Autor Thema: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück  (Gelesen 6617 mal)

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Mann ohne Zähne

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Guten Morgen.
Das Thema, das ich im Folgenden anschneiden werde, brennt mir seit einer Woche unter den Nägeln. Meine Meinung wird eventuell den anderen NARrativistenfreunden (Gruß an Fredi und Vermi) sauer aufstoßen, aber dieses Risiko nehme ich in Kauf.

Ich habe nun einige Runden PTA und Dogs geleitet, mit einem Teil meiner Spieler, mit denen ich seit Anfang an auf Abenteuer gehe. Diese Spieler sind, um mit Robin D. Laws zu sprechen, "Method Actors" -- sie wollen sich so tief wie möglich in ihre Rolle einfühlen, und sie sind zu einem anderen, kleineren Anteil "Storytellers" -- sie wollen auch eine gute Geschichte erzählen und lassen ihre Charaktere deshalb manchmal Dinge tun oder nicht, um diese Geschichte entstehen zu lassen.

Was mir bei PTA und Dogs aufgefallen ist: Innere Konflikte werden hervorragend ausgearbeitet, sind Fokus des Spiels und finden im Spielsystem ihren Niederschlag. Meinen Spielern und mir war das recht, schließlich ist ein tiefer Charakter für uns als Method Actors/Storytellers immer besser als ein flacher, der nur aus Zahlen auf einem Blatt Papier besteht.

Doch uns fehlte was.

Diese Erkenntnis machte sich erst nach einer Weile bemerkbar, aber dann mit massivem Durchschlag. Was war passiert? Wir alle hatten den Kontakt, den intensiven Kontakt, zu unseren Charakteren verloren. Wir spielen seit mittlerweile mehr als 20 Jahren, immer so tief in-character wie nur möglich, aber immer mit einem Rest unserer Aufmerksamkeit auf das Formen einer schönen Geschichte. Was wir in PTA und Dogs bekamen, waren tiefe Charaktere, schwerwiegende Konflikte. Was wir nicht bekamen, waren andere Aspekte der Exploration: Setting, Situation und Color. Wir loten unsere  Charaktere aus, und wir konsultierten die Regelsysteme. Aber die anderen drei Bestandteile fehlten uns. Und dafür ist weder PTA noch Dogs ausgelegt.

Rollenspieltheoretisch gesprochen, sind uns, nach einiger Erfahrung mit den beiden Systemen, die sogenannten "Points of Contact", also die Anzahl der Regelschritte, die das System für eine Situation vorschreibt, zu häufig, beziehungsweise die "Exposure", die Zeit, die diese Regeln in ihrer Anwendung brauchen, ist für unseren Geschmack zu lang. Wir sind Method Actors, wir wollen denken wie unsere Charaktere, fühlen wie sie, handeln wie sie, ja, werden wie sie, solange wir am Tisch zusammensitzen und versuchen, unsere emotionalen Bedürfnisse durchs Spiel zu befriedigen.

Ich werde mich damit als Fifth Business (SL) wieder Everway zuwenden, mit einigen Dingen allerdings, die wir aus PTA und Dogs gelernt haben.

Ein paar Links, die uns dabei helfen:
http://tanelorn.net/index.php?topic=19528.msg487002#msg487002
http://tanelorn.net/index.php?topic=19528.msg490459#msg490459

Liebe Grüße aus Landshut
Norbert

« Letzte Änderung: 15.03.2006 | 11:25 von Mann ohne Zähne »

Joe Dizzy

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #1 am: 15.03.2006 | 12:06 »
Könntest du ein paar Beispiele geben inwiefern Setting, Situation und Color dir bei diesen Spielen fehlt? Wie sehen die Spielhandlungen aus, die du bei PTA und Dogs nicht einbringen kannst?

Da ich Dogs nicht gespielt habe, wäre mir mit PTA Beispielen sehr geholfen.

Offline Purzel

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #2 am: 15.03.2006 | 12:26 »
Guten Morgen.
Tach

Zitat
Ich habe nun einige Runden PTA und Dogs geleitet, [...]"Method Actors" [...] "Storytellers"
Frage: Warum spielt ihr in einer Gruppe, die geradezu nach perfekt funktionierendem Immersions-SIM schreit ausgerechnet solche Hardcore-NAR-Spiele? Ist das nicht ein wenig Maso? ;)

Zitat
Was mir bei PTA und Dogs aufgefallen ist: Innere Konflikte werden hervorragend ausgearbeitet, sind Fokus des Spiels und finden im Spielsystem ihren Niederschlag. Meinen Spielern und mir war das recht, schließlich ist ein tiefer Charakter für uns als Method Actors/Storytellers immer besser als ein flacher, der nur aus Zahlen auf einem Blatt Papier besteht.
Volle Zustimmung, richtig erkannt.

Zitat
Doch uns fehlte was. [...] Was wir nicht bekamen, waren andere Aspekte der Exploration: Setting, Situation und Color. Wir loten unsere  Charaktere aus, und wir konsultierten die Regelsysteme. Aber die anderen drei Bestandteile fehlten uns. Und dafür ist weder PTA noch Dogs ausgelegt.
Frage: Wie habt ihr bei klassischen Spielen die anderen Aspekte exploriert? Kam das vom SL?

Wie ich Dogs verstanden habe, und so wie ich aus Hörensagen von PtA gehört habe, sind alle Spieler für das Ausformen von Setting, Situation und Color mit verantwortlich. Nicht die Systeme geben das von sich aus her, das wollen sie auch nicht. Das Ganze passiert mehr oder weniger in freier Form am Spieltisch.

Wenn ihr eure alte Art zu Spielen beibehaltet, die ganze Zeit tief immensioniert, könnt ihr euch natürlich nicht um Color und den ganzen Kram kümmern. Im Gegenteil, dauernde Immersion ist gerade für diese Spiele eher unüblich und unpraktisch.

Leider haben viele der neuen Forge-Spiele, genauso wie die klassischen Spiele niemals ein explizites Kapitel über "DOs and DONT", was man lieber tun oder lassen sollte. Alleingelassen ohne deutliche Zaunpfahl-Hinweise und nur mit dem gesunden Menschenverstand verrennt man sich leicht in alte Gewohnheiten.

Zitat
"Points of Contact", [...] zu häufig, beziehungsweise die "Exposure" [...] zu lang. Wir sind Method Actors, wir wollen denken wie unsere Charaktere, fühlen wie sie, handeln wie sie, ja, werden wie sie, solange wir am Tisch zusammensitzen und versuchen, unsere emotionalen Bedürfnisse durchs Spiel zu befriedigen.
Versucht mal "My Life with Master". Es wird nur selten gewürfelt, und da es nur wenige Arten von möglichen Konfliktsarten gibt, braucht man auch nicht lange nach den richtigen Regeln zu suchen. Die passen zusammengefasst auf ne DIN A4 Seite. Hier ist sogar das Hineinversetzen (Immersion) in einen Charakter recht nützlich, da durch das Ausspielen bestimmter Emotionen (Intimität, Verzweifelung, Aufrichtigkeit) Bonuswürfel in den Pool hinzukommen.

Ihr wollt Immersion? Ihr solltet ein System benutzen, das Immersion belohnt; durch Erfahrungspunkte, durch Boni im Spiel.

"Shadow of Yesterday" hat ein System von Punkten, die man z.B. in Kämpfen oder bei Skillwürfen als Boni einwerfen kann. Aufgeladen werden diese Punkte-Pools durch Ausspielen der Charaktere (z.B. jemand der alle seine Body-Punkte verbraucht hat, geht los, um ne Kneipenschlägerei anzuzetteln, in die Mucki-Bude Gewichte stemmen, oder verbringt ein paar Stunden im Bordell).

