Autor Thema: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?  (Gelesen 9391 mal)

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Offline Zornhau

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #50 am: 10.03.2010 | 14:51 »
@Zornhau: kann man so machen, allerdings sollte beim System dann keine (oder minimale) Modifikation des Trefferwurfes durch den Schaden erfolgen, sonst kommt man ganz schnell in die Bredoullie.
Das war nur ein Gedankenspiel. - Viele Regelmechaniken sehen ja einen Einfluß der QUALITÄT des Trefferwurfs auf die QUANTITÄT des Schadens - und manche auch auf dessen Qualität - vor. Z.B. die Impales bei RuneQuest, criticals, usw.

Mir ging es nur darum, einmal darzustellen, daß man Regelmechanik-Ergebnisse auch ganz anders in die Fiktion einbringen könnte, als auf die "klassische" Weise, auch wenn das Regelsystem selbst ein klassisches ist. (Nicht-klassische Regelsysteme erlauben da natürlich noch ganz andere Möglichkeiten.)


Die allereinfachste Lösung ist es ja, den Treffer (ob überhaupt, und mit welcher Qualität) zu bestimmen, den Schaden (inklusive Lokation, criticals, Impales usw.) zu bestimmen, und DANN erst die Schilderung der geschaffenen Spielwelt-Fakten vorzunehmen.

Dann kommt man auch nicht in die Nöte, daß man einen nahezu perfekten Treffer, falls dieser vom Regelsystem eben entgegen der Erwartung sehr geringen Schaden verursachen sollte, irgendwie nachträglich "schlechter machen" muß.



Andererseits: Hier wird stets die Erwartung geäußert, daß ein GUTER TREFFER auch MEHR SCHADEN machen muß. - Aus "R"-Gründen halte ich das für völlig unsinnig.

Ein guter Treffer sollte die gegnerische Verteidigung effektiv umgehen, eine Blöße ansprechen und auch erreichen. - ABER: Wenn mir jemand sein Sportflorett mit perfektem Timing in die Brust rammt, und selbst wenn ich KEINE Kevlar-Schutzausrüstung tragen sollte, so wird mir dieser Treffer einfach nur einen kleinen, runden Blauen Fleck machen, mehr nicht. - Ein mit derselben Energie ausgeführter Treffer mit einem zwar nicht geschärften, aber dennoch dünnen Klingenende eines chinesischen Jians würde mir in die Brust dringen und mich schwer verletzen. Und dieselbe Energie mit einem Stock könnte mir Rippen brechen.

Wenn es um den TREFFER an sich geht, dann ist das die Frage des PLAZIERENS eines Angriffs und der Umgehung der Verteidigung des Gegners. - Das steckt im TREFFERWURF drin.

Der Schadenswurf stellt tatsächlich die WIRKKRAFT dar, d.h. die Muskelkraft, die ART der Waffe, die Fähigkeit des Angreifers seine Körpermasse hinter den Stoß oder Hieb oder Schnitt zu bringen, usw. - Das steckt im SCHADENSWURF drin.

Daher habe ich ein wenig Plausibilitätsprobleme mit Regelsystemen, wo eine Waffe, die MEHR SCHADEN verursacht, eine Schwere, Scharfe Axt oder eine Schrotflinte mit Slug aus nächster Nähe, plötzlich auch BESSER TREFFEN lassen soll.

Das ist völlig unplausibel. - Das kann ich mir NICHT MEHR vorstellen, und daher "hakt" hier die Umsetzung von Spielwelt-Realität und Regelmechanismus. Der Mechanismus macht die Spielwelt-Realität UNGLAUBWÜRDIG.

Das betrifft nicht nur Schadens-und-Treffer-Vermischungen, sondern auch Rüstung-und-Treffer-Vermischungen, Rüstung-und-Schadens-Vermischungen, usw.

