Autor Thema: Bin ich schon "drin"?  (Gelesen 4825 mal)

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Offline Jiba

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Bin ich schon "drin"?
« am: 6.07.2019 | 08:43 »
In Bertis Nebenthread bin ich über das hier gestolpert.

Zitat
Hier muss ich auch nochmal einlenken. Bei der ersten Zuschreibung gehe ich ja noch mit. Bei der zweiten aber nicht. Ich bin nämlich ein "figurenimmersiver" Spieler (Ist in meiner Sig ja auch in Prozenten ausgedrückt). Das Erfahren der Welt durch die Eindrücke und Gefühle meiner Spielfigur ist mir enorm wichtig. Und mir geht es nicht alleine so: Ich habe Fate-Spieler prinzipiell als sehr "charakternah" wahrgenommen. Wenn man dann punktuell aus der Charakterperspektive wieder rausschlüpft, dann fndet man halt wieder rein. Bei mir geht das innerhalb einer Sekunde. Ich nehme die charakteristische Haltung und Stimme meines Charakters an und weiter geht's.

Zitat
Wer so schnell rein und raus ist, war entweder nie wirklich drin oder macht sich da nicht wirklich Gedanken über das was er da "draußen" anstellt.

Ich habe das Gefühl, mich hier rechtfertigen zu müssen. Denn es schiebt mich, der ein sehr figurenzentrierter Spieler ist, nämlich in eine Schublade, in der ich mich nicht sehe. Und ich möchte wetten, viele von den Fate-Spielern und Story-Gamern mit hohem Meta-Anteil würden dieser These genauso leidenschaftlich widersprechen wie ich. 

Es ist eine Sache für sich selbst zu sagen: XYZ reißt mich aus der Charakterimmersion.

Es ist eine ganz andere Sache, für einen Spieler (und stellvertretend einen ganzen Spielstil) die Fähigkeit zur Figurenimmersion komplett in Abrede zu stellen.

Mich wundert aber nicht, dass eine solche Behauptung irgendwann mal folgen musste. Das liegt einfach daran: Immersion ist ein furchtbar schwammiger Begriff. Wir reden ständig davon, dass wir sie erreichen wollen und dass wir sie nicht erreichen, wenn wir uns auf der Meta-Ebene aufhalten (noch so ein schwammiger Begriff, weil, wie andere schon an anderer Stelle vollkommen richtig gesagt haben, so ziemlich jede Interaktion mit dem Charakterblatt, Nutzung einer Battle-Map, das Abspielen von Hintergrundmusik, fancy dice tricks sowie Outgame-Kommentare wie "Reichst du mir mal die Cola" als Interaktion mit der Metaebene gewertet werden können, weil sie nicht strikt aus Figurenperspektive erfolgen).

Aber zurück zur vielbeschworenen Immersion. Kritiker an Spielen, bei denen das Spiel sich gehäuft auf die, okay, sagen wir wirklich "Metaebene" verschiebt, argumentieren damit, das ist ihre Immersion stört. Dass sie also nicht wirklich im Charakter drin sind und sich deshalb von ihrem Charakter entfernt haben. (Gleichzeitig stellen diese Spieler ja durchaus metastrategische Überlegungen an wie "Wo bewege ich mich am Besten hin, damit mein Feuerkegel den Gnoll genau trifft". Oder "Okay, ich finde wir müssen jetzt rasten, damit sich meine HP wieder regeneriert." Das aber nur am Rande.)

Ich finde es da erstaunlich, wie wenig wir uns dabei doch die folgenden Fragen stellen:

1. "Wie findet man in einen Charakter rein?"
2. "Was bietet die vollkommene Immersion in einen Charakter mir an Spielweltzugängen und Spaßquellen, die ich sonst nicht hätte?"
3. "Wenn Metaregelanwendung die Momente der niedrigsten Immersion sind, was sind dann die Momente der höchsten?"
4. "Ist Immersion binär (on/off) oder graduell?"


Ich will zuförderst mal die Fragen für mich beantworten, um vielleicht mal eine dezidiert durch meine Rollenspielsozialisation gefärbte Perspektive anzubieten. Ich will aber vorher noch etwas sagen: Ich glaube, dass die Art und Weise, wie man in Charaktere hineinfindet und mit ihnen "verschmilzt", von unterschiedlichen Rollenspielern auch unterschiedlich bewerkstelligt wird. Ich glaube ferner, dass die Kritiker der Metaebene gar nicht mal die Brüche im Metabereich selbst stören, sondern die lange Zeit, die sie zum Wiederfinden der Charakterebene brauchen (was, wie ich betonen möchte, vollkommen legitim ist... jeder Jeck ist anders.)

1.
Übers Schauspiel. Bei mir finde ich in den Charakter, wenn ich seine Manierismen übernehme. Ich gewöhne mir für meine Charaktere gerne eine bestimmte Art zu Sitzen oder zu Sprechen an. Ich nutze, wo es sinnvoll ist, gerne Props, die den Charakter unterstreichen müssen. Diese Manierismen anzunehmen hilft mir dabei, Metaebene und Charakterebene strikt zu trennen. Und gleichzeitig helfen sie mir dabei, schnell und sehr punktuell in den Charakter reinzuspringen.

Mein letzter Shadowrun-SC hat beispielsweise berlinert, wenn ich also von "ick" statt "ich" sprach, war für alle am Tisch nicht nur klar, dass ich als "Candy Cane" spreche, sondern ich habe quasi per "Selbstsuggestion" auch stärker in sie reingefunden. Wenn ich bei meinem Barockzwerg bei "Agone" das Taschentuch aufgenommen und an meinen Mittelfingerring gehangen habe und dann damit rumgewedelt habe, war klar, dass ich jetzt eben der "Leopold" bin und nicht mehr der Jiba.

Das funktioniert nicht nur nach außen, sondern eben auch nach innen. Ich versuche immer eine gewisse Körperlichkeit in den Charakter reinzubringen. Aber auch nicht immer. Es gibt Charaktere, bei denen tue ich das nicht.

Für die ist es dann vor allem die Interaktion mit anderen Charakteren, die diese Immersion herauskitzeln und mich reinfinden lassen. Ob das jetzt NSCs sind oder die Spielwelt selbst, spielt erstmal keine Rolle. Wenn ich mich im Mindset meines Charakters mit anderen Charakteren auseinandersetze, kommt die Immersion quasi von selbst.

Wie gesagt, dieses in den Charakter schlüpfen und ihn dann auch in seiner Perspektive erleben, kann punktuell geschehen. Auch direkt nach einer sehr intensiven Aspekte-Hin-und-Her-Schieb-Aktion.

(Mir ist auch bewusst, dass ich in einem alten Thread von mir mal die These vertreten habe, dass es Immersion so gar nicht gebe. Davon bin ich abgerückt, seit mir klar wurde, was mein eigener Zugang dazu ist.)

Ich sollte auch sagen, dass ich in meiner Jugend viel Theater gespielt habe, wo wir von der Maske mit Cola in der Hand dann vom ein auf den anderen Moment im Schloss des Grafen von Moor sein mussten. Das hat sicherlich meinen Zugang zum Rollenspiel sehr beeinflusst. Es ist dem Rollenspiel mit seinen Wechseln zwischen Meta- und Spielwelt-Ebene dahingehend ganz ähnlich.

2.
Einen intensiven Zugang zu den Gefühlen der Figur. Das kann das Gefühl der Angst sein, des Nervenkitzels oder auch Gefühle, die sich mehr auf zwischenmenschliche Interaktionen beziehen. Es ist weniger der Stolz des "Jetzt bin ich ein großer Held!" (ich spiele auch sehr gerne Antihelden), sondern das Versenken in die Gefühlswelt einer Figur. Die Frage, wie lange es dauert, zumindest bei mir, um mich in die Gefühlswelt dieser Figur zu versenken, hängt mehr von dem ab, was auf der Spielweltebene erzählt wird als davon, was auf der Metaebene geschieht.

Faustregel: Viel zwischenmenschliche Interaktion, viel knallharte Action, viel harte Entscheidugen = stärker bebende Gefühlswelt des Charakters

Ich habe bei mir festgestellt, dass die Metaebene (zumindest die Aspekte bei Fate) dabei auch sehr helfen, denn sie platzieren die Figur in der Geschichte, geben Anhaltspunkte dafür, welche Rolle die Figur einnimmt. Das erzeugt Anreize fürs Schauspiel in der Spielwelt. Das hilft mir in die Figur zu finden und macht die Immersion für mich intensiver.

Aber der Zugang zur Spielwelt läuft für mich hauptsächlich auf der Gefühlsebene ab. Und sicherlich auch auf der Ebene, wie die Figur zu denken.

3.
Wie oben schon angeklungen: Die Momente, in denen die Gefühle von Figuren auf der zwischenmenschlichen Ebene miteinander kollidieren oder die Figuren stark zueinander treiben. Hasserfüllte Feindschaften, ausgespielt. Verlustgefühle, ausgespielt. Momente der Freundschaft, ausgespielt. Wenn der Charakter in den Trümmern des niedergebrannten Hauses nach seiner verlorenen Liebe sucht. Wenn er feststellt, dass der grausam entstellte, untote Feind, den er niedergestreckt hat, eine Familie hat und Kinder aus einem früheren Leben, die ihn lieben und dem Charakter unter Tränen Rache schwören. Das sind Momente, da geht die Immersion bei mir durch die Decke!

