Autor Thema: [Gedanken zum eigenen Leiten] Ideen zur Weiterentwicklung des eigenen Stils.  (Gelesen 1486 mal)

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Offline Joerg.D

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Wie es immer so üblich ist habe ich mir zum Ende des Jahres 2008 so meine Gedanken zum Rollenspiel und meinen Leiten an sich gemacht. Es gibt gewisse Frustpunkte, die mich beschäftigen und zu einigen habe ich auch schon Ansätze wie ich sie angehen will, doch nun probiere ich es einfach mal auf eine Neue Art aus.

Ich weiß das sich wieder einige Besserwisser und Möchtegern Gurus darauf stürzen werden um sich daran zu laben, das ein Kerl mit einer so großen Klappe wie ich hier von seinen Problemen schreibt, aber ich kann diesen Leuten versichern, das ich halt gerne auf hohem Niveau jammere und meine Suche nach der Verbesserung nie aufhören wird.

Damit man einige Sachen nachvollziehen kann, werde ich einfach mal anfangen zu schreiben, wie ich mein Leiten und meine Ziele zur Zeit strukturiere und zum Teil auch, warum ich was wie mache.

Dann legen wir mal los:

Ich arbeite als SL gerne mit Ressourcen. Ich habe das schon immer versucht und durch die Arbeit an Western City gelernt, dass Herausforderungen durchaus auch mit knappen Ressourcen spannend dargestellt werden können. Mit Reign habe ich ein System gefunden, das einerseits abstrakt ist und andererseits griffig genug ist um meinen Wunsch nach einer gewissen Simulation nachzukommen.

Nach dem Studium der Zufallswahrscheinlichkeiten des Systems habe ich mich entschlossen den Gegnern als Gruppe 80% der Kampfkraft meiner Gruppe zu geben, wobei durchaus auch einzelne Antagonisten auftauchen, die viel Härter sind als die Gruppe. (Die haben dann halt schwächere Unterstützer dabei). Der Spruch mit den unbegrenzten Ressourcen, den ich bringe ist bei mir für gewöhnlich so zu deuten, dass ich im nächsten Abenteuer wieder mit vollen Punkten und Gegnern agieren kann, während die Gruppe beim Tod oder Verlust von Gegenständen daran zu knabbern hat. Da ich dazu neige beim Würfeln manchmal extrem viel Glück zu haben, habe ich mich entschieden, der Gruppe kleine Rettungsfallschirme zu geben, mit denen sie Würfe wiederholen oder zusätzliche Würfel kaufen kann.

Diese Würfel erlangt meine Gruppe auf verschiedenen Wegen. Ich lasse die Gruppe einen Spieler der Tages (MVP) wählen und die Punkte dafür werden als mögliche Zusatzwürfel an die gewählten Spieler verteilt. Dabei bitte ich darum, das zu der Wahl auch immer eine Erklärung kommt, warum die Person gewählt worden ist. Anfänglich habe ich immer nur einen oder zwei Re-Rolls verteilt, doch nach den Einwänden eines Spielers, das die Sache dann teilweise aus taktischen Gründen zu Enthaltungen führt bin ich dazu übergegangen, jede Stimme zu werten und dafür nur einzelne zusätzliche Würfel zu vergeben.

Das hat aber in der Folge dazu geführt, das die Spieler sich immer unregelmäßiger bei mir gemeldet haben um ihre Stimme abzugeben. Der Grund für die Wahl des MVP ist bei mir folgender, die Spieler sollen sich in der Woche vor dem neuen Spieltag noch einmal mit dem vergangenen Abenteuer beschäftigen um es aufzufrischen und ich kann aus den Begründungen lesen, was ich an Spaßbringern oder speziellen anderen Sachen forcieren kann. Außerdem soll den Mitspielern so verdeutlicht werden, das die Anderen sie und ihr Spiel toll finden.

Zusätzlich vergebe ich für Diarys of Seasons noch Re Rolls, mit denen man komplette Würfe wiederholen kann und jeder Spieler der Essen und Trinken für alle mitbringt bekommt Zusatzwürfel.