Um die "Storyteller" in euch zu befriedigen, würde ich vorschlagen, ihr lasst euch lieber von eurem SL ein wenig railroaden oder trailblazen. Bei den NAR Spielen ist es von Nöten und so gewollt, dass die Spieler an der Story mit Regie führen, häufig Dinge im Vorraus wissen müssen, um den richtigen Kurs einschlagen zu können, um für die Conflict Resolution den richtigen Stake zu setzen. Nur hierbei bricht die strenge Trennung von Spielerwissen und Charakterwissen auf, die Immersion erfordert. Auch das Wechseln von der Actor-Stance in die Director-Stance wirkt sich bei "Method Actors" eher negativ auf das Spielgefühl aus.

Mein Fazit: die falsche Gruppe für zwei ansonsten richtig gute Rollenspiele :)

Mann ohne Zähne

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #3 am: 15.03.2006 | 12:45 »
Hallo Purzel,
hallo Georgios,

gib mir ein bisschen Zeit, dann bringe ich ein paar PTA-Beispiele, okay? Mir fehlt's nur gerade an der Zeit...


Frage: Warum spielt ihr in einer Gruppe, die geradezu nach perfekt funktionierendem Immersions-SIM schreit ausgerechnet solche Hardcore-NAR-Spiele? Ist das nicht ein wenig Maso?

Naja, Du kennst das vielleicht. Wenn man lange, lange Zeit zusammen spielt, stellt sich halt einfach mal etwas Ermüdung ein. Und dann denkt man, vielleicht liegt's am System...
Und weil wir nie ausschließlich SIM gespielt haben, sondern immer eine Kombination aus SIM und NAR, klangen die Systeme vielversprechend.

Zitat
Frage: Wie habt ihr bei klassischen Spielen die anderen Aspekte exploriert? Kam das vom SL?

Nein. Ich habe, zumindest die letzten zehn Jahre, immer so geleitet, dass ich auf die Wünsche der Spieler (ob laut oder nur indirekt geäußert) reagiert habe. Wir hatten keinen vorher festgelegten Plot, und ich animierte durch Vormachen meine Spieler dazu, selbst zu explorieren. Da hat uns damals das Amber Diceless gut auf den Weg gebracht.

Zitat
Wie ich Dogs verstanden habe, und so wie ich aus Hörensagen von PtA gehört habe, sind alle Spieler für das Ausformen von Setting, Situation und Color mit verantwortlich. Nicht die Systeme geben das von sich aus her, das wollen sie auch nicht. Das Ganze passiert mehr oder weniger in freier Form am Spieltisch.

Genau. Weil aber der Fokus von beiden Systemen definitiv auf dem Konflikt liegt (bei PTA heißt's sogar irgendwo, hab's gerade nicht parat, aber ungefähr: "Conflict over? Next scene!"), und weil die Exposure mit den Regeln relativ lange dauert (z.B. das Ausformulieren der Stakes oder das gemeinsame Scene Framing), gingen, zumindest bei uns, die anderen Explorations-Aspekte unter.

Zitat
Wenn ihr eure alte Art zu Spielen beibehaltet, die ganze Zeit tief immensioniert, könnt ihr euch natürlich nicht um Color und den ganzen Kram kümmern. Im Gegenteil, dauernde Immersion ist gerade für diese Spiele eher unüblich und unpraktisch.

Nein, wie gesagt, wir hatten immer eine Mischung. Die hatte zwar deutlichen Überhang zur "Immersion", aber es war immer auch Director Stance und die anderen Explorations-Aspekte mit dabei.

Zitat
Leider haben viele der neuen Forge-Spiele, genauso wie die klassischen Spiele niemals ein explizites Kapitel über "DOs and DONT", was man lieber tun oder lassen sollte. Alleingelassen ohne deutliche Zaunpfahl-Hinweise und nur mit dem gesunden Menschenverstand verrennt man sich leicht in alte Gewohnheiten.

Das war es ja genau nicht, Purzel.
Wir warfen mit PTA und Dogs unsere alten Gewohnheiten über Bord, radikal. Um schließlich feststellen zu müssen, dass es uns die Systeme nicht einfach machen, tief in-character zu spielen.

Zitat
Versucht mal "My Life with Master". Es wird nur selten gewürfelt, und da es nur wenige Arten von möglichen Konfliktsarten gibt, braucht man auch nicht lange nach den richtigen Regeln zu suchen. Die passen zusammengefasst auf ne DIN A4 Seite. Hier ist sogar das Hineinversetzen (Immersion) in einen Charakter recht nützlich, da durch das Ausspielen bestimmter Emotionen (Intimität, Verzweifelung, Aufrichtigkeit) Bonuswürfel in den Pool hinzukommen.

Klingt gut, danke für den Tipp! Hab's mir schon mal auf der Homepage angesehen; jetzt werd ich's bestellen.

Zitat
Ihr wollt Immersion? Ihr solltet ein System benutzen, das Immersion belohnt; durch Erfahrungspunkte, durch Boni im Spiel.

"Shadow of Yesterday" hat ein System von Punkten, die man z.B. in Kämpfen oder bei Skillwürfen als Boni einwerfen kann. Aufgeladen werden diese Punkte-Pools durch Ausspielen der Charaktere (z.B. jemand der alle seine Body-Punkte verbraucht hat, geht los, um ne Kneipenschlägerei anzuzetteln, in die Mucki-Bude Gewichte stemmen, oder verbringt ein paar Stunden im Bordell).

TSOY gefällt mir als SL gar nicht. Zuviele Regeln, also wieder zuviele Points of Contact. Wir werden wieder zu Everway als generisches System zurückgehen; damit haben wir von HK Action über Cyberpunk bis hin zu Amber schon alles gespielt.

Zitat
Um die "Storyteller" in euch zu befriedigen, würde ich vorschlagen, ihr lasst euch lieber von eurem SL ein wenig railroaden oder trailblazen. Bei den NAR Spielen ist es von Nöten und so gewollt, dass die Spieler an der Story mit Regie führen, häufig Dinge im Vorraus wissen müssen, um den richtigen Kurs einschlagen zu können, um für die Conflict Resolution den richtigen Stake zu setzen. Nur hierbei bricht die strenge Trennung von Spielerwissen und Charakterwissen auf, die Immersion erfordert. Auch das Wechseln von der Actor-Stance in die Director-Stance wirkt sich bei "Method Actors" eher negativ auf das Spielgefühl aus.

Das war bei uns eben nie der Fall. Seit zehn Jahren railroade ich nicht mehr, meine Spieler sind "empowert", sie bestimmen, wo es langgeht. Ich bin, ähnlich wie bei Dogs, der Mann, der reagiert und eskaliert. Wie gesagt, wir waren immer Method Actors UND Storytellers. Auch Director und sogar Author Stance war immer mit dabei.

Zitat
Mein Fazit: die falsche Gruppe für zwei ansonsten richtig gute Rollenspiele :)

Jep, da hast Du wohl recht :)
Die Spiele sind wirklich extrem gut, die Regeln halten alles aus... aber sie sind nicht das, was wir brauchen.

Offline Fredi der Elch

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #4 am: 15.03.2006 | 13:16 »
Das stößt mir nicht im Geringsten sauer auf. Ehrlich. :)

Was du im Endeffekt ja sagst, ist folgendes: Dogs bzw. PtA haben einen speziellen Fokus. Wir haben die Spiele probiert (intensiv, ohne Vorurteile, über einen längeren Zeitraum). Wir haben die Erfahrung gemacht, dass dieser Fokus nicht so gut zu unseren Präferenzen passt wie Freeform. (habe ich jetzt was wichtiges vergessen?)

