Autor Thema: Rollenspielsysteme als Gesellschaftstheorie/ Forschungsmethode  (Gelesen 2587 mal)

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Offline Ethelbeorn

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Offline Merlin Emrys

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Ja, vom ersten Eindruck her würde ich sagen, es lohnt, da einen genaueren Blick drauf zu werfen. Nur schade, daß das Deckblatt fehlt :-o .

Offline Beral

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Zusammenfassung und Kontext wären nett.

Was bedeutet "Design"? Was bedeutet "Transformation von Rollenspielsystemen"?
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.

Offline Ethelbeorn

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Das war eine Arbeit im Studiengang "Integrated Design" an der "Köln International School of Design"

Das, den meisten Rollenspielen zu Grunde liegende Schema

Fähigkeitswert + Faktoren - Schwierigkeitsgrad = Erfolg

zerlege ich hier in die Einzelteile und versuche die Elemente, bzw. die Exakteit der Zahlenwerte, die immer dabei stehen in der Realität zu überprüfen.


Was bedeutet Design?
...ist unter anderem eine Fragestellung der Arbeit. Tatsächlich gibt es an der Hochschule einen Lehrstuhl für Designtheorie, dessen Aufgabe die Beantwortung eben dieser gar nicht so einfachen Frage ist.

Ausgehend vom Rollenspiel könnte man sagen, dass dann Design im Spiel ist, wenn die Spieler zur Lösung eines Problems nicht die, vom Spielsystem vorgegebenen Handlungsoptionen wählen, sondern neue, unkonventionelle Wege gehen.

Offline Beral

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Womit beschäftigt sich "Integrated Design"? (Was macht man damit? Geht es um Technik, um Politik, um Kultur, um Multimedia, ...?)

Deine Designdefinition ist interessant. Mein gefühlter Eindruck ist, dass Rollenspiel genau das Gegenteil zu erreichen versucht.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

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Offline 1of3

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Ach, das ist von dir? Hättest du doch gleich sagen können.

Zunächst mal: Korrekt wäre die Schreibung "Pen-and-Paper-Rollenspiele". Mit Bindestrichen überall. Ebenso Independent-Rollenspiel usw. Das englische Wort für Panik schreibt sich dagegen mit "c": "Moral Panic". Bei "theate-ranalog" auf S. 39 hat wohl die automatische Silbentrennung zugeschlagen.


Nicht ganz schlüssig scheint mir, dass der Verzicht auf Zufallsprozesse eine höhere Kooperation und weitergehende Interpretation durch den Spielleiter nötig macht (S. 16). Auch die meisten Zauber bei D&D funktionieren ohne Zufall, sofern sie nicht einen Angriff darstellen. Trotzdem muss man sich nicht darüber unterhalten, was Unsichtbarkeit oder Federfall bedeutet.

Du betrachtest ansonsten ganz bestimmte Arten von Rollenspielsystemen, nämlich solche mit Erfolgsproben, bei denen also ein abgeschlossener Würfelprozess existiert, zwischen Zielsetzung und Erfolg vermittelt. Das ist legitim, zumal du erklärst, dass es auch andere Spiele gibt.

Vernachlässigt wird, wenn es um die Beschreibung von Rollenspiel geht, allerdings der "Kitt" zwischen zwei Erfolgsproben, die Methodik, mit dem man von einer Erfolgsprobe zur nächsten gelangt. Hierin nämlich liegt der relevante Unterschied zwischen verschiedenen Rollenspielen. Die einzelnen Erfolgsrpobe lassen sich sehr angenehm auf eine allgemeine Formel runterkochen, aber die interessante Fragestellung wäre: "Wie entscheidet sich, dass jetzt gewürfelt wird?", oder besser: "Wer entscheidet wann was gewürfelt wird?" Diese Frage lässt sich nämlich gar nicht so leicht beantworten, nicht einmal für die von dir betrachteten Spiele.

Betrachten wir ein Spielsituation:
Spieler: "Ich hau ihm auf die Fresse." *würfelt* "Kritisch getroffen."

Hier hat nicht etwa der Spielleiter entschieden, sondern der Spieler. Und auch die Auswirkungen hängen nicht mehr vom Spielleiter ab, sondern nur noch vom Macht-Katalog des Spielers.

Warum dann letztlich Design mit Problemlösen gleichgesetzt wird, ist mir nicht ganz klar. Ich hätte jetzt naiv angenommen, dass bei Design Elemente wie Eleganz mitschwingen. Nichts desto trotz ist der kreative Einsatz von Fähigkeiten im Rollenspiel sicherlich eine Form des Problemlösens.