Magische Gegenstände und so ein Kram werden bei mir inzwischen bewusst eingesetzt und der Gruppe zu Zeitpunkten zur Verfügung gestellt wo die Gruppe sie braucht, oder es für den Powerlevel der kommenden Gegner nötig ist. Das war zum Anfang anders, weil wir einen Spieler hatten, der sich auf einen Charakter gebaut hatte der so etwas herstellen konnte und ich ihm so seine Spotlights geben konnte. Als der Spieler weg warEdit: den Charakter gewechselt hat, haben wir uns aber entschieden, die Schraube etwas zurück zu drehen, was der Berechenbarkeit der Gegner sehr gut getan hat.

Zusätzlich wurde vereinbart, dass die Gruppe wirklich mächtige magische Gegenstände nur bekommt, wenn sie aktiv nach ihnen forscht. Ich finde, dass Initiative der Spieler belohnt werden sollte und habe so auch noch die Möglichkeit ein paar nette Abenteuer um Gegenstände zu bauen.

Es macht mir jedoch auch diebischen Spaß, der Gruppe mal zu sagen, das sie das +Schwert auf dem Feld gelassen haben, weil sie schnell nach Hause wollten. So etwas einige Leute befremden, schließlich war das gute Stück ja für die Gruppe gedacht, doch ich sehe da drinne immer noch die Entsprechung zum Kampf und Druck auf dem Schlachtfeld. Die Gruppe soll sich außerdem nicht darauf verlassen können, das ich ihnen alles auf dem Silbertablett serviere. Siege sollen bei mir erkämpft und nicht geschenkt werden. Trotzdem begrüße ich durchaus auch Listen zu um ans Ziel zu kommen, ein guter Plan kann immer einen Kampf umgehen. (Bis jetzt erst zweimal vorgekommen)

Ich empfinde es als SL als Herausforderung, die Spieler mit den begrenzten Ressourcen die ich habe heraus zu fordern. Dabei darf man aber nicht außer Acht lassen, das ich durchaus auch NSCs ins Spiel bringe die diese Gleichheit der Kräfte durchaus durcheinander bringen können. Wenn die Gruppe sich entscheidet, gegen die Assassine im Burgverlies zu kämpfen, die aus geschickt wurde um einen der besten Ritter des Reiches zu töten, dann soll sie sich nicht wundern, wenn sie danach angeschlagen in den Hauptkampf des Abends gehen und auf die Fresse bekommen. (So geschehen in meiner Warwark Runde) Die Frau war nicht als Gegner vorgesehen und wenn die Gruppe sie unbedingt töten will, was neben keinem Lösegeld auch noch einen schlechten Ruf gibt, dann soll sie es. Genau so verlange ich es auch, das die Gruppe ihre taktischen Möglichkeiten ausschöpft um die Gegner zu besiegen. Das bedeutet, das sie ihre Kampfstile und magischen Gaben gut kennen müssen um eine sichere Übermacht zu bekommen. Die Handlungen meiner Spieler obliegen ihren Willen. Ich simuliere die Umwelt und versuche die passenden Herausforderungen zu präsentieren, womit ich zu einem weiteren Punkt meiner Philosophie in dieser Runde komme:

Die Handlungen der Gruppe müssen Relevanz haben

Wenn sich die Charaktere es mit Leuten verderben, die ihnen neutral gegenüber stehen oder sie gar ursprünglich unterstützt haben, dann sollen sie auch die Konsequenzen tragen. Das bedeutet, das sich meine Spieler trotz einer nominellen Überlegenheit nie sicher sein können einen Kampf auch zu gewinnen, wenn sie sich daneben benehmen. Zur Zeit ist es sogar so, das ich die Gruppe durch ein Tal der Tränen jage, wo sie trotz ihrer kleinen Siege in Scharmützeln im großen und Ganzen auf der Verliererstraße sind. Das habe ich vorher angekündigt und zusätzlich noch einmal angesprochen, das aufgeben und siich zurückziehen eine gute Option sind um zu überleben. Diese Sache wird vielen Lesern komisch vorkommen, den im Allgemeinen ist es ja so, das die Helden die Monster besiegen sollen um danach zu feiern. Aber hier kommen wir zu einem der Punkte die mir neben dem Spiel im mechanischen Sinne sehr wichtig sind. Der Geschichte der Spieler, der Welt und ihrer Umgebung. Dem Plot also.