Das sind also 3 Punkte:

1. Dogs und PtA (und viele andere Forge-Spiele) haben einen (relativ engen) Fokus. Da sage ich: Jaaaa! Das ist Sinn der Sache! Die Spiele habe ein Ziel und sie liefern genau das, was sie anstreben. Innere Konflikte, Charaktertiefe usw. Dazu verwenden sie Regeln und auch die Metaebene. Sie liefern keine Immersion, aber das war ja auch nie das Ziel. Also volle Zustimmung zu dem Punkt.

2. Du bist mein Held! (Und deine Gruppe auch. Ihr seid Helden! ;) ) Ihr habt meinen gebetsmühlenartigen (und manchmal autoverkäuferigen) Rat befolgt und habt es probiert. Ihr seid mit Interesse drangegangen und habt den Spielen (und euch) die Zeit gelassen, sie wirklich kennen zu lernen und sie nicht nach einer Rezi oder einem Durchlesen (also ohne ausreichende Information) als „ist nix für mich“ abzutun.

3. Ihr habt also ausreichende Information gesammelt und die Stärken und Schwächen der Spiele erkundet. Dann habt ihr das mit eurem bevorzugten Spielstil verglichen und geschaut, wo die Spiele helfen und wo nicht. Und ihr seid zu dem Ergebnis gekommen, dass euch Freeform mehr Spaß macht, euch eher liegt als z.B. Dogs oder PtA. Und dann hast du dir auch noch die Mühe gemacht diesen ganzen Prozess und die Entscheidung zu erklären und für alle transparent zu machen. Das ist wunderbar!

Ihr habt es getestet, es war nett, aber Freeform hat euch besser gefallen. Gottseidank machen das einige Betonköppe hier im Forum nicht so, sonst hätte ich nicht mehr viel zu nörgeln. ;) Also: Ihr seid meine persönlichen Helden. So viel Thumbsup gibt’s gar nicht, wie ich machen möchte.  :d


Kleine Theorie-Anmerkung: Mit deiner Verwendung von Situation, Setting und Color bin ich nicht ganz zufrieden. IMO können (und machen) nämlich PtA und Dogs sowohl Situation als auch Color (nur Setting ist tatsächlich etwas schwach). Aber das ist eher was für einen kleinkarierten Definitionsstreit in Theorie-Channel und ändert nichts daran, dass ich deinem Punkt inhaltlich voll zustimme.
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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #5 am: 15.03.2006 | 13:21 »
Hallo MoZ,

sehr interessant... deine Gruppe klingt (von der Art her) ziemlich ähnlich wie meine, und wir wollen jetzt mal PtA ausprobieren. Allerdings haben wir vorher nie wirklich Freeform gespielt (im Augenblick sind wir bei UA). Ich bin mal sehr gespannt, ob wir ähnliche Erfahrungen machen werden - größeres Regelgefiesel ist nämlich nicht grade unser Ding.  ;) Und auch einer der Punkte, die mich bei Dogs ein bißchen abgeschreckt haben... sorry, Fredi.  :)
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Offline Purzel

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #6 am: 15.03.2006 | 13:42 »
Naja, Du kennst das vielleicht. Wenn man lange, lange Zeit zusammen spielt, stellt sich halt einfach mal etwas Ermüdung ein. Und dann denkt man, vielleicht liegt's am System...
Und weil wir nie ausschließlich SIM gespielt haben, sondern immer eine Kombination aus SIM und NAR, klangen die Systeme vielversprechend.
Ich neige im Falle von Ermüdung zu Abstechern zu Spielen, die einfach mal etwas was völlig anderes sind. Es hilft ungemein, mal eine Runde Paranoia, Ninja Burgers oder in eurem Falle vielleicht Wushu zu spielen. Schnell, lustig, haben wenig Story nötig, action-reich. Einfach mal ne längere Zeit albern sein, das lädt die Batterien wieder auf, um wieder was Ernsthafteres zu spielen.

Alternativ könntet ihr ja mal ein paar mehr GAM Aspekte ausprobieren und so'n einfaches Tabletop machen wie Warhammer, oder ihr spiel mal kein RPG. Es gibt nen Haufen RPG-thematischer Spiele, z.B. Munchkin, "Es war einmal..." oder Hexenkessel. Oder geht mal in ne Kneipe. Oder geht gemeinsam in die Schwimmhalle. Alles gute Therapie-Ansätze.

Zitat
Wir hatten keinen vorher festgelegten Plot, und ich animierte durch Vormachen meine Spieler dazu, selbst zu explorieren.
Klingt nach Trailblazen. D.h. man setzt ein paar Punkte für den Abend fest, es gibt Hinweise (Pfade, sprich "Trails") zwischen den Punkten. Die genaue Reihenfolge, wie diese Punkte abgelaufen werden ist dabei eher egal. Macht ihr das so?

Zitat
weil die Exposure mit den Regeln relativ lange dauert [...] gingen[...] die anderen Explorations-Aspekte unter.
Üben, üben, üben :-P In meiner letzten Dogs Runde, die mit einem Total Party Kill endete, haben wir ne Menge gelernt. Und ich gebe dir Recht, das Szenenmachen und das Stakesetzen kostet Zeit. Im klassischen Spiel ist das schliesslich Aufgabe des SLs sowas vorzubereiten.

@ My Life with Master:
Auch hier werden Szenen aufgesetzt, doch das Setting ist viel vorgegebener -- die Spieler und der SL machen das Setting am Anfang klar --, und man hat dadurch mehr Anhalte. Fehlt was, kann das später hinzugefügt werden. Typen von Szenen (und damit Typen von Konflikten) gibt nach meiner letzten Zählung 4 Stück, und halt das Endspiel. Dadurch ist auch immer klar, was nun der Stake eigentlich ist. Da ganze 5 Spielwerte, von denen 2 sogar konstant sind, die Spielwelt und einen Charakter beschreiben, bleibt viel Platz, um sich erzählerisch auszutoben, Dinge hinzuzufügen, ohne das Regelsystem kaputt zu machen.
Was ein bisschen verwirrend ist: bei MLWM ist man (fast) immer einzeln Reihum dran. Im Prinzip gibt's keine geschlossene Gruppe, die zusammen handelt, stattdessen spielt man Einzelschicksale und Geschichten, die sich aber im Laufe des Spiels überkreuzen und verweben.

Zitat
Seit zehn Jahren railroade ich nicht mehr, meine Spieler sind "empowert", sie bestimmen, wo es langgeht. Ich bin [...] der Mann, der reagiert und eskaliert.
Bestimmen deine Spieler, wo es langgeht (sprich: normal empowert im Vergleich zum Railroading)? Oder bestimmen sie, WORUM es geht (improved empowered)? Sagen sie dir während des Spiels bewusst Dinge, die sie im Spiel sehen wollen?

Sagen sie dir: "Ich habe keinen Bock mehr auf Orks, lasst uns nach Osten ziehen" und überlassen dir als SL, was nun im Osten zu finden ist? Oder sagen sie: "Kack Schwarzpelze, ich langweile mich, lasst uns nach Osten ziehen, ich habe gehört, da soll es einen Zug von Gauklern geben, über denen ein Fluch liegt *hint*hint*hint*"?

