" Rollenspiel erhält von mir den "Arbeitstitel" RA-Rollenspiel. Sollte sich nach einer produktiven Diskussion ein geeignetes Label für die Definition ergeben, stehe ich einer abschließenden Umbenennung offen gegenüber. RA-Rollenspiel stehe für "Runden- & Angesicht-Rollenspiel".

Ziel des Unterfangens: Langfristig: Erkenntnisgewinn für die Spielpraxis, für Spieler, Spielleiter und/oder Spieldesigner soll sich durch die Vorarbeit ein Nutzen ergeben. Kurzfristig: Klar definierte Begriffe, mit deren Hilfe man Theorien ent- und verwerfen kann. Durch die klare Definition soll ein Diskurs zügig für ein gegenseitiges Verständnis der Diskurs-Teilnehmer sorgen. Warum nur eine begrenzte Anzahl an Merkmalen? Meiner Auffassung nach sollte eine Defintion nur so viele Aspekte, wie unbedingt nötig beinhalten (Wilhelm von Ockham lässt grüßen).

Geplanter Weg:
Phase 1: Über die Benennung einer begrenzten Anzahl (5-7 etwa, schätze ich mal) gemeinsamer notwendiger Merkmale von Rollenspielen eine Arbeitsdefinition von RA-Rollenspiel entwickeln. Hier dürft ihr gerne einzelne Merkmale kritisieren, Gegenbeispiele einbringen, Verbesserungsvorschläge machen.
Phase 2: Über einen Vergleich mit bekannten und genannten P&P-Rollenspielen schauen, ob diese aufgrund der erarbeiteten Definition als RA-Rollenspiele erfasst werden oder nicht. Dadurch könnte sich die Notwendigkeit zeigen, die Definition nochmal zu überarbeiten.
Phase 3: Die Benennung anpassen. Aufgrund der definierten Merkmale ergibt sich evtl. ein passenderes Label für die weitere Theoriediskussion.
Anschließend könnte man bzgl. der erarbeiteten Kriterien neue Modelle entwickeln oder auch bekannte Modelle dekonstruieren. Oder noch viel mehr.

Um der Definition von Spiel vorzubeugen, möchte ich als Ausgangsdefinition erst einmal Johan Huizinga zitieren (Stand 24.05.2018):

--- Zitat von: https://de.wikipedia.org/wiki/Spiel#Definitionen_und_Merkmale ---„Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“
– Huizinga: 1938/1991, S. 37
--- Ende Zitat ---

Falls es eine cleverere oder modernere Definition geben sollte, die sich für mein Vorhaben besser eignet, würde ich sie auf Vorschlag in den Anfangsbeitrag reineditieren.

Soviel zur Grundlagenvorbereitung, beginnen wir mit Phase 1.

Definition von RA-Rollenspiel:

RA-Rollenspiel ist eine Spielform bei der immer
1. mindestens 2 Teilnehmende [direkte Interaktion]
2. gleichzeitig oder in zeitlich geringem Abstand [zeitliche Koinzidenz]
3. am gleichen Ort oder durch technische Mittel direkt gegenseitig wahrnehmbar und verständlich [tatsächliche/vermittelte räumliche Nähe]
4. sich in Rollen (z.B. echte oder fiktive literarische Figuren, selbst erdacht oder aus einer Vorlage erwählt) versetzen [make-believe],
5. dabei aus der Perspektive der eingenommenen Rolle Entscheidungen treffen und fiktiv handeln [conditioned creation],
6. um dadurch eine unterhaltende Handlung (Geschichte) zu erzeugen [collaborative story creation],
7. wobei sie durch Regeln kreativ beschränkt oder unterstützt werden [rule-condition].