Wenn ich bis jetzt davon geschrieben habe, das ich der Gruppe Herausforderungen bieten will, dann bestehen diese nicht nur aus dem Kampf. Es geht mir auch um die Entwicklung der Charaktere und der Geschichte und wie sich beide aufeinander auswirken. Die Auswirkungen des Plots auf die Charaktere und umgekehrt.

Dazu muss ich vielleicht noch ein wenig ausholen und erklären, wie ich meinen Plot entwerfe, das kann man in diesem Tread ganz gut nachlesen. Zusätzlich zu der Grundentwicklung arbeite ich die Taten der Gruppe, ihre Beziehungen und auch ihre Verfehlungen mit in den Plot ein. Wenn die Spieler sich nicht um Hinweise und Bitten kümmern, dann können sie machen was sie wollen, doch es wird Auswirkungen haben. Nicht immer negative, aber alles was von Relevanz ist und wo sich die Spieler nicht drum kümmern schlägt sich irgendwann nieder und kommt eventuell auf die Gruppe zurück.

Beim Leiten achte ich darauf, das die Spieler der Reihe nach immer ihre Spotlight Abenteuer haben und  ich in diesen möglichst abwechselnd Themen aus ihrem Hintergrund und den aktuellen Ereignissen im Plot verwende. Trotzdem versuche ich jedem Spieler mindestens einmal am Tag seine Szene zu geben, in der er mit seinen Fertigkeiten oder Beziehungen glänzen kann.

Damit schlage ich jetzt wieder eine Brücke zum mechanischen Teil des Spieles, denn ich erachte es als sinnvoll, das ein Spieler der bestimmte Fertigkeiten gelernt hat diese auch mal einsetzen kann um zu glänzen. Ich mache also nicht plotrelavante, aber wichtige Sachen von den Würfen der Spieler abhängig.

Viele Leser werden jetzt kritisieren, das man so Frust schafft, wenn etwas nicht klappt, doch dem kommt das System mit einer Aussage von seinem Entwickler entgegen: Ein nicht geschaffter Wurf bedeutet keinen Fehlschlag im kritischen Sinne, sondern nur, dass der Charakter es nicht geschafft hat.

Wirklich plotrelevante Elemente lasse ich in "In Charakter" Gesprächen fallen, welche mir als SL wichtig sind.
Ich hoffe, meine Spieler dadurch zum direkten Spiel zu animieren und sie aus dem Schneckenhaus der Meta-Ebene heraus zu locken.

Zusätzlich fange ich an, immer mehr NSCs an die Spieler zu vergeben, um auf diesem Weg die ruhigeren Spieler zu etwas mehr Spielanteilen kommen zu lassen und mir etwas Arbeit abzunehmen, denn ich kann auf diesem Weg zwei Charaktere etwas im IC Gespräch machen lassen und mich selber um einen anderen Spieler kümmern.

Am Ende jedes Spieltages vergeben wir die Arcana Punkte nach dem Artesia Regelwerk. Ich mache das, damit die Spieler noch einmal den Tag und ihre besonderen Taten rekapitulieren und sich diese nachhaltig einschleifen.
Leider anscheinend mit wenig Erfolg.

Ich versuche also neben dem intensiven Eingehen auf die Spieler und ihre Hintergründe oder Ziele auch eine spannende Rahmengeschichte und packende Kämpfe zu bieten, aber anscheinend will ich wohl zuviel des Guten.

