Ausgehend
von dem Thread "Settings mit Geheimnissen: Schwachsinn? möchte ich ein Beispiel geben, wie Hintergründe zu einem spielbaren Volk entdeckt werden, die zu Beginn unserer Kampagne unbekannt waren, und über fast 30 Spieljahre hinweg aufgedeckt wurden.
In dem
Ursprungsthread sind viele Szenarien genannt worden, die zeigen sollten, dass diese Art, mit Exploration/Geheimnissen umzugehen, Schwachsinn sind. Dieser Thread soll das Gegenbeispiel sein.
These: Die Erkundung der Geschichte um die Aranti hat einiges an Motivation für einzelne Abenteuer gegeben, und ganz sicher das Involvement des Aran-Spielers und der Gruppe gesteigert.
Ich möchte hier zwei Dinge zusammenfassen:
• Wie diese Entdeckungen stattfanden
• Wie dieses Erkunden und das Involvement der Spielenden sich gegenseitig befruchteten.
Ich habe es so kurz zusammengefasst, wie es ging, aber: Aufgrund von 30 Jahren Spielzeit ist es trotzdem sehr viel Text. Wen das nicht interessiert oder wem es zuviel Text ist, muss auf den nächsten Beitrag warten, denn da beschreibe ich die Hintergründe als sachlich-chronologische Auflistung, so wie viele in dem Ursprungsthread sich wünschen, dass Hintergrundinformationen der Spielleitung präsentiert werden.
Ausgangslage: Was zu Beginn der Kampagne allgemein über Aranti bekannt warNachdem ich meine Gruppe die möglichen, spielbaren Völker in unserer Kampagnenwelt Eon vorgestellt hatte, entschied sich unser damals jüngster Spieler Tim für einen Aran, den er „Aranik“ nannte.
Aran – Ursprung psionischer Kräfte?
Aranti existieren auf unserer Welt erst seit etwa 2000 Jahren, dieselbe Zeit, seit der Psi-Kräfte auf der Welt in Erscheinung getreten sind. Seit einem astronomischen Ereignis trat immer wieder in einigen Völkern (Orks, Menschen, Zwergen, Elben, Halblingen) eine „Krankheit“ auf, die einige wenige zweijährige Kinder in Aranti verwandelt, indem sie in ihrem Wachstum zurückbleiben und ihre Haut ein wenig weiterwächst. Das ist die einzige Art und Weise, in der sie entstehen: Aranti können sich nicht auf natürlichem Weg fortpflanzen. Die Kinder entwickeln sich also zu kleinen Aranti-Wesen, die immer auch psionische Kräfte entwickeln. In manchen barbarischen Regionen werden diese Kinder getötet, in wenigen Ländern werden sie als Kinder der Götter verehrt.
Diese Auffassung passt jedoch nicht dazu, dass Gottheiten die Aranti gewissermaßen ignorieren, was sich daraus ablesen lässt, dass kein Aran bislang je Priester oder Druide werden konnte.
Feuerteufel, Verräter, Mörder und der Allmächtige: Tims Backgroundstory für Aranik Als der erste Erbe des Hochelbenreiches sich in einen Aran entwickelte, wurde er von der Erbreihenfolge ausgeschlossen. Hochelben sind auf Eon das kleinste Elbenvolk, dass in einem geheimen Tal lebt mit den letzten Überresten des einst gewaltigen Ewigen Waldes.
Der jüngere Bruder sollte der nächste Hochelbenkönig werden, und auf keinen Fall ein Aran. Dem Aran wurde viel schlimmes angetan von anderen Elbenkindern.
So ermordete der Aran seinen Bruder, nahm ihm den Siegelring des Erbprinzen ab, steckte den letzten Rest des Ewigen Waldes in Brand und verlies sein Volk. Er nannte sich ab jetzt Aranik.
Bald traf Aranik auf eine Hochelbin, Leyna, die ebenfalls auf Wanderschaft war und noch nichts von dem Brand wusste. Gemeinsam mit einem Zwerg und einem Menschen bilden die Vier unsere Abenteuergruppe.
Tim spielt seinen Aranik noch heute so wie mit seinen 13 Jahren, als er zu unserer ansonsten erwachsenen Gruppe hinzugestoßen ist: Als einen von Macht besessenen, amoralischen Abenteurer, der die tyrannische Weltherrschaft anstrebt. Seine strategischen Vorschläge sind immer die kürzesten Wege zum Ziel, und Kollateralschäden interessieren ihn vorerst nicht. Als
Psion/Wizard (Cerebremancer) ist er die mächtigste Figur unter den vier Abenteurern. Oder sind seine teils sadistischen Charakterzüge nur Allmachtsphantasien? Denn Aranik lässt sich eigentlich immer zuverlässig von der Gruppe einfangen, die eher umsichtige Pläne bevorzugt und durchaus einen moralischen Kompass hat, so dass Aranik seine Gewaltbereitschaft nur selten auslebt.
