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Rumpels Abenteuer-Rezensionen

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Achamanian:
Weil heutzutage alles und jeder (vor allem aber der Weltengeist) Abenteuerrezensionsthreads im Tanelorn pflegt, mache ich nun auch mal mit – wenn auch wahrscheinlich deutlich unregelmäßiger.

Den Anfang macht die Abenteueranthologie „Six of Swords“ für Blue Rose. Schön der Reihe nach das erste Abenteuer daraus:

The Mistress of Gloamhall Manor
Autorin: Rebecca Wise
In: Six of Swords – Adventures in the World of Aldea, Green Ronin Publishing, 29,95$

Aufhänger:
Die Charaktere kommen durch ein Dorf, aus dem seit kurzem Kinder verschwinden. Die Bewohner machen die im nahen Sumpf lebenden „Fen People“ verantwortlich. Die Charaktere beginnen selbstverständlich, zu ermitteln …

Kritik (Spoiler):
The Mistress of Gloamhall Manor ist, wie der Titel verrät, eine Spukhausgeschichte – nur leider ist meiner Meinung nach der Spukhausteil des Abenteuers der am wenigsten geglückte.
Einleitung und Prämisse gefallen mir erst einmal sehr gut: Bereits auf der Anreise werden die Helden von den „Sumpfleuten“ angegriffen, um wenig später ein Dorf mit niedergeschlagenen, misstrauischen Bewohnern zu erreichen, die verzweifelt Hilfe brauchen. Ermittelnden Helden dürfte ziemlich schnell deutlich werden, dass die Sumpfleute natürlich nicht für das Verschwinden der Kinder verantwortlich sind und selbst das gleiche Problem haben. Ich bin ein großer Fan von solchen „irrtümlichen Konflikten“, weil man damit immer erst einmal Gegenspieler hat, die eigene legitime Interessen ins Spiel bringen, und weil das Finden einer versöhnlichen Lösung in solchen Fällen meiner Erfahrung nach immer für große allgemeine Befriedigung am Spieltisch sorgt. Abgesehen davon sind die Sumpfleute wirklich eine wunderbar skurrile und leicht unheimliche Kultur (ob sie eigentlich Menschen sind, bleibt unklar) – allein schon die Audienz bei der üppig-schwangeren, lakonischen „Swamp Mother“ möchte ich unbedingt einmal in einem Abenteuer verwenden (ob in diesem, sei aber dahingestellt).
Allerdings wird bereits in diesem einleitenden Teil des Abenteuers eine große Schwäche des Texts deutlich: Lückenhafte und schlecht verteilte Informationen über die Hintergrundgeschichte. Zentrales Element des Abenteuers ist die teilweise magische Trockenlegung eines Sees zur Landgewinnung vor einem Jahr. Dabei ist dummerweise auch ein Geisterhaus aus den Tiefen aufgetaucht (was natürlich keiner bemerkt hat) und wird wieder aktiv und lockt die Kinder an.
Einige Aspekte dieser Vorgänge muss man sich arg zusammenstückeln: Etwa, dass es das Dorf anscheinend erst seit einem Jahr gibt oder das zumindest Teile des Sumpfes durch die Trockenlegung des Sees entstanden sind – andere aber auch nicht, da sie den Sumpfleuten offenbar schon seit Generationen eine Heimstatt bieten. Als SL bleibt man darüber im Dunkeln, wann genau und aus welchen Gründen das Geisterhaus in den Fluten verschwunden ist. Es fehlt eine Karte des Gebiets, aus dem man beispielsweise alte und neue Uferlinie, Sumpfgebiet, Lage von Dorf und Geisterhaus hätte ersehen können. Ganz am Ende ist beispielsweise auch lapidar im Nebensatz von einem Damm die Rede, den man durchbrechen kann, um das Geisterhaus zu fluten, und wenn man sich dabei geschickt anstelle, dann würden Dorf und Sumpfleute von den Auswirkungen verschont – ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie das Angesichts der Tendenz von Wassermassen, sich auszubreiten, wohin sie können, überhaupt möglich sein soll, ohne weitere Dämme zu errichten. Kurz: Insgesamt erscheint mir das ganz Szenario um die Trockenlegung des Sees in keiner Weise durchdacht und extrem schlampig ausgearbeitet.
Das schreibe ich jetzt nicht, um nitpicky zu sein – hier geht es allerdings um Vorgänge, die das zentrale Rätsel des Abenteuers betreffen, und Ungereimtheiten werden da von Spielern ja auch gerne mal als Hinweise („die lügen doch alle!“) interpretiert. Und nichts ist frustrierender, als dann als SL sagen zu müssen: „Sorry, lieber Spieler, das war im Abenteuer nicht so richtig durchdacht, und ich habe versäumt, es geradezubiegen. Also, hier gibt‘s nichts zu erfahren, bitte forscht anderswo weiter.“