Und jetzt kommen wir zu meinen Problemen:
Wie bekomme ich bei dieser Art Spiel nicht so aktive Spieler dazu, sich mehr einzubringen. Ich habe es mit speziell zugeschnittenen Subplots und dem Übernehmen von NSCs versucht, aber ich beiße da momentan gefühlt so ein bisschen auf Granit. Wenn ich nicht die absolute Anspielung bringe, dann sehe ich aus dieser Ecke oft nur einen Zuschauer und keinen aktiven Mitspieler.

Ich hätte es auch gerne, das meine Spieler sich wieder ausführlicher zu den MVPs äußern und ich da Rückschlüsse draus ziehen kann. Komischerweise scheint es den Spielern seit der Abwertung, die sie gerne wollten, nicht mehr so wichtig zu sein abzustimmen.

Zusätzlich bräuchte ich noch ein paar gute Ideen, wie ich den Übergang vom harten Kampf zum Rollenspiel oder noch besser die Verbindung von harten Kampf mit Charakterspiel hin bekomme, da fehlt mir zur Zeit so ein bisschen die Inspiration.

Habt ihr Ideen, wie ich noch etwas verbessern kann und was ich neben den bereits erfolgten Ansprachen das die Spieler mir bitte ihre MVPs mitteilen sollen besser machen kann?

Leute die schreiben wollen, das ich die Personen ansprechen soll oder das sie solange sie zufrieden sind gerne nur Zuschauer sein dürfen, posten das bitte wo anders. Ich will hier Tipps und kein Geseier.

Vielen Dank

Jörg

« Letzte Änderung: 10.01.2009 | 16:56 von Jörg.D »
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Offline Maarzan

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zu Einbindung passiver Mitspieler:

Als Spielleiter hat man da oft schlechte Karten, da dies wieder als Streß/Arbeit/was auch immer aufgenommen wird.
In dem Sinn, kann man das durchexerzieren was du schon gemacht hast. Aber jemanden mit einer wirklichen Blockade und nicht nur Orientierungsschwierigkeiten bekommt man so nicht. 

Wenn der passive Spieler nicht gleich nochmit einem Möchtegernleader zusammen fällt, habe ich festgestellt, dass es hilfreich ist einen anderen aktiveren Spieler zu bitten "in Char" dem Betreffenden unter die Arme zu greifen, bzw. im Zuge vobn seiner allgemeinen Rolle in der Gruppe auf eine auf allen Positionen effektivere Gruppenarbeit hinzuarbeiten. Die passiven Spieler haben ja nicht unbedingt nutzlose Charaktere. Sie müssen vielelicht nur einmal daran gewöhnt werden, diese Charaktere auch zu nutzen. Da der Spielleiter aber oft immer noch "auf der anderen Seite des Schirms sitzend" wahrgenommen wird, sieht sich ein passiver Spieler oft alleine einer Aufgabe gegenüber, der er sich nicht ganz gewachsen fühlt.

Alternativ, wenn man den Spielraum - d.h. oft Spielzeit/ Mitspielergedult- hat könnte man öfter weniger riskante/wirklich für den Erfolg zwingend optimal zu erledigende Seitenaufgaben einführen, welche es dem Spieler erlauben mit reduziertem Stress sich an den Char heran zu arbeiten.

zu MVP:

Die Wahl einfach als Teil des "Spielstartrituals" als Fixelement setzen?

zu Übergang vom harten Kampf zum Rollenspiel:
Habe ich so nciht verstanden.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Joerg.D

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Ich möchte die Erinnerung halt schon in der Woche vor dem Spiel haben und ich denke es ist auch nicht zu viel Verlangt, das die Spieler sich einmal kurz überlegen, wer toll war und es mit mitteilen.

Die Idee, den passiven Mitspieler durch einen anderen Spieler triggern zu lassen ist wirklich ganz hervorragend und wird von mir so umgesetzt.

Ich suche nach wegen, trotz meines harten Stils im Kampf trotzdem noch rollenpielerische Elemente einzubinden, oder vom Kampf direkt in "In Charakter" Szenen zu springen. Meine bisher genutzten Cuts sind da irgendwie nicht sehr effektiv.
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