Auf welche Weise diese Momente jetzt spielmechanisch vorbereitet worden sind, spielt einfach keine Rolle. Das ist reine Präferenz, ob man jetzt als Autor mit am Setting basteln will oder nicht. Es ist (zumindest in meiner Erfahrung als Rollenspieler) vollkommen davon entkoppelt. Ja, damit ist es tatsächlich "egal", ob man jetzt Fate spielt oder GURPS oder old D&D oder Storyteller. Letztlich muss man selbst damit klarkommen. Unzweifelhaft ist natürlich, dass unterschiedliche Spiele, unterschiedliche mechanische Zugänge zur Spielwelt bieten. Da zählt dann der eigene Gusto. Und ich muss zugeben: Starker Crunch mit vielen Modifikatoren, die es zu beachten gilt, kann für mich das Schlüpfen in den Charakter behindern. Anderen mag es so mit Metamechaniken gehen.

4.
Diese Frage möchte ich eher der Community mit auf den Weg geben, denn da habe ich für mich auch noch keine passende Antwort.

Für mich wäre sie ja eher binär – begibt man sich in die Charakterperspektive, ist man in der Charakterperspektive. Ich denke aber auf der anderen Seite auch, dass Momente intensiverer und weniger intersiverer Immersion gibt. Sicherlich kennen viele Rollenspieler das Phänomen, dass man den eigenen Charakter, unabhängig vom System irgendwie nicht richtig greifen kann oder nicht richtig finden will.

Was die eigene Immersion intensiviert oder hindert und damit die Intensität erhöht oder senkt, sind glaube ich sehr subjektive Kategorien. Wenn ich also sage: "Bei mir sind sehr harte, sehr komplexe Regelmechaniken mit Positionierung und abstrakten Bewegungs- und Wundmodifikatoren echte Immersionskiller, weil sie mir nichts erzählen und mir keine Auskunft darüber geben, was in meinem Charakter eigentlich los ist." dann ist das genauso valide, wie wenn ich sage "Bei mir ist dieses wachsweichen Aspekte- und Punkte-Rumgeschiebe ein echter Immersionskiller, weil sie mir nicht sagen, wie mein Charakter mit der Physik der Spielwelt interagiert."

Der eine hat nicht mehr Recht oder Unrecht, seine Immersion angegriffen zu sehen, als der andere. Und der eine ist auch nicht immersionsbefähigter als der andere.



Und jetzt kommt ihr. Beantwortet die vier Fragen für euch, gerne mit Anekdoten, und lasst uns darüber reden, was das überhaupt ist, diese ominöse Immersion.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Issi

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #1 am: 6.07.2019 | 09:18 »
(Ich hoffe man darf auch als Nicht-Fateler antworten. Sind ja hier in Allgemein)
1. Wie findet man in den Charakter rein?
Hat jmd. gelernt zu schauspielern?
Hat jmd schon mal Theater bzw.
 Improtheater gespielt?

Da muss das Reinfinden in den Charakter innerhalb von Sekunden gehen.
Ich kann nicht auf der Bühne stehen, und zum Publikum sagen:" Moment. Ich brauch noch ein paar Minuten,  bin noch nicht ganz drin. "
Das geht nicht. Folglich muss das schnell passieren.

D. h.  Von Moment zu Moment.
Man schlüpft in die Rolle rein und wieder raus. Und wenn man drin ist, dann ist man die Rolle.
Man nimmt ihre Position voll ein.
Ihr Denken, ihre Emotionen, ihre Intentionen.
etc.
Rollenspiel hat kein Drehbuch.
Folglich ist das nix anderes als Improtheater.
Jiba wollte Anekdoten.
Also eine zu Frage 1.
Waren mal Gastspieler in einer Runde, wo wir gefragt wurden:" Wie macht ihr das nur? Wir wurden von euren Figuren so gut unterhalten. Habt ihr euch vor dem Spiel überlegt, was sie wie sagen?"
Antwort: Nö, das machen wir immer so. Im
Rollenspiel Figuren spielen ist nix anderes als Improtheater.

Wie funktioniert das jetzt?
Schwer zu erklären.
Meine Antwort wird philosophisch.
Aber einer Meinung bin ich doch: Je mehr man sich selbst kennt,  und sich seiner selbst bewusst ist, desto leichter, kann man sich selbst auch mal vergessen.
Und das ist notwendig um eine andere Person zu sein.
Auch im Reallife ist man, oft ohne es zu wissen in Rollen drin. Und je mehr man das wahrnimmt. A la " Wann spiele ich gerade eine Rolle um anderen zu gefallen und wann nicht? -desto leichter, sicherer gelingt es seine Reallife Rolle kurzfristig abzulegen und  gegen eine andere zu tauschen.

2. Was bietet mir eine vollständige Immersion, an Spielweltzugängen und  Spaßquellen?

Man ist halt drin.
D. h. man ist in der Welt. Man fühlt und denkt für den Charakter. Man sieht die Welt vor sich in seiner Imagination, so, als wäre sie echt,  und als wäre man ein Teil von ihr.
Kurz- man vergisst das Reallife komplett, für die Zeit, in der man spielt.
Das ist Weltflucht vom Feinsten.  ~;D
Aber gleichzeitig auch nicht, denn man ist ja dafür in einer anderen Welt.
Und innerhalb dieser Welt kann man Erfahrungen über die Figur sammeln.
Kleine Anekdote zu 2.
Wenn Spieler sich über Rollenspiel Gegenstände mehr freuen, als über reale Geschenke. Wenn sie vor einem Kampf oder einer anderen Herausforderung vor lauter Angst aufs Klo rennen, viel oder gar nichts essen. Wenn sie extra mit ihrem Chef feilschen, damit die nächste Sitzung so zeitnah wie möglich stattfinden kann, wenn sie sich auch abseits des Spiels Gedanken um die Probleme  ihrer Figur machen,.....dann sind sie zumindest mEn. auch drin.

3.Was sind die Momente der höchsten Immersion?
Emotionale, würde ich sagen.
Emotionale Erlebnisse innerhalb des Spiels.
Und jetzt die technische Antwort: Wenn man  sich auf nix anderes konzentrieren muss, als   seinen Charakter zu spielen.
D. h.  ich kann sämtliche  Entscheidungen aus Sicht des Charakters, den Emotionen des Charakters  heraus fällen. Sie werden mir nicht von außen auferlegt.
Ich bin und bleibe Herr(in) über die Emotionen und Gedanken meines Charakters. Ich muss sie nicht aufgrund von Würfelwürfen oder ähnliches verformen.
Kurz ich kann den Charakter selbst definieren und ihm auch treu bleiben.

Zu 4.
Beides. (Falls ich die Frage richtig verstehe)
Man kann in eine Rolle rein und raus schlüpfen. Das geht auch während der Sitzung.. bei Unterbrechungen, Pausen, OT Gequatsche etc.
Aber in der Szene, in der man seinen Charakter dann punktuell mal spielt (In der man für ihn spricht, denkt und handelt), sollte man das dann auch voll tun dürfen.
Klar gibt es auch da Sequenzen wo man mal z. B.  zum Würfeln unterbricht.
Aber die Entscheidungen,was ein SC tut und fühlt, sollten zumindest mMn. beim Spieler selbst bleiben.

Edit.
Der größte Feind der Immersion ist man selbst.

(Und Spielregeln die einem den Charakter brechen )

Ich würde ich unterscheiden zwischen A. "Unterbrechen"  (Also das Normale Reinraus, das man im Spiel so hat)
Und B.  "Charakter Brechen". Das zweite passiert wenn mir Würfel plötzlich im Spiel sagen wie mein Charakter zu sein hat.
Kurz wie er denkt und fühlt und was er tut.
Denn uU. passt das für den Spieler nicht mit dem zusammen, wie er selbst für den Charakter denkt und fühlt.

A la " dein Charakter ist jetzt verliebt, dein Charakter findet das jetzt gut, dein Charakter will das jetzt machen, dein Charakter ist dagegen... usw. "
Kurz wenn da Spielerentscheidungen entwertet  werden bzw. Entscheidungen die der Spieler normalerweise selbst für seine Figur trifft, durch Regeln aufgezwungen werden.


Nochmal zu A. Da kann es auch sein, dass das Switchen zwischen Metaebene und Figureninnenwelt manche eher anstrengender empfinden als andere.
Deshalb ist weniger Meta für einige Spieler entlastender, weil sie sich dann besser auf ihre Figur konzentrieren können.
Aber ist vermutlich auch Typsache. 

« Letzte Änderung: 6.07.2019 | 12:32 von Issi »

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #2 am: 6.07.2019 | 12:30 »
Ich muss für mich mal die gesamte Prämisse ein bisschen in Frage stellen. Rollenspiel ist ein beständiger Wechsel von IC und OOC. Selbst wenn ich voll im Charakter drinstecke, dann muss ich doch bei Bedarf auf mein Charakterblatt schauen (und womöglich noch Modifikatoren addieren!). Oder ich will, dass mir jemand einen Snack herrüberreicht. Oder man unterhält sich kurz was es sonst Neues in der Echtwelt gibt. Ich halte permanent im Charakter zu sein gar nicht für erstrebenswert.