Es geht NICHT um realweltlichen Realismus, sondern um die Spielwelt-Realität. Wenn diese durch die Regeltechnik-Effekte beeinflußt wird, schafft ja jedes Anwenden von Regelmechaniken Realität in der Spielwelt. Und diese ist in solchen Fällen eben UNGLAUBWÜRDIG, als würde ein Apfel, wenn losgelassen, nach oben in den Himmel schweben wie ein Heliumballon!

Hier helfen SEHR ABSTRAKTE Regelsysteme, die nur den Konflikt ALS GANZES lösen lassen (wie HeroQuest z.B.), oder eben - im anderen Extrem - sehr detaillierte Regelsystem, bei denen man sich dann fragt, ob das Mehr an Glaubwürdigkeit wirklich es wert ist, für einen "kleinen Kampf" eine ganze Spielsitzung zu verbraten. - Irgendwann überzieht man es mit simulations- und realismus-orientiertem Detaillierungswahn nämlich.

Letztlich bleibt also nur eine Art Kompromiß aus SPIELBARKEIT und ausreichender Glaubwürdigkeit. Und hier ist tatsächlich der Klassiker mit Trefferwurf und Schadenswurf als zwei Schritte in der Angriffsabwicklung gut plaziert.

Es geht immer umständlicher - und manchmal gewinnt man dabei auch was, manchmal aber auch nicht.

Der einfachste Weg ist, mit der BESCHREIBUNG der Fakten, nach Abwicklung der Regelmechanik, erst dann zu beginnen, wenn das Ergebnis SICHER feststeht (das betrifft auch "Nachwürfel"-Systeme oder solche mit Soak-Würfen, usw.).

Offline Feuersänger

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #51 am: 10.03.2010 | 14:52 »
Achso, ja, jetzt hab ich's verstanden. Hmh, da ist schon was dran.
Das ist aber doch dann eigentlich erstmal in jedem System so, bei dem die Waffe im Endeffekt nur einen Bonus auf den durch den Trefferwurf bestimmten Schaden gibt, oder?

Es sei denn, man hat in dem System Sonderkonditionen wie "Knapp getroffen: nur 1 Schaden, unabhängig von Waffentyp" oder "Schwach getroffen: Waffenschaden um 3 reduziert".
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Offline Zornhau

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #52 am: 10.03.2010 | 14:57 »
Es sei denn, man hat in dem System Sonderkonditionen wie "Knapp getroffen: nur 1 Schaden, unabhängig von Waffentyp" oder "Schwach getroffen: Waffenschaden um 3 reduziert".
Und dann gibt es eben auch Waffen, bei denen ein BERÜHREN reicht (Elektroschocker), oder ein ZIEHEN (Klingen) um HEFTIGEN Schaden zu verursachen. Bei demselben Krafteinsatz bekäme man bei anderen Waffen, die einen HIEB mit ausreichend Beschleunigung brauchen, um Wirkkraft zu erzeugen, nicht einmal einen blauen Fleck!

Das sind ja ERFAHRUNGSWERTE, die man auch als Spieler realweltlich haben kann - wie eben der fallengelassene Apfel.

Schwach getroffen. OK, aber MIT WELCHER Waffe, und WIE wurde sie EINGESETZT? (Beispiel Schwerter: Hieb, Stich, Schnitt, Schlag, Druck, usw.)

Eulenspiegel

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #53 am: 10.03.2010 | 15:01 »
@ Feuersänger
Nein, bei einem klassischen System hast du:
1. Wurf: Gibt an, ob du triffst oder nicht triffst.
2. Wurf: Gibt an, wie gut du getroffen hast (falls du triffst).

Man kann aber natürlich auch beide Ergebnisse in einen Wurf packen.
Zum Beispiel hat dann eine Waffe die Werte (+x, *y), was bedeutet:
Beim Zielen hast du einen Bonus von +x, was bedeutet, dass du leichter triffst.
Wenn du getroffen hast, werden die Punkte, die du über den Mindestwurf warst, mit y multipliziert und du erhältst so den Schaden. (y ist kleiner als 1, bei Waffen mit geringen Schaden und größer als 1 bei Waffen mit hohem Schadenspotential.)