Offline Purzel

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #7 am: 15.03.2006 | 13:56 »
Ergänzung:

@Empowerment:
Mein letztes Beispiel ist etwas blöd, bringt nicht das heraus, was ich unter echtem Empowerment verstehe. Daher:
"Das mit den Orks ist etwas dröge. Ich fände es cooler, wenn da diese verfluchte Gaukler-Truppe was mit den Schwarzpelzen zu tun hat."
D.h. die Spieler geben nicht nur verbindlich ein grobes Thema vor, sondern bestimmen ganze Plotverläufe und Lösungsansätze, geben sich das Abenteuer, das sie erleben wollen also selbst vor.

Das ist in etwa aber das Empowerment, das Spiele wie Dogs und PtA erwarten (und für das ich selbst noch ne Weile brauchen werde, meinen Geist durchherumzuwickeln). Keine Panik: in MLWM ist das nicht so krass, da hier die Auswahlmöglichkeiten wesentlich kleiner sind (z.B. durch die Bindung der SCs an den "Master" .. sagt ein Spieler, dass sein SC die Domäne und den Master verlässt, dann verlässt er das Spiel) haben die Spieler keine verwirrende Vielfalt an möglichen Plotverläufen.

Offline Dr.Boomslang

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #8 am: 15.03.2006 | 17:22 »
@ MoZ
Ich finde deine Erfahrungen sehr interessant. Du sagst euch ist der Kontakt zum Charakter verloren gegangen.
Bei PTA kann ich das verstehen, denn dort ist die Verbindung von Charakter zu Spieler eher vergleichbar mit der zwischen einem Schauspieler und einer seiner Rollen. Diese Verbindung kann auch sehr intensiv sein, aber vielleicht auf einer etwas anderen Ebene.
Man kann sicher auch bei PTA oder Dogs sehr "in Character" spielen, doch die Regeln sagen nichts dazu, sie verleien dem keine Bedeutung, treffen kein Urteil darüber.
Ich frage mich ob das im Nar begründet liegt oder ob das auch anders möglich ist. Ich denke es ist anders möglich und ich glaube das ganze liegt eher am recht engen Fokus dieser speziellen Spiele und nicht an Nar allgemein. Ein "Problem" (das ein Narr vielleicht nicht als solches sehen würde) bei Nar ist, dass der Spieler Aussagen treffen muss, darüber was ein Charakter ist wie er sich entwicklet und sogar wie die Welt das sieht und daruaf reagiert. Dies ist natürlich extrem schwer vereinbar mit einer "Belohnung von außen", vom System. Den Spielern muss eine Freiheit gegeben werden bestimmte Dinge völlig selbst zu beurteilen.
Im Immersionismus (was immer das auch sein mag, ich glaube wir brauchen da eine Begriffdiskussion, die letzte ist gescheitert, soweit ich mich erinnere), kommt es aber grade darauf an dass man als Spieler fühlt welchen Beschränkungen ein Charakter unterliegt, man braucht etwas externes, etwas neutrales das die Situation bewertet.
Kannst du diese Gedanken nachvollziehen, oder gehe ich da in eine völlig falsche Richtung?

Was genau fehlt euch für ein gutes "in Character"-Erlebnis?
Du sagts es sind Setting und Color, aber produzieren könntet ihr die auch mit PTA oder Dogs ohne weiteres, die Frage ist eigentlich warum ihr es nicht tut, oder nicht als unterhaltsam empfindet.
Was genau brauchst du oder deine Spieler damit diese verlorenen Dinge wieder auftauchen und womit steht dieses Bedürfnis jetzt in Konflikt?

Offline Fredi der Elch

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #9 am: 16.03.2006 | 08:51 »
Im Immersionismus (was immer das auch sein mag, ich glaube wir brauchen da eine Begriffdiskussion, die letzte ist gescheitert, soweit ich mich erinnere), kommt es aber grade darauf an dass man als Spieler fühlt welchen Beschränkungen ein Charakter unterliegt, man braucht etwas externes, etwas neutrales das die Situation bewertet.
Welche Bewertung von außen soll das denn sein? Hättest du da mal ein Beispiel? Denn so kann ich den Gedanken überhaupt nicht nachvollziehen (und ich habe 15 Jahre Erfahrung als Illusionist / Immersionist).

Ist das schon ein anderer Thread? (und die Definition von Immersion… viel Spaß damit. ;) )
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Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #10 am: 16.03.2006 | 10:29 »
Guten Morgen!
Das ist das Schöne am Grofafo: Man ist eine Weile auf Termin, und am nächsten Tag liegen umfangreiche Meinungsmeldungen vor :) Wie geil!

@Fredi
Servus ;)
Zitat
Was du im Endeffekt ja sagst, ist folgendes: Dogs bzw. PtA haben einen speziellen Fokus. Wir haben die Spiele probiert (intensiv, ohne Vorurteile, über einen längeren Zeitraum). Wir haben die Erfahrung gemacht, dass dieser Fokus nicht so gut zu unseren Präferenzen passt wie Freeform. (habe ich jetzt was wichtiges vergessen?)

Stimmt. Trotzdem, PTA und Dogs sind wirklich schöne Spiele und erfüllen ihre Ziele mehr als gut.

Zitat
1. Dogs und PtA (und viele andere Forge-Spiele) haben einen (relativ engen) Fokus. Da sage ich: Jaaaa! Das ist Sinn der Sache! Die Spiele habe ein Ziel und sie liefern genau das, was sie anstreben. Innere Konflikte, Charaktertiefe usw. Dazu verwenden sie Regeln und auch die Metaebene. Sie liefern keine Immersion, aber das war ja auch nie das Ziel. Also volle Zustimmung zu dem Punkt.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich irgendwann nach unserem ersten PTA-Versuch (der leider daneben ging, dafür war der zweite phänomenal) auf der Forge meinen Spielbericht ablieferte. Matt und andere wiesen mich darauf hin, dass wir, wenn wir "Immersion" suchten, bei PTA an der falschen Adresse seien. Das habe ich nicht geglaubt. Jetzt weiß ich's besser ;)

Zitat
2. Du bist mein Held! (Und deine Gruppe auch. Ihr seid Helden! Wink ) Ihr habt meinen gebetsmühlenartigen (und manchmal autoverkäuferigen) Rat befolgt und habt es probiert. Ihr seid mit Interesse drangegangen und habt den Spielen (und euch) die Zeit gelassen, sie wirklich kennen zu lernen und sie nicht nach einer Rezi oder einem Durchlesen (also ohne ausreichende Information) als „ist nix für mich“ abzutun.

 :-*
(blushes)
 ;D

Zitat
3. Ihr habt also ausreichende Information gesammelt und die Stärken und Schwächen der Spiele erkundet. Dann habt ihr das mit eurem bevorzugten Spielstil verglichen und geschaut, wo die Spiele helfen und wo nicht. Und ihr seid zu dem Ergebnis gekommen, dass euch Freeform mehr Spaß macht, euch eher liegt als z.B. Dogs oder PtA. Und dann hast du dir auch noch die Mühe gemacht diesen ganzen Prozess und die Entscheidung zu erklären und für alle transparent zu machen. Das ist wunderbar!

Mann jetzt, Fredi, aufhören! Ich erröte ;)

Zitat
Ihr habt es getestet, es war nett, aber Freeform hat euch besser gefallen. Gottseidank machen das einige Betonköppe hier im Forum nicht so, sonst hätte ich nicht mehr viel zu nörgeln. Wink Also: Ihr seid meine persönlichen Helden. So viel Thumbsup gibt’s gar nicht, wie ich machen möchte.  thumbsup

So, nu is aber gut! Danke, wirklich danke! Ich lebe nach der Maxime: Zuerst ausprobieren, dann urteilen. Hat mir trotz manch bitterer Erfahrung viel Lebensqualität gegeben.