Es ist halt die Kunst mit einem Fingerschippen wieder zurück in die Rolle reinzuschlüpfen.

Es gibt stattdessen völlig andere Dinge, die meine Immersion stören - zB wenn ich als Fantasyheld dauernd auf Heiler oder Heiltränke angewiesen bin - obwohl klassische Fantasyhelden das nicht sind. Es fühlt sich dann nämlich wie ein Spiel an und reißt mich aus der Welt heraus; die Eigentümlichkeiten des Systems produzieren dann nämlich Fiktion, die ich wenig glaubhaft finde.

Zu den 4 Fragen in Kurzform:
1. Das kann vieles sein: ein bestimmtes Bild oder eine bestimmte Art zu reden.
2. Naja, es ist halt wie mit Büchern oder Filmen: Immersion impliziert eine gewisse Faszination als Voraussetzung.
3. Für mich? Gelungene Dialoge innerhalb einer Sitzung, die auch ansonsten interessante und glaubhafte Fiktion liefert.
4. OOC ist 0% Immersion. IC ist graduell.
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Online Maarzan

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #3 am: 6.07.2019 | 12:40 »
Es ist eine ganz andere Sache, für einen Spieler (und stellvertretend einen ganzen Spielstil) die Fähigkeit zur Figurenimmersion komplett in Abrede zu stellen.

Es wird nicht komplett in Abrede gestellt, sondern unter den geschilderten Eckpunkten.


Mich wundert aber nicht, dass eine solche Behauptung irgendwann mal folgen musste. Das liegt einfach daran: Immersion ist ein furchtbar schwammiger Begriff. Wir reden ständig davon, dass wir sie erreichen wollen und dass wir sie nicht erreichen, wenn wir uns auf der Meta-Ebene aufhalten (noch so ein schwammiger Begriff, weil, wie andere schon an anderer Stelle vollkommen richtig gesagt haben, so ziemlich jede Interaktion mit dem Charakterblatt, Nutzung einer Battle-Map, das Abspielen von Hintergrundmusik, fancy dice tricks sowie Outgame-Kommentare wie "Reichst du mir mal die Cola" als Interaktion mit der Metaebene gewertet werden können, weil sie nicht strikt aus Figurenperspektive erfolgen).

Nein, der Begriff ist so schwammig, weil eine klare Definition verweigert wird und stattdessen an Strohmännern herumdiskutiert wird und jegliche Erklärungsversuche strikt ignoriert werden, um die eigene heilige Systemkuh feiern zu können: Fate kann doch alles und wenn wir das nur ein wenig anders interpretieren gibt es eure Problem mit dem Spiel doch gar nicht. 

Das Charakterblatt und die Battlemap verlassen die Spielweltebene nicht, sondern erfordern "lediglich" eine Transformation. Es ist aber kein Umdenken erforderlich, weil keine anderen Belange außer der Figur einfließen. Wer gut transformieren kann, wird hier nicht aus der Immersion gerissen.

Eine über der Verarbeitungskapazität liegende erforderliche Transformation und mehr noch Abstraktionsverluste stören je nachdem die Immersion allerdings auch, aber aus anderen Gründen und auch eher "lernbar", weil eben eine Aufwandsstörung und keine Perspektivenstörung.
Oft  stört es auch gerade  andere Leute und sollte also unterschieden werden zu der Metastörung. 
Die Cola oder Musik können stören, aber nicht weil Meta, sondern ggf.wegen Konzentrationsstörung. Sie sind ebenfalls kein Metaeinfluss, weil sie kein Einfluss sind. Nichts ändert sich in der Spielwelt, wenn die Cola nun rüberwandert oder das auch ignoriert wird oder auch eine Fanta gereicht wird.

Aber zurück zur vielbeschworenen Immersion. Kritiker an Spielen, bei denen das Spiel sich gehäuft auf die, okay, sagen wir wirklich "Metaebene" verschiebt, argumentieren damit, das ist ihre Immersion stört. Dass sie also nicht wirklich im Charakter drin sind und sich deshalb von ihrem Charakter entfernt haben. (Gleichzeitig stellen diese Spieler ja durchaus metastrategische Überlegungen an wie "Wo bewege ich mich am Besten hin, damit mein Feuerkegel den Gnoll genau trifft". Oder "Okay, ich finde wir müssen jetzt rasten, damit sich meine HP wieder regeneriert." Das aber nur am Rande.)

Das sind genau die Überlegungen, welche die Figur letztlich übertragen auch treffen würde und damit nicht meta.

1.  Für mich: Per konzentrierter Vorstellungskraft und akutem Fokus auf die "Innenansicht" und Aus-/Abblenden der externen Befindlichkeiten. Deshalb tun letztere entsprechen weh.
Und für mich leist sich das weiter, als ob du dich primär an Äußerlichkeiten und externen Konstruktionen aufhängst statt von innen aus zu agieren.

2. Das Erleben dieser Gefühle stimmt schon, aber aus der Rolle erwachsend. nicht vorkonstruiert. Und "Geschichte" hat mit der Figur erst einmal gar nichts zu tun.


3. Gefühle sind ein entsprechender Bestandteil, aber für mich hört deine Beschreibung weniger nach Immersion an als nach Besessenheit durch einen Dämon, der sich an den extremen Gefühlen seines "Gastgebers" labt - oft genug, nachdem er die diese Gefühle überhaupt erst durch von ihm angezettelte Katastrophen verursacht hat.

Du leidest offenbar unter Transformationsstress.

4. Ich sehe das als eine U-förmige Verteilung mit zwei theoretischen Extremen und der Praxis dazwischen, aber mit einer klaren Bevorzugung einer der beiden "Hänge". Man kann die extreme - insbesondere den der Immersion - nicht perfekt erreichen, man befindet sich irgendwo dazwischen, in noch nicht so richtig laufenden Runden auch mal nur im unbefriedigenden matschigen Tal, aber die andere Seite ist trotzdem "bäh". Irgendwo hört der Spielspaß dann auf.

Da muss das Reinfinden in den Charakter innerhalb von Sekunden gehen.
Ich kann nicht auf der Bühne stehen, und zum Publikum sagen:" Moment. Ich brauch noch ein paar Minuten,  bin noch nicht ganz drin. "
Das geht nicht. Folglich muss das schnell passieren.

Entsprechend konzentriert man sich als Schauspieler auch auf seine Darstellung und betätigt sich nicht nebenbei noch als Kullissenschieber und Theateragent.

Das ist wie wenn jemand in einem wichtigen Gespräch am Hand spielt und erklärt: Ich hör ja zu".
Sowohl die Metaebene, wie das Rollenspiel erfordern Aufmerksamkeit und Denkschmalz - wenn auch von der Art her anders angelegte und richtig, d.h. mit vollem Einsatz, kann man nur eine machen und das kostet wenigstens Zeit.

Zusätzlich macht die schwammige Grundlage von Fate und damit die implizierte Notwendigkeit des "auf derselben Seite stehen" es auch notwendig genau darauf auch zu achten und entsprechend nach zu denken und zu kommunizieren - außer man hat eh nicht vor die Belange seiner Mitspieler zu berücksichtigen und es auf den Konflikt/ die Diskussion wenn es dann knallt ankommen zulassen.
Wer Spielleiterrechte/aufgaben über Playerenpowerment übernimmt, übernimmt eben letztlich auch die damit einhergehende Verantwortung und das passiert - gerade auch unter dem relativen Informationsmangel - nicht so nebenbei.
Und da stammt letztlich die Aussage ganz oben her, dass man da wohl nicht so wirklich drin oder macht sich nicht wirklich Gedanken um das draußen.


Ich muss für mich mal die gesamte Prämisse ein bisschen in Frage stellen. Rollenspiel ist ein beständiger Wechsel von IC und OOC. Selbst wenn ich voll im Charakter drinstecke, dann muss ich doch bei Bedarf auf mein Charakterblatt schauen (und womöglich noch Modifikatoren addieren!). Oder ich will, dass mir jemand einen Snack herrüberreicht. Oder man unterhält sich kurz was es sonst Neues in der Echtwelt gibt. Ich halte permanent im Charakter zu sein gar nicht für erstrebenswert.

Es ist halt die Kunst mit einem Fingerschippen wieder zurück in die Rolle reinzuschlüpfen.

Es gibt stattdessen völlig andere Dinge, die meine Immersion stören - zB wenn ich als Fantasyheld dauernd auf Heiler oder Heiltränke angewiesen bin - obwohl klassische Fantasyhelden das nicht sind. Es fühlt sich dann nämlich wie ein Spiel an und reißt mich aus der Welt heraus; die Eigentümlichkeiten des Systems produzieren dann nämlich Fiktion, die ich wenig glaubhaft finde.


Das ist eben nicht auf derselben Ebene OOC. Es geht um den dahinter stehenden Denkprozess - siehe oben.

Der Gedanke an die geschichte mit dem Fantasyhelden ist für Figurenimmersion schon falsch. Die Figur weiß nichts von Geschichten, die der Leser mal gelsenhat und ggf nachspielen will.
Die Figur weiß nur getroffen werden tut weh und ist ungesund, Tränke und Heiler wirken dagegen. Also wird sie nach ihren Möglichkeiten wenn sie das Risiko verletzt zu werdennciht vermeiden kann oder will versuchen solche in Griffweite zu halten - völlig IC.