Offline Feuersänger

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #54 am: 10.03.2010 | 15:15 »
Ähm, ich rede eigentlich gerade von dem, was Alexandro an 1-Wurf-Systemen moniert hat. Dass der Waffenbonus quasi den Minimalschaden angibt, unter dem auch ein noch so lausiger Treffer nicht liegen kann. Jetzt mal aktiven Schadenswiderstand des Gegners außen vor gelassen.
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Eulenspiegel

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #55 am: 10.03.2010 | 15:34 »
Das kommt halt darauf an, wie der Waffenbonus verrechnet wird: Wird der Waffenbonus additiv verrechnet, ist der Waffenbonus identisch mit dem Minimalschaden.
Wird der Waffenbonus aber multiplikativ verrechnet (oder dadurch, dass ich einen W10 anstatt eines W6 nehme), dann kann auch eine Waffe mit sehr hohem Waffenbonus einen sehr geringen Minimalschaden machen.

Offline Heinzelgaenger

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #56 am: 10.03.2010 | 17:36 »
Nein, ein gutes Einwurfsystem muss keinen Minimalschaden-Problem aufweisen.
Mich stört am schwachen "Treffer +Schadenswurfmodell" so einiges, speziell die

1) Inkonsistenz (mit Nichtkampfwürfen) - da wird der "Qaulitätswurf" einfach ignoriert und alle sind glücklich.

2) Die Einteilung in "Treffer" und "Schaden", zwei äusserst ungenügenden Abstraktionsmodellen, die keinem einen Gefallen tun ausser Miniaturenspielern.

@Eulenspiegel: multiplizieren ist schwer in Regeln zu giessen, dass kann schnell sehr unsexy werden. ("Fred haut Harry für 37 auf die Omme, das gibt x3, die Rüstung hat aber ne /4...")

Eulenspiegel

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #57 am: 10.03.2010 | 20:48 »
Kommt darauf an, wie die Schadenstabelle aufgemacht ist und wie groß die Zahlen sind mit denen hantiert wird. (Sowie die Multiplikatoren etc.)

Mal ein Beispiel, wie man es ziemlich sexy handhaben könnte:
Multiplikatoren sind 1/10, 2/10, 1/2, 1, 2, 5, 10, 20
Der Schaden wird normalerweise mit 1W10 ausgewürfelt. (Der Schaden wird mit einer Nachkommastelle aufgeschrieben. Falls man Angst vor Nachkommastellen hat, kann man alternativ auch erst das Ergebnis mit 10 multiplizieren und anschließend den Schadensmultiplikator anwenden.)

Schadensmultiplikator der Rüstung wird von der Waffe abgezogen. (Das heißt, wir haben im Prinzip 8 Stufen an Schaden:
1/10, 2/10, 1/2, 1, 2, 5, 10, 20
Die Stufe der Rüstung gibt jetzt an, wie weit der Mulitplikator gesenkt wird.

Beispiel:
Wir haben eine Waffe mit Multiplikator x5.
Der Gegner trägt eine Rüstung der Stufe 2.
Das heißt, aus dem Multiplikator wird ein x1.
(Bei einer Rüstung der Stufe 1, würde aus den x5 ein x2 werden. Und bei einer Rüstung der Stufe 3 würde aus dem x5 ein x1/2 werden.)

Offline Jed Clayton

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #58 am: 10.03.2010 | 23:49 »
Nehmen wir mal die Kurze Episode im Spätmittelalter, in dem Ritter im Vollharnisch unterwegs waren.
Wenn du nur ein Messer hast wirst du keine realistische Chance auf einen Tödlichen Treffer haben, weil du das Auge treffen müsstest und da der Ritter das weiß wird er diese Stelle gut decken.

Ja, zugegebenermaßen ist das bei der Verwendung schwerer Rüstungen schwierig. Ich habe schon eine Weile nichts mehr mit Ritterrüstungen, Mittelalter etc. gemacht, werde noch mal darüber nachdenken. ;)

Zitat
Zwischen tödlichem und nicht tödlichem Angriff zu Unterscheiden und das als "realitätsnah" zu bezeichnen ist mit Verlaub Bullshit.

