Autor Thema: Praktische Spielerfahrungen mit Seelenfänger - Täuscherland?  (Gelesen 4836 mal)

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Variety

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Ich vermute eher dass es einfach zu viele Rollenspielprodukte gibt und Seelenfänger bisher noch nicht die Aufmerksamkeit erreicht hat, die es verdient hat.
Wahrscheinlich gibt es schon einen deutlichen Prozentsatz in der Community, der Fate ablehnt. Und dann ist da ja noch die Eingrenzung auf den deutschsprachigen Raum. Diese Kombination macht eben keine große Reichweite. Aber vielleicht kann es helfen wenn mehr Leute drauf aufmerksam werden.

Wobei vor allem für die Fate-Spielerschaft das Thema Fantasy doch recht weit oben auf der Interessenliste steht. Man liest oft Klagen über fehlendes (deutsches) Fantasy-Material. Außerhalb von Malmsturm wird es schon recht düster, was das betrifft, und Seelenfänger bringt schon ziemlich viel mit, was man für seine Fate-Kampagnen nutzen könnte.

Ich denke, dass es der stattliche Preis von 50 EUR für den Weltenband ist, der Unwissende abschreckt. Besonders deswegen, weil es für Seelenfänger quasi keine Mundpropaganda gibt. Im Gegensatz zu Malmsturm, das seit Jahren einen Ruf genießt.

Wenn ich nicht ein Seelenfänger-Konvolut günstig über den Zweitmarkt geschossen hätte, würde ich es mir wohl auch nicht anschauen.

Offline First Orko

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Ich habe es für unsere heimische RPG-Ausprobierrunde einmal geleitet und dafür das Buch quergelesen und die Regeln studiert. Ausfürliche Rezension gibt es bei Pen-Paper-Dice.de.

Was mir gefallen hat, war der Fokus auf eine Fantasywelt, die nur mit Menschen (und halt Geistern) bevölkert ist. Der Verzicht auf typische Völker schärft das Setting meiner Meinung nach, macht es aber auch in Teilen etwas zu... gleichförmig. So werden viele Gegenden auf recht ähnliche Weise beschrieben: Durch Krieg zerfallen, viel Flüchtige, bröselige Herrschaft, feindlich ggü Fremden usw. Nach der vierten, fünften Regionalbeschreibung hatte ich ne Idee, wo es hinläuft.
Hat ein bißchen was von Alte Welt minus Fantasyvölker und statt britischen Humor gibt es altdeutsche GRIMMigkeit  8]
Das hat aber durchaus einen ganz eigenen Reiz!
Dazu finde ich den Mechanismus des Seelenfangs ganz charmant umgesetzt - es erfordert aber auch den Willen, sich mit Fate Core auseinanderzusetzen, da Seelenfänger hier eine der komplexeren Umsetzungen ist.

Ich vermute auch ganz stark, dass das wohl auch der Knackpunkt ist: Die Schnittmenge der Spielenden, die Fate mögen, Bock auf Dark Fantasy haben aber Warhammer nicht so gern mögen und eher komplexere Fate-Umsetzungen mögen ist vermutlich verschwindend gering  :-\
Meiner Meinung nach wäre für Seelenfänger eine kompakte, günstige Turbo Fate-Adaption genau das Richtige gewesen.

Einen schönen Einblick in das Setting bekommt auf Youtube kostenlos in Form des recht gelungen umgesetzten Hörspiels Krieg der Seelenfänger
« Letzte Änderung: 9.05.2022 | 16:06 von First Orko »
It's repetitive.
And redundant.

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Dir ist schon klar, dass es in diesem Forum darum geht mit anderen Leuten, die nix besseres mit ihrem Leben zu tun haben, um einen Tisch zu sitzen und sich vorzustellen, dass wir Elfen wären.

Offline Blizzard

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Ich denke, dass es der stattliche Preis von 50 EUR für den Weltenband ist, der Unwissende abschreckt. Besonders deswegen, weil es für Seelenfänger quasi keine Mundpropaganda gibt. Im Gegensatz zu Malmsturm, das seit Jahren einen Ruf genießt.
Es ist natürlich möglich, dass für den ein oder anderen der Preis von 50€ für einen Weltenband erstmal abschreckend wirkt. Und ja, vielleicht ist man dann auch eher erstmal zurückhaltend und abwartend, was den Kauf anbelangt- wenn das Setting hierzulande nicht allzu bekannt ist und man dementsprechend auch nicht auf viele Erfahrungsberichte zurückgreifen kann. Das kann/mag alles sein.

Und dennoch glaube ich persönlich nicht, dass der Preis von ~50€ tatsächlich der Hauptgrund ist. Denn es gibt auch andere Welten-oder Settingbücher, die jetzt vielleicht nicht 50€ kosten, wie z.B. "Splittermond: Die Welt". Das kostet zwar nur ~40€, aber ich wage mal zu behaupten, dass den meisten die 10€ Preisunterschied nicht wirklich stören oder tatsächlich von einem Kauf abhalten.