 


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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #4 am: 6.07.2019 | 12:47 »
Ich gebe zu bedenken, dass Immersion nicht jedem (sowohl Person wie Spielstil) wichtig ist. Für mich ist sie ein Abfallprodukt, mir ist die Spannung und Herausforderung deutlich wichtiger (daher stört mich das Püppchen schubsen auch nicht, weil der Tausch Immersion gegen Spannung für mich ein gutes Geschäft ist).

Möchte ich hingegen Immersion, larpe ich - da ist mein Immersionsgefühl deutlich stärker ausgeprägt.
"In den letzten zehn Jahren hat sich unser Territorium halbiert, mehr als zwanzig Siedlungen sind der Verderbnis anheim gefallen, doch nun steht eine neue Generation Grenzer vor mir. Diesmal schlagen wir zurück und holen uns wieder, was unseres ist.
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Offline Issi

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #5 am: 6.07.2019 | 12:50 »
Entsprechend konzentriert man sich als Schauspieler auch auf seine Darstellung und betätigt sich nicht nebenbei noch als Kullissenschieber und Theateragent.

Das ist wie wenn jemand in einem wichtigen Gespräch am Hand spielt und erklärt: Ich hör ja zu".
Sowohl die Metaebene, wie das Rollenspiel erfordern Aufmerksamkeit und Denkschmalz - wenn auch von der Art her anders angelegte und richtig, d.h. mit vollem Einsatz, kann man nur eine machen und das kostet wenigstens Zeit.
Das stimmt, wobei es auch sowas wie einen Stand-by Modus gibt.

Du bist zwar in einer Rolle drin.
Aber während andere sprechen, bist du selbst auf "Stand by"
Stand by ermöglicht dir auch noch zusätzlich andere Sachen zu tun oder wahrzunehmen.
Das geht auch im Rollenspiel.
Z. B.  kurz mal was nachschauen oder würfeln.

Oder auch "Leitung halten. "
Man  kann die Leitung zur Figur halten, und nebenbei etwas anderes tun.
Das funktioniert aber idR. nicht, wenn man selbst spricht bzw. darstellt.

@
Greifenklaue
Dann scheinen wir ein unterschiedliches Verständnis von Immersion zu haben.

Ich kenne jetzt auch beides- LARP und Rollenspiel, und könnte nicht sagen, dass Spannung Immersion ausschließt oder umgekehrt. Im Gegenteil. Das gehört doch zusammen. Immersion erzeugt Spannung, weil man drin ist.
Man kann sich den Gegner oder die Gegner bildlich vorstellen. Das erzeugt zumindest mEn. im Rollenspiel je Menge Adrenalin.
Bzw. eine ähnliche Spannung wie beim LARP.
 :)

Edit.
Beim Brettspiel schiebe ich klar auch Figuren. Und das kann auch spannend sein.
Aber auf eine ganz andre Art und Weise.
Man kuckt eher von oben auf die Situation, bzw. die Figuren, statt in einer anderen Welt zu sein, und diese Welt durch die Augen der Figur zu erleben. (Natürlich auch durch ihre Ohren, Nase, und was sie sonst noch für Sinne hat )

Oder ganz Blöd gesagt: Der Unterschied zum Larp ist doch der, dass ich keine Kostüme und Kulissen brauche, weil ich mir das stattdessen vorstelle.
« Letzte Änderung: 6.07.2019 | 13:14 von Issi »

Online Maarzan

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #6 am: 6.07.2019 | 13:03 »
Ich gebe zu bedenken, dass Immersion nicht jedem (sowohl Person wie Spielstil) wichtig ist. Für mich ist sie ein Abfallprodukt, mir ist die Spannung und Herausforderung deutlich wichtiger (daher stört mich das Püppchen schubsen auch nicht, weil der Tausch Immersion gegen Spannung für mich ein gutes Geschäft ist).

Möchte ich hingegen Immersion, larpe ich - da ist mein Immersionsgefühl deutlich stärker ausgeprägt.

Nein, es ist nur eine Spielstilpräferenz - aber  sehr eng mit dem"Rollen"Aspekt des Rollenspiels verbunden. Aber es geht auch ohne Immersion.

Larp fand ich jetzt dagegen sehr unimmersiv: einmal wegen der Sicherheitsregeln, dann wegen teils sehr abstrakten Hilfsmethoden, die trotz dem natürlich viel stärkeren "Zug" in den Charakter hinein berücksichtigt werden müssen und dann weil zu viele Mitspieler völlig meta unterwegs waren (Zitat: "ich trau dir nicht, du warst beim NSC-Briefing ...")
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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #7 am: 6.07.2019 | 13:12 »
Kurz gefaßt: für mich persönlich ist der reine Immersionsbegriff mittlerweile mehr Allergieauslöser als sonst irgendetwas. "Probleme" damit sind mir nämlich fast ausschließlich (zu der Ausnahme komme ich gleich) nur in Forendiskussionen -- nicht nur, wenn auch auch, im Tanelorn -- geschildert worden, in denen es die "Immersionsvertreter" dann recht überzeugend geschafft haben, mir diese ominöse Immersion als etwas zu verkaufen, daß (a) aus ihrer Sicht so suuuuperwichtig sein muß, daß sie ihr andere Spielziele bedingungslos unterordnen und (b) andererseits aber als so zerbrechlich geschildert wird, daß mir beim besten Willen nicht klar ist, wie man mit diesen Leuten überhaupt irgendwie zusammen spielen soll, ohne sie ständig aus diesem exaltierten Bewußtseinszustand herauszureißen. Mit anderen Worten, da hat sich bei mir eine mittlerweile ziemlich belastbare "selbstbetitelter 'Immersionist' = wahrscheinlicher Problemspieler"-Assoziationskette herausgebildet.

Die einzigen Gelegenheiten, bei denen ich sagen würde, daß ich mit meiner eigenen Immersion mitunter "echte" Schwierigkeiten hatte, waren im Zusammenhang mit Living Greyhawk-Conabenteuern, weil die Kombination aus dem Jonglieren mit den doch nicht gerade leichtgewichtigen D&D3.x-Regeln im Kopf und meist vorhandener Battlemap mit Miniaturen mich zumindest zeitweise definitiv aus meiner Charakterperspektive gerissen und statt dessen in einen "Neuling im Brettspiel"-Modus geschoben hat. Interessanterweise kann ich mich an mindestens ein Szenario erinnern, in dem wir 'gezwungen' waren, im Theater-of-the-Mind-Stil zu improvisieren; der genaue Grund dafür ist mir entfallen, aber daß mir sowohl das Spiel als auch die vielbeschworene Immersion selbst im Kampf plötzlich wesentlich leichter fielen? Das ist wiederum hängengeblieben -- anscheinend ist das Hauptimmersionshindernis, das ich für mich selbst verbuchen kann, schlichte zumindest zeitweise Hirnüberfrachtung mit anderen Dingen.

Offline Alexandro

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #8 am: 6.07.2019 | 13:13 »
1. "Wie findet man in einen Charakter rein?"
2. "Was bietet die vollkommene Immersion in einen Charakter mir an Spielweltzugängen und Spaßquellen, die ich sonst nicht hätte?"
3. "Wenn Metaregelanwendung die Momente der niedrigsten Immersion sind, was sind dann die Momente der höchsten?"
4. "Ist Immersion binär (on/off) oder graduell?"

1. Wenn ich Entscheidungen treffe, wie sie der Charakter treffen würde, ohne darüber nachzudenken.
2. Ich denke Immersion ist etwas, was einfach 'passiert' (in der Regel unbewusst): es ist einfach das überraschende Gefühl, dass man plötzlich im Charakter drin ist. Wenn man das plant und sagt "Jetzt will ich den Charakter darstellen." dann ist das (in meinen Augen) nicht immersiv (es kann aber evtll. den anderen Spielern helfen, in ihre eigene Immersion reinzukommen).
3. Oft geht das Hand in Hand. Regelanwendung ist (zu der Überzeugung bin ich durch den Nachbarthread gelangt) zielorientiert: wenn das Ziel etwas ist, was der Spieler mit Bedeutung auflädt, dann kann Immersion passieren.*
4. Graduell.