Gottheiten und Aranti – das erste Abenteuer Drachenfieber Unser erstes Abenteuer ist das „
Drachenfieber“. Hier trifft die Gruppe gleich zu Beginn auf einen Avatar der Göttin der Heilung. Sie heilt alle einmal voll durch, eine mächtigere Heilung gibt es nicht.
Doch Aranik ist nach der Heilung derselbe Aran wie zuvor. Der Aran-Zustand ist keine Krankheit, der Zustand lässt sich also nicht heilen. Die Gruppe hat sich außerdem nochmal vergewissert: Ja, Arans können keine geistliche Klasse annehmen, weder Druide noch Priester. Können oder wollen Gottheiten keine vergleichbare Verbindung zu Aranti aufnehmen wie zu allen anderen Lebewesen Eons?
Aranik gegen 300 Hochelben – Drachenfieber Abschluss
In dem Abenteuer „Drachenfieber“ erlebt die Gruppe, wie zurückhaltend, ängstlich, ablehnend und manchmal diskriminierend Andere einem Aran gegenüberstehen.
Nach dem Abenteuer „Drachenfieber“ tauchte eine Armee von Hochelben auf. Sie waren auf der Suche nach dem, der sich Aranik nennt.
Insbesondere Leyna stellte sich an Araniks Seite, um ihn in Schutz zu nehmen: Was soll dieser Auftritt mit 300 Kriegern? Wurde Aranik auch von den Hochelben diskriminiert? Was sind überhaupt die Vorwürfe? Die Hochelben fordern den Ring des Erbprinzen zurück, den Aranik gestohlen hat. Gut, da kann Leyna wenig gegen sagen. Sie kennt Aranik mittlerweile gut genug, um ihm einen solchen Diebstahl zuzutrauen.
Und außerdem soll Aranik verhaftet werden wegen Brandstiftung am Ewigen Wald und vielleicht auch eines Mordes. Ihn erwartet die Todesstrafe.
Leyna entschließt sich, Aranik auch hier zur Seite zu stehen, denn schließlich sei nichts bewiesen. Weil der Siegelring aus rituellen Gründen den Hochelben für unverzichtbar gilt, kann sie heraushandeln, dass Aranik sich keinem Hochelben-Prozess stellen muss, wenn er den Siegelring herausgibt und das Hochelbental nie wieder betritt.
Eine Wolkenburg als Zuflucht
In einem Menschendorf leben sogar zwei Aranti-Kinder, und beide sind verschwunden, kurz bevor die Abenteurergruppe durch dieses Dorf reist. Die Eltern der Arantikinder flehen die Gruppe an, ihre Kinder mitzusuchen. Sie befragt daraufhin die Familien, andere Dorfbewohner und Kinder im Alter der verschwundenen und stellen fest: Die Arantikinder werden zwar in ihren Familien geliebt, aber im Dorf heftig ausgegrenzt.
Plötzlich überfallen vermummte, kleine Gestalten die Gruppe. Sie wollen Aranik gefangen nehmen! Die vier Angreifer entpuppen sich als Aranti – und sie sagen, sie wollen Aranik retten. Die Gruppe wechselt von Kampf auf Diplomatie und wird zu einem Trip eingeladen: In eine Wolkenburg, die sich hoch in der Luft befindet.
Im Himmel schwebt eine Burg, ähnlich aufgebaut wie Mont St Michel. Psionische Kräfte halten sie in der Luft. Von unten und von der Seite sieht die Burg aus Tarnungszwecken aus wie Wolke.
Diese Burg ist eine geheime Zuflucht der Aranti. Sie wurde vor vielleicht 1500 Jahren von einigen Aranti erschaffen. Jeder Aran hat das Recht, auf dieser Burg zu leben. Das Ziel der dort lebenden Aranti ist, die Existenz der Burg anderen Aranti bekannt zu machen und sie einzuladen, dort zu leben. Aranik und eins der Arankinder lehnen diese Einladung vorerst ab, aber das andere Arankind möchte auf der Burg bleiben.
Die Wolkenburg fasst nur 400 bis 600 Aranti, aber viel mehr wollen auch gar nicht unter sich auf der Burg leben.
Hier erfährt die Gruppe noch mehr über Aranti: Es scheint genau eine Zahl von Aranti auf Eon zu geben. Auch wenn diese Zahl noch unbekannt ist, wird sie zwischen 1100 und 1300 geschätzt. Nur wenn Aranti sterben, werden wieder welche geboren. Seelenwanderung scheint als Mechanismus auf der Hand zu liegen. Alle Aranti entwickeln sich körperlich zu sehr ähnlichen Wesen mit nur wenig phänotypischen Unterschieden.