Nein, ich denke, Täuscherland hat andere "Problemzonen" als die des (Verkaufs)preises. Und imho sind das (in chronologischer Reihenfolge):
1. Fängt mit F an und hört mit ate auf. Leute wie ich, die (mit) Fate so gar nicht abkönnen, werden es sich 2x überlegen, sich das Teil zuzulegen, weil auf sie erhöhte Kosten zukommen in dem Sinne, dass sie wissen, dass sie es konvertieren werden müssen, wenn sie es spielen wollen. Das schreckt imho deutlich mehr Leute im Vorfeld ab der Verkaufspreis von ~50€.
2. Interne Konkurrenz: Malmsturm. Das ist halt so das Schlagwort, das einem widerfährt, wenn man sich nach Dark Fantasy & Fate erkundigt. Malmsturm hat eine entsprechende Fan-Szene, weil es Dark Fantasy mit Heavy Metal-Elementen verbindet. Damit hat es (s)einen USP und das fehlt Täuscherland halt (leider!!!) so ein bisschen. Es müsste im Prinzip ein bisschen (oder viel stärker) damit werben, dass es Dark Fantasy (für Fate) ist, aber eben für all diejenigen, die Heavy Metal nichts abgewinnen können (so wie ich, weshalb ich Malmsturm wohl nie spielen werde). Und damit kommen wir im Prinzip zu
3. "Settingarmut". Mir ist kein besserer Begriff eingefallen und deswegen habe ich ihn auch in " " gesetzt. Was ich damit meine ist: Täuscherland ist Dark Fantasy ohne EDO-Elemente. Es gibt nur Menschen (was Orko schon schrieb). So was finden einige sicherlich cool, so frei nach dem Motto " Endlich mal kein EDO-Fantasy". Aber: Wenn ich schon eine Welt erschaffe, in der es nur Menschen (und Geister) gibt, dann muss ich auch dafür sorgen, dass es trotzdem genug Konfliktmöglichkeiten und Spannungspotentiale gibt.
Shadows of Esteren verfolgt ein ähnliches Konzept, das imho aber wunderbar aufgeht und sehr gut umgesetzt wurde (was das anbelangt).
Bei Täuscherland bin ich mir da nicht so sicher. Denn es klingt fast so, als ob Täuscherland außer der Reduktion auf Menschen, den Seelenfang und eine nebelumhüllte Geisterwelt nicht viel zu bieten hätte. Wie gesagt: Es klingt so- ich konnte das Buch leider bislang nur grob überfliegen aber noch nicht wirklich lesen. Ich hoffe aber stark, dass dem nicht so ist und Täuscherland noch mehr zu bieten hat.

So gesehen gäbe es eigentlich schon 2 gute Gründe, warum, ich Täuscherland eigentlich nicht brauche:
1. Fate
2. Shadows of Esteren

Und dennoch habe ich es mir geholt. Und zwar ganz bewusst, weil ich Dark Fantasy einfach mag (und nicht (nur), weil ich es vielleicht als Schnäppchen auf ebay ziehen konnte).

Ergo: Täuscherland braucht mehr Fürsprecher- die es nicht nur allgemein bekannter machen, sondern die auch dafür Sorge tragen (müssen), dass es nicht länger unverdient im Schatten von Malmsturm steht.

Ich arbeite dran. ;)
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"Wer nicht den Mut hat zu werfen, der wird beim Würfeln niemals eine Sechs erzielen."

Variety

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2. Interne Konkurrenz: Malmsturm. Das ist halt so das Schlagwort, das einem widerfährt, wenn man sich nach Dark Fantasy & Fate erkundigt. Malmsturm hat eine entsprechende Fan-Szene, weil es Dark Fantasy mit Heavy Metal-Elementen verbindet.

Naja, ich sehe Malmsturm eher im Genre Sword & Sorcery, denn die "Länder des Sturms" sind nicht dem Untergang geweiht und befinden sich auch nicht in einer Situation wie das Täuscherland, in dem das Böse gewonnen hat und die Welt knechtet.

Täuscherland ist Dark Fantasy ohne EDO-Elemente. Es gibt nur Menschen (was Orko schon schrieb).

Ich weiß jetzt natürlich nicht, was du von Täuscherland kennst, aber laut dem Weltenband gibt es diese EDO-Elemente in Form der Feenwesen. Die Zwerge heißen dort die Felsgeborenen, die Elfen sind die Sidhe, und du hast natürlich auch Unholde. Täuscherland hat nicht nur Menschen, sondern etliche nichtmenschliche Völker: Zum einen die drei Barbaren-Kulturen, die ganzen Feenwesen, Dämonen und Geister. Dazu kommen die Bestien und weitere Monster. Allerdings sind Nichtmenschen nicht unbedingt für Spielercharaktere empfohlen, weil Dark Fantasy humanozentrisch ist. Was es wiederum mit Malmsturm und der Sword & Sorcery gemeinsam hat.