*ein Beispiel (7te See): mein Charakter ist eine Jugendliche, deren Mutter (wegen Schulden der Familie) im Gefängnis sitzt. Nachdem mein Charakter etwas Geld auf einem Piratenschiff verdient hat, kehrt sie schließlich in die Heimat zurück und versucht mit dem Gefängniswärter zu verhandeln, um die Mutter freizukaufen (Dramatische Szene, durch Würfeln entschieden). Dabei wurde relativ viel Spannung aufgebaut, als sich herausstellte, dass das Geld nichtmal ansatzweise reicht, dann Unsicherheit (jemand anderes hatte schon einen Teil der Schulden getilgt - wer hat da noch Interessen im Spiel?) und die Entscheidung für welchen Ansatz ich die Steigerungen jetzt einsetzen sollte (erstmal einen guten Deal bei der Schuldentilgung bekommen; die Mutter auf Kaution auf freien Fuß kriegen; herausfinden, wer der mysteriöse Gönner ist oder gar versuchen den Wärter zu bestechen?) - ich habe mich dann für die zweite Option entschieden und das Wiedersehen des Charakters mit ihrer Mutter war dann eine wunderbar intensive Szene (eine Mischung aus bittersweet und awkward - weil der Charakter natürlich nicht zugeben wollte, dass sie jetzt ein Leben der Piraterie führt).  :)
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline Issi

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #9 am: 6.07.2019 | 13:21 »
1. Wenn ich Entscheidungen treffe, wie sie der Charakter treffen würde, ohne darüber nachzudenken.
2. Ich denke Immersion ist etwas, was einfach 'passiert' (in der Regel unbewusst): es ist einfach das überaschende Gefühl, dass man plötzlich im Charakter drin ist. Wenn man das plant und sagt "Jetzt will ich den Charakter darstellen." dann ist das (in meinen Augen) nicht immersiv (es kann aber evtll. den anderen Spielern helfen, in ihre eigene Immersion reinzukommen).
Dieses intuitiv spielen beginnt mEn.  sobald man im Charakter ist. Beziehungsweise der Charakter ist.
Planen wie man ihn spielt, kann man nur bedingt.
Man kann aber vorher bewusst entscheiden, dass man jetzt den Charakter übernimmt.
Praktisch auf Charakter umswitched.


Das Switchen selbst passiert idD. nicht zufällig.
Beziehungsweise ist steuerbar.
Wenn man dann im Charakter ist, dann ist steuern nicht mehr notwendig.
Dann ist man ja der Charakter.
Folglich handelt man natürlicherweise auch wie er (oder sie).

Wenn man SL ist, wird das vielleicht klarer.
Da switched man ja häufiger zwischen den unterschiedlichsten Charakteren hin und her.
Gerade wenn mehrere NSC gleichzeitig anwesend sind. "Hier raus", "da rein "passiert nicht zufällig. Das wird schon entschieden.
Doch das Agieren als Figur erfolgt dann intuitiv, natürlich.
« Letzte Änderung: 6.07.2019 | 13:56 von Issi »

Offline Greifenklaue

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #10 am: 6.07.2019 | 13:32 »
@
Greifenklaue
Dann scheinen wir ein unterschiedliches Verständnis von Immersion zu haben.

Ich kenne jetzt auch beides- LARP und Rollenspiel, und könnte nicht sagen, dass Spannung Immersion ausschließt oder umgekehrt. Im Gegenteil. Das gehört doch zusammen. Immersion erzeugt Spannung, weil man drin ist.
Man kann sich den Gegner oder die Gegner bildlich vorstellen. Das erzeugt zumindest mEn. im Rollenspiel je Menge Adrenalin.
Bzw. eine ähnliche Spannung wie beim LARP.
 :)

Wenn Du nochmal liest, stellst Du fest, dass ich gar nicht gesagt habe, dass sich Immersion und Spannung ausschließt, sondern das mir Immersion nicht so wichtig ist. Viele geben das ja als ihr Ziel oder ihre Hauptspaßquelle aus.

Ich sag auch nicht, dass ich Immersion nur im Larp empfinde, sondern dort stärker empfinde. Ich mag z.B. im LARP Tavernenspiel sehr gerne, im RPG geht mir das nur auf den Sack.
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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #11 am: 6.07.2019 | 13:36 »
Larp fand ich jetzt dagegen sehr unimmersiv: einmal wegen der Sicherheitsregeln, dann wegen teils sehr abstrakten Hilfsmethoden, die trotz dem natürlich viel stärkeren "Zug" in den Charakter hinein berücksichtigt werden müssen und dann weil zu viele Mitspieler völlig meta unterwegs waren (Zitat: "ich trau dir nicht, du warst beim NSC-Briefing ...")
Interessant. Kann ich nachvollziehen. Kommt denk ich auch aufs Regelwerk dort an , ich war zuletzt immer mit DKWDDK unterwegs, also der Philosophie "Du kannst etwas Du darstellen kannst." Vermute, das stärkt die Immersion, wenn man nicht mit "plus eins magisch, plus eins magisch" verprügelt oder mit Gummibällchen beworfen wird ...
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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #12 am: 6.07.2019 | 13:37 »
Wenn Du nochmal liest, stellst Du fest, dass ich gar nicht gesagt habe, dass sich Immersion und Spannung ausschließt, sondern das mir Immersion nicht so wichtig ist. Viele geben das ja als ihr Ziel oder ihre Hauptspaßquelle aus.
Du schriebst "dir ist Spannung und Herausforderung deutlich wichtiger"- und da ist mir eingefallen dass die Spannung die ich jetzt im Rollenspiel suchen würde deutlich stärker an Immersion gekoppelt ist.
Oder das ich mir Spannung ohne Immersion gar nicht vorstellen kann.
Bzw. wenn dann eher auf einer anderen Ebene als gewohnt.
« Letzte Änderung: 6.07.2019 | 13:48 von Issi »

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #13 am: 6.07.2019 | 14:01 »
Ich habe das Gefühl, dass, was gern als Immersion tituliert wird, gerade das Gegenteil von Schauspiel ist. Auch wenn professionelle Schauspieler den selben Begriff nutzen. Immersion beim Rollenspiel wird gern benutzt, wenn die Teilnahme besonders unmittelbar, also ohne größere Selbstbeobachtung abläuft. Man macht dann halt einfach.

Wenn ich dagegen, Mitspielende für ihr Schauspiel lobe, dann meine ich die Schau, die sie mir liefern. Ich erinnere mich, als Sid und Schnutsch auf einmal die Klampfe rausgeholt und mit ihren Halblingsbarden Schau gemacht haben. Großartig. Aber ganz sicher nicht einfach so, sondern von langer Hand vorbereitet.

Oder um es am Gegenteil zu zeigen: Viele machen mit ihrem neuen Charakter am ersten Abend noch Schau. Sie stellen gewisse Eigenarten des Charakters zur Schau usw. Das lässt dann nach. Ich hatte letzte Woche einen ganz eklatanten Fall, wo sich der neue Char eines Spielers auf einmal wieder so verhielt, wie der vorige, zu welchem der neue als direkter Gegensatz aufgebaut war. Also der lebensmüde Barde sprengt vielleicht zufällig Sachen in die Luft, der Lasst-uns-alle-Freunde-sein-Druide eher nicht. Die Schau war vorbei. Der Spieler machte jetzt wieder einfach.

Und ich glaube dieses Einfach Machen meinen viele mit Immersion. Ich erinnere mich mit einer Spielerin, die ich nach einem Oneshot fragte, ob es ihr nicht so gefallen habe. Sie sei so still gewesen. Sie verneinte. Sie habe das Spiel sehr  genossen, ihr Charakter sei halt recht still. In ihrem Kopf hat das offenbar total funktioniert. Sie war voll drin. Nur zu schauen war da nichts.

So wie Immersion benutzt wird, ist das eine höchstpersönliche und selbstbezügliche Angelegenheit. Die Schau dagegen ist damit andere was zu schauen haben. Das konsistent hinzukriegen ist schwierig und ich für meinen Teil muss mich und meine Gruppe dazu sehr genau und nun tatsächlich auf der Meta-Ebene betrachten. Denn Meta-Ebene bei einem Spiel ist, wenn ihr Kenntnis über andere Spieler sammelt und verwendet. Play the players, not the game. Beim Fußball also zum Beispiel, die typischen Taktiken einer anderen Mannschaft. Beim Rollenspiel unter Anderem, wie ihr spezifische Personen anspielen könnt, um mit und für sie eine Schau zu machen.

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #14 am: 6.07.2019 | 14:01 »
Meine Antworten repräsentieren meine Meinung und sollten nicht als allgemeingültig angesehen werden.
Das aus dem Weg:
Ich finde es da erstaunlich, wie wenig wir uns dabei doch die folgenden Fragen stellen:

1. "Wie findet man in einen Charakter rein?"
2. "Was bietet die vollkommene Immersion in einen Charakter mir an Spielweltzugängen und Spaßquellen, die ich sonst nicht hätte?"
3. "Wenn Metaregelanwendung die Momente der niedrigsten Immersion sind, was sind dann die Momente der höchsten?"
4. "Ist Immersion binär (on/off) oder graduell?"

1. Man denkt an die charakterlichen Eckpunkte des Charakters und die Ziele, die man für sie vorgesehen hat und los gehts. (Ach ja. Natürlich immer Augen auf für diese Ziele oder sich bietetende neue Ziele)
2. Keine. Stört nur. und bietet viel Konfliktpotential. Also Konflikt fürs Spiel und nicht im Spiel.
3. Für mich sind Metaregelanwendung keine Momente der niedrigsten Immersion. Die ist dann, wenn ich mich langweile.
4. Immersion ist graduell
« Letzte Änderung: 6.07.2019 | 14:03 von 6 »
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Nicht Sieg sollte der Zweck der Diskussion sein, sondern
Gewinn.

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Offline Alexander Kalinowski

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #15 am: 6.07.2019 | 15:15 »
Also das Metacurrency viel immersionsbrechender sein soll als andere Mechaniken, das bezweifle ich. Mein Star Wars Saga Edition-Charakter hat zB den Desparate Gambit-Feat. Damit kann ich einen Angriffswurf nochmal würfeln, erhalte dann aber -2 auf meine Verteidigung (AC) bis zum Beginn meines nächsten Turns. Also ist Wahrscheinlichkeit höher, dass ich den Feat einsetze wenn ich erst am Ende der Runde dran bin und mir gute Chancen ausrechne zu Beginn der nächsten Runde eher dran zu sein als meine Gegner (die mich also gar nicht attackieren werden bevor mein neuer Turn beginnt).