Nein, nein. Keinesfalls ein Grund für mich, gleich "Bullshit" zu deklamieren. Wenn man ein reiner Geschichtenerzähler ist wie ich (gucke mal auf die Wertung in meiner neuen Sig :) ), geht das unter Umständen schon.

Zitat
Man müsste zwischen Treffern unterscheiden die
A) keinen relevanten Effekt haben.
B) das Kampfpotential relevant verringern.
C) den Gegner sofort Kampfunfähig machen.
D) den Gegner töten

Es gibt genug Leute die mit z.T. tödlichen Verletzungen sich noch einige Hundert Meter weit geschleppt haben ...

Ich habe gerade noch mal in Pendragon nachgeschaut, weil Feuersänger das vorhin erwähnt hatte. In Pendragon läuft das fast so wie in deinem Beispiel ab:

Trefferpunkte eines menschlichen Charakters sind die Addition von zwei Attributen, "SIZ" (Körpermasse) und "CON" (Gesundheit, Robustheit): SIZ+CON = Hit Points.
Diese Punkte bleiben unveränderlich, sie steigen nur an, falls irgendwann mal CON gesteigert wird. SIZ ist genetisch bedingt und kann im Spiel nicht mehr gesteigert werden.

An Treffern wird nur zwischen drei Stufen unterschieden: (s. Pendragon, 5th Edition, pg. 125)
  • Leichte Verwundung: Alles, was zwischen 1 Punkt und dem Wert des Charakters in CON liegt. Ein leichter Treffer, der deutlich und schmerzhaft ist, aber von einem Spielercharakter (Ritter) tapfer weggesteckt werden kann.
  • Schwere Verwundung: Ein Treffer, der allein für sich so hoch ist wie mindestens der Wert des Charakters in CON. Das bringt schon verschiedene regeltechnische Konsequenzen mit sich ... verursacht wahrscheinlich KO, langwierige Rekonvaleszenz, Verlust von Attributspunkten u.a.
  • Tödliche Verwundung: Ein einzelner Treffer, der den kompletten Trefferpunkte-Vorrat des Charakters auf einmal auf 0 oder unter 0 reduziert. Auch diese Verwundung tötet den Charakter nicht auf der Stelle, macht ihn aber auf jeden Fall kampfunfähig, bewusstlos und erfordert mehrere lange und komplizierte Heilungsversuche ...

Ich glaube, ich mag Pendragon doch sehr.
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Offline SeelenJägerTee

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #59 am: 11.03.2010 | 00:03 »
Zitat
Nein, nein. Keinesfalls ein Grund für mich, gleich "Bullshit" zu deklamieren. Wenn man ein reiner Geschichtenerzähler ist wie ich (gucke mal auf die Wertung in meiner neuen Sig Smiley ), geht das unter Umständen schon.
Du hast behauptet vor "realistischen" Gesichtspunkten müsse man nur zwischen nicht getroffen und tödlich getroffen unterscheiden.

Der klassische Modus in Rollenspielen, oder das, was ich mal so nennen möchte, ist seit 35 Jahren so, dass höchstwahrscheinlich die Bombe am meisten "Schaden" verursachen würde (sagen wir 8W6), aber das Claymore weniger als die Bombe (z.B. 3W6) und der Dolch auch wesentlich weniger als das Claymore (z.B. 1W6).

