Pen & Paper - Spielsysteme > Cthulhu RPGs
Lovecraftesk? Aber wie?
Der Läuterer:
Im Laufe der Zeit habe ich ja bereits eine Menge Szenarien gelesen und bespielt.
Aber trotz aller Erfahrungen bin ich mir immer noch unsicher, weshalb manch ein Szenario für mich ansprechender ist als ein anderes.
Es geht mir hier jetzt nicht um irgendein System, das man präferiert, oder die Art wie man spielt. Auch geht es mir nicht um den Aufbau des Szenarios. Logisch, der Plot sollte natürlich stimmig und eingängig sein, wenig Fliesstext haben und kurze Zusammenfassungen, Flussdiagramme etc. pp. aufweisen.
Der Inhalt ist das, was mich interessiert. Aussergewöhnliche Handlungsorte sind interessant und auch abwechslungsreich, aber nicht zwingend für mich. Und verstaubte Mythos Bücher und schleimige Kreaturen haben sich auch mehr als nur abgenutzt.
Klar, der Plot sollte Inhalte angehen, die selten aufgegriffen werden und Wege beschreiten, die noch nicht völlig ausgetreten sind. Das ist mir aber zu grob.
Also abgesehen davon. Was muss Eurem Empfinden nach ein Szenario bieten, um Euch zu packen?
Noir:
Isolation der Spielercharaktere in einem endlichen Raum ist für mich sehr wichtig. Die Abenteuer, in denen die Spieler überall hin konnten und Zugang zu Mitmenschen und Ressourcen und so weiter hatten, sind immer irgendwie gescheitert. Bis auf "Blues für Marnie" - aber ich glaube, das hat nur deshalb wirklich funktioniert, weil es noch neu für uns war (zweites Cthulhu-Abenteuer überhaupt).
Aber Abenteuer, in denen die Spieler auf einen gewissen Raum begrenzt waren (Spukhäuser, Schiffe, Züge, Hütten, was auch immer), haben meistens sehr gut funktioniert und sind von der Stimmung her durch die Decke gegangen.
felixs:
--- Zitat von: Der Läuterer am 28.01.2019 | 12:38 ---Im Laufe der Zeit habe ich ja bereits eine Menge Szenarien gelesen und bespielt.
Also abgesehen davon. Was muss Eurem Empfinden nach ein Szenario bieten, um Euch zu packen?
--- Ende Zitat ---
Mich fasziniert an lovecraftschem Horror (bzw. der Art von lovecraftschem Horror, die ich mag) vor allem die Durchmischung von Alltäglichem, Normalem und von gesichertem Bestandswissen (historisch, wissenschaftlich, sprachlich, mythisch) mit einem unfassbaren (im Sinne von "intangible"), übermenschlichen Grauen. Also ein unerwartetes, erst unverstandenes, dann unaufhaltsames Versinken normaler Menschen in Ereignissen und Erkenntnissen, die für Menschen nicht zu verarbeiten sind.
Um mich zu fesseln, muss das Szenario eine gewissen Plausibilität haben und die Motivationen der menschlichen Akteure müssen nachvollziehbar sein. Und in diesem verstehbaren Netzwerk bilden sich dann Risse, die alles in Frage stellen und am Ende alles verschlingen.
Es beginnt normal, wird dann ein wenig surreal, vielleicht auch mit komischen Elementen, und endet mit Grauen und Verzweiflung. Da diese Mittel sich abnutzen, wenn man sie zu oft in dieser Abfolge anwendet, braucht man auch Szenarien, die sich nicht so entwickeln - um die Überraschung aufrecht zu erhalten. Aber das ist eigentlich nur Mittel zum Zweck um die Wirksamkeit des Grauens wiederherzustellen.
Die von Data angesprochene Isolation kann sehr dabei helfen, diese Stimmung aufzubauen. Lovecraft selbst arbeitet ja auch sehr oft mit diesem Mittel.
Ich hoffe, das ist nicht zu abstrakt.
Vielleicht hilft das hier noch: Meist finde ich das, was mich fasziniert, in deutschen oder europäischen Rollenspielszenarien. In amerikanischen Szenarien finde ich das sehr selten. (Geballere mit Mythos-Kreaturen interessiert mich nicht die Bohne).
rillenmanni:
Ich kann das bei mir nicht so ganz eingrenzen, glaube ich. Ich bin aber auch nicht ganz so der "Stimmungsspieler", dh solange das Spiel lebendig ist, ist alles gut. Es muss nicht besonders "lovecraftesk" sein.
Zu Closed Room: Da gibt es gewiss eine Intensitätsaffinität, ja. Aber muss auch nicht sein. Wir fanden zB einst ganz gruselig König! Reich! Unten!, bei dem man ja zB Tote auf Telegrafenmasten findet und sich allein wegen der quasi Unerklärbarkeit fragt, was einen gleich holen könnte.
Echte Gefahr und die (versuchte) Überwindung derselben ist immer ein Stimmungsgarant. Für mich legendär die Transsylvanien-Episode in Bruderschaft des Tieres, die (je nach Edition des Abenteuers) ohnehin quasi eine Todesfalle ist, und in der uns dann zudem ein verängstigter SC in den Rücken gefallen und ohne uns geflohen ist. Der SL hatte uns in dem Moment aufgegeben und auch betont offen gewürfelt. Und wir sind mit Quietschen und Schreien und Dank meines herausragenden Würfelkönnens (You must know how to work them!) aus der Sache herausgekommen, um danach noch den Gruppenkonflikt auszutragen.
Um die Angelegenheit noch lovecraftesker zu machen, käme für mich ein Überschreiten der Geschmacksgrenzen infrage. Wenn das in jedem Abenteuer passiert, dann verkommt es zum Selbstzweck, aber eine sinnvoll eingebrachte Grenzüberschreitung oder ein komplettes Durchbrechen / Auf-den-Kopf-Stellen menschlicher oder biologischer / psychologischer Muster hier und da, um zu zeigen, wie fremdartig der Mythos-Einfluss ist, mag eine klare Unterscheidung zum normalen Horror bringen.
Davon abgesehen mag ich es, wenn das Abenteuer den Spielern Freiheiten gewährt und nicht versucht, sich "dramaturgisch wertvoll" von Autorenszene zu Autorenszene zu hangeln. Ich mag es zudem, wenn das Abenteuer nicht vorsieht, dass alle sterben, nur weil es ein Cthulhu-Abenteuer ist. Der Spieler muss mit dem Feuer spielen können im vollen Wissen, dass er sich früher oder später daran verbrennen wird. Für mich wäre eine Mischung aus LotFP-Negadungeon (A) und Heldengeschichte (B) eine ziemlich lovecrafteske Angelegenheit: Ein Spannungsfeld zwischen "Wärest du mal besser nicht reingegangen, dann wärest du noch am Leben und die Welt würde nicht untergehen" (A) und "Wenn wir jetzt nicht reingehen und dabei vermutlich unser Leben opfern, dann wird danach die Welt untergehen" (B). Der Preis muss dabei nicht "die Welt" sein. Und das eine Abenteuer könnte (A) bedienen, das andere (B), das dritte könnte beide Optionen bedienen.
Der Läuterer:
Eingeschränkte Bewegungsfreiheit und Isolation haben auch bei mir fast immer zu positiven Spielresultaten geführt.
Ich glaube aber mittlerweile, dass das eigentliche Problem bei den Spielern liegt, die nicht mit der offenen Welt umgehen können und heillos überfordert sind, wenn sie eben alles machen können, vor lauter Möglichkeiten aber nicht wissen was und wohin.
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