Das ist alles typisch für Trad Games - und komplett außerhalb des Charakters gedacht. In diesem Moment rein als Brettspiel angegangen.
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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #16 am: 6.07.2019 | 15:23 »
Ich zitiere gerne nochmal, was ich im Nachbarthread geschrieben habe (Türen aufbrechen in Exalted, 1st Edition):
Zitat
1) Angriffswurf, Erfolge zählen
2) Erfolge und Schadensbonus zusammenrechnen
3) Absorbtionswert der Tür abziehen
4) Schaden anwenden (automatisch, nicht gewürfelt)
5) Vergleichen, ob der Schaden hoch genug ist, um die Tür zu beschädigen (mind. 3 Gesundheitsstufen)
Das alles nur um eine verfickte Tür aufzukriegen, in diesem

Dass alles "in der Spielwelt" passiert (mehr oder weniger, denn so detailliert kriegt das idR kein Charakter mit) ist relativ egal für die Immersion. Wichtig ist, dass es extrem viel Raum einnimmt, der sinnvoller genutzt werden könnte.

@1of3: Sehe ich genauso. Wobei gerade der Moment, wo man zwischen "keine Selbstbeobachtung" und "woah, was habe ich denn da gerade gemacht?" wechselt unglaublich intensiv ist.
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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #17 am: 6.07.2019 | 15:26 »
Also das Metacurrency viel immersionsbrechender sein soll als andere Mechaniken, das bezweifle ich. Mein Star Wars Saga Edition-Charakter hat zB den Desparate Gambit-Feat. Damit kann ich einen Angriffswurf nochmal würfeln, erhalte dann aber -2 auf meine Verteidigung (AC) bis zum Beginn meines nächsten Turns. Also ist Wahrscheinlichkeit höher, dass ich den Feat einsetze wenn ich erst am Ende der Runde dran bin und mir gute Chancen ausrechne zu Beginn der nächsten Runde eher dran zu sein als meine Gegner (die mich also gar nicht attackieren werden bevor mein neuer Turn beginnt).

Das ist alles typisch für Trad Games - und komplett außerhalb des Charakters gedacht. In diesem Moment rein als Brettspiel angegangen.

Wenn ich das richtig verstanden habe, versucht die Figur einen zweiten hektischen und sie damit einem Gegenangriff öffnenden Angriff. Wo ist da das Problem?
Fragwürdig ist damit dann in der nächsten Runde so sicher noch einmal vor dem Gegner dran zu sein.
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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #18 am: 6.07.2019 | 15:56 »
Wenn ich das richtig verstanden habe, versucht die Figur einen zweiten hektischen und sie damit einem Gegenangriff öffnenden Angriff. Wo ist da das Problem?
Fragwürdig ist damit dann in der nächsten Runde so sicher noch einmal vor dem Gegner dran zu sein.

Ist ja nichts aus der Ich-Perspektive, sondern mehr das Kalkül wie bei einem Wargame a la 40K.
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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #19 am: 6.07.2019 | 16:07 »
Ist ja nichts aus der Ich-Perspektive, sondern mehr das Kalkül wie bei einem Wargame a la 40K.

Wieso nicht? Hektisch werden und auf einen Treffer hoffen bevor die Antwort kommt, erinnert mich verdammt an meine Fechtteststunde.
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Offline Greifenklaue

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #20 am: 6.07.2019 | 16:30 »
Du schriebst "dir ist Spannung und Herausforderung deutlich wichtiger"- und da ist mir eingefallen dass die Spannung die ich jetzt im Rollenspiel suchen würde deutlich stärker an Immersion gekoppelt ist.
Oder das ich mir Spannung ohne Immersion gar nicht vorstellen kann.
Bzw. wenn dann eher auf einer anderen Ebene als gewohnt.
Spannung kann mit oder ohne Immersion kommen, denk ich.

Ansonsten geb ich dir aber recht, bei mir ist es so, dass ich auch recht schnell in der Immersion drin bin. Ich brauch nur ne kruckelige Karte und zwei, drei Stichworte oder Klischees und ich hab ein Bild vor Augen ("ich bin drin"), mein Podcastpartner Christophorus braucht lange, überbordene Beschreibungen, die bei mir dann schon wieder als "Labberei" oder "Erzählonkelei" durchgehen.
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Offline Blechpirat

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #21 am: 6.07.2019 | 17:42 »
1. "Wie findet man in einen Charakter rein?"
2. "Was bietet die vollkommene Immersion in einen Charakter mir an Spielweltzugängen und Spaßquellen, die ich sonst nicht hätte?"
3. "Wenn Metaregelanwendung die Momente der niedrigsten Immersion sind, was sind dann die Momente der höchsten?"
4. "Ist Immersion binär (on/off) oder graduell?"

Ich glaube ja nicht an Immersion. Ich glaube an Flow, und den habe ich am besten als SL. Als Spieler fühle ich mich immer etwas unterfordert und bin nie oft genug "dran", um Immersion oder Flow zu erleben.

Was ich aber ganz deutlich spüre: Für mich ist Nachschlagen und Rechnen der Stimmungskiller. Und ich kann mich - ebenso wie andere hier - dabei beobachten, dass ich in bestimmten Systemen und Kampfsystemen in den Brettspielmodus wechsele.

Offline Issi

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #22 am: 6.07.2019 | 18:09 »
Zitat
Ich habe das Gefühl, dass, was gern als Immersion tituliert wird, gerade das Gegenteil von Schauspiel ist.
Jain. 
Was man sich aber vom Schauspiel abkucken kann, ist das bewusst "in Rolle schlüpfen."
Bzw. seine Reallife Rolle bewusst hinter sich lassen.
Man muss auch nochmal differenzieren zwischen: Drehbuchstück und Improtheater.
Das Improtheater ist näher am Rollenspiel
Was ist beim Rollenspiel anders ?:
Beim Schauspiel lieferst du hauptsächlich.(Immersion brauchst du trotzdem, sonst wirkt die Rolle nicht echt.)
D.h. eine aufgesagte Rolle ist noch keine überzeugend  dargestellte Rolle.
Also ohne Emotion geht das nicht.

Und beim Rollenspiel konsumierst du auch- Erfahrungen in Rolle.
Das" nach Außen Gut darstellen" ist hier nicht das oberste Ziel, sondern ein angenehmer Nebeneffekt, wenn man emotional gut drin ist.
Das gilt dann auch über die ersten Sitzungen hinaus.

Ein Rollenspieler ist eher jmd. der die Rolle für sich spielt, und daraus irgendwie persönlich was rausholt. (Als oberstes Ziel).
D.h. aber nicht, dass die Darstellung nach außen hin darunter leiden muss.
Schlüssel für gute Darstellung ist  mEn. die Verbindung mit der Figur (aus welchem Zweck auch immer).
Und die kann auf der Bühne genauso stimmen und da sein, wie am Rollenspieltisch.
« Letzte Änderung: 6.07.2019 | 18:19 von Issi »

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #23 am: 6.07.2019 | 18:23 »
Wieso nicht? Hektisch werden und auf einen Treffer hoffen bevor die Antwort kommt, erinnert mich verdammt an meine Fechtteststunde.

Pawn Stance is nicht sehr immersiv.
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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #24 am: 6.07.2019 | 18:40 »
Pawn Stance is nicht sehr immersiv.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass du den Begriff hier falsch anwendest.

http://big-model.info/wiki/Pawn_Stance

Die Figurmotivation hinter so einem Zug ist doch klar erkennbar.
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Offline Alexander Kalinowski

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #25 am: 6.07.2019 | 19:39 »
Ich bin mir ziemlich sicher, dass du den Begriff hier falsch anwendest.

http://big-model.info/wiki/Pawn_Stance

Die Figurmotivation hinter so einem Zug ist doch klar erkennbar.

Das entscheidende Kriterium ist die Herangehensweise des Spielers. Bei der Author Stance versetzt er sich nicht in die Rolle der Figur. Wenn ich den Desperate Gambit Feat aktiviere, dann ist die Motivation des Charakters und des Spielers zufällig dieselbe. Tatsächlich versuche ich nicht aus der fiktiven Gefechtslage heraus und durch die Augen des Charakters zu beurteilen ob das angemessen wäre - stattdessen kalkuliere ich es durch, berechne wenn möglich die (Spiel-)Wahrscheinlichkeiten und wäge diese ab. So wie es bei D&D & Co. eben ganz gerne mal gemacht wird.

Ein Rollenspiel ist eben auch ein Spiel und nicht nur Improv-Theater.
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Offline Alexandro

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #26 am: 6.07.2019 | 21:50 »
Wieso nicht? Hektisch werden und auf einen Treffer hoffen bevor die Antwort kommt, erinnert mich verdammt an meine Fechtteststunde.

Wenn ich Alexander richtig verstehe (ich habe Saga nur sehr wenig gespielt) ging es um die Kombination von einem hektischen Angriff und einer kontrollierten Verzögerung der Handlung.