Ehrlich betrachtet ist das alles Kokolores.  :D Entweder man tötet einen Gegner oder man tötet ihn nicht, oder er hat Glück und kommt mit einer Verwundung davon. Aber ob das Opfer nun mit einer zwergischen Zweihandaxt getroffen wird oder mit einem Wurfpfeil oder Wurfdolch, ist dem Opfer unter realitätsnahen Umständen vermutlich egal.
[...]
Nach dieser Überlegung bin ich zu der Einschätzung gekommen, dass ich solche klassischen Regelsysteme mit "Schaden auswürfeln" nur noch dann verwende, wenn die Spieler keinen hohen Wert auf Realitätsnähe oder Logik legen bzw. wenn sie über solche Macken in den Regeln freundlich hinwegsehen können. In dramatisch und erzählerisch angelegten Systemen würde ich nur zwischen TÖDLICHEM Angriff und NICHTTÖDLICHEM Angriff unterscheiden. Dazwischen gibt es nichts.
(....verwende, wenn die Spieler KEINEN HOHEN WERT AUF REALITÄTSNÄHE ODER LOGIK LEGEN...)

Und da habe ich gesagt, diese Aussage ist schlicht weg falsch.
Es kann vor einem Hintergrund des Spieldesigns Sinn machen, da kann dies u.U. die beste Lösung sein.
Aber es ist absolut NICHT realitätsnah. Es ist nicht realitätsferner als HP abstreichen à la D&D aber auch nicht realitätsnäher.

Es ist mir extrem UNEGAL ob man mir mit einem Baseballschläger vor den Brustkorb schlagt (sehr schmerzhaft aber höchst wahrscheinlich nicht letal) oder mit einem scharfen Messer ins Herz gestochen werde (wohl relativ schmerzfrei, aber sicher tödlich).

Außerdem halte ich es auch vor einem Story-Orientierten Spiel für sehr Relevant ob ein Charakter einen Kampf unbeschadet überlebt (ausgeschaltet aber am Leben), den Kampf verstümmelt überlebt (ausgeschaltet aber am Leben) oder über die nächsten 2 Tage an seinen Verwundungen jämmerlich verreckt.
« Letzte Änderung: 11.03.2010 | 00:05 von SeelenJägerTee »

Offline Jed Clayton

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #60 am: 11.03.2010 | 01:33 »
Ich krame noch mal ein paar Erfahrungen aus meiner regulären RuneQuest-Runde (MRQ System, 2006 bis 2009) hervor:

Dort führte unser Krieger eine große beidhändige Hammer-Stangenwaffe (Great Hammer), nicht aus Holz, sondern aus Metall, und machte damit bei ungepanzerten Gegnern kritische Kopftreffer (!) und diese Gegner gingen dann noch nicht mal notwendigerweise KO. Sogar Gegner mit mehrfachem Schädel-Hirn-Trauma konnten ruckzuck geheilt werden (... wow, den Sanitäter/Heiler möchte ich auch haben!).

Dann das Theater mit dem schon erwähnten Kurzbogenpfeil. Der ist mit 1W6 Schaden festgelegt und kann als Geschoss von einer Bogenwaffen keinen Stärke-Bonus zum Schaden erhalten (was Schwerter, Äxte und andere Nahkampfwaffen aber ständig tun). Damit ist dieser 1W6 Pfeil nicht nur für den Rittersmann in Vollplatte nicht lebensbedrohlich, was ich mir ja noch bildlich vorstellen kann, sondern auch für einen nackten Eingeborenen oder einen in Lumpen gekleideten Bettler oder Vagabunden. Er macht selbst unter den günstigsten Umständen für den Angreifer nur 6 Punkte Schaden. Der Gegner fällt nur hin, verliert Aktionen in der Runde usw., aber selbst bei mehreren solchen Treffern im selben Kampf schlägt er sich vermutlich noch recht gut. Da bei RuneQuest auch zusätzlich noch die Trefferzone am Körper ausgewürfelt wird, müsste man den 1W6 Pfeil mehrmals hintereinander in dieselbe Trefferzone schießen (zweimal, dreimal Brust oder zweimal Kopf), um den von dir angesprochenen "letalen" Treffer zu erzielen. Vielleicht war das alles aber auch von Anfang an eine Entscheidung der Spieldesigner, um PCs und NPCs gleichermaßen Überlebenschancen einzuräumen und den "body count" allgemein etwas niedriger zu halten. RuneQuest ist schließlich auch kein Ego-Shooter und ich hatte damals als Spielleiter auch überhaupt keine Lust auf Leichenberge. Also war es dem Spiel meiner Spielrunde letztendlich sogar zuträglich.