Die Definition soll bei weitem nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Einige benannte Merkmale gefallen mir besser als andere, als Anfang genügt es für mich. Nun bin ich gespannt auf euer Feedback. Fehlen euch noch bestimmte Merkmale unbedingt? Oder gibt es Merkmale, die man eurer Meinung nach zusammenfassen könnte? Zerreißt die Definition, meinetwegen auch den Ansatz - aber bitte nicht, ohne eine Alternative anzubieten. Und bitte bleibt freundlich und wohlwollend. Mit dem Diskurs soll kein Spiel verkauft, keine Person ausgegrenzt oder eine Wertung von Spielen abseits der Erkenntnis, ob sie die erarbeitete Definition erfüllen oder nicht, vorgenommen werden.

Viel Spaß!

p^^

TaintedMirror:
Finde ich schonmal gut, würde jedoch zwei Punkte neu betrachten:
- Rollen: Müssen das Figuren sein? Kann eine Rolle nicht auch etwas Abstraktes, wie eine Charaktereigenschaft sein. Zum Beispiel alle Spieler spielen einen Aspekt einer einzigen Figur ala "Inside out" oder man spielt Naturgewalten wie Götter oder wie in einem Spiel, was ich gerade entwickele, wo man eine Gruppe aus Figuren spielt.
- Warum ist der zeitliche und räumliche Aspekt wichtig? Was ist mit Brief-, Foren- und E-Mail-Rollenspiel?

Crimson King:
Ich finde den Ansatz gut. Ich würde allerdings die Begriffe Handlung und speziell Geschichte nicht verwenden. Es gibt definitiv Spieler, die sich nicht dafür interessieren, was da narrativ innerhalb der Fiktion gerade geschieht, auch wenn das, was beim Rollenspiel erspielt wird, retrospektiv immer eine Geschichte ergibt.

Du konkretisierst darüber hinaus nicht, was du mit Regeln meinst. Regeln im gamistischen Sinne werden für Rollenspiel nicht benötigt.

Des Weiteren würde ich anfügen wollen, dass sich die Möglichkeiten der Weiterentwicklung der Fiktion aus dem gemeinsamen Verständnis der Fiktion heraus ergeben müssen. Regeln, sofern vorhanden, fungieren als Hilfsmittel zur Weiterentwicklung der Fiktion, nicht oder mindestens nicht ausschließlich als Beschränkungen der Optionsvielfalt. Dieses Fiction First-Prinzip ist meines Erachtens der zentrale Aspekt, der Rollenspiele von Brettspielen unterscheidet.

pharyon:
Danke für das Feedback. Morgen kann und werde ich genauer darauf eingehen.

Nur soviel vorab: Ich halte den zeitlichen und räumlichen Aspekt für bedeutsam. Ob die Trennlinie da bleibt, wo sie jetzt liegt, ist eine andere Geschichte.

p^^

Tudor the Traveller:
Hm, jein. Ich würde die erzeugte Handlung nicht auf die Geschichte begrenzen. Es gibt eine ganze Reihe von Spielern, so wie meine Runde, die einen bedeutenden Anteil der Unterhaltung aus dem Crunch ziehen, also dem Anwenden der Regeln im gamistischen Sinn, d. h. Wettkampf im weitesten Sinne. Dazu gehört oft auch das "Tuning" der Spielwerte der Figur, das sein Extrem im Powergaming findet. Deshalb kann ich mich der Aussage "Fiction first" oder "Rollenspiel braucht keine Regeln" nicht anschließen. In meinen Augen ist diese Art trotzdem "RA" Rollenspiel. Das trägt dann Spielertypen wie Tactician und Buttkicker Rechnung.

Ich denke, dass der Übergang vom Brettspiel zum Rollenspiel fließend ist. Da die Grenze zu ziehen, wird immer ein Stück weit willkürlich sein, weil die Grenze von den gesetzten Kriterien abhängen wird.

Fazit: in 6. Handlung durch Erlebnis ersetzen. Erlebnis beinhaltet dabei sowohl die Fiktion als auch den Wettkampf, wobei die Anteile schwanken.

Edit: in 7. Nicht "oder" sondern "und". Regeln sind imo immer ambivalent, haben sowohl einen eingrenzenden als auch helfenden Charakter.

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