Mit Space Fantasy zur Weltkarte
Bei der Verfolgung einer Truppe marodierender Orks in der Eismeerregion des Nordens führt die Spur dieser Orks auf eine äußerst seltsame Insel von vielleicht 400m x 100m mit einem Berg in einem Drittel der Insel. Die Orks haben sich diese Insel als Stützpunkt erobert. Das Seltsame an der Insel: Obwohl im Winter im Eismeer gelegen, ist sie frei von Schnee.
Als die Gruppe die Insel betritt, bemerkt sie, dass die Luft und das Klima auf der Insel anders ist als in der Umgegend: Die Temperatur ist konstant 19 Grad, die Luft schmeckt etwas schaler als normal. Aber am auffälligsten ist die Botanik: Die Gräser, die Sträucher, die Bäume – alle essbar und sehr nahrhaft – nirgends sonst auf Eon wachsen diese Pflanzen.
Die Orks haben sich in Gängen und Höhlen im Berg verschanzt. Die Gruppe kämpft sich vor, und trifft plötzlich auf Wesen, die sie bis heute die „Bastelzwerge“ nennen. Kleine Humanoide, die sich olfaktorisch und (wie irdische Kraken) über wechselnde Farbpigmentierung der Haut kommunizieren. Die Gruppe wird später rekonstruieren, dass diese Wesen von Anderen als Hausdienende genutzt wurden. Ihre eigentliche Bestimmung ist eigentlich, Sachen zu basteln, immer bunt und schön, aber selten wirklich nützlich.
Als die Orks schließlich besiegt sind und die Insel durchsucht ist, erkennt die Gruppe (ja, Metawissen:) Dies ist ein Raumschiff. Es gibt eine Kommandozentrale mit einem Sitz und einem Helm, und als Aranik sich diesen Helm aufsetzt, der sich seiner Kopfform anpasst, vermag er aufgrund seiner enormen Intelligenz, die Insel zum Abheben zu bringen. Sie fliegen so hoch dass die Luft eigentlich zu dünn zum Atmen wird, aber ihre Insel ist umhüllt von einer eigenen Atmosphäre. Sie nutzen den Flug, um Eon zu umrunden, und sie erstellen eine Karte der Welt, die es ansonsten wohl nicht noch einmal gibt.
Diese Insel ist seitdem ihr Hauptstützpunkt. Seitdem die Gruppe teleportieren kann, parken sie die Insel weitab in Sicherheit und lassen die Bastelzwerge sich in ihrer Abwesenheit um die Insel kümmern. Weiter als Umrundungen um Eon sind sie mit der Insel bislang nie gereist.
Die Bastelzwerge sind sehr eingeschüchtert. Die Gruppe findet heraus, dass sie wohl einen langen Weg nach Eon gereist sind und dass sie in ihrer Vergangenheit misshandelt wurden. Vor allen Gruppenmitgliedern haben sie Angst, aber insbesondere vor Aranik, nachdem sie an ihm gerochen haben. Aber nach und nach legt sich diese Furcht, weil die Gruppe die Bastelzwerge gut behandelt.
Die wichtigste Schlussfolgerung der Gruppe: Es gibt „außer-eonisches“ Leben und interstellare Reisemöglichkeiten.
(Anmerkung: Alles, was mit „Raumfahrt“ zu tun hat, handele ich als SL über Magie/Psionik ab, nicht über Technik. Wir spielen also Space Fantasy, nicht Science Fiction.)
Merkwürdige Spalten
Beim Showdown mit einem Gegner gerät die Gruppe auf ein Gelände im Nirgendwo, in dem die Vegetation sehr markant abgestorben ist. „Magie entdecken“ führt beinahe zur Erblindung, so hochmagisch – oder genauer: psionisch – ist das Phänomen.
Schnell wird herausgefunden, dass der Gegner mit dem Phänomen nichts zu tun hat, er wird erledigt, und das Phänomen wird untersucht: Mehrere spaltförmige Flächen erstrecken sich über diese ansonsten äußerst einsame Gegend.
Die Schlussfolgerungen: Diese „Spalten“ gibt es seit einigen Jahren im Gelände. Sie dehnen sich weiter aus und werden in ein paar Jahren einen Endzustand zu erreichen. Psionische Mächte sind hier am Werk. Sie scheinen keine akute Bedrohung darzustellen, bleiben aber ein Rätsel.
Die Gruppe besucht diese Spalten über die Jahre immer mal wieder, und ja, sie wachsen und „reifen“, aber mehr finden sie nicht heraus.