Zitat
Kleine Theorie-Anmerkung: Mit deiner Verwendung von Situation, Setting und Color bin ich nicht ganz zufrieden. IMO können (und machen) nämlich PtA und Dogs sowohl Situation als auch Color (nur Setting ist tatsächlich etwas schwach). Aber das ist eher was für einen kleinkarierten Definitionsstreit in Theorie-Channel und ändert nichts daran, dass ich deinem Punkt inhaltlich voll zustimme.

Merci für den Hinweis. Ich muss zugeben, ich verwende die Theorie hauptsächlich für mich, um Phänomene in unserem Spiel in Worte fassen zu können; erst dann können wir ja drangehen und sie verändern.

Trotzdem muss ich mal zusehen, auf ein Grofafo-Treffen zu kommen; mal all die Chaoten, Streithansel und Besserwisser (gehöre ich auch dazu) kennenlernen, die das Grofafo zu dem fantastischen Forum machen, das es ist.
_______________________

@Purzel:
Zitat
Ich neige im Falle von Ermüdung zu Abstechern zu Spielen, die einfach mal etwas was völlig anderes sind. Es hilft ungemein, mal eine Runde Paranoia, Ninja Burgers oder in eurem Falle vielleicht Wushu zu spielen. Schnell, lustig, haben wenig Story nötig, action-reich. Einfach mal ne längere Zeit albern sein, das lädt die Batterien wieder auf, um wieder was Ernsthafteres zu spielen.
Alternativ könntet ihr ja mal ein paar mehr GAM Aspekte ausprobieren und so'n einfaches Tabletop machen wie Warhammer, oder ihr spiel mal kein RPG. Es gibt nen Haufen RPG-thematischer Spiele, z.B. Munchkin, "Es war einmal..." oder Hexenkessel. Oder geht mal in ne Kneipe. Oder geht gemeinsam in die Schwimmhalle. Alles gute Therapie-Ansätze.

Klar, da hast Du völlig recht. Zeit, mal wieder "Falling" zu spielen :)

Zitat
Wir hatten keinen vorher festgelegten Plot, und ich animierte durch Vormachen meine Spieler dazu, selbst zu explorieren.
Klingt nach Trailblazen. D.h. man setzt ein paar Punkte für den Abend fest, es gibt Hinweise (Pfade, sprich "Trails") zwischen den Punkten. Die genaue Reihenfolge, wie diese Punkte abgelaufen werden ist dabei eher egal. Macht ihr das so?

Ah, Trailblazing, vergaß, was das ist :)
Bei uns läuft das so ab: Wenn wir neue Charaktere haben (neues Setting; neue Erzählung), dann gehen die Charaktere immer mit einem ungelösten Problem ins Spiel (das, was Ron als "Kicker" bezeichnet). Ich als Fifth Business überlege mir ein Problem, das auf die Spieler zurollt (ganz so wie im PTA der Producer mit seinem Startsatz es tut). Allerhöchstens, und da kommt ein bisserl Trailblazing mit rein, habe ich "Story Nuggets", also einen oder zwei Punkte, die ich meinen Spielern gerne präsentieren möchte. Aber meistens habe ich nicht mal das.

Zitat
Üben, üben, üben :-P In meiner letzten Dogs Runde, die mit einem Total Party Kill endete, haben wir ne Menge gelernt. Und ich gebe dir Recht, das Szenenmachen und das Stakesetzen kostet Zeit. Im klassischen Spiel ist das schliesslich Aufgabe des SLs sowas vorzubereiten.

Das war auch das, was uns als "Immersions"fans die meisten Schwierigkeiten bereitete. Zwei Spielebenen: die in-character-Ebene und die Meta-Ebene. Und uns als Method Actors ist es am allerwichtigsten, so wenig wie möglich aus der Schauspiel-Ebene in die Meta-Ebene zu gehen, weil das für uns einen Bruch im Acting darstellt. Das fühlt sich an, als ob man beim Theaterspielen alle zehn Minuten oder früher eine Unterbrechung einschiebt, um über die Issues und Konflikte zu reden.

Zitat
@ My Life with Master:
Auch hier werden Szenen aufgesetzt, doch das Setting ist viel vorgegebener -- die Spieler und der SL machen das Setting am Anfang klar --, und man hat dadurch mehr Anhalte. Fehlt was, kann das später hinzugefügt werden. Typen von Szenen (und damit Typen von Konflikten) gibt nach meiner letzten Zählung 4 Stück, und halt das Endspiel. Dadurch ist auch immer klar, was nun der Stake eigentlich ist. Da ganze 5 Spielwerte, von denen 2 sogar konstant sind, die Spielwelt und einen Charakter beschreiben, bleibt viel Platz, um sich erzählerisch auszutoben, Dinge hinzuzufügen, ohne das Regelsystem kaputt zu machen.
Was ein bisschen verwirrend ist: bei MLWM ist man (fast) immer einzeln Reihum dran. Im Prinzip gibt's keine geschlossene Gruppe, die zusammen handelt, stattdessen spielt man Einzelschicksale und Geschichten, die sich aber im Laufe des Spiels überkreuzen und verweben.

Was es wieder interessant macht. Vor sieben, acht Jahren hat Erick Wujick, Autor von Amber Diceless, mal einen Artikel geschrieben, in dem er den "Lazy GM style" pries. Und dieser Faule-SL-Stil war im Grunde genommen die Einführung des Director Stance ins Spiel. In unseren Spielen dürfen die Spieler immer, so viel und wann und mit wem sie wollen, untereinander Nebenplots einführen. Dann übernimmt meistens ein anderer Spieler, dessen Protagonist nicht im Unterplot dabei ist, die Rolle des Spielleiters. Ich mache in der Zwischenzeit mit den anderen weiter. Sobald irgendwas passiert, was ich als Fifth Business/Spielkoordinator wissen sollte, sagen sie's mir. Beispiel: In einem Shadowrun-Spiel suchten sie mal einen Mob von zwanzig oder mehr Leuten, die Randale vor dem Lohnbüro eines Kleinkonzerns machen sollten, um die Wachen abzulenken. Die drei Spieler, deren Protagonisten involviert waren, standen auf und gingen ins Nebenzimmer. Nach einer Weile kamen sie wieder rein und berichteten mir, dass sie die Leute gefunden hatten, dass aber einer der Protags in die falsche Ecke der Stadt gegangen  und nun relativ übel zugerichtet wieder zu den anderen gestoßen war. Als Fifth Business integriere ich die Ergebnisse der Spieler einfach. Mein Ziel ist es ja, den Spielern das zu geben, was sie durchs Rollenspiel bekommen wollen; Bedürfnisbefriedigung.

Zitat
Bestimmen deine Spieler, wo es langgeht (sprich: normal empowert im Vergleich zum Railroading)? Oder bestimmen sie, WORUM es geht (improved empowered)? Sagen sie dir während des Spiels bewusst Dinge, die sie im Spiel sehen wollen?

Meine Spieler bringen einfach die Dinge ein, die sie im Spiel sehen wollen. Wir haben eine Regel, die wir damals aus Amber oder Theatrix geklaut haben: Wenn ein Spieler fragt: "Finde ich die belastenden Beweise gegen den Präsidenten?" (oder irgendwas anderes, einen Gegenstand, eine Person, eine Situation, egal), dann lautet meine Antwort: "Nein". Wenn ein Spieler aber sagt: "Hinter den Büchern finde ich eine schmale Kiste. Ich mach sie auf und... da liegen die Rechnungen, die den Präsidenten belasten!", dann lautet meine Antwort: "Ja".