Offline OldSam

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Hast Du die Arbeit in dieser Form schon abgegeben oder ist das noch eine Vorversion?
Macht grundsätzlich einen ganz netten Eindruck auf mich das Ganze... (bin übrigens selbst SoWi-Absolvent ;))

Falls letzteres der Fall ist, aber schon mal ein formaler Verbesserungs-Tipp: Auf jeden Fall die wikipedia-Quellenangaben durch richtige wissenschaftliche Quellen zu ersetzen! Das wird (zurecht) von praktisch jedem Dozenten als "bad style" angesehen... - und wenn man aus bestimmten Gründen wirklich wikipedia nutzen will dann zumindest die permalink-Zitierung, alles andere ist auch noch methodisch unsauber, wg. der Unstetigkeit der Quelle ;)

« Letzte Änderung: 29.03.2011 | 20:04 von OldSam »

Offline OldSam

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Nach etwas genauerem Blick muss ich jetzt sagen, dass ich den Aufbau der Arbeit in dieser Form etwas ungünstig finde - es gibt z.B. kein richtiges Fazit und in dem Ausblick klingt es von der Formulierung her auch eher so danach, dass das alles nicht viel gebracht hat...?  wtf?
Ich würde ggf. versuchen die Struktur mehr in eine klassischere Form zu bringen, um vom Ausgangsproblem auf eine Lösung bzw. finale These hinzuführen - also weniger aneinandergereihte Punkte und mehr Anschlußstruktur...

Und bei den konkreten Beispielen zu D&D, DSA, GURPS usw. finde ich es irgendwie schwierig nachzuvollziehen, worauf Du eigentlich hinauswillst und wie diese Beispiele entstehen - insbesondere: Wo kommen eigentlich die jeweiligen Modifikatoren her? Ist es Dir bei Deiner Betrachtung egal, ob z.B. die Chance eine Tür zu öffnen schlußendlich gering oder hoch ist o.ä.? (Das ist nämlich mein Eindruck) Würde versuchen deutlicher zu machen, worum es dabei genau gehen soll.

just my 2 cents ;)

« Letzte Änderung: 29.03.2011 | 20:04 von OldSam »

Offline Ethelbeorn

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@Beral:
Das "Integrated" bei Integrated Design kann man auch weglassen. Der Studiengang an der FH deckt einen großteil von Lehrgebieten ab, die man normalerweise mit design verknüpft. neben Layout und Produktgestaltung spielen auch Soziologie, Psychologie und eine ganze Bandbreite von anderen Disziplinen eine Rolle. Ich lerne haupsächlich, aus der breiten Masse an informationen auszuwählen und auf ein vorher festgelegtes Projekt zu übertragen.
http://kisd.de/subjects.html

@ 1of3:
Die Zusammenhänge von mehreren Handlungen ist nochmal ein Thema für sich.  :)

Man kann z.B. einen Ressourcenkreislauf erstellen, bei dem jede Handlung die Ausgangsposition für folgende Handlungen verbessert oder verschlechtert.
Davon ausgehend kann man begründen, warum das in Kauf nehmen von Nachteilen langfristig Erfolg bringen kann.

Mit den Zaubern hast du recht, da ist auch ohne Würfel alles definiert.
Die Interpretationen und Absprachen haben aber bereits in den Testspielen stattgefunden. Nicht ohne Grund finden sich z.B. so viele Erratas im Bezug auf Zauber.

Insofern müsste man eigentlich sagen: Wenn ein Spiel ohne Würfel läuft müssen entweder genauere Absprachen am Tisch getroffen werden, oder sehr präzise Regeln für alle relevanten Aspekte einer Handlung verwendet werden.

@OldSam
Danke für die Korrekturen, aber die Arbeit ist leider schon abgegeben und die Prüfung bestanden worden. Hätte ich echt auch vorher schreiben können, sorry :-\

Es geht im Wesentlichen um das abstrakte Schema mit dem Handlungen simuliert werden. wie hoch die einzelnen Zahlenwerte sind ist in der Hinsicht völlig egal.

Das Fazit ist tatsächlich, dass das Rollenspiel nur bedingt als etwas anderes als ein Spiel verwendet werden kann. Etwas anderes ergibt sich aus der doch sehr ausführlichen Analyse nicht. Mir wäre natürlich auch lieber gewesen, das man mit Hilfe des Rollenspiels die Zukunft präzise vorraussagen kann.

Offline Merlin Emrys

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Danke für die Korrekturen, aber die Arbeit ist leider schon abgegeben und die Prüfung bestanden worden. Hätte ich echt auch vorher schreiben können, sorry :-\
Hmm... da wäre ich mir gar nicht so sicher, ob das besser gewesen wäre. Ich meine, es geht, wie Du schreibst, um "eine Art Vordiplom". Wenn man dann unvorsichtigerweise die... ehm, naja, sagen wir, wenn man ein in seiner Summe überkritisches Publikum fragt, wird man es nicht abgeben können, bevor es nicht zumindest eine halbe Dissertation ist :-o . Insofern ist, wenigstens wenn Du mich fragst (naja, zu spät... sagen wir also: wenn Du mir Glauben schenken magst) die Reihenfolge schon ganz okay so ;-) .

Offline Ethelbeorn

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Abgesehen davon bin ich mir auch nicht sicher, in wie weit eine Arbeit der selbstständigkeitserklärung nachkommt, wenn sie von einem Rollenspielforum "geschrieben wurde" ;D

ich meinte mit der Aussage auch eher, dass ich im Anfangspost auf den Stand der Dinge hätte hinweisen können

Danke übrigens an alle für die Rückmeldungen!