Aber zum Spukhaus. Das ist an sich recht nett ausgearbeitet und hat einen starken thematischen Fokus – die spukenden Geister sind sie von Kindern, die hier fragwürdigen „Therapien“ (Nahrungsentzug, Dunkelheit, Vernachlässigung) ausgesetzt wurden, die spukenden Geister sind die der Kinder (die andere Kinder als Spielgefährten zu sich locken), der des ehemaligen Hausherrn, seine zu einem selbstständigen Geisterwesen gewordene Bosheit/Rachsucht und der seiner kummervollen ehemaligen Geliebten.
Die Aufgabe der Helden im Geisterhaus läuft im Prinzip darauf hinaus, ein Ritual zur Bannung des Geistes des alten Hausherrn zu Ende zu bringen, dass die Geister der Kinder alleine nicht bewältigt haben. In der Praxis läuft das auf eine Schnitzeljagd hinaus, bei der die Zeilen eines Gedichts, die in den Wänden an die Räume gekritzelt, zusammengesetzt werden müssen, um dann auf dem Dachboden ein paar abschließende Proben abzulegen, während man von dem Geist angegriffen wird.
Hm, ich hab ja nicht viel übrig für solche durch den Abenteuerinhalt unmotivierte Schnitzeljagden. In einem Geisterhaus-Szenario ist es vielleicht nicht gänzlich unlogisch, so etwas dem SL einfach erklärungsfrei vorzusetzen, aber besonders befriedigend finde ich es nicht. Wer hat warum die Gedichtzeilen in verschiedenen Zimmern an die Wand gekritzelt? Oder erscheinen die dort einfach als mystische Zeilen? Woher stammt das Gedicht, woher seine Wirksamkeit?
Das könnte ich allerdings nicht ganz gut hinnehmen, ebenso den Umstand, dass die Räumlichkeiten in völlig unterschiedlichen Erhaltungszuständen beschrieben werden, von denen einige eindeutig Illusionen sind, andere aber anscheinend tatsächlich den Zustand des Hauses nach einer unbekannten Zahl von Jahrzehnten (oder Jahrhunderten) unter Wasser darstellen sollen (was auch nicht besonders glaubwürdig erscheint). Aber okay, es ist ein Geisterhaus, die Realität ist dort völlig verzerrt …
Es kommen allerdings noch ein paar Willkürlichkeiten nach: Alle SC verwandeln sich nach betreten schlagartig in ihr Kinder-Selbst. Die Idee ist thematisch gesehen eigentlich auch sehr nett, wenn man das aber wie im Abenteuer vorgeschlagen handhabt, erscheint mir die Slapstich-Gefahr doch groß. Da die dazugehörige Spielwerteveränderung dann auch nur graduell stattfindet, würde ich im Zweifelsfall zumindest dafür optieren, auch das Kind-Werden nach und nach stattfinden zu lassen.
Am unmotiviertesten erschient mir aber, dass SC, die im Geisterhaus sterben, einfach lebend in der Grotte vor dem Haus wieder aufwachen. Keine Ahnung, was das soll, weder auf inhaltlicher noch auf Meta-Ebene. Fühlt sich an wie direkt aus einem Computerspiel.

Insgesamt ist das Abenteuer as written jedenfalls nichts für Ermittler-Spielergruppen, denn die werden es zerpflücken und keine Freude daran haben – herauszufinden gibt es im zweiten Teil nämlich eigentlich fast nix mehr, der ist reine Schnitzeljagd. Der erste Teil um Dorfbewohner und Sumpfleute hingegen ist trotz einiger kleiner Mankos gelungen und ausbaufähig und wird bei mir sicher in irgendeiner Form Verwendung finden.

Insgesamt gebe ich trotz der eher vernichtend klingenden Kritik 3 von 5 Blauen Rosen; für mich persönlich wären es eher 2 (brauchbares Material, aber Gesamtprodukt für mich nicht verwendbar); ich trage aber meiner persönlichen Abneigung gegen Schnitzeljagden und unmotivierte Rätsel Rechnung, die so sicher nicht von allen geteilt wird. Hauptkritikpunkt ist die löchrige, teilweise unplausible, schlecht erklärte und m.E. schlicht schlampig gemachte Backstory, die bei einem Ermittlungsabenteuer eine gelungene Umsetzung am Spieltisch sehr erschwert.

Der Läuterer:
Daumen hoch, Rumpel, für Dich als neuen Rezensenten.

Weltengeist:

--- Zitat von: Rumpel am 27.09.2018 | 14:27 ---Weil heutzutage alles und jeder (vor allem aber der Weltengeist) Abenteuerrezensionsthreads im Tanelorn pflegt,

--- Ende Zitat ---

Ich bin ja auch nicht alles und jeder! ~;D


--- Zitat ---Den Anfang macht die Abenteueranthologie „Six of Swords“ für Blue Rose.
--- Ende Zitat ---

Die wird bei mir auch sehr bald drankommen...

Bildpunkt:
Gut geschrieben - ich hoffe natuerlich auch auf Rezensionen von brauchbaren Abenteuern ;-)

Achamanian:

--- Zitat von: Pixellance am 27.09.2018 | 18:20 ---ich hoffe natuerlich auch auf Rezensionen von brauchbaren Abenteuern ;-)

--- Ende Zitat ---

Das nächste Abenteuer aus derselben Antho macht einen ganz hervorragenden Eindruck, lese ich die Tage zu Ende!

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