Das heißt, ich reagiere auf die Bedürfnisse und Wünsche meiner Spieler, die sie während des Spiels direkt oder indirekt äußern ("Telegraphing").

Zitat
@Empowerment:
Mein letztes Beispiel ist etwas blöd, bringt nicht das heraus, was ich unter echtem Empowerment verstehe. Daher:
"Das mit den Orks ist etwas dröge. Ich fände es cooler, wenn da diese verfluchte Gaukler-Truppe was mit den Schwarzpelzen zu tun hat."
D.h. die Spieler geben nicht nur verbindlich ein grobes Thema vor, sondern bestimmen ganze Plotverläufe und Lösungsansätze, geben sich das Abenteuer, das sie erleben wollen also selbst vor.

Genau so machen wir's seit über zehn Jahren, ja. Nur so kann ich als Fifth Business einigermaßen sicher gehen, dass die Spieler auch das Erlebnis haben, das sie suchen.

Zitat
Das ist in etwa aber das Empowerment, das Spiele wie Dogs und PtA erwarten (und für das ich selbst noch ne Weile brauchen werde, meinen Geist durchherumzuwickeln). Keine Panik: in MLWM ist das nicht so krass, da hier die Auswahlmöglichkeiten wesentlich kleiner sind (z.B. durch die Bindung der SCs an den "Master" .. sagt ein Spieler, dass sein SC die Domäne und den Master verlässt, dann verlässt er das Spiel) haben die Spieler keine verwirrende Vielfalt an möglichen Plotverläufen.

Nein, nein, ich finde die vollumfängliche Player Empowerment superwichtig, und wir haben bisher nur gute Erfahrungen damit gemacht.
_______________________________

@Doc Baumschlange:

Zitat
Man kann sicher auch bei PTA oder Dogs sehr "in Character" spielen, doch die Regeln sagen nichts dazu, sie verleien dem keine Bedeutung, treffen kein Urteil darüber.
Ich frage mich ob das im Nar begründet liegt oder ob das auch anders möglich ist. Ich denke es ist anders möglich und ich glaube das ganze liegt eher am recht engen Fokus dieser speziellen Spiele und nicht an Nar allgemein. Ein "Problem" (das ein Narr vielleicht nicht als solches sehen würde) bei Nar ist, dass der Spieler Aussagen treffen muss, darüber was ein Charakter ist wie er sich entwicklet und sogar wie die Welt das sieht und daruaf reagiert. Dies ist natürlich extrem schwer vereinbar mit einer "Belohnung von außen", vom System. Den Spielern muss eine Freiheit gegeben werden bestimmte Dinge völlig selbst zu beurteilen.
Im Immersionismus (was immer das auch sein mag, ich glaube wir brauchen da eine Begriffdiskussion, die letzte ist gescheitert, soweit ich mich erinnere), kommt es aber grade darauf an dass man als Spieler fühlt welchen Beschränkungen ein Charakter unterliegt, man braucht etwas externes, etwas neutrales das die Situation bewertet.
Kannst du diese Gedanken nachvollziehen, oder gehe ich da in eine völlig falsche Richtung?

Deine Gedanken finde ich sehr verständlich, und sie gehen in die Richtung, die wir als Erfahrung haben. Meinst Du mit "Belohnung von außen" Regelmechanismen, die die Empfindungswelt der Charaktere angehen? Also solche, die zum Beispiel die Issues mit der Herausarbeitung der Stakes verknüpfen? Das war exakt das (das Finden und Ausformulieren der Stakes), was uns das Method Acting deutlich erschwerte.

Zitat
Was genau fehlt euch für ein gutes "in Character"-Erlebnis?
Du sagts es sind Setting und Color, aber produzieren könntet ihr die auch mit PTA oder Dogs ohne weiteres, die Frage ist eigentlich warum ihr es nicht tut, oder nicht als unterhaltsam empfindet.
Was genau brauchst du oder deine Spieler damit diese verlorenen Dinge wieder auftauchen und womit steht dieses Bedürfnis jetzt in Konflikt?

Diese Aussage war schlampig fomuliert von mir. Für "Immersion" muss ich möglichst tief in den Charakter schlüpfen. Ich muss mit seinen Augen sehen, mit seiner Stimme sprechen, mich mit seinen Bewegungen bewegen. Wir machen sogar hin und wieder kleine Übungen aus dem Method Acting oder dem Improtheater, um uns "aufzuwärmen". Wenn ich dann einen bestimmten Grad der Invokation des Charakters erreicht habe, sind die Spielwelt und Umgebung (Setting) so plastisch vor meinem inneren Auge entstanden, dass Details (Color) von ganz alleine auftauchen; schließlich bin ich zu einem bestimmten (hoffentlich möglichst großem) Grad mein Charakter.

Das Hindernis bei PTA und Dogs war die Exposure. Je länger wir uns in der Meta-Ebene aufhielten, desto flacher wurde zwangsläufig die Immersion.
« Letzte Änderung: 16.03.2006 | 10:34 von Mann ohne Zähne »

Offline Lord Verminaard

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #11 am: 16.03.2006 | 11:01 »
Tja, viele gut funktionierende Runden entwickeln über die Jahre ein ganz bestimmtes Verständnis von und eine ganz bestimmte Herangehensweise an Rollenspiel. Daher kommt auch ein Großteil der verbreiteten Vorbehalte der Forge-Spiele: Sie lassen sich nicht dem Gruppenstil anpassen.

1of3 redet in diesem Zusammenhang immer von Spielen und Spielzeugen. Gut funktionierende, erfahrene Rollenspielgruppen benutzen Settings und Systeme als Spielzeuge, aber das Spiel, das sie spielen, ist immer das gleiche, nämlich ihr Rollenspiel. Oft (wenn auch nicht immer) ist dies dadurch gekennzeichnet, dass die Regeln sehr stark in den Hintergrund treten oder durch Hausregeln abgeschliffen werden. Eure Gruppe hat den konsequenten nächsten Schritt gemacht: Freiform. Wenn die wirklich wichtigen Regeln sowieso nicht im Buch stehen, wozu dann noch die Regeln aus dem Buch beibehalten?

Dogs und PtA (wie auch die meisten anderen Forge-Spiele) sind keine Spielzeuge, sondern Spiele. Sie passen sich nicht dem Spielstil der Gruppe an, sondern fordern, dass der Spielstil der Gruppe sich ihnen anpasst. Ich persönlich finde das interessant, da mir mein „guter alter“ Spielstil mit der Zeit langweilig geworden ist. Außerdem finde ich es hilfreich, da ich diese Spiele meistens mit Mitspielern spiele, mit denen ich keine gemeinsame Rollenspiel-Vergangenheit und folglich auch keinen in unzähligen Sitzungen erarbeiteten einverständigen Ablauf habe. Beides scheint auf eure Gruppe nicht zuzutreffen.

Also, ihr habt es probiert, aber euer altes Spiel gefiel euch besser. Wie Fredi schon sagte: Kein Grund für irgendwen, sauer zu sein. :)
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Offline Purzel

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #12 am: 16.03.2006 | 13:01 »
Zitat von: MoZ
In unseren Spielen dürfen die Spieler immer, so viel und wann und mit wem sie wollen, untereinander Nebenplots einführen. Dann übernimmt meistens ein anderer Spieler, dessen Protagonist nicht im Unterplot dabei ist, die Rolle des Spielleiters. Ich mache in der Zwischenzeit mit den anderen weiter.
Als ich MLWM gelesen habe kam auch mir die Idee, die anderen Spieler einzubinden, während ein aktiver Spieler gerade seine Szene hat. Sei es, dass sie Vorschläge einwerfen, wie der aktive Spieler seinen Charakter spielen soll, wie der "Master" oder andere NPCs reagieren, Color etc. Oder dass sie gleich ne Nebenrolle als NPC bekommen. Aus Dogs würde ich die Idee übernehmen die Mitspieler zu animieren einfach mal auch laut ihre Begeisterung und Meinung zu äussern.