Das RQ-System war in der 2006er Edition ein wenig unausgewogen. Die Charaktere wurden sehr schnell getroffen, das gesamte Kampfsystem bevorzugte deutlich den Angreifer. Schilde und Rüstungen wurden schnell strapaziert und konnten auch beschädigt werden, Waffen konnten beim Parieren brechen. Obwohl aber der Verteidiger rasch blutete oder auf seinem Hintern landete, war er nicht gleich ein Todesopfer. Ich habe allerdings nie nachgefragt, ob das eine bewusste Designentscheidung von Mongoose war.

Übrigens ist RQ von Mongoose und auch in den vorangegangenen Editionen ein Spiel, das letzten Endes Waffenfertigkeit und Waffenschaden zusammenlegt: Landet man einen kritischen Treffer, geht der Schaden prompt auf den Maximalwert (maximale Waffenwürfelergebnisse plus maximaler Schadensbonus) - das ist schon ein gehöriger Kratzer, eventuell auf der Stelle tödlich oder etwas, das den getroffenen Charakter für den Rest seines Lebens verkrüppelt... Fantasy-Heilungsmagie mal ausgenommen.

Daher meinte ich: Mit realistischen Erwartungen an mittelalterliche Metallwaffen durfte man da auch nicht herangehen, oder auch mit realistischen medizinischen Erwartungen an den menschlichen Körper. Keiner meiner Spieler tat das, denn sie konzentrierten sich größtenteils auf das Fantastische beziehungsweise auf den Plot.

Schlimmer lief es noch anno 1993 in meiner ersten Palladium-Runde, mit Heroes Unlimited (Palladium System): Da hatten die Spielercharaktere tatsächlich dreistellige Werte in S.D.C., einer Form von Trefferpunkten/Lebenspunkten. Das ist in dem System beabsichtigt, also nichts Besonderes. Sagen wir z.B. einmal 140 S.D.C. Dann kamen Gangster mit großkalibrigen Schusswaffen oder sogar Uzis. Eine einzelne Patrone bewirkt in dem System meistens 3W6 oder 4W6 Punkte Schaden, der von der S.D.C. abgezogen werden soll. Damals, im Jahre 1993, hatte ich noch nicht viel Erfahrung mit Rollenspielen und machte einfach brav alles so, wie es im Buch stand. Resultat in etwa wie folgt:

"Was, die haben Uzis? - Mir doch egal, die Kugeln machen 2W6, also schlimmstenfalls 12 Schaden. Aber ich hab' 140 S.D.C., also kann ich da einige Geschosse wegstecken, bevor ich etwas spüre ... ich laufe absichtlich in den Kugelhagel, um denen zu zeigen, wie Chuck Norris ich bin, haha."

Erst später habe ich mir das Regelwerk noch einmal genau zu Gemüte geführt und kam dann endlich dahinter, wozu S.D.C. eigentlich gedacht war: S.D.C. (Structural Damage Capacity - ein Begriff, der eigentlich zu Gebäuden und Fahrzeugen gehören sollte, Mister Siembieda! ;) ) ist nichts Anderes als jene dramatischen, filmischen oder comicheftmäßigen Erschöpfungspunkte, die man unter vielen Namen auch in anderen Systemen antrifft. Der Charakter kann/soll erst mal alle seine Punkte in S.D.C. verlieren, bevor er anfängt, lebensbedrohliche Verletzungen zu erleiden. Im Gegensatz dazu sind die Hit Points in RuneQuest tatsächlich Lebenspunkte oder physische Verletzungspunkte. S.D.C. ist anders. Der Verlust von S.D.C. zeigt höchstens an, wie weit der Charakter von einer brenzligen Situation entfernt ist. Allerdings stehe ich heute wie damals vor 17 Jahren auf dem Standpunkt, dass ein Regelsystem nicht notwendigerweise auch noch Parade- und Ausweichen-Werte benötigt, wenn S.D.C. / Trefferpunkte ausdrücken, dass der Charakter eben eventuell doch ausweicht, in Deckung geht, Schläge abblockt usw. Panzerungen kämen dann auch noch dazu.