Offline DerEskapist

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Variety hat recht wenn er sagt, dass da schon einiges drinsteckt an Optionen. Außerdem ist manchmal "weniger mehr". EDO-Fantasy kann ich jedenfalls nicht mehr sehen...

Die Würze in der Spielwelt kommt über schauermärchenhafte Elemente, die eher typisch mitteleuropäischen Charakter haben plus die Anderswelt, also Feenwesen eher im keltischen Sinne plus natürlich die Bausteine die Variety schon aufgezählt hat. Man kann sicherlich auch Spukgeschichten a la "Die Frau in Schwarz" spielen.
Erwähnenswert ist noch dass Magie einen spezielleren eingeschränkteren und spezialisierten Charakter hat als anderswo und das Mirakelwirken der Priester ein mächtiges aber rares Mittel darstellt.

Erfreulich wenn durch unsere Diskussionen mehr Interessenten entstehen. Malmsturm-Fans die mal was anderes wie Heavy Metal wollen können niederschwellig Seelenfänger ausprobieren weil sie ja nahezu alle Regeln schon kennen.

Es bleibt nur das ganze mal durch Spielen auszuprobieren. Ich für meinen Teil habe gerade mit der ersten Runde begonnen das Setting anzugehen und wir schnuppern ins Täuscherland hinein...  :)
"Flieht, ihr Narren!" - "See you in another life, brother" - "Du weißt gar nichts, Jon Schnee"
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Variety

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Die Würze in der Spielwelt kommt über schauermärchenhafte Elemente, die eher typisch mitteleuropäischen Charakter haben plus die Anderswelt, also Feenwesen eher im keltischen Sinne plus natürlich die Bausteine die Variety schon aufgezählt hat. Man kann sicherlich auch Spukgeschichten a la "Die Frau in Schwarz" spielen.
Erwähnenswert ist noch dass Magie einen spezielleren eingeschränkteren und spezialisierten Charakter hat als anderswo und das Mirakelwirken der Priester ein mächtiges aber rares Mittel darstellt.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass es sich bei Rollenspielen immer lohnt, alles zu lesen. Da ich vor Kurzem den Täuscherland-Band beendet habe, kann ich vermuten, dass ich bei einer oberflächlichen Lektüre beziehungsweise einem Durchblättern die Vielfalt an Konflikten, Kampagnen und Inspirationen, die darin stecken, wohl nicht wahrgenommen hätte. Das erschließt sich tatsächlich für mich nur über das Lesen von A bis Z und Studieren aller Textkästen und Geschichten.

Im Prinzip ist Täuscherland ein "klassisches" Fate-Setting insofern, dass es den Schwerpunkt auf Spielaspekte (Fate Core, S. 63) legt und davon ausgehend alles Weitere deduziert. Das macht es für einen Außenstehenden natürlich recht gleichförmig und selbstähnlich, doch hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Die einen Fate-Settings bieten in diesem eng gesteckten Rahmen ein Füllhorn an Möglichkeiten, während andere Fate-Settings sich eigentlich nach einem Szenario erschöpfen und nur für Fewshots interessant sind. Täuscherland zählt zu ersteren.

Erfreulich wenn durch unsere Diskussionen mehr Interessenten entstehen. Malmsturm-Fans die mal was anderes wie Heavy Metal wollen können niederschwellig Seelenfänger ausprobieren weil sie ja nahezu alle Regeln schon kennen.

Malmsturm und Seelenfänger sind schon ziemlich unterschiedlich, muss ich sagen. Das Täuscherland erscheint mir eher wie die Schwarzen Lande (DSA) in gut gemacht. Wie ich schon angedeutet habe, ist der Wechsel von Malmsturm nach Seelenfänger tiefgreifender als nur ein Austausch zweier Fantasy-Welten: Es wird das Genre gewechselt und alle Kategorien verschieben sich. Malmsturm ist halt Sword & Sorcery und dementsprechend sind die Welt und auch die Spielercharaktere. Im Täuscherland hat man es mit Dark Fantasy zu tun: pessimistische Grundstimmung, das Gute ist eine Marginalität und absurd, die Spielercharaktere befinden sich in einer Welt in ihrem "worst case".

Vereinzelte Ideen kann man sicherlich in sein Malmsturm übertragen, und mit der Anderswelt bietet wiederum das Täuscherland die Option, quasi alles was einem so an Fantasy einfällt, auftauchen zu lassen.

Bezüglich der Regeln muss ich noch anfügen, und das ist explizit nur persönliche Meinung, dass ich als Freund von Fate Core umfangreiche Zusatzregeln zu Settings begrüße. Trotzdem finde ich, dass Malmsturm eine sehr viel elegantere Umsetzung der diversen Regelideen darstellt. Das Seelenfänger RPG ist hier relativ klobig, und ich kann direkt erkennen, dass jemand sein ursprünglich eigenes Regelsystem versucht hat, nach Fate zu konvertieren – mit entsprechenden Kompressionsartefakten.