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These: Spannung durch taktische Manöver und Würfelproben ist Glücksspiel

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Cynom:
Eine der zahlreichen Positionen im Diskursbereich des Rollenspiels, ist soweit ich das in den letzten Jahren mitbekommen habe, der Anspruch ein klassischeres oder von mir aus auch echteres/authentischeres Rollenspielerlebnis zu haben, wenn man taktisches Spiel und das Gewicht von Würfelproben in den Vordergrund hebt. Sowohl im OSR-Bereich, als auch in Diskussionen um Narrativität oder narrative Spielmethoden wird oft die Gegenposition dargestellt, die Spannung durch unverfälschtes RollenSPIELEN hervorhebt.

Die Spannung, die eine Würfelprobe auslöst. Die Freude bei einem gescheiterten Ergebnis, das authentische Gefühl von Verlust oder Triumph durch echte "stakes".

Das wird oft in Kombination damit gesehen, sich entsprechende Erfolgserlebnisse zuvor durch taktische Entscheidungen und durch echte Entscheidungsfreiheit, im Sinne einer ungetrübten und nicht nur durch den Spielleiter vorgegaukelten Entscheidungsmöglichkeit, erarbeitet und verdient zu haben. Was heißt taktisch in dem Kontext? Der Situation angemessen, intelligent zu handeln. Vorteile herausarbeiten und ausnutzen. Gegner und Hindernisse durch kluges Taktieren und Handeln übervorteilen oder überkommen.

Als Beispiel: In vielen OSR-zentrierten Veröffentlichungen, die ich bisher so gelesen habe, wurde hervorgehoben, dass vor allem die Problemlösungsstrategien der Spieler im Vordergrund stehen sollen.

Kurz: Problemlösung als treibender Faktor, Triumph und Erfolgserlebnis durch kluges Handeln + geschickter Einsatz von zur Verfügung stehenden Ressourcen und Instrumenten des Charakters und Settings + Würfelgück.

Ich behaupte, dass es sich hierbei um elementare Bestandteile des Glücksspiels handelt. Natürlich gibt es reines Glücksspiel, das gar keinen Raum für taktisches Vorgehen, Planung oder dergleichen hat. Aber es gibt genug Glücksspiele, die zumindest die Illusion eines Vorteils durch taktisches Vorgehen vorgaukeln oder tatsächliche taktische Vorteile bieten.

Auch die "Spannung des Würfelwurfes" ist Spannung am Glücksspiel. Nachdem alle Weichen gestellt sind, womöglich alle taktischen Möglichkeiten ausgereizt oder bedacht sind, steht der Würfelwurf als spannungsstifende Klimax am Ende. Der Würfelwurf, von Entscheidungsmöglichkeiten isoliert betrachtet, ist im Grunde nichts anderes als die Bedienung eines einarmigen Banditen.


Wer seinen Spaß vor allem aus diesen Bestandteilen zieht, betreibt in erster Linie Glücksspiel.

Marduk:
Ich sag mal zu deiner These: Nope. Spannung entsteht durch eine spannende Situation, ob mit oder ohne Würfelwurf. Der Würfelwurf an sich dient eigentlich nur dazu etwas zu entscheiden, wo der Ausgang nicht klar ist.
Auch rein narratives RPG kann spannend sein, was jedoch nicht spannend ist, ist wenn ich mitbekomme, wie die SL Würfelwürfe dreht oder ignoriert. Dann kommt bei mir keine Spannung mehr auf, egal wie toll es erzählt ist...

Berto:
Spieltheoretisch wird zwischen strategischen und kombinatorischen oder eben Glücksspielen sowie Mischformen aus allen drei unterschieden. Poker liegt hier auf der Achse Strategie/Glück aber bspw eher in der strategischen Ecke.

Dort würde ich - wenn überhaupt, s.u. - auch eher OSR einordnen. Du zählst die Argumente dafür schon selbst auf: die Spieler können durch den klugen Einsatz von Ressourcen und gute Taktiken maßgeblichen Einfluss auf den Glücksfaktor nehmen, ja sogar Würfelwürfe komplett umgehen.
Hinzu kommt, dass Glücksspiel in einem spieltheoretischen Sinn auch von kooperativen Spielen abgegrenzt wird. Immerhin geht es um die Ermittlung eines eindeutigen Gewinners, was ich beim Rollenspiel ganz grundsätzlich schon nicht als gegeben ansehe.

Deine These ist meiner Ansicht nach also nur eingeschränkt haltbar. Spieler, die Spannung ausschließlich aus den Würfelwürfen beziehen und nicht kooperativ spielen, betreiben Glücksspiel. Alle anderen - und das ist denke ich die Zielgruppe insbesondere von OSR - bedienen sich bei Elementen des Glücksspiels, betreiben aber keines.

Maarzan:

--- Zitat von: Cynom am  2.02.2020 | 16:12 ---...

Kurz: Problemlösung als treibender Faktor, Triumph und Erfolgserlebnis durch kluges Handeln + geschickter Einsatz von zur Verfügung stehenden Ressourcen und Instrumenten des Charakters und Settings + Würfelgück.

Ich behaupte, dass es sich hierbei um elementare Bestandteile des Glücksspiels handelt. Natürlich gibt es reines Glücksspiel, das gar keinen Raum für taktisches Vorgehen, Planung oder dergleichen hat. Aber es gibt genug Glücksspiele, die zumindest die Illusion eines Vorteils durch taktisches Vorgehen vorgaukeln oder tatsächliche taktische Vorteile bieten.