Kampfaktionswürfe und Schadenswürfe wären insofern einfach eine Redundanz.
« Letzte Änderung: 11.03.2010 | 01:38 von Jed Clayton »
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Offline Zornhau

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #61 am: 11.03.2010 | 02:52 »
Ich krame noch mal ein paar Erfahrungen aus meiner regulären RuneQuest-Runde (MRQ System, 2006 bis 2009) hervor:
...
Dann das Theater mit dem schon erwähnten Kurzbogenpfeil.
...
Vielleicht war das alles aber auch von Anfang an eine Entscheidung der Spieldesigner, um PCs und NPCs gleichermaßen Überlebenschancen einzuräumen und den "body count" allgemein etwas niedriger zu halten.
MRQ weist einige Verschlimmbesserungen auf.

In RQ2 und RQ3 wäre das oben geschilderte, UNPLAUSIBLE Ergebnis NICHT möglich!

Hier macht ein Pfeil zwar auch nicht mehr Grundschaden, aber je nach Trefferqualität eben auch mal mehr Schaden und Sondereffekte. - Pfeile sind Impaling Weapons, was bedeutet, daß sie bei einem Special Success STECKEN. In RQ2 macht ein Pfeil dabei den normalen, ausgewürfelten Schaden PLUS den Maximalschaden. Das reicht auch bei einem Beintreffer für HEFTIGE Effekte aus. Und es kommt noch besser: Der Pfeil STECKT, was bedeutet, daß NOCHMALS Schaden anfällt, sobald sich der Getroffene auch nur zu bewegen beginnt (Kämpfen, Gehen, usw. - alles Bewegungen = nochmals Schaden!). Und noch schlimmer: Weil der Pfeil STECKT, kann die Wunde nicht geheilt oder sonst irgendwie behandelt werden! Dazu muß der Pfeil erst herausgezogen werden, was nicht so einfach ist und bei JEDEM Versuch NOCHMALS SCHADEN anrichtet.

Folge: Wer einen Impaling Hit in RQ2 oder RQ3 kassiert hat, der macht erst einmal NICHTS MEHR. Sofortige Kampf-"unwilligkeit", weil sonst sofortiger Tod droht. - Und das ist sowohl beim schwergerüsteten Rittersmann der Fall wie beim ledenschurzflatternden, ansonsten nackten Wilden.

MRQ muß somit die Pfeile bzw. Impaling Weapons SEHR STARK abgeschwächt haben - und zwar bis zur Unplausibilität abgeschwächt.

Ob das Absicht der Entwickler war? Vermutlich. - Immerhin bekommt man dann ein "D&D-like" "Unkaputtbar"-Feeling hin. Ein einzelner Treffer (oft sogar der erste in einem Kampf, wo Scharfschützen mit Bögen beteiligt sind) kann nicht mehr einen One-Hit-Kill bewirken. Das macht Kämpfe weniger riskant und das mag GEWOLLT sein, da ja Mongoose sein MRQ als D20-Nachfolgesystem für seine diversen neuen Settingprodukte verwenden wollte.

Dein Beispiel ist aber auch nicht anders als das in JEDEM Hitpoint-System, welches keine Kritischen oder Besonderen Treffer verwendet, sondern Waffenschaden deutlich unterhalb der "Spürbarkeitsgrenze" für Charakter dimensioniert hat. - Wie gesagt: In RQ2 und RQ3 konnte man noch so gut gerüstet sein, ein einfacher Pfeil geschossen von einem einfachen Bogen war IMMER verdammt gefährlich!

Online 1of3

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #62 am: 11.03.2010 | 10:01 »
Ja, sollte man.

Je besser man trifft, desto mehr Schaden macht man. Man spart sich einen Würfelwurf und beschleunigt dadurch das Spiel merklich.