In diesem Fall müsste ich ihm recht geben: ein hektisch-kontrollierter Verzögerungsausfall (HKVA) ist schon nicht so einfach mit der Fiktion in Einklang zu bringen (ich sage nicht, dass es unmöglich wäre - aber es reißt einen doch schon ziemlich raus und verschlingt Kapazitäten, die sinnvoller genutzt werden könnten).
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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #27 am: 6.07.2019 | 22:15 »
Wenn ich Alexander richtig verstehe (ich habe Saga nur sehr wenig gespielt) ging es um die Kombination von einem hektischen Angriff und einer kontrollierten Verzögerung der Handlung.

In diesem Fall müsste ich ihm recht geben: ein hektisch-kontrollierter Verzögerungsausfall (HKVA) ist schon nicht so einfach mit der Fiktion in Einklang zu bringen (ich sage nicht, dass es unmöglich wäre - aber es reißt einen doch schon ziemlich raus und verschlingt Kapazitäten, die sinnvoller genutzt werden könnten).

Das "verzögert" habe ich so nicht mitbekommen. Ich hatte mich andererseits schon gewundert, wie das mit dem sicheren Recovern vor dem Gegenschlag des Gegners hinhauen soll. 

Aber ja, seltsame feats, welche mit der Spielweltrealität eigentlich nicht zu vereinen sind, sind auch störende Elemente, entweder als Abstraktionsartefakte oder tatsächliche gamistische Designbomben - oder einfach schlechtes Design, weil erst gar nicht über Nebenwirkungen von "coolen" Einfällen nachgedacht wurde.
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Offline 1of3

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #28 am: 7.07.2019 | 08:26 »
Und die kann auf der Bühne genauso stimmen und da sein, wie am Rollenspieltisch.

Passt alles. Ich meinte halt, dass Rollenspieler und Theaterleute, den Begriff ganz unterschiedlich nutzen. Bei letzteren ist es ein sich Einlassen auf die Rolle zum eigentlichen Zweck, also besserem Schauspiel.

Rollenspieler erheben Immersion oft zum eigentlichen Ziel und das führt dann zu gar nichts. Es können sogar Leute die Immersion hochhalten, die effektiv gar keine ihnen fremde Rolle spielen, sondern sich blos selbst in das Abenteuer hineindenken, gern unter Hinzunahme von Superkräften. Das ist ja gerade auch eine häufig bediente Anreizstruktur beim RPG: Sind dir die Figuren im Film regelmäßig zu doof? Machs besser, spiel RPG! - Die Rolle die dann gespielt wird, ist genau keine schauspielerische oder literarische. Und trotzdem oder gerade dann kann man sich auf immersives Rollenspiel berufen, das bitteschön nicht "Meta" ist.

Dabei bräuchte an eben Metabetrachtungen, um Rollen solcherart zu spielen, wie Theaterleute das tun.

Offline Jiba

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #29 am: 7.07.2019 | 08:45 »
Jain. 
Was man sich aber vom Schauspiel abkucken kann, ist das bewusst "in Rolle schlüpfen."
Bzw. seine Reallife Rolle bewusst hinter sich lassen.

Ja, so möchte ich das auch verstanden wissen: Schauspiel ist nicht die Immersion. Es ist ein Zugang dazu.

Deswegen, @1of3, muss ich dir da widersprechen. Die Manierismen, die man für seinen Charakter festlegt, kommen irgendwann ohne nachzudenken mit in die Figur. (Ein Charakter, der also als Persönlichkeitsmerkmal gerne Schau macht, der kann auch nicht ohne die Schau gespielt werden und erlaubt keine Immersion ohne die Schau).

Aber ja, ich kann natürlich schauspielern, ohne immersiv zu sein. 1of3 behauptet auch richtig, dass man immersiv sein kann, ohne zu schauspielern. Aber: Wo geschauspielert wird erleichtert man

a) anderen Spielteilnehmern den Wechsel in die Immersion
und (was ich ergänzen würde)
b) sich selbst ebenfalls den immersiven Zugang zur Figur. Das Annehmen einer bestimmten Körperpose oder Stimme oder Wortwahl erinnert dich bereits unterbewusst daran, dass du diese Figur wirklich "bist". Deine eigene Körpersprache strahlt auf dich ab, deine eigene Sprache ebenso – diese Dinge sind ja auch Kernpunkte von Charisma- oder Schlagfertigkeitstrainings. Wirkt auch. Ich bin selbst nicht sonderlich schlagfertig, mein 7te-See-Musketier Alain aber schon. Ich switche zu Alain, indem ich wie er rede, mich hinsetze etc. Wenn ich immersiv in ihm drinstecke, dann muss ich auch nicht über die schlagfertige Antwort nachdenken, die fließt einfach so aus der Figur.

@1of3: Ich bin mir da nicht sicher. Ein "ich buckel mich nach vorne und schiebe die Unterlippe vor, weil ich jetzt Grubrich, der Halbork bin" ist ja vielleicht eine Metaüberlegung. Aber die ist ja als Einstieg in die Immersion so wenig störend, dass es im Rollenspiel keine sonderlich laute Fraktion gibt, die schreit "oh, mein Gott, kein Schauspiel im Rollenspiel! Das würde ich selbst nie tun! Das stört nur meine Immersion!".

Das "sich selbst in die Spielwelt denken" ist ein wahnsinnig guter Punkt aber. Es denkt den Immersionsbegriff nämlich ein stückweit über die reine "Figurenperspektive" hinaus und führt ihn zu Blechpirats Flow-Begriff hin. Aprospos:

Ich glaube ja nicht an Immersion. Ich glaube an Flow, und den habe ich am besten als SL. Als Spieler fühle ich mich immer etwas unterfordert und bin nie oft genug "dran", um Immersion oder Flow zu erleben.
Jetzt musst du natürlich erklären, warum du zu dieser Annahme kommst.
« Letzte Änderung: 7.07.2019 | 08:49 von Jiba »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Issi

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #30 am: 7.07.2019 | 09:36 »
Ja, so möchte ich das auch verstanden wissen: Schauspiel ist nicht die Immersion. Es ist ein Zugang dazu.

Deswegen, @1of3, muss ich dir da widersprechen. Die Manierismen, die man für seinen Charakter festlegt, kommen irgendwann ohne nachzudenken mit in die Figur. (Ein Charakter, der also als Persönlichkeitsmerkmal gerne Schau macht, der kann auch nicht ohne die Schau gespielt werden und erlaubt keine Immersion ohne die Schau).

Aber ja, ich kann natürlich schauspielern, ohne immersiv zu sein.
Kann man ja, theoretisch, wobei eine Rolle idR. dann als gut dargestellt wahrgenommen wird, wenn der Darsteller auch darin eintaucht.
Also in sie reinschlüpft. Quasi in die Welt und Persönlichkeit der Figur.

Als SL ist es auch ein Bisschen anders, als als Spieler.

Als SL hat man seltener nur eine Figur, über die man den "Immersions Flow" konsumiert.
Sondern man hat idR. verschiedene Figuren.
Und ist auch eher in der Darsteller Rolle, als der Spieler.
Der Spieler kann sich dagegen meistens auf seine eine Figur konzentrieren.
Und die Welt, die der SL mit seinen NSC, Umgebungs Beschreibungen etc. erschafft,  genießen.

Will damit sagen: Der SL taucht auch ein, wenn er NSC spielt. Aber er stellt ja auch die Umwelt für die SC Figuren.
Hat also jede Menge andere Aufgaben, und idR.  oft keine persönliche Figur.
Das "sich persönlich was rausziehen " läuft, bei klassischer Rollenverteilung, für SL mMn. etwas anders.


@
Blechpirat
Ich kann, glaube ich, verstehen, was du meinst, denn als Spieler erlebt man die Verbindung mit seiner Figur stärker, wenn sie auch mal ab und zu im Vordergrund steht. Wenn der SL sie auch mal als Person direkt anspielt.

"Wir machen als Gruppe immer alles zusammen. Und niemand kriegt Einzelspotlight " führt idR.  dazu, dass man die Figur nicht als Persönlichkeit und nur noch im Gruppenbrei wahrnimmt.

Deshalb finde ich Einzelaktionen, und Einzelszenen im richtigen Maß und Verhältnis, gerecht auf alle Spieler verteilt, auch so wichtig.

Spieler erschaffen sich da einen Charakter mit Motivationen, Charakter Eigenschaften und Hintergrund.
Und es ist mMn.  unglaublich wichtig, dass der SL das im Spiel später auch mal aufgreift.

Wenn der SL dagegen nur eine Gruppe von Figuren braucht, die er" durch seine Abenteuer jagen kann."
Dann geht die Motivation sich auf die Persönlichkeit seiner Figur einzulassen uU. auf kurz oder lang verloren.

Mache ich Figuren für das Abenteuer? Oder mache ich Abenteuer für die Figuren?
Im zweiten Fall, ist der Fokus deutlich stärker auf den Persönlichkeiten der SC.
« Letzte Änderung: 7.07.2019 | 13:17 von Issi »

Offline Issi

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #31 am: 7.07.2019 | 15:24 »
Passt alles. Ich meinte halt, dass Rollenspieler und Theaterleute, den Begriff ganz unterschiedlich nutzen. Bei letzteren ist es ein sich Einlassen auf die Rolle zum eigentlichen Zweck, also besserem Schauspiel.