Es fällt manchen Gruppen schwer konzentriert längere Zeit anderen zuzuhören oder nicht eingreifen zu können. :P *seu-heufz*

Wer weiss, vielleicht gelingt es euch ja auch bei MLWM bei entsprechender Gruppengrösse paralelle Plots zu machen. Da die Szenen sehr formalisiert sind, könnten in eurer Runde leicht zwei Spieler gleichzeitig aktiv sein, ohne dass sich die zwei SLs ins Gehege kommen.

Wie gross ist deine Freeform-Runde?

Mann ohne Zähne

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #13 am: 16.03.2006 | 13:32 »
Wenn ich alle Spieler mitzähle (auch die, die selten Zeit haben), sind es zwischen fünf und sieben.
Üblicherweise pendelt es sich bei vier Leuten plus mich als Fifth Business ein. In unseren Amber-Hochzeiten hatten wir ab und an zehn, zwölf Spieler.

Offline Purzel

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #14 am: 16.03.2006 | 14:02 »
Zitat von: MoZ
Fifth Business ... Fifth Business ... Fifth Business ... Fifth Business ... Fifth Business
Momentmal, versteh ich nicht, was bedeutet das eigentlich? :) Wo hast du den Begriff her?

Mann ohne Zähne

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #15 am: 16.03.2006 | 14:30 »
Ah... :)
Ich hab den Ausdruck von Chris Kubasiks sehr lesens- und bedenkenswertem Interactive Toolkit (http://www.rpg.net/oracle/essays/gamesatplay.html). Das ist eine vierteilige Aufsatzserie, in der er vor elf Jahren ein charakterorientiertes, geschichtenorientiertes Rollenspiel fordert.

Dabei verwendet er zwei neue Begriffe:
"Story Entertainments" anstatt "Rollenspiel"; seine Begründung dafür ist, dass der Begriff "Rollenspiel" immer noch sehr mit seinen Vorvätern, den Kriegs- und Konfliktsimulationsspielen verwandt ist (siehe die eigentlich übeflüssigen Kampfregeln in den meisten Rollenspielen; was ist Kampf anderes als irgendein anderer wichtiger Konflikt?)

Der zweite Begriff ist der des "Fifth Business". Das ist eigentlich ein Begriff aus der Oper und bezeichnet entweder jemanden, der im Ensemble mitspielt und in dessen Händen die Handlungsfäden und Geheimnisse zusammenlaufen, oder schlicht den Dirigenten. Daas Ensemble kann nicht ohne Fifth Business, und er kann nicht ohne Ensemble.

sackgesicht

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #16 am: 16.03.2006 | 15:54 »
In Bezug auf diese Thematik gefallen mir die deutschen Begriffe "Rollenspiel" und "Spielleiter" immer noch am besten, wenn sie nicht von einigen Zeitgenossen permanent böswillig missverstanden würde.

Wenn man einem Uneingeweihten von "Rollenspiel" erzählt, denken in Deutschland die meisten nicht an Wargames (die waren seit dem Zweiten Weltkrieg bei uns Mega-Out) sondern an "Theaterspiel" - womit wir bereits die Verbindung zur Analogie mit "Fifth Business" und der Oper haben.

Als "Spielleitung" werden in alten Schwarzweißfilmen der 50er Jahre häufig die Regisseure bezeichnet, da der Begriff "Regisseur" zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingedeutscht war. Und ein Regisseur ist eigentlich ziemlich vergleichbar mit der Rolle des "Fifth Business".

Also: Warum das Rad neu erfinden?

P.S. Dass DSA seinerzeit die Bezeichnung "Meister" für den SL etabliert hat und bei den Storyteller-Systemen immer vom "Erzähler" die Rede ist, sagt eigentlich schon alles über die Rolle, die der Spielleiter in diesen Spielen einnimmt. Er ist eben nicht mehr offen für den Input der Spieler, sondern diktiert mehr oder weniger das Geschehen.

Ich galube daher auch, in Deutschland haben wir viel mehr Probleme mit einer allgemeinen Obrigkeitshörigkeit (und der SL wird allzuoft als "Obrigkeit" gesehen) und Konfliktscheue als mit einem unverdauten War-Gaming-Erbe.

Sorry, war ein bisschen off topic, musste aber mal gesagt werden!




Offline Skyrock

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #17 am: 16.03.2006 | 18:06 »
OT:
Zitat von: MoZ
Vor sieben, acht Jahren hat Erick Wujick, Autor von Amber Diceless, mal einen Artikel geschrieben, in dem er den "Lazy GM style" pries.
Ist der Artikel noch irgendwo zu finden? Würde mich ernsthaft interessieren.
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #18 am: 16.03.2006 | 18:44 »
Welche Bewertung von außen soll das denn sein? Hättest du da mal ein Beispiel? Denn so kann ich den Gedanken überhaupt nicht nachvollziehen (und ich habe 15 Jahre Erfahrung als Illusionist / Immersionist).
Naja, Immersion ist sowas wie ein "Eintauchen", das impliziert ein "etwas" in das man irgendwie eintauchen kann und dieses etwas darf wahrscheinlich nicht direkt aus einem selbst kommen.
Deswegen gibt es wohl einen SL, er kreiert dieses "etwas" für die Spieler. Es hängt auch irgendwie mit Macht oder Autorität zusammen. Hat man selbst Autorität über das was man erschaffen hat wird es schwerer dieses als etwas externes zu betrachten in das man eintauchen kann. Man wird vom Handelnden zum Erschaffer und Beobachter. Genauer kann ich es jetzt nicht beschreiben, aber vielleicht ist das echt ein anderer Thread, vielleicht warten wir das bis zur großen Immersionismus-Schlacht... ähhh... -Diskussion ;D

@ MoZ
Meinst Du mit "Belohnung von außen" Regelmechanismen, die die Empfindungswelt der Charaktere angehen?
Ich meine eher etwas das ein Gerüst bildet, eine Welt in der sich der Charakter bewegt (damit meine ich ganz allgemein  innere und äußere Welt). Man braucht etwas um damit zu arbeiten. Es geht irgendwie darum diese Welt zu erforschen und man darf nicht den Eindruck bekommen diese Welt zu erschaffen.
Extremes Playerempowerment scheint eure Immersion aber nicht zu stören und ich vermute es liegt daran, dass sich für die Spieler irgendwie alles natürlich "aus der Situation" ergibt, sie haben offensichtlich eine stillschweigende Vorstellung die sie teilen, aber es wäre schädlich diese zu diskutieren und so explizit zu machen, liege ich da irgendwie richtig?

Für "Immersion" muss ich möglichst tief in den Charakter schlüpfen. Ich muss mit seinen Augen sehen, mit seiner Stimme sprechen, mich mit seinen Bewegungen bewegen.
Ich denke ich verstehe gut was du meinst. Mich würde sehr interessieren wie du diese Vorstellung mit dem Playempowerment verbindest? Das scheint für euch weder unnatürlich noch schwierig zu sein, aber viele sehen grade an diesen Punkten, die ihr bereits übertretet, die Grenzen der Immersion verletzt. Siehst du das PE irgendwie als problematisch an, in dem Sinne das es ein Zugeständnis an irgend eine andere nötige Qualität ist, oder irgend eine spezielle Technik erfordert um "in Ordnung" zu sein?
Wahrscheinlich akzeptiert du PE nur wenn es auf der Metaebene nicht explizit ist?