Wie ich schon sagte: Es kommt auf die Komplexität des Würfelvorgangs an.

Die zwei Würfe von D&D gehen schneller als einmal Würfeln bei gewissen Poolsystemen.

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #63 am: 11.03.2010 | 11:33 »
@Jed: das Phänomen hat man doch in vielen Rollenspielen. Trefferpunkte oder wie immer sie heißen werden dann halt oft abstrahiert; die Diskussion war ja schon x-mal da. In D&D oder DSA etc. ist es ja auch in der Regel unmöglich, einen Gegner mit einem Treffer selbst mit einer Streitaxt zu killen. Dein o.g. Beispiel auf DSA übertragen in etwa "Säbel macht 1W+3 Schaden, ich hab 35LE und RS3, da halte ich mindestens 5 Treffer aus ehe ich zu Boden gehe."
Beim D20-Ableger Conan hat man da eine spezielle "Massive Damage" Regel, um genau das zu beheben; bei B20 Star Wars gibt es die Wound/Vitality Regel, und so weiter. Im Endeffekt kommt es bei diesen Systemen darauf an, möglichst kritische Treffer zu landen. Aber unterm Strich ist es mir bei solchen Systemen relativ egal, weil sie keinen Anspruch auf Realismus erheben.

Etwas unerfreulicher ist das, zumindest für mich persönlich, beispielsweise bei Shadowrun, wo die Gesundheit weniger stark abstrahiert ist und jeder Treffer auch wirklich eine Verletzung darstellen soll (weil zwischen körperlichem Schaden und Betäubung unterschieden wird). Da ist es nämlich für einen Otto Normalverbraucher (ohne extra Waffenskill) mit den meisten Waffen quasi unmöglich, tödlichen Schaden auszuteilen (oder womöglich überhaupt zu treffen). Das beisst sich schon ziemlich mit GMV und realem Weltwissen. Nochmal zur Erinnerung, SR ist ein System mit im Trefferwurf integriertem Schaden.
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Offline SeelenJägerTee

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Re: Schaden in den Trefferwurf integrieren oder eher klassisch?
« Antwort #64 am: 12.03.2010 | 12:35 »
@Jed
Das von dir angesprochene Problem, dass ein massiver Treffer mit einer Zweihandwaffe auf den Kopf nicht tötet ist aber KEIN Problem der Trennung von Angriff und Schaden.

Du kannst genauso ein System haben, das nur einen Wurf für Angr und Sch. hat und in diesem System im besten Fall 5+ Angriffe benötigen um einen Feind zu neutralisieren.

Auch eine Unterscheidung zwischen lediglich tödlichem und gar keinem Treffer macht das nicht realistischer. Wenn dein Zweihandhammer in 99% aller Fälle keine Wirkung zeigt ist das nicht besser.

Oder um es mal anders zu sagen:
Das Beispiel mit dem Pfeil. Portieren wir das mal in ein System, in dem man ca. 20 HP hat und ein Pfeil 3w8 schaden macht. Der Erwartungswert des Schadens beträgt 13,5 - es können aber auch 3 oder 24 Punkte Schaden sein.
Wenn eine Vollplatte jetzt in dem System 10 Punkt Schaden reduziert ist ein Ritter effektiv nicht mehr durch den Kurzbogen zu töten, sehr wohl aber durch den Langbogen, der sagen wir mal 4w8 macht: Erwartungswert 18; Min 4; Max 32.
Wenn die Regel jetzt noch sagt, dass eine Kombination aus erfolgreichem Treffer und maximalem Wurf beim Trefferwurf einen kritischen Treffer bedeutet, der Rüstung ignoriert, kann der Ritter sogar vom Kurzbogen geplättet werden.

Ich hoffe mal, dass aus den Beispielen ersichtlich wird, dass ein "realitätsnahes" Verhalten der Treffer nicht durch eine der o.g. Varianten erzielt wird, sondern lediglich durch deren konkrete Ausführung.