Rollenspieler erheben Immersion oft zum eigentlichen Ziel und das führt dann zu gar nichts. Es können sogar Leute die Immersion hochhalten, die effektiv gar keine ihnen fremde Rolle spielen, sondern sich blos selbst in das Abenteuer hineindenken, gern unter Hinzunahme von Superkräften. Das ist ja gerade auch eine häufig bediente Anreizstruktur beim RPG: Sind dir die Figuren im Film regelmäßig zu doof? Machs besser, spiel RPG! - Die Rolle die dann gespielt wird, ist genau keine schauspielerische oder literarische. Und trotzdem oder gerade dann kann man sich auf immersives Rollenspiel berufen, das bitteschön nicht "Meta" ist.
Du meinst Rollenspieler, die eigentlich nur sich selbst spielen?
Ja die gibt es. Kurz es ist nicht notwendig einen von der eigenen Persönlichkeit abweichenden Charakter zu spielen, um
Immersion zu erleben.
Man kann theoretisch auch sich selbst spielen (vom Charakter her. Für manche Spieler ist das uU. sogar von Vorteil. -Denn "das anderes sein, als man selbst" zieht uU. erstmal zuviel Kraft**), solange es einem gelingt, sich in die Welt hineinzuversetzen.
Wie gut das gelingt, ist nicht nur von der Imaginationsfähigkeit des Spielers abhängig, sondern, zumindest mEn., auch davon, wie gut der SL die Welt beschreibt beziehungsweise spielt.
Im Idealfall schafft man einen gemeinsamen Vorstellungsraum, in dem alle "den gleichen Film sehen."
Die Kunst ist es mEn. dabei die Welt möglichst lebendig zu erschaffen: Glaubwürdige Figuren. Eingängige, bildhafte Beschreibung der Umgebung usw.
Und ein gut dargestellter SC ist hier ebenso ein wertvoller Beitrag- Stellt er doch idR. eine der Hauptakteure um die sich alles dreht.
Was es wiederum dem SL schmackhafter macht sich mit ihm zu beschäftigen. Und ihn zu Spiegeln.
Das ist ja auch das, was der SL tut: Er spiegelt die Umgebung.

Glaubwürdiger empfinde ich jetzt idR. eher  Figuren, die nicht nur Stärken, sondern auch ein paar Schwächen haben. Damit lässt sich mEn. wunderbar spielen.

**
Mit der Zeit kann sich das aber geben.
Beziehungsweise werden Spieler dann auch mal experimentierfreudiger.
Ich würde aber schon tippen, dass man sich bis zu einem gewissen Grad zumindest, mit einer Figur identifizieren können sollte, um sowas wie Immersion zu erleben.
Gar zu fremd, und "unverständlich" sollte einem eine SC Figur deshalb nicht sein.
Man will ja verstehen, wie die Persönlichkeit der Figur tickt.
« Letzte Änderung: 7.07.2019 | 17:56 von Issi »

Offline korknadel

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #32 am: 8.07.2019 | 09:31 »
Entsprechend konzentriert man sich als Schauspieler auch auf seine Darstellung und betätigt sich nicht nebenbei noch als Kullissenschieber und Theateragent.

Einer der Gründe, weshalb mich manche Äußerungen zum Thema Immersion irritieren und ich Jiba in Vielem zustimmen muss, sind diese Vorstellungen von Schauspiel, die ich nach einiger eigener Schauspielerfahrung schlicht nicht nachvollziehen kann.

Denn als Schauspieler betätigt man sich fast ständig nebenbei als Kulissenschieber. Man beachtet die Choreografie, die Beleuchtung (man muss im Spot bleiben), sorgt dafür, dass Requisiten an der richtigen Stelle sind, überlegt sich, was man macht, wenn sie das nicht sind, wartet auf Stichworte, überlegt fieberhaft, wie man Dialoge rettet, wenn andere Leute auf der Bühne Text weglassen oder abändern, man bangt, ob man das Taschentuch so aus der Hose kriegt, dass der Zettel ebenfalls herausfliegt und möglichst gut sichtbar zu Boden segelt, man ist sich ständig bewusst, dass der Blick durchs Fenster sich nicht wirklich in den Park öffnet, sondern das dort ein Bühnenbildner steht und einem wild fuchtelnd was mitteilen will, überhaupt werden Kulisse, der für das Publikum sichtbare und der nicht sichtbare Bühnenraum und Requisiten bei allem stets mitgedacht, eine "richtige" Immersion findet da eigentlich nicht statt, oder wenn, dann nur sehr vorübergehend. Es ist ja schließlich auch nicht Job eines Schauspielers, sich in irgendwas reinzusteigern, sondern -- wie 1of3 schon sagte -- etwas zur Schau zur stellen, und dazu gehört eben mehr als das sich Hineinversetzen in eine Figur.

Von daher kriege ich das, was viele Immersion nennen, ohne Meta gar nicht hin. Und eine völlige Immersion würde mir auch gar keinen Spaß machen, denn solange ich mich selbst beim Hineinversetzen nicht auch noch beobachten und lenken kann, hätte ich ja selbst gar nichts davon. Ich will ja nicht bloß jemand anders sein und davon gar nichts mitkriegen. Vielmehr bereitet die Interaktion zwischen dem von mir selbst -- u.a. durch Hineinversetzen -- Dargestellten und meinem Intellekt, meinen Vorstellungen, meinem Urteil, meinem Geschmack, also der Metaebene, den Kitzeln, den "immersives" Rollenspiel für mich ausmacht.

Ich kann Jibas Überlegungen sehr viel abgewinnen, Marzaans Sicht trifft bei mir auf keine Zustimmung.
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Offline Issi

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Re: Bin ich schon "drin"?
« Antwort #33 am: 8.07.2019 | 09:53 »
Einer der Gründe, weshalb mich manche Äußerungen zum Thema Immersion irritieren und ich Jiba in Vielem zustimmen muss, sind diese Vorstellungen von Schauspiel, die ich nach einiger eigener Schauspielerfahrung schlicht nicht nachvollziehen kann.

Denn als Schauspieler betätigt man sich fast ständig nebenbei als Kulissenschieber. Man beachtet die Choreografie, die Beleuchtung (man muss im Spot bleiben), sorgt dafür, dass Requisiten an der richtigen Stelle sind, überlegt sich, was man macht, wenn sie das nicht sind, wartet auf Stichworte, überlegt fieberhaft, wie man Dialoge rettet, wenn andere Leute auf der Bühne Text weglassen oder abändern, man bangt, ob man das Taschentuch so aus der Hose kriegt, dass der Zettel ebenfalls herausfliegt und möglichst gut sichtbar zu Boden segelt, man ist sich ständig bewusst, dass der Blick durchs Fenster sich nicht wirklich in den Park öffnet, sondern das dort ein Bühnenbildner steht und einem wild fuchtelnd was mitteilen will, überhaupt werden Kulisse, der für das Publikum sichtbare und der nicht sichtbare Bühnenraum und Requisiten bei allem stets mitgedacht, eine "richtige" Immersion findet da eigentlich nicht statt, oder wenn, dann nur sehr vorübergehend. Es ist ja schließlich auch nicht Job eines Schauspielers, sich in irgendwas reinzusteigern, sondern -- wie 1of3 schon sagte -- etwas zur Schau zur stellen, und dazu gehört eben mehr als das sich Hineinversetzen in eine Figur.

Von daher kriege ich das, was viele Immersion nennen, ohne Meta gar nicht hin. Und eine völlige Immersion würde mir auch gar keinen Spaß machen, denn solange ich mich selbst beim Hineinversetzen nicht auch noch beobachten und lenken kann, hätte ich ja selbst gar nichts davon. Ich will ja nicht bloß jemand anders sein und davon gar nichts mitkriegen. Vielmehr bereitet die Interaktion zwischen dem von mir selbst -- u.a. durch Hineinversetzen -- Dargestellten und meinem Intellekt, meinen Vorstellungen, meinem Urteil, meinem Geschmack, also der Metaebene, den Kitzeln, den "immersives" Rollenspiel für mich ausmacht.
Zur Schauspiel Erfahrung:
Das kommt vermutlich auch auf den jeweiligen Menschen an.
Es gibt Leute die machen sich vor dem Auftritt mordsmässig Stress, denken an alles Mögliche.
Aber wenn sie dann auf der Bühne stehen, ist der aufeinmal wie weg.
Man gerät in einen Flow. Eine Art "Wurmloch", in der man ganz die Figur ist.
Sowas gibt es auch.

Das heißt, der unnötige "Mindfuck" ist ausgeblendet, aber das Umfeld wird noch wahrgenommen. Je nach Bedarf genauer oder ungenau.
Aber nie so, dass es den Flow stört.

Ist ja beim Rollenspiel ähnlich.
Hat vielleicht auch was mit " sich selbst vorübergehend loslassen " zu tun.
Was jetzt nicht zu einem totalen Kontrollverlust führt, im negativem Sinne.

Es ist mehr "Spielen ohne Handbremse."
Oder eben ohne Angst. Und die muss man im Rollenspiel mMn.  ja echt nicht haben.
Es gibt keinen Regisseur, kein Drehbuch und keinen Text.
Und kein Publikum, das für sein Geld was erwartet. Nicht mal die Presse ist da.  :D

« Letzte Änderung: 8.07.2019 | 11:39 von Issi »