Auch die "Spannung des Würfelwurfes" ist Spannung am Glücksspiel. Nachdem alle Weichen gestellt sind, womöglich alle taktischen Möglichkeiten ausgereizt oder bedacht sind, steht der Würfelwurf als spannungsstifende Klimax am Ende. Der Würfelwurf, von Entscheidungsmöglichkeiten isoliert betrachtet, ist im Grunde nichts anderes als die Bedienung eines einarmigen Banditen.


Wer seinen Spaß vor allem aus diesen Bestandteilen zieht, betreibt in erster Linie Glücksspiel.

--- Ende Zitat ---

Und mit diesem Fazit wird einfach alles was zu dem Wurf zuvor erkannt und benannt wurde wieder vergessen,  ignoriert und eine unerklärliche Verkürzung und Isolation durchgeführt.

Der Reiz ist gerade die Auseinandersetzung zwischen Situation und Möglichkeiten, die Vorarbeit  und dann optimierte Entscheidungsfindung unter dem Restrisiko des abgeschätzten Zufalleinflusses und dann der Spannung der Auflösung wie dieses Puzzle dann tatsächlich aufgeht. Es ist ein Spiel mit dem möglichst reduzierten aber unbekannten Restrisiko und sollte gerade nicht nur eine Illusion von Vorteilsschaffung sein, sondern auf den für den geschickt Agierenden auch zu guten Teilen auslotbaren und beeinflussbaren spielweltlichen Zuständen basieren. Und dann die Entscheidung: was riskiere ich (noch). 

Der Vergleich mit dem einarmigen Banditen ist also untauglich weit an der Praxis vorbei.

Cynom:

--- Zitat von: Marduk am  2.02.2020 | 16:28 ---Ich sag mal zu deiner These: Nope. Spannung entsteht durch eine spannende Situation, ob mit oder ohne Würfelwurf. Der Würfelwurf an sich dient eigentlich nur dazu etwas zu entscheiden, wo der Ausgang nicht klar ist.
Auch rein narratives RPG kann spannend sein, was jedoch nicht spannend ist, ist wenn ich mitbekomme, wie die SL Würfelwürfe dreht oder ignoriert. Dann kommt bei mir keine Spannung mehr auf, egal wie toll es erzählt ist...

--- Ende Zitat ---

Es ist ja nicht meine Behauptung, dass echte/authentische Spannung vor allem oder ausschließlich durch die oben genannten Elemente (Würfelglück, Taktieren etc.) entsteht.

Meine Behauptung ist: es handelt es sich um eine Glücksspiel-Spannung. Wer vor allem oder ausschließlich aus diesen Elementen seinen Spaß bezieht, betreibt Glücksspiel.



--- Zitat von: Berto am  2.02.2020 | 16:33 ---Deine These ist meiner Ansicht nach also nur eingeschränkt haltbar. Spieler, die Spannung ausschließlich aus den Würfelwürfen beziehen und nicht kooperativ spielen, betreiben Glücksspiel. Alle anderen - und das ist denke ich die Zielgruppe insbesondere von OSR - bedienen sich bei Elementen des Glücksspiels, betreiben aber keines.

--- Ende Zitat ---

Das hängt ganz davon ab, wie stark sie die Glücksspielelemente betonen. Der kooperative Aspekt ist höchstens Lippenbekenntnis, wenn der Spaß nicht aus dem kooperativen Akt - den du richtig als außerhalb der Glücksspiel-Elemente verortest - sondern aus dem persönlichen Triumph- und Erfolgsempfinden des Taktierens + Glück erfolgt, ist das Glücksspiel. Es hat viel fluff und ein fantasy-coating. Im Kern bedient es aber die gleichen Impulse. Vor allem und inbesondere ein Erfolgserlebnis, das aus dem Gewinnen geschöpft wird. Dabei spielt es erstmal keine Rolle, ob man gegen einen Geber, eine Maschine oder gegen eine Welt gewinnt, die einem all ihre kalkulierbaren Risiken entgegen wirft und dann fordert, dass man seine Ressourcen und Instrumente nutzen soll, um sie zu überkommen.



--- Zitat von: Maarzan am  2.02.2020 | 16:37 ---Der Reiz ist gerade die Auseinandersetzung zwischen Situation und Möglichkeiten, die Vorarbeit  und dann optimierte Entscheidungsfindung unter dem Restrisiko des abgeschätzten Zufalleinflusses und dann der Spannung der Auflösung wie dieses Puzzle dann tatsächlich aufgeht. Es ist ein Spiel mit dem möglichst reduzierten aber unbekannten Restrisiko und sollte gerade nicht nur eine Illusion von Vorteilsschaffung sein, sondern auf den für den geschickt Agierenden auch zu guten Teilen auslotbaren und beeinflussbaren spielweltlichen Zuständen basieren. Und dann die Entscheidung: was riskiere ich (noch).

--- Ende Zitat ---

Also Glücksspiel. 


--- Zitat ---Der Vergleich mit dem einarmigen Banditen ist also untauglich weit an der Praxis vorbei.

--- Ende Zitat ---

Ich hab ja extra gesagt, dass der Würfelwurf isoliert betrachtet vergleichbar damit ist. Ein passender Vergleich zum beschriebenen Spielerlebnis, z. B. Poker, wurde ja bereits genannt.

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