Das Hindernis bei PTA und Dogs war die Exposure. Je länger wir uns in der Meta-Ebene aufhielten, desto flacher wurde zwangsläufig die Immersion.
Ich glaube garnicht, dass die Dauer des Verweilens auf der Metaebene, oder auch die Anzahl der Wechsel dorthin entscheident sind. Natürlich gibt es in dem Moment keine Immersion, aber die Qualität ist ja nicht zwangsläufig mit der Quantität, also der zeitlichen Dauer, verbunden.
Ich denke es geht eher um das was auf der Metabene geschieht, was dort getan wird. Man kann auf der Metaebene verschieden Dinge tun, aber man kann auch Immersion vorbereiten und das ist nicht unbedingt das schlechteste, man denke nur an Spieler die sich detaillierte Charaktere oder ganze Welten erschaffen und nur darauf warten diese endlich zu "erleben" also in diese Welt einzutauchen. Die meiste Arbeit und auch die größte Zeitdauer des "Aufenthaltes" liegt sicher auf der Metaebene, allerdings ist die Immersion ein Ziel und sie wird dadurch nicht geschmälert sondern verbessert. Siehst du das völlig anders?

Mann ohne Zähne

  • Gast
Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #19 am: 17.03.2006 | 11:15 »
Moin Herr Doktor,

@ MoZIch meine eher etwas das ein Gerüst bildet, eine Welt in der sich der Charakter bewegt (damit meine ich ganz allgemein  innere und äußere Welt). Man braucht etwas um damit zu arbeiten. Es geht irgendwie darum diese Welt zu erforschen und man darf nicht den Eindruck bekommen diese Welt zu erschaffen.

Hm, ich verstehe, was Du meinst, aber das hat uns seltsamerweise nie gestört. Ich glaube, diese Haltung kommt, weil wir jahrelang sehr intensiv Amber DRPG gespielt haben. Die Protagonisten sind so mächtig, dass sie sogar eigene Welten erschaffen können. Diese Art zu spielen hat abgefärbt.

Zitat
Extremes Playerempowerment scheint eure Immersion aber nicht zu stören und ich vermute es liegt daran, dass sich für die Spieler irgendwie alles natürlich "aus der Situation" ergibt, sie haben offensichtlich eine stillschweigende Vorstellung die sie teilen, aber es wäre schädlich diese zu diskutieren und so explizit zu machen, liege ich da irgendwie richtig?

Ja, stimmt. Wir haben wirklich einiges an Mühen auf uns genommen, um tief im Charakter zu sein, und wie ich schon geschrieben habe, irgendwann kommt der Punkt, an dem man den Charakter gewissermaßen invoziert hat und die Grenzen des eigenen Ego-Konstrukts verschwimmen. Wenn dieser Punkt erreicht ist, gibt ein Wort das andere, und das alles in character.

Zitat
Ich denke ich verstehe gut was du meinst. Mich würde sehr interessieren wie du diese Vorstellung mit dem Playempowerment verbindest? Das scheint für euch weder unnatürlich noch schwierig zu sein, aber viele sehen grade an diesen Punkten, die ihr bereits übertretet, die Grenzen der Immersion verletzt. Siehst du das PE irgendwie als problematisch an, in dem Sinne das es ein Zugeständnis an irgend eine andere nötige Qualität ist, oder irgend eine spezielle Technik erfordert um "in Ordnung" zu sein?

Also, Player Empowerment heißt für mich, dass die Spieler in ihre Charaktere (oder sollte ich besser sagen, Alter Egos) schlüpfen und mir dann durch ihre Handlungen und Aussagen Bedürfnisse mitteilen. Diese Bedürfnisse sind alle in der Metaebene gelagert, und die Charaktere sind streng genommen zu Anfang Werkzeuge, mit deren Hilfe diese Bedürfnisse befriedigt werden können. Wenn mir als Spieler der Sinn nach Gewalt steht, kann ich mit meinem Charakter gefahrlos einen Streit vom Zaun brechen. Wenn ich den Thrill eines Einbruchs erleben möchte, bringe ich mein Adrenalin mit Hilfe meines Charakters zum Fließen. Ich bin dazu da, die Bedürfnisse des Spielers zu befriedigen. Weil die Spieler aber tun und lassen können, was sie wollen, habe ich eher die Rolle eines Koordinators inne: Ich gebe ihnen, was sie wollen und koordiniere ihre Aktionen.

Eine einzige "Regel" allerdings gibt es für unsere Art der PE, und die hast Du in Deiner Frage schon verweggenommen: "Wahrscheinlich akzeptiert du PE nur wenn es auf der Metaebene nicht explizit ist?"
Genau. Je weniger explizit, desto besser. Dabei gibt es natürlich schon Unterschiede zwischen Metaebenen-Feststellungen. Wenn die Spieler nach einer Sitzung gewissermaßen immer noch in character sind und  die vergangenen Stunden Revue passieren lassen, äußern sie automatisch viele Wünsche. Ihr Wunsch ist, um mal ein bisschen cheesy zu klingen, mein Befehl. Wenn der Aufenthalt auf der Metaebene so ausfällt, ist das völlig in Ordnung. Natürlich, wenn Unklarheiten bestehen, wenn sich ein Spieler nicht klar ist, was er will, helfen wir ihm, Zielfindung zu betreiben. Aber auch das geschieht möglichst in character und wird nur dann gebrochen, wenn es nicht anders geht.

Zitat
Ich glaube garnicht, dass die Dauer des Verweilens auf der Metaebene, oder auch die Anzahl der Wechsel dorthin entscheident sind. Natürlich gibt es in dem Moment keine Immersion, aber die Qualität ist ja nicht zwangsläufig mit der Quantität, also der zeitlichen Dauer, verbunden.
Ich denke es geht eher um das was auf der Metabene geschieht, was dort getan wird. Man kann auf der Metaebene verschieden Dinge tun, aber man kann auch Immersion vorbereiten und das ist nicht unbedingt das schlechteste, man denke nur an Spieler die sich detaillierte Charaktere oder ganze Welten erschaffen und nur darauf warten diese endlich zu "erleben" also in diese Welt einzutauchen. Die meiste Arbeit und auch die größte Zeitdauer des "Aufenthaltes" liegt sicher auf der Metaebene, allerdings ist die Immersion ein Ziel und sie wird dadurch nicht geschmälert sondern verbessert. Siehst du das völlig anders?

Nein, gar nicht, volle Zustimmung hier. Alles, was vor dem Spiel auf der Metaebene passiert, ist gut und auch wichtig, und da gehört ja neben solchen Dingen auch der Spielervertrag dazu. Während des Spiels allerdings plädieren wir für möglichst wenige Kontaktpunkte mit der Metaebene.
« Letzte Änderung: 17.03.2006 | 11:19 von Mann ohne Zähne »

Offline Dirk

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Re: Von Freeform zu Dogs und PTA -- und wieder zurück
« Antwort #20 am: 15.04.2006 | 17:57 »
Eine Bemerkung: dann wird MLWM auch nicht funktionieren. Denn wir hatten ein ähnliches Problem, wie Du es beschreibst, MoZ. Und MLWM lebt von der Metaebene. Und wie!

Aber kaufe das Spiel trotzdem, denn es ist in vielerlei Hinsicht einfach nur genial.

MfG

Dirk
Erdmännchen finde ich schon echt putzig!

Aber Koks ist einfach nicht meine Droge.