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Geistesgeschichtlicher Fantasyansatz?

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Azzie:
Also, in der Fantasia #156 des EDFC habe ich einen äusserst interessanten Aufsatz (von K. Lehmann) gelesen, in dem as hauptsächlich um den Versuch eines Vergleichs der versch. Ansätze zur Fantasy geht.

Lehmann legt die versch. geistesgeschichtlichen Hintergründe versch. Nationen (Kulturgemeinschaften?) kurz da, und versucht die Verschiedenartigkeit der jeweiligen Fantasyliteratur aus diesem Hintergrund heraus zu erklären. Seine Ergebnisse haben mich ehrlich zum Nachdenken angeregt.
Zitat: "Es gibt eine interessante Kontinuität in der Geistesgeschichte einiger Nationen. Ohne Italien, Spanien, Russland und anderen Unrecht tun zu wollen, [...], fällt das bei England, Frankreich und Deutschland am deutlichsten ins Auge: Das französiche Denken, das über die Grenzen dringt, ist immer rationalistisch, [...]. Dem stets entgegengesetzt ist das englische Denken seit jeher empiristisch [...]. Die deutsche Denkschule schließlich ist traditionell transzendental." usw. usf.

Darauf aufbauend erläutert L. nun die Gegensätze in der Fantasy, die sich (für ihn) am frappierendsten in den Merkmalen 'empiristisch' (angelsächs. Tradition, Bsp. Tolkien), mit fest vorgegebenen und ausformulierten Welten, zu 'romantisch' (dt. Tradition, Bsp. Ende), mit Welten, die sich der Leser während der Lektüre selbst erfinden muss/kann, äußern.

Ich finde diesen Ansatz sehr interessant, da es imho wirklich die Tendenz zu epischer Detailausarbeitung in der Fantasy gibt. Kann das mit der 'Flut' anelsächsischer Fantasyliteratur zusammenhängen, mit der Adaption von Vorbildern wie Tolkien (dessen Werk Lehmann ja als 'tolkien'sche Fantasy' als typisches Beispiel des Empirismus anführt) zusammenhängen? Ist diese nur eine 'Modeerscheinung'? Oder ein (erzwungenes) Drängen hin zu 'einseitiger' Erzählung? Behindert das Detail die Vorstellung, die 'fantasievolle Ausarbeitung' des Autors die Fantasie des Lesers? Oder ist diese Tendenz so überhaupt nicht vorhanden?

Noch was, nebenbei: kann es sein, dass es mitunter leichter fällt durch Details den Leser in die Welt einzuführen und dort zu fesseln?
Macht es mehr Mühe eine 'offene' Welt glaubhaft und fesselnd zu formulieren?

Cobra_JK:
Wenn ich ein Buch lese, dann will ich auf jeden fall ein paar Details wissen, aber es dürfen auf keinen Fall zu viele sein. Es ist für mich genauso schlimm, wenn es heißt er geht durch die Wüste (Felisg-Steinig,  roter Sand oder was nun? Fühl mich dann etwas allein gelassen.) oder wenn halt in dieser Wüste jedes Sandkorn, jeder Grashalm und jeder Stein beschrieben wird. Es muss der richtige Mittelweg gefunden werden und wenn man eine möglichst offene Welt formulieren will, sollte zumindest auf die Umgebung etwas genauer eingegangen werden, damit der Leser/Spieler weiß wo er sich befindet und wie er agieren kann.

Gast:
Erst mal müsste man definieren, was man in diesem Zusammenhang unter "Fantasyliteratur" versteht. Im engeren Sinn (dem, was heute in Verlagsprogrammen unter "Fantasy" läuft) geht das mit Sicherheit alles in eine Richtung, aus dem einfachen GRund, weil Tolkien das Genre in dieser Form überhaupt erst geschaffen hat und sich alle daran orientieren. Wenn man Fantasy so definiert, dann gibt es imho überhaupt keine andere als die "angelsächsich-beeinflusste" Fantasyliteratur. Bei Ende mag es vergleichsweise viele surreale Elemente geben, aber es tauchen auch feste "staatliche" Strukturen (Unendliche Geschichte) und epische Kämpfe zwischen Gut und Böse (Momo) auf. Andererseits gibt es auch im Herrn der Ringe Charaktere, die sich dem "Politischen" entziehen, Tom Bombardil zum Beispiel.
Fasst man den Begriff weiter und nimmt zum Beispiel die Werke der deutschen Romantik mit rein, die sich an Volkssagen (oder dem, was man dafür hielt) orientieren, kann ich auch keinen echten Unterschied feststellen. Wenn die Romantiker immer wieder das Bild von Barbarossa bemühen, der im Kyffhäuser darauf wartet, das Reich schützen zu müssen, dann ist die Nähe zur Artussage oder zu der Armee der Geister (weiß gerade nicht, wie die heißt) im HDR doch deutlich.




--- Zitat von: Azzie am  5.06.2003 | 01:04 ---Noch was, nebenbei: kann es sein, dass es mitunter leichter fällt durch Details den Leser in die Welt einzuführen und dort zu fesseln?

--- Ende Zitat ---

Alter journalistischer Grundsatz: Vom Allgemeinen ins Spezielle. Es ist einfach lebendiger wenn ich schreibe "Gänseblümchen, Vergissmeinnicht und Schneeglöckchen" statt "Blumen", weil dann jeder sofort ein bild vor Augen hat.

6:
Wie passt da "Conan", "Winnetou", die Artussaga, das Nibelungenlied oder "Tarzan" rein?

Boba Fett:
Oder die Gebrüder Grimm

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