„…mit einer feinen Note Halbling“ – ein Sommelier gibt seine EinschätzungIm Lande Syradon möchten alle unsterblich werden, und in der Regel heißt das: Untot. Natürlich lieber Lich oder Vampir als Zombie oder Geist. Syradon ist eine vorurteilsarme Gegend, und nicht wenig Aranti haben sich deshalb hier niedergelassen.
Bei einem Abenteuer in Syradon arbeitet die Gruppe mit einem relativ kultivierten Vampir zusammen. Dieser erwartet als Gegenleistung „nur“ ein Schnappsgläschen Blut von jedem Gruppenmitglied. Damit ist die Gruppe einverstanden. Als der Vampir an Araniks Blut nippen darf, ist er etwas aufgeregt: „Das ist mein erstes Mal Aranblut.“ Er schmeckt es sorgfältig ab und sagt: „Sehr fremdartig, aber mit einem deutlichen Hauch Halblingsnote.“
Vom Gladiator zum interstellaren Weltenreisenden
Die Gruppe ist bei diesem Abenteuer gefangen genommen worden und soll in einer Arena kämpfen. Als sie die Arena betreten, sehen sie Vertretende allerhöchster Dekadenz - saufend, lachend, bewusstseinserweiternde Substanzen konsumierende - in einer Art Theater vor einem riesigen psionisch kreierten Fenster. Mit diesem Fenster können sie ein Gänge- und Räumelabyrinth sehen, dass ihre Durchkämpf-Arena ist. Die Gänge und Räume liegen unterirdisch und sind angefüllt mit vergrößerten Tieren, gegen die die Gruppe sich durchsetzen muss, sie muss es bis zum Ausgang schaffen. So liefert sich die Gruppe Kämpfe gegen für sie monströse Ameisen, Kröten, Skorpione, Würmer und Ratten. Das Johlen der Dekadenten, die das Spektakel verfolgen, ist bis in dieses Labyrinth zu hören.
Natürlich besiegt die Gruppe ihre Gegner, und als sie auf Normalgröße zurückverwandelt werden, nehmen sie sich die Dekadenten vor.
Während die Gruppe sich durch diesen Ort kämpft, wird klar: Dies sind die Überreste einer weiteren Raumfähre unbekannter Bauart – und Aranik spricht enorm auf diese Überreste an, seine Haare stellen sich auf, Wände, Flächen, Stufen leuchten manchmal auf, wenn er sie berührt, auch ein Topf oder eine Art Helm, und Aranik scheint Räume zu kennen, bevor er sie betreten hat. Auf der Hand liegt: Aranti sind mit Raumfähren dieser Bauart irgendwie irgendwann auf Eon eingetroffen. Wenn Aranti nicht von Eon stammen - vielleicht ist dass der Grund, dass die hiesigen Gottheiten sich nicht richtig für „Außer-Eonische“ zuständig fühlen?
Was jedoch dagegen spricht, dass dies eine Raumfähre von Araniks Volk ist, ist, dass es für Wesen erbaut ist, die viel größer als Aranti und sogar etwas größer als Menschen sind. Letztlich liegt die Raumfähre aber unter der Erdoberfläche zertrümmert und ist nicht weiter zu gebrauchen.
Aranik bekommt einen Zwilling
Es gibt in unserer Kampagne mehrere ähnlich große Storystränge wie die der Aranti. In einem anderen Strang spielt ein besonderer Stein eine Rolle, dem Aranik nicht widerstehen kann. Er berührt ihn, und wird verdoppelt. Plötzlich gibt es zwei identische Araniks.
Lange wird überlegt und verhandelt. Dann wird einer der beiden mit der Hälfte der Schätze fortgeschickt. Die Gruppe nennt „den anderen“ Baranik, den Bösen Aranik, denn die Gruppe ahnt, was aus ihm wird, wenn er keine Gruppe mit klarem moralischem Kompass um sich herum hat. Baranik schließt sich vorerst der Wolkenburg an und wird NSC. Immer mal wieder gehen Sendings ungewollt automatisch an beide Araniks, aber mit der Zeit bekommen sie das in den Griff.
10 Sessions später: Aranik und Baranik spüren, dass die Verdoppelung ihrer Existenz einen schlimmen Nebeneffekt hat, denn ihre Konstitution nimmt immer schneller ab. Sie vermuten, dass der Tod eines der beiden diesen unerwünschten Effekt umkehrt. Noch kommen sie überein, dass sich mit der Konstitution leben lässt, aber weit ist die Zukunft nicht, da es nur einen geben kann.
Dieser Thread soll in erster Linie die Materialsammlung sein.
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