Offline Beral

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Für mich war die historische Betrachtung der Rollenspielentwicklung fruchtbar. Da habe ich den Kontext erkannt, der sehr viele Probleme, Diskussionen und Entwicklungen verständlich macht.

In meinen Worten:
1) Am Anfang war strategische Schlachtsimulation, quasi Schach mit Zufallselement. Das Zufallselement und die geringere Abstraktion im Vergleich zu Schach dürften das große Plus ausgemacht haben.
2) Die Schlachtsimulation wird personalisiert. Statt einer Armee führt man einen Charakter. Schauplatz ist nun die Grotte, in der man Monster schlachtete. Die Grotte als Raumgefüge gab die Struktur vor, die Regeln entschieden über Erfolg oder Misserfolg der Charakterhandlungen. Das entscheidende Plus war hier die Personalisierung des Konflikts.
3) Das Raumgefüge wurde von Grotte auf Welt ausgeweitet. Damit wurden neue Möglichkeiten geschaffen, was das entscheidende Plus dieser Entwicklung war. Allerdings war das Raumgefüge jetzt so gewaltig groß und unübersichtlich, dass es nur noch eingeschränkt als Strukturgeber fungieren konnte. Die Struktur wurde nun von der Story und ihrer Dramaturgie geliefert. Knackpunkt: Die Regeln zogen bei dieser Entwicklung nicht nach. Der Spielleiter war praktisch ohne Hilfsmittel dazu verdonnert, die dramaturgische Struktur herzustellen und die gigantische Vielfalt des Möglichen zu handhaben. Das klappte selten gut (Railroading als Notlösung) und Konflikte häuften sich.
4) Es werden Versuche unternommen, den Strukturgeber zu verregeln, damit den SL zu entlasten und eine Lösung der Konflikte herbeizuführen. Einfach nur eine Entscheidungsregel für den Erfolg von Charakterhandlungen zu liefern, reicht nicht mehr. Da es viele Möglichkeiten gibt, dem Spiel Struktur zu verleihen, entstehen auch viele verschiedene Lösungsansätze. Manche Spielsysteme regeln gruppendynamische Prozesse auf Spielerebene, andere regeln den geordneten Aufbau eines dramaturgischen Spannungsbogens, wieder andere regeln einen gezielt herbeigeführten emotionalen oder moralischen Konflikt, usw.

Das ist die Phase, in der wir uns momentan befinden. Wir sind über die Phase hinaus, als das Spielziel "Versuche die Monster zu töten" lautete. Heute werden anderslautende Ziele explizit formuliert, um sich eindeutig abzugrenzen. Die Emanzipation von Phase 2) ist aber noch nicht abgeschlossen. Der individuelle physische Kampf nimmt immer noch eine sehr dominierende Rolle ein, selbst wenn die explizite Zielsetzung etwas anderes verlauten lässt. Wir haben es aber immer häufiger mit Systemen zu tun, die dem Kampf keine Sonderregeln mehr einräumen; mit Systemen, in denen der physische Kampf tatsächlich keine Rolle mehr spielt oder nur am Rande relevant wird.

Wir haben uns auch von Phase 3) noch nicht emanzipiert. Statt eines guten Erzählspiels etablierte sich da mangels zielführender Regelwerke das Railroading als Notlösung. Aber auch hier haben wir bereits Systeme, die diese Lücke schließen oder es zumindest versuchen. Auf jeden Fall gibt es Lösungsansätze im Sinne der Problemstellung.

Wir haben außerdem Systeme, die Politik, Sozialleben und Wirtschaft simulieren, bzw. die erste Schritte in diese Richtung tun. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, die Dynamik einer Welt zu erleben. Nach Charakter und Story ist damit eine neue Qualität des Spielinhalts erreicht - vielleicht sogar der Beginn einer neuen Stufe? Alles in allem sind wir auf einem guten und spannenden Weg. Wir schleppen zwei große Altlasten mit uns herum, aber wir befreien uns immer weiter davon. Mal sehen, wohin die Reise geht.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.

Offline Ethelbeorn

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den letzten Punkten würde ich voll zustimmen.
Auf den ersten Blick scheint es ziemlich utopisch, Rollenspiele mit regeln für komplette gesellschaften zu entwickeln, aber die regeln die heute noch überwiegend verwendet werden schaffen es ja auch, komplexe Handlungen zu modellieren.
Vielleicht gibt es ja sogar ein ähnlich einfaches Schema, was die Dynamik eine Gesellschaftlichen Entwicklung modeliert.
so a la

Kulturbonus + Entwicklungsfaktor - Katastrophen = Entwicklung

Ich glaube aber eher, dass assoziative systeme für diese Zwecke bessere Ergebnisse erzielen als interpretative . Ganz einfach aus dem Grund, das wir uns gut vorstellen können, was SG15 und +4 bei einem Springen Wurf heißt, als bei der Frage, was für politische Themen in Camelot morgen an der Tagesordnung sind oder welche Entwicklung die Forschung als nächstes präsentiert.